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Doppelarbeiten reduzieren Am Bodensee fand im Graf-Zeppelin-Haus zum neunten Mal das wichtigste Treffen der Getrie- beentwickler statt. Die beiden VDI-Gesellschaften Entwicklung, Konstruktion, Vertrieb (EKV) sowie Fahrzeug- und Verkehrstechnik (FVT) hatten die Ta- gung fachlich unterstützt. Als Tagungsleiter fungier- te erstmals Dr.-Ing. Hans-Jörg Domian. Er ist bei ZF Leiter Neue Produkte und Methoden, Konstruk- tionsaufgaben, Zentrale Forschung und Entwick- lung, und führte die Zuhörer anstelle seines Vorgän- gers Dipl.-Ing. Peter Köpf (seit Ende Juni 2009 im Ruhestand) souverän durch die Sessions. Für Dr. Matthias Wissmann, Präsident des VDA, ist klar, dass wir in Zeiten der Entwicklung des Elektro- autos alles tun müssen, um unnötige F+E-Kosten zu vermeiden. Doppelarbeiten sollen reduziert werden. Er hob in seiner Plenarrede auf dem Internationalen VDI-Kongress „Getriebe in Fahrzeugen“ am 30. Juni 2009 in Friedrichshafen hervor, dass dem VDA zurzeit sehr viel an der Standardisierung von Automobilkom- ponenten liege. Es stelle sich nämlich die Frage, was wir alles gemeinsam – vorwettbewerblich – tun kön- nen, um die Forschungs- und Entwicklungskosten zu verringern. Die Standardisierung von Lastenheften hätte ein großes Potenzial, Kosten zu sparen. Jeder OEM hat seine eigenen Vorschriften und Werksnor- men. Vereinheitlichung ist bei der Vielzahl an Aufga- ben, das Auto sicherer und umweltfreundlicher sowie sparsamer zu machen, ein Gebot der Stunde. Auf- wendige Konzeptwettbewerbe der Zulieferer sollen reduziert werden. Als positives Beispiel nannte Wissmann die Lithi- um-Ionen-Batterie-Initiative des VDA, die bereits zu einheitlichen Prüfanforderungen hat führen können. Historisch gewachsen finden sich in einzelnen Regio- nen der Welt sehr unterschiedliche Regelungen, nach denen die Zertifizierung zu erfolgen hat. Es gelte, die Umweltverträglichkeit und die Sicherheit eines Fahrzeugs zumindest nach den gleichen Verfahren zu beurteilen. Jeder Euro für die Fahrzeugentwicklung könne nur einmal ausgegeben werden. Wenn also Zertifizierungskosten gesenkt würden, wären Mittel frei, weitere Verbesserungen schneller vorzunehmen, sagte Wissmann. Die Antriebstechnik für Fahrzeuge fokussiert sich immer mehr auf die Elektrifizierung des Antriebsstrangs. Vom Mildhybrid zum Elektroauto – da ist nicht mehr das „Ob“ die Frage, sondern „wie“ diese Elektrotechnik schnell, kompakt und kostenneutral ins Auto kommt. Die 600 Teilnehmer hörten und diskutierten 60 interessante Vorträge auf dem neunten Internationalen VDI-Kongress „Getriebe in Fahrzeugen 2009“, der am 30. Juni und 1. Juli in Friedrichshafen stattfand. VDI-Getriebe-Tagung Unnötige F+E-Kosten für Antriebstechnik vermeiden Anregende Gespräche – 50 Firmen präsentierten sich im Bereich der Ausstellung Auf Details kommt es an – Getriebeentwickler auf der Suche nach Innovationen ANTRIEB VDI-FVT-Jahrbuch 2010 56 Getriebe Friedrichshafen DOI: 10.1365/s35778-010-0370-8

VDI-Getriebe-Tagung

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Doppelarbeiten reduzierenAm Bodensee fand im Graf-Zeppelin-Haus zum neunten Mal das wichtigste Treffen der Getrie-beentwickler statt. Die beiden VDI-Gesellschaften Entwicklung, Konstruktion, Vertrieb (EKV) sowie Fahrzeug- und Verkehrstechnik (FVT) hatten die Ta-gung fachlich unterstützt. Als Tagungsleiter fungier-te erstmals Dr.-Ing. Hans-Jörg Domian. Er ist bei ZF Leiter Neue Produkte und Methoden, Konstruk-tionsaufgaben, Zentrale Forschung und Entwick-lung, und führte die Zuhörer anstelle seines Vorgän-gers Dipl.-Ing. Peter Köpf (seit Ende Juni 2009 im Ruhestand) souverän durch die Sessions.

Für Dr. Matthias Wissmann, Präsident des VDA, ist klar, dass wir in Zeiten der Entwicklung des Elektro-

autos alles tun müssen, um unnötige F+E-Kosten zu vermeiden. Doppelarbeiten sollen reduziert werden. Er hob in seiner Plenarrede auf dem Internationalen VDI-Kongress „Getriebe in Fahrzeugen“ am 30. Juni 2009 in Friedrichshafen hervor, dass dem VDA zurzeit sehr viel an der Standardisierung von Automobilkom-ponenten liege. Es stelle sich nämlich die Frage, was wir alles gemeinsam – vorwettbewerblich – tun kön-nen, um die Forschungs- und Entwicklungskosten zu verringern. Die Standardisierung von Lastenheften hätte ein großes Potenzial, Kosten zu sparen. Jeder OEM hat seine eigenen Vorschriften und Werksnor-men. Vereinheitlichung ist bei der Vielzahl an Aufga-ben, das Auto sicherer und umweltfreundlicher sowie sparsamer zu machen, ein Gebot der Stunde. Auf-

wendige Konzeptwettbewerbe der Zulieferer sollen reduziert werden.

Als positives Beispiel nannte Wissmann die Lithi-um-Ionen-Batterie-Initiative des VDA, die bereits zu einheitlichen Prüfanforderungen hat führen können. Historisch gewachsen finden sich in einzelnen Regio-nen der Welt sehr unterschiedliche Regelungen, nach denen die Zertifizierung zu erfolgen hat. Es gelte, die Umweltverträglichkeit und die Sicherheit eines Fahrzeugs zumindest nach den gleichen Verfahren zu beurteilen. Jeder Euro für die Fahrzeugentwicklung könne nur einmal ausgegeben werden. Wenn also Zertifizierungskosten gesenkt würden, wären Mittel frei, weitere Verbesserungen schneller vorzunehmen, sagte Wissmann.

Die Antriebstechnik für Fahrzeuge fokussiert sich immer mehr auf die

Elektrifizierung des Antriebsstrangs. Vom Mildhybrid zum Elektroauto – da ist nicht mehr das „Ob“ die Frage, sondern

„wie“ diese Elektrotechnik schnell, kompakt und kostenneutral ins Auto

kommt. Die 600 Teilnehmer hörten und diskutierten 60 interessante Vorträge

auf dem neunten Internationalen VDI-Kongress „Getriebe in Fahrzeugen

2009“, der am 30. Juni und 1. Juli in Friedrichshafen stattfand.

VDI-Getriebe-Tagung Unnötige F+E-Kosten für Antriebstechnik vermeiden

Anregende Gespräche – 50 Firmen präsentierten sich im Bereich der Ausstellung Auf Details kommt es an – Getriebeentwickler auf der Suche nach Innovationen

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Mehr Investitionen gefordertVDI-Präsident Professor Bruno O. Braun forderte in seiner Plenarrede die Automobilbranche dazu auf, mehr Gelder in die Entwicklung umweltfreundlicher Getriebe zu investieren. „Verkaufsimpulse wie durch die Abwrackprämie haben nur kurzfristig positive Auswirkungen auf die Automobilindustrie. Die Bran-che braucht Innovationen, um die weltweite Krise nachhaltig zu überstehen. Großes Potenzial liegt hier im Antriebsstrang“, sagte Braun. Insbesondere bei ressourceneffizienten Getriebelösungen wie Hybrid- oder Elektroantrieben liege ein immenses Nutzungs-potenzial, das es zu erschließen gilt. „Wenn wir jetzt nicht in zukunftsfähige Technologien investieren, werden wir nach der Krise von anderen Ländern ab-gehängt. Das darf uns auf keinen Fall passieren.“ InIn seiner Rede unterstrich der VDI-Präsident zudem, wie bedeutend die Entwicklung innovativer Antriebe für den Produktionsstandort Deutschland sei. „Wir verfügen über hoch qualifizierte Arbeitnehmer und moderne Produktionsanlagen. Diese Potenziale müs-sen wir nicht nur abrufen, sondern noch weiter aus-bauen. Nur so bleiben wir im weltweiten Wettbew-erb der Produktionsstandorte konkurrenzfähig.“ Als wichtigste Maßnahme identifizierte er vor allem eine intensivere Nachwuchsförderung sowie Investitio-nen in moderne Automatisierungstechnologien.

Elf Schwerpunktthemen beinhaltete das umfang-reiche Vortragsprogramm: Das Spektrum reicht dabei von Anforderungen an das Getriebe und dem Wettbe-werb der Getriebekonzepte über Hybridantriebe, ele-ktrische Antriebe und Allradsysteme bis zu Anfahrele-menten, Mechatronik und Hydraulik. Des Weiteren werden neue Erkenntnisse zu den Themen funktion-ale Vernetzung im Fahrzeug, Getriebeöle und Tribolo-gie, Getriebeschaltung sowie Komponenten und Sys-teme diskutiert. Das angesprochene Fahrzeug-spektrum reicht von Personenwagen über Nutzfahr-zeuge bis hin zu den Offroad- und Sonderfahrzeugen.

So stellten Porsche und ZF auf der Tagung, erst-mals vierzügig und im jährlichen Turnus durchge-

führt, das neue Doppelkupplungsgetriebe mit sie-ben Gängen, nasser Kupplung und Allradverteiler des Panamera vor. Getrag und Bosch zeigten auf, wie ein Hybridantrieb in einen Demonstrator, einen Mini Clubman, kompakt hinpasst. Magna präsenti-erte ein innovatives Zweimassenschwungrad, das mit einer Nockenscheibe verschiedene Dämpfungs-kennlinien realisieren lässt, so dass die Schwingun-gen auf ein Drittel reduziert werden können ge-genüber schon am Markt erhältlichen ZMS.

Ehrenplakette des VDIDie Tagung wurde auch genutzt, um Prof. Dr.-Ing. Dr. h. c. Albert Albers, Universität Karlsruhe, und Dr. Reiner Vonderschmidt, Graessner GmbH & Co. KG, die VDI-Ehrenplakette zu überreichen. Damit möchte der Verein Danke sagen für die vorbildliche Mitarbeit und das überdurchschnittliche Engagement der bei-den Ingenieure in Gremien und Ausschüssen des VDI seit vielen Jahren, was als ehrenamtliche Tätigkeit nicht selbstverständlich ist.

In einer Podiumsdiskussion zum Elektroantrieb for-derte Prof. Stefan Pischinger, RWTH Aachen, dass Inge-nieure nicht immer nur das technisch Behindernde sehen dürften, sondern auch das Emotionale eines Elektroautos solle nicht außeracht gelassen werden. Jeder, der schon einmal damit gefahren sei, bewunde-re seine Spurtstärke. Der Vorstandsvorsitzende der ZF Friedrichshafen AG Hans-Georg Härter richtet sich auf die Elektrifizierung des Antriebsstrangs ein und sieht sie als Chance für sein Unternehmen. Zudem wäre man auch in der Fahrwerkstechnik breit aufgestellt. Der Elektroantrieb würde bei Fern-Lkw nie kommen.

Die VDI-Getriebe-Tagung wurde erstmals jähr-lich und vierzügig durchgeführt. Rund 600 Teilneh-mer und 50 Aussteller kamen an den Bodensee, um 60 Vortragenden zuzuhören. 2008 waren es 1000 Teilnehmer bei gleicher Ausstellerzahl gewesen. Die nächste Getriebetagung findet mit ihrem zehn-ten Jubiläum 2010 am 22. und 23. Juni wieder in Friedrichshafen statt. Michael Reichenbach

ZItAtE

„Die Standardisierung von Lastenheften und Anforderungen an Komponenten hat große Potenziale, Kosten zu sparen.“ Dr. jur. Matthias Wissmann, Präsident des VDA

„Durch technische und organisatorische Prozessinnovationen in den Firmen kann die Produktivität häufig um 20 bis 30 Prozent gesteigert werden.“ Prof. Bruno O. Braun, Präsident des VDI

„Im Antriebsstrang steckt noch wesent-liches Potenzial zur Verbrauchsreduzierung.“ Hans-Georg Härter, Vorsitzender des Vorstands der ZF Friedrichshafen AG

Gespanntes Zuhören – Prof. Ulrich Seiffert (Witech Engineering), Dr. Michael Paul (Technik-vorstand der ZF) und Prof. Bernd-Robert Höhn (TU München und Vorsitzender des Wissenschaft-lichen Beirats des VDI)

Podiumsdiskussion zum Thema Elektroauto – (v. l. n. r.) Bernd Ostmann (Auto, Motor und Sport), Hans-Georg Härter (ZF), Prof. Ulrich Seiffert als Moderator (Witech Engineering), Dr. Matthias Wissmann (VDA-Präsident), Prof. Bruno O. Braun (VDI-Präsident) und Prof. Stefan Pischinger (RWTH Aachen)

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