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Urban Gardening Möglichkeiten in St.Gallen Abbildung 1: Titelbild Quelle: Eigene Zeichnung Eigene Darstellung Yasmine Zweifel Masterarbeit 2014 Pädagogische Hochschule St.Gallen

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Urban Gardening

Möglichkeiten in St.Gallen

Abbildung 1: Titelbild

Quelle: Eigene Zeichnung

Eigene Darstellung

Yasmine Zweifel

Masterarbeit

2014

Pädagogische Hochschule St.Gallen

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Yasmine Zweifel 2

Urban Gardening

Möglichkeiten in St.Gallen

Masterarbeit

Pädagogische Hochschule St.Gallen

Studentin: Yasmine Zweifel

Kublystrasse 2

9016 St.Gallen

[email protected]

Dozent: Prof. Dr. Rolf Bürki

Co-Betreuung: Prof. Dr. Patrick Kunz

Abgabe: 22. August 2014

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Yasmine Zweifel 3

Vorwort

Gärtnern ist meine Leidenschaft, zu der ich dank dieser Masterarbeit einen noch tie-

feren Zugang gefunden habe. Mein Wunsch, nachhaltiger zu leben, brachte mich auf

das Thema Urban Gardening. Durch diese Arbeit habe ich viel gelernt und Neues

gesehen. Ich durfte mich mit spannenden Menschen unterhalten. Allen, die sich für

ein Interview zu Verfügung gestellt haben, möchte ich an dieser Stelle herzlich dan-

ken. Ausserdem geht ein grosser Dank an meinen Betreuer, Prof. Dr. Rolf Bürki, und

meinen Co-Betreuer, Prof. Dr. Patrick Kunz, die mich sehr gut durch diese Phase

geführt und noch mehr aus mir herausgeholt haben.

Es wäre wunderbar, wenn diese Masterarbeit dazu beitragen könnte, die Menschen

zum Nachahmen anzuregen und einen Schritt hin zu einer nachhaltigeren Gesell-

schaft zu machen. Die Stadt soll lebenswerter und gleichzeitig die Umwelt geschont

werden.

Yasmine Zweifel, im August 2014

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Yasmine Zweifel 4

Zusammenfassung

Die Nahrungsmittelproduktion in der Stadt ist ein altes Phänomen. Seit es Städte

gibt, werden dort verschiedenste Lebensmittel angebaut. Dennoch ist eine neue Be-

wegung bemerkbar, bei der in Gemeinschaftsprojekten oder auf Balkonen vermehrt

Obst und Gemüse angebaut werden. Das Ziel der Masterarbeit ist, die Möglichkeiten

von Urban Gardening abzustecken, um soziale, ökologische und ökonomische Prob-

leme in einer Stadt wie St.Gallen anzugehen.

Die Urban Gardening Bewegung kam von den USA, Kanada und Kuba in die Gross-

städte Europas. Langsam fasst die Bewegung auch in der Schweiz Fuss. Es ist an-

zunehmen, dass das Interesse noch weiter ansteigen wird. Die positiven Auswirkun-

gen auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft konnten in diversen empirischen Stu-

dien nachgewiesen werden. Vorbehalte, wie die Verschmutzung der Ernte durch

Schadstoffe oder ein erhöhter Wasserverbrauch, können durch gezielte Information

der gärtnernden Bevölkerung umgangen werden. Das Interesse an gärtnerischen

Themen, aber auch der soziale Austausch und die Mitbestimmung in politischen Be-

reichen sind ausschlaggebende Motive für Stadtgärtnerinnen und –gärtner.

Bei der Untersuchung von vier Gemeinschaftsgärten in Zürich, Basel und München

konnten sechs Kriterien gefunden werden, die für den Erfolg wichtig sind: Es ist ent-

scheidend, dass eine sehr interessierte und engagierte Startgruppe die Initiative er-

greift und ein geeignetes Stück Land zu Verfügung steht. Daneben sind die Finanzie-

rung, ein stets aktueller Internetauftritt, der Umgang mit den Medien und Veranstal-

tungen im Garten weitere Erfolgsfaktoren. Probleme können auftreten, wenn wichtige

Dinge nicht von Beginn an geregelt werden oder keine Freiwilligen mehr gefunden

werden können. Ausserdem ist es von Vorteil, wenn die Stadt gut mit den Urban

Gardening Projekten zusammenarbeitet.

In St.Gallen gibt es erst wenige Projekte und ein Gemeinschaftsgarten, wie er in die-

ser Arbeit definiert wurde, ist noch nicht vorhanden. Doch das Interesse ist sowohl

bei der Stadt als auch auf Seiten der Bevölkerung vorhanden. Dies konnte durch ein

Testprojekt in der St.Galler Altstadt und durch Interviews mit Amtsinhabern von

St.Gallen eruiert werden. Grund für das Fehlen solcher Projekte sind der nicht vor-

handene Leidensdruck von Seiten der Bevölkerung sowie die Randlage und geringe

Grösse von St.Gallen

Abschliessend steht die These, dass Urban Gardening gut geeignet ist, eine Stadt

nachhaltiger und lebenswerter zu machen. Es ist sogar möglich, dadurch den ökolo-

gischen Fussabdruck zu senken, wie etwa das Beispiel von Vancouver zeigt. Durch

Schulgärten wird bereits der jüngsten Generation der Sinn für Saisonalität und um-

weltbewusstes Handeln vermittelt. Sie können somit einen Beitrag zur Bildung für

nachhaltige Entwicklung leisten. Auswirkungen von Urban Gardening beschränken

sich nicht nur auf den gärtnerischen Aspekt, sondern es kann auch Veränderungen

im Konsumverhalten oder als Einstieg in politische Partizipation dienen.

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Yasmine Zweifel 5

Inhalt

VORWORT ........................................................................................................................ 3

ZUSAMMENFASSUNG ....................................................................................................... 4

INHALT ............................................................................................................................. 5

1. EINLEITUNG ............................................................................................................... 7

1.1. AUSGANGSLAGE UND PROBLEMSTELLUNG ............................................................................ 7

1.2. PRÄZISIERUNG DER FRAGESTELLUNG .................................................................................... 8

1.3. EINZELNE ARBEITSSCHRITTE UND METHODEN........................................................................ 8

1.4. QUELLENLAGE ................................................................................................................. 9

2. URBAN GARDENING ................................................................................................ 11

2.1. BEGRIFFSKLÄRUNG ......................................................................................................... 11

2.2. DIE GESCHICHTE ............................................................................................................ 14 2.2.1. Vancouver...................................................................................................................................... 15 2.2.2. Toronto .......................................................................................................................................... 16 2.2.3. New York ....................................................................................................................................... 17 2.2.4. Detroit ........................................................................................................................................... 19 2.2.5. Kuba .............................................................................................................................................. 20 2.2.6. England .......................................................................................................................................... 21 2.2.7. Deutschland ................................................................................................................................... 23

2.3. VERSCHIEDENE TYPEN VON GARTENINITIATIVEN .................................................................. 26 2.3.1. Abgrenzung zum Schrebergarten .................................................................................................. 26 2.3.2. Gemeinschaftsgärten .................................................................................................................... 27 2.3.3. Interkulturelle Gärten .................................................................................................................... 28 2.3.4. Mobile Gärten ............................................................................................................................... 28 2.3.5. Guerilla Gardening ........................................................................................................................ 28 2.3.6. Balkongärten ................................................................................................................................. 29 2.3.7. Urban Farming .............................................................................................................................. 29 2.3.8. Die Essbare Stadt ........................................................................................................................... 30 2.3.9. Urban Beekeeping ......................................................................................................................... 30

2.4. POSITIVE UND NEGATIVE AUSWIRKUNGEN VON URBAN GARDENING ........................................ 31 2.4.1. Umwelt .......................................................................................................................................... 31 2.4.2. Gesellschaft ................................................................................................................................... 33 2.4.3. Wirtschaft ...................................................................................................................................... 33 2.4.4. Vorbehalte gegen Urban Gardening ............................................................................................. 34

2.5. MOTIVE UND AKTEURE ................................................................................................... 35 2.5.1. Verbindung zur Freiwilligenarbeit ................................................................................................. 38

2.6. SITUATION IN DER SCHWEIZ ............................................................................................. 39 2.6.1. Urban Gardening in der Schweiz ................................................................................................... 40

2.7. TRENDENTWICKLUNG ..................................................................................................... 42

2.8. FAZIT .......................................................................................................................... 46

3. EXEMPLARISCHE AUSGEWÄHLTE URBAN GARDENING PROJEKTE ............................. 48

3.1. DEFINITION VON GEMEINSCHAFTSGÄRTEN .......................................................................... 48

3.2. AUSWAHL DER UNTERSUCHTEN GEMEINSCHAFTSGÄRTEN ...................................................... 49

3.3. METHODE .................................................................................................................... 50 3.3.1. Grounded Theory ........................................................................................................................... 50 3.3.2. Qualitative Inhaltsanalyse ............................................................................................................. 51 3.3.3. Methode dieser Arbeit ................................................................................................................... 51

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Yasmine Zweifel 6

3.4. DURCHFÜHRUNG ........................................................................................................... 53 3.4.1. Projekt 1: O’pflanzt is! München ................................................................................................... 53 3.4.2. Projekt 3: Seedcity ETH Zürich ....................................................................................................... 54 3.4.3. Projekt 2: Landhof Basel ................................................................................................................ 56 3.4.4. Projekt 4: Stadiongarten Zürich ..................................................................................................... 58

3.5. ERGEBNISSE .................................................................................................................. 60 3.5.1. Voraussetzungen ........................................................................................................................... 62 3.5.2. Erfolgsfaktoren .............................................................................................................................. 63 3.5.3. Probleme ....................................................................................................................................... 64

3.6. IDEALTYPISCHER AUFBAU EINES GEMEINSCHAFTSGARTENS ..................................................... 65

3.7. FAZIT .......................................................................................................................... 66

4. URBAN GARDENING IN ST.GALLEN .......................................................................... 68

4.1. METHODE .................................................................................................................... 68

4.2. BESTEHENDE GARTENPROJEKTE ........................................................................................ 68 4.2.1. Neue Gärten Ostschweiz ............................................................................................................... 68 4.2.2. Kinderlokal TiRumpel ..................................................................................................................... 69 4.2.3. Merkblatt der Stadt St.Gallen ........................................................................................................ 70 4.2.4. Siedlung Remishueb ...................................................................................................................... 71 4.2.5. Wiborada Gartenweiber ................................................................................................................ 71 4.2.6. Familiengärten .............................................................................................................................. 72

4.3. TESTPROJEKT ................................................................................................................ 73

4.4. EMPFEHLUNG FÜR ST.GALLEN UND FAZIT ........................................................................... 77 4.4.1. Ausblick ......................................................................................................................................... 79

5. DISKUSSION UND SCHLUSSFOLGERUNGEN .............................................................. 80

5.1. ZUSAMMENFASSUNG DER ERGEBNISSE ............................................................................... 80

5.2. DISKUSSION DER ERGEBNISSE ........................................................................................... 81

5.3. KRITISCHE REFLEXION ..................................................................................................... 84

5.4. SCHLUSSFOLGERUNGEN .................................................................................................. 86

6. QUELLENVERZEICHNIS ............................................................................................. 88

6.1. LITERATUR.................................................................................................................... 88

6.2. INTERNETPORTALE ......................................................................................................... 96

6.3. INTERVIEWPARTNERINNEN UND -PARTNER .......................................................................... 97

7. ABBILDUNGSVERZEICHNIS ....................................................................................... 98

8. TABELLENVERZEICHNIS ............................................................................................ 99

ANHANG ........................................................................................................................ 100

A. ALLE INTERVIEWLEITFÄDEN ................................................................................................ 101

B. 10 STEPS TO STARTING A COMMUNITY GARDEN.................................................................... 104

C. TABELLE MIT DEN KATEGORIEN ........................................................................................... 105

D. INFORMATIONSZETTEL ...................................................................................................... 106

E. FRAGEBOGEN .................................................................................................................. 107

F. DIE LANDWIRTSCHAFT ...................................................................................................... 108

G. ARTIKEL IM ST. GALLER TAGBLATT (05.08.2014) ................................................................. 109

H. EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG ............................................................................................ 111

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Yasmine Zweifel 7

1. Einleitung

1.1. Ausgangslage und Problemstellung

Urban Gardening ist ein Phänomen, das es bereits länger gibt. Die Menschen in den

Städten haben früher schon ihr eigenes Gemüse angebaut. Jedoch geschieht dies

immer seltener, seit man im Supermarkt viele Nahrungsmittel günstig einkaufen

kann. Trotz der Tendenz zu einem immer bequemeren Lebensstil macht sich in den

letzten Jahren eine Bewegung bemerkbar: Die Leute in den Städten legen wieder

vermehrt selbst Beete an oder ziehen sogar auf dem Balkon ihr eigenes Gemüse.

Stadt und Gemüsegarten. Diese zwei Dinge scheinen ein Widerspruch zu sein. Doch

nur auf den ersten Blick, denn es gibt sehr wohl Gärten in der Stadt. Und dies sind

nicht nur die bekannten, teils belächelten Schrebergärten. Es gibt immer mehr Initia-

tiven, Projekte und Aktionen, bei denen Menschen in den Städten ihr eigenes Obst

und Gemüse anbauen. Könnte dahinter ein Wandel im Denken stecken? Immer mehr

Leute fragen sich, woher ihr Essen kommt. Denn die Saisonalität spielt keine Rolle

mehr. Zu jeder Jahreszeit ist in den Regalen dasselbe Angebot vorhanden. Der

Wunsch, zu wissen, woher die Nahrung kommt, zeigt sich an der Wiederbelebung

von regionalen Spezialitäten oder am gesteigerten Interesse an Initiativen wie Slow

Food1 und es werden ständig mehr. Auch Grossverteiler wie Migros nutzen dies für

ihre Slogans: „Aus der Region. Für die Region.“

Seit dem Millennium lebten erstmals gleichviele Menschen in Städten wie auf dem

Land. In den höher entwickelten Ländern beträgt der Verstädterungsgrad bereits

heute über 70 Prozent (Ribbeck, 2008). Das Verhältnis der meisten Städterinnen und

Städter zur Nahrungsmittelproduktion und zur Natur ist verständlicherweise nicht

mehr so eng wie früher, da man sein Essen selten noch selbst anpflanzt. Im Zeitalter

der Globalisierung scheint es keine Rolle mehr zu spielen, welche Distanzen ein Gut

zurücklegen muss. Laut einer bemerkenswerten Studie des Leopold Center for

sustainable Agriculture at Iowa State University reisen unsere Lebensmittel im

Durchschnitt 2‘400 km vom Feld bis zum Konsum (Cockrall-King, 2011). Dennoch

wächst ein Gegentrend zu biologischen und nachhaltigen Produkten. Gemüse wird

aber nicht nur auf dem Land angebaut, sondern auch in den Städten spriessen im-

mer häufiger Nahrungsmittel aus dem Boden. In einer Grossstadt wie New York bau-

en Tausende von Menschen ihre eigenen Lebensmittel an, sei es auf Dächern, Bal-

kons oder Brachen. Welches Potenzial steckt in diesen Stadtgärten? Existieren sie

1 „Slow Food ist eine weltweite Vereinigung von bewussten Genießern und mündigen Konsumenten,

die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Kultur des Essens und Trinkens zu pflegen und lebendig zu halten. Sie fördert eine verantwortliche Landwirtschaft und Fischerei, eine artgerechte Viehzucht, das traditionelle Lebensmittelhandwerk und die Bewahrung der regionalen Geschmacksvielfalt. Slow Food bringt Produzenten, Händler und Verbraucher miteinander in Kontakt, vermittelt Wissen über die Qualität von Nahrungsmitteln und macht so den Ernährungsmarkt transparent“ (www.slowfood.de). Mehr unter www.slowfood.ch oder www.slowfoodyouth.ch

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nur in trendigen Grossstädten wie London, Paris, Berlin und New York oder findet die

Bewegung auch in eher kleinen Städten wie St.Gallen Anhängerinnen und Anhän-

ger? Das Ziel dieser Arbeit ist, die Entwicklung von Urban Gardening auf St.Gallen

zu beziehen. Das Thema besitzt eine grosse Aktualität und Relevanz, weil Urbanität

und Nachhaltigkeit zwei Schlüsselthemen unserer postmodernen Gesellschaft sind.

1.2. Präzisierung der Fragestellung

Folgende Fragen sollen in dieser Arbeit geklärt werden:

Frage 1: Wie entwickelte sich Urban Gardening zu einem aktuellen Trend?

Dabei soll aufgezeigt werden, was Urban Gardening genau ist und woher es kommt.

Die entscheidenden Begriffe werden definiert und unterschiedliche Gartentypen the-

matisiert. Sowohl die Geschichte wichtiger Städte und Länder als auch die aktuelle

Lage sind Gegenstand der Literaturanalyse. Von Interesse sind auch die positiven

und negativen Auswirkungen von Urban Gardening, sowie die unterschiedlichen Mo-

tivationen der Gärtnerinnen und Gärtner. Vorbehalte gegen die Geniessbarkeit des

Gemüses aufgrund von Verschmutzung der Luft und des Bodens werden geprüft.

Frage 2: Mit welcher Planung und welchen Massnahmen kann der Trend lang-

fristig gefördert werden?

Vier bestehende Gemeinschaftsgärten, die schon längere Zeit erfolgreich bewirt-

schaftet werden und in der Umgebung akzeptiert sind, werden auf ihre Funktions-

tüchtigkeit untersucht. Ziel ist, die Kernpunkte herauszuarbeiten, die einen guten

Gemeinschaftsgarten ausmachen. Daraus wird eine Empfehlung abgeleitet, wie ein

solches Gemeinschaftsprojekt erfolgreich aufgebaut werden könnte. Gelten diese

Kriterien für alle Städte, also auch für St.Gallen?

Frage 3: Wie sieht die Umsetzung in St.Gallen aus?

Diese Frage teilt sich auf in Projekte, die es bereits gibt oder gab, und solche, die es

in Zukunft geben könnte. Angestellte der Stadt, Parteimitglieder der Grünliberalen

und der jungen Grünen, die an einem Urban Gardening Projekt interessiert sein

könnten, werden befragt. Ausserdem wird ein konkreter Massnahmenkatalog mit

Empfehlungen für ein Projekt in St.Gallen erstellt. Dieser gründet auf den in der vo-

rangehenden Frage herausgefundenen Kriterien und einem Testprojekt.

1.3. Einzelne Arbeitsschritte und Methoden

Neben der Aufarbeitung fachwissenschaftlicher Literatur erfolgt der Besuch von vier

erfolgreichen Gemeinschaftsgärten in München, Basel und in Zürich. Vorstandsmit-

glieder beantworten Fragen in halbstandardisierten Interviews. Für den dritten Teil

werden qualitative Interviews geführt, um die Situation in St.Gallen zu ergründen.

Gleichzeitig wird die Einstellung einiger Einwohnerinnen und Einwohner von

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St.Gallen mit einem Testprojekt ermittelt.

Eine repräsentative qualitative Betrachtung drängt sich aufgrund des tiefen For-

schungsstands zu Urban Gardening in der Schweiz oder St.Gallen und des ange-

strebten Ziels auf. Es sollen nicht vorhandene Thesen überprüft, sondern neue The-

sen generiert werden. Dies erfordert ein offenes und flexibles Vorgehen, denn reali-

tätsnahe und umsetzbare Empfehlungen sind das Ziel.

1.4. Quellenlage

In Vancouver, Kanada, liegt sozusagen die Wiege des modernen urbanen Gärtnerns.

Michael Levenston gründete 1978 die Non-Profit Organisation City Farmer und be-

nannte sein Büro Canada’s Office of Urban Agriculture. Im Jahr 1994 stellte er die

erste Website zum Thema online (www.cityfarmer.org). 2008 wurde die Plattform

archiviert und neu unter www.cityfarmer.info weitergeführt. Täglich erscheinen dort

neue Posts im Bereich Urban Agriculture (Cockrall-King, 2011).

Seit den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts, in den USA und in Kanada teil-

weise schon früher, begann man sich in der Forschung vermehrt für die Landwirt-

schaft in der Stadt zu interessieren. Jac Smit gilt als bedeutender Autor und brachte

1996 das Werk Urban Agriculture – Food, Jobs and Sustainable Cities (2001) her-

aus. Das Resource Centre on Urban Agriculture and Food Security, kurz RUAF,

ebenfalls im Jahr 1996 gegründet, besteht heute aus acht Zentren, an denen ge-

forscht wird. Die Forschungen beziehen sich jedoch meistens auf Peripherieländer, in

denen die Menschen ihr Gemüse aus der Not anbauen (www.ruaf.org).

1997 wurde in Deutschland die Arbeitsgruppe Kleinstlandwirtschaft und Gärten in

Stadt und Land gegründet. Diese brachte zwei entscheidende Werke heraus. Die

Wiederkehr der Gärten (Meyer-Renschhausen & Holl, 2000) und Die Gärten der

Frauen (Meyer-Renschhausen, Müller & Becker, 2002). Ebenfalls durch diese Ar-

beitsgruppe ist die Website www.stadtacker.net entstanden. Dort werden Projekte,

Literatur und Forschungen aus ganz Deutschland vereint. Es ist eine interaktive Platt-

form.

Von M. Rosol erschien im Jahr 2006 die Dissertation mit dem Titel Gemeinschafts-

gärten in Berlin. Eines der neuesten Werke wurde von C. Müller herausgegeben und

trägt den Titel Urban Gardening (2011). In Deutschland wurden in den letzten Jahren

vermehrt Artikel zu interkulturellen Gärten publiziert. Spezifisch zu Urban Gardening

existieren noch nicht viele Veröffentlichungen auf wissenschaftlicher Basis.

Auch in der Schweiz existieren keine grösseren wissenschaftlichen Studien zum

Thema Urban Gardening. Jedoch befassten sich bereits diverse Personen in Bache-

lor- oder Masterarbeiten damit. Die ersten Gemeinschaftsgärten entstanden in Zürich

und in Basel im Jahr 2011. Vernetzt werden die Gartenprojekte durch die Website

www.interkulturelle-gaerten.ch. Im April 2014 sind dort 26 unterschiedliche Garten-

projekte aufgelistet, die meisten davon in Zürich, Bern, Luzern, Basel und Genf.

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Für Gemeinschaftsgärten gibt es wenig bis keine allgemeine Literatur aus dem

deutschsprachigen Raum. Es fehlt nur schon an einer einheitlichen Definition. Hier

muss vor allem auf englische Internetseiten zurückgegriffen werden, die den Aufbau

und die Beschreibung aus der Praxis abgeleitet haben. Es gibt aber Literatur, bei-

spielsweise wieder von Müller (2011), worin die Erfolgsfaktoren von Gemeinschafts-

gärten oder die möglichen Probleme beschrieben werden. Rosol (2006) charakteri-

sierte verschiedene Arten von Gemeinschaftsgärten in Deutschland.

Bei der Betrachtung der Möglichkeiten in St.Gallen ist die verfügbare Literatur sehr

beschränkt. Von der Stadt St.Gallen existiert eine Broschüre mit dem Titel Natur fin-

det Stadt (Stadt St. Gallen, 2013). Zudem gibt es zwei Jahresberichte vom Hilfswerk

der Evangelischen Kirchen Schweiz, kurz HEKS (Thoma, 2013a; 2013b). Diese Lü-

cke will die vorliegende Masterarbeit schliessen.

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2. Urban Gardening

2.1. Begriffsklärung

Urban Gardening lässt sich wörtlich übersetzen als städtischer Gartenbau oder städ-

tisches Gärtnern. Gemeint ist hauptsächlich der produktorientierte Anbau von Obst

und Gemüse. In dieser Arbeit werden unter dem Begriff Urban Gardening alle land-

wirtschaftlichen Nutzungsarten von kleineren städtischen Flächen verstanden, die

sich bewusst zum Standort Stadt bekennen. Somit ist es eine Form der urbanen Ag-

rikultur. Zusammengefasst nach Rasper (2012a) findet sich unter dem Begriff Urban

Gardening alles, was neu ist und nicht in etwas bereits Vorhandenes eingeordnet

werden kann. Nach Lohrberg (2011) steht dabei ein „nicht-professioneller Akteur und

seine Teilhabe am städtischen Leben“ im Mittelpunkt (Lohrberg, 2011, S. 44).

Der häufig gleichgesetzte Begriff Urban Farming wird in dieser Arbeit als städtische

Landwirtschaft übersetzt. Gemeint ist damit der Anbau von Lebensmitteln im Umfeld

der Stadt. Das kann ein Acker, eine Wiese oder ein Gemüsefeld sein, am Rande ei-

ner Stadt gelegen oder durch die Suburbanisierung von einer Stadt umgeben. Diese

unterscheidet sich von Urban Gardening darin, dass sie vor allem von professionel-

len Bauern betrieben wird, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Die bewirt-

schafteten Flächen sind grösser. Natürlich gibt es auch Überlagerungen der zwei

Begriffe oder Projekte, die sich weder in das eine noch das andere einordnen lassen.

Der dritte wichtige Begriff heisst Urban Agriculture, auf Deutsch städtische Agrarwis-

senschaft. Dieser wird in der Arbeit als Überbegriff verwendet, da sich darunter im

internationalen Sprachgebrauch sowohl das Gärtnern auf kleinen Flächen wie auch

auf einem Acker verstehen (Lohrberg, 2011).

In der deutschen, aber auch in der englischen Literatur werden die Begriffe Landwirt-

schaft (Farming) und Agrarwissenschaft (Agriculture) häufig nicht unterschieden. In

dieser Arbeit werden sie getrennt. Der Unterschied zwischen Landwirtschaft und Ag-

rarwissenschaft ist, dass Agrarwissenschaft die Bereiche Landwirtschaft und Acker-

bau enthält und somit ein Überbegriff ist. Sie beinhaltet ausserdem die Bereiche For-

schung, Entwicklung und Produktion des Saatgutes, wobei sich Landwirtschaft auf

die Umsetzung beschränkt. Agrarwissenschaft beschäftigt sich also mit allen Frage

rund um die Nahrungsmittelproduktion (Springer Gabler Verlag (Hrsg.), o.J.).

Der webbasierte Oxford Dictionary unterscheidet die Begriffe folgendermassen:

“Agriculture is the science or practice of farming, including cultivation of the

soil for the growing of crops and the rearing of animals to provide food, wool,

and other products”

(http://www.oxforddictionaries.com/definition/english/agriculture).

Damit verbunden ist der Begriff Agrobusiness. Darunter versteht man ein komplexes

System aus vielen Komponenten, die an der Nahrungsmittelproduktion vom Saatgut

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Yasmine Zweifel 12

bis zum Endprodukt beteiligt sind. Mit anderen Worten sind das die gesamten Wert-

schöpfungsbereiche der Landwirtschaft. Alle Beteiligten, vom Bauern bis zum

Verbraucher, sind in einem Produktionssystem vereint. Das Gegenteil von Agrobusi-

ness ist der Direktverkauf ab Hof. Durch die heute übliche starke Arbeitsteilung und

Rationalisierung der Landwirtschaft bekommen die Landwirte weniger für ihre Pro-

dukte, müssen aber sehr hohen Auflagen von den Vertreibern genügen. Diese Ver-

treiber, dazu gehören grosse Ladenketten oder der Fachhandel, können die Bauern

dadurch steuern. Folglich haben diese fast keine Entscheidungsfreiheit mehr. Das

trifft vor allem auf die USA und Entwicklungsländer zu. Es ist aber zu erwarten, dass

auch Europa vermehrt so organisiert werden wird. Denn auch hier ist das Ziel, die

Erträge durch Effizienz zu steigern. Dies ist einfacher, indem Einheitsware produziert

wird. Ethische und umweltpolitische Fragen spielen dabei noch eine kleine Rolle

(Knox & Marston, 2008).

Abbildung 2 zeigt die Aufteilung der entsprechenden Gartentypen, die in Kapitel 2.3

erläutert werden. Dies ist jedoch eine unvollständige Aufzählung. Bei dieser Arbeit

liegt der Schwerpunkt auf Urban Gardening.

Abbildung 2: Begriffshierarchie

Quelle: Eigene Darstellung

Urban Agriculture

(Städtische Agrarwissenschaft)

Urban Gardening (Städtisches Gärtnern)

Gemeinschafts-garten

Guerilla

Gardening

Urban Farming (Städtische

Landwirtschaft)

City

Farms

Sebsternte-

gärten

Schreber-gärten

(Familien- oder Kleingärten)

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Yasmine Zweifel 13

Ein weiterer Begriff, der zu klären ist, ergibt sich aus der ersten Fragestellung. Was

versteht man unter einem Trend?

Ein Trend nach Horx (2014) ist „nichts anderes als eine Veränderungsbewegung

oder ein Wandlungsprozess“. Er darf nicht mit einer Prognose verwechselt werden,

sondern ist nur eine Diagnose der aktuellen Situation. Man unterscheidet sie nach

ihrer Dauer sowie ihrer Tiefe und Durchdringung (Horx Zukunftsinstitut GmbH, 2014).

Von einem Megatrend spricht man, wenn ein Trend grössere Ausmasse annimmt.

Das Zukunftsinstitut definiert ihn folgendermassen:

„Ihre Dauer nehmen wir mit 30 Jahren oder mehr an. Das entscheidende

Merkmal von Megatrends ist aber ihr „Impact“. Sie verändern nicht nur einzel-

ne Segmente oder Bereiche des sozialen Lebens und der Wirtschaft; sie for-

men ganze Gesellschaften um. Megatrends sind unbequem, komplex und

bisweilen paradox. Doch wenn wir sie richtig verstehen, helfen sie uns, die

Zukunft nicht nur zu ahnen, sondern zu gestalten“ (Zukunftsinstitut GmbH,

o.J.).

Auf der Website des Zukunftsinstituts werden elf Megatrends erläutert, die unsere

aktuelle Zeit bestimmen. Für diese Arbeit sind die Urbanisierung und die Neo-

Ökologisierung von Bedeutung. Neo-Ökologisierung meint, dass Nachhaltigkeit und

Effizienz in allen Bereichen des Lebens eine Rolle spielen. Es etabliert sich eine

neue biologische Norm. Urbanisierung bedeutet, dass sich Wissen, Kultur und Krea-

tivität immer mehr in den Städten zentrieren (Zukunftsinstitut GmbH, o.J.).

Ein Hype bedeutet eine oberflächliche Begeisterungswelle, die meist auf Grund von

Werbung und Medien ausgelöst wird. Es ist ausserdem eine zeitlich begrenzte Mode

(www.duden.de). Kommen neue Technologien auf den Markt, spricht man von einem

Hype-Zyklus oder Hype Cycle (siehe Abbildung 3). Der Begriff wurde von dem Un-

ternehmen Gartner Inc. geprägt (2014). In der ersten Phase (Trigger of Technology)

schnellt das Interesse des Fachpublikums nach oben. Das ist die Entwicklungspha-

se, in der Trittbrettfahrer aufspringen. Da in den Medien vor allem positive Berichte

stehen, wird ein übertriebenes Interesse ausgelöst (Phase zwei: Peak of Inflated Ex-

pectations). Die erzeugten Erwartungen können meist nicht erfüllt werden, worauf in

der dritten Phase ein Tal der Enttäuschung eintritt. Folgend nehmen die Berichte in

den Medien ab. Der Pfad der Erleuchtung (Slope of Enlightement) bezeichnet als

vierte Phase eine realistische Einschätzung der neuen Technologie, da sowohl die

Vor- als auch die Nachteile abgewogen wurden. Die letzte Phase (Plateau of Produc-

tivity) tritt ein, wenn die Vorteile verbreitet worden sind und die Technologie bereits in

einer zweiten oder dritten Generation auf dem Markt ist (Gartner Inc., 2014).

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Yasmine Zweifel 14

Abbildung 3: Hype-Zyklus nach Gartner Inc.

Quelle: http://www.gartner.com/technology/research/methodologies/hype-cycle.jsp (02.08.2014)

Trends breiten sich aus, nachdem sie an einem oder mehreren Orten entstanden

sind. Das nennt sich räumliche Diffusion. Normalerweise findet diese in einer s-

förmigen Kurve statt. Man unterscheidet zwischen expansiver, hierarchischer und

gemischter Diffusion. Expansiv bedeutet, dass der Trend von einem zentralen Ort

ausgehend immer auf die angrenzenden Orte überspringt. Bei der hierarchischen

Diffusion breitet sich der Trend zuerst von einer Grossstadt auf die Klein- und Mittel-

städte aus. Von da wieder auf die nächst kleineren Städte. Die gemischte Diffusion

vereint die beiden Arten (Knox & Marston, 2008). Wo Urban Gardening genau einzu-

ordnen ist, wird in Kapitel 2.8 geklärt.

2.2. Die Geschichte

Die städtische Agrarwirtschaft war die Basis für die ersten Städte, denn früher gab es

noch nicht die Möglichkeit, schnell verderbliche Waren über weite Strecken zu trans-

portieren. Also wurde das Gemüse in der Stadt oder direkt am Stadtrand angebaut.

Seit der industriellen Revolution wurde die städtische Landwirtschaft unterbunden, da

das Land aus ökonomischen Gründen zum Wohnungsbau genutzt wurde. Seither ist

dies lukrativer, als den Boden für Gärten zu nutzen (Knox & Marston, 2008).

Der Trend zu Urban Gardening hat sich in verschiedenen Teilen der Erde gleichzeitig

entwickelt. Die Gründe dafür sind aber ganz unterschiedlich. Man kann dabei drei

Hauptgruppen unterscheiden, die hier vorgestellt werden. Zuerst die USA und Kana-

da, denn sie gelten als Vorreiter der Gemeinschaftsgartenbewegung. Hauptsächlich

entstand dort die Bewegung aus dem Wunsch heraus, selbst etwas gegen die eige-

ne missliche Lage tun zu wollen. Dies kann sein, dass es in der Nähe kein Gemüse

zu kaufen gibt oder auch, dass im Quartier die stillliegenden Flächen negative Effekte

auf das Leben haben. Dann folgt Kuba als ein Modell für die Entwicklung der Bewe-

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Yasmine Zweifel 15

gung in Peripherieländern, wo die Menschen aus Not ihr eigenes Gemüse anbauen

mussten. Kubas Beispiel ist wegen der sozialistischen Politik aber nicht vollständig

auf andere Länder übertragbar. Der dritte Akteur ist Westeuropa, der zeitlich hinter

den anderen liegt, in den letzten Jahren aber viele Dinge vor allem von den USA

übernommen hat. Dabei werden England und Deutschland genauer betrachtet. Na-

türlich wären auch Asien und Australien interessant, doch diese werden weggelas-

sen, da für die Arbeit der Fokus mehrheitlich auf Gärten in ähnlichen Breitengraden

wie die Schweiz gerichtet ist.

Abbildung 4: In Kapitel 2 erläuterte Städte und Länder

Quelle: Eigene Darstellung

2.2.1. Vancouver

Das Ziel der Stadt Vancouver an der Westküste Kanadas ist es, bis im Jahr 2020 die

grünste Stadt der Welt zu werden. Dazu wurde 2009 ein Dokument mit dem Titel

Vancouver 2020 – A Bright Green Future herausgegeben. Urbane Landwirtschaft

wird mit Hilfe verschiedenster Ideen gefördert. 25 Prozent der Stadtfläche sollen der

Nahrungsmittelproduktion dienen. Dadurch könnte der ökologische Fussabdruck der

Stadt um 33 Prozent gesenkt werden (City of Vancouver, 2012).

Die Geschichte des urbanen Gemüseanbaus begann jedoch schon vor mehreren

Jahren. Michael Levenston gründete 1978 die Non-Profit Organisation City Farmer

und eröffnete mit einigen Freunden das Büro Canada’s Office of Urban Agriculture.

1981 bekamen sie von der Stadt kostenlos ein Stück Land zur Verfügung gestellt, um

darauf einen urbanen Gemüsegarten für Demonstrationszwecke anzubauen. Es

dauerte zwei Jahre, bis sie das Grundstück gesäubert hatten. Dann engagierten sie

New York Detroit

Toronto

Kuba

Vancouver

London

Schweiz

Deutschland

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Yasmine Zweifel 16

lokale Gärtner und öffneten den Garten für die Allgemeinheit. Er funktionierte wie ein

Schulzimmer unter freiem Himmel, wo die Leute voneinander lernen konnten

(Cockrall-King, 2011).

Mitte der Achtziger Jahre und zu Beginn der Neunziger begann die Gemeinschafts-

gaten-Bewegung in Vancouver aufzublühen. Daraus ging dank Levenston im Jahr

1994 die erste Website zum Thema hervor: www.cityfarmer.org. Innert wenigen Jah-

ren bekam die Website Rückmeldungen aus über 150 Ländern. 2008 wurde die Seite

archiviert und neu unter www.cityfarmer.info weitergeführt. Täglich erscheinen dort

neue Berichte zum Thema Urban Agriculture. Laut Levenston sind das Internet und

der Demonstrationsgarten die zwei wertvollsten Bestandteile, um die globale und die

lokale Bevölkerung zu erreichen. Heute leitet Levenston ein Zentrum, das sich Com-

post Education Centre nennt und gibt unter anderem auch per Telefon Auskunft bei

Fragen zum Kompostieren. Die Stadt bezahlt ihn dafür, denn sie denkt, dass im

Kompostieren von Abfällen ein riesiges Potenzial liegt (Cockrall-King, 2011).

Ob Vancouver das Ziel, die grünste Stadt zu werden, erreichen wird, ist noch unklar.

Die Stadt befindet sich aber auf Kurs und überprüft regelmässig die Fortschritte. Der

Stand Juli 2014 sieht so aus, dass die CO2-Emissionen seit 2007 um sechs Prozent

gesenkt worden sind, obwohl die Stadtbevölkerung zugenommen hat. Ausserdem

wurden im Bereich Local Food über 4‘000 Projekte2 lanciert (City of Vancouver,

2012).

2.2.2. Toronto

Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen massenhaft Menschen aus dem Mittelmeerge-

biet, aus China und aus Südasien nach Kanada, speziell nach Toronto. Da viele aus

kleinbäuerlichen Verhältnissen stammten, brachten sie Pflanzensamen mit und bau-

ten diese in den Gärten ihrer Reihenhäuschen an. So wurde die Innenstadt begrünt.

Noch heute sieht man in den Gärten der Immigrantenbevölkerung viele Gemüse-

pflanzen, die aus der ursprünglichen Heimat stammen. Diese Gärten dienen auch

dem sozialen Austausch. Für die Bevölkerung, die sich kein eigenes Haus mit Garten

in der Innenstadt leisten kann, wurde das Toronto Community Garden Network ge-

gründet. So unterstützt die Stadt die Einwohner aktiv bei der Suche nach geeigneten

Flächen für Gemeinschaftsgärten. Auch beim anschliessenden Aufbau wird ihnen

geholfen. Im Jahr 2010 gab es bereits mehr als 220 Gemeinschaftsgärten in Toronto.

Das angebaute Obst und Gemüse dient vor allem der Selbstversorgung, Überschüs-

siges wird auf den nahen Biomärkten verkauft. Diese hohe Bedeutung der Gemein-

schaftsgärten findet sich in vielen kanadischen Grossstädten (Jäggi, 2010).

In Toronto gab es im Gegensatz zu New York (siehe Kapitel 2.2.3) nie solche unge-

nutzten, brachliegenden Freiflächen. Also muss auf anderen Flächen gegärtnert

2 “Food assets include number of community garden plots, farmers markets, community orchards,

community composting facilities, community kitchens, community produce stands and urban farms” (http://vancouver.ca/files/cov/greenest-city-2020-action-plan-2013-2014-implementation-update.pdf).

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Yasmine Zweifel 17

werden. Dies sind beispielsweise städtische Parks, Gelände von Kirchen, Bibliothe-

ken oder Spitälern. Da es häufig Migrantinnen und Migranten sind, die bei den Initia-

tiven dabei sind, ähneln die Community Gardens stark den interkulturellen Gärten,

wie sie in Deutschland (siehe Kapitel 2.2.7) vorkommen. Es gibt den Immigrantinnen

und Immigranten die Möglichkeit, Traditionen aus ihrer Heimat weiterzuführen, mit

anderen Menschen ins Gespräch zu kommen, Englisch zu lernen und einen sicheren

Freiraum ausserhalb der eigenen Wohnung aufzusuchen. Somit ist eine wichtige so-

ziale Funktion vorhanden (Rosol & Weiss, 2005).

Heute noch kommen jährlich 55‘000 Einwandernde nach Toronto. Die Hälfte der Be-

wohnerinnen und Bewohner der Stadt ist nicht dort geboren (City of Toronto, o.J.).

FoodShare, eine gemeinnützige Organisation, wurde im Jahr 1985 gegründet, um

gegen den Hunger in Toronto zu kämpfen. Ihre Vision ist Good Healthy Food for All,

also gute und gesunde Nahrung für alle. Dazu haben sie verschiedene Programme

aufgestellt, die dem Ziel dienen, nachhaltige und gesunde Lebensmittel für alle zu-

gänglich zu machen. Diese Programme lassen sich in die vier Kategorien Schule,

Frischwaren, Kochen und Anbau einteilen. Ausserdem ist die Organisation stets am

Forschen in Ernährungs- und Gesundheitsfragen. Aber auch im Bereich der Politik

setzt sie sich für die Menschen mit einem tiefen Einkommen ein, in ganz Kanada und

sogar weltweit (www.foodshare.net).

In den USA und in Kanada wird urbanes Gärtnern bereits von der Politik unterstützt

und gefördert. Die American Community Garden Association ACGA hilft, die Projekte

zu vernetzen und vertritt sie. In vielen Grossstädten gibt es ausserdem kommunale

Förderprogramme (Uttke, 2011).

2.2.3. New York

1973 gründete Liz Christy im New Yorker Stadtteil Manhattan an der Lower Eastside

den ersten Community Garden, auf Deutsch Gemeinschaftsgarten. Im gleichen Jahr

entstand daraus die Gruppe Green Guerillas. Diese engagieren sich noch heute für

Freiflächen in New York. Zu jener Zeit war die Gegend von Gewalt, Armut und Zerfall

geprägt. Es lebten viele Einwanderer aus Lateinamerika und der Ukraine an der Lo-

wer Eastside. Die Preise für Wohnungen waren sehr tief, weshalb viele leer stehende

Gebäude abgerissen wurden. Die verwahrlosten Grundstücke wurden von Obdach-

losen und Tieren besiedelt. Liz Christy wollte zusammen mit einigen Nachbarinnen

und Nachbarn für mehr Sicherheit sorgen und die Gemeinschaft untereinander stär-

ken (Treblin, 2012).

In den 80er und 90er Jahren ging es der Wirtschaft besser und die brachliegenden

Flächen wurden unter dem Bürgermeister Rudolph Giuliani wieder verkauft. Im Jahr

2000 konnten dann zwei Organisationen, der Trust for Public Land und das New

York Restoration Project, die noch nicht versteigerten Brachflächen für einen kleinen

Betrag erwerben. Seither sind diese Flächen nur noch für Gärten gedacht (Treblin,

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Yasmine Zweifel 18

2012).

Die Quartiere um die Gärten erlebten meistens eine Aufwertung. Durch die Gentrifi-

zierung war es den Leuten jedoch nicht mehr möglich, in ihrem Quartier wohnhaft zu

bleiben. So kann es sein, dass die unmittelbare Nachbarschaft der Gemeinschafts-

gärten vor allem aus Reichen besteht. In den Gärten selber sind es meist die Ärme-

ren, die sich um die Beete kümmern (Treblin, 2012).

Heute ist es immer noch nicht möglich, mehr als einen kleinen Teil der Nahrungsmit-

tel direkt in der Grossstadt New York zu produzieren. Doch es gibt stetig mehr Verei-

nigungen und Initiativen, die die Menschen auf biologische Ernährung aufmerksam

machen und ihnen diese mit Märkten zugänglich machen (Treblin, 2012).

Die 1978 gegründete Gruppe Green Thumb ist heute das grösste Urban Gardening

Programm der USA mit fast 20‘000 Mitgliedern aus New York. Sie verfolgt noch im-

mer dieselben Ziele wie Liz Christy: Mitbestimmung und bürgerliches Engagement

sollen durch die Garteninitiativen gefördert werden. Die Gruppe unterstützt neue Pro-

jekte durch Knowhow sowie durch Vermittlung von Geräten und Freiwilligen. Der

Staat hilft dabei finanziell. Liz Christy selbst starb 1986 mit 38 Jahren, doch ihr erster

Garten besteht heute noch und trägt ihren Namen (Otto, 2012).

Abbildung 5: Gemeinschaftsgärten in New York

Quelle: www.gardenmaps.org (02.08.2014)

Abbildung 5 zeigt die registrierten Gemeinschaftsgärten in New York. Die blauen

Punkte stellen die nicht von der Organisation Green Thumb überwachten Gärten dar,

die grünen Punkte die überwachten Gärten. Es fällt auf, dass sich die Gärten in den

ärmeren Vierteln New Yorks konzentrieren. Das sind die Bronx (1), Harlem (2), Lo-

wer East Side (3) und Brooklyn (4). Insgesamt sind etwa 600 Community Gardens

bekannt (www.gardemaps.org).

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Seit rund 15 Jahren gibt es in New York neuartige Projekte, sogenannte Jugendfar-

men. Diese wollen den sozial benachteiligten Jugendlichen eine Perspektive geben,

indem sie in Community Gardens arbeiten können. So sollen sie später mit dem er-

worbenen Wissen das Elend ihrer Gegend verkleinern. Diese Stadtteile sind häufig

so genannte Food Deserts (siehe dazu Kapitel 2.2.4), in denen praktisch kein fri-

sches Obst und Gemüse angeboten wird. Diese Gegenden werden dann von den

Gemüsegärten beliefert, in denen auch die Jugendlichen arbeiten dürfen (Meyer-

Renschhausen, 2011).

Von den Organisationen werden neue Farmers‘ Markets, auf Deutsch Wochenmärk-

te, gegründet. Dort liefern sowohl Kleinbauern aus der Umgebung als auch Commu-

nity Gardens ihr Gemüse an. Viele der Jugendlichen, die in diesen Gartenprojekten

arbeiten konnten, ziehen später weg aus ihrem Quartier, da sie bessere Jobs be-

kommen. Das ist zum einen positiv für die Jugendlichen, für das Quartier wäre es

aber von Vorteil, wenn sie ihr Wissen und ihre Fähigkeiten wieder in ihr Armenviertel

einbringen würden (Meyer-Renschhausen, 2004).

Es folgt das Beispiel einer Stadt, das sich erst in den letzten Jahren im Bereich Ur-

ban Gardening entwickelt hat.

2.2.4. Detroit

Detroit war bis in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts eine Industriestadt, in der

vor allem Autos produziert wurden. Die meisten dieser Produktionsanlagen stehen

heute still, weshalb viele Bewohner und Bewohnerinnen Detroits weggezogen sind.

Die Einwohnerzahlen sind in den letzten 50 Jahren von 1.8 Millionen auf rund

700‘000 Personen gesunken. Die Fläche der Stadt ist aber noch immer gleich gross.

So beginnen die leeren Häuser und Fabriken nun zu verfallen. Es gibt Quartiere, in

denen niemand mehr wohnt. Insgesamt sind über 40 Quadratkilometer brachliegen-

de Flächen vorhanden (Braun, 2011).

Im Jahr der Finanzkrise, 2009, waren 22 Prozent der Einwohner arbeitslos. Vor fünf

Jahren zog sich die letzte grosse Supermarktkette aus der Stadt zurück. Seither be-

stand nur noch die Möglichkeit, in einer Tankstelle einzukaufen oder in einem Fast-

Food-Restaurant zu essen. Dieser Zustand wird als Food Desert, auf Deutsch Le-

bensmittelwüste, bezeichnet. Um sich selbst zu helfen, begannen die Menschen zu

gärtnern. Einer der ersten Gemeinschaftsgärten gehörte zu einer Suppenküche. Es

folgten weitere Projekte auf ehemaligen Flächen der Fabriken und Supermärkte. Im

Jahr 2003 wurde eine Dachorganisation gegründet. Sie nennt sich Garden Resource

Program Collaborative (GRPC) und unterstützt die Bürger beim Anbau von Obst und

Gemüse, in dem sie Samen und Setzlinge verteilen. Ausserdem arbeitet die Universi-

tät Michigan mit GRPC zusammen, um die wissenschaftliche Seite des Gärtnerns

abzudecken. Es werden Bodenproben untersucht, bevor die Städter die Erlaubnis

haben, auf einer Fläche zu gärtnern. Dann dürfen sie ihr Gemüse sogar als Grown in

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Detroit verkaufen. 2011 gab es bereits ein Bio-Restaurant und einen Markt, um den

herum sich die Aufwertung der Umgebung bemerkbar macht (Braun, 2011). Im Jahr

2012 wurde mit dem Bau eines neuen Supermarkts der Kette Whole Foods begon-

nen, dessen Angebot aus vielen frischen und gesunden Lebensmitteln besteht

(Handelsblatt, 2012).

Bis anhin konnten die Gemeinschaftsgärten aber noch nicht den gesamten Bedarf

der Bevölkerung an Obst und Gemüse decken. Dazu ist noch mehr Erfahrung und

Infrastruktur notwendig. Fläche wäre laut einer Studie der Michigan State University

genügend vorhanden (Braun, 2011).

Neben dem Nahrungsaspekt bemerken die Leute von Detroit auch eine Verbesse-

rung des sozialen Klimas. Man kommt durch das Gärtnern ins Gespräch und die Be-

wohner fühlen sich sicherer und wohler (Braun, 2011).

Heute sind es beinahe 2‘000 Initiativen in Detroit, die Obst und Gemüse anbauen,

der grösste Teil davon biologisch. Um den Menschen noch mehr Kenntnisse im bio-

logischen Anbau zu vermitteln, besuchte im Jahr 2013 der bekannte Österreicher

Sepp Holzer die Stadt. Holzer ist ein Bergbauer, der nach dem Prinzip der Permakul-

tur3 wirtschaftet. In einem Seminar zeigte er einer Gruppe von Leuten in Detroit, wie

und wo sie noch mehr Gemüse und Obst anbauen könnten. Ausserdem betonte er

den Mehrwert von Tierhaltung in Städten. In einem Praxisteil wurde ein Permakultur-

garten bei einer Schule angelegt. Holzer brachte den Leuten neue Hoffnung und er-

mutigte sie, es einfach auszuprobieren (Fiebrig, 2013).

Nach diesen vorgestellten Städten in Industrieländern folgt mit Kuba ein etwas ande-

res Beispiel, bei dem der Gemüseanbau in Städten ebenfalls eine wichtige Rolle

spielt.

2.2.5. Kuba

Kälber (2011) teilt die Geschichte der Gärten in Kuba aus historischer Sicht grob in

drei Phasen ein. Der Beginn liegt in den Zeiten der Massensklaverei ab Ende des 18.

Jahrhunderts. Die aus Afrika stammenden Sklaven und ihre Nachfahren bauten in

ihren Parzellen eigenes Obst und Gemüse an, um sich damit selbst zu versorgen.

Somit waren sie wirtschaftlich und sozial weniger abhängig von der spanischen Ko-

lonialherrschaft. Die Hütten mit den dazugehörenden Gärten wurden bis Mitte des

20. Jahrhunderts in der Familie weitervererbt (Kälber, 2011).

Die zweite Phase begann 1959 mit der Revolution. Ab diesem Zeitpunkt galt es als

unterentwickelt, wenn man sich selbst versorgen wollte. Kuba verwendete industrielle

Techniken, um in der Stadt Obst und Gemüse anzupflanzen. Auf dem Land wurden

die Farmen immer grösser und verstaatlicht. Die Abhängigkeit von chemischen Pro-

3 „Die als Holzersche Permakultur bekannte ökologische Landwirtschaft, auch Agroökologie genannt,

vertritt ein Wirtschaften im Einklang mit der Natur und gilt als Inbegriff der Nachhaltigkeit, denn sie nutzt statt High-Tech-Patenten die Millionen Jahre alten Gesetzmässigkeiten der Natur“ (Fiebrig, 2013).

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Yasmine Zweifel 21

dukten und fossiler Energie stieg rasant an. Finanziert wurde dies hauptsächlich mit

dem Export von Zuckerrohr an die Sowjetunion.

Als die UdSSR 1991 zusammenbrach, verlor Kuba seinen wichtigsten Handelspart-

ner. Hier begann die dritte Phase. Durch das Handelsembargo der USA fehlte es an

Benzin, damit die Ernte von den Feldern in die Städte transportiert werden konnte.

Um zu überleben, begannen die Menschen in jedem erdenklichen Gefäss Nah-

rungsmittel anzubauen. Bis 1994 versuchte der Staat weiterhin, die Zuckerrohrpro-

duktion aufrecht zu erhalten. Dann wurde ein Gesetz verabschiedet, das es den Be-

wohnern erlaubte, die eigenen Grundbedürfnisse und die der Nachbarschaft durch

Eigenanbau zu decken. So produzierten sie nun ökologisches Gemüse aus Mangel

an Dünger, Pestiziden und Benzin (Kälber, 2011).

Es gibt in Kuba verschiedene Formen urbaner Landwirtschaft, die sich bis heute be-

währt haben. Zum einen gibt es die Organopónicos (keine deutsche Übersetzung).

Das sind Beete in Kästen, die auf unfruchtbarem Boden mit Kompost errichtet wer-

den. Hat sich der Boden nach einiger Zeit verbessert, bauen die Kubanerinnen und

Kubaner direkt in der Erde an. Diese Gärten nennen sich dann Huertos Intensivos

(deutsch: Intensivgärten). Wichtiger noch sind die sogenannten Parcelas (deutsch:

Parzellen) und Gemeinschaftsgärten. Das sind Initiativen von Einzelpersonen oder

lokalen Organisationen, die der regionalen Versorgung mit Nahrungsmitteln dienen

(Kälber, 2011).

Das Ziel des Staates ist vor allem die ortsnahe Nahrungsmittelproduktion. Aber auch

die Armutsbekämpfung und soziale Integration spielen eine immer wichtigere Rolle.

Die staatlichen Ansprüche an die urbane Landwirtschaft sind, dass keine chemischen

Düngemittel verwendet werden, Agrarland wiedergewonnen werden soll und nur bio-

logische Schädlingsbekämpfungsmittel zum Einsatz kommen. Die unter diesen Be-

dingungen notwendige Experimentierfreudigkeit der Bevölkerung wird allerdings

durch die starke Kontrolle und Organisation des Landes gebremst. Hier gibt es in

Kuba noch Verbesserungspotenzial (Kälber, 2011).

Neben Kuba gibt es weitere Peripherieländer, in denen die urbane Landwirtschaft zu

einer positiven Entwicklung beiträgt. Dazu gehören unter anderem Argentinien, Brasi-

lien und Südafrika (Pöppelmann, 2012).

Im Folgenden werden exemplarisch zwei Länder Europas betrachtet, da diese sich in

der Kultur nicht so sehr von der Schweiz unterscheiden.

2.2.6. England

Ende des 19. Jahrhunderts zogen aufgrund der Industrialisierung in England immer

mehr Menschen in die Städte. Dort waren die Wohnverhältnisse schlecht, da die Mie-

ten sehr hoch waren und deshalb viele Menschen auf wenig Raum zusammenlebten.

Das hatte Auswirkungen auf die Hygiene und die Gesundheit. Deshalb kam eine

neue Idee auf, die Gartenstadtbewegung. Diese war eine weltweite Bewegung mit

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sozialreformerischen Zielen. Initiator war der Engländer Ebenezer Howard, der in

seinem Buch Garden Cities for Tomorrow 1898 forderte, dass es in Zukunft nur noch

mittelgrosse Städte mit genügend Grünfläche geben soll. Seine Idee war, neue Städ-

te auf die grüne Wiese zu bauen und nicht, bestehende Städte umzuformen. Dabei

wollte er die Vorteile der Stadt, wie beispielsweise die Kultureinrichtungen, mit den

Vorteilen der ländlichen Gegend, wie Ruhe oder frische Luft, kombinieren. Häuser

mit Gärten sollten nicht mehr nur der Oberschicht vorbehalten sein (Meyer-

Renschhausen, 2011).

Howard wollte, wie in Abbildung 6 veranschaulicht wird, einheitliche und symmetri-

sche Städte bauen. Ausserdem begrenzte er die Einwohnerzahl auf 32‘000 und die

Fläche auf 2‘400 Hektaren. Ihm war die Selbständigkeit der Städte wichtig. Das be-

deutet, jede Stadt hat ihre eigene Infrastruktur, zum Beispiel Krankenhaus, Rathaus

und Kulturangebote. Wohnen, Arbeiten und Erholung sind räumlich voneinander ge-

trennt. Jedoch sollten durch die soziale Durchmischung keine Armen- oder Reichen-

viertel entstehen. Abbildung 6 zeigt den kreisförmigen Aufbau einer Gartenstadt

(Heineberg, 2001; Seidel, 2012).

Abbildung 6: Das Modell der Gartenstadt von Ebenezer Howard

Quelle: Grundriss Allgemeine Geographie: Stadtgeographie, Abb. 5.19, S 117 (Heineberg, 2001)

Gartenstädte gibt es heute noch, jedoch meist an den Stadträndern. Dadurch sind

sie nicht mehr Städte im Sinne von Howard, sondern eher grüne Vororte. Das Prob-

lem ist, dass sie, sobald sie zu grün werden, nicht mehr als städtisch betrachtet wer-

den können. Einige Personen bezeichnen sie gar als ökologische und ökonomische

Desaster. Ein Grund dafür ist laut dem Münchner Architekten Thomas Herzog, dass

die freistehenden Häuser viel mehr Energie verbrauchen, als wenn verdichtet gebaut

wird. Dies folgt aus den längeren Transportwegen für Energie und andere

Gebrauchsgüter (Guratzsch, 2012).

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In einem Forschungsbericht von Lord Cameron of Dillington im Jahr 2007 wurde klar,

dass sich London nur „neun Mahlzeiten von der Anarchie entfernt“ (Cockrall-King,

2011, S. 29) befindet. Das heisst, wenn keine Lebensmittel mehr in die Stadt ge-

bracht werden können, reichen die gelagerten Produkte gerade einmal für drei Tage.

Als Grund wird die sogenannte Just-in-Time-Produktion angegeben, bei der Güter

erst geliefert werden, wenn Bedarf besteht. Die Briten essen viele industrialisierte

Lebensmittel. Eine von drei Mahlzeiten besteht aus Fast-Food. Wegen dieser Tatsa-

che sucht London nach Alternativen, um mehr Lebensmittel in der Stadt zu produzie-

ren und wieder unabhängiger von Importprodukten zu werden (Cockrall-King, 2011).

Die Ideen sind sehr abwechslungsreich. Der Bürgermeister Boris Johnson setzte sich

im Jahr 2009 zum Ziel, bis 2012 müssen 2‘012 neue Gemeinschaftsgärten in der

Stadt entstanden sein. Das Ziel wurde erreicht und noch immer kann man auf der

Homepage von Capital Growth, wie sich das Projekt nennt, nachsehen, wie viele

Flächen bereits hinzugekommen sind. Im Moment (Stand August 2014) sind es

2‘278. Konkret werden neuen Garteninitiativen eine Starthilfe von 750 Pfund, Unter-

stützung beim Aufbau, Vernetzung mit anderen Gärten und Fachstellen sowie Bera-

tungen angeboten (www.capitalgrowth.org).

Dass in London sogar Weinreben angebaut werden können, hängt mit dem Heat Is-

land Effect zusammen. Im Jahr 1810 wurde er von Luke Howard entdeckt. Er fand

heraus, dass in Städten mit mehr als einer Million Einwohnern die Temperatur auf-

grund der dichten Bebauung und der fehlenden Vegetation häufig um bis zu drei

Grad Celsius höher ist als auf dem Land. In der Nacht kann der Unterschied sogar

bis zwölf Grad Celsius betragen, da die Abkühlung durch die Infrastruktur teilweise

verhindert wird (www.epa.gov/hiri/about/index.htm).

Der häufig unerwünschte Effekt kann beim Gemüseanbau positiv sein. So kann Lon-

don einen Wärmevorteil von fünf Grad Celsius gegenüber dem ländlichen Gebiet er-

langen. Damit lässt sich das Klima mit demjenigen von Nordfrankreich oder Deutsch-

land vergleichen (Cockrall-King, 2011).

2.2.7. Deutschland

Im Zuge der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das

Thema Gesundheit in Deutschland immer wichtiger. Denn viele Menschen in den

Städten wohnten auf engstem Raum in unhygienischen Wohnungen und kamen sel-

ten an die frische Luft. Der Arzt Moritz Schreber aus Leipzig sah, dass es für Kinder

sehr wichtig war, sich draussen zu bewegen. Schreber baute aus diesem Grund

Spielplätze, auf denen sie betreut und beim Spiel angeleitet wurden. Ein pensionier-

ter Lehrer kam dann auf die Idee, dass man für die Kinder Beete anlegen könnte,

anhand derer sie einiges lernen sollten. Jedoch verloren die Kinder rasch das Inte-

resse und die Eltern pflegten die Beete. Diese wurden eingezäunt und zu Familien-

gärten. Im Jahr 1870 gab es in Leipzig bereits 100 Parzellen. Es kamen fortan lau-

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fend neue Vereine hinzu, die sich Schrebergartenvereine nannten (Pöppelmann,

2012). Heute existieren in Deutschland fast eine Million Kleingärten, wie die Schre-

bergärten heute meist genannt werden (www.kleingarten-bund.de).

Bis etwa 1900 gab es die Ackerbürgerstädte. Das heisst, die Städterinnen und Städ-

ter bauten Obst und Gemüse an, um sich selbst zu versorgen. Die Überschüsse

wurden auf dem Markt verkauft. Die zusätzlich zum Handwerksberuf ausgeführte

Landwirtschaft war also ihr Nebenverdienst. Noch heute erinnern Strassen- und

Quartiernamen daran: Die Acker- und Gartenstrasse in Berlin sind nur zwei von un-

zähligen Beispielen (Meyer-Renschhausen, 2011).

Da es in Deutschland um 1900 zu einer Wohnungsnot kam infolge unbegrenzt an-

steigender Bodenpreise durch Spekulation, fanden sich für die Gartenstadtbewegung

aus England schnell zahlreiche Anhänger. 1902 wurde dann die erste Gartenstadt in

Deutschland, Dresden-Hellerau, gegründet (Meyer-Renschhausen, 2011).

Eine Welle von Hausbesetzungen ging in den 1960er Jahren aus Protest gegen die

Bodenspekulationen um die Welt. In Deutschland kam sie Ende der 1970er Jahre an.

Studentinnen und Studenten nahmen leer stehende Häuser in Besitz und begannen,

auf Brachen Gärten und Abenteuerspielplätze anzulegen. Daraus entstanden auch

die Kinderbauernhöfe (siehe Kapitel 2.3.7), die sich analog zu den Gemeinschafts-

gärten der USA entwickelten. Bis ins Jahr 2000 war bei all diesen Initiativen vor allem

der ökologische Aspekt wichtig. Erst danach wurde dank vermehrten Medienmeldun-

gen die integrative und soziale Bedeutung beachtet (Meyer-Renschhausen, 2011).

Gemeinschaftsgärten kamen in den 80er Jahren vermehrt nach Deutschland. Vor

allem dort, wo eigene Grünflächen selten und teuer sind, finden sie grossen Anklang.

In Göttingen wurde 1995 von bosnischen Flüchtlingsfrauen zusammen mit der evan-

gelischen Kirche und der Caritas der erste interkulturelle Garten gegründet. Das Ziel

war, dass ein Ort der Begegnung geschaffen und ein Zugang zur deutschen Sprache

ermöglicht wurde. Interkulturelle Gärten wollen sich klar von den Schrebergärten ab-

grenzen, in denen sich die Immigrantinnen und Immigranten leicht zurückziehen

könnten. Indem Gemüse aus der Heimat angebaut wird, kann auch das Heimweh

gelindert werden. Neben dem Gärtnern finden Kurse und Ausflüge statt. Christa Mül-

ler bezeichnet die interkulturellen Gärten als „Türöffner“ (Pöppelmann, 2012).

Im Gegensatz zu den Gärten in Toronto, die den deutschen interkulturellen Gärten

ähneln, steht in Deutschland nicht die Versorgung mit Lebensmitteln im Vordergrund

(Rosol & Weiss, 2005).

Beim Besuch der zwei grössten Gemeinschaftsgärten Berlins, der Prinzessinnengar-

ten und das Allmende-Kontor auf dem Tempelhofer Feld, wird deutlich, dass die so-

ziale Funktion entscheidend ist. Im Prinzessinnengarten, gegründet 2009 in Berlin

Kreuzberg, wird ein Café betrieben, das im Sommer täglich ein Menü anbietet, wel-

ches aus Produkten des Gartens sowie weiteren lokalen und biologischen Lebens-

mitteln gekocht wird. Die Menschen sitzen unter den jungen Bäumen und die Atmo-

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sphäre ist sehr locker. Immer wieder finden Führungen und Workshops statt. Das

gemeinsame Gärtnern wird täglich vom angestellten Gärtnermeister geleitet. Die

zwei Initianten nennen den Garten ein soziales und ökologisches Projekt, mit dem

Ziel einer nachhaltigeren Stadtlandschaft. Die Ernte ist für alle zu den an Tafeln an-

geschlagenen Preisen direkt aus den Beeten erwerbbar.

Abbildung 7: Gartencafé Prinzesinnengarten Originelle Pflanzbehälter

Quelle: Eigene Aufnahmen

Das Allmende-Kontor befindet sich auf dem

ehemaligen Flughafen Berlin-Tempelhof. Die

beackerte Fläche beträgt 5‘000 m2 und die un-

terschiedlichen Hochbeete werden von einzel-

nen Personen oder kleinen Gruppen bestellt.

Insgesamt sind es etwa 900 Personen, die dort

gärtnern. Auf dem ganzen Gartengelände be-

finden sich Bänke, die für die Öffentlichkeit ge-

dacht sind. Auch hier gibt es Gartentreffs und

unter einem Sonnensegel findet jederzeit ein

sozialer Austausch statt. Geerntet wird hier

lediglich von den Gärtnerinnen und Gärtnern.

Abbildung 8: Hochbeet auf dem Tempelhofer Feld

Quelle: Eigene Aufnahme

Ende Mai 2014 wurde darüber abgestimmt, ob Teile des Tempelhofer Feldes über-

baut werden sollten. Mit 64 Prozent wurde für den Erhalt der öffentlichen Fläche ge-

stimmt. Dadurch bekennen sich die Berlinerinnen und Berliner zum Urban Gardening

Trend (Lochmaier, 2014).

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Yasmine Zweifel 26

Abbildung 9: Gemeinschaftsgarten Allmende-Kontor

Quelle: Eigene Aufnahmen

2.3. Verschiedene Typen von Garteninitiativen

Der Begriff Urban Gardening vereint viele verschiedene Typen von gärtnerischen

Aktivitäten. Um einen Überblick zu verschaffen, sind hier die häufigsten Arten kurz

erläutert. Bekannte Stadtgärten sind meist die Schreber- oder Familiengärten, die in

dieser Arbeit nicht zum Bereich Urban Gardening gezählt werden.

2.3.1. Abgrenzung zum Schrebergarten

Der Schrebergarten, auch Familiengarten oder Laube genannt, wurde seit Ende des

19. Jahrhunderts in Folge der Industrialisierung immer dann wichtig, wenn in den

Städten eine Versorgungsnot herrschte. Auch während und nach den Weltkriegen

oder während Wirtschaftskrisen steigerte sich die Bedeutung der Schrebergärten

jeweils. Laut Definition des Bundesamts für Statistik Schweiz handelt es sich dabei

um Areale von „individuell, nicht erwerbsmässig genutzten und zu grösseren Ein-

heiten zusammengefassten Pflanzflächen mit Erholungsfunktion und festen In-

stallationen“ (www.bfs.admin.ch).

Die Motive für die neue Bewegung des urbanen Gärtnerns sind teils ähnlich wie bei

Mitgliedern von Schrebergärten (siehe Kapitel 2.4.2.). Als deutlicher Unterschied gilt

aber die gärtnerische Haltung: Damit ist gemeint, dass sich in den neuen Garteniniti-

ativen im Gegensatz zu den Schrebergärten die Leute über das Internet austauschen

oder Informationen besorgen. Ausserdem haben Urban Gardeners meist eine kurz-

fristigere und weniger ernste Motivation. Lohrberg (2011) meint, es ist der Projekt-

Charakter, der die Gärten ausmacht.

Der zweite klare Unterschied von Urban Gardening Projekten und Schrebergärten ist,

dass sich die neuen Gärten zur Stadt bekennen. Es gibt keine hohen Zäune und He-

cken um die Grundstücke, der öffentliche Raum wird sogar als Plattform gesucht.

Hingegen sehen sich die Schrebergärten als einen Fluchtort vor der Stadt. Die Stadt

wird eher negativ angesehen (Lohrberg, 2011).

Rosol (2006) nennt als weitere Unterschiede, dass Gemeinschaftsgärten meist öko-

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Yasmine Zweifel 27

logischer gärtnern und dass es weniger gesellschaftliche Zwänge und rechtliche Re-

gelungen gebe. Die regelmässige Verpflichtung und das Vereinsleben können ab-

schreckend wirken. Somit wird eine andere Zielgruppe angesprochen: Menschen, die

aus unterschiedlichen Gründen bewusst keinen Familien- oder Schrebergarten

möchten, dennoch den Wunsch haben, gärtnerisch tätig zu sein.

Rasper (2012a) grenzt mit seiner Definition (siehe Kapitel 2.1) von Urban Gardening

die Schrebergärten eindeutig davon ab, da es sich um keine neue, nicht einzuord-

nende Bewegung handelt.

Die Bedeutung der Schrebergärten heute ist sowohl sozialer als auch ökologischer

Natur. Familien mit einer Parzelle ermöglichen ihren Kindern den Kontakt zur Natur.

Als Grünflächen in der Stadt nehmen sie wie andere urbane Gartenprojekte eine po-

sitive ökologische Funktion ein (siehe Kapitel 2.4.1).

Leider ist in vielen Städten der Druck auf die Schrebergartenareale gross, da es sich

häufig um die letzten unbebauten Brachflächen handelt. In St.Gallen sollte im Jahr

2013 der Familiengarten Grossacker abgerissen werden, um mehr Parkplätze für das

Kinderspital zu schaffen. Zwei Drittel der Fläche konnten aber gerettet werden

(Bedrohte Familiengärten, 2014).

2.3.2. Gemeinschaftsgärten

Dies ist der Oberbegriff für alle Gärten, die von einer Gemeinschaft nach dem Vorbild

der Community Gardens in New York betrieben werden. Andere Begriffe dafür sind

Nachbarschaftsgarten, Kiezgarten, Quartiersgarten oder Bürgergarten (Rasper,

2012a). Häufig gibt es keine persönlichen Beete, sondern eine Fläche zur Gruppen-

nutzung Die Hauptakteure dieser Gärten sind Nachbarschaften, Schulen, Kirchen

und politische Gruppen. In Gemeinschaftsgärten wurde zum ersten Mal die Verknüp-

fung zwischen gärtnerischen, ernährungspolitischen, ökonomischen, sozialen, künst-

lerischen und stadtgestalterischen Fragen gemacht (Jungblut, 2012).

In der englischen Literatur wird der Begriff Community Garden häufig mit den hiesi-

gen Schrebergärten gleichgesetzt. Das heisst, die Gärtnernden haben ihre eigenen

Beete, teils sogar mit Zäunen abgetrennt. Es gibt jedoch beide Varianten, Gemein-

schaftsbeete oder individuelle Beete (Meyer-Renschhausen, 2004). Zudem existieren

auch Anlagen, bei denen ein Teil aus öffentlichen und ein anderer aus privaten Bee-

ten bestehen, zum Beispiel der Stadiongarten in Zürich. Eine einheitliche Definition

für diese Arbeit folgt in Kapitel 3.1.

Ein typisches Gemeinschaftsgartenprojekt ist der Prinzessinnengarten in Berlin-

Kreuzfeld, der von zwei jungen Männern gegründet wurde (siehe Kapitel 2.2.7). Da

der Boden nicht nutzbar ist, pflanzen sie alles in Plastikkisten an und sind somit mobil

(siehe Kapitel 2.3.4). Organisiert sind sie als Verein, der sich Nomadisch Grün nennt

(Clausen & Shaw, 2012).

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Yasmine Zweifel 28

2.3.3. Interkulturelle Gärten

Unter interkulturellen Gärten versteht man Gemeinschaftsgärten, die zur Förderung

des internationalen Austauschs angelegt sind. Sie werden auch internationale Gärten

genannt. Dort gärtnern Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund, wie

zum Beispiel Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten, aber auch Einheimische. Ih-

nen werden sowohl Angebote im Bereich Bildung geboten, als auch ein Ort der Zu-

flucht. In Deutschland existiert die Stiftung Interkultur, die bis im Jahr 2013 bereits

145 Projekte bei ihrer Entstehung begleitet hat (www.anstiftung-ertomis.de). Bei Mül-

ler (2002, S. 19) findet sich folgende Definition:

„Die Internationalen Gärten unterscheiden sich von Begegnungszentren für

Migranten und Migrantinnen primär dadurch, dass die Menschen miteinander

arbeiten, dass sie den Boden als gemeinsame Ausgangsbasis haben, auf dem

sie lebensnotwendige Güter wie Obst, Gemüse, aber auch Freundschaften

und Gemeinsamkeiten herstellen. In dem Sinn stiftenden Umfeld der Arbeit für

die eigenen Bedürfnisse ist die Begegnung der Menschen untrennbar verbun-

den mit dem gemeinsamen Projekt der Gartenbewirtschaftung bzw. der Be-

wirtschaftung des transkulturellen sozialen Raumes Internationale Gärten.“

In der Schweiz kümmert sich vor allem das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen

Schweiz (HEKS) um den Aufbau solcher Gärten (siehe auch Kapitel 4.2.1).

2.3.4. Mobile Gärten

Mobile Gärten werden in Kisten und Pflanzsäcken angelegt, so dass alles, wenn nö-

tig, abtransportiert werden könnte. Diese Vorgehensweise kann zwei Gründe haben:

Zum einen erlauben die Verwaltungen auf Brachen häufig nur eine Zwischennut-

zung. Zum anderen sind in manchen Städten die Böden so verschmutzt, dass man

nicht direkt in die Erde anbauen kann. Jedoch ist das mobile Gärtnern kein Idealzu-

stand und das Ziel ist immer, einen fixen Platz zu haben, wo der Garten bleiben kann

(Rasper, 2012a). Ein Beispiel in Deutschland ist der Berliner Gemeinschaftsgarten

Rosa Rose, der im Jahr 2008 alle transportierbaren Pflanzen von einer Brache weg-

bringen musste, da dort etwas Neues gebaut werden sollte. 2010 fanden sie dann

einen Standort, an dem sich der Garten noch immer befindet (www.rosarose-

garten.net/de/historiographie).

2.3.5. Guerilla Gardening

Unter Guerilla Gardening wird die politische Form des Gärtners verstanden. Die

Städte werden mit sogenannten Saatbomben beworfen oder in Nacht-und-Nebel-

Aktionen durch Bepflanzung öffentlicher Plätze und Stellen begrünt (Jungblut, 2012).

Der Begriff Guerilla Gardening stammt aus New York und entstand in den 1970er

Jahren. Dort kümmerten sich Anwohner um verwahrloste Grundstücke und bepflanz-

ten diese. Nach einigen Auseinandersetzungen mit den Behörden wurde die Bewe-

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gung in das Koordinierungsprogramm Green Thumb integriert und somit legalisierte

sich ihr Treiben teilweise. Ein wichtiger Akteur beim Guerilla Gardening ist Richard

Reynolds, der als Vater dieser Bewegung gilt. Auf seiner interaktiven Website

www.guerrillagardening.org kommen über 50‘000 Benutzer und Benutzerinnen aus

mehr als 40 Ländern zusammen. Die schnelle Kommunikation über das Web hat die

Bewegung erheblich verändert. So können zum Beispiel Flashmobs besser organi-

siert werden. Diese Aktionen sind streng gesehen illegal. Viele Behörden dulden die

Stadtbegrünungen, solange es eine friedliche Aktion ist und niemand gefährdet wird

(Meyer-Rebentisch, 2013).

2.3.6. Balkongärten

Die Funktion von Balkons hat sich über die letzten Jahrhunderte geändert und hängt

natürlich auch von der Region ab. Im Folgenden wird die Geschichte exemplarisch

an Deutschland betrachtet. Von der rein architektonischen Verschönerung über die

Funktion als Repräsentationsplattform des Adels wurden Balkons erst im 19. Jahr-

hundert an bürgerlichen Häusern gebaut. Da übernahm er vor allem in Mietshäusern

die Stellvertretung eines Gartens. Somit begann damals auch die Zeit der Balkonbe-

pflanzung. Sie beschränkte sich aber zuerst vor allem auf Blumen oder seltener

Kräuter. Mit dem Anbruch des 20. Jahrhunderts wurden Balkons langsam zum Stan-

dard. Ferien auf dem Balkon waren während der Weltwirtschaftskrise ab 1929 üblich.

Robuste Pflanzen, wie etwa Geranien, wurden immer schon geschätzt für den Bal-

kon, da dort selten ein optimales Klima herrscht und die Überwinterung immer ein

Thema ist. Seit einigen Jahren wird vermehrt Gemüse auf Balkons angebaut. Extra

dafür gezüchtete Gemüsesorten oder Obstbäume finden sich immer häufiger in Ver-

kaufsstellen. Obwohl dies keinesfalls eine neue Idee ist. Bereits während der Welt-

kriege und in den Jahren danach wurde beispielsweise in Berlin das eigene Gemüse

vom Balkon zur willkommenen Speiseplanergänzung. Sogar Kaninchenställe fanden

sich in luftiger Höhe (Meyer-Renschhausen, 2012).

2.3.7. Urban Farming

Der Unterschied von Urban Farming zu Urban Gardening besteht vor allem darin,

dass beim Urban Farming professionelle Akteure mitwirken, die damit häufig ihr Geld

verdienen. Die Flächen sind dadurch grösser und somit eher am Stadtrand anzutref-

fen.

2.3.7.1. City Farms und Kinderbauernhöfe

Eine Form der städtischen Landwirtschaft sind City Farms oder Kinderbauernhöfe. In

solchen Anlagen werden Nutztiere wie Pferde, Schafe, Ziegen und Hühner gehalten

und daneben wird noch ein Garten bewirtschaftet. Das Ziel ist vor allem, die Kinder

auf das Thema zu sensibilisieren und sie wieder an Tätigkeiten zu führen, die sie zu

Hause nicht mehr erlernen (Jungblut, 2012).

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2.3.7.2. Selbsterntegärten

Im Jahr 1987 hatte ein österreichischer Bio-Bauer die Idee zu Selbsterntegärten Sie

wurde von der Stadt Wien gleich aufgegriffen und findet sich heute weit verbreitet,

auch in der Schweiz und in Deutschland. Ein anderer Name für den Selbsterntegar-

ten ist Krautgarten (Stierand, 2013).

Es funktioniert so, dass ein Bauer im Frühling einen Acker mit Setzlingen vorbereitet,

von dem man dann ein Beet übernimmt. Über den Sommer ist man für diese Parzelle

verantwortlich und kann alles ernten, was wächst. Auch das Anpflanzen von neuem

Gemüse ist möglich. Bezahlt wird dann für die Dauer einer Saison. Danach muss

alles wieder komplett geräumt werden. Es ist somit ideal für Leute, die mit dem Gärt-

nern beginnen wollen und noch nicht viel Erfahrung haben (Rasper, 2012a). .

2.3.8. Die Essbare Stadt

Der öffentliche Raum einer Stadt wird, anstatt wie gewohnt mit Blumenrabatten oder

Rasen, mit essbarem Obst und Gemüse bepflanzt. Die Einwohner der Stadt dürfen

ernten, was reif ist. Argumente für eine Essbare Stadt sind, dass die Bepflanzung

und Pflege nicht teurer sind, als wenn Blumen angepflanzt werden. Teils spart man

sogar Arbeit und Geld, da gewisse Obst- und Gemüsesorten weniger aufwändig im

Unterhalt sind, als Blumenbeete, die mehrmals pro Jahr neu bepflanzt werden müs-

sen. Die Gegner der essbaren Stadt kritisieren, dass der Boden und die Luft ver-

schmutzt seien und somit das Gemüse ungeniessbar werde. Eine andere Befürch-

tung ist, dass es immer Leute gäbe, die egoistisch handeln und nicht an die Mitmen-

schen denken würden, wodurch die essbare Stadt nicht funktionieren würde (Meyer-

Rebentisch, 2013).

In Deutschland ist Andernach seit dem Jahr 2010 bekannt als Essbare Stadt. Die

Stadtverwaltung plante zuerst nur auf ungenutzten Flächen Gemüse anzubauen, so-

dass diese nicht mehr als Müllhalden benutzt würden. Als sich die gut 30‘000 Ein-

wohner der Stadt immer mehr trauten, die reifen Nahrungsmittel auch zu ernten,

wurde das Konzept stetig weiter ausgedehnt (Korsack, 2012).

Ebenso existiert in England seit 2007 eine Essbare Stadt, Todmorden. Das Projekt

nennt sich Incredible Edible Todmorden (www.incredible-edible-todmorden.co.uk).

2.3.9. Urban Beekeeping

Bienenzucht in den Städten kommt ursprünglich aus Paris. Bis vor etwa 100 Jahren

war es jedoch in den meisten Städten normal, dass Bienen gehalten wurden. Der

Honig verlor an Bedeutung, als billigerer Zucker importiert wurde. Vor allem durch die

sich in letzter Zeit häufenden Beiträge der Medien über das Bienensterben4 wurde

die Frage laut, was mit der Nahrungskette geschehe, wenn es keine Bienen mehr

gäbe. Cockrall-King (2011) vermutet diese Diskussion als Grund dafür, dass in den

4 Colony collapse disorder, kurz CCD

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Yasmine Zweifel 31

letzten Jahren Imkerkurse einen Boom erleben. Durch die Monokulturen auf dem

Land finden die Bienen dort weniger Nahrung. In der Stadt ist das Angebot an blü-

henden Pflanzen vielfältiger, die Bienen finden über eine längere Zeitdauer Nahrung

und produzieren so bis zu drei Mal mehr Honig als solche auf dem Land (Cockrall-

King, 2011). Der Zukunftsforscher Matthias Horx definierte bereits im Jahr 2008 die

Bienenzucht in der Grossstadt als ein neues Hobby der Jungen

(www.bienenkiste.de). Die Stadt Zürich beispielsweise besitzt etwa 70 Imker mit je-

weils mehreren Völkern (Messikommer, 2013).

2.4. Positive und negative Auswirkungen von Urban Gardening

Gärtnern in der Stadt hat positive und negative Effekte auf unterschiedlichen Ebe-

nen. Diese können auf das einzelne Individuum, eine Gemeinschaft oder die gesam-

te Bevölkerung bezogen sein. Die meisten Aspekte lassen sich in die drei Kategorien

Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft einteilen. In der Ausführung wird jeweils zuerst

auf die positiven und dann auf die negativen Auswirkungen eingegangen.

2.4.1. Umwelt

Für das Stadtklima sind Gärten sehr förderlich. Vor allem grosse, zusammenhängen-

de Flächen können die Temperatur einer Stadt regulieren. Die Luftqualität verbessert

sich dank der Sauerstoffproduktion der Pflanzen (Bruse, 2003). Wird organisches

Material kompostiert, reduziert sich der Abfall und wertvoller Humusboden wird gebil-

det. Alte Gegenstände können einem neuen Bestimmungszweck zugeführt werden.

Im Prinzessinnengarten in Berlin wird zum Beispiel in alten Bäckerkisten angepflanzt.

Durch den Anbau verschiedener Pflanzen in der Stadt steigt die Biodiversität, denn

Insekten finden mehr Nahrung (Jungblut, 2012).

Weiter ist ein positiver Effekt, dass durch Urban Gardening Nahrungsmittelanbau und

Stadtleben näher rücken. Es ergeben sich kürzere Transportwege, was die Umwelt

schont. Teilweise kann ein Umdenken erreicht werden, da die Lebensmittel mehr

geschätzt werden und die Saisonalität besser nachempfunden wird. Die Nachfrage

nach regionalen Produkten kann durch dieses Bewusstsein zunehmen (Gehrke,

2012a).

Eine Studie der europäischen Umweltagentur kommt zum Schluss, dass es sinnvoll

ist, so viel Boden wie möglich innerhalb einer Stadt zu überbauen, denn durch die

Verdichtung wird weniger Raum beansprucht. Jedoch sollte überall, wo die Versiege-

lung nicht zwingend ist, ein durchlässiger Boden angestrebt werden (European

Environment Agency, 2011). Urban Gardening kann also dazu beitragen, Regen-

wasser aufzunehmen und die Kanalisation zu schonen, indem die Versiegelung im

städtischen Raum durchbrochen wird.

Durch Grünflächen in der Stadt wird verhindert, dass sich die Stadt weiter ausdehnt,

da die Attraktivität der Stadt steigt und die Menschen wieder vermehrt in die Innen-

städte ziehen. Urban Gardening besetzt Nischen mit neuen Grünflächen, die ansons-

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Yasmine Zweifel 32

ten ungenutzt bleiben. Beispiele dafür sind Dächer und Brachen (Gehrke, 2012a).

Ein wichtiger Punkt ist die eigene Saatgutproduktion, die auch in Stadtgärten möglich

ist. Die biologische Vielfalt des Saatguts geht immer mehr verloren. Grosse Konzerne

wie Monsanto und Syngenta kaufen Patente auf ihre teils genmanipulierten Samen

und beherrschen so den Markt. Nicht viel mehr als zwei Sorten Tomaten, fünf ver-

schiedene Apfelsorten oder zwei Bohnensorten findet man in einem Grossverteiler.

Dass es aber eigentlich tausende von Apfelsorten gibt, die geniessbar sind, ist vielen

Menschen nicht mehr bewusst. Diejenigen, die am einfachsten zu transportieren und

am stabilsten im Ertrag sind, werden angebaut. Ob es auch die geschmackvollsten

sind, interessiert nicht. In der EU existiert ein Gesetz, das es verbietet, nicht zugelas-

sene Obst- und Gemüsesorten zu verkaufen. Eine Sorte registrieren zu lassen kostet

viel und ist ein enormer Aufwand mit den Behörden. Zugelassen werden sie dann

trotzdem nur, wenn sie strengen Richtlinien entsprechen (Rasper, 2012a). In der

Schweiz ist es dank ProSpecieRara 5 noch möglich, eigenes Saatgut anzubauen und

diese in kleinen Mengen zu verkaufen. Es handelt sich dabei um die Nischensorten-

regelung (Krähenbühl, 2013).

Syngenta und Monsanto besitzen zusammen über 50 Prozent der Patente für Gemü-

sesorten, die in Europa zugelassen sind (Richter, 2012). Sie sind aber gleichzeitig

Chemiekonzerne und wollen ihre Düngemittel und Pestizide verkaufen. Das von ih-

nen gekaufte Saatgut darf nicht selbst vermehrt werden, das heisst, es muss jedes

Jahr neu gekauft werden, da es sich um Hybridsorten handelt. Die FAO6 schätzt,

dass während dem letzten Jahrhundert 75 Prozent unserer Kulturpflanzen verloren

gingen. Rasper (2012 a) meint, dass es urbane Garteninitiativen braucht, die mit al-

ten Sorten experimentieren und sie so am Leben erhalten.

Aber Urban Gardening kann auch negative Auswirkungen im ökologischen Bereich

haben. Die Umwelt kann zu Schaden kommen durch unsachgemässe Benutzung

von Pestiziden und Düngemitteln. Auch der ineffiziente Gebrauch von teils rarem

Wasser kann eine Belastung sein. Diese Probleme resultieren vor allem aus Un-

kenntnissen in der Bevölkerung, die durch gezielte Informationen verhindert werden

können (Jahnke, 2007).

Gegen den Wasserverbrauch empfiehlt Rosol (2006) eine verstärkte Regenwasser-

nutzung. Damit in den Gärten weniger Chemikalien eingesetzt werden, braucht es

eine Informations- und Beratungsstelle. Ist diese nicht vorhanden, könnten die Verei-

ne Fachpersonen einladen, die biologische Wege aufzeigen, wie Pflanzen vor

Schädlingen geschützt und gedüngt werden können.

Ein weiteres Problem kann auftreten, wenn die Erde für den Garten lange Transport-

5 „ProSpecieRara ist eine schweizerische, nicht-Profit-orientierte Stiftung. Sie wurde 1982 gegründet,

um gefährdete Nutztierrassen und Kulturpflanzen vor dem Aussterben zu bewahren“ (www.prospecierara.ch). 6 Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (englisch Food and Agri-

culture Organization of the United Nations) wird auch als Welternährungsorganisation bezeichnet, mehr unter www.fao.org.

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wege zurücklegt. Dadurch steigt die Treibhausgasemission an. Torffreie, einheimi-

sche Erde ist besser für das Klima (www.familiengaertner-sg.ch).

2.4.2. Gesellschaft

Viele Gemeinschaftsgärtnerinnen und -gärtner sind daran interessiert, Kontakte zu

den Menschen in ihrer Nachbarschaft zu knüpfen. Es entsteht ein stärkerer sozialer

Zusammenhalt und man identifiziert sich eher mit dem Quartier. Das Interesse an

anderen Menschen wird geweckt, in dem man über gleiche Interessen sprechen

kann. Gemeinschaftsgärten ermöglichen und fördern dadurch den kulturellen Aus-

tausch. Es entstehen Orte, an denen gelernt wird. Die Lebensqualität steigt für die

Leute der Umgebung. Häufig findet auch eine Aufwertung der angrenzenden Gebiete

statt. Nicht nur die Hemmschwellen zwischen Kulturen sondern auch zwischen Ge-

nerationen werden abgebaut. Die Abgrenzung und Anonymität wird so ein wenig

aufgehoben. Die Menschen werden dazu angeregt, sich bürgerschaftlich zu engagie-

ren. Zum einen ersparen sich die Behörden Arbeit durch diese positiven Effekte und

durch das Engagement von Freiwilligen. Auf der anderen Seite haben die Anwohne-

rinnen und Anwohner das Gefühl, selbst aktiv mitgestalten zu können (Gehrke,

2012a).

Durch die Aufwertung von Quartieren kann es sein, dass sich die bislang dort woh-

nenden Menschen die Mieten nicht mehr leisten können und durch Besserverdie-

nende vertrieben werden. Der Prozess der Gentrifizierung kann gezielt von der Re-

gierung reguliert werden (Knox & Marston, 2008).

Ein weiteres Problem ist, dass Urban Gardening Projekte häufig mit Diebstahl, Zer-

störung und Verunreinigung konfrontiert sind. Vor allem Hunde, spielende Kinder und

gelangweilte Jugendliche richten Schäden an (Rosol, 2006).

Die Selbstorganisation der Projekte kann dazu führen, dass gewisse Menschen über-

fordert sind und sich zu viel Arbeit aufbürden. In den Organisationsgruppen kann es

zu Konflikten kommen, da sehr unterschiedliche Personen aufeinander treffen

(Rosol, 2006).

2.4.3. Wirtschaft

Der ökonomische Aspekt hat vor allem für Peripherieländer wie beispielsweise Äthio-

pien eine hohe Relevanz (Food Right Now, 2012). Aber auch in Nordamerika gärt-

nern viele Menschen aus Armut, da sie somit weniger Nahrungsmittel kaufen müssen

(siehe Kapitel 2.2). Sogar in der Schweiz gibt es Personen, denen biologische Le-

bensmittel zu teuer sind. Diese können durch den Eigenanbau günstiger gesundes

Gemüse geniessen.

Jahnke (2007) führt verschiedene Bereiche auf, die unter den ökologischen Effekt

gefasst werden können: Zuerst die Beschäftigung, die Einkommensgenerierung und

die Unternehmensentwicklung. Auch wenn die Beschäftigungen bei Urban Garde-

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Yasmine Zweifel 34

ning im informellen Sektor anzusiedeln sind, wird durch die benötigten Materialien für

den Garten, wie zum Beispiel Saatgut, die Wirtschaft angeregt. Ein anderer Bereich

ist die Landnutzungsökonomie. Die Landnutzung in Städten wird durch die Bepflan-

zung brachliegender Flächen erhöht. Somit spart die Stadt, da sie sich nicht um eine

Zwischennutzung bemühen muss (Jahnke, 2007).

Die Abhängigkeit vom Weltmarkt wird kleiner, wenn das eigene Gemüse angebaut

wird. Ohne viel Geld wird so eine gerechtere Gesellschaft angestrebt. Neue Gestal-

tungsmöglichkeiten werden im Kleinen ausprobiert und können später erfolgreicher

auf grosse Projekte übertragen werden (Gehrke, 2012a).

Ein negativer Punkt ist, dass wir in Europa die Lebensmittel meist so billig kaufen

können, dass sich der Aufwand des Eigenanbaus finanziell betrachtet nicht lohnt.

Jedoch sind Bio-Produkte teurer, da die Produktion aufwändiger ist und kleinere

Mengen angebaut werden (Borowiak, o.J.).

Ein zweiter negativer wirtschaftlicher Aspekt könnte sein, dass durch das notwendige

Kapital zu Beginn eine Hürde entsteht. Ein Garten braucht vor allem anfangs einige

Investitionen, zum Beispiel für Gartengeräte, Saatgut oder Ratgeber.

2.4.4. Vorbehalte gegen Urban Gardening

Die Reaktionen von Menschen, die mit Urban Gardening zum ersten Mal in Kontakt

kommen, sind oftmals ähnlich. Viele vermuten, dass Gemüse aus der Stadt unge-

niessbar sein müsse, da es durch Luft- und Bodenverschmutzung zu viele Giftstoffe

enthalte. Anlässlich einer Studie der Technischen Universität Berlin untersuchte eine

Forschergruppe Gemüse und Böden in Berlin. Die Studie erschien im Jahr 2012 in

der Fachzeitschrift Environmental Pollution (Säumel et al., 2012). Es werden drei

Verschmutzungsquellen unterschieden. Diese sind (1) die Nutzung von verseuchten

Böden, (2) das Giessen der Pflanzen mit verschmutztem Wasser und (3) die Luftver-

schmutzung durch Verkehr und Industrie. Betrachtet wurde die Schwermetallbelas-

tung durch Blei, Cadmium, Zink, Kupfer, Nickel und Quecksilber, die der Körper we-

der abbauen noch ausscheiden kann. Überraschend war das Ergebnis, dass Gemü-

se, das direkt in den Boden gepflanzt wurde, weniger belastet war als solches, das in

Beete und Töpfe mit handelsüblicher Gartenerde gepflanzt wurde (Säumel et al.,

2012).

Es konnte nachgewiesen werden, dass Gebäude und Hecken die Luftverschmutzung

stark zu senken vermögen. Bedeckt man die Erde mit abgestorbenen Pflanzen, die-

sen Vorgang bezeichnet man als Mulchen, verringert sich die Aufnahme der

Schwermetalle aus der Luft. Es wird erwähnt, dass man nicht nur die Verseuchung

des städtischen Gemüses betrachten kann, sondern auch die Vorteile des Eigenan-

baus, zum Beispiel die zusätzliche Bewegung, mit einbezogen werden müssen

(Leake, Adam-Bradford & Rigby, 2009).

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Yasmine Zweifel 35

Das Problem der Bodenverschmutzung lässt sich durch mobiles Gärtnern in Kisten

und anderen Gefässen umgehen, wenn man getestete Erde benutzt. In den Periphe-

rieländern wissen die Leute jedoch häufig nicht, ob ihr Boden kontaminiert ist oder

nicht. Dort hilft es, die Bevölkerung zu informieren, dass dies der Fall sein könnte und

ihnen Alternativen aufzuzeigen.

Zum Problem der Luftverschmutzung wurde herausgefunden, dass Feinstaub von

Autoabgasen bereits nach wenigen Metern so aufgeteilt ist, dass die schwereren

Teilchen, wie beispielsweise Russ, von Büschen und Bäumen aufgefangen werden

und die leichtflüchtigeren nach oben gehen. Feinstaub lässt sich von den Lebensmit-

teln durch Waschen entfernen (Rasper, 2012b).

Ein anderer Kritikpunkt ist, dass diese Bewegung nicht neu sei. Das Neue daran ist

aber, dass die Menschen aus einem anderen Grund als früher ihr eigenes Obst und

Gemüse anbauen. Heute ist es möglich, sich durch Einkäufe im Supermarkt zu ver-

sorgen. Es besteht bei uns kein Druck, selbst zu gärtnern. Deshalb steht vor allem

der soziale Aspekt im Vordergrund. Auch die Formen haben sich verändert. Marco

Clausen (Rasper, 2012 b, o.S.) vom Prinzessinnengarten in Berlin formulierte es fol-

gendermassen:

„Der Sinn unserer urbanen Landwirtschaft ist es, Leute zusammenzubringen,

Kooperationen und Austausch herzustellen, der in dieser Art im städtischen

Raum eher selten ist. In unseren Gärten wird gemeinsam ein Raum herge-

stellt.“

Weiter wird bemängelt, dass sich eine Stadt nie wird selbstversorgen können. Dies

ist jedoch selten das Ziel. Dennoch tragen bereits wenige Prozente zu einer verbes-

serten CO2-Bilanz bei. Weil für einen Gemüseeinkauf mehr Treibausgase entstehen

als nur die Abgase diejenigen vom Anfahrtsweg der Konsumentinnen und Konsu-

menten: die intensive Bewirtschaftung mit Dünger, Pestiziden und Maschinen, der

hohe Wasserverbrauch, der Transport zum Supermarkt und die Kühlenergie bis zum

Verkauf (Rasper, 2012b).

Trotz der Kritik gibt es Leute, die sich für das Gärtnern in der Stadt einsetzen. Was

sind ihre Beweggründe und was sind das für Menschen? Dies wird im nächsten Ab-

satz erläutert.

2.5. Motive und Akteure

Für ein Gartenprojekt ist es entscheidend, Leute zum Mitmachen anzuregen. Die un-

terschiedlichen Motive sollten bekannt sein, damit man weiss, wie man Gärtnerinnen

und Gärtner gewinnen kann. Die Motive unterscheiden sich, je nachdem ob es sich

um Peripherie oder Zentrum handelt.

In Ländern der Peripherie ist der Eigenanbau von Obst und Gemüse häufig der ein-

zige Weg, über die Runden zu kommen. Im Falle einer Krise ist es ein geeignetes

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Mittel gegen die Ernährungsunsicherheit (Knox & Marston, 2008).

Es wird im Folgenden auf die Motive der sogenannten Industrieländer eingegangen.

Gehrke (2012a) erklärt den Spass an der Gartenarbeit dadurch, dass man bei der

Ernte ein Ergebnis in Form von Obst oder Gemüse in der Hand hält. Diese Entwick-

lung vom Samen zum Produkt kann beobachtet werden. So sorgt das Gärtnern für

eine Abwechslung oder einen Ausgleich zur Arbeit. Der Gegensatz von Arbeitswelt

und Garten ist in der heutigen Welt gross. Im Garten können die Prozesse nicht wirk-

lich beschleunigt werden, hingegen in der Arbeitswelt läuft alles darauf hinaus, mög-

lichst schnell und effizient zu funktionieren. Die Ernte ist allerdings selten das Ziel

von Urban Gardening. Meist geht es um die Tätigkeit in der Gemeinschaft und dar-

um, selbst aktiv zu werden (Gehrke, 2012a).

Der berühmte Zukunftsforscher Matthias Horx (Email vom 08.01.14) antwortet Fol-

gendes auf die Frage, was er über Urban Gardening denkt:

„Früher gab es halt die Schrebergärten, und die Arbeiter haben in den Städten

Hühner gehalten, heute kommt das aus anderen Gründen zurück. Weil Men-

schen wieder Zugang zur Natur suchen, gerade weil alles so elektronisch ge-

worden ist. Weil Langsamkeit Spass macht. Weil man nach gesunden Le-

bensmitteln sucht. Weil man gerne SELBERMACHT.“

Jahnke (2007) befasste sich mit dem Thema Guerilla Gardening und untersuchte

dazu die Städte New York, Berlin und London. Sie schreibt von einer Vielfalt von Mo-

tiven für das Gärtnern, die ihr in Interviews genannt wurden. Sie hat induktiv Katego-

rien dieser Motive gebildet, also nachdem sie die Interviews durchgeführt hatte.

Als Erstes wird die politische Motivation genannt, da diese bei Guerilla Gardening

eine grosse Rolle spielt. Doch auch bei anderen Formen ist dies durchaus ein wichti-

ges Motiv. Der öffentliche Raum soll zurückerobert werden oder etwas zu einem kol-

lektiven Vorteil beigetragen werden. Für Jahnke sind alle nachher genannten Motive

ebenfalls politischen Ursprungs.

Dann wird der soziale Aspekt genannt, der von den interviewten Guerilla Gärtnern als

sehr wichtig eingeschätzt wurde. Die Leute kommen gerne mit anderen zusammen,

die ebenfalls am Gärtnern interessiert sind. So können sie sich unterhalten und in der

Gesellschaft Spass haben. Das gemeinsame Ziel schweisst die Gruppe zusammen.

Durch das Internet wird es einfacher, Gleichgesinnte zu finden und sich zu organisie-

ren (Jahnke, 2007).

Ein weiterer Aspekt ist die Umwelt. Beispielsweise soll die CO2- Belastung gesenkt

werden. Vor allem aber war es in der Befragung vielen wichtig, „das allgemeine Um-

weltbewusstsein zu schärfen und die Menschen zum Nachdenken anzuregen“

(Jahnke, 2007, S. 85). Darunter fällt etwa die Bildung der Kinder oder die Information

über gentechnisch veränderte Lebensmittel (Jahnke, 2007).

Bei einigen ist das Motiv aber ganz einfach die Lust am Gärtnern und das Fehlen

eines eigenen Gartengrundstücks. Auch das Interesse an der eigenen Gesundheit

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Yasmine Zweifel 37

oder der Stressabbau durch Aktivität kann ausschlaggebend sein.

Ebenso können der kreative Ausdruck und die Selbstverwirklichung als Antrieb die-

nen. Viele verspüren einen inneren Drang zu gärtnern und es erfüllt sie mit Stolz,

selbst etwas geschaffen zu haben.

Uttke (2011) nennt ergänzend noch die folgenden Motive: Die Gärtnerinnen und

Gärtner wollen die Attraktivität des Lebensraums steigern, haben ein gesteigertes

Interesse an geistiger und körperlicher Gesundheit, tun es als Ausdruck von Kreativi-

tät oder zur Traditionspflege, wollen Botschaften vermitteln, informieren, ermutigen

oder ausbilden.

Madlener (2009) erfasste in einer qualitativen Untersuchung in Berlin unterschiedli-

che Zugangsimpulse und ernannte aufgrund der verschiedenen Motive drei Zu-

gangstypen. Diese sind der subjektiv-motivierte, der sozial-motivierte und der sach-

lich-motivierte Zugangstyp. Die Tabelle 1 zeigt, was in der qualitativen Untersuchung

von Madlener herausgefunden wurde. Dies gilt für die untersuchten Gärten. Dabei

wurden zwei Nachbarschaftsgärten sowie zwei Interkulturelle Gärten in Berlin beo-

bachtet und durch problemzentrierte Interviews befragt.

Motive und Motivation unterscheidet Madlener nicht. Sie verwendet den Begriff Moti-

vation. In ihrer Untersuchung fand sie sieben Kategorien von Motivationen, die

mehrmals vorkamen: gärtnerische Motivation, soziale Motivation, lebensräumliche

Motivation, politisch-partizipative Motivation, familiäre Motivation/eigene Kinder,

Freude/Spass und Eigenanbau/Subsistenz.

Nebst der Motivation beschäftigte sich Madlener mit den Zugangsimpulsen. Dazu

wurden die Kategorien eines Freiwilligensurveys im Jahr 1999 von Braun und Klages

gewählt. Diese Studie untersuchte bürgerschaftliches Engagement in Deutschland.

58 Prozent der Befragten kamen laut dieser Studie über Werbung und Anfragen zu

ihrer Freiwilligenarbeit, 38 Prozent über Eigeninitiative. Daraus leitet Madlener sieben

Zugangsimpulse ab. Das sind Werbung/Anfrage über Projektleitung, Werbung/ An-

frage über bereits Engagierte, persönliche Kontakte, Eigeninitiative, Partner, soziale

Netzwerke oder über ein anderes Engagement (Madlener, 2009).

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Yasmine Zweifel 38

Tabelle 1: Verschiedene Zugangstypen nach Madlener (2009)

2.5.1. Verbindung zur Freiwilligenarbeit

Die Akteure beim Urban Gardening sind alles ehrenamtlich arbeitende Personen.

Freiwilligenarbeit ist in der Schweiz weit verbreitet. Im Jahr 2010 übten zirka 33 Pro-

zent der Schweizer Bevölkerung eine solche Tätigkeit aus. In der Schweiz wird un-

terschieden zwischen informeller und institutionalisierter Freiwilligenarbeit. Es handelt

sich bei beiden um unbezahlte Hilfeleistungen. Ersteres ist die Tätigkeit für eine Or-

ganisation, wie etwa einen Verein. Letzeres bezieht sich auf Hilfeleistungen aus ei-

gener Initiative, für Menschen, die nicht im selben Haushalt wohnen (Bundesamt für

Statistik, 2011).

Betrachtet man die Arbeit in Gemeinschaftsgärten, ist sie einzuordnen zwischen der

Kategorie Eigenleistung und institutionalisierter Freiwilligenarbeit (Rosol, 2006). Denn

es entsteht nicht nur ein Nutzen für andere. Die Gärtnerinnen und Gärtner erhalten

einen Lohn in Form von Nahrungsmittel, die sie ernten dürfen. Dennoch kümmern sie

sich um eine meist öffentliche Fläche, was einen Nutzen für die Stadtverwaltung

Zugangstyp Motivationen Bemerkungen

Impulse

sachlich-

motivierte

- Erholung

- Ausgleich

Hauptziele sind ein

Anstieg der Lebens-

qualität und die eige-

nen Bedürfnisse zu

befriedigen

- Werbung

- direkte Anfragen

sozial-

motivierte

- Familie und eigene

Kinder

- Bedürfnis nach sozia-

len Kontakten

- Gemeinschaft

- Kommunikation inter-

kulturelle Kontakte

Es bilden sich zwei

Subgruppen:

- Gemeinschaft

und soziale

Kontakten

- Gemeinschafts-

raum für Famili-

en und Kinder

- Werbung

- direkte Anfrage

- persönliche

Kontakte

subjektiv-

motivierte

- Interesse an Garten

- gesellschaftliche Frei-

räume

- Stadtökologie Partizi-

pation und politische

Aktion

- Werbung und

Anfrage

- Eigeninitiative

- Partnerschaft

- Soziale Netz-

werke

- Engagement

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Yasmine Zweifel 39

bringt. Es hat zudem auch Vorteile für Mitmenschen, die sich an dem gepflegten

Grün erfreuen können oder durch einen Besuch im Garten etwas lernen. Viele Ge-

meinschaftsgärten sind als Verein organisiert. Meist dient dies jedoch lediglich der

vereinfachten Organisation, da eine gesetzliche Regelung speziell für Gemein-

schaftsgärten fehlt (www.interkulturelle-gaerten.ch). Um mitzugärtnern muss man

aber selten zwingend Mitglied sein.

Wie zuvor aufgeführt, gibt es unterschiedliche Motive, in einem Urban Gardening

Projekt mitzumachen. Für viele ist es mehr als ein Hobby, da die politische Aktion

eine grosse Rolle spielt. Meist besteht der Wunsch, etwas gegen das gängige Sys-

tem zu unternehmen, wie beispielsweise der Garten der ETH SeedCity zeigt. Eigene

Ziele werden mit Zielen für die Gesellschaft verknüpft. Selbst eine Veränderung her-

beiführen zu wollen ist meistens eine starke Komponente (Jahnke, 2007). Die Motive

für Freiwilligenarbeit gleichen denen der Arbeit in Urban Gardening Projekten. Spass

an der Tätigkeit, mit anderen etwas bewegen und die sozialen Kontakte werden in

einer Untersuchung des Bundesamts für Statistik Schweiz im Jahr 2010 am häufigs-

ten genannt. Aber auch eigene Kenntnisse und Erfahrungen erweitern und Verant-

wortung übernehmen nennen jeweils mehr als 50 Prozent (Bundesamt für Statistik,

2011).

Ein Unterschied ist, dass man bei Urban Gardening Projekten meist weniger Ver-

pflichtungen hat. Ausser wenn jemand den Garten initiiert und für das Funktionieren

verantwortlich ist. Leute, die nur ab und zu mitmachen wollen, sind meistens genau-

so willkommen, wie solche, die längerfristig und regelmässig vorbeikommen. Ansons-

ten ist die Mitarbeit in Urban Gardening Projekten sehr ähnlich zu Freiwilligenarbeit.

Im nächsten Abschnitt wird die Sachlage von städtischem Gärtnern in der Schweiz

betrachtet.

2.6. Situation in der Schweiz

Jeden Tag wird in der Schweiz die Fläche von 15 Fussballfeldern für Wohnen und

Industrie verbaut, ausserdem nimmt in den nächsten 20 bis 30 Jahren die Bevölke-

rung der Schweiz um ungefähr 300‘000 Personen zu (Weber, 2011). Um dem Kultur-

landverlust entgegenzuwirken wurde bereits im Jahr 1992 ein Plan mit Fruchtfolge-

flächen aufgestellt. Das sind die ackerbaulich bestgeeignetsten Flächen. In diesem

Plan ist für die einzelnen Kantone festgelegt, wie viele ackerbaufähige Landwirt-

schaftsflächen sie haben müssen (Bundesamt für Raumentwicklung ARE, o.J.).

Der steigende Verstädterungsgrad und die Suburbanisierung führen zu einer starken

Zersiedelung. Die Raumplanung versucht mit verdichtetem Bauen und strengeren

Gesetzen bezüglich Umzonungen diesem Trend entgegenzuwirken. Es existiert ein

Raumkonzept für die Schweiz, das aber nicht verbindlich ist (www.are.admin.ch).

All dies bedeutet, dass durch die zunehmende Verstädterung und Zersiedelung ver-

dichteter gebaut werden muss, um den Bodenverlust möglichst gering zu halten.

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Yasmine Zweifel 40

Denn der Boden ist eine endliche Ressource, die für die Versorgung der Bevölkerung

eine entscheidende Rolle spielt. Einerseits zur Produktion von erneuerbaren Ener-

gien, andererseits für die Nahrungsmittelproduktion. Ausserdem benötigte man Flä-

che für Siedlungen, Industrie und weiteres. Es herrscht dadurch eine hohe Konkur-

renz um diese Ressource, da die Nachfrage nach Fläche, Nahrung und Energie wei-

ter zunimmt. Unser Kulturland muss also geschützt werden, damit es erhalten bleibt

(Schwick, Jaeger, Bertiller & Kienast, 2010). Eine Möglichkeit sind die Fruchtfolgeflä-

chen. Doch der Druck auf die freien Böden ist gross, da die Einzonung Gewinne ab-

wirft. Ausserdem ist das Bewusstsein der Bevölkerung und der Kantone noch nicht

ausreichend, um den Schutz der Fruchtfolgeflächen zu gewährleisten (Bundesamt für

Raumentwicklung ARE, 2006).

Aufgrund dieser Probleme stellt sich folgende Frage: Ist es möglich, durch Urban

Gardening den Druck auf die Landschaft zu verkleinern und Kulturland in die Stadt

zu bringen?

2.6.1. Urban Gardening in der Schweiz

Seit der im 19. Jahrhundert beginnenden Industrialisierung leben auch in der

Schweiz immer mehr Menschen in Städten. Damals hiessen die Gärten zwischen

den Fabriken Armengärten. Wie der Name schon sagt, waren die Arbeiter und ihre

Familien auf die Nahrungsmittel aus ihrem eigenen Garten angewiesen. Als dann die

Leute etwas wohlhabender wurden, waren die Gärten nicht mehr existenziell bedeut-

sam. So wurden sie vermehrt zu Freizeit- und Familiengärten. Doch gegen Ende des

20. Jahrhunderts wurden auch diese immer seltener. Seit einigen Jahren macht sich

eine Trendwende bemerkbar: Immer mehr Leute wollen wieder eine eigene Parzelle

in der Stadt. Der Schweizer Familiengärtner-Verband zählt zurzeit fast 25‘000 Mit-

glieder (www.familiengaertner.ch).

In der Westschweiz sind in den 1990er Jahren mit den Potagers urbains neue Gar-

teninitiativen entstanden. Das Konzept wurde aus Frankreich übernommen, wo sol-

che Projekte den sozialen Zusammenhalt in den Armenvierteln verbessern sollten.

Als Fläche dienen schlecht genutzte Orte wie Brachflächen, Parkdecks oder Ab-

standsgrün. Der Unterschied zu den Schrebergärten besteht darin, dass es nicht ein-

zelne abgetrennte Parzellen gibt, sondern alle gemeinsam gärtnern (Baumgartner,

2012).

In den letzten Jahren fand die Bewegung auch in der Deutschschweiz in den grösse-

ren Städten immer mehr Anklang. Basel, Bern und Zürich sind diejenigen Städte mit

den meisten Einwohnern. Deshalb sind sie die Interessantesten im Hinblick auf Ur-

ban Gardening. St.Gallen folgt in Kapitel 4.

In Basel gibt es seit dem Jahr 2010 den Verein Urban AgriCulture Netz Basel, der

sich für verschiedene Projekte einsetzt. Auf der Website des Vereins finden sich über

30 Projekte, zum Beispiel essbare Inseln in Pausenhöfen, Kräutergärten oder ein

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Yasmine Zweifel 41

Stadtwein-Projekt. Die Stadtgärtnerei ist bei einigen Projekten beteiligt. Auf dem

Landhofareal errichtete sie im Jahr 2011 einen Gemeinschaftsgarten, der nach dem

Prinzip der Permakultur funktioniert (www.urbanagriculturebasel.ch).

Seit Anfang 2013 steht in Basel auf dem Dach des Dreispitzareals ein System, das

sich Aquaponic nennt. Der in Abbildung 10 graphisch dargestellte Kreislauf ermög-

licht es, Gemüse und Fisch in einem System anzubauen, indem sie sich gegenseitig

mit Nährstoffen versorgen: Aquakultur (Fischzucht) und Hydroponic (Gemüseanbau).

Das mit Fischkot angereicherte Wasser wird von Bakterien zu wertvollem Pflanzen-

dünger umgewandelt. Die Gemüsebeete werden mit dem Wasser geflutet und die

Nährstoffe herausgefiltert. Das saubere Wasser fliesst wieder zurück in den Fisch-

tank. Meist verwendet man einen Vertreter der Buntbarsche, nämlich die Fischgat-

tung Tilapia (www.urbanfarmers.com; www.aquaponics-blog.com).

Abbildung 10: Aquaponic-System

Quelle:http://www.swissworld.org/de/know/innovation_schweiz/the_swiss_way_of_urban_farming/

(31.07.2013)

In Zürich gibt es keinen Verein wie in Basel, denn Grün Stadt Zürich koordiniert die

Projekte als offizielle Dienststelle der Stadt. Diese beschäftigt etwa 430 Mitarbeiten-

de. Es werden freie Flächen an Gruppen vermittelt und neue Flächen gesucht. Das

geschieht unter dem Stichwort Zwischennutzung. Eines der bekanntesten Projekte ist

Frau Gerolds Garten. Seit dem Jahr 2012 darf dieses private Grundstück für fünf

Jahre kommerziell genutzt werden. Im Rahmen des Projekts gibt es auf dem Gelän-

de bei der Hardbrücke eine Bar, ein Restaurant, kleine Boutiquen und den Gartenbe-

trieb (Stadt-Zürich, 2013).

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Abbildung 11: Frau Gerolds Garten in Zürich

Quelle: Eigene Aufnahmen

Bern ist dabei, in mehreren Pilotprojekten Erfahrungen zu sammeln. Es gab im

Sommer 2012 die Aktion der Stadtgärtnerei, wobei die Bevölkerung in Einkaufswa-

gen Gemüse anpflanzen konnte. Das Ziel war, das Stadtbild zu verschönern. Für 10

bis 20 Franken konnte ein mobiles Beet gemietet werden, das so die Brachflächen

aufwertete (Slow Food Bern, 2012).

Es gibt auch Forschungen zum Thema: Das Projekt Food Urbanism Initiative, kurz

FUI, untersucht in Lausanne das Potenzial der Schweizer Städte für eine Integration

der Landwirtschaft. Auf der Internetseite wird betont, dass es nicht um die Selbstver-

sorgung einer Stadt geht, sondern um die Steigerung der Lebensqualität (Verzone,

o.J.).

Insgesamt sind auf der Website der Interkulturellen Gärten Schweiz 26 Projekte ver-

zeichnet (Stand August 2014). Man findet dort Informationen und Kontaktangaben zu

den einzelnen Gärten. Darunter finden sich nicht nur interkulturelle Gärten, wie in

Kapitel 2.3.3 vorgestellt, sondern auch Gemeinschaftsgärten im klassischen Sinne

(www.interkulturelle-gaerten.ch). Die Urban Gardening Bewegung scheint in der

Schweiz aber noch nicht so verbreitet, wie beispielsweise in Deutschland.

Es stellt sich die Frage, ob Urban Gardening eine längerfristige Veränderung ist oder

ob es sich dabei nur um einen kurzfristigen Trend handelt. Dies wird im Folgenden

analysiert.

2.7. Trendentwicklung

Global entwickelt sich Urban Gardening seit den 60er Jahren des letzten Jahrhun-

derts. In der Schweiz wurden die meisten Gemeinschaftsgärten erst in den letzten

vier Jahren aufgebaut. Zum Beispiel der Landhof Basel besteht seit 2011

(www.urbanargriculturebasel.ch).

Betrachtet man die Verkaufsregale der grossen Fachhändler, sieht man, dass es dort

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Yasmine Zweifel 43

seit einiger Zeit immer mehr Angebote für Stadtgärtner gibt. Unter anderem verkau-

fen sie Gemüsesorten, die extra für den Balkon gezüchtet werden. Eine andere Pro-

duktkategorie sind die vielfältigen Behältnisse, in denen man auf kleinem Raum gärt-

nern kann. Auf der Website von G. Ongania (www.vegandthecity.ch) werden immer

wieder neue Gartenartikel vorgestellt und online verkauft. Im Dezember 2013 eröffne-

te Ongania in Zürich das Geschäft VEG and the City, in dem dieselben Dinge ver-

kauft werden. Ausserdem erschien im Frühling 2014 ihr Buch mit dem Titel An die

Töpfe, gärtnern, los!.

Erwin Meier vom Garten-Center Meier in Dürnten ZH sagte zu Schweiz am Sonntag:

„Vor drei Jahren hat die Balkon-Kundschaft erst etwa 20 Prozent ausgemacht

im Vergleich zu Kunden mit einem kleinen Garten. Heute sind es sicher schon

50 Prozent“ (Weinmann, 2013).

Abbildung 12 zeigt, wie oft unter www.google.ch/trends der Suchbegriff Urban Gar-

dening gesucht wurde. Die Entwicklungskurve über die Jahre 2004 bis 2013 wird

dargestellt. Es ist eine gezackte Bewegung ersichtlich, die sich jedes Jahr wiederholt.

Im April befindet sich jeweils der Höhepunkt und im Dezember der Tiefpunkt. Dies

hängt wohl mit dem Zyklus der Jahreszeiten auf der nördlichen Hemisphäre zusam-

men. Ausserdem lösen Schlagzeilen in den Medien immer einen vermehrten Such-

verkehr aus. Beispielsweise im April 2013 hiess die Schlagzeile in der Tiroler Tages-

zeitung „Stadtregierung steht zu Projekt Rucola“. Diese Schlagzeilen werden bei Be-

darf von Google-Trends angezeigt.

Die zweite Kurve zeigt dieselbe Entwicklung beim Begriff Urban Farming. Hier ist

diese Entwicklung nach oben noch deutlicher sichtbar.

Die y-Achse stellt bei diesen Abbildungen keine absoluten Zahlen dar. Die Daten

werden normalisiert und somit ist der höchste Wert bei 100.

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Abbildung 12:Die Entwicklung des Suchinteresses beim Begriff Urban Gardening

Quelle: http://www.google.ch/trends/explore?q=urban+gardening#q=%22urban+gardening%22&cmpt=q

(03.01.2014)

Vor allem in Nordamerika, Deutschland, England und Australien wird häufig im Be-

reich Urban Gardening gegoogelt. Dabei variiert dies je nach Begriff, die USA und

Kanada sind aber immer am häufigsten aufgeführt (siehe Abbildung 13). Australien

sticht ebenfalls heraus. Das Land war aber nicht Gegenstand dieser Arbeit.

Abbildung 13: Je dunkler, desto häufiger wurde der Begriff gesucht.

Quelle: http://www.google.ch/trends/explore?q=urban+gardening#q=urban%20farming&cmpt=q

Das Internet dient in der Trendforschung aber als ein Mittel, das keine Prognosen

zulässt. Es dient lediglich einer Bestandsaufnahme und man darf deshalb keine

Rückschlüsse auf mögliche Entwicklungen ziehen (Schelske & Wippermann, 2005).

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Yasmine Zweifel 45

Ein Indiz, das auf einen längerfristigen Trend in Deutschland und der Schweiz hin-

weist, ist das Image der Schrebergärten. Dieses hat sich von spiessig zu hip gewan-

delt und es gibt zurzeit sehr wenige freie Parzellen in den Städten. Ausserdem nimmt

die Zahl der Interkulturellen Gärten, die es offiziell seit 1995 gibt, stetig zu. Auch an-

dere Garteninitiativen sind immer häufiger anzutreffen (Rasper, 2012b).

Weiter gibt es in den deutschsprachigen Medien ein grosses Interesse an Themen

rund um die städtische Agrikultur. Sowohl in den Massenmedien wie Blick am Abend

oder 20minuten7 als auch in Fachzeitschriften, beispielsweise Stadt + Grün, wird Ur-

ban Gardening seit einigen Jahren immer häufiger erwähnt. Zeitschriften mit dem

Wort Land im Titel werden vermehrt gekauft. In LandLiebe gab es in der Ausgabe

vom Februar 2013 einen mehrseitigen Beitrag mit dem Titel Stadtgärtnern (Fasolin,

2013).

In der Fachliteratur und in der Forschung trifft man inzwischen vermehrt auf den Beg-

riff Urban Agriculture. Der grösste Teil der Forschung bezieht sich jedoch auf Peri-

pherieländer, in denen der städtische Gemüseanbau existenziell notwendig ist. Der

wichtigste Bericht zum Thema ist im Jahr 2001 überarbeitet erschienen unter dem

Titel Urban Agriculture – Food, Jobs and Sustainable Cities (Smit, Nasr & Ratta,

2001). Es wird gezeigt, dass in den letzten Jahren eine Steigerung des Produktions-

volumens von Gemüse in Städten auf der ganzen Welt stattfindet.

„Over the past few decades, there have been dramatic shifts toward urban ag-

riculture in both developed and developing countries“ (Smit, Nasr & Ratta,

2001, S. 26).

In einer Arbeit über urbane Gärten in Buenos Aires von Haidle und Arndt (2004) wird

die wachsende Ausbreitung des städtischen Gärtnerns damit erklärt, dass es für im-

mer mehr Leute in Städten schwierig werden wird, sich die nötigen Nahrungsmittel zu

besorgen. Sie nehmen an, dass die entstehenden Lücken im Versorgungsmarkt mit

urbaner Landwirtschaft gedeckt werden. Streiffeler (2000) erwähnt, dass zwischen

der Inflation und der Zunahme städtischer Landwirtschaft ein direkter Zusammen-

hang besteht. Er erklärt es damit, dass der Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel

am Gesamteinkommen eines Haushalts immer höher wird.

In der Schweiz ist diese Tendenz aber leicht rückläufig. Das heisst, es wird prozentu-

al ein immer kleinerer Teil des Einkommens für Nahrungsmittel ausgegeben als noch

vor einigen Jahre. In absoluten Zahlen ist der Betrag hingegen gestiegen

(Bundesamt für Landwirtschaft BLW, o.J.).

Michael Levenston8 arbeitet in Vancouver seit mehr als dreissig Jahren im Bereich

der urbanen Landwirtschaft. Seine Meinung über die Zukunft vom Gemüseanbau in

7 Zum Beispiel der Beitrag vom 20.9.2013 „Gemüse aus der Stadt kann giftig sein“ oder vom

23.05.2013 „Stadtgarten soll Besetzer vertreiben“ (www.20min.ch). 8 Er wurde in Kapitel 2.2.1 vorgestellt.

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der Stadt ist, dass es teils ein Trend ist, teils eine Notwendigkeit. Er bezeichnet das

städtische Gärtnern als eine zyklische Bewegung, die immer dann zurückkommt,

wenn die Leute beginnen, sich Sorgen zu machen wegen einem Lebensmittelskan-

dal, einer Finanzkrise oder einem Energieengpass (Cockrall-King, 2011).

Ein weltweiter Anstieg des Selbermachens ist feststellbar. Immer mehr Leute erken-

nen, dass ihnen im Leben etwas fehlt. Sie wollen wieder beteiligt sein am Produkti-

onsprozess. Das gilt für Lebensmittel genauso wie für Gebrauchsgüter, zum Beispiel

selbstgenähte Kleidung. Plöger geht sogar so weit und sagt, dass Selbstversorgung

am besten geeignet ist, unsere Grundbedürfnisse zu befriedigen (Plöger, 2011).

2.8. Fazit

Um die Fragestellung des ersten Teils über die Entwicklung von Urban Gardening hin

zu einem Trend zu beantworten, müssen verschiedene Aspekte beachtet werden.

Die Geschichte zeigt, dass es keine Bewegung der letzten Jahre ist, sondern dass

die Anfänge des neuen Urban Gardening, wie wir es heute kennen, vor etwa 40 Jah-

ren liegen. Ausgehend von Kanada und den USA erreichten die Gemeinschaftsgär-

ten auch Europa. In Grossstädten wie Paris, London, Berlin oder München ist es be-

reits Alltag, sein Gemüse in der Stadt selbst anzubauen. Bisher befindet sich die Be-

wegung immer noch im Aufwärtsgang, das heisst, die Sättigung wurde noch nicht

erreicht. Unterstützt wird die Bewegung durch das Internet.

Abschliessend kann nicht eindeutig gesagt werden, ob dieser eindeutig präsente

Trend sich noch lange halten wird, sich sogar noch stärker ausbreiten wird oder ob er

wieder verschwinden könnte. Jedoch deuten die aufgeführten Gründe darauf hin,

dass es eine längerfristige Veränderung im Bewusstsein der Menschen sein könnte.

Wäre Urban Gardening eine Technologie, die den Hype Zyklus von Gartner Inc.

(2014) durchlaufen würde, befänden sich die Länder Schweiz, Deutschland und die

USA an unterschiedlichen Stellen (siehe Abbildung 14). Während die USA bereits auf

einem stabilen Interessensniveau angekommen zu sein scheint, befindet sich

Deutschland an einer anderen Stelle. Die Medien haben noch einen grossen Einfluss

und können durch ihre Berichte stetig neue Akteure motivieren. Die Schweiz befindet

sich ein wenig hinter Deutschland. Es gibt immer noch zahlreiche Städterinnen und

Städter, die noch nie etwas von Urban Gardening gehört haben. Doch in den Medien

finden sich bereits vermehrt Berichte, die sich an die breite Masse wenden.

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Abbildung 14: angepasster Hype-Zyklus

Quelle: Verändert nach Gartner Inc.(2014)

Wahrscheinlich handelt es sich bei Urban Gardening um eine gemischte Diffusion.

Der Grund für diese Behauptung ist, dass sich der Trend von verschiedenen Aus-

gangsorten wie New York, Kuba oder Toronto auf die nächsten Grossstädte wie Ber-

lin ausgebreitet hat. Von dort hat sich Urban Gardening innerhalb Deutschland ex-

pansiv und auf die Schweiz hierarchisch ausgebreitet (Knox & Marston, 2008).

Wegen den aufgeführten Gründen schliesse ich darauf, dass das Interesse der Me-

dien in der Schweiz und in Deutschland etwas nachlassen wird. Möglicherweise

nimmt dadurch auch das Interesse der Bevölkerung ab. Es wird sich jedoch auf ei-

nem Niveau einpendeln, wie es in den USA bereits der Fall zu sein scheint.

Die in Kapitel 2.6 gestellte Frage, ob es möglich ist, mit Urban Gardening den Druck

auf die Landschaft zu verkleinern und Kulturland in die Stadt zu bringen, kann positiv

beantwortet werden. Verschiedenste Projekte im Ausland zeigen, dass durchaus ei-

ne beachtliche Menge an Nahrungsmittel in der Stadt angebaut wird. In der Schweiz

liegt der Hauptfokus derzeit jedoch nicht auf der Produktion, sondern eher auf dem

gesellschaftlichen Aspekt.

Die Bewusstseinsveränderung hin zur globalen Nachhaltigkeit und zur eigenen Ge-

sundheit könnte der Beginn einer anderen Welt sein. Wie die Filmemacherin Ella von

der Haide sagte: „Eine andere Welt ist pflanzbar!“ (www.eine-andere-welt-ist-

pflanzbar.de). Ob sich diese Aussage bewahrheiten wird, hängt von der lokalen Um-

setzung ab. Im folgenden Kapitel werden deshalb vier funktionierende Gemein-

schaftsgärten aus der Schweiz und aus Deutschland genauer betrachtet.

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3. Exemplarische ausgewählte Urban Gardening Projekte

Aus der Masse an verschiedenen städtischen Garteninitiativen wird hier die Form der

Gemeinschaftsgärten genauer untersucht. Denn diese ist eine neue Form, zu der es

in der Schweiz noch nicht viele Untersuchungen gibt. Um herauszufinden, wie solch

neuartige Gemeinschaftsprojekte aufgebaut werden und längerfristig bestehen kön-

nen, werden in vier ausgewählten Gärten Interviews geführt. Ergänzt wird das Kapitel

durch Theorien aus der Literatur.

3.1. Definition von Gemeinschaftsgärten

In der Literatur lässt sich keine einheitliche Definition oder Verwendung des Begriffs

Gemeinschaftsgarten oder Community Garden feststellen. In dieser Arbeit wird des-

halb eine eigene Definition verwendet. Sie stützt sich auf verschiedenste Beschrei-

bungen, die auf englischsprachigen Internetseiten9 verwendet werden. Rosol (2006)

stellte eine aus der Praxis abgeleitete Definition von Gemeinschaftsgärten auf, die

aber ziemlich kurz und allgemein ausfällt:

„Gemeinschaftsgärten sind gemeinschaftlich und durch freiwilliges Engage-

ment geschaffene und betriebene Gärten, Grünanlagen und Parks mit Aus-

richtung auf eine allgemeine Öffentlichkeit“(Rosol, 2006, S. 7).

Elemente, die in den meisten gefundenen Beschreibungen vorkommen, sind ein

Stück Land, eine Gemeinschaft, Nahrungsmittelanbau, Regeln und Freiwilligenarbeit.

Daraus lässt sich die folgende Definition formulieren:

Ein Gemeinschaftsgarten ist ein Stück Land, das in gemeinschaftlicher Frei-

willigenarbeit mit Obst, Gemüse und Kräutern bepflanzt wird. Der Gartenalltag

wird durch Regeln festgelegt. Ein Grossteil der Beete wird gemeinschaftlich

bearbeitet, nicht individuell. Der Garten ist (zu bestimmten Zeiten) öffentlich

zugänglich. Es gibt keine Beschränkung, wer mitmachen darf.

Diese Definition ist nicht eindeutig, denn es gibt weiterhin verschiedene Typen von

Gemeinschaftsgärten. So kann die Organisation beispielsweise in Form eines Ver-

eins oder ohne Gliederung erfolgen. Es ist möglich, dass man den Garten nur zu be-

stimmten Zeiten, nur in Begleitung mit einem Vorstandsmitglied oder jederzeit betre-

ten darf. Auch die Verwendung des angepflanzten Gemüses kann variieren. Manch-

mal wird es an die Mitarbeitenden verschenkt, verkauft oder für die Küche eines Re-

staurantbetriebs auf dem Gelände verwendet.

9 Vgl.:

www.commmunitygardening.blogspot.ch/2010/03/lets-start-with-definition.html www.extension.oregonstate.edu/sorec/sites/default/files/documents/frequently_asked_questions.pdf www.ecolife.com/define/community-garden.html (02.08.014)

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Yasmine Zweifel 49

3.2. Auswahl der untersuchten Gemeinschaftsgärten

Die Auswahl der Gemeinschaftsgärten erfolgte nach dem Kriterium der Grösse und

dem Erfolg. Das heisst, es wurden bewusst grössere Gärten ausgewählt, die zu Be-

ginn der Recherche (März 2013) schon seit mindestens einem Jahr bestanden. So-

mit sollte die Gruppe seit Frühling 2012 ein Grundstück besitzen. Ausserdem sollten

es mindestens drei unterschiedliche Gemeinschaftsgärten sein.

Zuerst entstand eine Liste mit den bekannten Schweizer Gemeinschaftsgärten. Die

Grösse und die Dauer wurden dann in eine Tabelle (siehe Tabelle 2) eingetragen.

Der Garten soll unbedingt einen öffentlichen Bereich enthalten. Sonst sind sie zu

ähnlich wie Familiengärten.

In Deutschland gibt es schon länger bekannte Projekte. So gilt Berlin als eine der

ersten deutschen Städte, in der es Gemeinschaftsgärten gab.

Tabelle 2: Auswahl von Gemeinschaftsgärten

Gartenprojekt Art des

Gartens

Grösse

(m2)

Entstehung Geeignet

Schweiz

SeedCity Zürich Öffentlich, von

Studenten

600 2011 Ja

Stadiongarten

Zürich

öffentlich k.A.

März 2012 Ja

Frau Gerolds Garten kommerziell 2500 Mail 2012 Nein

Neugarten Luzern öffentlich k.A. März 2013 Nein

Gemeiner Garten Lu-

zern

v.a.

Nachbarschaft

k.A. September 2012 Nein

Landhof Basel Öffentlich 1‘000 Mai 2011 Ja

Gemeinschaftsgarten

Büel Winterthur

öffentlich k.A. April 2013 Nein

Ausland

Prinzessinnengarten

Berlin

mobil 6‘000 Sommer 2009 Ja

Rosa Rose Berlin mobil k.A. 2004 Nein

O’pflanzt is! München öffentlich 3‘000 Anfang 2012 Ja

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In München fällt die Wahl auf den Garten o’pflanzt is!. In der Schweiz wird in Basel

der Gemeinschaftsgarten Landhof besucht, der bereits seit 2011 für die Öffentlichkeit

zugänglich ist. Ein weiteres zu untersuchendes Projekt ist auf dem Campus der ETH

Zürich angesiedelt. SeedCity besteht dort seit dem Jahr 2010. Ausserdem wurde in

Zürich der Gemeinschaftsgarten Stadionbrache betrachtet. Die ausgewählten Gar-

tenprojekte erfüllen das Kriterium der Dauer und der Art. Die Grösse ist bei allen ge-

prüften Projekten genügend oder es fanden sich keine Angaben.

3.3. Methode

Das vorliegende Kapitel wird mit der Methode der halbstandardisierten Interviews

erarbeitet. Ein halbstandardisiertes Interview ist der flexible Weg zwischen standardi-

sierten und offenen Interviews. Das heisst, es können sowohl offene als auch ge-

schlossene Fragen vorkommen. Suggestivfragen werden vermieden, da sie die Aus-

sagen beeinflussen könnten. Durch einen Interviewleitfaden ist die Richtung vorge-

geben, es ist aber auch Platz für allfällige Folgefragen. Die Reihenfolge der Fragen

muss nicht strikte befolgt werden. Die Interviews werden doppelt auf Tonband aufge-

nommen und erst im Nachhinein transkribiert. Da es nicht um wortwörtliche Formulie-

rungen der Interviewten geht, erfolgt die Auswertung durch sinngemässe Vergleiche

(Flick, 2007). Der Leitfaden (siehe Anhang A) wird so erstellt, dass daraus Schluss-

folgerungen für die Stadt St.Gallen gezogen werden können.

3.3.1. Grounded Theory

Die Methode Grounded Theory diente als Anregung für das Forschungsdesign dieser

Arbeit. Denn sie erlaubt, dass zu Beginn keine Hypothesen aufgestellt werden müs-

sen. Das Ziel ist, eine möglichst realitätsnahe Theorie aufzustellen, die in der Praxis

umgesetzt werden kann.

Die Grounded Theory ist eine Methode der Soziologie, um eine Theorie auf der

Grundlage von empirischen Daten zu entdecken. Der Begriff stammt von A. Strauss

und B. Glaser, die im Jahr 1967 gemeinsam ihr erstes Buch herausgaben, The Dis-

covery of the Grounded Theory. Im Deutschen findet sich dafür der Ausdruck ge-

genstandsbezogene oder datengestützte Theoriebildung. Der englische Begriff ist

fehlleitend, da es eine Theoriebildung und nicht eine Theorie ist (Alheit, 2000).

Die Methode soll näher an der Praxis sein und empirische Situationen besser be-

schreiben als die bis in die Sechzigerjahre des letzten Jahrhunderts gängigen For-

schungsmodelle. Der Unterschied zu anderen Methoden besteht darin, dass sonst

vor allem Theorien überprüft, dann verifiziert oder falsifiziert werden. Mit der Groun-

ded Theory wird zuerst ermittelt, welche Konzepte und Hypothesen für den unter-

suchten Bereich überhaupt eine Bedeutung haben. Die generierte Theorie orientiert

sich dann eng an den erhobenen Daten und lässt sich nicht wirklich verallgemeinern.

Dieses induktive Vorgehen verlangt, dass der Prozess der Generierung aufgezeigt

wird und nachvollzogen werden kann. Glaser & Strauss (2005) unterscheiden zwi-

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schen formaler und materialer Theorie. Die materiale Theorie bezieht sich nur auf

einen spezifischen Bereich in der Praxis. Die formale Theorie ergibt sich als Zusam-

menhang aus verschiedenen übergeordneten Bereichen in der Empirie. Normaler-

weise wird zuerst eine materiale Theorie gebildet, die dann später zu einer formalen

weiterentwickelt werden kann.

Nach Strauss (Legewie & Schervier-Legewie, 2004) gehören drei Grundelemente zu

dieser Methodik. Erstens das Kodieren, dann das theoretische Sampling, dazu ge-

hört die Auswertung der Daten von Beginn an, und als drittes das Vergleichen der

Phänomene, woraus schliesslich ein Konzept entsteht.

Ob die Theorie am Ende angewendet werden kann, sieht man, wenn vier Eigen-

schaften vorhanden sind. Die Theorie muss für das Untersuchungsthema passen.

Dann muss sie auch für Laien verständlich sein. Ausserdem soll sie so allgemein wie

möglich gehalten sein, das heisst nicht nur auf einen Spezialfall passen. Und zuletzt

soll sie dem Benutzer der Theorie eine Kontrolle über Alltagssituationen ermöglichen

(Glaser & Strauss, 2005).

3.3.2. Qualitative Inhaltsanalyse

Die qualitative Inhaltsanalyse wurde vor rund 20 Jahren entwickelt, als etwa 600 Leit-

fadeninterviews qualitativ ausgewertet werden sollten. Der Ansatz ist, die Vorteile der

quantitativen Inhaltsanalyse auf die qualitative Auswertung zu übertragen.

Die Vorgehensweise beruht dabei entweder auf der induktiven oder der deduktiven

Kategorienbildung. Bei der deduktiven Kategorienbildung legen die Forschenden

diese bereits vor der Erhebung fest. Bei der induktiven hingegen werden die Katego-

rien direkt aus dem erhobenen Material abgeleitet. Diese zweite Methode ist für das

vorliegende Kapitel von Bedeutung. Nachdem ein erster Teil der Interviews durchge-

führt worden ist, wird das Material durchgesehen und festgelegt, welche Aspekte be-

rücksichtigt werden sollen. Das ganze Material wird dann auf diese Aspekte durch-

gearbeitet. Für die restlichen Interviews werden die Kategorien in einer Rückkopp-

lungsschleife nochmals angepasst (Mayring, 2000).

3.3.3. Methode dieser Arbeit

In diesem Kapitel wird eine Kombination aus der Qualitativen Inhaltsanalyse und der

Grounded Theory angewandt. Ausgehend von der Fragestellung wird ein Leitfaden

erstellt. Nachdem dieser in zwei Gartenprojekten eingesetzt wurde, wird er

angepasst. Dann folgen die restlichen zwei Interviews. Beim Vergleichen der vier

Interviews sollten Kategorien ersichtlich werden, anhand dieser die Interviews

ausgewertet werden (siehe Abbildung 15). Aus der Anpassung des Leitfadens und

der Kategorienbildung der vier Garteninterviews wird ein Interviewleitfaden kreiert,

der für ein Interview mit Grün Stadt Zürich dient. Grün Stadt Zürich soll als

Dienststelle der Stadt die öffentliche Seite repräsentieren und somit die Ergebnisse

durch eine weitere Sichtweise ergänzen oder bestätigen.

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Yasmine Zweifel 52

2

1

Abbildung 15: Eigene Forschungsmethode

Quelle: Ergänzt nach Mayring (2000)

2 Interviews durch-führen (SeedCity und Land-hof Basel)

Interview Grün Stadt Zürich

Interviewleitfaden aufstellen

Gegenstand: Planung und Massnahmen zur

Förderung von Urban Gardening

Anpassen des Leitfadens

Restliche 2 Inter-views durchführen (Stadionbrache und o’pflanzt is)

Endgültiger Materialdurchgang und abschlies-sende Kategorienbildung: - Voraussetzungen - Erfolgsfaktoren - Probleme

Auswertung der Daten

Theorie aufstellen

Schrittweise Katego-rienbildung aus dem Material

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Yasmine Zweifel 53

3.4. Durchführung

Die untersuchten Projekte sind sich in gewissen Punkten sehr ähnlich, in anderen

unterscheiden sie sich stark. Welches aber sind die entscheidenden Punkte, damit

ein Gemeinschaftsgarten funktioniert? Zuerst werden die einzelnen Gartenprojekte

kurz porträtiert und anschliessend folgen die wichtigsten Antworten aus den Inter-

views.

3.4.1. Projekt 1: O’pflanzt is! München

Mitten in München in der Nähe des Olympiaparks liegt der über 3‘000 m2 grosse

Gemeinschaftsgarten o’pflanzt is!. Organisiert ist das Projekt als Verein. Jeder und

jede kann mitmachen, dazu ist keine Mitgliedschaft erforderlich. Es ist den Aktiven

wichtig, dass Verein und Projekt klar voneinander getrennt werden. Der Verein dient

lediglich der vereinfachten Organisation. Es wird nach dem Prinzip der Permakultur

biologisch und nachhaltig angebaut. Unter anderem werden viele Materialien wieder-

verwendet, die man sonst wegwerfen würde. Gegründet wurde der Garten im Okto-

ber 2011. Stiftungen und Sponsoren unterstützen den Garten finanziell.

Abbildung 16: Hochbeet aus Altholz Tomatenunterstand

Quelle: https://garten.landlive.de/blogs/entries/6549/ (02.08.2014)

Die Fragen des Interviews für diese Arbeit wurden von Martin Rasper beantwortet,

der ein Gründungsmitglied ist. Ausserdem ist er Autor des Buches mit dem Titel Vom

Gärtnern in der Stadt (2012a). Es folgen die entscheidenden Antworten.

Die Voraussetzungen für das Funktionieren eines solchen Gemeinschaftsgartenpro-

jekts sind für Rasper nicht immer dieselben. Es gibt für ihn mehrere Möglichkeiten.

Entweder kann die Gemeinde sehr stark unterstützend und mit einem klaren juristi-

schen Rahmen vorhanden sein. Oder es gibt eine treibende Initiative mit engagierten

Leuten und einem klaren Konzept. Auch eine Kombination aus beiden Möglichkeiten

ist denkbar. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist für ihn die Einbindung der unmittelbaren

Nachbarschaft. O’pflanzt is! erfährt viel Wohlwollen aus der Öffentlichkeit. Stiftungen

unterstützen das Projekt, das Fernsehen sendet Berichte oder Journalistinnen und

Journalisten schreiben Artikel. Dieses Interesse am Garten und dessen Erfolg sieht

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Rasper einerseits im speziellen Namen, andererseits an der guten Lage, bei der die

Leute vorbeikommen, wenn sie in Richtung Olympiapark unterwegs sind. Aber auch

„die bloße Tatsache, dass dort, in einer unklaren städtebaulichen Situation und in

einem Umfeld von Stadtbrachen, Zwischennutzungsflächen, neubebautem Kaser-

nengelände und so weiter solch ein wildes und anarchistisch anmutendes Projekt

überhaupt existiert“ (Rasper im Interview vom 24.11.13) sieht er als Chance. Seine

Anmerkung ist, dass es noch nicht klar sei, wie erfolgreich das Projekt in Zukunft

wirklich sein werde, da es auch Phasen mit Problemen gebe.

Gartenkonzepte kann man laut Rasper nicht eins zu eins auf eine andere Stadt über-

tragen. In München gibt es die Selbsterntegärten, dort Krautgärten genannt, die sehr

beliebt sind (siehe Kapitel 2.3.7). Im Oktober 2013 konnten bereits 20 solche Projek-

te auf dem Stadtgebiet München gezählt werden. Um ein Projekt auf eine Stadt ab-

zustimmen, muss der vorhandene Platz, die Rolle der politischen Gemeinde, das

Konzept und der Anspruch des Projekts analysiert werden.

Probleme können entstehen, wenn kein klares Konzept vorhanden ist. Auch die Ein-

bindung der Nachbarschaft könnte noch besser sein. Ein Ziel des Gartens ist, Inte-

ressierte und die Öffentlichkeit noch besser einzubinden. Es ist aber noch nicht klar,

wie dieses Ziel erreicht werden kann. Die Motivation von aktiven Gärtnerinnen und

Gärtnern ist ebenfalls noch nicht befriedigend gelungen. Im ersten Jahr war es einfa-

cher, die Leute zu motivieren, da laut Rasper „der Reiz des Neuen und die Euphorie

des Aufbruchs“ vorhanden waren. Er schlägt als konkrete Massnahmen vor, geregel-

te Öffnungszeiten anzubieten, an denen Mitglieder anwesend sind und Hilfestellun-

gen zu den Arbeitsvorgängen im Garten bieten können.

3.4.2. Projekt 3: Seedcity ETH Zürich

SeedCity befindet sich auf dem Areal der ETH Hönggerberg. Nur wenige Meter ent-

fernt von den Hochschulgebäuden ist eine etwa 600 m2 grosse Fläche eingezäunt,

auf der sich verschiedene Beete, zwei Treibhäuser, Obstbäume und ein Wohnwagen

befinden. Das Projekt wurde im Rahmen des Ecoworks Wettbewerbs der ETH als

eines der drei Siegerprojekte ausgewählt und mit einer Anschubfinanzierung sowie

Unterstützung im Projektalltag belohnt. Auch dieser Garten ist nach dem Permakul-

turprinzip aufgebaut. SeedCity ist ein Verein, bei dem man für einen Jahresbeitrag ab

70.- CHF Mitglied werden kann. Im Moment zählt der Verein etwa 50 Mitglieder. Ein

Nachmittag in der Woche ist als Aktivitätstag geplant, an dem der von SeedCity an-

gestellte Gärtnermeister anwesend ist und hilft. Immer wieder werden kurze

Workshops zu aktuellen Themen organisiert, für die auch externe Spezialisten auf-

geboten werden. Die Mitglieder sind frei, neue Ideen einzubringen und zu experimen-

tieren. Nicht nur Interessierte der ETH besuchen den Garten und helfen mit, sondern

auch Anwohner und Freunde von Freunden (Jaggi, 2012).

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Abbildung 17: Folientunnel für empfindliche Pflan-

zen

Quelle: Eigene Aufnahmen

Abbildung 18: Blick über den Kompost in Richtung

ETH

Ivelina Grozeva erklärte sich bereit, die Fragen zu beantworten. Sie ist seit Beginn im

Vorstand des Vereins dabei. Wichtig sind für sie die Bildung einer Gemeinschaft und

der Wissenstransfer. Der Name SeedCity soll darauf hinweisen, dass sie etwas sä-

hen möchten, beispielsweise Wissen. Er soll aber auch Skepsis gegenüber dem

herrschenden System signalisieren. Urban Gardening ist für sie eine Art von Protest.

Die Voraussetzungen für ein solches Projekt sind hauptsächlich verfügbares Land,

Akzeptanz in der Umgebung und Engagement von der Gemeinschaft. Immer wieder

betont sie, dass die Gemeinschaft ein wichtiger Punkt sei. Viele Dinge werden ge-

meinsam entschieden, aber niemand fühlt sich verpflichtet. Diese Unabhängigkeit

wird von Studierenden sehr geschätzt. Auch die Durchmischung der Gemeinschaft

hält sie für einen Erfolgsfaktor. Es braucht Leute, die gerne und motiviert dieser eh-

renamtlichen Arbeit im Garten nachgehen.

Als schwierig beurteilt sie den ständigen Wechsel von Mitgliedern. Da viele Studen-

ten nur für wenige Semester an der ETH bleiben, müssen sie sich immer wieder aufs

Neue um Mitglieder bemühen. Ausserdem meint Grozeva, dass man nicht in eine

Routine verfallen darf, sondern immer Neues ausprobieren soll. Das hält den Garten

lebendig. So entscheiden sie von Zeit zu Zeit, welche Themen interessant wären und

holen dann die entsprechenden Spezialisten in den Garten.

Neue Mitglieder gewinnen sie teilweise durch Plakate auf dem ETH Campus, aber

auch durch Mitglieder, die ihre Freunde mitbringen. Durch die lockere Umgebung

fühlen sich alle willkommen. Man kann sich entfalten und hat keine Pflichten, im Gar-

ten mitzuarbeiten. Jedoch nimmt die Werbung stetig ab, da sich der Garten in den

drei Jahren bereits einen Namen gemacht hat.

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Abbildung 19: Pilzzucht in SeedCity

Quelle: Eigene Aufnahmen

Abbildung 20: Federkohl, ein altes Gemüse

3.4.3. Projekt 2: Landhof Basel

In Basel direkt neben dem Messegelände liegt der knapp 1‘000 m2 grosse Gemein-

schaftsgarten Landhof, der nach dem Permakulturprinzip funktioniert. Er wurde im

Jahr 2011 gegründet und ist an den Verein Urban Agriculture Basel angegliedert. Es

existiert eine Zusammenarbeit mit der Stadtgärtnerei, wodurch keine Kosten für

Wasser-, Strom- und Landnutzung entstehen. Das Gebiet ist Allmendfläche10. Zwei

Mal in der Woche findet ein Aktivitätstag statt, an dem jeder und jede vorbeikommen

kann und mitgärtnern darf. Ansonsten ist der Garten 24 Stunden offen und kann im-

mer besucht werden. Es gibt jedes Jahr Frühlings-, Sommer- und Herbstfeste (Frich,

2013).

10

„Eine Allmende ist ein Gemeingut. Hier also eine Fläche, die dem Staat gehört und die alle benüt-zen dürfen. Früher war es üblich, dass jedes Dorf und jede Stadt eine Allmende hatte. Im Englischen wird dafür das Wort Commons verwendet“ (Mattmüller, 2001).

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Abbildung 21: Alternatives Pflanzgefäss

Quelle: Eigene Aufnahmen

Abbildung 22: Ort der Gemeinschaft

Dominique Oser ist Mitinitiatorin des Projekts und leitet jeweils die Aktivitätstage. Sie

beantwortete die Interviewfragen. Hier werden die wichtigsten Antworten aufgeführt.

Nach der Meinung von Oser braucht es mindestens jemanden, der das Projekt be-

gleitet und regelmässig in den Garten geht. Diese Person ist verantwortlich und hat

die Übersicht. Ausserdem sollte sie Grundwissen im Gartenbau besitzen. Ein weite-

rer Punkt ist die Nähe zu Leuten. Der Landhof befindet sich im Innenhof mehrerer

Wohnblocks. Oser sieht darin zwei positive Aspekte. Zum einen ist die Gefahr von

Vandalismus geringer, da immer ein Anwohner oder eine Anwohnerin aus dem Fens-

ter schauen könnte und somit eine soziale Kontrolle besteht. Zum anderen kommen

die Leute eher spontan vorbei, da sie keine weiten Wege zurücklegen müssen. Mit

den zwei Gartennachmittagen pro Woche, die sie auch im Winter immer durchführen,

bieten sie eine gewisse Konstanz und die Leute wissen, wann ein Gartenmitglied

anwesend ist.

Als einen Erfolgsfaktor sieht sie vor allem die Medienpräsenz. Da der Landhof einer

der ersten Gemeinschaftsgärten in der Schweiz war, hatten die Medien ein hohes

Interesse und halfen beim Bekanntmachen des Gartens. Dadurch kommen oft Stu-

dentinnen und Studenten, Leute aus anderen Städten oder sogar dem Ausland vor-

bei, um bei einer Führung dabei zu sein. Durch die Zusammenarbeit mit der Stadt

erhält der Garten ein besseres Ansehen. Dass der Landhof kein Verein ist, sieht

Oser positiv. So entfallen die Verpflichtungen und es entsteht eine Offenheit, in der

jede und jeder willkommen ist.

Die einzige Schwierigkeit über längere Zeit ist die Finanzierung. Im Moment arbeiten

Oser und die anderen Verantwortlichen ehrenamtlich. Obwohl sie von Stiftungen ge-

sponsert werden, ist die Suche nach weiteren Geldern immer ein Thema.

Um die Leute zum Mitmachen zu motivieren, veranstalteten sie ein Eröffnungsfest.

Dazu erhielten alle Anwohnerinnen und Anwohner eine Einladung mit einem Setz-

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ling, den sie im Garten pflanzen durften. Die Medien und Mund-zu-Mund-Propaganda

sind weitere Faktoren, wodurch neue Personen auf den Garten aufmerksam werden.

Abbildung 23: Blick über den Garten

Quelle: Eigene Aufnahmen

Abbildung 24: Kräuterspirale

3.4.4. Projekt 4: Stadiongarten Zürich

Im Jahr 2011 wurde in Zürich auf der brachliegenden Fläche des ehemaligen Hard-

turm Stadions ein Kultur- und Treffpunkt eröffnet. Der Verein Stadionbrache konnte

das drei Hektar grosse Grundstück von der Stadt Zürich zur nichtkommerziellen Zwi-

schennutzung übernehmen. Auf der Stadionbrache gibt es unterschiedliche Projekte,

die jeweils von der Stadt bewilligt werden müssen (www.stadionbrache.ch). Der Ge-

meinschaftsgarten mit dem Namen Stadiongarten ist eines davon. Anfang 2012 be-

gann eine Gruppe von Hobbygärtnerinnen und -gärtnern einen urbanen Garten anzu-

legen. Es stehen etwa 100 Pflanzgefässe auf dem Gelände, die von verschiedenen

Leuten bepflanzt werden. Die Infrastruktur ist vorhanden und regelmässig werden

Workshops organisiert (www.stadiongarten.ch).

Zum Interview hat sich Benedikt Pestalozzi bereit erklärt. Er war bei der Gründung

bereits mit dabei und ist zuständig für den Newsletter und in Zukunft auch für die

Buchhaltung. Ausserdem nimmt er jeweils an den monatlichen Gartenversammlun-

gen teil. Für ihn bedeutet Urban Gardening im Unterschied zum Schrebergarten vor

allem Gemeinschaftsprojekte ohne eine Abtrennung durch Zäune. Wichtig ist immer

der soziale Aspekt, das heisst, der Garten fungiert als Treff- und Austauschpunkt.

Aber auch das Gärtnern als gemeinsame Tätigkeit und das Verständnis für Nachhal-

tigkeit spielen eine Rolle. Diesbezüglich formulierte er die folgenden Sätze:

„Urbane Gärten sind organische Inseln in der Stadt: Grün zwischen Stahl, Beton

und Glas. Sie sind Zeitinseln. Der Rhythmus ist an die Natur gebunden. Die Zeit-

erfahrung hebt sich ab vom pulsierenden stop-and-go der urbanen Lebensweise

von Arbeit-Shopping-Ausgang“ (Pestalozzi, Interview vom 19.12.13).

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Er sieht in Urban Gardening keinen Trend sondern ein Grundbedürfnis des Men-

schen. So sei es teilweise eine „Reaktion auf die Wirtschaftskrise, die Klimaverände-

rung, das Bewusstwerden der sozialen und ökologischen Konsequenzen der globa-

len Lebensmittelindustrie“.

Eine wichtige Voraussetzung sind Leute, die für gepflegte Gärten sorgen. Bei diesem

Projekt gibt es einen Kern von Stammnutzern, die regelmässig erscheinen. Dieser

wächst beständig. Es gibt aber auch Wechsel, da sich einige Menschen nicht be-

wusst sind, was es bedeutet, einen Garten zu pflegen. Auch die Zusammenarbeit

und die Absprache, wer welche Arbeiten übernimmt, sind Voraussetzungen für einen

funktionierenden Gemeinschaftsgarten. Im Stadiongarten wird jeden ersten Sonntag

im Monat eine Versammlung abgehalten, an der neue Inputs und Probleme bespro-

chen werden. Um den Garten interessant und die Gemeinschaft am Leben zu halten,

werden immer wieder kleine Veranstaltungen organisiert. Das können Konzerte,

Frühlingsfeste oder auch gemeinsame Kochanlässe sein.

Den Erfolg des Projekts sieht Pestalozzi im Engagement der Leute und in den güns-

tigen Bedingungen, zu denen das Land genutzt werden kann. Er beschreibt die Stadt

Zürich als sehr offen in dieser Hinsicht. Die Motivation der Gärtnerinnen und Gärtner

zur Mitarbeit liegt in den nicht vorhandenen Freiräumen in urbaner Umgebung. Es

kommen verschiedenste Personen zum Gärtnern:

„Eltern mit Kindern, um Rüebli und Radiesli zu setzen, Schnecken zu lesen und

das Gemüse dann zu ernten. Es kommen aber auch Senioren, um Blumen zu

setzen und die Tage zu geniessen. Es kommen Schulklassen, um im Projektfach

ein Grossbeet zu bepflanzen“ (Pestalozzi, Interview vom 19.12.13).

Die Leute wurden auf den Garten zu Beginn mit Flyern aufmerksam gemacht. Nun

gibt es eine Infotafel auf der Brache sowie einen Newsletter, wo die aktuellen Veran-

staltungen und Workshops publiziert werden. Aber auch die Website und die Face-

book-Gruppe informieren über den Garten.

Abbildung 25: Brotofen und Infotafel Quelle: Eigene Aufnahmen

Abbildung 26: Beete in SBB-Paletten

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3.5. Ergebnisse

Im Folgenden werden die Ergebnisse aus den Interviews mit Befunden aus der Lite-

ratur ergänzt und zusammengefasst. Die induktiv gebildeten Kategorien sind: die

Voraussetzungen, damit ein Gemeinschaftsgarten entstehen kann, die Erfolgsfakto-

ren, um über längere Zeit zu bestehen und die Probleme, die es zu bewältigen gilt.

Diese drei Begriffe sind als Mindmap in Abbildung 27 auf Seite 61 dargestellt. Um die

Begriffe sind die Nennungen der einzelnen Gemeinschaftsgärten gruppiert. Der Le-

gende sind die zugehörigen Farben zu entnehmen. Die Tabelle mit den Daten befin-

det sich in Anhang C. Zudem wurden ähnliche Begriffe in Kreisen zusammengefasst,

damit leichter ersichtlich wird, welche Nennungen häufig vorkamen.

Ein weiteres Interview wurde mit R. Hofstetter durchgeführt. Sie arbeitet bei Grün

Stadt Zürich, der städtischen Dienststelle für alle grünen Stadträume in Zürich. Dort

begleitet sie sämtliche bestehenden Urban Gardening Projekte auf städtischem Bo-

den und ist in der Beratung von neuen Projekten tätig, die von der Bevölkerung initi-

iert werden. Zudem führt sie mit Schulklassen Arbeitseinsätze im Bereich Grünraum-

aufwertung und Umweltbildung durch (Hofstetter, Interview vom 04.03.2014). Auch

dieses Interview wurde im Bezug auf die drei Kategorien ausgewertet und in Abbil-

dung 27 dargestellt.

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Abbildung 27: Kategorien Quelle: Eigene Darstellung

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3.5.1. Voraussetzungen

Bei allen untersuchten Projekten wurde in der einen oder anderen Form das Enga-

gement der Bevölkerung als wichtig empfunden. Das bedeutet, es muss eine Gruppe

von Menschen geben, die etwas verändern möchte. Diese Gruppe muss Zeit inves-

tieren wollen. Eventuell braucht es dazu Leidensdruck. Gehrke meint:

„Demnach bilden die Gärten Räume für kleinteilige und kreative Lösungen der

herrschenden Probleme von der Ebene der Bürger aus“ (Gehrke, 2012a, S. 3)

In der Literatur findet sich häufig der Zusammenhang von Krisen und Urban Garde-

ning. In Zeiten der Not beginnen die Leute wieder vermehrt ihr eigenes Gemüse an-

zubauen. Ein Beispiel dafür ist die Stadt Detroit (siehe Abschnitt 2.2.4). Aber auch in

Griechenland spürt man eine Veränderung seit der Finanzkrise 2010. Die Griechen

bauen wieder vermehrt alte Sorten an, die keinen Kunstdünger oder Pestizide benö-

tigen. Eine Organisation, die für den Erhalt alter Sorten in Griechenland kämpft, fin-

det seither einfacher Freiwillige. Hinzu kommt, dass Leute vermehrt aus existenziel-

len Gründen wieder mit dem Gärtnern beginnen (Dyttrich, 2013). Im Grundlagenwerk

von Smit et al. (2001) findet sich die folgende Aussage:

„Urban farming is often initiated or increased during worsening economic

times, war or other catastrophes that disrupt food supply channels” (Smit, Nasr

& Ratta, 2001, S. 6, Kapitel 3).

Nun herrscht aber in Deutschland und der Schweiz weder Krieg noch eine andere

Katastrophe, die das gesteigerte Interesse an Gemeinschaftsgärten erklären könnte.

Dennoch gibt es auch bei uns Ereignisse, die das Interesse verstärkt auf den Ge-

sundheitsaspekt von Nahrungsmitteln lenken können. Das sind beispielsweise Nah-

rungsmittelskandale oder Lieferengpässe in Supermärkten.

Ein zweiter gemeinsamer wichtiger Punkt aus den Interviews ist die Akzeptanz in der

näheren Umgebung. Diese ist jedoch meist gegeben, da sich viele Anwohner freuen,

wenn aus einem brachliegenden Gelände ein Garten entsteht. „Die Grundvorausset-

zung ist sicherlich, dass es in der Stadt etabliert ist“ (Oser, Interview vom 09.10.13).

Das Internet spielt bei den Projekten immer eine Rolle. Allen gemeinsam sind der

Facebook-Auftritt und die Präsenz im Internet. Alle Projekte führen ihre aktuellen

Veranstaltungen im Netz auf. Auf den Facebook-Seiten erscheinen regelmässig In-

formationen über bevorstehende Ereignisse im Garten. Die meisten Facebook-

Auftritte besitzen sogar eine Rolle darüber hinaus. Es werden allgemeine Informatio-

nen gepostet, wie zum Beispiel ein Hinweis für einen Filmbeitrag von Arte über die

Saatgut-Retter11. Auf den Internetseiten kann man meist über die Geschichte und

andere Fakten der Projekte mehr erfahren. Es wurde jedoch bei keinem Interview

erwähnt, dass der Internetauftritt eine Rolle spielte. Ich schliesse daraus, dass es in

11

„TV-Tipp für morgen: Die Saatgut-Retter. 14. März – 22:00 Uhr auf arte“ (o’planzt is, 13.03.2014).

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Yasmine Zweifel 63

der heutigen Zeit selbstverständlich ist, im Netz präsent zu sein.

Christa Müller, die seit 1999 über urbane Gärten forscht, geht deshalb sogar so weit,

das Internet als Ausgangspunkt für die neue Generation der Gärten zu sehen.

„Das ist keine Gegenbewegung, sondern hier wird die Netzwerklogik, die sich

im Internet herausgebildet und geschärft hat, auf die analoge Welt übertragen“

(Müller in Weissmüller, 2011, S. 19).

3.5.2. Erfolgsfaktoren

Die Unverbindlichkeit ist ein entscheidender Faktor, der Gemeinschaftsgärten attrak-

tiv macht. Meist entstehen keine Verpflichtungen. Es gibt aber auch Gartenprojekte,

bei denen man bestimmte Aufgaben oder Bereiche übernehmen muss, beispielswei-

se im Stadiongarten. Normalerweise ist es aber so, dass zusammen ein Garten an-

gelegt wird und alle für alles zuständig sind. Dennoch wurde in den Interviews betont,

dass es eine oder mehrere Personen braucht, die dem Ganzen eine Richtung geben

und alles koordinieren. Diese engagieren sich enorm und arbeiten meist ehrenamt-

lich.

Die Lage spielt ebenfalls eine zentrale Rolle. Kommen neue Menschen laufend am

Gartengelände vorbei, ist es einfacher, die Aufmerksamkeit zu erregen. Unterstüt-

zend kann dabei das Interesse der Medien sein. Um den Garten lebendig zu halten,

helfen verschiedene Veranstaltungen. In den Interviews wurden Frühlingsfeste, Ern-

te-Dankfeiern, gemeinsame Kochtage und vieles mehr genannt. Ausserdem haben

die meisten Gemeinschaftsgärten ein mehr oder weniger regelmässiges Gartentref-

fen, an dem Probleme und neue Ideen besprochen werden können.

Die Website von FoodShare bietet ein Dokument an mit dem Titel What makes for a

successful community garden. Darin findet sich das Hauptargument shared, auf

Deutsch geteilt. Geteilte Leitung, geteilte Arbeit, geteilter Spass, geteilte Kommunika-

tion (www.foodshare.net). Die gemeinschaftliche Tätigkeit ist ein entscheidender

Punkt. In den Interviews kam dies auch zur Sprache. Viele Menschen sehnen sich

nach Gleichgesinnten, wie in Kapitel 2.5 unter Motiven aufgeführt wurde.

Den hauptsächlichen Nutzen sieht auch Hofstetter im sozialen Aspekt, ausserdem

wertet sie den gesundheitlichen und den bildenden Aspekt hoch. Gemeinsame Feste

und Anlässe sieht sie als wichtig an. Um die Bevölkerung zu motivieren, kann eine

Projektgruppe Werbung machen, eine Infoveranstaltung für Anwohner oder Feste

veranstaltet werden. Ihrer Erfahrung nach stossen nach der ersten Saison meist

noch mehr Leute dazu, da sie sehen, was gemacht wird und wie es funktioniert (In-

terview vom 04.03.2014).

Bei einer Umfrage des Bundesamts für Statistik Schweiz über Freiwilligenarbeit wur-

den die Faktoren mit anderen etwas bewegen, mit sympathischen Menschen zu-

sammen kommen, anderen Menschen helfen und ein persönliches Netzwerk pflegen

häufig bis sehr häufig als Motiv angegeben (Bundesamt für Statistik, 2011). Als Bei-

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Yasmine Zweifel 64

spiel hier eine Aussage aus dem Interview mit Oser in Basel auf die Frage nach den

Erfolgsfaktoren des Gartens: „Vielleicht kann man sagen, dass viele Leute, die allei-

ne sind, einen Treffpunkt schätzen und hier wieder einen Einstieg ins soziale Leben

finden.“

Hofstetter (Interview vom 04.03.2014) führt als ein weiterer Erfolgsfaktor auf, dass

Projekte zu Ende gedacht werden sollten, bevor man damit beginnt. Das heisst, es

müssen verschiedenste Fragen zu Beginn geklärt werden, wie etwa die längerfristige

Finanzierung oder die Nachfolgeregelung.

3.5.3. Probleme

Das Problem der Finanzierung wird von mehreren Interviewten erwähnt. Zum einen

muss ständig nach neuen Geldquellen gesucht werden, zum anderen arbeiten die

Hauptverantwortlichen meist ehrenamtlich und investieren viel Freizeit. Bei SeedCity

war es so, dass vor allem zu Beginn hohe Kosten angefallen sind und diese von Jahr

zu Jahr gesenkt werden können. Durch Mitgliederbeiträge oder Stiftungen kann man

an weitere Gelder gelangen. In Basel unterstützt die Stadt den Garten substanziell.

Das wäre der Idealfall. Dazu muss die Stadt jedoch durch den Gemeinschaftsgarten

einen Mehrwert erfahren. Hofstetter (Interview vom 04.03.2014) erklärt, dass Projek-

te in Zürich einen Beitrag erhalten, wenn sie einen bildenden Aspekt enthalten und

Interessierte mitwirken können. Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass der Garten

enger betreut wird und beim Aufbau stark unterstützt wird. Als Beispiel nennt Hofstet-

ter den Gemeinschaftsgarten Kronenwiese.

Die Behörde ist laut Gehrke (2012a) ein wichtiger Punkt. Wenn sie nicht einsieht,

dass ein Gemeinschaftsgarten eine gute Idee wäre, kommen die Bürgerinnen und

Bürger nicht weiter. Vor allem das Beschaffen einer passenden Fläche wird dann

zum Problem. Möglicherweise resignieren die Initianten sogar.

Ein weiteres zentrales Problem ist die Gewinnung von neuen Mitgliedern, die nach

kurzer Zeit nicht mehr dabei sein wollen. Es gibt Leute, die kommen vorbei, da es

gerade ein Trend ist. Sie merken aber schnell, dass ihnen das Gärtnern nicht zusagt.

Schuld an diesem Problem ist die offene Struktur der Gärten. Einerseits ist diese er-

wünscht, da die Verpflichtungen wegfallen, es kann aber sein, dass sich dadurch

niemand verantwortlich fühlt und nur wenige Personen grosse Teile der Arbeit über-

nehmen (Gehrke, 2012a). Dem Problem des Mitgliederverlusts nach der ersten en-

gagierten Generation könnte möglicherweise entgegengewirkt werden, indem man

die Tätigkeit klarer als ehrenamtliches Engagement ausweist und die Gemeinde die-

ses auch würdigt.

Probleme in der Kategorie Gemeinschaft nach Madlener (2009) sind Vandalismus,

Nachbarn, die wegen Lärm klagen, und Vermüllung des Geländes. Ein Gärtner be-

richtet von seiner Erfahrung, dass die Vermüllung grösser sei, wenn man die Türe

zum Garten abschliesst. Madlener kommentiert das und vermutet den Reiz des Ver-

botenen als Ursache.

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Yasmine Zweifel 65

Gehrke (2012a) sieht das Hauptproblem darin, dass es keine oder zu wenig Vernet-

zungsmöglichkeit gibt. Denn die aktiven Gärtnerinnen und Gärtner haben wenig Zeit,

sich für ihre Interessen einzusetzen und sich mit anderen Gartenprojekten zu vernet-

zen. Voraussetzung für das Profitieren von Vernetzungen mit anderen ist, dass die

Gärten eine rechtliche Grundlage haben und wissen, an wen sie sich bei den Behör-

den wenden können.

Hofstetter (Interview vom 04.03.2014) führt noch das Problem der Bodenbelastung

auf, weil dann neue Erde herangebracht werden muss. Dadurch fallen wieder Trans-

portwege an, wodurch Schadstoffausstoss die Umwelt belastet. Oder aber man be-

merkt nicht, dass die Erde, die Luft oder das Wasser belastet ist und isst die schädli-

chen Nahrungsmittel.

3.6. Idealtypischer Aufbau eines Gemeinschaftsgartens

Rosol (2006) untersuchte verschiedene Gemeinschaftsgärten in Berlin und leitete

daraus Empfehlungen für die Praxis ab, wie ein solches Projekt aufgebaut werden

kann. Sie unterscheidet dabei Primär- und Sekundärakteurinnen und –akteure. Ers-

teres sind die ehrenamtlich aktiven Personen und Letzteres die initiierenden Perso-

nen, die selbst nicht im Garten mitarbeiten, mit dem Projekt dennoch in Kontakt sind.

Für Primärakteurinnen und –akteure stellt Rosol sieben Checklisten zusammen, die

den Aufbau eines Gemeinschaftsgartens erleichtern sollen. Die Themen sind Kon-

zept, Grundstück und Fläche, Finanzen, Infrastruktur/Ausstattung, Beratung, Ab-

stimmung und notwendige Arbeiten.

Die verlangten Fähigkeiten dieser Personen lassen sich in drei Bereiche teilen:

1. Gärtnerisch-körperlich

2. Konzeptionell-organisatorisch

3. Sozial-kommunikativ

Zudem ist Ausdauer, Optimismus und ein positiver Umgang mit den Behörden von

Vorteil. All dies basiert auf einer hohen Motivation bezüglich des Projekts.

In England existiert der Verband Federation of City Farms and Community Gardens.

Sein Ziel ist es, die lokale Bevölkerung im Aufbau und Unterhalt eines Gemein-

schaftsgartens zu unterstützen. Dazu gibt es unterschiedliche Broschüren. Im Start

Pack werden verschiedene Fragen geklärt. Einige Beispiele:

1. Wie starten wir?

2. Wie finden wir einen geeigneten Platz?

3. Wie machen wir unser Projekt publik?

4. Wie finanzieren wir den Garten?

Die Fragen werden ausführlich beantwortet und es wird auf unterstützende Organisa-

tionen und Netzwerke hingewiesen (www.farmgarden.org.uk).

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Yasmine Zweifel 66

Anstiftung & Ertomis ist eine Stiftungsgemeinschaft, die nachhaltige Lebensformen

erforscht und fördert. Wissenschaftliche Arbeit, Förderung und Entwicklung von ex-

emplarischen Projekten, Bildung und Öffentlichkeitsarbeit gehören zu ihren Aufga-

ben. Auf der Website steht folgender Satz:

„Urbane Landwirtschaft ist ein wichtiges Handlungsfeld, um Beiträge für eine öko-

logisch und sozial verträgliche Ökonomie und Gesellschaft zu leisten. Deshalb

vernetzt, fördert und erforscht die Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis die

vielfältigen Formen des gemeinschaftlichen Gärtnerns und andere Praxen des

Selbermachens. Sie bringt innovative Akteure zusammen und kooperiert mit ih-

nen, z.B. in Beratungsnetzwerken und bei jährlichen Konferenzen und Camps“

(www.anstiftung-ertomis.de/urbane-gaerten).

Es finden sich online verschiedene Praxisblätter, die beim Aufbau eines Gemein-

schaftsgartens hilfreich sein können. Der Aufbau wird in acht Schritte unterteilt. Zu-

erst sollen Mitstreiter und Mitstreiterinnen gefunden werden, dann eine Koordination

festgelegt, ein Grundstück gesucht, die Finanzierung gesichert, weitere Finanzie-

rungsmöglichkeiten gesucht, die Organisationsform festgelegt, die Spielregeln aufge-

stellt und als Letztes noch die Öffentlichkeitsarbeit geplant werden (www.anstiftung-

ertomis.de).

FoodShare, eine Organisation in Toronto, stellt ebenfalls verschiedene Dokumente

zur Verfügung, die als Hilfe für neue Gemeinschaftsgärten dienen sollen. Unter ande-

rem einen Zehn-Schritte-Plan, wie ein Gemeinschaftsgarten aufgebaut werden soll

(siehe Anhang B) oder auch wie man Saatgut selbst gewinnen kann

(www.foodshare.ch).

3.7. Fazit

Die Frage dieses Kapitels war, welche Planung und welche Massnahmen es braucht,

damit der Urban Gardening Trend langfristig gefördert werden kann. Gemeinschafts-

gärten erweisen sich als ideales Mittel. Doch einen solchen aufzubauen erfordert ei-

niges an Planung. Dabei haben sich die folgenden Punkte als zentral erwiesen.

Es braucht:

1. eine kleine Startgruppe von Leuten, die die Initiative ergreifen.

2. ein Stück verfügbares Land, das (kostenlos) genutzt werden kann oder von

der Stadt zur Verfügung gestellt wird. Die Lage sollte sonnig und gut erreich-

bar sein.

3. eine Finanzierung durch die Stadtverwaltung, eine Stiftung oder Sponsoren

mindestens für die Kosten der Anfangsphase.

4. ein Auftritt im Internet, beispielsweise durch eine informierende Facebook-

Seite.

5. Werbung durch die Medien und an öffentlichen Orten.

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Yasmine Zweifel 67

6. laufend neue Veranstaltungen, die das Projekt lebendig halten.

Die ersten beiden Punkte sind unabdingbar. Die Finanzierung kann jedoch auch

durch Private getragen werden. Der Internetauftritt ist ebenfalls nicht zwingend, da es

andere Wege wie Zeitungsinserate gibt, um Menschen zu informieren. Wenn die Ini-

tiantengruppe hingegen das Interesse verliert und niemand die Leitung übernimmt,

wird das Projekt zwangsläufig scheitern. Ein anderes Hindernis ist, wenn der vorhan-

dene Platz geräumt werden muss, etwa weil eine Brache wieder bebaut wird. Jedoch

kann diesem Hindernis mit einem mobilen Garten begegnet werden.

Mit einer klaren Struktur und Organisation kann vielen Problemen aus dem Weg ge-

gangen werden. So gründet man am besten zu Beginn einen Verein und bestimmt,

ob man im Garten Mitglied sein muss oder ob die Vereinsgründung nur der Verwal-

tung dient. Viele funktionierende Gärten haben ein Konzept aufgestellt. Darin werden

unter anderem die Ziele, die Organisation, die Finanzierung, die Aktivitäten und viel-

leicht ein grober Zeitplan festgehalten. Ausserdem sollten die Regeln im Garten

sichtbar gemacht werden.

Wichtig ist, die Stadt- oder die Gemeindeverwaltung in das Projekt zu integrieren. Es

gibt allerdings in den Schweizer Städten selten zuständige Stellen, an die man sich

wenden kann. Zürich und Basel zum Beispiel haben den Mehrwert eines Gemein-

schaftsgartens erkannt und sind mit dem Prozess der Entstehung bereits vertraut.

Die Vernetzung unter den verschiedenen Gartenprojekten ist ebenfalls von Vorteil.

So kann von anderen gelernt werden, und bei Fragen und Problemen ist Unterstüt-

zung sicher. In der Schweiz gibt es noch kein offizielles Netzwerk, das die Gemein-

schaftsgärten verbindet und unterstützt. Die Seite www.interkulturelle-gaerten.ch

funktioniert bereits in diese Richtung. Sie ist jedoch verstärkt auf den sozialen Pro-

zess und das Integrieren von Flüchtlingen und Migranten angelegt. Zudem sind eini-

ge Informationen nicht mehr aktuell. Die Seite könnte mit wenigen Veränderungen

als eine Austauschplattform fungieren, auf der zum Beispiel ein Forum eingerichtet

wird. In Deutschland gibt es die Plattform www.urbanacker.net und das Urban Gar-

dening Portal www.gartenpiraten.net, die als Vorbild dienen können.

Im folgenden Kapitel werden die Erkenntnisse auf die Stadt St.Gallen übertragen und

in einem Testprojekt angewandt. Zudem werden bestehende und vergangene Pro-

jekte untersucht.

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Yasmine Zweifel 68

4. Urban Gardening in St.Gallen

Nach der räumlichen Diffusionstheorie (siehe Kapitel 2.1) werden neue Ideen verbrei-

tet, in dem sie sich radial um grösserer Zentren ausbreiten und in dem sie von den

grösseren in kleinere Zentren überspringen. Dies kann beispielsweise geschehen,

indem jemand von St.Gallen in Basel den Landhof besucht und die Idee so gut fin-

det, dass diese Person etwas Ähnliches in St.Gallen beginnen möchte.

In der Ostschweiz dauert es ein bisschen länger, bis die Trends aus der Welt an-

kommen. Einzelne Versuche gibt es aber bereits, der Urban Gardening Bewegung

einen Platz in der Stadt zu geben. Im Oktober 2013 publizierte die Stadt St.Gallen

ein Merkblatt, das zu einem eigenen Gartenprojekt anregen soll (Stadt St. Gallen,

2013). Im Jahr 2012 initiierte die Bewegung Occupy St.Gallen das Projekt Dort

Pflanzen wo man isst. Es gab an der OLMA Vorträge zum Thema nachhaltige Le-

bensmittelproduktion und eine Kiste mit Erde wurde bepflanzt. Diese sollte einen fes-

ten Platz im Stadtpark erhalten. Im Frühling 2013 stand die Kiste noch dort, jedoch

ohne Bepflanzung. Kurz darauf war sie nicht mehr vorhanden. Auf Nachfragen bei

der Organisation kamen keine Antworten. Doch es gibt bestehende Projekte in

St.Gallen, die sich mit Urban Gardening beschäftigen, wie etwa die Gärten des

Evangelischen Hilfswerks Schweiz.

4.1. Methode

Mit halbstandardisierten Interviews werden verschiedene Amtsinhaber von St.Gallen

befragt. Darin geht es vor allem darum, Antworten auf die sechs Punkte von Kapitel

3.7 im Bezug auf St.Gallen zu finden. Über die früheren und auch die heutigen Pro-

jekte werden mit Hilfe von Internet, Telefonaten, Berichten und Besuchen recher-

chiert. Ausserdem wird mit einem kleinen Testprojekt die Haltung einiger Städterin-

nen und Städter im Bezug auf Gemüseanbau in der Stadt ergründet. Dazu dient ein

Fragebogen. Mit Parteimitgliedern der Grünliberalen und der Jungen Grünen wird

ebenfalls das Gespräch gesucht, um zu erfahren, ob eine Zusammenarbeit denkbar

wäre.

4.2. Bestehende Gartenprojekte

4.2.1. Neue Gärten Ostschweiz

Das Hilfswerk der evangelischen Kirchen Schweiz, genannt HEKS, initiierte vor zwei

Jahren in St.Gallen ein Projekt zur Integration von Migrantinnen und Migranten. Es

nennt sich Neue Gärten Ostschweiz. Im Tätigkeitsbericht des Jahres 2012 wird das

Projekt beschrieben, die Zielerreichung diskutiert und die Weiterführung des Projekts

erläutert. Die gemeinsame Begrünung einer Gartenparzelle soll die Migrantinnen und

Migranten in St.Gallen besser integrieren. Die Kirchgemeinde Straubenzell stellte

ihnen ein 150 m2 grosses Gartenareal zu Verfügung. Durch den deutschen Sprach-

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Yasmine Zweifel 69

gebrauch und den Austausch mit anderen Personen wird ein Schwerpunkt auf die

soziale Integration gelegt. Monatliche thematische Inputs zu gärtnerischen Themen

sollen die Teilnehmenden im nötigen Wissen stärken. Die Schwierigkeit lag in der

Suche von Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Es meldeten sich für die erste Saison

im Jahr 2012 nur vier Personen. Parallel dazu gibt es ein Projekt in Arbon, bei dem in

der Saison 2012 auf dem Familiengartenareal zwei Parzellen durch zwölf Erwachse-

ne aus drei verschiedenen Ländern bepflanzt wurden (Thoma, 2013a).

Im Bericht über die zweite Saison wurde in St.Gallen eine Zunahme des Interessens

festgestellt. Im Jahr 2013 nahmen drei Familien und zwei Einzelpersonen regelmäs-

sig an den Treffen teil. Ausserdem konnte mit Rorschach ein dritter Standort aufge-

baut werden. Das Ziel, die Gärten biologisch zu bewirtschaften, wurde nur teilweise

erreicht, da es schwierig war, den Leuten die Methoden zu vermitteln. Sie entschie-

den sich häufig lieber für den einfacheren Weg mit Chemie. Mitsprache und Empo-

werment12 sind wichtige Ziele, die erreicht wurden, hauptsächlich durch ein Garten-

fest und die wöchentlichen Gartentreffen. Das Projekt wird auch in der Saison 2014

weitergeführt, sogar mit einer Mitarbeitenden im Garten, die zu 30 Prozent angestellt

ist (Thoma, 2013b).

4.2.2. Kinderlokal TiRumpel

Das Kinderlokal TiRumpel wurde im Jahr 2010 von Eva Helg als Verein gegründet.

Im Westen der Stadt St.Gallen, im Lachenquartier, gab es damals einen leer stehen-

den Raum. Kinder im Alter von vier bis zwölf Jahren können dort jeweils gratis den

Mittwochnachmittag verbringen. Sie spielen und basteln zusammen (Kalberer, 2011).

Christina Ammann bemerkte im Frühjahr 2013, dass die Kinder in verschiedenen

kleinen Gefässen auf Fenstersimsen und anderen Nischen mit Freude Pflanzen an-

säten. Bald war das ganze Lokal voll mit Setzlingen. Die Kinder pflanzten nicht nur

Blumen sondern auch Gemüse an. Da der angrenzende Werkhof vorübergehend

geschlossen ist, durfte der Platz genutzt werden, um die Pflanzen nach draussen zu

setzen. Dazu wurden in Faltrahmen zwei kleine Beete angelegt. Zuunterst legten sie

Äste hinein, darauf kamen Jutesäcke und dann wurde mit Erde vom Gartenbauamt

St.Gallen aufgefüllt. Das Gemüse gedieh sehr gut, da regelmässig immer am Mitt-

woch gegossen wurde. Die Kinder haben das Projekt sehr genossen, weshalb das

Projekt in der Saison 2014 weitergeführt wurde. Zu den zwei vorhandenen Beeten

kamen nochmals fünf dazu. Diese wurden vom Gartenbauamt zur Verfügung gestellt,

wie auch die benötigte Erde. Angebaut wurden Pflanzen wie Tomaten, Kräuter, Sala-

te, Radieschen, Karotten, Beeren und Kohlrabi. Durch den eher schattigen Standort

und den nicht sehr warmen Sommer hatten es die Pflanzen jedoch schwer. Das ern-

12

„Die Praxis des Empowerment (= Selbstbefähigung, Stärkung von Autonomie und Eigenmacht) unterstützt Menschen bei ihrer Suche nach Selbstbestimmung und autonomer Lebensregie und liefert ihnen Ressourcen, mit deren Hilfe sie die eigenen Lebenswege und Lebensräume eigenbestimmt gestalten können“ (www.empowerment.de).

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Yasmine Zweifel 70

tefrische Gemüse wird direkt für die Zwischenverpflegung der Kinder genutzt. Ziel

des kleinen Gartens ist es, ein Generationenprojekt zu machen, bei dem die Nach-

barschaft miteinbezogen wird. Dazu soll eine Brache genutzt werden, wo das Projekt

dann längerfristig bleiben könnte. Bereits während dem aktuellen Gartenjahr wurde

versucht, die Nachbarschaft zum Mitmachen zu bewegen. Ein Informationszettel an

einem der Beete fordert die Menschen auf, mitzugärtnern und vorbeizuschauen. Dies

erwies sich jedoch noch als schwierig.

Abbildung 28: Beete des Kinderlokals TiRumpel Quelle: Eigene Aufnahme

4.2.3. Merkblatt der Stadt St.Gallen

Im Herbst 2013 brachte die Stadt St.Gallen ein Merkblatt mit dem Titel Natur findet

Stadt – Gärtnern in der Stadt heraus. Eingerahmt steht folgender Satz:

„Dieses Merkblatt möchte Mut machen, eigene Gartenträume zu realisieren

und nennt die wichtigsten Voraussetzungen für erfolgreiches Gärtnern“ (Stadt

St. Gallen, 2013).

Involviert war die Stadt St.Gallen, das Amt für Umwelt und Energie, das Gartenbau-

amt und das Stadtplanungsamt. Es liegt nahe, das Merkblatt auf die in Kapitel 3 ge-

fundenen Punkte zu untersuchen. Zu Punkt eins, der Startgruppe, wird empfohlen,

sich in einer Gruppe zu organisieren, damit die Organisation auf mehrere Personen

verteilt werden kann. Es wird geraten, sich mit anderen Projekten zu vernetzen.

Als verfügbares Land werden sowohl private Balkons, Hinterhöfe, Treppenhäuser

und Fenstersimse als auch Flachdächer, ungenutzte und steril gepflegte Grünflächen

bei Mehrfamilienhäusern, Brachflächen und Parkplätze vorgeschlagen. Es folgt der

Hinweis, dass man sich auch nicht vor einem zeitlich begrenzt verfügbaren Ort ab-

schrecken lassen soll, da man leicht einen mobilen Garten (siehe Kapitel 2.3.4) auf-

bauen kann. Zur Finanzierung und der Öffentlichkeitsarbeit wird nichts geschrieben,

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da es sich hier anscheinend eher um kleinere Projekte handelt.

Positive Aspekte, die aufgeführt werden, sind die Integration, der soziale Kontakt,

Einblicke in die Zusammenhänge der Natur. Aber auch der ökologische Nutzen, dass

lange Transportwege wegfallen, wird genannt.

4.2.4. Siedlung Remishueb

In der Siedlung Remishueb, im Osten der Stadt, werden zwischen Wohnblöcken von

den Bewohnerinnen und Bewohnern Beeren, Gemüse und Obst angebaut. Auf

Nachfrage bei der Leitung der Genossenschaft Habilon erklärte G. Göbel-Keller,

dass die Siedlung aus fünf Genossenschaften besteht, die unterschiedlich organisiert

sind im Bezug auf die Gärten. Angebaut wird aber überall etwas. Teilweise werden

Parzellen an die Stockwerkeigentümer vermietet oder es wird nach Bedarf in der

unmittelbaren Umgebung der Wohnblöcke ein Garten angelegt. Bei einer anderen

Genossenschaft ist ein eigener Garten automatisch mit dabei, wenn man eine Woh-

nung kauft. Viele der Bewohnerinnen und Bewohner der Remishueb sind interessiert

am Eigenanbau von Obst und Gemüse (Göbel-Keller, Gespräch vom 19.08.14).

4.2.5. Wiborada Gartenweiber

In St. Georgen bewirtschaften drei Frauen den ehemaligen Klostergarten der katholi-

schen Kirche. Im Jahr 2011, als sieben Frauen sich zum ersten Mal trafen, war nur

eine grosse Wiese vorhanden. Mit viel harter Arbeit verwandelten sie die Hälfte die-

ser Wiese in einen blühenden Garten. Sie pflegen ihn im Sinne der Tradition von

Klostergärten und pflanzen Gemüse, Kräuter, Blumen und Beeren an. Es finden sich

viele Sorten von ProSpecieRara, aber auch geschenkte Pflanzen. In der Saison 2014

sind sie nun noch zu dritt und wünschen sich wieder mehr Mitglieder, die helfen, den

restlichen Garten urbar zu machen. Sie vernetzen sich mit anderen Projekten und

teilen sich die Arbeit auf. Ihr Wunsch ist es, eine grosse Gruppe von Frauen zu sein,

so dass wenig Verantwortung bei Einzelnen liegt. Ausserdem ist ihnen das Gemein-

schaftliche wichtig (M. Lutz, Gespräch vom 07.08.2014).

Abbildung 29: Klostergarten in St. Geogen

Quelle: Eigene Aufnahmen

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Obwohl der Garten nicht direkt in einer urbanen Umgebung liegt, scheint die Idee

den urbanen Gemeinschaftsgärten sehr ähnlich zu sein.

4.2.6. Familiengärten

Die Situation in den Schrebergärten von St.Gallen hat sich in den letzten Jahren ein

wenig verändert. Niklaus Lötscher, Präsident der Familiengärten St.Gallen, meldet,

dass sich in den letzten zwei bis drei Jahren vermehrt Familien für eine Parzelle an-

gemeldet haben. Er bemerkt, dass das Interesse von Migrantinnen und Migranten an

den Gartenparzellen wesentlich höher ist als dasjenige von Einheimischen. Die Al-

tersverteilung der Jahre 2003/04 und 2012 sind in Abbildung 30 dargestellt. Es ist

sichtbar, dass es 2012 mehr Personen unter 40 Jahren hatte als in den Jahren

2003/04. Aber auch die über 70-jährigen Personen sind im Jahr 2012 stärker vertre-

ten. Die Gesamtzahl blieb ungefähr die gleiche, nämlich etwa 1‘000 Personen.

Abbildung 30: Altersverteilung in den Schrebergärten von St.Gallen

Daten: Niklaus Lötscher, Präsidenten der Familiengärten St.Gallen

Als Erklärung für das hohe Interesse von Migrantinnen und Migranten an einer Par-

zelle können zwei Ansätze dienen. Der erste ist, dass sie häufig weniger verdienen

und sich somit nur kleinere Wohnungen leisten können. Sie benutzen den Garten als

ihr zweites Wohnzimmer. Es ist mir aufgefallen, dass die Migrantinnen und Migranten

häufiger in Gesellschaften im Garten sitzen und oftmals etwas grillieren, während die

Einheimischen eher nur zum Arbeiten in den Gärten sind. Der zweite Erklärungsan-

satz ist, dass in den Herkunftsländern der Migrantinnen und Migranten das Gärtnern

immer noch eine grössere Tradition hat und es auch mehr Beschäftigte im Primär-

sektor, sprich der Landwirtschaft, gibt.

0

50

100

150

200

250

300

350

Unter 40 J. 40-50 J. 50-60 J. 60-70 J. Über 70 J.

2003/04

2012

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Yasmine Zweifel 73

4.3. Testprojekt

Um das Interesse der städtischen Bevölkerung von St.Gallen an Urban Gardening zu

testen, führte ich selbst ein kleines Projekt durch. Es fand während der Gartensaison

2014 statt. Für das Vorgehen orientierte ich mich an den Punkten, die in Kapitel 3

ermittelt wurden, was entscheidend für einen Gemeinschaftsgarten ist. Daraus habe

ich folgende fünf Schritte abgeleitet, die für dieses Kurzprojekt nötig sind.

1. Platz: Das Grundstück musste zentral gelegen sein, das heisst in St.Gallen am

besten in der Altstadt. Gleich hinter dem Bohl befindet sich an der Katharinen-

gasse 12 ein genossenschaftlich betriebenes Biogeschäft mit dem Namen Stadt-

laden (www.stadtladen.ch). Die sechs Betreiberinnen und Betreiber des Ge-

schäfts haben eingewilligt, dass ich auf ihrem Vorplatz mein Projekt durchführen

durfte. Die Fläche ist öffentlich zugänglich und es kommen viele Passanten vor-

bei, die im Geschäft einkaufen wollen. Zu beachten ist, dass genügend Sonne an

den Ort kommt. Ausserdem sollte man einen Zugang zu Wasser haben. Diese

Kriterien erfüllte der gewählte Standort. Ein mögliches Problem könnten am Wo-

chenende die nächtlichen Partygänger sein. Spycher, eine der Betreiberinnen

des Stadtladens, hat mich gewarnt, dass es Beschädigungen und Diebstähle ge-

ben könnte. Leider würde die Wand vor dem Stadtladen immer wieder als öffent-

liche Toilette benutzt. Um dies zu umgehen, hatte ich meine Gefässe auf einem

Tisch installiert und versucht, sie ordentlich und gepflegt wirken zu lassen.

Abbildung 31: Ort des Projekts, Katharinengasse 12

Quelle: www.google.ch/maps (30.07.2014)

2. Koordination: Bei diesem Kleinprojekt übernahm ich die Hauptleitung und war die

Ansprechperson. Ich setzte ein Datum, an dem ich die Pflanzgefässe installieren

wollte. Das war der 20. März 2014.

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Abbildung 32: Aufbauen der Pflanzgefässe

Quelle: Eigene Aufnahmen

An diesem Tag setzten ein Freund und ich bereits einige Samen in die Töpfe.

Damit die anderen Leute wissen, was bereits gesetzt wurde, klebten wir Beschrif-

tungen auf die Eimer. Es könnte dennoch Probleme damit geben, dass man nicht

weiss, wo bereits etwas in der Erde steckt. Sobald die Keime aus der Erde kom-

men, wird es eindeutiger. Die verwendete Erde hat Bio-Qualiät und enthält kei-

nen Torf.

3. Finanzierung: Für die Finanzierung habe ich mich an die Migros gewandt. Benö-

tigt wurden Erde, Pflanzgefässe, Saatgut oder Setzlinge und eine Giesskanne.

Die Pflanzen und die Erde sollten biologisch sein. Die Migros schickte nach einer

Anfrage einen Gutschein von 50.- CHF für Do it + Garden. Der Betrieb Sativa

Rheinau betreibt eine Saatgutproduktion, die sowohl gentechnikfrei als auch bio-

logisch ist. Das Ziel ist eine eigenständige Versorgung der biologischen Landwirt-

schaft und des biologischen Gemüseanbaus sicherzustellen (www.sativa-

rheinau.ch). Teilweise sind die Richtlinien noch strenger als beim Bio-Gütesiegel,

das nennt sich dann Demeter13. Einige Samen sind Sorten von ProSpecieRara

(siehe Kapitel 2.4.1). Sativa Rheinau sponserte das Testprojekt mit fünf verschie-

denen Saatgutpäckchen. Ein weiterer Sponsor war der asiatische Supermarkt

Asiaway an der Langgasse, der dem Projekt einen leeren Reissack geschenkt

hat. Im Prinzessinnengarten in Berlin wird verschiedenes Gemüse, vor allem aber

Kartoffeln, in solch lebensmittelechten Reissäcken angebaut. Diese sind luft- und

wasserdurchlässig, wodurch sie sich hervorragend als Pflanzbehälter eignen.

4. Medien: Um auf das Projekt aufmerksam zu machen, habe ich das Medium Fa-

cebook gewählt und mit Mund-zu-Mund-Propaganda dafür geworben. Auf Face-

book erstellte ich dazu die Gruppe Urban Gardening St.Gallen. Dort wurden die

wichtigsten Neuigkeiten und Fotos hochgeladen.

13

Mehr Informationen zu Demeter unter www.demeter.de oder www.demeter.ch

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5. Information: Die Öffentlichkeitsarbeit nimmt bei urbanen Gartenprojekten einen

grossen Teil ein. Bei diesem Testprojekt war das Ziel, eine Resonanz aus der Be-

völkerung von St.Gallen zu erhalten. Zu diesem Zweck habe ich vor Ort einen In-

formationszettel aufgehängt (siehe Anhang 0). Darauf befindet sich der Hinweis,

dass Rückmeldungen erwünscht sind. Mit Stift und Papier konnte dies gleich vor

Ort gemacht werden, indem der ebenfalls im Anhang enthaltene Fragebogen

auszufüllen war. Wer mehr Informationen zu Urban Gardening oder zum Projekt

wünschte, durfte sich per E-Mail bei mir melden. Ausserdem fand sich der Frage-

bogen auch online auf der Facebook-Seite verlinkt.

Abbildung 33: Ausschnitt der Facebook-Seite

Quelle: www.facebook.com/pages/Urban-Gardening-St-Gallen/636546199756384?ref_type=bookmark

(30.07.2014)

Beim Projekt sind kleinere Probleme aufgetreten. Das erste war, dass der aufge-

hängte Informationszettel vom Schnee aufgeweicht wurde. Dieses Problem konnte

durch eine bessere Laminierung behoben werden. Dann fanden die Betreiberinnen

und Betreiber des Stadtladens, dass es noch zu lange dauern wird, bis etwas Grünes

in den Töpfen zu sehen sein würde. Deshalb wurden die Kübel und die Tasche ein

wenig versteckt auf die Treppe gestellt. Weiter war es ein Problem, dass der Frage-

bogen von sehr wenigen Personen ausgefüllt wurde, weshalb ich ihn dann auch onli-

ne zu Verfügung stellte. So kamen dann immerhin zehn ausgefüllte Bogen zusam-

men.

Aus diesen Problemen kann für zukünftige Projekte gelernt werden. Es ist besser, zu

Beginn nicht nur Saatgut zu säen, sondern bereits kleine Setzlinge oder Kräuter zu

pflanzen, damit die Beete nicht leer aussehen. Zudem ist eine gute Beschriftung, die

wetterfest ist, unerlässlich. Damit erleichtert man allen gärtnernden Personen, sich

zurechtzufinden, was bereits in den Beeten angepflanzt wurde. Dazu eignen sich gut

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Yasmine Zweifel 76

im Handel erhältliche Pflanzschilder aus Plastik, die mit wasserfestem Filzstift be-

schriftet werden (siehe Abbildung 34). Direkt beim Projekt sollten wichtige Informati-

onen und Kontaktmöglichkeiten angeschlagen sein.

Positiv war, dass die Eimer und die Tasche nicht, wie zu Beginn von einer Betreiberin

des Stadtladens vermutet, verwüstet wurden. Ausserdem haben diverse Personen

ebenfalls etwas eingepflanzt. Zu Beginn habe ich Schabzigerklee, Spinat, Endivie

und rote Gartenmelde gesät. Nach einiger Zeit fanden sich in den Töpfen und der

Tasche ausserdem Mohnblumen, Weizengras und Minze. Ob auch jemand sich zu

ernten getraut hat, war nicht festzustellen.

Abbildung 34: Zwischenstand des Projektes im Mai

Quelle: Eigene Aufnahmen

Erfahrungen aus dem Projekt und dem Fragebogen zeigen, dass in St.Gallen durch-

aus Interesse an solchen Projekten herrscht. Es haben sich insgesamt zehn Perso-

nen gemeldet und angekreuzt, dass sie bei einem allfälligen Gemeinschaftsgarten-

projekt mitarbeiten würden. Die Idee, Nahrungsmittel in der Stadt anzubauen stiess

nur auf positives Feedback.

Der Medieneinsatz meinerseits hätte noch grösser sein können. Vielleicht indem ich

mich an verschiedene Vereine und Gruppen gewandt hätte mit dem Informationszet-

tel. So war das erreichte Publikum eingeschränkt auf die Personen, die den Stadtla-

den besuchten oder die mit mir auf Facebook befreundet waren. Auch die in Kapitel

3 vorgeschlagenen Veranstaltungen wurden bei diesem Projekt nicht mit einbezo-

gen. Überraschend war, wie einfach Sponsoren zu finden waren. Alle drei angefrag-

ten Betriebe waren bereit, etwas Kleines zum Projekt beizutragen. Für zukünftige

Urban Gardening Projekte in einem grösseren Rahmen soll unbedingt mit Offenheit

auf Leute zugegangen werden. Das hat sich bei diesem Testprojekt bewährt. Wenn

man den Leuten die Idee erklärt und sie um Hilfe bittet, bekommt man sie meistens.

Wie wichtig die Standortwahl ist, zeigte sich an den wenigen ausgefüllten Fragebo-

gen. Man kann durch den Standort ziemlich gut steuern, wer das Projekt bemerken

soll. Je mehr verschiedene Menschen vorbeikommen, desto durchmischter wird das

Publikum. Das kann sowohl von den Generationen als auch von der Kultur her span-

nend sein. Es macht genau den Aspekt von Urban Gardening aus, dass verschiede-

ne Menschen aufeinander treffen, die alle durch das Interesse am Thema Garten

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verbunden sind, ansonsten aber viel voneinander lernen können. Ende Juni wurde

das Projekt beendet, da über die Sommerferien weniger Personen anwesend sein

werden und die wichtigsten Erfahrungen gesammelt waren. Eine Tasche konnte an

jemanden verschenkt werden, der sie auf seinem Balkon aufstellte. Die restlichen

Töpfe kamen in meinen eigenen Schrebergarten.

Abbildung 35: Bepflanzung am Ende des Projekts im Juni 2014

Quelle: Eigene Aufnahmen

Auf die Frage nach konkreten Projektideen im Fragebogen kamen verschiedene

Antworten: Auf den Dächern des OLMA-Messen Areals, Gemüseabos im Sinne von

Ortoloco in Dietikon14, öffentliche Plätze mit Gemüse anstatt Blumen zu bepflanzen,

einen Verein gründen, den Kreuzbleichepark bepflanzen oder alte Kultursorten

verbreiten. Nur schon mit dieser kleinen Anzahl an Rückmeldungen kamen viele

Ideen zusammen. Bei einem Gemeinschaftsgartenprojekt, das folgen könnte, muss

diese Art des Brainstormings unbedingt von Beginn an einbezogen werden. Denn

Ideen sind in den Köpfen der St.Gallerinnen und St.Galler vorhanden.

Kurz nach Projektende meldete sich eine Journalistin, um einen Artikel zu Urban

Gardening in St.Gallen zu schreiben (siehe Anhang G). Wäre dieser schon früher

erschienen, hätten sich vielleicht noch mehr Interessierte das Testprojekt ange-

schaut.

4.4. Empfehlung für St.Gallen und Fazit

Im Folgenden wird bezogen auf die Stadt St.Gallen ausgeführt, was für Möglichkeiten

bestehen, urbane Gartenprojekte aufzubauen und wo Unterstützung zu finden ist.

Bei den Empfehlungen ist der Aufbau wieder in die sechs Kriterien aus Kapitel 3 un-

terteilt.

14

„Die Genossenschaft ortoloco pachtet vom Limmattaler Biohof "Im Fondli" 1.4 Hektaren Ackerland und baut unter der Anleitung von fest angestellten GärtnerInnen über 60 Gemüsesorten an. Das Ge-müse wird wöchentlich von den Beteiligten geerntet, verteilt und konsumiert“ www.ortoloco.ch.

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1. Initiantengruppe

Das Wichtigste scheint, dass die Stadt nicht von oben etwas initiiert, sondern dass

der Wunsch nach einem Gemeinschaftsgarten oder einem ähnlichen Projekt von der

Bevölkerung selbst kommt. Dadurch ist die Motivation viel höher. Über Quartierverei-

ne, Hauptversammlungen, Quartierzeitungen, Migrantenvereine und Kirchgemeinden

können dann leicht weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter gefunden werden (Bischof,

Interview vom 24.01.14). Auf Anfragen bei zwei Mitgliedern der jungen Grünen und

D. Rüttimann, dem Präsidenten der Grünliberalen St.Gallen, wird deutlich, dass mit

ihrer Unterstützung gerechnet werden könnte. Rüttimann (Interview vom 27.02.2014)

sieht die Möglichkeit, im Sinne von Beratung, politischem Support und Herstellung

von Kontakten zu unterstützen. Bei den jungen Grünen sähe die Unterstützung mo-

mentan nicht ganz so direkt aus, da die Kapazitäten fehlen. Aber das private Interes-

se der Mitglieder ist vorhanden und eine allfällige Zusammenarbeit scheint möglich.

2. Grundstück

Je nachdem, ob nach etwas Längerfristigem oder nur einem Zwischennutzungsplatz

gesucht wird, unterscheidet sich die Arealsuche. Es gibt aber diverse Grundstücke,

die genutzt werden könnten. Bischof, der Quartierentwickler von St.Gallen, nannte

exemplarisch das Güterbahnhofareal, Abrisshäuser und Dachterrassen. Man sollte

sich unbedingt an ihn wenden, da er über vielfältige Beziehungen verfügt, beispiels-

weise zum Liegenschaften- oder Gartenbauamt (Interview vom 24.01.14). Ausser-

dem ist es auch möglich, Grünflächen zwischen Wohnhäusern zu bepflanzen. Dazu

wendet man sich am besten direkt an den Verwalter. Den Ideen sind hier keine

Grenzen gesetzt.

3. Finanzierung

Für das Startkapital gibt es bei der Stadt ein Gefäss, das für Projekte in den Quartie-

ren gedacht ist. Dazu ist die Zusammenarbeit mit Peter Bischof nötig. Er hat als

Quartierarbeiter die notwendigen Beziehungen und kann individuell beraten. Laut

Bischof (Interview vom 24.01.14) ist es wichtig, dass die Stadt solche Quartierprojek-

te zu Beginn fördert, damit die Initiantengruppe nicht viel Geld aufwenden muss, was

gerade für die Motivation ein Hindernis sein könnte.

Die Suche nach allfälligen Sponsoren sollte dennoch nicht vernachlässigt werden. In

den untersuchten Gartenprojekten wurde erwähnt, dass die ständige Suche nach

Geldern anstrengend sein kann. Sogar bei Gemeinschaftsgärten, die von der Stadt

unterstütz wurden, ist die Finanzierung ein Problempunkt.

4. Internetauftritt

Zur Werbung neuer Mitglieder ist eine ansprechende Internetseite oder eine stets

aktuelle Facebook-Gruppe unabdingbar. Als sehr ausführliches Beispiel dient die

Website des Prinzessinnengartens (www.prinzessinnengarten.net). Als einfacher

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Yasmine Zweifel 79

Facebook-Auftritt kann etwa derjenige des Landhofs in Basel als Anregung dienen.

Informationen, die unbedingt irgendwo zu finden sein sollen, sind die Regeln, die

Öffnungszeiten, allfällige Anwesenheitszeiten von Mitgliedern, Gartentreffs und Hin-

weise zu Veranstaltungen.

5. Werbung

Die Stadt könnte auf ihrer Website auf das Projekt verweisen und so gratis Werbung

machen. Vor allem in der Anfangsphase wäre diese Unterstützung toll, damit mög-

lichst viele Leute auf das Projekt aufmerksam werden und allfällige Mitstreiter gefun-

den werden. Eine andere Idee ist, es so zu machen, wie der Landhof: Alle Anwohner

des Gemeinschaftsgartens bekamen einen Setzling geschenkt und wurden gebeten,

diesen am Eröffnungsfest einzupflanzen. So wurden erste Kontakte hergestellt und

die Leute waren motiviert, vorbeizuschauen.

6. Veranstaltungen

Auch bei den Veranstaltungen wie einem Gartenfest, einem Erntedankfest oder ähn-

lichem kann die Stadt mit Werbung und in Form von Vermittlung von Kontakten be-

hilflich sein. Wenn Veranstaltungen organisiert werden, ist es unerlässlich, die Bevöl-

kerung darüber zu informieren. Dies kann über Anzeigen in Zeitungen, Flyer oder

über soziale Medien geschehen.

4.4.1. Ausblick

Das Interesse der Stadt an einem Gemeinschaftsgartenprojekt sollte vorhanden sein.

Wie in Absatz 2.4 aufgeführt, bieten sich zahlreiche Vorteile, wenn ein Gemein-

schaftsgarten in der Stadt vorhanden ist. Als Nutzen im ökologischen Bereich sei hier

exemplarisch die bessere Regenwasserversickerung genannt. Diese positive Haltung

wurde durch die geführten Interviews bestätigt. Es waren alle Interviewten aufge-

schlossen und interessiert dem Thema gegenüber.

Spezifisch für die Stadt St.Gallen ist aber vor allem der soziale Nutzen von Gemein-

schaftsgärten hervorzuheben. Denn die Bevölkerung der Stadt wird in den nächsten

zwanzig Jahren vermutlich auf etwa 90‘000 Einwohner ansteigen, was der Richtplan

von St.Gallen vorsieht (www.stadt.sg.ch). Dadurch muss nach Massnahmen gesucht

werden, um den Platz effizienter zu nutzen. Bischof sieht die Möglichkeit, dass kurz-

fristige urbane Gartenprojekte, die Familiengärten ablösen könnten. Denn es ist in

der heutigen Gesellschaft immer gefragter, sich nur vorübergehend zu verpflichten

(Interview vom 24.01.14). Ausserdem können Brachen und ungenutzte Dachflächen

optimal genutzt werden und die Stadt mit mehr Grün versorgen.

Es ist nur eine Frage der Zeit, wann der Druck auf die dichteren Quartiere gross ge-

nug sein wird, dass die ersten Menschen sich nach Natur sehnen, die sie sich durch

einen Gemeinschaftsgarten holen können.

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5. Diskussion und Schlussfolgerungen

5.1. Zusammenfassung der Ergebnisse

Die Ausbreitung des Trends Urban Gardening erfolgte von den USA und Kanada,

später auch von Kuba aus auf die europäischen Grossstädte. Aus den Betrachtun-

gen anderer Länder lässt sich schliessen, dass Urban Gardening in der Schweiz

noch an Bedeutung gewinnen wird. Sowohl in den Massenmedien wie auch in Fach-

zeitschriften steigt die Anzahl an Berichten zum Thema immer noch an. Es werden

immer noch neue Gartenprojekte lanciert. Deshalb ist anzunehmen, dass sich das

Interesse nach einer kleinen Abschwächung, wenn die Medien nicht mehr so häufig

darüber berichten, auf einem stabilen Niveau festigen wird.

Die Verschiedenartigkeit der Garteninitiativen erschwert Verallgemeinerungen. Den-

noch sind überall ähnliche Auswirkungen feststellbar. In allen drei Bereichen der

Nachhaltigkeit kann durch Urban Gardening etwas erreicht werden. Einerseits im

ökologischen Sinne durch die Regulation des Stadtklimas mit grösseren Grünflächen,

durch eine gesteigerte Biodiversität oder durch die Verkürzung von Transportwegen.

Andererseits im ökonomischen Bereich wird Menschen der Zugang zu gesundem

und biologischem Gemüse ermöglicht, das sie im Supermarkt nicht vermögen wür-

den. Zudem wird durch die Bepflanzung von Brachen oder anderen ungenutzten Flä-

chen wie Dächern die Ausnutzung gesteigert, ohne dass die Stadt zusätzliche Inves-

titionen zu tätigen hat. Der Hauptaspekt ist aber der soziale Nutzen. Es entstehen

Kontakte mit der Nachbarschaft, ein Austausch über gleiche Interessen kann stattfin-

den, Generationen und Kulturen kommen einander näher, es entstehen Lernorte und

eine Identifikation mit dem Quartier kann ermöglicht werden.

Bei den Auswirkungen von Urban Gardening fanden sich nicht nur positive Aspekte.

Doch die negativen lassen sich durch gezielte Massnahmen abwenden. Meist ist ei-

ne Information der Gärtnerinnen und Gärtner die beste Lösung. Zum Beispiel um den

Wasserverbrauch zu senken, kann Regenwasser gesammelt werden. Die Angst vor

verschmutztem Gemüse aus einem Stadtgarten ist meist unbegründet, wenn einige

Regeln beachtet werden. Schon Massnahmen wie eine Hecke als Abschirmung zur

Strasse oder eine Pflanzung in Hochbeeten genügen, um die Gesundheit nicht zu

gefährden.

Die Motive der Urban Gardeners lassen sich grob in drei Kategorien einteilen: Gar-

ten, Gemeinschaft und Veränderung der Lebenswelt. Meist ist jedoch eine Mischung

von verschiedenen Motiven feststellbar. So ist bei fast allen ein Grundinteresse an

gärtnerischen Themen feststellbar. Aber auch der Austausch mit Mitmenschen und

die Partizipation an der Lebensraumgestaltung sind vielfach genannte Motive.

Bei den vier untersuchten Gemeinschaftsgärten war die Erkenntnis, dass eine sehr

interessierte Startgruppe die Initiative ergreifen muss und ein geeignetes Stück Land

zu Verfügung stehen sollte. Daneben sind die Finanzierung, ein Internetauftritt, der

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Umgang mit den Medien und laufend neue Veranstaltungen im Garten weitere Er-

folgsfaktoren. Auch Grün Stadt Zürich bestätigte diese Erkenntnis.

Im letzten Teil der Arbeit war ersichtlich, dass es in St.Gallen erst wenige Projekte

gibt und ein Gemeinschaftsgarten, wie er in dieser Arbeit definiert wurde, noch nicht

vorhanden ist. Doch das Interesse ist sowohl bei der Stadt als auch bei der Bevölke-

rung vorhanden. Das konnte mit dem Testprojekt und den Interviews festgestellt

werden.

5.2. Diskussion der Ergebnisse

Wie aus Urban Gardening ein solch präsenter Trend geworden ist, lässt sich mit der

Verbreitung des Themas in den Medien und der Diffusionstheorie (siehe Kapitel 2.1)

erklären. Bestätigt wird das durch die Aussagen aus den Interviews, wo oftmals die

gesagt wurde, dass man durch die Medien und durch Besuche fremder Städte mit

bereits etablierten Projekten auf die neue Bewegung aufmerksam wurde. Es scheint,

also ob das Bedürfnis dem aktuellen Zeitgeist entsprechen würde.

Der Aufbau der untersuchten Gärten entspricht in den meisten Punkten den Litera-

turvorschlägen. Obwohl sich die vier Gartenprojekte deutlich voneinander unter-

scheiden, gibt es viele Gemeinsamkeiten, die für den Erfolg verantwortlich zu sein

scheinen. Daraus liessen sich sechs Kriterien finden, wie ein Gemeinschaftsgarten

aufgebaut werden sollte. Entscheidend ist, dass die Bewegung aus einem Wunsch

der Bevölkerung entsteht. Eine gute Planung und Regelung einiger zentraler Punkte

ist ebenfalls entscheidend. Wenn das Projekt angelaufen ist, müssen regelmässig

Anpassungen, Neuerungen und Diskussionen stattfinden, damit sich der Garten ent-

wickeln kann und die Anfangsmotivation nicht verpufft.

Dass Urban Gardening noch nicht in St.Gallen angekommen ist, kann verschiedene

Ursachen haben. Wegen der Diffusionstheorie lässt sich die These formulieren, dass

es noch ein paar Jahre dauern wird, bis der Trend aus den Schweizer Grossstädten

nach St.Gallen kommt. Eine andere These ist, dass der Leidensdruck fehlt. St.Gallen

ist keine Grossstadt. Man ist in zehn Minuten in der grünen Natur und die Stadt

selbst besitzt viele Grünflächen. Durch die 17 Familiengartenareale können Men-

schen, die gerne in der Stadt gärtnern möchten, nahe beim Wohnort eine Parzelle

pachten. Es bestehen keine jahrelangen Wartelisten wie in einigen deutschen

Grossstädten, beispielsweise Berlin (Bezirksverband der Kleingärtner e. V.

Tempelhof, o.J.). Doch durch den Druck auf die Areale der Familiengärten ist es

möglich, dass in den nächsten Jahren Gemeinschaftsgärten die Familiengärten ablö-

sen könnten.

Eine nachhaltigere Stadtentwicklung kann mit Urban Gardening erreicht werden. Als

Vorbild steht beispielsweise die englische Stadt Todmorden. Ziel ist dort, die ganze

Stadt in eine Essbare Stadt (siehe Kapitel 2.3.8) zu verwandeln. Es konnte bereits

erreicht werden, dass alle Schulen der Stadt mit dem Projekt zusammenarbeiten

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(www.incredible-edible-todmorden.co.uk). Nachhaltigkeit beruht auf den drei Säulen

Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft. Es folgt eine Skizze, wie solch eine nachhaltige

Gesellschaft aussehen könnte, wenn Urban Gardening mit einbezogen würde:

Wirtschaftlich: Durch das selbst angebaute Gemüse können auch ärmere Familien

an biologische Nahrungsmittel kommen. Urban Farming würde im wirtschaftlichen

Bereich eine Rolle spielen. Denn es gibt zahlreiche Möglichkeiten für Arbeitsplätze

und neue Geschäftsideen in diesem Bereich. Beispielhaft dafür ist Detroit (siehe Ka-

pitel 2.2.4), wo aufgrund der vielen entstandenen Brachen nach neuen Geschäfts-

ideen gesucht wird. Aber aber auch das Unternehmen Urban Farming in Basel (siehe

Kapitel 2.6.1) hat Zukunft.

Ein wichtiger Punkt, wie Urban Gardening die Stadt verändern kann, ist durch das

Gefühl der Beteiligung. Die Menschen aus Gartenprojekten beginnen wieder selbst

Teil des Produktionsablaufs zu werden und hinterfragen dadurch ihren eigenen Kon-

sum. Das kann einen Einfluss auf weitere Lebensbereiche haben: Meist beteiligen

sie sich dann auch vermehrt politisch und wollen aktiv etwas verändern.

Durch das Gärtnern kann eine Veränderung im Konsumverhalten erzielt werden. Den

Menschen wird Saisonalität und Regionalität wichtiger. Das kann dazu führen, dass

sie die regionalen Bauern und lokale Unternehmen vermehrt unterstützen (Gehrke,

2012b).

Ökologisch: Immer grösser wird der Wunsch nach einer umweltverträglichen Gesell-

schaft. Als Massstab für die Umweltverträglichkeit dient der ökologische Fussab-

druck15. Die Schweiz verbraucht laut Bundesamt für Statistik vier Mal so viele Res-

sourcen, wie als Biokapazität vorhanden wären (Bundesamt für Statistik, 2014).

Urban Gardening kann durch die Verwertung von organischem Material zur Humus-

bildung beitragen und somit die verbrauchten Böden wieder nutzbar machen. Gleich-

zeitig wird auch der Abfall der Gesellschaft reduziert. Durch die unversiegelten Bö-

den kann Regenwasser versickern, ohne in das Abwassersystem zu gelangen. Un-

genutzte Flächen wie Dächer oder Brachen werden genutzt. Ausserdem fallen

Transportwege weg, wenn die Menschen nicht aufs Land fahren müssen, um im

Grünen zu sein, und die Lebensmittel wohnortnah produziert werden. Die Landwirt-

schaft in der Stadt vergrössert das Kulturland eines Landes. Diese Vorteile tragen

alle dazu bei, den ökologischen Fussabdruck einer Stadt zu verkleinern.

Als Vancouver sich das Ziel setzte, bis 2020 zur grünsten Stadt zu werden, wurde die

Bedingung festgelegt, den ökologischen Fussabdruck um 33 Prozent zu reduzieren.

Dies soll unter anderem durch Urban Agriculture erreicht werden. Die Stadt befindet

sich im Sommer 2014 auf Kurs (City of Vancouver, 2012).

Es braucht sehr viele Urban Gardening Projekte in einer Stadt, um einen merklichen

15

„Der ökologische Fussabdruck misst den Verbrauch natürlicher Ressourcen und drückt in globalen Hektaren die Fläche aus, die für die Produktion dieser Ressourcen notwendig wäre“ (www.bfs.admin.ch)

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Beitrag zur Verkleinerung des ökologischen Fussabdrucks zu leisten. Deshalb ist ein

anderer Punkt entscheidend. Die Leute, die mit Urban Gardening in Kontakt kom-

men, werden sensibilisiert für die Problematik des heutigen Lebensmittelsystems und

der Landwirtschaft (siehe Anhang F). Es entsteht ein neues Bewusstsein für den

Umgang mit der Natur und den Lebensmitteln.

Sozial: Gemeinschaftsgartenprojekte in einer Stadt fördern den sozialen Austausch

und die Zufriedenheit der Bevölkerung. Bei all den besuchten Projekten steht die

Gemeinschaftlichkeit im Zentrum.

Wichtig ist aber, dass bereits bei den jüngsten Generationen versucht wird, Nachhal-

tigkeit im Denken zu verankern. In den Schulen könnte mit Schulgärten bereits den

Kindern und Jugendlichen das Wissen über die Herkunft unserer Nahrung vermittelt

werden. Die Saisonalität würde wieder in den Köpfen verankert werden. Ein Schul-

garten oder ein Beet von einer Schulklasse in einem Gemeinschaftsgarten betrieben

trägt viel zur Bildung nachhaltiger Entwicklung (BNE) bei. Es werden diverse Kompe-

tenzen gefördert. Wenn die Lehrperson sich bewusst ist, welche Kompetenzen er-

worben werden sollen, kann ein breites Band abgedeckt werden. Als Beispiel sei hier

das vorausschauende Handeln genannt, das bei einer Gartenplanung wichtig ist.

Weitere Informationen finden sich im Netz16.

Im Allmende-Kontor in Berlin-Tempelhof beackert eine Schule gemeinsam ein etwas

grösseres Beet. Dadurch kommt zusätzlich zu den Vorteilen eines Schulgartens noch

der Austausch zwischen der Bevölkerung und der Schule hinzu.

Abbildung 36: Schulbeet im Allmende-Kontor

Quelle: Eigene Aufnahme

16

Vgl.: www.eugolearning.org/de/topics/education-sustainable-development www.education21.ch/de/education21/portrait www.wesentlich-gmbh.de/bildung-fur-nachhaltige-entwicklung-bne-im-schulgarten/ (18.08.14)

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Nicht zu vernachlässigen ist ausserdem der gesundheitliche Vorteil von Gartenarbeit.

Sowohl die physische als auch die psychische Gesundheit können gefördert werden.

Die Forschungsgruppe Grün und Gesundheit an der ZHAW fördert die Grüne Thera-

pie, genannt Green Care, mit verschiedenen Projekten. Aktuell untersuchen sie, wie

nachhaltig Urban Farming im Bezug auf den gesellschaftlichen Aspekt ist

(www.lsfm.zhaw.ch). Nicht nur bei Heimen und Kliniken sind Gärten eine gute Idee,

auch Arbeitsgeber können ihre Belegschaft durch einen Garten gesund und ausge-

glichen halten. Ein neuer Trend in den USA sind die sogenannten Company Gar-

dens. Die Firmengärten werden von Unternehmen für ihre Mitarbeiterinnen und Mit-

arbeiter angelegt, damit diese sich dort gärtnerisch betätigen können. Gründe sind

einen besseren Zusammenhalt unter den Arbeitnehmern zu fördern, ein attraktiver

Arbeitsplatz bieten zu wollen oder nur einem Trend zu folgen (Rasper, 2012c).

Städte sind in vielerlei Hinsicht sehr effizient, ausser in den Bereichen Rohstoffen

und Energie. Es ist folglich sinnvoller, die Menschen in den Städten zu behalten, als

dass alle aufs Land ziehen wollen. Wenn es also gelingt, die Städte auch im Bereich

Rohstoffe und Energie noch effizienter zu machen, wäre das ein grosser Schritt hin

zu einer nachhaltigeren Gesellschaft.

5.3. Kritische Reflexion

Das Thema Urban Gardening in St.Gallen wurde anhand von drei Fragestellungen

erarbeitet. Die Fragen sind aufeinander aufbauend und leiten vom Allgemeinen zum

Konkreten. Dadurch entsteht eine innere Logik. Die gewählten Methoden dieser Ar-

beit sind vielfältig: Literaturrecherche, Interviews und ein Testprojekt.

Der Nutzen dieser Masterarbeit liegt darin, dass es bisher noch fast keine Literatur zu

Urban Gardening in St.Gallen gab. Wenn jemand einen Gemeinschaftsgarten in die-

ser oder einer ähnlichen Stadt aufbauen will, existiert mit den sechs Kriterien eine

Anleitung, wie vorgegangen werden könnte. Es haben sich während dem Schreiben

immer wieder neue Türen geöffnet, da die Bewegung momentan einen Aufschwung

erlebt. Zusätzlich zur Beantwortung der drei Fragestellungen war noch Zeit für ein

Testprojekt, das zu Beginn nicht eingeplant gewesen ist. Dies ermöglichte eine noch

bessere Sondierung der Einstellung zu Urban Gardening in St.Gallen.

Die vorliegende Arbeit versucht ausserdem eine Ordnung in das Durcheinander von

Begriffen zu bringen. In der Literatur findet sich keine einheitliche Verwendung und

Definition der Begriffe Urban Gardening, Urban Farming und Urban Agriculture. Auch

die Form des Gemeinschaftsgartens wird nicht immer eindeutig abgegrenzt von den

Schrebergärten.

Das Thema ist aber lange noch nicht abschliessend behandelt. Offen bleibt die Fra-

ge, wie sich der Trend Urban Gardening in Zukunft entwickeln wird. Dazu wurden

verschiedene Hinweise gefunden, es kann dennoch nicht eindeutig geklärt werden.

Eine andere offene Frage ist die nach der Nachfolgeschaft in Gemeinschaftsgärten.

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Was geschieht, wenn sich niemand mehr engagieren will? Wie werden neue Mitglie-

der gefunden? Es ist bekannt, dass es in der heutigen Zeit schwieriger geworden ist,

Leute zu finden, die sich ehrenamtlich engagieren wollen. Dieses Problem könnte

weiter verfolgt und nach Gegenmassnahmen gesucht werden sollen.

Es bieten sich noch einige Bereiche an, in denen nun weiter geforscht werden kann.

Im ersten Teil wurde Australien nicht betrachtet. Es ist wahrscheinlich, dass sich dort

noch sehr viel mehr Erfahrungen und Informationen finden lassen würden. Eine Mög-

lichkeit ist, Australien zu analysieren, da es dort ebenfalls viele Community Gardens

und ähnliche Projekte gibt. So könnte eine breitere Abdeckung und eventuell noch

mehr Erkenntnis erlangt werden, die auch wieder auf die Schweiz oder auf St Gallen

übertragen werden könnte. Auch Asien, beispielsweise Japan oder China, wäre

spannend. Diese Regionen wurden in dieser Arbeit bewusst weggelassen, weil sich

die asiatischen Kulturen deutlicher von der Schweizer Kultur unterscheiden.

Zu der zweiten Fragestellung wäre es eine Möglichkeit, nach gescheiterten Gemein-

schaftsgartenprojekten zu suchen und dort Interviews zu führen. Dann würdenallfälli-

gen Problembereiche noch offensichtlicher und es könnte zusätzlich zu meinem Leit-

faden mit den sechs Kriterien noch eine Vermeidungsliste erstellt werden, wie Fehler

vermieden werden könnten. Es wäre sicherlich möglich, gescheiterte Projekte aus-

findig zu machen. Beispielsweise der Garten Rosa Rose in Berlin sah bei einem Be-

such diesen Sommer etwas vernachlässigt aus.

Da in der Schweiz und auch im nahen Ausland die Bewegung noch neu ist, kann

man auch nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass die vier untersuchten Projekte

längere Zeit überleben werden. Obwohl es dafür natürlich einige Hinweise gibt, wie

die gut durchdachte Organisation oder der konstante Medienkontakt. Somit wäre es

spannend, die Gärten in etwa zwei Jahren nochmals zu besuchen und zu sehen,

was daraus geworden ist. Die Analyse der vier Gemeinschaftsgärten erhebt nicht den

Anspruch, repräsentativ zu sein. Dazu sind die einzelnen Projekte zu individuell und

es bräuchte eine grössere Stichprobe.

Zu der letzten Frage, der Übertragung auf die Stadt St.Gallen, wäre es spannend,

konkrete Plätze aufzusuchen und diese unter dem Aspekt eines zukünftigen Ge-

meinschaftsgartens zu betrachten. Das hätte für ein allfälliges Projekt den Vorteil,

dass die Suche nach einem geeigneten Ort leichter würde.

Es fehlt in der Schweiz eine webbasierte Vernetzung der Gärten, die interaktiv ges-

taltet werden kann. In einer zukünftigen Arbeit könnte eine Version der Website In-

terkulturelle Gärten Schweiz aufgebaut werden, die gemeinsam von den Gärtnern-

den gestaltet wird. Vielleicht könnte als Basis die bereits bestehende Plattform von

Interkulturelle Gärten Schweiz genutzt werden (www.interkulturelle-gaerten.ch).

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5.4. Schlussfolgerungen

Gärten in den Städten hat es immer gegeben und wird es ziemlich sicher auch noch

lange geben. Ein Wandel im Denken ist spürbar und zeigt sich unter anderem in den

vielen neuen Projekten. Es beginnen überall neue Garteninitiativen zu wachsen, wie

in einem fruchtbaren Beet. Urban Gardening ist definitiv ein Trend, auch in der

Schweiz. Es ist jedoch nicht nur einfach, solche Projekte aufzubauen. Mit einer ge-

schickten Planung können dennoch mit ziemlicher Sicherheit erfolg- und lehrreiche

Projekte aufgebaut werden. Diese enthalten ein grosses Potenzial, die Städte nach-

haltiger zu machen, und das nicht nur in den trendigen Grossstädten sondern lang-

sam aber sicher auch in kleineren Städten wie St.Gallen.

Schrebergärten als Teil von Urban Agriculture haben viele Gemeinsamkeiten mit Ur-

ban Gardening Projekten und somit auch die positiven Eigenschaften, die in Kapitel

2.4 aufgeführt sind. Dennoch fehlen ihnen meines Erachtens die entscheidenden

Eigenschaften, die in Zukunft immer gefragter sein werden: projektartig, kreativ, ver-

netzt, urban. Das Gemeinschaftliche wird zu sehr vernachlässigt, indem jede und

jeder in der eigenen Parzelle gärtnert. Genau in diesen Bereichen kann ein Gemein-

schaftsgarten punkten. Ein solches Projekt kann kurzfristig und somit flexibel aufge-

baut werden. Langjährige Verpflichtungen entfallen. Gemeinsam wird eine Fläche

gestaltet, bei der Kreativität gefragt ist. Durch das Vernetzen mit anderen bestehen-

den Gärten gibt es einen Austausch, von dem alle profitieren können. Es entsteht

das Gefühl, dass man aktiv etwas verändern kann durch das Mitgestalten. In

St.Gallen ist sowohl auf Seiten der Stadt als auch auf Seiten der Bevölkerung das

Interesse vorhanden. Es braucht nur noch eine Startgruppe, die die Kugel ins Rollen

bringt.

Schulgärten, wie sie bis in die Vierzigerjahre des letzten Jahrhunderts häufiger an

Schulen anzutreffen waren, funktionieren meist ähnlich wie Gemeinschaftsgärten.

Die Beete werden gemeinschaftlich bewirtschaftet und die Schülerinnen und Schüler

lernen im Bereich Sach-, Selbst- und Sozialkompetenz dazu. Wenn überhaupt, wird

heutzutage vor allem auf der Primarstufe gegärtnert. Seit Umweltbewusstsein und

der Begriff der Nachhaltigkeit vor rund 30 Jahren populär wurden, gibt es wieder

mehr Gärten bei Schulen. Waldorf-Schulen haben den Unterricht im Schulgarten

häufig im Stundenplan eingeplant (www.schulgarten.ch).

Gemeinschaftsgärten sind auch nach der Schule noch Orte, an denen lebenslang

gelernt werden kann, voneinander oder durch Versuch und Irrtum. Madlener (2009)

führte den Ausdruck Grüne Lernorte ein. Gartengemeinschaften sind im Gegensatz

zu Schulklassen weniger künstlich, da eine grössere Vielfalt von Menschen aufei-

nandertrifft. Ein kultureller und intergenerativer Austausch entsteht.

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Durch das eigene Gärtnern und die Verwendung von selbst gezogenem Saatgut

kann der Industrialisierung der Landwirtschaft etwas entgegengesetzt werden. Es

gibt Menschen, die sich hilflos fühlen gegenüber den grossen Konzernen, die Mög-

lichkeit, selbstbestimmt und dadurch zufriedener zu leben. Initiativen wie ProSpecie-

Rara sollten in Gemeinschaftsgärten unbedingt einen Platz bekommen. Denn nur

durch an einen Standort angepasstes Saatgut kann die Abhängigkeit von Spritz- und

Düngemittel umgangen werden. Permakultur wird in vielen Urban Gardening Projek-

ten angewendet und eignet sich hervorragend, wenn man interessiert ist an einer

Gestaltung von dauerhaften und nachhaltigen Kreisläufen.

Die Urban Gardening Bewegung zu fördern, hat viele Auswirkungen. Nicht nur im

gärtnerischen Bereich, sondern auch im Konsumverhalten oder in der Beteiligung an

politischen Themen. Ein Gemeinschaftsgarten kann Menschen als Einstieg in einen

nachhaltigeren Lebensstil dienen. Auf der Hand liegt natürlich, dass nun ein Gemein-

schaftsgarten in St.Gallen gegründet werden könnte. Als Grundlage kann die vorlie-

gende Arbeit dienen. Es soll hier aber auch erwähnt werden, dass von Seiten der

Stadtplanung etwas unternommen werden kann. Brachflächen können der Bevölke-

rung zu Verfügung gestellt werden und Grünflächen vor Überbauungen geschützt

werden. Fehlendes Budget darf kein Hindernis sein, da es nicht viel braucht, um ei-

nen Garten aufzubauen, solange die Motivation vorhanden ist.

Diese Arbeit soll nun genutzt werden, verschiedenste eigene Projekte zu starten und

sich zu engagieren, damit die Welt ein bisschen nachhaltiger wird. Dabei darf man

nicht vergessen, dass sich ein solches Engagement in jeder Hinsicht auszahlen wird.

Denn wie ein englisches Sprichwort besagt:

Im Garten wächst mehr, als man gesät hat.

Im Gemeinschaftsgarten wird nicht nur Gemüse und Obst angebaut, sonder es wer-

den unter anderem Beziehungen aufgebaut, Neues gelernt und Zeichen gesetzt.

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6.2. Internetportale

www.allmende-kontor.de

www.anstiftung-ertomis.de

www.aquaponics-blog.com

www.are.admin.ch

www.bfs.admin.ch

www.bienenkiste.de

www.brachland.ch

www.capitalgrowth.org

www.cityfarmer.info

www.cityfarmer.org

www.commmunitygardening.blogspot.ch

www.demeter.ch

www.demeter.de

www.duden.de

www.education21.ch

www.eea.europa

www.eine-andere-welt-ist-pflanzbar.de

www.empowerment.de

www.epa.gov/heatisland/index.htm

www.eugolearning.org

www.extension.oregonstate.edu/

www.ecolife.com/

www.facebook.com

www.familiengaertner.ch

www.familiengaertner-sg.ch

www.farmgarden.org.uk

www.foodshare.net

www.gardenmaps.org

www.gardenorganic.org.uk

www.gartenpiraten.net

www.google.ch/trends

www.guerrillagardening.org

www.incredible-edible-todmorden.co.uk

www.interkulturelle-gaerten.ch

www.kleingarten-bund.de

www.lsfm.zhaw.ch

www.ortoloco.ch

www.oxforddictionaries.com

www.prinzessinnengarten.net

www.rosarose-garten.net

www.ruaf.org

www.sativa-rheinau.ch

www.schulgarten.ch

www.slowfood.ch

www.slowfoodyouth.ch

www.stadionbrache.ch

www.stadiongarten.ch

www.stadt.sg.ch

www.stadtacker.net

www.stadtladen.ch

www.urbanacker.net

www.urbanagriculturebasel.ch

www.urbanfarmers.com

www.vegandthecity.ch

www.wesentlich-gmbh.de

www.20min.ch

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Yasmine Zweifel 97

6.3. Interviewpartnerinnen und -partner

Kapitel 3

Ivelina Grozeva, Vorstandsmitglied bei SeedCity, 09.10.13

Dominique Oser, Projektleiterin und Initiantin des Landhofs, 09.10.13

Martin Rasper, 1. Vorsitzender beim Verein o’pflanzt is!, 24.11.13

Benedikt Pestalozzi, Organisationsmitglied beim Stadiongarten, 19.12.13

Regina Hofstetter, Grün Stadt Zürich, 04.03.2014

Kapitel 4

Peter Bischof, Quartierentwickler St.Gallen, 24.01.14

Christoph Bücheler, Leiter Gartenbauamt, 27.01.14

Robert Kull, Leiter Fachstelle Natur und Landschaft der Stadt St.Gallen, 25.02.14

Ueli Strauss, Leiter Amt für Raumentwicklung und Geoinformation, 03.02.14

Franziska Ryser, Junge Grüne, 14.04.2014

Basil Oberholzer, Junge Grüne, 27.03.2014

Daniel Rüttimann, Präsident glp St.Gallen, 27.02.2014

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7. Abbildungsverzeichnis

ABBILDUNG 1: TITELBILD 1

ABBILDUNG 2: BEGRIFFSHIERARCHIE 12

ABBILDUNG 3: HYPE-ZYKLUS NACH GARTNER INC. 14

ABBILDUNG 4: IN KAPITEL 2 ERLÄUTERTE STÄDTE UND LÄNDER 15

ABBILDUNG 5: GEMEINSCHAFTSGÄRTEN IN NEW YORK 18

ABBILDUNG 6: DAS MODELL DER GARTENSTADT VON EBENEZER HOWARD 22

ABBILDUNG 7: GARTENCAFÉ PRINZESINNENGARTEN UND ORIGINELLE PFLANZBEHÄLTER 25

ABBILDUNG 8: HOCHBEET AUF DEM TEMPELHOFER FELD 25

ABBILDUNG 9: GEMEINSCHAFTSGARTEN ALLMENDE-KONTOR 26

ABBILDUNG 10: AQUAPONIC-SYSTEM 41

ABBILDUNG 11: FRAU GEROLDS GARTEN IN ZÜRICH 42

ABBILDUNG 12:DIE ENTWICKLUNG DES SUCHINTERESSES BEIM BEGRIFF URBAN GARDENING 44

ABBILDUNG 13: JE DUNKLER, DESTO HÄUFIGER WURDE DER BEGRIFF GESUCHT. 44

ABBILDUNG 14: ANGEPASSTER HYPE-ZYKLUS 47

ABBILDUNG 15: EIGENE FORSCHUNGSMETHODE 51

ABBILDUNG 16: HOCHBEET AUS ALTHOLZ UND TOMATENUNTERSTAND 53

ABBILDUNG 17: FOLIENTUNNEL FÜR EMPFINDLICHE PFLANZEN 55

ABBILDUNG 18: BLICK ÜBER DEN KOMPOST IN RICHTUNG ETH 55

ABBILDUNG 19: PILZZUCHT IN SEEDCITY 56

ABBILDUNG 20: FEDERKOHL, EIN ALTES GEMÜSE 56

ABBILDUNG 21: ALTERNATIVES PFLANZGEFÄSS 57

ABBILDUNG 22: ORT DER GEMEINSCHAFT 57

ABBILDUNG 23: BLICK ÜBER DEN GARTEN 58

ABBILDUNG 24: KRÄUTERSPIRALE 58

ABBILDUNG 25: BROTOFEN UND INFOTAFEL 59

ABBILDUNG 26: BEETE IN SBB-PALETTEN 59

ABBILDUNG 27: KATEGORIEN 61

ABBILDUNG 28: BEETE DES KINDERLOKALS TIRUMPEL 70

ABBILDUNG 29: KLOSTERGARTEN IN ST. GEOGEN 71

ABBILDUNG 30: ALTERSVERTEILUNG IN DEN SCHREBERGÄRTEN VON ST.GALLEN 72

ABBILDUNG 31: ORT DES PROJEKTS, KATHARINENGASSE 12 73

ABBILDUNG 32: AUFBAUEN DER PFLANZGEFÄSSE 74

ABBILDUNG 33: AUSSCHNITT DER FACEBOOK-SEITE 75

ABBILDUNG 34: ZWISCHENSTAND DES PROJEKTES IM MAI 76

ABBILDUNG 35: BEPFLANZUNG AM ENDE DES PROJEKTS IM JUNI 2014 77

ABBILDUNG 36: SCHULBEET IM ALLMENDE-KONTOR 83

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Yasmine Zweifel 99

8. Tabellenverzeichnis

TABELLE 1: VERSCHIEDENE ZUGANGSTYPEN NACH MADLENER (2009) 38

TABELLE 2: AUSWAHL VON GEMEINSCHAFTSGÄRTEN 49

TABELLE 3: KATEGORIEN 105

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Anhang

A. Alle Interviewleitfäden

B. Food Share: 10 Steps to Starting a Community Garden

C. Tabelle mit den Kategorien

D. Informationszettel zum Testprojekt

E. Fragebogen

F. Die Landwirtschaft

G. Artikel im St. Galler Tagblatt (05.08.2014)

H. Eidesstattliche Erklärung

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A. Alle Interviewleitfäden

Interviewleitfaden Projektleitungen in den vier Gemeinschaftsgärten

1. Beschreibe bitte kurz den Gemeinschaftsgarten und deine Aufgaben.

2. Was bedeutet für dich urbanes Gärtnern?

3. Siehst du darin einen kurz- oder langfristigen Trend?

4. Was sind die Voraussetzungen, damit ein solches Projekt längerfristig beste-

hen kann?

5. Wie sieht es mit diesen Voraussetzungen beim Projekt XY aus?

6. Welches sind die Erfolgsfaktoren dieses Gartens?

7. Können diese auf eine andere Stadt so übertragen werden?

8. Wenn nicht, was muss beachtet werden?

9. Was braucht es über längere Zeit, damit der Garten sich entwickeln kann?

10. Worin siehst du Schwierigkeiten?

11. Wer kommt hierher zum Gärtnern?

12. Wie gelingt es, die Leute zum Mitmachen zu motivieren?

13. Was sind die Motivationen der verschiedenen Personen?

14. Wie gewinnt man die Leute für dieses Projekt?

15. Wie ist die Organisation dieses Gartens aufgebaut?

16. Wie finanziert sich das Projekt?

17. Gibt es Literatur, die beim Projektaufbau geholfen hat oder noch immer unter-

stützt?

Interviewleitfaden Ueli Strauss-Gallmann (Leiter AREG), Peter Bischof (Quar-

tierentwickler), Christoph Bücheler (Leiter Gartenbauamt) und Robert Kull (Lei-

ter Fachstelle Natur und Landschaft)

1. Wo und wann haben Sie bereits mit Urban Gardening Kontakt gehabt?

2. Wo sehen Sie einen Nutzen von Urban Gardening?

3. Ist ein Projekt in der Stadt St.Gallen denkbar?

4. Welchen Ort könnten Sie sich dazu vorstellen?

5. Wie sähe für Sie idealerweise die Organisation aus?

6. Wo liegen Ihrer Meinung nach allfällige Probleme?

7. Wie kann diesen Problemen begegnet werden?

8. Werden Sie Urban Gardening fördern?

9. Wie sehen konkrete Fördermassnahmen aus?

10. Was muss bei der Stadt St.Gallen speziell beachtet werden? Worin unter-

scheidet es sich von anderen Städten?

11. Wie können St. Gallerinnen und St. Galler motiviert werden, ein UG Projekt zu

starten?

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12. Welchen Stellenwert geben Sie UG heute? Wie wird es sich in Zukunft entwi-

ckeln?

13. Wie könnte Urban Gardening zur Versorgung der städtischen Bevölkerung

beitragen?

14. Wie ist Ihre Sichtweise des momentanen Ernährungssystems weltweit?

15. Was muss oder soll sich ändern?

Leitfaden R. Hofstetter (Grün Stadt Zürich)

1. Beschreiben Sie bitte kurz Ihre Aufgaben bei Grün Stadt Zürich.

2. Was bedeutet Urban Gardening (UG) für Sie?

3. Wie sind Sie auf diese Bewegung aufmerksam geworden?

4. Welche Erfahrungen machen Sie mit Projekten von UG?

4.1. Wo liegen Schwierigkeiten?

4.2. Was waren positive Erlebnisse?

4.3. Wovon waren Sie überrascht?

4.4. Wie sind die Reaktionen der Bevölkerung?

5. Wie begegnen Sie den Schwierigkeiten und Problemen?

5.1. Welche Kritik gibt es an UG?

5.2.Wie stehen Sie zu dieser Kritik?

6. Welchen Nutzen sehen Sie in UG? Und für wen?

7. Welche Empfehlungen können Sie jemandem geben, der ein neues Urban Garde-ning Projekt starten möchte?

7.1. Welche Orte eignen sich und wie findet man diese?

7.2. Wie finanziert man solche Projekte?

7.3.Wie sieht die Organisation eines Projektes idealerweise aus?

7.4. Wie werden die Bürgerinnen und Bürger motiviert, sich einem Projekt an-zuschliessen oder selbst etwas zu initiieren?

8. Welchen Stellenwert geben Sie UG heute?

8.1. Wie wird es sich in Zukunft entwickeln?

9. Wie könnte Urban Gardening zur Versorgung der städtischen Bevölkerung beitra-gen?

10. Wie ist Ihre Sichtweise des momentanen Ernährungssystems weltweit?

11. Was muss oder soll sich ändern?

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Interviewleitfaden Franziska Ryser (Junge Grüne), Basil Obrholzer (Junge Grü-

ne St.Gallen) und Daniel Rüttimann (Präsident Grünliberale St.Gallen)

1. Was bedeutet für Sie Urban Gardening?

2. Wo sind Sie zum ersten Mal mit UG in Kontakt gekommen?

3. Wie wichtig wäre es, in St.Gallen ein neues Projekt zu Urban Gardening zu ha-

ben?

a) Wo liegt Ihr Interesse an einem solchen Projekt?

b) Was wäre der allgemeine Nutzen?

c) Gibt es auch mögliche Gefahren von UG

4. Wäre es denkbar, mit Ihnen zusammenzuarbeiten? Würden Sie ein Projekt unter-

stützen?

5. Wenn ja, wie könnte diese Zusammenarbeit konkret aussehen?

6. Welchen Stellenwert geben Sie UG heute? Wie wird es sich in Zukunft entwi-

ckeln?

7. Wie könnte Urban Gardening zur Versorgung der städtischen Bevölkerung beitra-

gen?

8. Wie ist Ihre Sichtweise des momentanen Ernährungssystems weltweit?

9. Was muss oder soll sich ändern?

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B. 10 Steps to Starting a Community Garden

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C. Tabelle mit den Kategorien

Tabelle 3: Kategorien

Voraussetzungen Erfolgsfaktoren Probleme

SeedCity Land, Akzeptanz, Motiva-

tion, Engagement

Keine Verpflichtung, Bunte

Community, ehrenamtliche

Arbeiter, Fläche

Wechsel von Mit-

gliedern, Gewohn-

heit

Landhof Begleitperson, Regelmäs-

sig, Übersicht, Verantwor-

tung, Wissen, Nähe zur

Bevölkerung

Medienpräsenz, neue Leute

kommen vorbei, Führungen,

Zusammenarbeit mit der

Stadtgärtnerei (Fläche und

Infrastruktur gratis), Fläche,

mitmachen wann man will

Finanzierung

O’pflanzt

is!

Unterstützung durch die

Gemeinde oder eine star-

ke Initiative von engagier-

ten Leuten mit klarem

Konzept, Kombination:

Brachfläche, engagierte

Gruppe und Wohlwollen

der Öffentlichkeit

Genialer Name und Lage, Leu-

te kommen vorbei, klares Kon-

zept und stabile Rahmenbe-

dingungen

Einbindung in die

Nachbarschaft, klare

Ziele, Öffentlichkeit

und Interessierte

besser einbinden

Stadion-

garten

Leute, die den Garten

pflegen, Koordination und

Infrastruktur, Kern von

Stammnutzern mit kleiner

Fluktuation, Engagement,

offene Stadt

Engagement, Fläche, Kon-

stanz in der Gartenpflege,

Veranstaltungen um den Gar-

ten lebendig zu halten

wenig Leute kom-

men oder niemand

will sich engagieren

Grün Stadt

Zürich

Initiative darf nicht von der

Stadt aus kommen

Nachfolgeschaft und Finanzie-

rung müssen von Beginn an

geklärt werden

Feste und Infoveranstaltungen

Energie der Beteilig-

ten verpufft nach

gewisser Zeit,

Bodenverschmut-

zung

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D. Informationszettel

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E. Fragebogen

Wie sind Sie auf das Projekt aufmerksam geworden?

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Wie finden Sie die Idee, Nahrungsmittel in der Stadt anzubauen?

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Würden Sie bei einem Gemeinschaftsgarten-Projekt mitarbeiten?

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Haben Sie eine konkrete Idee für ein solches Projekt bezüglich Standort, Organisation etc.?

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Name/ E-Mail-Adresse (freiwillig)

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Ich interessiere mich für die Resultate der Masterarbeit, bitte senden Sie mir ein

Exemplar per E-Mail. (Das wird erst im Herbst möglich sein.)

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F. Die Landwirtschaft

Die Landwirtschaft erlebte drei Revolutionen. Die letzte ging Ende des 19. Jahrhunderts von

Nordamerika aus und lässt sich in drei Phasen einteilen. Die Mechanisierung, die auf

Kunstdünger basierte Landwirtschaft und die Entwicklung der globalen Nahrungsmittelin-

dustrie. Wissenschaftliche Entdeckungen und technische Erfindungen sind die Gründe der

Industrialisierung der Landwirtschaft. Menschen und Tiere wurden durch Maschinen ersetzt,

Düngemittel und Pestizide vergrösserten das Produktionsvolumen und die Sortenvielfalt

begann sich zu Gunsten von Hochertragssorten drastisch zu verkleinern. Die grüne Revolu-

tion bezeichnet den Kampf gegen den Hunger. Da immer mehr Menschen die Erde bevöl-

kern, forschte man in den 1960er Jahren nach leistungsfähigeren Sorten, vor allem bei

Mais, Reis und Weizen. Im Labor fanden Wissenschaftler Pflanzen, die mit Hilfe von che-

misch entwickeltem Dünger bessere Erträge brachten. Die Folgen der im Labor entwickel-

ten Pflanzen waren ein verstärkter Schädlings- und Krankheitsbefall. Dagegen wurden Pes-

tizide entwickelt. Mit diesem Paket von besserem Saatgut, Düngemittel, Wasser und Pesti-

ziden liess sich die Produktion zwei- bis fünfmal erhöhen. Aus heutiger Sicht ist die Grüne

Revolution gescheitert, da der Hunger nicht bekämpft wurde, hingegen viele andere negati-

ve Auswirkungen ersichtlich wurden. Jedoch kann man nun aus diesen Beobachtungen ler-

nen (Knox & Marston, 2008).

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G. Artikel im St. Galler Tagblatt (05.08.2014)

Der langsame Einzug eines Trends

Die «Wiborada-Gartenweiber» Meie Lutz (links) und Claudia Lena Schnetzler in ihrem alten Klos-

tergarten. (Bild: Urs Bucher)

Was in Grossstädten entsteht, braucht bekanntlich etwas länger, um in der Ost-schweiz anzukommen. Das gilt auch für das «Urban Gardening». An der Stadt liegt das nicht: Sie will das gemeinschaftliche Gärtnern im urbanen Raum fördern.

SARAH SCHMALZ

Am Montagnachmittag macht sich Meie Lutz

auf in den Garten. Es gibt immer etwas zu tun

in der ehemaligen Klosteranlage an der Stei-

nach, die Lutz mit weiteren Frauen bewirt-

schaftet. Gemüse war hinter der katholischen

Kirche St.Georgen lange nicht mehr gewach-

sen, als die «Wiborada Gartenweiber» be-

schlossen, die Fläche zu bewirtschaften.

«Wir wollten Verantwortung übernehmen für

das brachliegende Land», sagt Lutz – und

spricht dabei einen zentralen Gedanken des

sogenannten «Urban Gardenings» aus. Dieses

entstand in der sozialistischen Mangelwirt-

schaft Kubas und wurde in den Brachen von

Detroit und New York zu einem urbanen

Trend. In Städten wie Berlin oder München,

aber auch in Zürich und Basel gibt es ver-

schiedenste «Urban Gardening»-Projekte. In

St.Gallen gehören die «Wiborada Gartenwei-

ber» zu den wenigen Stadtgarten-Initiantinnen.

Lieber im eigenen Gärtli

Von einem gewöhnlichen Schrebergarten un-

terscheidet das Projekt etwa, dass nicht jeder

in seinem Gärtli gräbt. Die Frauen bewirt-

schaften den Klostergarten gemeinsam. Wer

sich am biologischen Gemüse- und Blumen-

pflanzen beteiligt, muss regelmässig seinen

Beitrag leisten. Es herrscht jedoch Flexibilität,

was Ferienabwesenheiten und Wechsel im

Gärtnerinnen-Team anbelangt.

Das passt zur urbanen Unverbindlichkeit. Of-

fenbar aber nicht sehr zu St.Gallen: In der

vierten Saison sind die «Gartenweiber» nur

noch zu dritt. Es sei nicht einfach, Mitwirken-

de zu finden, sagt Lutz. Viele bevorzugten das

eigene Fleckchen Garten.

Unbepflanzte Töpfe

Weitermachen wollen die Frauen dennoch.

Seit kurzem gibt es einen Internetauftritt und

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die Frauen hoffen, dass wieder neue Gärtne-

rinnen zu ihnen stossen werden.

Länger bestehende Projekte, die in Richtung

«Urban Gardening» gehen, sind nebst dem

Klostergarten der Garten des Kinderlokals «Ti

Rumpel» in der Lachen und die Heks-

Migrantengärten in Bruggen. Daneben flacker-

te der Trend einige Male kurz auf: Etwa durch

die jungen Autonomen, die an der Fürsten-

landstrasse einen brachliegenden Garten be-

setzten und diesen dann mit Erlaubnis des Be-

sitzers zwischennutzen durften. Ungenutzt

blieben hingegen die Töpfe, welche die Occu-

py-Bewegung mit Hilfe des Gartenbauamtes

im Stadtpark deponierte.

Warum sich das städtische Gärtnern in

St.Gallen bislang nicht durchsetzt, hat Yasmi-

ne Zweifel für ihre Masterarbeit an der PHSG

untersucht. Sie liefert eine logische Antwort:

Im Gegensatz zu den Grossstädten, in denen

gerade aus der unteren Schicht viele keinen

Zugang zur Natur hätten, sei der Leidensdruck

hier wohl einfach noch nicht gross genug.

St.Gallen liegt nicht nur im grünen Ring, es

gibt derzeit auch noch verhältnismässig viele

Schrebergärten zu mieten.

Doch auch wenn St.Gallen nie so urban sein

wird wie die grössten Schweizer Städte: Was

trendy ist, erreicht mit einiger Verspätung

meist gar die Ostschweiz.

Das Gartenbauamt hilft

Der Leiter des Gartenbauamts, Christoph Bü-

cheler, hofft das zumindest. «Brachland zu

bepflanzen macht doch absolut Sinn», sagt er.

Der Experte denkt etwa an Parkplätze und

Hinterhöfe, an freie Flächen zwischen Wohn-

blocks, an Dächer oder ungenutztes Bauland.

Um Gartenbauprojekte anzuregen, hat das Amt

für Umwelt und Energie in Zusammenarbeit

mit dem Gartenbauamt und dem Stadtpla-

nungsamt 2013 die Broschüre «Natur findet

Stadt» herausgegeben. Sie soll Städtern ohne

eigenes Land «Mut machen, eigene Garten-

träume zu verwirklichen». Projektgruppen mit

Ideen würden von der Stadt bei der Suche nach

einem Platz unterstützt, sagt Bücheler. Das

Gartenbauamt stelle ihnen Material zur Verfü-

gung – etwa Erde, Kompost oder SBB-

Paletten für mobile Beete. «Die Leute müssen

aber selber aktiv werden.»

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Yasmine Zweifel 111

H. Eidesstattliche Erklärung

Ich, Yasmine Zweifel, erkläre hiermit, dass ich diese Masterarbeit selbstständig und ohne

fremde Hilfe verfasst habe, nicht anderweitig ganz oder in Teilen als Abschlussarbeit vorge-

legt, keine anderen als die angegebenen Quellen oder Hilfsmittel benützt sowie wörtliche

und sinngemässe Zitate als solche gekennzeichnet habe.

Ort, Datum ......................................................Unterschrift ......................................................