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This article was downloaded by: [The University of Manchester Library] On: 10 October 2014, At: 05:53 Publisher: Routledge Informa Ltd Registered in England and Wales Registered Number: 1072954 Registered office: Mortimer House, 37-41 Mortimer Street, London W1T 3JH, UK Studia Neophilologica Publication details, including instructions for authors and subscription information: http://www.tandfonline.com/loi/snec20 Valenz, Semantik und Oberflächenstruktur Henrik Nikula Published online: 21 Jul 2008. To cite this article: Henrik Nikula (1979) Valenz, Semantik und Oberflächenstruktur, Studia Neophilologica, 51:1, 127-137, DOI: 10.1080/00393277908587735 To link to this article: http://dx.doi.org/10.1080/00393277908587735 PLEASE SCROLL DOWN FOR ARTICLE Taylor & Francis makes every effort to ensure the accuracy of all the information (the “Content”) contained in the publications on our platform. However, Taylor & Francis, our agents, and our licensors make no representations or warranties whatsoever as to the accuracy, completeness, or suitability for any purpose of the Content. Any opinions and views expressed in this publication are the opinions and views of the authors, and are not the views of or endorsed by Taylor & Francis. The accuracy of the Content should not be relied upon and should be independently verified with primary sources of information. Taylor and Francis shall not be liable for any losses, actions, claims, proceedings, demands, costs, expenses, damages, and other liabilities whatsoever or howsoever caused arising directly or indirectly in connection with, in relation to or arising out of the use of the Content. This article may be used for research, teaching, and private study purposes. Any substantial or systematic reproduction, redistribution, reselling, loan, sub-licensing, systematic supply, or distribution in any form to anyone is

Valenz, Semantik und Oberflächenstruktur

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This article was downloaded by: [The University of Manchester Library]On: 10 October 2014, At: 05:53Publisher: RoutledgeInforma Ltd Registered in England and Wales Registered Number: 1072954Registered office: Mortimer House, 37-41 Mortimer Street, London W1T 3JH,UK

Studia NeophilologicaPublication details, including instructions forauthors and subscription information:http://www.tandfonline.com/loi/snec20

Valenz, Semantik undOberflächenstrukturHenrik NikulaPublished online: 21 Jul 2008.

To cite this article: Henrik Nikula (1979) Valenz, Semantik und Oberflächenstruktur,Studia Neophilologica, 51:1, 127-137, DOI: 10.1080/00393277908587735

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Valenz, Semantik und OberflächenstrukturRezension einer Rezension

In einem Rezensionsartikel in Studia Neophilologica 50, 1978:1, S. 123-134, „DieValenz des Verbs und die Beziehung zwischen Syntax und Semantik", hat sichDozent Ingemar Persson mit meiner Arbeit Verbvalenz: Untersuchungen am Bei-spiel des deutschen Verbs mit einer kontrastiven Analyse Deutsch-Schwedisch1

auseinandergesetzt. Nach den zusammenfassenden Worten S. 134 ist wohl dieRezension als positiv anzusehen, obgleich Persson in vielen Punkten eine von mirstark abweichende Meinung äussert. Da aber seine Kritik zu einem grossen Teileine zentrale Frage meiner Arbeit betrifft, das Verhältnis zwischen Semantik undValenz, und da weiter diese Kritik auf einem totalen Missverständnis grundlegenderBegriffe beruht, wobei die Kritik auch in anderen Punkten schief gerät, sehe ichmich gezwungen, mich hier relativ eingehend mit Perssons Artikel auseinander-zusetzen. Meine Absicht ist aber nicht ausschliesslich, die Kritik Perssons zu wider-legen, sondern vor allem hoffe ich, dass unsere beiden Artikel zusammen der Er-forschung der Valenz wenigstens einen ganz kleinen Schritt weiter verhelfen werden.

1. Allgemeines

Persson akzeptiert ohne Kritik einige wichtige Prämissen meiner Darstellung: DieValenz als eine Erscheinung, die nicht ohne die Semantik erklärbar ist; die Ver-wendung einer modifizierten generativen Semantik als Beschreibungsmodell; dieValenz als ein objektsprachliches Phänomen, denn obgleich Persson S. 123 dieValenz als eine Relation der Dependenz beschreibt, wird offenbar diese Dependenzeben als ein objektsprachliches Phänomen aufgefasst, da die konstituentenstruk-turelle Beschreibung in meiner Arbeit nicht in Frage gestellt wird.

2. Das Valenzmodell

Die Darstellung meines Valenzmodells in Verbvalenz ist bei Persson in zweierleiHinsicht falsch, vgl. vor allem das Schema bei Persson S. 125. Natürlich muss manbei einer schematischen Darstellung weitgehende Vereinfachungen hinnehmen, aberhier geht es offenbar nicht nur um Vereinfachungen, sondern um schwerwiegendeMissverständnisse der ganzen Konzeption, die Persson zu weiteren Missverständ-nissen verleitet haben, wie sich unten zeigen wird.

Der auffallendste Irrtum ist die Einteilung des Modells in drei Ebenen, d.h.in der Weise, wie es Persson vorgenommen hat, wobei aus der Ebene 1, der „seman-tischen Repräsentation" (SR) die Ebene 2, die „Inhaltsebene" abgeleitet wird, diedann in die Ebene 3, die „Ausdrucksebene" transformiert wird. Persson verwendetden Terminus Ebene (zuweilen „Niveau") in seinem Artikel in einer recht un-differenzierten Weise — darauf werde ich unten zurückkommen — aber in demSinne, in dem es hier offenbar um Ebenen geht, kann man in dem besprochenenModell nur von zwei Ebenen reden: 1) Inhaltsebene, 2) Ausdrucksebene. Einanderes Paar von Ebenen wären 1) die SR (semantische Repräsentation), 2) dieOS (Oberflächenstruktur), die aber nicht Ebenen derselben Art sind, wie die frü-heren.

1 Acta Universitatis Upsaliensis, Studia Germanistica Upsaliensia 15, Diss, Uppsala, 1976.

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Die Termini Inhalt und Ausdruck werden in Verbvalenz vor allem verwendet,damit vereinfachend von Inhalts- und Ausdrucksvalenz gesprochen werden kann -„vereinfachend" weil diese Begriffe äusserst komplexe Erscheinungen der Spracherepräsentieren. Dabei gehören die SR und die OS eindeutig zur Beschreibungsebene,während die Inhalts- und die Ausdrucksvalenz zur Objektebene gehören.

Möglicherweise hat Persson die SR irgendwie als die Ebene der Satzbedeutung,die Inhaltsebene als die Ebene der Wortbedeutung aufgefasst, was aber kaum mitder ebenfalls fälschlichen Darstellung im Schema verträglich ist, die generellensemantischen Selektionsrestriktionen würden in der SR angegeben. Vgl. VerbvalenzS. 53: „Die semantische Selektion des Inhalts ergibt sich aus den Selektions-restriktionen der Prädikate der SR eines Wortes und braucht somit nicht im ein-zelnen Lexikoneintrag aufgeführt zu werden." Die semantischen Selektionsrestrik-tionen der Prädikate sind universeller Natur und werden aus der Bedeutungsdefini-tion dieser Prädikate abgeleitet; sie brauchen deshalb weder in der SR des jeweiligenSatzes noch in der Bedeutungsbeschreibung des einzelnen Wortes, d. h. in der SRdieses Wortes, angegeben zu werden.2 Jedoch scheinen „idiosynkratische" seman-tische Selektionsrestriktionen vorzukommen, die mit den einzelnen Wörtern ver-knüpft sind und die als „semantische Selektionsrestriktionen des Ausdrucks" beimeinzelnen Wort angegeben werden müssen, wie es auch Persson richtig dargestellthat, vgl. auch Verbvalenz S. 51 ff.

Ich möchte ein weiteres Zitat aus Verbvalenz, S. 54f., anführen, das erstenszeigt, dass von einer Dreiteilung im Sinne Perssons überhaupt nicht die Rede seinkann, und zweitens ein weiteres, schwerwiegendes Missverständnis Perssons insBlickfeld rückt: „Die SR ist die Ebene des Inhalts, die OS die des Ausdrucks.Die Derivation, die den Übergang zwischen SR und OS darstellt, bezeichnet eineallmähliche Umformung, wobei die Wohlgeformtheitsbedingungen immer mehr inden Kategorien des Ausdrucks formuliert werden, je näher wir der OS kommen.Dies bedeutet, dass die Inhalts- und die Ausdrucksvalenz auf mehreren Stufen derDerivation operieren, und weiter, dass sie teilweise auf denselben Stufen operierenkönnen."

Es wird also wie in der generativen Semantik angenommen, dass sich die In-haltsebene durch Regeln derselben Art wie die Ausdrucksebene beschreiben lässt,und dass die syntaktischen Regularitäten auf der Ausdrucksebene sich weitgehenddurch syntaktische Regularitäten auf der Inhaltsebene erklären lassen. Einerseitsscheint Persson diese Auffassung in einer noch extremeren Form zu vertreten, daer S. 131 ohne Einschränkung meint, die Ausdrucksselektion müsse semantischbegründet werden; kaum können aber Erscheinungen wie z.B. Präpositions- undKasuswahl restlos semantisch erklärt werden. Andererseits scheint es immer wieder,als ob Persson ein Vertreter der autonomen Syntax sei, nicht nur im Schema, wodie Trennung der Ebenen der Einfachheit halber zulässig sein mag, aber vorallem, wenn er zu zeigen versucht, ich hätte die Valenz nicht „semantisch" sondern„syntaktisch" begründet. Er spricht von der „Valenz als eine syntaktische, seman-tisch zu begründende Erscheinung", vgl. Persson S. 133. Wenn Redewendungendieser Art bei mir vorkommen, vgl. z.B. Verbvalenz S. lOff., 138, bezieht sich derTerminus Syntax in Anlehnung an andere Valenzbeschreibungen auf die Syntaxder Ausdrucksebene. Die Semantik oder die Inhaltsebene hat aber auch eine Syntax,weshalb ich in Verbvalenz eben zwischen Inhalts- und Ausdrucksvalenz unter-scheide. Persson scheint aber unter Syntax ausschliesslich die Syntax der Aus-

2 Die Bedeutung eines Prädikats zu kennen, heisst eben, dass man weiss, über welche Objekt-bereiche das Prädikat prädizierbar ist.

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drucksebene oder der OS zu verstehen, was zu einem grossen Teil die Missver-ständnisse in seinem Artikel zu erklären scheint.

3. Oberflächenstruktur, Beschreibungsebene und Begründungsebene

Persson sagt S. 133: „Bei einer kritischen Auseinandersetzung mit der bisherigenForschung müsste die Beziehung zwischen den drei Ebenen Oberflächenstruktur,Beschreibungsebene und Begründungsebene analysiert werden." Wie schon aus demAbschnitt 2 oben hervorgeht, fehlt eben eine derartige Analyse bei Persson; dieOS und die SR, genau wie eine syntaktische TS (Tiefenstruktur) gehören zur Be-schreibungsebene, wobei die SR (teilweise) die Inhaltsebene, die OS teilweise dieAusdrucksebene beschreibt. Beide sind zunächst theoretische Konstrukte überderen Aussehen der einzelne Forscher entscheidet; die OS z.B. wird in der genera-tiven Grammatik weiter durch eine phonologische Komponente interpretiert. Imobigen Zitat scheint Persson unter OS eher die Objektebene, möglicherweise in derForm gegebener Sätze zu meinen; darauf deutet die Verwendung des Terminus„Oberfläche" neben „Oberflächenstruktur", vgl. Persson S. 133.

Die Verwirrung bei Persson wird weiter durch folgendes Zitat, S. 133, deutlich:„Eine Valenzanalyse, die wie bei Nikula die Valenz als eine semantisch zu be-gründende syntaktische Erscheinung auffasst, muss davon ausgehen, dass das Verbaufgrund seiner Bedeutung Leerstellen auf der syntaktischen Ebene eröffnet. Aufder Begründungsebene (auf der semantischen Ebene) eröffnet die Bedeutungskom-ponente die Leerstelle(n)" . . . „Das Ziel wäre also, die Beziehung zwischen seman-tischer Struktur und syntaktischer Valenz (Valenzklassen des Verbs) zu ermitteln,wobei natürlich Wertigkeit und Selektion berücksichtigt werden müssten." Die„Valenzklassen" sind offenbar als ausdruckssyntaktische Subklassen des Verbs imSinne von Engel aufzufassen, wo Valenz als Rektion von Teilklassen von Wort-klassen definiert wird.3 Wenn aber die Valenz als eine im Grunde semantischeErscheinung aufgefasst wird, wobei die Semantik als die Begründungsebene dient,sind die „Valenzklassen" im obigen sinne Erscheinungen auf der Beobachtungs-ebene, die erklärt werden sollen. Erst nach einer semantischen Analyse könnenValenzklassen gebildet werden, wobei nicht von vornherein angenommen werdendarf, dass sie mit den erstgenannten ausdruckssyntaktischen Valenzklassen über-einstimmen; eine totale Isomorphie der beiden Typen von Klassen ¡st ganz sichernicht zu erwarten, was teils so gedeutet werden kann, dass diejenigen Erschei-nungen der Sprache, die unter dem Begriff der Valenz zusammengefasst werden,nicht restlos semantisch erklärbar sind, teils dass einige dieser Erscheinungen über-haupt nicht durch diesen Begriff zu erklären sind.

Wie wird dann die Valenz aus der Semantik in Verbvalenz abgeleitet? Ein Verbhat eine gegebene Bedeutung und diese setzt eine bestimmte Zahl nicht obligatorischkoreferierender „Leerstellen" voraus. Aus der Zahl dieser Leerstellen oder „Satz-glieder der Inhaltsstruktur" ergibt sich die inhaltliche Wertigkeit des Verbs. Ausder Inhaltswertigkeit wird die Wertigkeit des Ausdrucks durch bestimmte Regelnabgeleitet; diese Ausdruckswertigkeit kann höher als die Inhaltswertigkeit sein,wenn durch die Regeln eine Leerstelle in zwei Leerstellen aufgespaltet wird, d. h.zwei Satzglieder auf der Ausdrucksebene entstehen. Unter Selektion werden dannsämtliche Restriktionen zwischen Valenzträgerund Leerstellen auf allen Stufen derDerivation verstanden. Ich möchte noch einmal hervorheben, dass in Verbvalenzdie Valenz (=Wertigkeit+Selektion) als die Gesamtheit der Restriktionen einesWortes als Valenzträger auf allen Stufen der Derivation zwischen der Inhalts- und

3 Vgl. Engel, Ulrich, 1970. Die deutschen Satzbaupläne. In: Wirkendes Wort 20, 361-392,S. 365, 379.

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der Ausdrucksebene definiert wird — diese Ebenen können selbst als Derivationen,die sich teilweise überschneiden, aufgefasst werden - und nicht als RestriktionCen)auf einer Ebene, etwa einer ausdruckssyntaktischen Ebene, wie Persson offenbarannimmt. Valenz ist demnach Inhalts- und Ausdrucksvalenz.

Die valenzabhängigen Elemente, die E(rgänzunge)n, werden als „notwendige"Elemente betrachtet, d. h. die Leerstellen, die sie besetzen, sind in irgendeiner Formfür die Bedeutungsbeschreibung der Verben notwendig, unabhängig davon, wie diebenutzte semantische Theorie aussieht.

Persson sagt S. 128: „Es kann festgestellt werden, dass Nikula zwar den BegriffNotwendigkeit im Rahmen einer Theorie definiert aber nicht semantisch begründet.Er kann keine semantische Erklärung dafür geben, wann ein Argument ein Argu-ment in demselben Satz ist und wann dies nicht der Fall ist." In Wirklichkeitwird eine semantische Begründung der Notwendigkeit/Valenz im Rahmen dieserTheorie gegeben, denn dort wird eine E in einem gegebenen Satz als ein Satzglieddefiniert, das auf eine Leerstelle zurückgeführt werden kann, die in der SR desganzen Satzes auf irgendeiner Stufe der Derivation von einem S dominiert wird;dies S dominiert dabei ausschliesslich dieselben Prädikate und Leerstellen, die dieSR des einzusetzenden Verbs enthält, und zwar in einer Konfiguration, die der SRdes Verbs entspricht.

Persson führt anschliessend, S. 128, die Sätze 1, 2 und 3 unten auf und fragt,wie ich die hervorgehobenen lokalen Bestimmungen analysieren würde. Dazumöchte ich zunächst sagen, dass bei einer semantischen Begründung der Not-wendigkeit es ohne Angabe der Lesart des jeweiligen Satzes nicht möglich ist, zuentscheiden, ob eine Bestimmung eine E ist oder nicht.

1. Der Boxer steht wieder im Ring2. Die Jungen verstecken sich hinter dem Haus3. Mein Freund arbeitet im Büro

Wenn aber die Bedeutung/Bedeutungen des jeweiligen Verbs durch eine Bedeu-tungsbeschreibung festgelegt ist/sind, sind die Lokalbestimmungen E:n in denjenigenLesarten, wo sie in der oben angegebenen Weise auf Argumente in der SR derVerben zurückführbar sind. Wenn die Verben in 1 und 3 als kopulaähnliche Verbengedeutet werden — 'er boxt wieder' bzw. 'er ist ein Angestellter' — sind die Lokal-bestimmungen ganz sicher E:n. Wenn stehen als ein normales Lokalverb aufgefasstwird, ist es auch möglich, die Lokalbestimmung auf eine Leerstelle des Verbs inder SR zurückzuführen, wobei sie also eine E ist; wenn aber die Bedeutungs-komponente 'aufrecht sein' bei stehen fokusiert wird4 und die zweite Leerstelle alsnicht besetzt interpretiert wird, wird zugleich die Lokalbestimmung als A(ngabe),d.h. als freie Bestimmung gedeutet. Entsprechende Überlegungen sind betreffendverstecken in 2 möglich. Wenn arbeiten in 3 als 'beschäftigt sein' interpretiert wird,kann offenbar die Lokalbestimmung nicht auf ein Argument in der SR diesesVerbs zurückgeführt werden und die Bestimmung ist keine E.

Wir sehen, dass bei der entscheidenden Frage, ob eine E vorliegt oder nicht,die Antwort unmittelbar von der semantischen Interpretation des gegebenen Satzes- und somit auch des Verbs — abhängig ist. Dies zeigt, dass die Begründung derValenz in dieser entscheidenden Hinsicht, d. h. bei der Festlegung der „notwendi-gen", valenzgebundenen Elemente, unwiderlegbar semantisch ist.

Was bei Persson denn unter semantischer Begründung der Valenz oder der Not-wendigkeit gemeint wird, bleibt unklar. Vielleicht sollte jedoch in diesem Zusam-

4 Vgl. Nikula, Henrik, 1978. Kontextuell und lexikalisch bedingte Ellipse. Publications of theResearch Institute of the Åbo Akademi Foundation, Nr 35, S. 29.

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menhang hervorgehoben werden, dass nicht die Bedeutung der Verben in Verb-valenz begründet werden sollte, sondern durch gegebene Bedeutungen die Valenzdieser Verben (obgleich zuweilen etwa die Unterscheidung zwischen assertiver undpräsuppositionaler Bedeutung erörtert werden musste); wenn man sich nicht überdie angenommene, gegebene Bedeutung eines Verbs einigen kann, kann man sichnatürlich auch nicht über dessen Valenzbeschreibung einigen. Dieses verhältnis-mässig anspruchslose Ziel ermöglicht die Verwendung einer so relativ primitivenBedeutungsbeschreibung wie die der generativen Semantik.

Ich werde jetzt auf einige einzelne Punkte in der Kritik Perssons eingehen.

4. Beschreibungsebene der Wertigkeit

5. 132 behauptet Persson: „Die Beschreibungsebene der Wertigkeit ist nach Nikuladie Ausdrucksebene . . . " Wie schon aus den Abschnitten 2 und 3 oben hervorgeht,ist diese Behauptung einfach falsch, vgl. die Unterscheidung zwischen Inhalts- undAusdrucksvalenz und demnach zwischen Wertigkeit des Inhalts und des Ausdrucks.Ausgehend von dieser falschlichen Behauptung versucht Persson S. 132 anhang derSätze 4, 5 und 6 unten zu zeigen, dass die Analyse der Wertigkeit in Verbvalenz„oberflächlich" sei.

4. Er sieht ihn kommen5. Er vermutet ihn in Leipzig6. Er zwingt ihn zu kommen

Nach der Beschreibung in Verbvalenz 63 ff. wären die Verben in 4 und 5 inhalt-lich zweiwertig, bezüglich der Ausdrucksvalenz alternativ zwei- oder dreiwertig,wobei die Dreiwertigkeit, die durch die Sätze 4 und 5 dargestellt wird, durch„Erweiterung", d.h. durch eine Subjektanhebungstransformation entsteht; dieWertigkeit dieser Verben wäre also 11,2/3. Das Verb zwingen in 6 wäre dagegensowohl bezüglich der Inhalts- wie auch der Ausdrucksvalenz dreiwertig, also 111,3.Persson S. 132 wendet sich dagegen, „dass hier von Dreiwertigkeit gesprochenwird" und dass sehen und zwingen in den Sätzen 4 und 6 dieselbe Ausdrucks-wertigkeit hätten. Er weist darauf hin, dass ihn kommen durch ei ersetzt werdenkann und in dem Sinne also einteilig ist, während ihn zu kommen durch ihn dazuersetzt werden muss und also zweiteilig wäre. Diese Proben zeigen aber die inhalt-liche Einheit bzw. Zweiteiligkeit der Konstruktionen; semantisch wird ihn nur durchzwingen, nicht aber durch sehen in den angeführten Sätzen selektiert — man kanneinen Stein fallen sehen, nicht aber den Stein zu etwas zwingen, vgl. VerbvalenzS. 64. Ausdruckssyntaktisch wird aber die Akkusativform von ihn durch sehen bzw.zwingen gesteuert und weiter kann wenigstens der Akkusativ der Konstruktionenbei Hervorhebung topikalisiert werden; schon dies zeigt, dass die beiden Konstruk-tionen ausdruckssyntaktisch zweiteilig sind und von Dreiwertigkeit bezüglich derAusdrucksvalenz gesprochen werden kann.

Persson S. 132 sagt weiter, man könne die Infinitivkonstruktionen in 4 und 6nicht einheitlich als fakultative E:n beurteilen. Erstens werden ja die Konstruk-tionen überhaupt nicht einheitlich beurteilt, zweitens ist in diesen Fällen in Verb-valenz von Fakultativität im herkömmlichen Sinne der Valenztheorie überhauptnicht die Rede, d.h. von relativ freier Weglassbarkeit einer E. Was Konstruktionenwie 4 und 5 betrifft geht statt dessen aus Verbvalenz S. 23 ff. ganz deutlich hervor,dass die E:n obligatorisch sein müssen - dies ist eben typisch für Konstruktionendieser Art5. Persson behauptet aber S. 125 bezüglich der a.c.i.-Konstruktionen:„Nikula betrachtet das Verb in Verbindung mit dieser Konstruktion auf der Aus-

5 Vgl. Nikula 1978, a. a. O., S. 48.

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drucksebene als dreiwertig, wobei der Infinitiv eine fakultative Ergänzung ist:sie sieht ihn (kommen) ..." Die höhere Wertigkeit der besprochenen Konstruk-tionen entsteht dadurch, dass aus einer ,,E" der Inhaltsebene zwei E:n der Aus-drucksebene abgeleitet werden; diese Transformationen sind häufig fakultativ, wasaber nichts mit Fakultativität im obigen Sinne zu tun hat. Ohne angegebenen Kon-text6 wird ein Satz wie sie sieht ihn direkt, ohne „Erweiterung" und Tilgungabgeleitet, genau wie der Satz sie sieht, dass er kommt; das Verb sehen kannsowohl Gegenstände als auch Ereignisse als Objekte haben.

Persson S. 132 meint, die Konstruktionen in 4 und 5 seien „als das Ergebnisvon Transformationen zu erklären, die nach der Beschreibung der Valenz operierenund nichts mit Valenz zu tun haben", was zeige, wie „oberflächlich" die Aus-drucksvalenz in Verbvalenz definiert würde. Er meint, S. 132, 134, er vertretegenau wie das Mannheimer Verbvalenzprojekt, MV7, eine tiefer liegende Beschrei-bungsebene.

Was MV betrifft, wie auch das Valenzwörterbuch von Engel und Schumacher,KVL8, wird die Analyse ausdruckssyntaktisch distributional vorgenommen, ohnedass Transformationen noch angenommen werden, und in diesem Sinne ist dieseAnalyse noch „oberflächlicher" als im Valenzwörterbuch von Heibig und Schenkel,HS9. Natürlich müssen Transformationen angenommen werden, die „nach derBeschreibung der Valenz operieren", aber die vermeintliche „Oberflächlichkeit" inVerbvalenz ist ein Ergebnis von Perssons willkürlicher Trennung der Inhaltsvalenzvon der Ausdrucksvalenz, die in Verbvalenz nicht vorausgesetzt wird, da die beidenErscheinungen als interdependent beschrieben werden.

5. Tiefenkasus

Persson S. 131 behauptet, meine Darstellung leide darunter, dass ich nicht syste-matisch an die Kasustheorie angeknüpft hätte, führt aber auch die Gründe meinerAblehnung der Kasustheorie an, d. h. die Schwierigkeit der eindeutigen Zuordnungder Kasusmerkmale, vgl. Verbvalenz S. 54. S. 126 sagt Persson: „Die inhaltlichenFunktionsrelationen (Tiefenkasus) werden von Nikula nicht berücksichtigt, wasnatürlich von vornherein eine semantische Begründung der Verhältnisse auf derAusdrucksebene ausschliesst." Natürlich beschreibe ich die inhaltlichen Funktions-relationen, was Persson selbst auf derselben Seite erwähnt, aber nicht durch Tie-fenkasus, sondern durch den Begriff „funktionale syntaktische Selektion des In-halts", vgl. Verbvalenz S. 54: „Die inhaltliche Funktion wird aus der Stellung derArgumente in der SR als erstes, zweites (Subjekt, Objekt) Argument der'atomaren'Prädikate abgeleitet und wird durch Indizierung angegeben" . . . „Bezüglich derinhaltlich-funktionalen Selektion könnte töten also als CAUS^+STERB^-NP^.,NPy analysiert werden, d.h. das Subjekt von TÖTEN wäre auch Subjekt vonCAUS, das Objekt von TÖTEN wäre Subjekt von STERB." Wenn Persson glaubt,der Verzicht auf Tiefenkasusmerkmale schliesse eine semantische Begründung derVerhältnisse auf der Ausdrucksebene aus, setzt er wieder eine nicht-existierendeTrennung zwischen Inhalts- und Ausdrucksvalenz in Verbvalenz voraus; die inhalt-liche funktionale Valenz ist Teil der Valenz genau wie die funktionale Valenz derAusdrucksebene.

6 Vgl. Nikula 1978, a. a. O., S. 26f.7 Die Mannheimer Verbvalenzliste, IdS Mannheim, 1973.8 Engel, Ulrich/Schumacher, Helmut, 1976. Kleines Valenzlexikon deutscher Verben. For-schungsberichte des IdS Mannheim 31. Tübingen, Verlag Gunter Narr.9 Heibig, Gerhard/Schenkel, Wolfgang, 4973. Wörterbuch zur Valenz und Distributiondeutscher Verben. Leipzig, VEB Bibliographisches Institut.

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Natürlich können durch Zuordnung von Kasusmerkmalen interessante Verallge-meinerungen dargestellt werden, was z.B. bei einer kontrastiven Analyse vorteil-haft wäre. Damit gesicherte Verallgemeinerungen erzielt werden, müssten abergrössere Gruppen von Verben analysiert werden und für eine derartige Analysesind die Angaben in Verbvalenz leicht interpretierbar10.

6. Instrument

„Bei der Behandlung der Kausativ- und Instrumentalproblematik bewegt sichNikula — wenn nicht explizit — im Rahmen der Kasustheorie", Persson S. 131.Wenn durch die Kasustheorie sprachliche Fakten erfasst werden, kann von jederSprachbeschreibung dies gesagt werden11.

Persson kritisiert meine Auffassung, dass die instrumentalen Bestimmungengenerell Angaben sind, , , . . . obwohl sie in Verbindung mit der Verbklasse derHandlungsverben auftritt und man sogar eine feste Relation zwischen den Kasus-relationen Instrument und Agens feststellen kann", Persson S. 131. Die Beobach-tung bezüglich der festen Relation ist natürlich richtig, aber erstens decken sich dieBegriffe „Instrument" der Kasustheorie und „instrumentale Bestimmung" in Verb-valenz nicht, obgleich sie verwandt sind, zweitens besteht die feste Beziehungzwischen aktiven Verben und instrumentalen Bestimmungen darin, dass diese Be-stimmungen zwar immer möglich, nie aber obligatorisch sind. Wie in VerbvalenzS. 76ff. gezeigt wird, lassen sich auch die instrumentalen Bestimmungen kaum ausden Argumenten der SR der Verben ableiten; statt dessen wird angenommen, dassdie instrumentalen Bestimmungen die Verben selektieren, d. h. sie haben die Verbenund deren E:n als E und sind also A:n, vgl. Verbvalenz S. 83, 89, wobei durchdie Selektion der A:n eben diese „feste Relation" dargestellt werden kann. Perssonverschweigt übrigens, dass diejenigen Bestimmungen, die in Verbvalenz als in-strumental definiert werden, auch bei HS, in MV und in KVL generell als A:ninterpretiert werden.

In Verbvalenz S. 83 ff. spreche ich von „scheinbaren instrumentalen Angaben"in Fällen wie bei der hervorgehobenen Präpositionalphrase in 7 unten.

7. Er ärgerte sie durch seine Faulheit

Persson sagt S. 131: „Nikula gibt uns keinen Aufschluss darüber, wie die Präposi-tionalphrase in [7] an der Oberfläche in Wirklichkeit aufzufassen ist (scheinbarinstrumental ist ja kein Ergebnis)." Natürlich ist schon eine negative Feststellungein Ergebnis. Ausgehend von anschliessenden Paraphrasen und von der durchStammbäume angegebenen Derivation in Verbvalenz S. 84 vermutet aber Persson,

10 Vgl. Verbvalenz S. 54: „Diese 'Tiefenkasus' können als abstrahierte inhaltliche Funktions-relationen angesehen werden und stellen sicherlich wichtige Generalisierungen über dieSprache dar." Dies würde ich heute so auffassen, dass die Zahl der angenommenen Kasusteils von den Zielen der Beschreibung, teils von der zu beschreibenden Sprache abhängt;es gäbe demnach objektsprachlich keine universalen Kasus im Sinne von Fillmore, vgl. etwaFillmore, Charles J., 1968. The Case for Case. In: Universals in Linguistic Theory, hg.yon Bach, E./Harms, R. T., 1-88. London, . . . , Holt, Rinehart and Winston. Einen sehrinteressanten Versuch, die Kasustheorie zu „retten", finden wir in der „multiplanaren"Kasustheorie von W. Koch, vgl. Koch, Wolfgang, 1978. Kasus - Kognition - Kausalität.Zur semantischen Analyse der instrumentalen „mit"-Phrase. Lunder germanistische For-schungen 47. Diss. Lund, 1978. Lund, CWK Gleerup.11 In der Tat wurde Verbvalenz zuerst auf der Basis einer Kasusgrammatik konzipiert, jedocheher in Anlehnung an Anderson als an Fillmore, vgl. Anderson, John, 1971. The Grammar ofCase. Toward a Localistic Theory. Cambridge. Vgl. weiter Fillmore, 1968, oben Anm. 10.

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es gehe um eine E. Natürlich geht es um eine E, denn eben durch die Stamm-bäume werden die Unterschiede zwischen E:n und Arn expliziert. Wenn ein Nameals „Ergebnis" notwendig ist, warum nicht etwa „instrumentative E"?

7. Modalbestimmungen

In Verbvalenz S. 67ff. werden die Modalbestimmungen generell als A:n bestimmt.Dabei wird u.a. S. 67 ein Zitat aus Reichenbachs Elements of Symbolic Logic12

angeführt: , , . . . they are predicates, like adjectives, not denoting properties ofthings, however, but of properties." Als Prädikate zu Prädikaten wären die Modal-bestimmungen A:n, was durch die weitere Analyse in Verbvalenz gestützt wird.Für eine richtige Interpretation der Modalbestimmung sei aber nach Persson S. 129das folgende Zitat aus Reichenbach S. 302 ausschlaggebend: „ . . . most predicatesare used in such a way that they leave open some space for further specification."Persson S. 129 deutet dies folgendermassen: „Es handelt sich also auch hier umLeerstellen, nur dass diese von Prädikaten und nicht von Argumenten wie z.B.bei den Objektergänzungen besetzt werden." Nun verwendet aber Reichenbach dasWort space nicht in der Bedeutung „Leerstelle" im Sinne der Valenztheorie,sondern eher in der Bedeutung „Möglichkeit"; es ist im allgemeinen möglich einVerb durch ein Modaladverbial näher zu bestimmen, genau wie ein Substantivimmer durch ein Adjektiv modifiziert werden kann. Diese Interpretation von spaceals „Möglichkeit" wird durch die Formalisierung bei Reichenbach S. 303 bestätigt,wo die Modaladverbiale konjunktional (durch 'und') hinzugefügt werden. (Ange-sichts der obigen Formulierung Perssons könnte man hinzufügen, dass zwar Prädi-kat sowohl als eine Kategorie wie auch als eine Funktion betrachtet werden kann,dass aber Argument eindeutig eine Funktion ist; demnach würden also Prädikateals Argumente anderer Prädikate Leerstellen besetzen.)

Persson sagt weiter, S. 129: „Eine semantische Analyse muss zu zeigen ver-suchen, ob die semantischen Restriktionen so generell sind, dass sie zur Bildungvon verbalen Subklassen beitragen. Die Modalbestimmungen wären dann eher alsErgänzungen denn als Angaben zu betrachten, . . . " Ganz sicher lassen sich aufdiese Weise verbale Subklassen bilden, aber es ist auch durchaus möglich, verbaleSubklassen aufgrund genereller semantischer Restriktionen zwischen z.B. lokalenoder temporalen A:n und Verben zu bilden; wenn man konsequent eine derartigeAnalyse durchführen würde, würden wahrscheinlich nur die Modalwörter und ver-gleichbare Satzbestimmungen als A:n übrig bleiben. Wichtig ist aber, dass Perssondabei ein völlig anderes Kriterium für die Bestimmung valenzgebundener Elemente,E:n, als die der oben im Abschnitt 3 angeführten semantischen Notwendigkeit, hiereinführt.

Persson meint S. 129, bei seiner „ . . . Analyse würde sich die unnatürlicheTrennung von Fällen wie er schläft gut und er benimmt sich gut in Nikula (modaleAngabe bzw. prädikative Ergänzung) erübrigen. In beiden Fällen bezieht sich dieBestimmung ohne Zweifel auf den verbalen Vorgang: sein Schlaf ist gut — seinBenehmen ist gut, d. h. es handelt sich um die modale Bestimmung, nur dass dieBindung zwischen dieser und dem Verb im letzteren Fall besonders eng ist."13

Wieso „unnatürliche" Trennung, wenn die Bindung in dem einen Fall besonderseng ist; die Entdeckung und Erklärung verschiedener Bindefähigkeiten spielt ja eine

12 Reichenbach, Hans, 1966. Elements of Symbolic Logic. New York, The Free Press, S. 303.13 Persson sagt, S. 129, Anm. 12: „Diese beiden Beispiele für gut sind also gegenüber derBestimmung müde in Satz er kam müde nach Hause einheitlich zu beurteilen. Müde ist eineprädikative Bestimmung: er war müde, als er nach Hause kam." Nach Verbvalenz wäreabermüde hier eine „adnominale Bestimmung", vgl. Verbvalenz, S. 55.

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zentrale Rolle innerhalb der Valenztheorie. Die Nominalisierungen zeigen ohnenähere Explikation zunächst nur, dass sich die Ausgangssätze in dieser Weiseparaphrasieren lassen. Betrachten wir aber die folgenden Sätze:

8a. Er schläft8b. Er schläft gut8c. Er schläft nicht gut8d. Er schläft schlecht9a. Er benimmt sich9b. Er benimmt sich gut9c. Er benimmt sich nicht gut9d. Er benimmt sich schlecht

Der Satz 8a kann als Präsupposition für 8bcd stehen. Der Satz 9a kann abernicht als Präsupposition für 9b dienen, da die beiden Sätze synonym sind; wennjemand sich benimmt, benimmt er sich gut. Aus diesem Grund kann natürlich 9aauch nicht als Präsupposition für 9cd dienen. Man kann 'Schlafen' ohne nähereModifizierung, aber 'sich benehmen' ohne sich 'irgendwie' zu benehmen ist auchrein sprachlich nicht möglich. Es geht im Falle 9a um eine Ellipse im Sinne vonHeibig, wobei eine obligatorische E weggelassen werden kann, wenn der Satz auchohne Kontext die Bedeutung nicht verändert, vgl. HS, S. 54: „Die Henne legt(Eier)."1*

Weitere Argumente für die nach Persson „unnatürliche Trennung" finden sich inVerbvalenz S. 67 ff.

8. Zwei Begriffe bei HS

Ich habe in Verbvalenz im Kapitel 2 auf einige Unklarheiten bezüglich der TerminiDistribution und semantische Selektion aufmerksam machen wollen. Dabei habe ichdie eher rhetorische Frage gestellt, ob man unter „Umgebungen" (Distributioneines Wortes) nur valenzgebundene Umgebungen verstehen soll, S. 9. Persson ant-wortet S. 132: „Ja, natürlich." Ja, so muss es natürlich sein, aber dies lässt sichnicht aus der Definition der Distribution als der Summe aller Umgebungen ableiten,vgl. HS S. 49f.

Was die „semantische Valenz" betrifft, habe ich auf eine terminologische Un-klarheit bei HS aufmerksam machen wollen, die von Persson S. 133 vorzüglichgeklärt wird. Es ist sicher richtig, dass die semantische Valenz ein weiterer Be-griff als die semantische Selektion bei HS ist, so dass jene für E:n und A:n gilt,diese aber nur für E:n. Meines Erachtens ist es aber terminologisch unglücklich,den Begriff semantische Valenz für Restriktionen zu verwenden, die sonst nichtvalenzgebundene Elemente betreffen; diese Terminologie ist aber offenbar for-schungsgeschichtlich zu erklären.

9. Verschiedenes

Persson schreibt S. 128: „Nikula bezeichnet die lokale Bestimmung die Treppehinauf im folgenden Satz als eine Angabe." Als Beispiel wird der Satz 10a ange-führt.

10a. Er keucht die Treppe hinauf.10b. Er gebt die Treppe hinauf und keucht (dabei).

Hier hat Persson den betreffenden Abschnitt offenbar sehr oberflächlich gelesen,

14 Vgl. auch Nikula 1978, a. a. O., S. 23ff.

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denn ich sage explizit S. 95, dass die Richtungsbestimmung in 10a als eine Artadnominale Bestimmung aufzufassen ist (die adnominalen Bestimmungen werden inVerbvalenz S. 55 definiert). Weiter sage ich, S. 95, dass Richtungsbestimmungenüberhaupt kaum A:n sein können: „Dagegen ist anzunehmen, dass auch nachunserem Modell Richtungsbestimmungen, die Ausgangspunkt, Weg oder Ziel einerkonkreten Bewegung bezeichnen, kaum als Angaben, sondern entweder als Er-gänzungen oder adnominale Bestimmungen zu betrachten sind." Soweit ich sehenkann, unterscheidet sich aber Perssons Analyse kaum von meiner in VerbvalenzS. 94f. In 10b ist die Treppe hinauf E zu gehen, in 10a aber von einem PrädikatMOV (Persson S. 128 schreibt BEWEGUNG) abhängig, dass aber nicht auf derAusdrucksebene als Verb realisiert wird, wobei die Treppe hinauf in diesem Fallnicht als E bestimmt werden kann, da ein Valenzträger fehlt; wenn 10b aber alseine Stufe der Derivation von 10a betrachtet wird, was ich nicht für notwendig halte,könnte man von einer E eines getilgten Verbs reden, vgl. Verbvalenz S. 95.

Betrachten wir die Sätze 1 la-d unten.

1 la. Han skrämde henne1 lb. Han skrämde henne far hunden1 le. Er schüchterte sie ein1 Id. Er schüchterte sie vor dem Hund ein

In Anlehnung an Sätze wie 1 la-d habe ich in der kontrastiven Analyse in Verb-valenz S. 133 ein zwei- und ein dreiwertiges Verb skrämma angesetzt, aber nur einzweiwertiges Verb einschüchtern (die Wertigkeit des Inhalts und des Ausdrucks istjeweils dieselbe). Persson meint S. 129f., der Satz lld sei ebenso grammatisch wielib. Es ist möglich, dass er recht hat, obgleich lld wenigstens nicht so geläufigzu sein scheint wie l ib. Persson kritisiert mich aber deshalb, weil ich dies als eineAkzeptabilitätsfrage behandelt habe. Nun ist es aber so, dass man bei kontrastivenAnalysen immer wieder vor Fragen stark unterschiedlicher Akzeptabilität gestelltwird; wenn man zwei Konstruktionen vergleichen soll, wo die eine als voll gram-matisch und ganz üblich bezeichnet wird, die andere als zwar grammatisch möglich,aber „so würde man nicht sagen" aufgefasst wird, muss man irgendwie dies berück-sichtigen können, entweder so, dass die zweifelhafte Konstruktion wie in Verb-valenz nicht aufgeführt wird, oder so, dass man die relative Akzeptabilität oder diebesonderen Vervendungsbedingungen angibt, vgl. weiter Verbvalenz S. 121 f.

In Verbvalenz S. 57 ff. werden auch den Hilfsverben Valenz zugesprochen, wobeidie infiniten Verbformen als prädikative E:n der Hilfsverben dienen; die infinitenVerbformen können dabei ihrerseits abhängige Elemente, E:n haben. Persson sagtS. 126: „Die Behandlung der prädikativen Bestimmungen als Teilkomponentenkomplexer Prädikate verbietet sich nach Nikula bei der 'Definition der Valenz alsEigenschaft von Wörtern' (S. 59)." Ich sage aber S. 59: „Bei unserer Definitionder Valenz als Eigenschaft von Wörtern können wir natürlich nicht von einer Valenzderartiger komplexer Prädikate reden." Gemeint wird, dass bei dieser Definitionder Valenz von einer „Gesamtvalenz" von z. B. Hilfsverb + Prädikatsverb nicht dieRede sein kann. Dagegen werden komplexe Prädikate durchaus nicht ausge-schlossen: „Wenn wir aber eine ähnliche Valenzbeschreibung sowohl für Hilfs-wie Vollverben vorschlagen, bedeutet dies nicht, dass man völlig den Begriff 'kom-plexes (OS-)Prädikat' ausschliessen müsste", Verbvalenz S. 65. S. 65f. wird sogargezeigt, wie durch eine postlexikalische Prädikatanhebung ein derartiges komplexesPrädikat in das gegebene Modell eingebaut werden könnte, obgleich eine Moti-vierung für eine derartige postlexikalische Prädikatanhebung schwer zu findenscheint.

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ZUSAMMENFASSUNG

Wie oben gezeigt wurde, gründet sich die zentrale Kritik Perssons auf ein Miss-verständnis grundlegender Merkmale der Valenzbeschreibung in Verbvalenz. Ergeht davon aus, dass die verschiedenen Ebenen Inhalts- und Ausdrucksvalenz alsvoneinander unabhängig aufgefasst werden sollen, während sie aber in Verbvalenzals interdependent und Teile derselben Erscheinung, der Valenz, beschriebenwerden. Obgleich er weiter fordert, man solle zwischen Begründungs-, Beschrei-bungs- und Beobachtungsebene unterscheiden, kann er selbst diese Ebenen nichtauseinanderhalten. Zu einem Teil können die Missverständnisse bei Persson mög-licherweise darauf zurückgeführt werden, dass die Unterscheidung zwischen Meta-und Objektsprache wohl nicht immer ganz deutlich in Verbvalenz zum Ausdruckkommt, weil mir diese Unterscheidung vielleicht als allzu offenbar erschien. Auchin der Generativen Semantik scheint übrigens diese Unterscheidung nicht immerganz deutlich zu sein und heute scheint mir, obgleich durch sie eine Menge wesent-licher Fragen beleuchtet werden konnten, die Generative Semantik überhaupt nichtmehr so vielversprechend wie damals 1973-74, wo die Haputzüge der theoretischenBasis von Verbvalenz konzipiert wurden15. Diese Basis wird jedoch nicht von Pers-son in Frage gestellt, aber er glaubt zeigen zu können, dass es mir nicht gelungenist, die Valenz semantisch zu begründen. Wie dem auch sei, Persson hat wederdas eine noch das andere zeigen können, da er seine Thesen durch falsche Prämissenunterbaut. Ich bin aber dankbar dafür, dass er sich so eingehend in meine Arbeitvertieft hat, wobei verschiedene für die Valenzproblematik wesentliche Fragenbeleuchtet werden konnten.

Henrik Nikula

15 In Verbvalenz wurde schon u.a. die in der Generativen Semantik wichtige Annahme derFakultativität der Prädikatanhebung in Zweifel gezogen, vgl. Verbvalenz 45f.

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