Urteil BVerfG vom 17.12.1953 - Keine Beamte

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  • 8/13/2019 Urteil BVerfG vom 17.12.1953 - Keine Beamte

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    BVerfG, 17.12.1953 - 1 BvR 147/52 (http://opinioiuris.de)

    BVerfG, 17.12.1953 - 1 BvR 147/52

    DatenFall: BeamtenverhltnisseFundstellen: BVerfGE 3, 58; DVBl 1954, 86; DV 1954, 53; JZ 1954, 76; NJW 1954 21

    Gericht: BVerfGDatum: 17.12.1953Aktenzeichen: 1 BvR 147/52Entscheidungstyp: Urteil

    Leitstze

    1. Wer an einem gerichtlichen Verfahren beteiligt ist, fr dessen Entscheidung es auf die Verfassungsmigkeiteiner Norm ankommt, hat grundstzlich kein Rechtsschutzinteresse, gegen die Norm selbstVerfassungsbeschwerde einzulegen. Ist jedoch die Norm bereits Gegenstand einer anhngigenVerfassungsbeschwerde, so ist es nicht zu beanstanden, wenn das Gericht das Verfahren aussetzt, um dem

    Beteiligten Gelegenheit zu geben, auch seinerseits Verfassungsbeschwerde einzulegen.2. Alle Beamtenverhltnisse sind am 8. Mai 1945 erloschen.3. Art. 129 WRV hat im nationalsozialistischen Staat seine Verfassungskraft verloren und sie auch spter nichtwiedererlangt.4. Die Geltung des Satzes, da der Wechsel der Staatsform die Beamtenverhltnisse unberhrt lasse, setztvoraus, da es sich um echte Beamtenverhltnisse in traditionell-rechtsstaatlichem Sinne handelt, wie sie sich imLaufe des 19. und 20. Jahrhunderts in Deutschland entwickelt haben.5. Die durch das nationalsozialistische Beamtenrecht geschaffenen rechtserheblichen Tatsachen undRechtszerstrungen lassen sich nicht als nur tatschliche Behinderungen der Geltung des "wirklichen Rechts"beiseite schieben und nachtrglich ungeschehen machen. Aus Grnden der Rechtssicherheit knnen sie nur durchneue gesetzgeberische Manahmen beseitigt werden.6. Die nach dem 8. Mai 1945 neu begrndeten Dienstverhltnisse standen unter dem besonderen Vorbehalt desEingriffes der Militrregierung zum Zwecke der politischen berprfung. Amtsentfernungen zu diesem Zweckehatten in der amerikanischen Besatzungszone nicht eine Suspension, sondern eine endgltige Entlassung zurFolge.7. Art. 33 Abs. 5 GG stellt nicht - wie Art. 129 WRV - wohlerworbene Rechte der Beamten unterVerfassungsschutz; er gewhrleistet das Berufsbeamtentum als Einrichtung insoweit, als es sich in seinerhergebrachten Gestalt in den Rahmen unseres heutigen Staatslebens einfgen lt.8. Art. 131 GG ist nicht lediglich eine Zustndigkeitsnorm; er bezweckt auch inhaltlich eine besondere rechtlicheGestaltung bei der Regelung jenes Komplexes beamtenrechtlicher Verhltnisse, auf die wegen ihrer Eigenart diehergebrachten Grundstze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) nicht im gleichen Mae angewandtwerden knnen wie beim aktiven Dienst.9. Die Einfhrung der zehnjhrigen Wartefrist und des Rechtsstandes des Beamten zur Wiederverwendung, dieNichterneuerung der erloschenen Beamtenverhltnisse auf Widerruf und die Nichtbercksichtigung vonErnennungen und Befrderungen im Rahmen des 7 G 131 verstoen nicht gegen Art. 33 Abs. 5 GG.10. Das G 131 verstt nicht gegen den Gleichheitssatz, soweit esa) die Rechtsverhltnisse der betroffenen Beamten abweichend vom allgemeinen Beamtenrecht regelt;b) die Rechtsstellung und Ttigkeit der frheren Beamten nicht bis ins einzelne bercksichtigt;c) gnstigere Landesregelungen zult;d) gewisse Ernennungen und Befrderungen nicht bercksichtigt;e) die "Nichtbetroffenen" gnstiger behandelt;f) in 4 alter und neuer Fassung Stichtage festsetzt.11. Die Einbeziehung der Hochschullehrer in das G 131 verstt nicht gegen Art. 33 Abs. 5 GG.12. Die die Beamten betreffenden Regelungen des G 131 verletzen nicht die Art. 5 Abs. 3 Satz 1, Art. 101 Abs. 1Satz 2, Art. 103 Abs. 2 und 3 und Art. 139 GG.

    13. Die vermgensrechtlichen Ansprche der Versorgungsempfnger haben ihre Grundlage in einemffentlich-rechtlichen Gewaltverhltnis, das in Art. 33 Abs. 5 GG eine verfassungsmige Sonderregelunggefunden hat; eine Krzung ihrer ffentlich-rechtlichen Ansprche fr die Zukunft kann daher nicht gegen Art. 14GG verstoen.14. Versorgungsempfnger, die ihre Bezge aus Kassen auerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes

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    erhalten hatten, knnen ihre Ansprche fr die bergangszeit, in der der Gesamtstaat handlungsunfhig war, nachden Grundstzen ber die Tragung des Betriebsrisikos nicht geltend machen; wenn das G 131 sie allein auf dievon den Lndern in der bergangszeit gewhrten Zahlungen verweist, verstt es nicht gegen Art. 14 GG.15. Wenn das G 131 die verdrngten Versorgungsempfnger abweichend von den einheimischen behandelt, sobercksichtigt diese Unterscheidung den fderalistischen Aufbau der Bundesrepublik; sie ist daher legitim, wennsie nicht so dauerhaft und schwerwiegend ist, da sie zu einer endgltigen Diskriminierung der verdrngtenVersorgungsempfnger fhrt.

    16. Die Krzung des Witwengeldes bei besonders groem Altersunterschied verstt nicht gegen Art. 3 und Art. 33Abs. 5 GG.17. Art. 33 Abs. 5 GG garantiert nicht den einmal erworbenen ffentlich-rechtlichen Versorgungsanspruch in seinervollen Hhe als wohlerworbenes Recht; er lt Krzungen zu, sofern der standesgeme Unterhalt nichtbeeintrchtigt wird, wie er fr die einzelnen Beamtengruppen - unter Bercksichtigung des allgemeinenLebensstandards - jeweils besonders zu bemessen ist.

    Urteil

    des Ersten Senats vom 17. Dezember 1953

    - 1 BvR 147/52 -in den Verfahren ber die Verfassungsbeschwerden des Ersten Staatsanwalts z. Wv. Dr. Ke. und 33 andererBeschwerdefhrer (Beamte und Versorgungsempfnger) gegen das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhltnisseder unter Art. 131 GG fallenden Personen vom 11. Mai 1951 (BGBl. I S. 307)Entscheidungsformel:

    Die Verfassungsbeschwerden werden zurckgewiesen.

    Grnde

    A.I.

    Der Zusammenbruch des Reiches im Mai 1945 hatte fr zahlreiche Angehrige des ffentlichen Dienstes denVerlust ihres Amtes, ihres Arbeitsplatzes oder ihrer Versorgungsbezge zur Folge. Dieses Schicksal trafvornehmlich die Vertriebenen und die Angehrigen aufgelster Dienststellen. Aber auch bei weiterbestehendenBehrden in den westlichen Besatzungszonen sind viele Angehrige des ffentlichen Dienstes, die auf Grund vonAnordnungen der Militrregierungen zum Zwecke der politischen berprfung von ihrem Amt oder Arbeitsplatzentfernt wurden, nicht wieder im ffentlichen Dienst verwendet worden.

    Zunchst hatten weitgehend die Lnder sich der Betroffenen angenommen. Ihre Frsorge wies jedoch angesichts

    ihrer ungleichen Finanzkraft und der ungleichen Verteilung der Flchtlinge nach der Hhe der Leistungen und derAbgrenzung des erfaten Personenkreises erhebliche Unterschiede auf.

    Eine erschpfende und sachgerechte Lsung des mehr und mehr bedrckend gewordenen Komplexes derRechtsverhltnisse der verdrngten und amtsentfernten Angehrigen des ffentlichen Dienstes war angesichtsdieser Schwierigkeiten nur dem deutschen Gesamtstaat mglich. Das Problem erschien so bedeutsam, seineLsung so vordringlich, da schon das Grundgesetz nicht an ihm vorbergehen konnte. Bei der Vielzahl der zulsenden Einzelfragen mute es sich allerdings darauf beschrnken, in Art. 131 GG dem Bundesgesetzgeberfolgende Pflicht aufzuerlegen:

    "Die Rechtsverhltnisse von Personen einschlielich der Flchtlinge und Vertriebenen, die am 8. Mai 1945

    im ffentlichen Dienste standen, aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Grnden ausgeschiedensind und bisher nicht oder nicht ihrer frheren Stellung entsprechend verwendet werden, sind durchBundesgesetz zu regeln. Entsprechendes gilt fr Personen einschlielich der Flchtlinge und Vertriebenen,die am 8. Mai 1945 versorgungsberechtigt waren und aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichenGrnden keine oder keine entsprechende Versorgung mehr erhalten."

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    In Ausfhrung dieses Verfassungsauftrage erging das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhltnisse der unterArtikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 11. Mai 1951 (BGBl I S. 307; im folgenden: G 131); es tratrckwirkend am 1. April 1951 in Kraft.

    Die Versorgungsverhltnisse wurden in mehreren wesentlichen Punkten abweichend vom allgemeinen

    Beamtenrecht geregelt; jedoch sieht 78 fr die Zukunft eine Anpassung an die versorgungsrechtliche Regelungdes in Aussicht genommenen Bundesbeamtengesetzes vor; die damit beabsichtigte Verbesserung derVersorgungsverhltnisse ist durch 192 des Bundesbeamtengesetzes vom 14. Juli 1953 (BGBl. I S. 551; imfolgenden: BBG) fr die Zeit vom 1. September 1953 ab bewirkt worden. Weitere Verbesserungen der Rechtslageder unter Art. 131 GG fallenden Personen, vor allem auch eine Erweiterung des beteiligten Personenkreises,brachte das Erste Gesetz zur nderung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhltnisse der unter Artikel 131des Grundgesetzes fallenden Personen vom 19. August 1953 (BGBl. I S. 980; im folgenden: Erstesnderungsgesetz). Es ist rckwirkend am 1. April 1951 in Kraft getreten, bestimmt jedoch in Art. V Abs. 1, daZahlungen auf Grund der neuen Vorschriften grundstzlich erstmalig fr die mit dem 1. September 1953beginnenden Zeitrume geleistet werden.

    II.

    Die Beschwerdefhrer zu 1 bis 33 fhlen sich durch zahlreiche Bestimmungen des G 131 - und zwar sowohl inseiner ursprnglichen als auch in der genderten Fassung - in ihren Grundrechten verletzt. Sie habenVerfassungsbeschwerde erhoben mit dem Ziele, die im einzelnen bezeichneten Bestimmungen gem 95 Abs. 3BVerfGG fr nichtig zu erklren.

    1. Der 1907 geborene Beschwerdefhrer Ke. ist verdrngter Beamter im Sinne des Kapitels I Abschnitt I des G131. Er war bis zur Kapitulation Erster Staatsanwalt am Oberlandesgericht Stettin. Im Juli 1948 wurde er ausbritischer Gefangenschaft entlassen und am 22. Februar 1949 in die Gruppe V der Entlasteten eingereiht. Er istbisher im Staatsdienst nicht wieder verwendet worden und erhlt bergangsgeld nach 37 G 131.

    2. Der Beschwerdefhrer D. war bis Anfang Mai 1945 Oberbrgermeister der Stadt Apolda. Im Juli 1949, also nachInkrafttreten des Grundgesetzes, verlie er die sowjetische Besatzungszone, da er sich in seiner Freiheit bedrohtfhlte. Er nahm Wohnsitz in Hessen; seine "Gleichstellung" im Sinne des 4 Abs. 2 G 131 hat derBeschwerdefhrer beantragt, aber bisher nicht erreicht. Er hat bis zum 1. September 1953 keine Bezge nach demG 131 erhalten.

    3. Die Beschwerdefhrerinnen K. und Z. sind Witwen, deren Ehemnner Beamte in Ostpreuen und Schlesienwaren. Sie erhalten Hinterbliebenenbezge nach 49 G 131. Da die Beschwerdefhrerin Z. 24 Jahre jnger als ihram 1. Oktober 1934 in den Ruhestand versetzter, am 6. Januar 1939 verstorbener Ehemann war, fand auf dieBerechnung ihrer Hinterbliebenenbezge 40 G 131 Anwendung, der inzwischen durch 192 Nr. 11 BBGaufgehoben worden ist. Die Berechnung ihrer Bezge richtet sich nunmehr nach 192 Nr. 14 BBG in Verbindungmit 49 Abs. 1 G 131, 192 Nr. 4 BBG in Verbindung mit 29 G 131 und 126 BBG.

    4. Die weiteren Beschwerdefhrer sind nach der Kapitulation unmittelbar durch die amerikanische Militrregierungoder auf deren Veranlassung wegen Zugehrigkeit zur NSDAP aus ihrem Amt entfernt und imEntnazifizierungsverfahren entweder als Entlastete oder Mitlufer eingestuft worden. Die Beschwerdefhrerin Ho.ist die Witwe eines solchen Beamten.

    a) Der Beschwerdefhrer Be. war seit Mai 1919 stdtischer Beamter auf Lebenszeit, und zwar seit 1. Mai 1942 inder Stellung eines Oberamtmannes in Mnchen. Er wurde nach Abschlu der Entnazifizierung mit Wirkung vom 1.September 1948 in den Ruhestand versetzt und hat nach seiner Angabe 60 % seiner erdientenVersorgungsbezge erhalten. Seit dem 1. September 1953 bezieht er volles Ruhegehalt, das ihm mit Wirkung vom1. April 1951 ab nachgezahlt worden ist.

    Der Beschwerdefhrer Ga. wurde 1894 als Aspirant in den Dienst der Postverwaltung bernommen und mitWirkung vom 31. Dezember 1938 zum Postamtmann bei der Oberpostdirektion in Mnchen befrdert. Er ist nachAbschlu des Entnazifizierungsverfahrens mit Wirkung vom 1. Juli 1948 in den Ruhestand versetzt worden. Der1879 geborene Beschwerdefhrer Wi. zwar zuletzt Regierungsvermessungsrat I. Klasse in

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    Forchheim-Oberfranken, wurde am 4. August 1945 vom Dienst entfernt und erfolgreich entnazifiziert. Seit dem 1.Dezember 1946 erhlt er die vollen Versorgungsbezge seiner Besoldungsgruppe A 2 c 2.

    b) Der 1900 geborene Beschwerdefhrer Pf. war seit 1916 Gemeindebeamter auf Lebenszeit, und zwar seit 1936in der Stellung eines Verwaltungsinspektors. Nach Rckkehr aus amerikanischer Gefangenschaft am 14. Juni 1945war er noch kurze Zeit bei seiner Gemeinde Tutzing ttig. Nach Abschlu des Entnazifizierungsverfahrens wurdeer nicht wiederverwendet, erhielt jedoch als Gemeindebeamter zur Wiederverwendung bergangsgeld nach 37

    G 131.

    c) Der Beschwerdefhrer S. war seit 1937 stdtischer Ingenieur bei der Stadtverwaltung in Mnchen, seit 1938 alsBeamter auf Lebenszeit. Nach Abschlu des Entnazifizierungsverfahrens ist er nicht wieder als Beamter verwendetworden. Er erhlt als Beamter zur Wiederverwendung, der vor dem 8. Mai 1945 noch nicht eine Dienstzeit vonmindestens zehn Jahren abgeleistet hatte, keine Bezge ( 5 Abs. 2 in Verb. mit 37 G 131).

    d) Der Beschwerdefhrer St. war seit 1933 in der Gesttsverwaltung, zuletzt als Landstallmeister in einem zumehemaligen Land Preuen, jetzt zu Hessen gehrenden Bezirk ttig, und zwar seit 1935 als Beamter aufLebenszeit. Nach Abschlu seines Entnazifizierungsverfahrens ist er nicht wieder im Staatsdienst verwendetworden. Er erhlt vom 1. April 1951 ab als Beamter zur Wiederverwendung bergangsgeld.

    e) Der am 11. Mai 1950 verstorbene Ehemann der Beschwerdefhrerin Ho. war seit dem 28. April 1938 stdtischerBeamter auf Widerruf im Dienst der Stadt Wunsiedel und wurde als sogenannter Altparteigenosse am 12. Juni1945 auf Anordnung der Militrregierung vom Amt entfernt. Er fiel spter unter die sogenannteWeihnachtsamnestie. Die Beschwerdefhrerin fhlt sich dadurch benachteiligt, da sie weder als Erbin ihresMannes dessen Dienstbezge fr die Zeit zwischen Amtsentfernung und Tod noch als Witwe fr die Zeit nachseinem Tode Hinterbliebenenbezge erhalten hat. Sie hat verwaltungsgerichtliche Klage auf Feststellung derFortdauer des Beamtenverhltnisses und ihrer Rechtsansprche erhoben; das gerichtliche Verfahren ist bis zurEntscheidung ber ihre Verfassungsbeschwerde ausgesetzt worden.

    f) Der Beschwerdefhrer Fl. war apl. Professor, die Beschwerdefhrer Ba. und Gr. waren Dozenten anUniversitten im Lande Bayern, und zwar Ba. seit 1938, Gr. seit 1941 und Fl. seit dem 27. Oktober 1939, nachdemer sich vorher bereits in Gttingen habilitiert und 1936 in Erlangen umhabilitiert hatte. Die Beschwerdefhrer fhlensich dadurch benachteiligt, da sie als Beamte auf Widerruf behandelt werden und daher nach 6 G 131 als mitAblauf des 8. Mai 1945 entlassen gelten.

    g) Die Beschwerdefhrer B., E., Ga., Gra., Hoe., L., Ma., Me., Mo., Ne., No., R., Sp., V., We. und Vo. warenordentliche Professoren an bayerischen Universitten oder Technischen Hochschulen, der Beschwerdefhrer Bo.war planmiger a. o. Professor an der Universitt Gieen, der Beschwerdefhrer Li. ordentlicher Professor an derTechnischen Hochschule Darmstadt, der Beschwerdefhrer Eb. war ordentlicher Professor an derHandelshochschule in Nrnberg, einer ffentlich-rechtlichen Stiftung, die im Range einer Universitt gleichsteht.

    Nach Abschlu des Entnazifizierungsverfahrens wurden die Professoren Vo., We., R., No., Me., Gra., Ga. und B.durch den Bayerischen Staatsminister fr Unterricht und Kultus wieder zu ordentlichen Professoren ernannt undgleichzeitig in den Ruhestand versetzt, also nicht emeritiert. Mit Wirkung vom 1. April 1951 erhalten dieBeschwerdefhrer R., Me., Gra. und Ga. die Bezge eines Emeritus. Ferner haben die Beschwerdefhrer Gra., R.,No. und We. auch die Rechte eines Emeritus erhalten.

    Die Beschwerdefhrer Sp., Hoe., E., L. und Ma. erhalten als Beamte zur Wiederverwendung bergangsgeld; Ma.wurde auf seinen Antrag auch als Privatdozent zugelassen und spter auerplanmiger Professor. DerBeschwerdefhrer Ne. ist wegen Dienstunfhigkeit in den Ruhestand versetzt. Der erst seit dem 1. Oktober 1939im Beamtenverhltnis stehende Professor V. erhlt, da er noch nicht zehn Jahre im Amt war, keine Bezge.

    Der Beschwerdefhrer Bo. erhlt als Beamter zur Wiederverwendung vom Hessischen Staat bergangsgeld. DerBeschwerdefhrer Li. erhielt zunchst einen Unterhaltsbeitrag, seit Erreichung des 65. Lebensjahres erhlt erRuhegehalt. Der Beschwerdefhrer Eb. erhielt nach Abschlu des Entnazifizierungsverfahrens zunchst auf Grund

    bayerischer Bestimmungen eine Versorgung von monatlich 658.13 DM, seit dem 1. Oktober 1951 von 776.- DM.Nach 4 Abs. 3 des bayerischen Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhltnisse der unter 63 des Gesetzes zuArt. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 31. Juli 1952 (GVBl. S. 235; im folgenden: Bayer. G zu Art.131 GG) erhlt er die vollen Bezge eines entpflichteten Hochschullehrers, ohne jedoch als Emeritus zu gelten.Der Beschwerdefhrer Mo. wurde im September 1939 von seinen amtlichen Verpflichtungen entbunden, jedoch im

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    Jahre 1942 "wieder in Dienst gestellt". Nach Abschlu seines Entnazifizierungsverfahrens erhielt er zunchstVersorgungsbezge; seit dem 1. April 1951 erhlt er auch die Bezge eines Emeritus.

    III.

    1. Alle Beschwerdefhrer sind der Auffassung, da ihre Beamten- und Versorgungsverhltnisse ber den

    Zusammenbruch des Deutschen Reichs im Mai 1945 hinaus fortbestanden htten und die Bundesrepublik wegenrechtlicher Identitt mit dem Deutschen Reich aus jenen Rechtsverhltnissen verpflichtet sei. Das gelte auch,soweit der frhere unmittelbare Dienstherr eine Krperschaft auerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzesgewesen sei; denn mindestens das mittelbare Dienstverhltnis zum Deutschen Reich gem 2 Abs. 1 DBGbestehe fort. Die Beamtenverhltnisse sind nach Auffassung der Beschwerdefhrer auch nicht durch die von deramerikanischen Militrregierung durchgefhrten oder veranlaten Entfernungen aus dem Amt beendet worden. DieKontrollrats-Direktiven 24 und 38 sowie die Anweisung der amerikanischen Militrregierung Title 2-160.4 seienlediglich interne Anweisungen der Besatzungsmacht und htten nicht objektives Recht schaffen knnen. Imbrigen ergebe eine richtige Auslegung der Direktiven sowie des Gesetzes zur Befreiung von Nationalsozialismusund Militarismus vom 5. Mrz 1946 (Bayer. GVBl. S. 145; Hess. GVBl. S. 57; RegBl. Wrttemberg-Baden S. 71; imfolgenden: Befreiungsgesetz), da es sich nicht um Entlassungen, sondern nur um Suspendierungen gehandelthabe. Das sei jetzt auch die herrschende Meinung in Rechtslehre und Rechtsprechung. Jedenfalls seien Entlastete

    und Mitlufer nach Abschlu des Entnazifizierungsverfahrens voll rehabilitiert. Damit sei festgestellt, da in ihrenBeamten- und Versorgungsverhltnissen keine nderung eingetreten sei.

    2. Die Beschwerdefhrer tragen vor, da das G 131 ihre unverndert gebliebenen Beamtenrechte teils entzogen,teils gemindert habe. Das verstoe gegen Grundrechte und andere Verfassungsbestimmungen und sei keineRegelung, wie sie Art. 131 GG vorschreibe.

    Bei Beratung des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat habe es an einer klaren Auffassung ber dieRechtslage des von Art. 131 GG erfaten Personenkreises gefehlt, da die Meinungen hierber in Literatur undRechtsprechung damals noch nicht geklrt gewesen seien. Art. 131 GG habe deshalb lediglich dieBundeskompetenz sichern und einen Rahmen festlegen wollen, ohne dem Gesetzgeber vorzuschreiben, wie er diebetreffenden Rechtsverhltnisse zu regeln habe. Dagegen habe diese Vorschrift weder beabsichtigt noch sei sie -

    als bergangsbestimmung - dazu in der Lage gewesen, den Bundesgesetzgeber von der Beachtung aller odereinzelner Grundrechte zu befreien. Aus den Beratungen des Parlamentarischen Rates gehe eindeutig hervor, daman kein Ausnahmerecht gegen die verdrngten und amtsentfernten Beamten habe schaffen wollen. Wennberhaupt eine "konstitutive" Regelung der unter Art. 131 GG fallenden Rechtsverhltnisse in Betracht komme, sosei sie nur im Rahmen der Grundrechte, insbesondere der naturrechtlich gebundenen Menschenrechte zulssig.

    Nach Auffassung der Beschwerdefhrer zu 12 bis 33 scheidet bei den amtsentfernten Beamten jede konstitutiveRegelung aus; denn ihr Dienstherr bestehe fort und ihre Ansprche seien durch die Entnazifizierung nicht berhrtworden. Ihnen gegenber knne Art. 131 GG lediglich die Bedeutung haben, ihre nach Grund und Hhefeststehenden Ansprche gegenber dem ffentlich- rechtlichen Schuldner in Lndern und Gemeinden zugarantieren; hinsichtlich der heimatvertriebenen Beamten sei allerdings eine konstitutive Regelung im Rahmen derGrundrechte zulssig und sogar unumgnglich.

    3. Von dieser ihrer grundstzlichen Rechtsauffassung aus fhlen sich die Beschwerdefhrer durch zahlreicheBestimmungen des G 131 in ihren Grundrechten verletzt:

    a) 77 Abs. 1 GG 131 in Verbindung mit den die Rechtsverhltnisse der einzelnen Beschwerdefhrer betreffendenSonderbestimmungen bewirke eine entschdigungslose Enteignung, die nach Art. 14 Abs. 3 GG verfassungswidrigsei. Das gelte nicht nur fr den Entzug der bereits vor dem 1. April 1951 entstandenen Gehalts- oderVersorgungsansprche, sondern auch fr die Streichung oder Krzung knftiger Gehaltsforderungen. Hiermitwrden einem begrenzten Personenkreis unter Verletzung des Gleichheitsprinzips Sonderopfer zugemutet, dienach herrschender Rechtsprechung als Enteignung zu qualifizieren seien; in jedem Falle wrden durch dieBestimmungen des G 131 bestehende Rechte entweder gnzlich beseitigt oder in ihrem rechtlichen Kernvernichtet, so da auch vom Standpunkt der sogenannten Schutzwrdigkeitstheorie aus der Tatbestand der

    Enteignung gegeben sei.

    b) In der Beseitigung oder Umgestaltung ihrer Beamtenrechte erblicken die Beschwerdefhrer weiterhin einenVersto gegen Art. 33 Abs. 5 GG. Diese Verfassungsbestimmung sichere mit der institutionellen Garantie des

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    Berufsbeamtentums zugleich die wohlerworbenen Rechte der Beamten und verbiete, die Substanz derBeamtenrechte anzutasten. Zu den hergebrachten Grundstzen des Berufsbeamtentums gehre mindestens derAnspruch auf angemessene Versorgung, der nach dem G 131 nicht gesichert sei. Das gelte besonders fr dieHhe des in 37 vorgesehenen bergangsgehaltes. Die rckwirkende Einfhrung der zehnjhrigen Wartefristbeseitige unter Versto gegen Art. 33 Abs. 5 GG die bereits erworbene Rechtsstellung der Beamten aufLebenszeit und entziehe ihnen Ansprche auf Gehalt und Versorgung. Auch die Bestimmung ber die Anrechnungprivater Arbeitseinknfte auf das bergangsgeld und die Versorgungsbezge ( 33, 37) widerspreche der

    Frsorgepflicht des Staates und somit hergebrachten Grundstzen des Berufsbeamtentums.

    Insbesondere sehen die Beschwerdefhrer zu 12 bis 33 einen Versto gegen Art. 33 Abs. 5 GG darin, da wederdie Professoren noch die Dozenten im Stande der Emeriti oder "Extraemeriti" belassen worden seien; dadurchseien wohlerworbene Rechte auf Verbindung zur Universitt verletzt worden. Unter Hinweis auf die Literatur zu Art.129 WRV legen die Beschwerdefhrer dar, da kraft der Doppelnatur des Hochschullehrerberufs mit demffentlichen Amt zugleich eine besondere krperschaftliche Stellung des Hochschullehrers in der Hochschuleverbunden sei. Hochschulen seien nicht nur Staatsanstalten, sondern zugleich mit Autonomie ausgestatteteKrperschaften des ffentlichen Rechts, an denen Gelehrte zu lebenslnglicher Arbeitsgemeinschaft mit denAufgaben der Forschung und Lehre verbunden seien; in diese Krperschaften wrden sie durch Habilitation(Gruppe der Privatdozenten, Dozenten und apl. Professoren) oder durch Berufung in ein Lehramt (Gruppe derbeamteten Hochschullehrer) aufgenommen. Von jeher seien deshalb die Bestimmungen ber Warte- und

    Ruhestand auf beamtete Hochschullehrer nicht angewandt worden, weil sie nicht nur das Ausscheiden aus demAmt, sondern auch aus der Hochschulkorporation zur Folge haben wrden. Die Hochschullehrer knnten stattdessen nur von ihren Amtspflichten entbunden, also emeritiert werden. Soweit das G 131 ihre Versetzung in denRuhestand oder den Widerruf ihrer Beamtenverhltnisse unter Vorenthaltung des Standes eines Emeritus odereines "Extraemeritus" vorsehe, widerspreche es dem Art. 33 Abs. 5 GG.

    Die Beschwerdefhrer betonen jedoch vorsorglich, da die Regelung des G 131 auf die Sonderstellung derHochschullehrer nicht passe, sie also auch nicht betreffen knne. Auch der Berichterstatter im Bundestag, Abg. Dr.Kleindinst, habe betont, da die Unterbringung der Hochschullehrer und des wissenschaftlichen Nachwuchsesnicht in die gesetzliche Regelung einbezogen, sondern als Sache der Lnder angesehen worden sei.

    Die Vorschriften ber einen Widerruf der Beamtenverhltnisse der Hochschullehrer oder ber ihre Versetzung inden Ruhestand verletzen nach Ansicht der Beschwerdefhrer auch den Art. 5 Abs. 3 GG, der die Freiheit derWissenschaft, Forschung und Lehre garantiere.

    Einen weiteren Versto gegen Art. 33 Abs. 5 GG enthalten nach Auffassung der Beschwerdefhrer S., K. und Z.die Bestimmungen der 7 und 40 G 131 ber die Nichtbercksichtigung von Ernennungen und Befrderungen,die im Widerspruch zu beamtenrechtlichen Vorschriften oder wegen enger Verbindung zum Nationalsozialismusdurchgefhrt wurden, sowie ber die Krzung des Witwengeldes wegen besonders groen Altersunterschiedes derEheleute.

    c) Die Gesamtregelung des G 131 verletzt nach Ansicht der Beschwerdefhrer das Grundrecht der Gleichheit vordem Gesetz, weil die vllig abweichende Behandlung des unter Art. 131 GG fallenden Personenkreises imVergleich mit den aktiven Beamten auf Willkr beruhe. Besonders kra sei das Miverhltnis bei Pensionen undHinterbliebenenbezgen; denn die "Einheimischen" erhielten volle Pensionen und Hinterbliebenenbezge,whrend die Ansprche der Verdrngten deshalb gekrzt wrden, weil sie ihre Bezge frher von Kassenauerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes erhalten htten. Die amtsentfernten Mitlufer und Entlastetenseien willkrlich schlechter gestellt gegenber denjenigen Mitlufern und Entlasteten, die entweder gar nicht vomAmt entfernt seien oder wiederverwendet wrden.

    Auch durch die 7 und 40 G 131 werde der Gleichheitsgrundsatz verletzt.

    Innerhalb des G 131 wird - zum Teil aus sich widersprechenden Grnden - eine Verletzung des Grundrechts ausArt. 3 GG darin gesehen, da die einzelnen betroffenen Gruppen im Verhltnis zueinander ungleich behandeltseien: einige Beschwerdefhrer fhlen sich dadurch benachteiligt, da das G 131 nicht smtliche betroffenen

    Personen vllig gleichstelle, da insbesondere verschiedenartige Landesregelungen zugelassen wrden; andereBeschwerdefhrer folgern eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes daraus, da die fr die einzelnen Gruppengeltenden Bestimmungen zu sehr einander angeglichen und frhere Sondermerkmale, wie etwa diejenigen derUniversittslehrer, nicht gebhrend bercksichtigt worden seien. Insbesondere wird in der Benachteiligung deramtsentfernten Mitlufer und Entlasteten gegenber den amtsentfernten "Nichtbetroffenen" ( 62 Abs. 3 G 131) ein

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    BVerfG, 17.12.1953 - 1 BvR 147/52 (http://opinioiuris.de)

    Versto gegen Art. 3 Abs. 1 und 3 GG gesehen.

    Auch die Festsetzung eines Stichtages gem 4 Abs. 1 Nr. 1 und die Beschrnkung der Gleichstellung gem 4 Abs. 2 G 131 verstt nach Ansicht des Beschwerdefhrers zu 2 gegen das Grundrecht der Gleichheit vor demGesetz.

    d) Einige Beschwerdefhrer sehen in der Bestimmung des 77 G 131 einen Versto gegen Art. 19 Abs. 4 GG.

    e) Eine Verletzung der Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG soll sich daraus ergeben, da das G 131 unmittelbarbestimmte Beamtenrechte vllig oder teilweise entziehe, obgleich derartige Manahmen nur durch richterlicheStraf- oder Disziplinarurteile angeordnet werden drften. Auerdem verhnge das G 131 Strafen wegen einesVerhaltens, dessen Strafbarkeit zuvor nicht gesetzlich bestimmt gewesen sei (Art. 103 Abs. 2 GG). Endlich ergebesich eine Doppelbestrafung und somit ein Versto gegen Art. 103 Abs. 3 GG daraus, da die Nachteile des 7 G131 auch solche Beamten trfen, gegen die bereits im Entnazifizierungsverfahren Shnemanahmen verhngtworden seien.

    4. Die Beschwerdefhrer sind der Ansicht, da das ganze G 131 verfassungswidrig und nichtig sei, mindestensaber die im einzelnen bezeichneten Bestimmungen verfassungswidrig und daher nichtig seien. Sie beantragen,das Gesetz oder die angegriffenen Einzelbestimmungen gem 95 Abs. 3 BVerfGG fr nichtig zu erklren.

    IV.

    Der Ehemann der Beschwerdefhrerin zu 34, die zur Zeit in Berchtesgaden wohnt, war Studienassessor imSudetenland; er ist am 30. Juli 1941 in Ruland gefallen. Die Beschwerdefhrerin erhielt zunchstVersorgungsbezge nach den Bestimmungen des Deutschen Beamtengesetzes und 27 a des Frsorge undVersorgungsgesetzes fr die ehemaligen Angehrigen der Wehrmacht bei besonderem Einsatz und ihreHinterbliebenen vom 6. Juli 1939 (RGBl. I S. 1217) in der Fassung des Gesetzes zur nderung und Ergnzung desEinsatzfrsorge- und - versorgungsgesetzes vom 20. August 1940 (RGBl. I S. 1166; im folgenden: EWFVG). NachInkrafttreten des G 131 bezieht sie Hinterbliebenenbezge nach 49. Da diese Bestimmung in Verbindung mit 29 G 131 auf den Abschnitt VIII des Deutschen Beamtengesetzes verweist, werden der Beschwerdefhrerin seit

    dem 1. April 1951 die sich aus 27 a EWFVG ergebenden hheren Betrge nicht gezahlt. Ihr Armenrechtsgesuchzur Klage auf Zahlung hherer Bezge ist durch Beschlu des Landgerichts in Mnchen vom 20. August 1952 - 9OH 44/1952 - abgelehnt, ihre Beschwerde durch das Oberlandesgericht in Mnchen vom 21. Oktober 1952 - 1 W1341-52 - zurckgewiesen worden. Nach Erschpfung des Rechtsweges im Armenrechtsverfahren hat dieBeschwerdefhrerin rechtzeitig Verfassungsbeschwerde eingelegt. Sie ist der Ansicht, da der Ausschlu derAnwendung des 27 a EWFVG durch das G 131 und die dadurch bedingte nachtrgliche Krzung ihrer Bezgewegen Verstoes gegen Art. 3 und 14 Abs. 1 GG verfassungswidrig sei; durch Anwendung derverfassungswidrigen Bestimmungen htten die Gerichtsbeschlsse ihre Grundrechte verletzt. DieBeschwerdefhrerin beantragt daher, die angefochtene Entscheidung gem 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben.

    V.

    Die Beschwerdefhrer zu 12, 13, 15 bis 22 und 24 bis 33 haben ferner Verfassungsbeschwerde gegen 1 desBayer. G zu Art. 131 GG erhoben, mit dem Antrage, diese Vorschrift insoweit fr nichtig zu erklren, als siebestimmt, da die 5, 6, 35, 77 Abs. 1 G 131 in Verbindung mit den 2-15 des bayerischen Gesetzes auf dieplanmigen ordentlichen und auerordentlichen Professoren und die Privatdozenten und auerplanmigenProfessoren an den bayerischen wissenschaftlichen Hochschulen Anwendung finden.

    Zur Begrndung tragen die Beschwerdefhrer vor: Das Bayer. G zu Art. 131 GG gehe in 1 davon aus, da das G131 die durch die Eigenart des Berufs bedingten Rechte der Hochschullehrer vernichtet habe. Soweit daher 5,6, 35 und 77 Abs. 1 G 131 in ihrer Anwendung auf die Hochschullehrer grundgesetzwidrig seien, gelte das auch frdie entsprechenden bayerischen Bestimmungen. Soweit sie also die Auerdienststellung und die Versetzung inden Ruhestand ( 4 und 11) und das Verbot der Nachzahlung ( 8 Abs. 2 Satz 1) betrfen, verstieen sie gegen

    Art. 3 Abs. 1 und 3, Art. 14, Art. 33 Abs. 5 und Art. 139 GG.

    VI.

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  • 8/13/2019 Urteil BVerfG vom 17.12.1953 - Keine Beamte

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    BVerfG, 17.12.1953 - 1 BvR 147/52 (http://opinioiuris.de)

    Nach 94 BVerfGG hat das Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung, dem Bundestag und Bundesrat,ferner den Landesregierungen von Bayern und Hessen, dem Bayerischen Landtag und dem BayerischenStaatsministerium der Justiz Gelegenheit zur uerung gegeben. Die Bundesregierung, die beidenLandesregierungen und das Bayerische Staatsministerium der Justiz haben von dieser Mglichkeit Gebrauchgemacht. Sie sind dem Standpunkt der Beschwerdefhrer mit Rechtsausfhrungen entgegengetreten.

    In der mndlichen Verhandlung waren die Bundesregierung, die Bayerische Landesregierung sowie smtliche

    Beschwerdefhrer auer denen zu 2, 6, 7 und 34 vertreten.

    B.

    I.

    Die Verfassungsbeschwerden gegen das G 131 sind zulssig.

    1. Aus den Ausfhrungen der Beschwerdefhrer ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, da sie behauptenwollen, durch das Gesetz jedenfalls in ihren Grundrechten aus Art. 3 und 14 GG verletzt zu sein. Das reicht fr dieZulssigkeit der Verfassungsbeschwerden aus, ohne da schon hier geprft zu werden braucht, ob nach dem

    Vortrag der Beschwerdefhrer auch die Verletzung anderer Grundrechte in Betracht kommen knnte. Bei dermateriell-rechtlichen Prfung der einzelnen Verfassungsbeschwerden wird zu beurteilen sein, ob sonstige von denBeschwerdefhrern bezeichnete Grundrechte durch das G 131 verletzt sind.

    2. Ein Versto gegen andere als die in 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Bestimmungen des Grundgesetzes kanngrundstzlich mit der Verfassungsbeschwerde nicht gergt werden. Soweit jedoch die Beschwerdefhrer imZusammenhang mit der Rge der Verletzung von Grundrechten solche Verste behaupten, kann ihr Vorbringenals Anregung an das Bundesverfassungsgericht behandelt werden, von Amts wegen zu prfen, ob eine Norm,durch die sie sich in ihren Grundrechten verletzt fhlen, auch wegen eines anderen Verstoes gegen dasGrundgesetz nichtig sei (vgl. BVerfGE 1, 264 [271]).

    3. Die Verfassungsbeschwerden rgen eine unmittelbare und gegenwrtige Grundrechtsverletzung durch Gesetz(vgl. BVerfGE 1, 97 [103]). Dies folgt aus dem Hinweis der Beschwerdefhrer auf 77 G 131.

    4. Bedenken gegen die Zulssigkeit der Verfassungsbeschwerde Ho. knnen deshalb bestehen, weil dieBeschwerdefhrerin zur Verfolgung ihrer vermeintlichen, durch das G 131 betroffenen Ansprche bereits denVerwaltungsrechtsweg beschritten, das angerufene Gericht jedoch das Verfahren mit Rcksicht auf dieVerfassungsbeschwerde ausgesetzt hat.

    Solange ein Proze vor einem Gericht schwebt, besteht grundstzlich kein Rechtsschutzinteresse fr eineVerfassungsbeschwerde gegen eine Norm, deren Verfassungsmigkeit in dem gerichtlichen Verfahren zu prfenist. Ist jedoch bereits eine Verfassungsbeschwerde gegen diese Norm beim Bundesverfassungsgericht anhngig,so handelt das Prozegericht schon aus Grnden der Prozekonomie richtig, wenn es das bei ihm anhngigeVerfahren aussetzt. Dadurch wird einmal vermieden, da auch das Prozegericht neben demBundesverfassungsgericht die Frage der Verfassungsmigkeit der betreffenden Norm prfen mu. Darberhinaus wird den Beteiligten am Prozeverfahren die Mglichkeit gegeben, sich der anhngigenVerfassungsbeschwerde gleichen Inhalts alsbald anzuschlieen. Das wre nicht der Fall, wenn das Gericht - beiAnnahme der Verfassungswidrigkeit gem Art. 100 Abs. 1 GG verfahren oder - bei Annahme derVerfassungsmigkeit - ein Endurteil erlassen wrde. Die Beteiligten am Prozeverfahren knnten dadurch mitihrem Vorbringen in dem beim Bundesverfassungsgericht anhngigen Verfahren ausgeschlossen und dasBundesverfassungsgericht knnte gehindert werden, ihren mglicherweise gewichtigen und erheblichen Sach- undRechtsvortrag bei seiner grundstzlichen Entscheidung ber die bereits anhngige Verfassungsbeschwerde mit zubercksichtigen.

    Aus diesem Grunde mu in derartigen besonders gelagerten Fllen ein Rechtsschutzinteresse fr die

    Verfassungsbeschwerde trotz des anhngigen gerichtlichen Verfahrens bejaht werden. DieVerfassungsbeschwerde Ho. ist daher zulssig.

    5. Whrend des Verfahrens ist das G 131 durch das Bundesbeamtengesetz und das Erste nderungsgesetz inzahlreichen Bestimmungen - zum Teil mit rckwirkender Kraft - gendert worden. Dadurch haben sich jedoch die

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  • 8/13/2019 Urteil BVerfG vom 17.12.1953 - Keine Beamte

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    BVerfG, 17.12.1953 - 1 BvR 147/52 (http://opinioiuris.de)

    Verfassungsbeschwerden auch nicht insoweit erledigt, als sie die ursprngliche inzwischen genderte Fassung desG 131 betreffen. Denn materiell werden sowohl die nderungen durch das Bundesbeamtengesetz als auch diemeisten nderungen durch das Erste nderungsgesetz erst vom 1. September 1953 an wirksam, so da eine inder Vergangenheit liegende etwaige Grundrechtsverletzung durch die nderungsgesetze nicht beseitigt wordenwre.

    6. Smtliche Verfassungsbeschwerden sind auch rechtzeitig erhoben, da die Jahresfrist zur Anfechtung des

    rckwirkend in Kraft getretenen G 131 erst mit dem Zeitpunkt seiner Verkndung beginnt (vgl. BVerfGE 1, 415).

    II.

    Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdefhrerin zu 34 gegen den Beschlu des Landgerichts Mnchen istnach Erschpfung des Rechtswegs im Armenrechtsverfahren zulssig und rechtzeitig erhoben. Eine unmittelbareVerfassungsbeschwerde gegen das G 131 konnte die Beschwerdefhrerin wegen Fristablaufs nicht erheben.

    III.

    Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdefhrer zu 12 bis 33 ist auch insoweit zulssig, als sie sich gegen 1des Bayer. G zu Art. 131 GG richtet. Denn die Beschwerdefhrer haben hinreichend deutlich behauptet, da siedurch diese Bestimmung unmittelbar in ihren Grundrechten aus Art. 3 und 14 GG verletzt seien.

    C.

    Die unmittelbar gegen das G 131 gerichteten Verfassungsbeschwerden sind nicht begrndet.

    I.

    1. Die Beschwerdefhrer, die am 8. Mai 1945 als Beamte im aktiven Dienst standen, gehen davon aus, da ihrBeamtenverhltnis ber diesen Zeitpunkt hinaus Bestand hatte. Das Bundesverfassungsgericht ist zu derberzeugung gelangt, da diese Auffassung nicht zutrifft.

    a) Aus dem Wortlaut des Art. 131 GG ist fr die Beantwortung der Frage nichts zu gewinnen. Denn aus derTatsache, da der Verfassungsgesetzgeber von Personen spricht, die am 8. Mai 1945 im ffentlichen Dienststanden, kann nicht geschlossen werden, da er das Fortbestehen dieser Dienstverhltnisse ber den 8. Mai 1945hinaus annahm; ebensowenig ist der Schlu zwingend, der Gesetzgeber habe die Fortdauer derDienstverhltnisse ber den 8. Mai 1945 hinaus fingieren wollen. Da mit dem Ausdruck "Regelung derRechtsverhltnisse" nicht schlechthin eine Regelung (bestehen gebliebener) ffentlich-rechtlicherDienstverhltnisse gemeint sein kann, ergibt sich schon daraus, da Art. 131 GG nach einhelliger Auffassung auchsolche Personen betrifft, die niemals in einem Dienstverhltnis zum Deutschen Reich oder zu einemffentlich-rechtlichen Dienstherrn im Deutschen Reich gestanden haben.

    Die Sperrvorschrift des Art. 131 Satz 3 GG, wonach bis zum Inkrafttreten des AusfhrungsgesetzesRechtsansprche nicht geltend gemacht werden knnen, hat nur prozessualen Charakter. Aus ihr kann deshalbnicht geschlossen werden, da der Gesetzgeber das Bestehen solcher Ansprche habe anerkennen wollen.

    b) Auch die Entstehungsgeschichte des Art. 131 GG und des G 131 bringt keine Klarheit.

    aa) Im Parlamentarischen Rat wurde zwar die Frage errtert, ob die frheren Beamtenverhltnisse ber denZusammenbruch hinaus fortbestanden haben. Eine einheitliche Auffassung hierber konnte jedoch nicht erzieltwerden. Zunchst verlangte ein Antrag der Deutschen Partei (Nr. 48 Drs. 442), da "die Rechte derBerufsbeamten, die vor dem 8. Mai 1945 in ein Beamtenverhltnis nach dem Deutschen Beamtengesetz vom 26.

    Januar 1937 (RGBl. I S. 39) berufen worden sind und wider Willen ausscheiden muten oder bisher keineVerwendung mehr gefunden haben, unter Einschlu der Wehrmachtsbeamten, sowie die Rechte der ehemaligenBerufssoldaten und der Hinterbliebenen dieser Personengruppen ... im Rahmen des Art. 129 der Verfassung desDeutschen Reiches vom 11. August 1919 geschtzt" bleiben sollten. Dieser Antrag, der offenbar das Fortbestehender Beamtenrechte unterstellte, sie jedoch fr die Zukunft nur im Rahmen der "wohlerworbenen Rechte"im Sinne

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  • 8/13/2019 Urteil BVerfG vom 17.12.1953 - Keine Beamte

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    BVerfG, 17.12.1953 - 1 BvR 147/52 (http://opinioiuris.de)

    des Art. 129 WRV schtzen wollte, wurde nicht angenommen. Ein dem Parlamentarischen Rat berreichterVorschlag des Beamtenschutzbundes wollte "die auf Grund der bisherigen Gesetze bestehende Rechtslage derffentlichen Bediensteten, die sich vor dem 8. Mai 1945 im Dienst, im Wehrmachtsverhltnis oder im Ruhestandbefanden, sowie ihrer Hinterbliebenen ... wahren" jedoch Einschrnkungen durch Bundesgesetz zulassen, "die sichauf Grund des Zusammenbruchs oder seiner Folgewirkungen als unbedingt erforderlich erweisen"sollten. Auchdiese Anregung fand jedoch keine Untersttzung. Der Redaktionsausschu des Parlamentarischen Rates schlugmit der Drucksache Nr. 374 vom 16. Dezember 1948 eine Bestimmung vor, die ein Recht auf Wiedereinstellung

    ausdrcklich versagte und die Regelung der vermgensrechtlichen Ansprche einem Bundesgesetz berlie.

    Das gesamte Problem wurde ausfhrlich in der 30. Sitzung des Organisationsausschusses vom 13. Januar 1949errtert. Hierbei wies der Abgeordnete Dr. Dehler (S. 54) zur ratio des Entwurfs darauf hin, da der Beamte einendoppelten Anspruch, auf das Amt und auf das Gehalt, habe. Es solle ganz allgemein geklrt werden, da"niemand, der am 8. Mai 1945 Beamter und am Ende Beamter Hitlers war, ... einen Anspruch auf das Amt" habe,da "aber seine vermgensrechtlichen Ansprche ... auf diesem Wege irgendwie geregelt werden" sollten. DerAbgeordnete Mcke sprach sich dahin aus, da man von einer "Wiedereinstellung" nicht reden knne, da dieBeamtenrechte in der Regel nicht untergegangen seien. Auf seinen Vorschlag einigte man sich dahin, durch eineRahmenvorschrift im Grundgesetz die Regelung der Rechtsverhltnisse einem Bundesgesetz zu berlassen,jedoch die Frage der Wiedereinstellung nicht ausdrcklich zu erwhnen. Dementsprechend legte einUnterausschu einen Entwurf vor, der im wesentlichen der endgltigen Fassung entsprach und in den folgenden

    Beratungen durch Bercksichtigung der Flchtlinge, der Angestellten und Arbeiter sowie durch Aufnahme einerSperrvorschrift fr die gerichtliche Geltendmachung ergnzt wurde.

    In der folgenden 40. Sitzung des Hauptausschusses vom 14. Januar 1949 betonte der Abgeordnete Dr. Lehr(StenBer. S. 493), da zu der in der Beamtenschaft entstandenen Beunruhigung kein Anla vorliege, da dievorgesehene Fassung jedoch auf die Vermeidung einer untragbaren finanziellen Belastung des Bundes Rcksichtnehme. Der Sachverstndige Dr. Ringelmann hob hervor, da die von der Militrregierung aus dem Dienstentfernten Personen in der amerikanischen Besatzungszone keinen Anspruch auf Wiedereinstellung htten, da sienach der Kontrollrats- Direktive Nr. 24 aller ihrer Rechte verlustig gegangen seien und die Militrpersonen aufGrund des Kontrollratsgesetzes Nr. 34 ihre Rechtsansprche verloren htten. Der Abgeordnete Zinn wiesinsbesondere darauf hin, da die Beamten vor dem 8. Mai 1945 in einem persnlichen Treueverhltnis zu Hitlergestanden htten, so da ein Anspruch auf Wiedereinstellung nicht anerkannt werden knne und invermgensrechtlicher Hinsicht nur ein Ausgleich in Betracht komme.

    Fr die dritte Lesung des Hauptausschusses empfahl der Allgemeine Redaktionsausschu (Drs. 543 vom 25.Januar 1949) erneut, ein Recht auf Wiedereinstellung ausdrcklich zu versagen und andere Ansprche aus einerBeschftigung im ffentlichen Dienst vor dem 8. Mai 1945 durch Bundesgesetz "neu" regeln zu lassen. Hiermitseien alle auf eine Beschftigung im ffentlichen Dienst vor dem 8. Mai 1945 gegrndeten Ansprche erfat,gleichgltig, ob das Dienstverhltnis am 8. Mai 1945 oder vor diesem Zeitpunkt erloschen sei. Entgegen diesemVorschlag verblieb es im Ergebnis bei der ursprnglichen Fassung des Organisationsausschusses.

    bb) Die Bundesregierung fhrt in der Begrndung zum Entwurf des G 131 aus, da die betroffenen Personen ihrAmt oder ihren Arbeitsplatz verloren htten, "ohne da ihr Dienst- oder Arbeitsverhltnis rechtsgltig beendetworden wre". Sie knnten jedoch "nach der derzeitigen Rechtslage keine Ansprche aus ihrem Dienst- oderArbeitsverhltnis geltend machen, teils weil der Dienstherr weggefallen und kein Rechtsnachfolger an seine Stellegetreten ist, teils weil die Wirkungen der Anordnungen der Militrregierungen noch fortbestehen". Aus diesenGrnden msse der Entwurf "an die Rechtslage anknpfen, die am 8. Mai 1945 bestand". Damit sei aberkeineswegs gesagt, da die in der Zwischenzeit eingetretenen Ereignisse nicht bercksichtigt werden drften. Frden Fall des Amtsverlusts infolge Behrdenauflsung sehe schon 43 DBG vor, da die entbehrlich werdendenBeamten in den Wartestand versetzt werden knnten. Diese Regelung fr einen im normalen Staatsleben uerstseltenen Fall knne jedoch fr die zahllosen nach dem Zusammenbruch ihres Amtes beraubten Beamten nichtangewendet werden. Daher sei der besondere Rechtsstand der "Auerdienststellung" - spter im Gesetz alsRechtsstand "zur Wiederverwendung" bezeichnet geschaffen worden; er bringe zum Ausdruck, da dasBeamtenverhltnis noch nicht beendet sei, der Beamte aber kein Amt innehabe und keinen Dienst verrichte.

    cc) Bei der Beratung des G 131 im Ausschu fr Beamtenrecht und im Plenum des Bundestages wurde dasFortbestehen der Dienstverhltnisse des betroffenen Personenkreises unterstellt und in erster Linie die Frageerrtert, ob der Auftrag des Grundgesetzes eine "konstitutive" Regelung, also eine vllige Neugestaltung derRechtsverhltnisse zulasse oder nicht.

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  • 8/13/2019 Urteil BVerfG vom 17.12.1953 - Keine Beamte

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    Im Beamtenrechtsausschu wurde die Auffassung vertreten, "da eine Entscheidung, ob die Regelung gem Art.131 GG deklaratorischen oder konstitutiven Charakter haben solle, von der Beantwortung der Frage, ob der BundRechtsnachfolger des Reiches ist, abhngt" (Protokoll Nr. 16 S. 3). Hierber konnte keine einhellige Meinungerzielt werden. Der Vertreter des Bundesinnenministeriums machte daher den Vorschlag, "im vorliegenden Falleder angelschsischen Gesetzgebungstradition zu folgen und von einer Festlegung durch eine prinzipielleEntscheidung ber die frheren Rechtsansprche des betroffenen Personenkreises abzusehen" (a.a.O. S. 6). Inder gemeinsamen Sitzung des Ausschusses fr Beamtenrecht und des Ausschusses fr Heimatvertriebene vom

    21. September 1950 (Protokoll Nr. 41 des 25. Ausschusses) wurde erneut die Frage errtert, ob derBundesgesetzgeber die Rechtsverhltnisse der betroffenen Personen konstitutiv oder deklaratorisch zu regelnhabe. Staatssekretr Ritter von Lex, der Vertreter des Innenministeriums, vertrat die Ansicht, da die Mehrzahl derunter Art. 131 GG fallenden Personen Ansprche nur gegen das Reich, nicht aber gegen den Bund habe, weshalbihre Rechtsverhltnisse konstitutiv zu regeln seien (a.a.O. S. 3). Demgegenber machten die Abgeordneten Dr.Kather, Dr. Kleindinst und Mcke (a.a.O. S. 3/4) geltend, da der Bundesgesetzgeber nur zu einerdeklaratorischen Regelung befugt sei, da Art. 131 GG das Fortbestehen der ffentlich-rechtlichenDienstverhltnisse unterstelle. Die Abgeordneten Dr. Wuermeling und Dr. Kather stellten schlielich fest, es seienPersonengruppen mit und ohne Rechtsanspruch gegen den Bund vorhanden; wenn man alle Personengruppengleich behandeln wolle, so sei eine Errterung der Rechtsfrage berflssig (a.a.O. S. 4).

    Im Plenum des Bundestages war man berwiegend der Ansicht, da Art. 131 GG den Bundesgesetzgeber zu

    einer konstitutiven Regelung ermchtigt habe; dabei wurde die Frage der bereinstimmung der neuen Vorschriftenmit den Grundrechten nicht nher errtert. Der Bundesminister des Innern, Dr. Heinemann, erklrte bei der erstenLesung des Gesetzentwurfs (Verhandlungen des Deutschen Bundestages, I. Wahlperiode, S. 3142 ff.), dieBundesregierung sei der Ansicht, da der Parlamentarische Rat die Ansprche der verdrngten Beamten undWehrmachtsangehrigen nicht materiell geregelt, also weder aberkannt noch anerkannt habe (a.a.O. S. 3143). DerBundesgesetzgeber habe deshalb die Ansprche des betroffenen Personenkreises konstitutiv zu regeln. Von derMinderheit wurde dagegen geltend gemacht, da das "Deutsche Beamtengesetz von 1937 noch in Kraft" sei, daalso jeder, der einmal Beamter gewesen sei, es auch heute noch "mit allen Rechten und Pflichten" sei (Dr. Richteralias Rsler, a.a.O. S. 3146), oder da die betroffenen Personen einen "Rechtsanspruch und durchauswohlerworbene Rechte" htten (Abgeordneter von Thadden, a.a.O. S. 3159). In der zweiten Beratung (a.a.O. S.4985) bemerkte der Berichterstatter Abg. Dr. Kleindinst zu den grundstzlichen Fragen folgendes:

    "... Der Ausschu hat bei seinen Beratungen auch die Rechtsfragen gewrdigt, die in der ffentlichenErrterung der Aufgabe besonders im Schrifttum, in Denkschriften und in Gutachten Gegenstand derAuseinandersetzung und der Klrung gewesen sind, so die Frage der Identitt von Bund und Reich, derRechtsnachfolge des Bundes gegenber dem Reich, der Fortgeltung des Versorgungsrechtes aufgelsterEinrichtungen und Krperschaften wie der ehemaligen Wehrmacht, des Reichsarbeitsdienstes und desReichsnhrstands, der Rechtswirkung der beamtenrechtlichen Staatsakte der ehemaligennationalsozialistischen Reichsregierung und der deklaratorischen oder konstitutiven Aufgabe des Art. 131des Grundgesetzes.

    Der Ausschu hat jedoch die Stellungnahme zu diesen Rechtsfragen nicht als ausschlieliche Grundlagefr seine Beschlsse nehmen knnen. Dieser Verzicht war um so mehr geboten, als die Entscheidung derzum Teil stark umstrittenen Fragen die praktische Lsung der gestellten gesetzgeberischen Aufgabe nichtermglicht htte. Denn die Bejahung der Identitt von Bund und Reich lst die gestellten Fragen nichtunbedingt hinsichtlich der ffentlichen Bediensteten der Restverwaltungen des Landes Preuen, derGemeinden, Gemeindeverbnde und der Nichtgebietskrperschaften, und sie trgt nichts bei zu denFolgerungen, die sich fr die Wiederverwendung und die bernahme der finanziellen Lasten durch dieVernderungen in der Zustndigkeit durch das Grundgesetz ergaben. ... Das Besoldungs- undVersorgungsrecht ist fr die personellen Voraussetzungen eines regelmigen und geordneten Ablaufs derstaatlichen Aufgaben vorgesehen, nicht aber fr den Verlust von Verwaltungsgebieten, Dienstherren undBehrden grten Ausmaes und fr die Folgen des Unterganges groer Einrichtungen undKrperschaften. Die Beurteilung der rechtlichen Folgen von Staatsakten einer Diktatur auf dem Gebiete desPersonalwesens, besonders in den Jahren des Krieges und der beginnenden Katastrophe, ist mit den

    Mastben des Verfassungs- und Rechtsstaates von heute nur mehr bedingt mglich.... Bei dem starken Gegensatz, der zwischen der groen Zahl wiederzuverwendender oder zu versorgenderffentlicher Bediensteter und den durch die Folgen der Katastrophe von 1945 ohnedies berlastetenfinanziellen Krften der Bundesrepublik besteht, ist eine volle Erfllung der durch die nationalsozialistische

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    Regierung fr ganz andere politische und wirtschaftliche Voraussetzungen und Hoffnungen begrndetenAnsprche oder verheienen Leistungen nicht mglich ..."

    In der dritten Beratung nahmen insbesondere die Abgeordneten Dr. Wuermeling, Dr. Nowack und Dr. Reif zu demhier errterten Problem grundstzlich Stellung.

    Abgeordneter Dr. Wuermeling fhrte aus (a.a.O. S. 5089):

    "... Die Tatsache, die den Gesetzesauftrag des Art. 131 des Grundgesetzes notwendig machte, ist derZusammenbruch von 1945 mit seinen nur allzu bekannten Auswirkungen. Das hier geregelte Gebiet betriffteinen Teilausschnitt aus dem Chaos des Unrechts und der Ungerechtigkeit, das uns vom sogenanntenDritten Reich als schicksalsgeschlagenen Erben hinterlassen wurde. ...

    Man kann dieses Gesetz nicht ganz losgelst von allen diesen drngenden Nachkriegsproblemen sehen,und in dieser Verbundenheit mit der Gesamtheit der Nachkriegsprobleme liegt die eigentliche Problematikdieses Gesetzes begrndet. Als Mitglied desjenigen Ausschusses dieses Hauses, der sich nun sechsMonate lang unter Einsatz aller Krfte bemht hat, dem Personenkreis des Art. 131 nun endlich, endlich

    sein Recht werden zu lassen, darf ich mit besonderer Betonung darauf hinweisen, da wir dieses Gesetznicht ausschlielich unter formal-rechtlichen Gesichtspunkten sehen drfen, sondern da auch soziale,allgemeinpolitische, beamtenpolitische wie auch technische und nicht zuletzt auch finanzielleGesichtspunkte fr die Betrachtung und Beurteilung magebend sein mssen. Keine Schicht derBevlkerung kann fr sich das Recht in Anspruch nehmen, als einzige ihre Forderungen gegen diestaatliche Gemeinschaft hundertprozentig erfllt zu bekommen, whrend andere nicht weniger von derKatastrophe des Jahres 1945 betroffene Volkskreise ihre ebenfalls begrndeten Rechtsansprche nochnicht erfllt sehen oder sich mit Teilleistungen abfinden mssen. Sicherlich weisen die Staatsdiener, alsodie Behrdenbediensteten und die Berufssoldaten mit vollem Recht darauf hin, da sie als Staatsdienereinen urkundlich begrndeten Anspruch auf Erfllung der Treuepflicht auch seitens der staatlichenGemeinschaft haben und da selbst im Konkurs des Privatrechts die in einem Betrieb Beschftigtenbezglich ihrer Lohn- und Gehaltsforderungen bevorrechtet sind. Dieser Gesichtspunkt ist bei denBeratungen des Beamtenrechtsausschusses in einem solchen Ausma bercksichtigt worden, da es frmanchen nicht einfach sein wird, andere Volksschichten von der Richtigkeit des Ergebnisses derBeratungen, wie es Ihnen vorliegt, zu berzeugen. ..."

    Abgeordneter Dr. Nowack uerte sich wie folgt (a.a.O. S. 5094):

    "... Die FDP hat von Anfang an bei der Besprechung der rechtlichen Gestaltung dieses Gesetzes immerwieder zum Ausdruck gebracht, da sie den Art. 131 des Grundgesetzes nur insoweit als konstitutivaufgefat hat, als durch den Verlust des Krieges Verhltnisse eingetreten sind, deren Vorkommen unddamit auch Regelung in den bestehenden gesetzlichen Vorschriften fr Beamte und Berufssoldaten nichtvorgesehen war. Um nur zwei besonders gewichtige Punkte dieser Art anzufhren: derWartestandsparagraph des Deutschen Beamtengesetzes, der im wesentlichen fr die sogenanntenpolitischen Beamten als Ausnahmebestimmung in Frage kommt, konnte nicht auf Zehntausende vonBeamten Anwendung finden. Und das Wehrmachtfrsorge- und Versorgungsgesetz sah natrlich keineLsung vor fr den Fall, da die Wehrmacht in ihrer Gesamtheit an einem Tage entlassen wrde. Insoweit,aber auch nur insoweit mute also Art. 131 konstitutiv ausgelegt werden. Diese Notwendigkeit brauchteaber nicht zu verhindern, den Art. 131 soweit deklaratorisch aufzufassen, als er auf den bestehendenGesetzen aufbaute ..."

    Abgeordneter Dr. Reif bemerkte (a.a.O. S. 5108):

    "Da, wie wir eben gehrt haben, auch im Hause offensichtlich die Auffassung vertreten wird, da das Rechtdes Gesetzes ber Art. 131 nicht konstitutiv sei, sondern da es sich um eine Formulierung ltererAnsprche handeln knne, da auerdem die Interessenten vielfach diese Auffassung vertreten und auch

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    BVerfG, 17.12.1953 - 1 BvR 147/52 (http://opinioiuris.de)

    schon Prozesse angestrengt worden sind, lege ich Wert auf folgende Feststellung. Die Fassung der Formelfr das Berufsbeamtentum hatte in der ursprnglichen Formulierung den Ausdruck "unter Wahrung derhergebrachten Grundstze des Berufsbeamtentums" vorgesehen. ber diese Formulierung war imParlamentarischen Rat eine sehr lebhafte Diskussion entstanden, und wir haben, wie bei anderenschwierigen Fragen, in einem interfraktionellen Ausschu versucht, hier einen Weg zu finden. Ich habe beidieser sehr energisch gefhrten Diskussion im interfraktionellen Ausschu Herrn Professor Schmid gefragt,ob seine Fraktion grundstzlich das Institut des Berufsbeamtentums verneine oder ob es ihm nur darauf

    ankomme, nicht ohne weiteres Rechtsansprche aus dem Dritten Reich zu bernehmen, wie wir es ja inden Lndern vielfach erlebt haben, da auf dem Klagewege das Recht am Amt geltend gemacht und sogarerfllt wurde. Es ist daraufhin - Herr Professor Schmid bejahte mir, da es ihm nur auf die Frage derKontinuitt ankomme - beschlossen worden, den Ausdruck "unter Wahrung der hergebrachten Grundstze"zu ndern in den Ausdruck "unter Bercksichtigung der hergebrachten Grundstze". Unter dieserVoraussetzung ist die Formel im Grundgesetz zustande gekommen. Es ist gar kein Zweifel darber, dader Verfassungsgesetzgeber den Willen gehabt hat, die Kontinuitt der Rechte nicht zuzulassen, sondernda alles, was in bezug auf die Beamtenrechte im Grundgesetz und in weiteren Gesetzen ausgesprochenwird, neues Recht ist. Ich lege Wert darauf, bei dieser Gelegenheit diese Feststellung zu treffen, damit keinIrrtum ber den Willen des Verfassungsgesetzgebers hier im Hause und bei eventuellen Versuchen, dieRechtsprechung im Sinne bestimmter Interessen in Anspruch zu nehmen, mehr mglich ist."

    Die Entstehungsgeschichte ergibt danach, da im Parlamentarischen Rat und im Bundestag keine Klarheit berdas Fortbestehen der frheren Beamtenverhltnisse erzielt wurde.

    c) Eine Antwort auf die Frage, ob die Auffassung der Beschwerdefhrer vom Weiterbestehen ihrer Rechte richtigist, lt sich nur gewinnen, wenn man die Ereignisse vom Mai 1945 in ihrer politisch-historischen und in ihrerstaatsrechtlichen Bedeutung erkennt und dann prft, ob die Annahme des unvernderten Weiterbestehens derRechte der Beamten sich mit dem so gewonnenen Bilde vereinbaren lt.

    Eindringender Betrachtung ergibt sich dabei alsbald, da eine Auffassung, die hier lediglich von einem "Wechselder Staatsform" sprechen und daraus "nach anerkannten Regeln des Staatsrechts" ein Weiterbestehen derBeamtenrechte folgern mchte, an der Oberflche der Dinge haften bleibt. Sie verharmlost die Ereignissehistorisch-politisch, und sie verfhrt auch methodisch unzulssig; denn die Einordnung eines staatsrechtlichrelevanten Sachverhalts unter einen Rechtsbegriff kann nur auf Grund einer unmittelbaren und umfassendenAnschauung der tatschlichen Verhltnisse und des politischen Zusammenhangs, in dem sie stehen, richtigvollzogen werden. Es ist nicht angngig, in einer vom Ergebnis her bestimmten Betrachtungsweise vorschnelleinen staatsrechtlichen Begriff anzuwenden, der fr ganz andere politische Vorgnge geprgt ist, um dann dieerwnschten Folgerungen daraus in Form eines scheinbar logischen Schlusses zu ziehen.

    Mit der Vorstellung, da der Staat parteipolitisch neutral sein und den in ihm sich bewegenden und bekmpfendenpolitischen und gesellschaftlichen Mchten gleiche Chancen zur Mitwirkung bei der politischen Willensbildungeinrumen msse, hat der Nationalsozialismus in Deutschland endgltig brechen wollen. Er sieht im Staat nur eineMachtapparatur im Dienst "des Volkes"; da aber der Volkswille nur von einer einzigen politischen Partei bestimmtund dargestellt wird, ist der Staat praktisch ihr Werkzeug, und das bedeutet in Wirklichkeit das Werkzeug des sieunumschrnkt beherrschenden politischen Fhrers. Nicht nur Verwaltung und Gesetzgebung sind Teile despolitischen Fhrungsapparates. Es wurde sogar behauptet, da aus dem "politischen Fhrungsauftrag desFhrers" auch seine Eigenschaft als oberster Gerichtsherr folge. Handlungen, die er als politischer Fhrervornahm, konnten so als "hchste Justiz" gewertet werden (so fr die Morde am 30. Juni 1934: Carl Schmitt, DJZ1934, 947). So wurde der Staat zur Diktatur, in der der mit schrankenloser Machtflle ausgestattete Parteifhrerden staatlichen Machtapparat, den er gleichzeitig technisch zu seinen uersten Mglichkeiten anspannte, zurDurchsetzung seiner Plne beliebig in Bewegung setzte. Diese Entwicklung hat sich im Deutschen Reich nach1933 mit wachsender Schnelligkeit vollzogen. Der Grundsatz, da die (allein zugelassene) Partei dem Staatbefiehlt, ist frh verkndet und schon 1933 durch das Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staatgesetzlich bekrftigt worden. In den folgenden Jahren wurde alle staatliche Ttigkeit immer schrfer undeindeutiger nach der Ideologie des Nationalsozialismus "ausgerichtet", die Verbindung des Staates mit der NSDAP

    immer mehr, auch institutionell, verfestigt. Der Fhrererla vom 12. Dezember 1942 (RGBl. I S. 733) stellte dieNSDAP organisatorisch unabhngig neben - und das heit hier ber - den Staat; ihre Rechtsstellung bestimmtesich nur noch durch die ihr von Hitler gestellten Aufgaben und nach Parteirecht. Der Staat war nun wirklich nurnoch ein Machtapparat im Dienste der NSDAP.

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  • 8/13/2019 Urteil BVerfG vom 17.12.1953 - Keine Beamte

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    BVerfG, 17.12.1953 - 1 BvR 147/52 (http://opinioiuris.de)

    Den so geschaffenen und in den Dienst einer einzigen politischen Richtung gestellten zentralen Machtstaat fhrteHitler zur Durchsetzung seiner politischen Ziele in den Krieg gegen fast alle Gromchte der Welt. Als derenKriegsziel ergab sich so von selbst nicht die "einfache" militrische Besiegung des Reiches, sondern die"endgltige Vernichtung der nationalsozialistischen Tyrannei" (so bereits Ziffer 6 der Atlantik-Charta, ebenso dieErklrung von Yalta und die Mitteilung ber das Potsdamer Abkommen - ABl. KR, ErgBl. Nr. 1 S. 4 und 13 -), unddas heit bei der unlslichen Verbindung der NSDAP mit dem Deutschen Staat die vollstndige militrischeNiederwerfung und die Zerstrung der staatsrechtlichen Organisation dieses Staates. Nur so war es mglich, den

    Staat aus der Verbindung mit der nationalsozialistischen Bewegung zu lsen und ihn von unten nach oben imdemokratischen Sinne neu aufzubauen.

    Dieses Kriegsziel hatten die Alliierten am 8. Mai 1945 im wesentlichen erreicht; die militrische Kapitulationbesttigte nur den vollstndigen staatlichen Zusammenbruch (so die Viermchteerklrung vom 5. Juni 1945 - ABl.KR, ErgBl. Nr. 1 S. 7 -). In der Tat zeigt das an diesem Tage bestehende Bild - die vollstndige Besetzung desdeutschen Staatsgebiets, die Kapitulation der Wehrmacht, das Aufhren jeder staatlichen Verwaltungsttigkeit, dieAuflsung aller Einrichtungen und Organisationen der den Staat allein tragenden politischen Partei und schlielichder Tod des alle politische, militrische und staatliche Gewalt in sich vereinigenden Staatsfhrers - alle Merkmaleeiner Katastrophe, die in der neueren Geschichte ohne Beispiel ist.

    Zu diesem staatlichen Niederbruch trat eine wirtschaftliche und finanzielle Zerrttung ohnegleichen, da das Reich,

    unter dem nationalsozialistischen System des zunehmenden Staatskapitalismus und unter dem Zwange derKriegswirtschaft immer mehr zum grten Unternehmer und Arbeitgeber geworden, nun pltzlich handlungsunfhigwurde und als Wirtschaftssubjekt ausfiel. Groe Teile des Volksvermgens waren vernichtet. War schon durch dieAufrstung und fnfeinhalb Jahre "totaler Mobilmachung" das gesunde Gleichgewicht der deutschen Wirtschaftempfindlich gestrt, so da die Inflation nur noch durch stndig zunehmende zwangswirtschaftliche Manahmengewaltsam "zurckgestaut" wurde, so hatten vollends die umfangreichen Kriegszerstrungen bei Produktions- undVerkehrsanlagen - verbunden mit dem Ausfall von Millionen fr den Wirtschaftsproze unentbehrlicher Menschen-, zu einem unvorstellbaren wirtschaftlichen Substanzverlust gefhrt. Dieser Grad der Verarmung des deutschenVolkes lt sich kaum in einem umfassenden statistischen Bilde wiedergeben; aber auch schon die auf Grund vonSchtzungen ermittelten Schden und Verluste sind eindrcklich genug (vgl. etwa "Die deutsche Wirtschaft zweiJahre nach dem Zusammenbruch", herausgegeben vom Deutschen Institut fr Wirtschaftsforschung, 1947;Harmssen, Reparationen, Sozialprodukt, Lebensstandard, 1948, Heft 1 bis 4). Das einheitliche Wirtschaftsgebietdes Deutschen Reiches wurde auseinandergerissen, die deutsche Bevlkerung der abgetrennten Gebietezwangsweise und berstrzt in das verbleibende Gebiet bergefhrt. Ansprche gegen das Reich aus Vertrgenaller Art und aus Kriegs- und Vertreibungsschden konnten nicht mehr realisiert, mssen vielmehr zum groen Teilals endgltig verloren betrachtet werden. Die Notwendigkeit, die hierdurch eingetretenen gewaltigenVermgensverschiebungen wenigstens einigermaen auszugleichen, zwang in der Folge zu neuartigen undradikalen gesetzgeberischen Manahmen (Whrungsreform, Lastenausgleich).

    Bei dieser Sachlage knnten Zweifel aufkommen, ob nach dem 8. Mai 1945 das Deutsche Reich als Staatberhaupt noch bestand. Diese Zweifel sind von beachtlichen Stimmen zu einer die Staatsqualitt des Reichesverneinenden Lehre ausgebaut worden (Nawiasky, Die Grundgedanken des Grundgesetzes fr die BundesrepublikDeutschland, 1950, S. 7/8; Kelsen, The legal status of Germany according to the declaration of Berlin, in "TheAmerican Journal of International Law", Band 39, 1945, S. 518 f.). Diese Lehre konnte sich auf manche offiziellenuerungen und auf das tatschliche Verhalten der Alliierten sttzen, die in smtlichen Zonen auch bisherigeLnder als Staaten neu errichteten, ein Verfahren, das nur von der Annahme aus erklrbar ist, da jede deutscheStaatsgewalt erloschen sei. Sie konnte weiter fr sich geltend machen, da eines der drei "klassischen" Elementedes Staates, die Staatsgewalt, jedenfalls zunchst nicht mehr vorhanden gewesen sei, da die Regierung Dnitz,schon in ihrer formalen Legalitt hchst zweifelhaft (siehe dazu BVerfGE 2, 1 [56 f.]), niemals tatschlicheStaatsgewalt hatte; endlich konnte darauf hingewiesen werden, da die Siegermchte das Verschwinden derdeutschen Staatsgewalt als so vollstndig angesehen htten, da sie (in der "Erklrung in Anbetracht derNiederlage Deutschlands und der bernahme der obersten Regierungsgewalt hinsichtlich Deutschlands ..." vom 5.Juni 1945 - ABl. KR, ErgBl. Nr. 1 S. 7 ff. -) auch die Befugnisse der Regierungen, Verwaltungen und Behrden derLnder, Stdte und Gemeinden glaubten bernehmen zu mssen. Wre dies tatschlich voll durchgefhrt worden,so wre ohne weiteres klar, da alle Beamtenverhltnisse zum Deutschen Reich, seinen Lndern und Gemeinden

    erloschen waren. Aber auch wenn man - mit der herrschenden Lehre (vgl. die Zitate bei Maunz, DeutschesStaatsrecht, 2. Aufl. 1952, S. 14, und die Ausfhrungen S. 16 zu 4) - das Weiterbestehen eines zunchst nurseiner Handlungsfhigkeit beraubten Deutschen Reiches annimmt, so mu doch ernstlich gefragt werden, ob dasRechtsverhltnis der Beamten, die nicht nur wirtschaftlich aufs engste mit dem Staat verbunden sind, sondern auchrechtlich die Staatsgewalt in erster Linie verkrpern, einen Zusammenbruch der gesamten staatlichen Organisation

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  • 8/13/2019 Urteil BVerfG vom 17.12.1953 - Keine Beamte

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    BVerfG, 17.12.1953 - 1 BvR 147/52 (http://opinioiuris.de)

    in dem oben umrissenen Ausmae berdauern konnte. Das Bundesverfassungsgericht ist berzeugt, da dieseFrage verneint werden mu. Es ist zu dieser Auffassung gelangt vor allem auf Grund der Tatsache, da dasBeamtenverhltnis selbst im "Dritten Reich" eine tiefgehende, sein Wesen berhrende Umgestaltung erfahren hat.

    d) Unmittelbar nach der "Machtbernahme" begann die planmige Arbeit Hitlers und der NSDAP an derZerstrung des parteipolitisch neutralen (Art. 130 WRV) Berufsbeamtentums, indem einerseits derverfassungsmige Schutz der Beamten gegenber dem Gesetzgeber (Art. 129 WRV) beseitigt, andererseits das

    Beamtenverhltnis in ein besonderes persnliches Treueverhltnis zu Hitler selbst und in einAbhngigkeitsverhltnis zu der den Staat beherrschenden Partei umgestaltet wurde.

    aa) Im Beschlu vom 24. April 1953 - BVerfGE 2, 237 [248 ff.] - hat das Bundesverfassungsgericht dargelegt, aufwelche Weise das nationalsozialistische Regime die formelle Verfassungskraft schlechthin beseitigt hat. Was dortfr den besonderen Fall des Art. 153 Abs. 2 WRV ausgefhrt ist, gilt entsprechend fr Art. 129 WRV, durch den derdemokratische Staat die wohlerworbenen Rechte der Beamten gewhrleistet hatte. Bereits in der Rechtslehre dernationalsozialistischen Zeit war die Auffassung, da Art. 129 WRV seine Verfassungskraft verloren habe, durchausherrschend. So fhrt Fischbach in seinem Kommentar zum sogenannten Beamtenrechtsnderungsgesetz vom 30.Juni 1933 (RGBl. I S. 433) folgendes aus (S. 3):

    "...Auch der Art. 129 RV, der von den wohlerworbenen Rechten der Beamten handelt, ist insoweitgegenstandslos geworden, weil der Staat es als eine Selbstverstndlichkeit betrachten mu, sich einzuverlssiges, in Notzeiten aber auch opferwilliges Beamtentum zu erhalten. Die Beamtenrechte sollennicht um ihrer selbst willen, etwa als Standesvorrechte, sondern nur im eigensten Interesse von Staat undVolk geschtzt sein. In diesem Sinne mu auch die durch das vorliegende Gesetz erfolgte Beseitigung somancher sogenannter wohlerworbener Rechte betrachtet werden. ..."

    In Fischbachs Kommentar zum Deutschen Beamtengesetz (1. Aufl. 1937) heit es auf S. 2 und 3:

    "...seine besondere Stellung (des Berufsbeamtentums) innerhalb dieser Gemeinschaft beruht, ebenso wiedie der Wehrmacht, nicht auf Vorrechten, sondern auf erhhten Pflichten gegenber Fhrer und Volk, wiesie im Treueid zum besonderen Ausdruck kommt. ..." Der nationalsozialistische Staat "umfat imVolksgenossen den ganzen Menschen ..., vor allem auch in gesinnungsmiger Beziehung. Jede Ttigkeit,die sich der politischen Zielsetzung des Staates widersetzt, bedeutet eine Gefahr fr die ffentlicheOrdnung und Sicherheit und zieht die entsprechenden Folgen fr den einzelnen nach sich. Insofern habendie sog. Grundrechte ihre Geltung ebenso verloren wie die Weimarer Verfassung als solche, d. h. alsGrundsatzregelung der Struktur und des inneren Gehalts des Staates, mag man auch einzelne Grundstzeder Weimarer Verfassung als einfache Gesetzesnormen weiter gelten lassen. ..."

    In Anmerkung 3 zu 1 Abs. 3 DBG sagt Fischbach:

    "Von Rechten, insbesondere sogenannten wohlerworbenen Rechten des Beamten, ist im DeutschenBeamtengesetz nicht mehr die Rede."

    Kttgen, der bereits im JR Bd. 24 (1937) S. 5 bemerkt hatte, da die Weimarer Verfassung nach allgemeinerAuffassung "jeden verfassungsrechtlichen Rang verloren habe und lediglich als bergangsbestimmung in demUmfange, in dem sie als vorlufig rezipiert gelten knne, vorerst noch anzuwenden sei", fhrt im JR Bd. 25 (1938)S. 1 ff. (S. 63/65) aus:

    "Gewi sind wohlerworbene Rechte im Sinne des Art. 129 der Weimarer Verfassung mit den Grundstzenunseres heutigen Verfassungsrechts unvereinbar. Weiter wird man dem Beamten auch keinerleisubjektives Recht am Amte zuerkennen, ... . Wohl aber bestehen keinerlei Bedenken, auf anderenGebieten solche Rechte einzurumen. Dies ist auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Versorgung geschehen,... . Im brigen gilt von diesen subjektiven Beamtenrechten nichts anderes als von allen sonstigen

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  • 8/13/2019 Urteil BVerfG vom 17.12.1953 - Keine Beamte

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    Manahmen zur Sicherung der rechtlichen Stellung des Beamten, da sie nur innerhalb desBehrdenorganismus Geltung haben, also im Unterschied zu den wohlerworbenen Beamtenrechten derWeimarer Verfassung nicht gegen den Staat als solchen ausgespielt werden knnen. ..."

    Ebenso betont Brand in seinem Erluterungswerk zur Reichsdienststrafordnung (3. Aufl. 1941) S. 77:

    "Grundrechte, sog. wohlerworbene Rechte sind fr den Beamten nicht mehr notwendig und gibt es nichtmehr."

    Gerber sagt in seinem Aufsatz "Staatsrechtliche Grundlinien des neuen Reiches" (1933) auf S. 31 f.:

    "Die Verfassung von Weimar ist auer Kraft, auch wenn das kein Gesetz verfgt hat ... Die einzelnenBestimmungen ... sind deswegen, wenn nach ihrer Fortgeltung gefragt wird, daraufhin zu prfen, ob undinwieweit sie Ausdrucksformen des neuen politischen Gehaltes des deutschen Staatslebens sein knnen.Vermgen sie es zu sein, gelten sie fort, sofern sie nicht ausdrcklich aufgehoben sind; andernfalls haben

    sie ihre Geltung verloren, ... .

    Das hat insbesondere von den Grundrechten zu gelten. Ihre Bedeutung lag weithin darin, das Wertsystemeines weltanschaulich zerklfteten Staates zu sein. Die Grndung des Dritten Reiches auf dienationalsozialistische Weltanschauung und auf diese allein hat deswegen das Grundrechtssystem vonWeimar beseitigt. An seine Stelle ist das nationalsozialistische Parteiprogramm getreten, das ... zumAusdrucksmittel der nunmehr allein herrschenden Gerechtigkeitsberzeugung geworden ist; ... ."

    Dies ist auch die Auffassung E. R. Hubers, eines der fhrenden Verfassungstheoretiker der nationalsozialistischenZeit. In seinem "Verfassungsrecht des Grodeutschen Reiches" (2. Aufl., o. J.) heit es auf S. 416:

    "... Wenn aus diesem Verhltnis von Fhrer und Gefolgschaft im ffentlichen Dienst Pflichten des Reichesgegenber dem Gefolgsmann abgeleitet werden, so werden damit insbesondere keine "wohlerworbenenRechte" anerkannt, die verfassungsmig verbrieft wren und auf die der Einzelne auch dann noch pochendrfte, wenn die ffentliche Not das Reich zwingt, seine Leistungen einzuschrnken. Der Begriff des"wohlerworbenen Rechts", der in der Zeit stndestaatlicher Zersetzung entstanden und in der Zeitparteienstaatlicher Zerspaltung wieder aufgelebt ist, sicherte dem Diensttuenden einen Bereich zu, der frden Staat unter allen Umstnden unantastbar war. Die herrschende Auffassung sah in ihm insbesonderedie Garantie des ziffernmigen Hchstgehalts. Nicht solche starren Unantastbarkeiten sind der Inhalt derRechtsstellung die dem Dienstpflichtigen heute zukommt. Sondern das Reich ist verpflichtet, das zugewhren, was mit Rcksicht auf das Wohl der Volksgemeinschaft, auf die Art des Dienstes, auf Leistung,Dienstzeit, Alter und Familienverhltnisse dem einzelnen Diensttuenden gerechterweise zuzusprechen ist.Welche Leistungen danach dem einzelnen Diensttuenden zukommen, bestimmt das Gesetz, in dem derWille des Fhrers zum Ausdruck kommt. ..."

    S. 54:

    "... Der Bedeutungswandel anderer rezipierter Verfassungsbestimmungen drckt sich darin aus, da sieaufgehrt haben, Bestandteil der Verfassung, der politischen Grundordnung, zu sein, und nunmehr nur dieBedeutung einfacher Gesetze haben. Whrend sie in der Weimarer Verfassung zu den Grundlagen despolitischen Systems gehrten, sind sie nun zu einfachen gesetzlichen Bestimmungen von

    verwaltungsrechtlicher, strafrechtlicher oder privatrechtlicher Bedeutung herabgesunken. Am deutlichstenzeigt sich das bei Vorschriften des Beamtenrechts. Die Anerkennung "wohlerworbener Rechte" derBeamten gehrte zum Verfassungssystem des Weimarer Staates, whrend heute die bernommenenbeamtenrechtlichen Vorschriften der Weimarer Verfassung nur ein Teil der allgemeinenBeamtengesetzgebung sind. Der Verfassungscharakter dieser Stze ist durch die nationalsozialistische

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  • 8/13/2019 Urteil BVerfG vom 17.12.1953 - Keine Beamte

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    Revolution beseitigt worden - sie sind gewhnliches Gesetzesrecht geworden..."

    Dieser herrschenden Auffassung der Rechtslehre entsprachen Gesetzgebung und Verwaltungspraxis desnationalsozialistischen Staates. Formell gesttzt auf das Ermchtigungsgesetz vom 24. Mrz 1933 beseitigten dasGesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 (RGBl. I S. 175) und das Gesetz zurnderung von Vorschriften auf dem Gebiete des allgemeinen Beamten-, des Besoldungs- und des

    Versorgungsrechts vom 30. Juni 1933 (RGBl. I S. 433) in weitgehendem Umfang wohlerworbene Rechte derBeamten. Hierzu bemerkt Walz (Das Ende der Zwischenverfassung, 1933, S. 35), mit dem Gesetz zur Bereinigungdes Berufsbeamtentums werde "ein Strich gesetzt unter die liberal-marxistische wirtschaftliche Interessenpolitik der"wohlerworbenen Rechte" ". Am schrfsten kam dies in 40 Abs. 4 des letztgenannten Gesetzes zum Ausdruck,wo angeordnet wird, da der Gesetzgeber auch dann in die Beamtenrechte eingreifen darf, wenn besondereZusicherungen, Vereinbarungen, Vergleiche, rechtskrftige Urteile oder Schiedssprche vorliegen (vgl. hierzu W.Laforet, Deutsches Verwaltungsrecht, 1937, S. 118).

    Der Reichsminister des Innern erklrte mit Rundschreiben vom 17. Juli 1933 (JR Bd. 22, 1935, S. 125), da seitder bernahme der ausschlielichen Fhrung des Staates durch die Regierung der nationalsozialistischenRevolution "Eingaben und Antrge von Beamten und Beamtenorganisationen an die Behrden, insbesondere andie Ministerien, die sich mit Fragen der Besoldung, Einstufung, Laufbahn und dergleichen befassen, nicht nur

    unntig, sondern auch unzulssig" seien. Im Oktober 1933 lste der Reichsminister des Innern den DeutschenBeamtenbund auf und genehmigte den Reichsbund der deutschen Beamten als "Beamten-Einheits-Organisation",deren satzungsgeme Aufgabe die "Erziehung der Mitglieder zu vorbildlichen Nationalsozialisten und dieDurchdringung des Beamtentums mit dem nationalsozialistischen Gedankengut" war. Die Bestimmung ber dasRecht der Beamten auf Einsicht in ihre Personalakten (Art. 129 Abs. 3 Satz 3 WRV) wurde als durch dieVerhltnisse berholt und ohne ausdrckliche Gesetzesanordnung auer Kraft getreten angesehen(Rundschreiben des Reichsministers des Innern vom 12. April 1934 in PrBesBl. 1934 S. 204; ebenso AV des RJMvom 18. Juli 1935, DJ S. 1020; zustimmend PreuOVG 95, 244 [247]).

    Auch die Gerichte, insbesondere das Reichsgericht, haben whrend der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaftden Schutz der wohlerworbenen Rechte der Beamten durch Art. 129 WRV als beseitigt angesehen. Wenn sie dieBestimmung als fortgeltend ansahen, so maen sie ihr - etwa in der Frage der Zulassung des ordentlichenRechtswegs fr die vermgensrechtlichen Ansprche der Beamten - nur die Bedeutung eines einfachenReichsgesetzes zu, das jederzeit durch einen Akt des einfachen Reichsgesetzgebers beiseite geschoben werdenkonnte. Jedenfalls ist in den Entscheidungen des RG, die sich nach 1933 mit Problemen des Art. 129 WRV befathaben (RGZ 142, 369; 146, 159; 147, 174; 150, 337; 151, 19; 155, 246; 158, 18; 160, 332; 166, 218; 168, 143) inkeinem einzigen Falle der Art. 129 WRV zum Schutze wohlerworbener Rechte der Beamten gegenber demnationalsozialistischen Gesetzgeber angewandt worden (ebenso Schfer, DVBl. 1953, 421 [423]).

    Bei dieser Sachlage ist es verstndlich, da in der Rechtslehre (vgl. z. B. Heyland, Die Rechtsstellung derentfernten, erfolgreich entnazifizierten deutschen Beamten 1950, S. 63) die Auffassung vertreten wird, da der Art.129 "im nationalsozialistischen Staat anerkanntermaen auer Kraft gesetzt worden" war. Ob diese Auffassungzutrifft oder ob Art. 129 als einfaches Reichsgesetz ohne Verfassungskraft fortbestand, mag dahinstehen.

    bb) Gleichzeitig und in deutlich erkennbarem innerem Zusammenhang mit diesem Abbau gerade derjenigenRechte der Berufsbeamten, die ihre wirtschaftliche Stellung und damit ihre innere Unabhngigkeit gegenberparteipolitischen Einflssen strken sollten, vollzog sich die rechtliche Umwandlung des Beamtenverhltnissesselbst in ein besonderes persnliches Treueverhltnis zu Hitler und in ein Abhngigkeitsverhltnis zur NSDAP.

    Zunchst wurde von der personellen Seite her eine sogenannte Bereinigung im nationalsozialistischen Sinnedurchgefhrt. Beamte, die seit dem 9. November 1918 auerhalb der regelmigen Laufbahn in dasBeamtenverhltnis eingetreten waren, ferner "nichtarische" Beamte und solche Beamte, die nach ihrer bisherigenpolitischen Bettigung nicht die Gewhr fr jederzeitiges rckhaltloses Eintreten fr den "nationalen Staat" boten,wurden entfernt; Versetzungen in mter von geringerem Rang und geringerem planmigen Diensteinkommen,sowie Versetzungen in den Ruhestand "zur Vereinfachung der Verwaltung" wurden zugelassen ( 2 bis 6 des

    Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933). Anstelle der so ausgeschiedenenBeamten sollten vorwiegend nationalsozialistisch bewhrte Krfte neu eingestellt oder befrdert werden; geradesie waren ihrer charakterlichen Veranlagung und politischen berzeugung nach besonders geeignet fr einenBeamtendienst, der nicht parteipolitisch neutral, sondern im Sinne des Programms der NSDAP geleistet werdensollte. So bestimmte etwa der Erla des Reichsverkehrsministers vom 12. August 1933 (RVerkBl. S. 91) folgendes:

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    "Bei der Neueinstellung von Personal mssen alle Behrden bestrebt sein, die Anstellung bewhrterKmpfer der NS- Bewegung, SA-, SS-Leute, alte Pg., sowie Angehrige des Stahlhelms zu frdern, soweiteine Einstellung nach Eignung und Persnlichkeit der Bewerber und nach den bestehenden Bestimmungenirgendwie verantwortet werden kann. Die Behrden haben sich deshalb beim Freiwerden von Dienst- undArbeitspltzen innerhalb der Verwaltung an die zustndigen Parteidienststellen zu wenden. Diese letzteren

    prfen die bei ihnen eingehenden Gesuche um Anstellung im ffentlichen Dienst, scheiden aussichtsloseGesuche aus, sammeln die brigen und machen den Behrden auf Anforderung geeignete Bewerber frden ffentlichen Dienst namhaft."

    hnlich wurde in allen Verwaltungen verfahren. In der Praxis wirkte sich dies so aus, da neuerlich in weitem Maewiederum "Auenseiter" in die Verwaltung und gerade in ihre leitenden Stellungen eindrangen - ein deutlicherBeweis dafr, da es nicht auf die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, sondern auf die Durchdringung desBeamtentums mit nationalsozialistischem Geist angekommen war.

    ber bevorzugte Befrderung wegen besonderer Verdienste um die NS-Bewegung bestimmte bereits einRundschreiben des Reichsministers des Innern vom 20. Mrz 1934 (abgedruckt in DJ 1935 S. 1254) folgendes:

    "Entsprechend der von einzelnen Reichsverwaltungen getroffenen Regelung bitte ich die oberstenReichsbehrden, Beamte, die sich im Kampf um die nationale Erhebung besonders verdient gemachthaben und die Gewhr bieten, da sie auch fernerhin vorbildlich und erzieherisch im Sinne dernationalsozialistischen Bewegung wirken werden, nach Magabe verfgbarer geeigneter Stellen auer derReihe zu befrdern. In Zweifelsfllen empfiehlt sich vorheriges Benehmen mit dem zustndigen Gauleiter.Voraussetzung fr die Befrderung ist, da die Beamten nach Lebensalter und ihren dienstlichenLeistungen und Fhigkeiten den Anforderungen des hheren Amtes voll entsprechen."

    Seit 1935 wurde vor jeder Befrderung eines Beamten eine Dienststelle der NSDAP ber seine weltanschaulicheZuverlssigkeit befragt.

    Spter wurde allgemein durch 26 des Deutschen Beamtengesetzes die Ernennung zum Beamten davonabhngig gemacht, da der Bewerber die Gewhr dafr biete, da er jederzeit rckhaltlos fr dennationalsozialistischen Staat eintreten werde. Die Feststellung, ob das der Fall sei, sollte nach derDurchfhrungsverordnung vom 29. Juni 1937 (RGBl. I S. 669) "nach Anhrung der durch Anordnung desStellvertreters des Fhrers mit der Ausstellung von politischen Begutachtungen beauftragten Hoheitstrger derNSDAP getroffen" werden. In 2 der Verordnung ber die Vorbildung und die Laufbahnen der deutschen Beamtenvom 28. Februar 1939 (RGBl. I S. 371) wurde schlielich betont, da "die Bewerber ... der Partei oder einer ihrerGliederungen angehren oder angehrt haben" mssen und da "bei der Auswahl ... die persnliche Eignung undcharakterliche Haltung magebend" sei.

    Entsprechend dieser Regelung hatte grundstzlich der Austritt aus der NSDAP nachteilige Folgen fr denBeamten. Hierzu bestimmte ein Runderla des RuPrMinIn vom 27. Februar 1936 (DJ S. 350):

    "Der Stellvertreter des Fhrers wird den Austritt eines Beamten aus der NSDAP der oberstenDienstbehrde des Beamten mitteilen. Es ist dann in jedem Falle eine eingehende Prfung vorzunehmen,aus welchen Grnden der Beamte aus der Partei ausgetreten ist. Hat er dies getan, weil er das Programmoder die politische Haltung der Partei ablehnt, so wird er nicht Beamter bleiben knnen. Aber auch wenndiese Voraussetzung nicht erfllt ist, kann der Austritt eines Beamten aus der Partei bei den engenBeziehungen zwischen Partei und Staat darauf schlieen lassen, da dem Beamten die innigeVerbundenheit mit dem nationalsozialistischen Staate oder da ihm jedenfalls der erforderliche Opfersinn

    fehlt. Er mu dann mindestens damit rechnen, da er bei bevorzugten Befrderungen ausgeschlossen undbei normalen Befrderungen zurckgestellt wird."

    Die Entfernung bestimmter Beamtengruppen und die Beschrnkung der Neueinstellung auf nationalsozialistisch

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    BVerfG, 17.12.1953 - 1 BvR 147/52 (http://opinioiuris.de)

    bewhrte Personen reichte nicht aus, um den gesamten Beamtenkrper einheitlich "nationalsozialistischauszurichten". Da auch der nationalsozialistische Staat auf ein vorgebildetes Berufsbeamtentum nicht verzichtenkonnte, muten in erheblicher Anzahl auch solche Berufsbeamte im Amt geduldet werden, die demNationalsozialismus neutral oder gar ablehnend gegenberstanden, oder die, wenn sie auch formell der NSDAPangehrten, sich innerlich mehr oder weniger von ihr und ihrem Programm distanzierten. Um auch auf sieeinzuwirken, wurde fortlaufend eine groangelegte "politische Schulung" durchgefhrt, die im wesentlichen demReichsbund der Deutschen Beamten oblag, aber auch durch die Ministerien gelenkt wurde. Neben zahlreichen

    Schulungskursen, die vor allem den Beamtennachwuchs mglichst frhzeitig im Sinne des Nationalsozialismusweltanschaulich formen sollten, wurde als Schulungsmittel vor allem die laufende Lektre dernationalsozialistischen Presse angesehen. In einem Runderla des Reichs- und Preuischen Ministers des Innern,zugleich im Namen smtlicher Reichsminister, des Preuischen Ministerprsidenten und smtlicher PreuischenStaatsminister vom 3. Dezember 1935 (MinBl. 1935 Sp. 1443) heit es darber:

    "(1) Der Beamte ist dem Fhrer und Reichskanzler Adolf Hitler durch den Eid, durch den er ihm Treuegeschworen hat, zu unlsbarer Gefolgschaft verbunden. Er hat damit die Pflicht bernommen, in seinemamtlichen und aueramtlichen Wirken den auf das Wohl des ganzen Volkes gerichteten Willen des Fhrersund Reichskanzlers mit allen seinen Krften in seinem Bereiche zu verwirklichen. Nichts kann den Beamtenaber ber den Willen des Fhrers gerade in den gegenwrtigen Zeitverhltnissen eingehender und

    lckenloser auf dem laufenden halten als das Organ zur Verlautbarung seiner Absichten und Ziele: dienationalsozialistische Tagespresse. Erst mit deren regelmigem Studium wird der Beamte in den Standgesetzt sein, den Geist des Nationalsozialismus so erschpfend zu erfassen und in sich aufzunehmen, daer seine ganze Arbeit mit ihm durchdringen und damit dem Staatsleben die vom Fhrer gewieseneRichtung sichern kann.

    (2) Ich halte es deshalb fr selbstverstndlich, da jeder deutsche Beamte sich die Mglichkeit verschafft,stndig die nationalsozialistische Presse zu lesen, und auch davon tglichen Gebrauch macht. Dabei ist anerster Stelle das alte Kampfblatt der Bewegung "Der Vlkische Beobachter" zu nennen. ..."

    cc) Abgesehen von diesen unmittelbaren und mittelbaren Einwirkungen auf die personelle Zusammensetzung desBeamtenkrpers wurde das Beamtenverhltnis selbst in seiner rechtlichen Natur entscheidend umgestaltet.

    Whrend noch nach der Verordnung des Reichsprsidenten ber die Vereidigung der Beamten und Soldaten derWehrmacht vom 2. Dezember 1933 (RGBl. I S. 1017) der Beamte sich durch den Eid verpflichtete. "Volk undVaterland Treue zu halten, Verfassung und Gesetze zu beachten und seine Amtspflichten gewissenhaft zuerfllen", bestimmte das Gesetz ber die Vereidigung der Beamten und der Soldaten der Wehrmacht vom 20.August 1934 (RGBl. I S. 785) folgenden Wortlaut des Beamteneides beim Eintritt in den Dienst:

    "Ich schwre: Ich werde dem Fhrer des Deutschen Reiches und Volkes Adolf Hitler treu und gehorsamsein, die Gesetze beachten und meine Amtspflichten gewissenhaft erfllen, so wahr mir Gott helfe."

    Gem 3 des Gesetzes waren auch die im Dienst befindlichen Beamten unverzglich in der vorbezeichnetenWeise zu vereidigen.

    Durch diesen Eid, dessen Wortlaut spter durch 4 des Deutschen Beamtengesetzes bernommen worden ist,wurde - wie Fischbach, Deutsches Beamtengesetz, 1937, S. 21 f., betont - "ein besonderes persnliches Band"zwischen jedem Beamten und Hitler geschaffen, da der Treueid "im Gegensatz zum Eid der Systemzeit nicht einerabstrakten und abnderbaren Verfassung, sondern dem Fhrer persnlich geleistet" wurde. Diese persnlicheBindung gab dem Beamtenverhltnis rechtlich eine neue, den bisherigen Inhalt umstrzende Grundlage. Whrendnach nationalsozialistischer Rechtsauffassung der bisherige Eid keine innere Bindung zeitigen konnte, da derBeamte der Weimarer Verfassung, "toten Buchstaben, geschaffen von Juden und Umstrzlern ... keine

    Gefolgschaftstreue weihen" konnte (so der Prsident des Rechnungshofs des Deutschen Reichs, Chefprsidentder Preuischen Oberrechnungskammer Dr. Mller in Deutsche Verwaltung 1939, 385), verpflichtete der neue Eidjeden Beamten, "die Treue dem Fhrer bis zum Tode zu halten", so da