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„Verformungsbasiertes seismisches Bemessungskonzept für Mauerwerksbauten“ Von der Fakultät für Bauingenieurwesen der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Ingenieurwissenschaften genehmigte Dissertation vorgelegt von Michael Mistler aus Karlsruhe Berichter: Universitätsprofessor Dr.-Ing. Konstantin Meskouris Professor Dr.-Ing. Ekkehard Fehling Tag der mündlichen Prüfung: 11.10.2006 „Diese Dissertation ist auf den Internetseiten der Hochschulbibliothek online verfügbar.“

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„Verformungsbasiertes seismisches

Bemessungskonzept für

Mauerwerksbauten“

Von der Fakultät für Bauingenieurwesen der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen zur Erlangung des akademischen Grades

eines Doktors der Ingenieurwissenschaften genehmigte Dissertation

vorgelegt von

Michael Mistler

aus

Karlsruhe Berichter: Universitätsprofessor Dr.-Ing. Konstantin Meskouris

Professor Dr.-Ing. Ekkehard Fehling

Tag der mündlichen Prüfung: 11.10.2006 „Diese Dissertation ist auf den Internetseiten der Hochschulbibliothek online verfügbar.“

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Vorwort

Die vorliegende Arbeit entstand in den Jahren von 2001 bis 2006 während meiner Tätigkeit am Lehrstuhl für Baustatik und Baudynamik der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr.-Ing. K. Meskouris für seine Unter-stützung an meiner Arbeit, seine wertvollen Anregungen und den gewährten Freiraum zur Verfolgung eigener Ideen sowie seine wohlwollende Förderung durch die Übernahme des Gutachtens. Herrn Prof. Dr.-Ing. E. Fehling danke ich für die sorgfältige und kritische Durch-sicht meiner Arbeit und die Übernahme des Koreferats. Ebenfalls danke ich dem Vorsitzenden der Prüfungskommission, Herrn Prof. Dr.-Ing. M. Brunk. Die zügige Beurteilung durch beide Berichter ermöglichte mir den Abschluss der Arbeit während meiner Assistentenzeit am LBB und einen nahtlosen Übergang in das weitere Berufsleben. Darüber hinaus bedanke ich mich bei allen Freunden und (auch ehemaligen) Kollegen am Lehrstuhl für Baustatik und Dynamik der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Insbesondere Herrn Dr.-Ing. Ch. Butenweg sei an dieser Stelle gedankt für seine wertvolle Unterstützung der Arbeit und ständige kooperative und effektive Zusammenarbeit, die zum Gelingen dieser Arbeit und zum Zustandekommen von viel versprechenden Projekten beige-tragen hat. Meinen ganz persönlichen Dank möchte ich meinen Eltern aussprechen, die mit größter Selbstverständlichkeit meine Ausbildung ermöglicht und gefördert haben. Und besonders danke ich meiner lieben Frau Sarah, die mir mit größtem Verständnis und Geduld nicht nur den nötigen Rückhalt gab, sondern entweder unauffällig im Hintergrund eine angenehme Atmosphäre schuf oder mich durch ihre Motivationskünste in Liebe unterstützte. Meine Kinder Philipp und Ann-Sophie haben natürlich nicht zuletzt für die nötige Abwechslung und Freude gesorgt. Über allem danke ich Gott von ganzem Herzen, der die richtigen Gedanken, Ideen und das Gelingen bei der Umsetzung geschenkt hat. Durch Jesus Christus darf ich seine Liebe jeden Tag erleben und die Gewissheit haben, dass unser Leben ein Ziel hat und deshalb sinn- und wertvoll ist. Aachen, im Oktober 2006 Michael Mistler

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I

Inhaltsverzeichnis

VERWENDETE BEZEICHNUNGEN UND ABKÜRZUNGEN .......................... V

1. EINLEITUNG .................................................................................. 1

1.1 Motivation ..........................................................................................................1

1.2 Zielsetzung und Abgrenzung der Arbeit .................................................................2

1.3 Aufbau der Arbeit................................................................................................3

2. UNBEWEHRTES MAUERWERK UNTER ERDBEBENBELASTUNG ...... 5

2.1 Materialeigenschaften von Mauersteinen ...............................................................5

2.2 Materialverhalten des Mörtels...............................................................................6

2.3 Verhalten von Mauerwerk unter Scheibenbeanspruchung .......................................6 2.3.1 Druckbeanspruchung...........................................................................................7 2.3.2 Zugbeanspruchung..............................................................................................8 2.3.3 Beanspruchung von Mauerwerk unter Schub .........................................................9 2.3.4 Versagenskriterien bei Scheibenbeanspruchung ................................................... 11

3. NUMERISCHE SIMULATION VON MAUERWERK .......................... 16

3.1 Modellierungsebenen......................................................................................... 16 3.1.1 Diskrete Modellierung........................................................................................ 16 3.1.2 Homogene Modellierung .................................................................................... 17

3.2 Homogenisierung .............................................................................................. 18 3.2.1 Homogenisierungstechniken............................................................................... 19 3.2.2 Homogenisierung ebener, periodischer Strukturen ............................................... 20 3.2.3 Das Steuerungssystem ...................................................................................... 21 3.2.4 Belastung ......................................................................................................... 22 3.2.5 Versuche von Page............................................................................................ 23 3.2.6 Fazit ................................................................................................................ 28

4. PLASTIZITÄTSTHEORIE UND SCHÄDIGUNGSFORMULIERUNG ... 30

4.1 Grundlagen der numerischen Umsetzung ............................................................ 30

4.2 Klassische spannungsbasierte Plastizitätstheorie .................................................. 31

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II

4.2.1 Fließfläche ........................................................................................................ 31 4.2.2 Berechnungsablauf mit Hilfe des „Return-Mapping” .............................................. 32 4.2.3 Isotrope Verfestigung und Entfestigung .............................................................. 35 4.2.4 Lösungsverfahren.............................................................................................. 36 4.2.5 Tangentiale Steifigkeit ....................................................................................... 38

4.3 Elastoplastische Schädigungsformulierung ........................................................... 40

5. ZYKLISCHE, NICHTLINEARE MODELLE FÜR MAUERWERKSSCHEIBEN............................................................. 44

5.1 Verwendete Versagenskriterien .......................................................................... 44

5.2 Makromodell ..................................................................................................... 46 5.2.1 Die Bruchenergie............................................................................................... 46 5.2.2 Versagenskriterium I: Gleiten in der Lagerfuge .................................................... 47 5.2.3 Versagenskriterium II: Schubversagen des Steins ............................................... 50 5.2.4 Versagenskriterium III: Druckversagen des Mauerwerks ....................................... 51 5.2.5 Versagenskriterium IV: Klaffen in der Lagerfuge .................................................. 56 5.2.6 Kopplung von Versagenskriterien........................................................................ 57 5.2.7 Schädigung....................................................................................................... 59 5.2.8 Verhalten unter zyklischer Druck-Zugbeanspruchung............................................ 61 5.2.9 FE-Netzabhängigkeit.......................................................................................... 62 5.2.10 Flussdiagramm der Materialroutine ..................................................................... 66

5.3 Diskret generiertes Modell (Mesoebene).............................................................. 68

5.4 Simulation von Schubwänden............................................................................. 69 5.4.1 Schubwandversuch mit monotoner Belastung der ETH Zürich ............................... 70 5.4.2 Zyklischer Druckversuch von Naraine und Sinha................................................... 74 5.4.3 Zyklische Schubwandversuche der Universität Dortmund ...................................... 76 5.4.4 Simulation einer Hauswand mit Öffnungen unter zyklischer Belastung ................... 81 5.4.5 Fazit................................................................................................................. 84

6. BEMESSUNGSVERFAHREN FÜR DEN LASTFALL ERDBEBEN......... 86

6.1 Linear statische Methoden ................................................................................. 87

6.2 Nichtlineare statische Methoden ......................................................................... 90 6.2.1 „Pushover”-Analyse ........................................................................................... 90 6.2.2 Kapazitätsspektrum-Methode ............................................................................. 91 6.2.3 Transformation der Bauwerkskapazität................................................................ 92 6.2.4 Verwendung elastischer Erdbebenantwortspektren unter Ausnutzung

des Prinzips der äquivalenten viskosen Dämpfung................................................ 92

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III

6.2.5 Verwendung inelastischer Antwortspektren ......................................................... 97 6.2.6 Berücksichtigung mehrer Modalformen ............................................................... 99 6.2.7 Weitere Modifikationsvorschläge....................................................................... 101

6.3 Bemessung mittels dynamischer Zeitverlaufsberechnung .................................... 101

6.4 Beurteilung der Verfahren hinsichtlich der seismischen Bemessung von Mauerwerksbauten.......................................................................................... 102

6.5 Bemessungskonzept für Mauerwerksbauten nach DIN 4149................................ 103

7. VERFORMUNGSBASIERTE BEMESSUNG VON MAUERWERKS-BAUTEN MIT DER KAPAZITÄTSSPEKTRUM-METHODE .............. 107

7.1 Berechnung des Gebäude-Kapazitätsspektrums ................................................. 108 7.1.1 Vereinfachter Ansatz, basierend auf der Erdgeschoss-Kapazitätskurve ................. 108 7.1.2 Genauer Ansatz: Berechnung der Gebäude-Kapazitätskurve,

bezogen auf das oberste Geschoss ................................................................... 112 7.1.3 Gebäude mit variablen Stockwerken ................................................................. 117

7.2 Iterative Ermittlung des Performance Point........................................................ 120 7.2.1 Prinzip der äquivalenten viskosen Dämpfung ..................................................... 120 7.2.2 Verwendung inelastischer Spektren .................................................................. 122 7.2.3 Gegenüberstellung beider Verfahren ................................................................. 123

7.3 Berücksichtigung der normativen Anforderungen ............................................... 124 7.3.1 Zu berücksichtigende Massen........................................................................... 125 7.3.2 Unplanmäßige Torsionswirkungen .................................................................... 125 7.3.3 Kombination der Erdbebeneinwirkung ............................................................... 125 7.3.4 Nachweis der Tragfähigkeit .............................................................................. 129 7.3.5 Nachweis der Gebrauchstauglichkeit ................................................................. 129

7.4 Praxisorientierte Umsetzung des Verfahrens ...................................................... 130 7.4.1 Eingabeoberfläche........................................................................................... 131 7.4.2 Bestimmung der Lasteinzugsflächen ................................................................. 133

8. ANWENDUNGSBEISPIELE.......................................................... 137

8.1 Überprüfung der Standsicherheit eines Reihenhauses im Erdbebenfall ................. 137 8.1.1 Beschreibung des Gebäudes............................................................................. 137 8.1.2 Kapazitätskurven............................................................................................. 138 8.1.3 Überlagerung mit dem Antwortspektrum........................................................... 141 8.1.4 Variation der Stockwerksanzahl ........................................................................ 142 8.1.5 Ermittlung des maximal aufnehmbaren Erdbebens und Vergleich mit dem

Antwortspektrenverfahren ............................................................................... 144

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IV

8.2 Ermittlung des seismischen Verhaltensbeiwerts.................................................. 146

8.3 Vergleich mit einer Zeitverlaufsberechnung ....................................................... 148 8.3.1 Seismische Einwirkung..................................................................................... 148 8.3.2 Berechnungsmodell ......................................................................................... 149

8.4 Einfluss der Torsion am Beispiel eines freistehenden Gebäudes ........................... 154 8.4.1 Unregelmäßigkeit im Grundriss ......................................................................... 154 8.4.2 Unregelmäßiger Aufriss.................................................................................... 156

9. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK ....................................... 158

LITERATURVERZEICHNIS................................................................... 161

ABBILDUNGSVERZEICHNIS ............................................................... 168

TABELLENVERZEICHNIS..................................................................... 173

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V

Verwendete Bezeichnungen und Abkürzungen Gleichungen, Abbildungen und Tabellen sind innerhalb eines Abschnittes unter Angabe der Kapitelnummer getrennt nummeriert.

Vektoren und Matrizen sind fett geschrieben.

Bezeichnungen, die hier nicht erwähnt werden, sind im Laufe des Textes erklärt.

Lateinische Buchstaben

ag Bemessungswert der Bodenbeschleunigung für die Referenzwiederkehrperiode b Breite bel Elementbreite c Index für einen gekoppelten Ent- und Verfestigungsparameter ,f Frequenz fbt Querzugfestigkeit des Mauersteins fmy Betrag der Mauerwerksdruckfestigkeit senkrecht zur Lagerfuge ftmy Zugfestigkeit des Mauerwerks senkrecht zur Lagerfuge h (Wand-) Höhe hel Elementhöhe hun Lagerfugenabstand i, j Laufindex k Kohäsion, Index der Fließfunktion k abgeminderte Kohäsion l (Wand-) Länge ldiag Länge der Elementdiagonalen lun Stoßfugenabstand m, n Laufindex mi Masse des i-ten Freiheitsgrades p vertikale Streckenlast q Verhältnis der Hauptspannungen, Verhaltensbeiwert r Verschiebungsvektor in den wesentlichen Freiheitsgraden bei

einer Einheitsverschiebung des Fußpunkts in Erregungsrichtung u Verschiebung u Verschiebungsfeld up periodisches Verschiebungsfeld v1, v2 Vektoren der Basiszelle x, y, z Koordinatenachsen A Orthotropiefaktor C viskose Dämpfungsmatrix

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VI

D Elastizitätsmatrix Dep elastoplastische Matrix (= Tangentensteifigkeitsmatrix) E0 Anfangselastizitätsmodul Ex, Ey Elastizitätsmodul in x- bzw. in y-Richtung Exx, Eyy, Exy makroskopische Dehnungen in x- bzw. in y-Richtung, Verzerrung Fb Fundamentschub Fk k-te Fließbedingung Fn Flexibilitätsmatrix als Inverse der Elastizitätsmatrix Gxy Schubmodul Gk norm normierte Bruchenergie bezüglich des Versagenskriteriums k H horizontale Schubkraft H modifizierte Elastizitätsmatrix J Jacobi-Matrix K kondensierte Steifigkeitsmatrix M statisches Moment Mi,eff effektive modale Masse der i-ten Eigenform MTot,eff effektive Gesamtmasse M Massenmatrix N Stockwerksanzahl Qk Potentialfunktion bezüglich der k-ten Fließbedingung Ry Abminderungsfaktor des nichtlinearen Antwortspektrums Sa,pi, Sd,pi spektrale Koordinaten vom Performance Point

aS Spektralbeschleunigung dS Spektralverschiebung

V Vertikalkraft V Vektor der wesentlichen Freiheitsgrade Griechische Buchstaben

αi modaler Massenanteilsfaktor der i-ten Eigenform βk Schädigungsparameter bezüglich der k-ten Fließbedingung βi Modaler Anteilsfaktor der i-ten Eigenform δ Verschiebung δcr Rissbreite ∂ Differential ε Dehnung εel, εpl elastische, plastische Dehnung εda elastische Dehnung aus Schädigung εpd Dehnung aus Plastizität und Schädigung

εep äquivalente plastische Dehnung

εcr Rissdehnung

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VII

φ 1,Dach Grundeigenform-Ordinate auf Höhe des Dachgeschosses φ1,EG Grundeigenform-Ordinate auf Höhe des Erdgeschosses γI Bedeutungsbeiwert η Dämpfungs-Korrekturbeiwert, Modalkoordinate ϕ Reibungswinkel κ Korrekturfaktor κk Ver- bzw. Entfestigungsparameter bezüglich der Fließbedingung k κp, κm Kenngrößen des Spannungs-Dehnungsverlaufs unter vertikaler

Druckbelastung λk plastischer Multiplikator bezüglich der Fließbedingung k µ Verschiebeduktilität µ0, µr Anfangs- und Endwert des Reibungskoeffizienten µ abgeminderter Reibungskoeffizient

ν Querdehnzahl θ Lagerfugenwinkel σ Spannung σ Spannungsvektor σtrial Prädiktorspannungszustand σI/II Hauptspannungen

iσ , mσ , nσ , rσ Kenngrößen des Spannungs-Dehnungsverlaufs unter vertikaler Druckbelastung τ Schubspannung τ Erhöhungsfaktor der Schubspannungen im Mauerstein ω Eigenkreisfrequenz ξ viskose Dämpfung der Struktur ξeff effektive Gesamtdämpfung ξeq äquivalente viskose Dämpfung ψ Dilatanzwinkel ∆ Inkrement ∆Dach Dachverschiebung ∆EG Erdgeschossverschiebung ∆F Inkrement der Flexibilitätsmatrix ∆x Stoßfugenabstand ∆y Lagerfugenabstand Φi Eigenvektor Σ makroskopische Spannung Ω Ver-/Entfestigungsfunktion bzw. Schädigungsfunktion

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Kapitel 1: Einleitung 1

1. Einleitung

1.1 Motivation Nachhaltigkeit bei Gebäuden wird weltweit mit langer Lebensdauer, Energieeffi-zienz und Flexibilität in der Nutzung definiert. Dieses Anforderungsprofil kann der traditionelle, gleichwohl aber auch moderne Baustoff Mauerwerk problemlos erfüllen: Sozusagen „naturgegeben” bringt er die wichtigsten bauphysikalischen Eigenschaften wie Dauerhaftigkeit, Feuchteschutz, Winddichtheit, Wärme- und Schalldämmung sowie Brandschutz mit, und dank modernster Anlagentechnik erfolgt die Produktion resourcenschonend und umweltfreundlich. Die Herstellung hat kurze Wirtschaftskreisläufe aufgrund der baunahen Verfügbarkeit der Bau-stoffe. Selbst bei einem erforderlichen Abbruch können die Steine bzw. Ziegel problemlos wieder verwendet werden.

In die Zukunft gerichtete langlebige sowie dauerhafte, wartungsarme Bauweisen genießen höchste Priorität. Dank der praktisch „unbegrenzten” Lebensdauer fallen Kosten für Wartung und Instandhaltung eines Mauerwerksgebäudes kaum ins Gewicht. Doch „unbegrenzte” Lebensdauer setzt voraus, dass die Standsi-cherheit auch im Fall von extremen Lasteinwirkungen wie Erdbeben gewährleis-tet ist. Dass Naturereignisse wie Erdbeben eine immer bedeutendere Rolle spie-len, ist aufgrund der Katastrophen in den vergangenen Jahren unbestreitbar. Auch für Deutschland haben neuere seismologische Erkenntnisse dazu geführt, dass mit stärkeren Beben gerechnet werden muss. Diese Tatsache ist in der Neufassung der DIN 4149 „Bauten in deutschen Erdbebengebieten” (im April 2005 im Weißdruck erschienen) berücksichtigt worden. Die Erdbebenzonen wur-den neu festgelegt, und die Untergrundverhältnisse werden nun durch Bau-grund- und Untergrundklassen wesentlich spezifischer beschrieben. Dadurch können sich in Abhängigkeit vom Gebäudestandort höhere seismische Belastun-gen als nach der alten Norm ergeben.

Aufgrund der trendgemäß immer filigraneren Bauweise mit wenigen aussteifen-den Wänden und aufgelösten Grundrissen sind viele architektonische Wünsche in der traditionellen Mauerwerksbauweise nun nicht mehr realisierbar, da der seis-mische Standsicherheitsnachweis nicht mehr erbracht werden kann. Dass aber dies auch bei gängigen Mauerwerksbauten der Fall ist, die sich in der Praxis bewährt haben, legt offen, dass die Tragreserven von Mauerwerk rechnerisch nicht ausreichend erfasst werden. Zurückzuführen ist dies auf das in der Regel verwendete, kraftbasierte Bemessungskonzept, bei dem elastisches Materialver-halten zugrunde gelegt wird. Dieser Ansatz führt schon in schwach erdbebenge-fährdeten Regionen zu Problemen beim rechnerischen Standsicherheitsnachweis und zu einer unrealistischen Vulnerabilitätsabschätzung des Baubestandes. Er setzt aber auch die Konkurrenzfähigkeit des traditionellen Baustoffes Mauerwerk stark herab.

Als vereinfachter Lösungsansatz wurde deshalb in der DIN 4149 ein Verhaltens-beiwert eingeführt, der die dissipativen Eigenschaften und das Verformungsver-mögen eines Bauwerks global berücksichtigt. Da bei dieser ingenieurmäßigen Herangehensweise weder das Baumaterial noch die Auflast, sondern nur die

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2 Kapitel 1: Einleitung

verschiedenen Mauerwerkstypen pauschal berücksichtigt werden, handelt es sich um einen äußerst konservativen Ansatz. Auch dieses Vorgehen kann in den Erd-bebenzonen 2 und 3 dazu führen, dass unbewehrte Mauerwerksbauten mit typi-schen Grundrissformen nicht mehr nachweisbar sind.

Aus diesem Grund besteht dringender Bedarf nach einem verformungsbasierten Nachweis für Mauerwerksbauten, bei dem die dissipativen bzw. nichtlinearen Reserven voll ausgenutzt werden. Nur durch ein solches Nachweisverfahren kann Mauerwerk auch in Regionen mit kleiner und mittlerer Seismizität weiterhin als resourcenschonender Baustoff eingesetzt werden. Eine weitere Anforderung an solch ein Bemessungsverfahren ist die flexible Anwendung auf beliebige Mauer-werkstypen und auf verstärktes Mauerwerk.

1.2 Zielsetzung und Abgrenzung der Arbeit In der vorliegenden Arbeit wird zur Lösung der beschriebenen Problematik ein neues verformungsbasiertes Nachweisverfahren für Mauerwerksbauten unter seismischer Belastung auf Grundlage der Kapazitätsspektrum-Methode vorge-stellt. Dieses Verfahren nutzt die nichtlinearen Tragwerksreserven von Mauer-werksbauten durch die wesentlich stärker material- und bauwerksspezifische Betrachtung optimal aus. Das Verfahren wird für den praktischen Einsatz pro-grammtechnisch umgesetzt und kann von Tragwerksplanern durch eine weitge-hende Automatisierung mit minimalem Berechnungsaufwand eingesetzt werden. Grundlage der Automatisierung des entwickelten Verfahrens bildet die Ablage der für die Kapazitätsspektrum-Methode benötigten Kapazitätskurven von Ein-zelwänden in Abhängigkeit von Geometrie, Mauerwerkstyp und Belastungszu-stand in ein geeignetes Datenbankschema. Diese Kurven werden vorab durch nichtlineare numerische Simulationen mit Hilfe der Finiten-Elemente-Methode bestimmt. Dafür wird in dieser Arbeit ein plastizitäts- und schädigungsorientier-tes Materialmodell für unbewehrte Mauerwerkswände auf Basis der mehrflächi-gen Plastizitätstheorie entwickelt. Dieses findet auf der Makroebene Anwendung im Rahmen einer verschmierten homogenen Betrachtung des Mauerwerks als Kontinuum. Alternativ wird das Modell auf der Mesoebene in einer Modellierung mit diskreter Abbildung von Stein und Mörtel umgesetzt. Beide Modelle sind für zyklisch belastetes Mauerwerk einsetzbar, unterscheiden sich aber deutlich im Rechenaufwand.

Damit steht erstmals ein (für Stahl- und Stahlbetonbauten schon etabliertes) allgemeingültiges Verfahren für die Bemessung von Mauerwerk unter seismi-schen Lasten zur Verfügung, das bei Bereitstellung entsprechender Kapazitäts-kurven auch für den Nachweis beliebiger Mauerwerkstypen eingesetzt werden kann (z. B. bewehrtes, eingefasstes oder verstärktes Mauerwerk). Dadurch wird der rechnerische Nachweis von Mauerwerksbauten für den Tragwerksplaner stark vereinfacht, und auch Verstärkungsmaßnahmen lassen sich schnell und effektiv bewerten. Auf diese Weise bleibt die Verwendung von Mauerwerk in höheren Erdbebenzonen attraktiver und weiter konkurrenzfähig. Da der über-wiegende Teil aller bestehenden Wohnhäuser aus dem Baustoff Mauerwerk besteht, stellt diese Arbeit einen wesentlichen Beitrag zur Verminderung der volkswirtschaftlichen Schäden im Falle eines Erdbebens dar.

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Kapitel 1: Einleitung 3

1.3 Aufbau der Arbeit In Kapitel 2 werden das Tragverhalten und die typischen Versagensformen von Mauerwerksschubwänden unter zyklischen Belastungen beschrieben. Das Kapi-tel 3 gibt eine Übersicht über Modellierungsstrategien für Mauerwerk mit Hilfe der Finiten-Elemente-Methode. Kapitel 4 stellt die Grundlagen und Algorithmen der numerischen Umsetzung von plastischen Materialmodellen, gekoppelt mit Schädigungseffekten, vor. Im Anschluss erfolgt in Kapitel 5 eine detaillierte Herleitung eines nichtlinearen Materialmodells für Mauerwerk auf Basis der mehrflächigen Plastizitätstheorie. Berücksichtigt werden darin die von Mann und Müller [73] aufgestellten Bruchkriterien, die der deutschen Mauerwerksnorm DIN 1053-1 [30] zugrunde liegen. Dadurch ist eine realitätsnahe Abbildung der spezi-fischen Versagensmechanismen möglich. Schädigungsmechanismen infolge zyklischer Belastungspfade werden durch eine Verknüpfung mit der Schädi-gungstheorie berücksichtigt. Die Umsetzung erfolgt mit Hilfe des Return-Mapping-Verfahrens. Das Materialmodell wird sowohl auf der Meso- als auch auf der Makroebene in das Programmsystem ANSYS® implementiert. Die Validierung des Modells erfolgt anhand von experimentellen Untersuchungen an Schubwän-den.

Kapitel 6 beschreibt die verschiedenen Bemessungsverfahren für den Lastfall Erdbeben, wie sie zurzeit Stand der Technik sind. In Kapitel 7 wird eine modifi-zierte Form der Kapazitätsspektrum-Methode für die Bemessung von Mauer-werksbauten entwickelt. Unterschieden wird zwischen einem vereinfachten und einem genaueren Ansatz. Beim vereinfachten Verfahren wird das Gebäudekapa-zitätsspektrum direkt aus der Erdgeschosskapazitätskurve ermittelt, die aus den Einzelwand-Kapazitätskurven unter Berücksichtigung von Torsionseffekten infol-ge unregelmäßiger Grundrisse berechnet wird. Vorausgesetzt wird dabei, dass das Gebäude im Aufriss regelmäßig ist und dass das untere Stockwerk zuerst versagt, während sich die anderen Stockwerke linear elastisch verhalten. Beim genaueren Ansatz wird das Gebäudespektrum aus der Kapazitätskurve ermittelt, die sich auf die Dachverschiebung bezieht und das nichtlineare Verhalten aller Stockwerke mit einschließt. Das Verfahren wird schließlich in der Weise erwei-tert, dass unterschiedliche Stockwerkskonfigurationen berücksichtigt werden können. In Kapitel 8 wird die entwickelte Methode exemplarisch auf praxisübli-che Bauwerksgrundrisse angewendet. Die Ergebnisse der unterschiedlichen An-sätze werden miteinander verglichen und denen der üblichen linear-elastischen Bemessung nach dem Antwortspektrenverfahren gegenübergestellt. Außerdem wird durch einen Vergleich mit Zeitverlaufsberechnungen die Leistungsfähigkeit der entwickelten Materialmodelle demonstriert und die Methode des nichtlinea-ren statischen Bemessungsansatzes validiert.

Die Arbeit schließt in Kapitel 9 mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick auf zukünftige Erweiterungen und Fragestellungen ab.

In Abbildung 1-1 ist der inhaltliche Aufbau mit den zwei Entwicklungsschwer-punkten dieser Arbeit graphisch dargestellt.

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4 Kapitel 1: Einleitung

Bemessungskonzept

Modellierungs-ebenen und

Homogenisierung Kap. 3

Numerische Grundlagen Kap. 4

Entwickeltes zyklisches

Materialmodell Kap. 5

Kapazitätsspektrum-Methode Numerische Modellierung

Gegenüberstellung seismischer

Bemessungsverfahren Kap. 6

Entwickelte verformungsbasierte

Bemessungs-methode

für Mauerwerk

Kap. 7

Anwendungsbeispiele (Kap. 8)

Allgemeine Beschreibung des Tragverhaltens von Mauerwerk (Kap. 1)

Abbildung 1-1: Aufbau der Arbeit mit zwei Entwicklungsschwerpunkten

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Kapitel 2: Unbewehrtes Mauerwerk unter Erdbebenbelastung 5

2. Unbewehrtes Mauerwerk unter Erdbebenbelastung

Da das Tragverhalten von unbewehrtem Mauerwerk bereits in einer Vielzahl von Arbeiten untersucht worden ist, sollen in diesem Kapitel nur die wichtigsten Materialeigenschaften zusammengefasst und die für diese Arbeit wichtigen As-pekte des Tragverhaltens aussteifender Mauerwerkswände unter zyklischer Be-lastung beschrieben werden, was für Erdbeben von Bedeutung ist.

Das Tragverhalten von unbewehrtem Mauerwerk wird durch die beiden Einzel-komponenten Stein und Mörtel und deren Wechselwirkung sowie durch die geo-metrische Anordnung des Verbandes beeinflusst. Daher werden zunächst die wesentlichen mechanischen Eigenschaften der Komponenten und im Anschluss das Verhalten des Mauerwerks dargelegt. Mauerwerkswände werden zwar vor-wiegend auf Druck und Schub beansprucht und damit werden sie als aussteifen-de Scheiben, also als ebene Tragsysteme genutzt; dennoch ist bei der Betrach-tung der Einzelkomponenten der räumliche Spannungszustand zu berücksich-tigen, weil der Mauerstein und der Mörtel unterschiedliche Steifigkeiten besitzen. Bei druckbeanspruchtem Mauerwerk entstehen im Mörtel Querdruckspannungen und im Stein Querzugspannungen infolge der Querdehnungsbehinderung. Damit wird die Tragfähigkeit im Stein verringert, im Mörtel erhöht. Lokales Versagen tritt dann i. d. R. durch Überschreiten der Querzugfestigkeit des Steins ein. Der Mörtel in der Lagerfuge unterliegt damit größtenteils einem dreiaxialen Druck-spannungszustand, während der Stein einen Druck-Zug-Zug-Spannungszustand erfährt. Dieser Effekt wurde zuerst von Hilsdorf [58] nachgewiesen und daher auch nach ihm benannt.

2.1 Materialeigenschaften von Mauersteinen Mauersteine können unterteilt werden in künstlich hergestellte Steine (u. a. Ziegel, Kalksandsteine, Porensteine, Beton- und Leichtbetonsteine) und Natur-steine. Künstlich hergestellte Steine können sehr große Anisotropien aufweisen, vor allem aufgrund der Steinlochung. Zusätzlich entsteht durch den Herstel-lungsprozess eine nicht zu unterschätzende Richtungsabhängigkeit [62], [104]. Bei Natursteinen gibt es ungerichtete und flächige bzw. lineare Korngefüge mit starker Anisotropie, bedingt durch die geologische Entstehung [125].

Angaben zu den maßgebenden Eigenschaften verschiedener Mauersteine sind in [111] enthalten. Die wichtigsten Einflüsse auf das Tragverhalten des gesamten Mauerwerks und seine Festigkeit sind die Steindruckfestigkeit, die Steinzugfes-tigkeit, der E-Modul und Querdehnzahl. Da die Steindruckfestigkeit neben Mate-rial, Rohdichte und Steinfeuchte auch vom Steinformat abhängt, wird diese auf ein Referenzformat in der Normung bezogen. Prüfverfahren zu ihrer Bestim-mung sind in [110], [112] beschrieben.

Das Spannungs-Dehnungsverhalten im Druck- und im Zugbereich unterscheidet sich stark voneinander. Im Druckbereich wird das Verhalten durch die Steinart bestimmt; grundsätzlich kann der Spannungs-Dehnungsverlauf in einen linearen Bereich (ca. ein Drittel der Druckfestigkeit), einen sich anschließenden Bereich

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6 Kapitel 2: Unbewehrtes Mauerwerk unter Erdbebenbelastung

mit zunehmender Krümmung bis zum Erreichen der Druckfestigkeit und einen Entfestigungsbereich mit eventuell einem sich einstellenden Restspannungsni-veau unterteilt werden. Bei gleicher Steinart nimmt mit höherer Druckfestigkeit sowohl die Steifigkeit (Anstieg der Spannungs-Dehnungslinie) als auch die Ver-sprödung (schnellerer abfallender Ast im Entfestigungsbereich) zu. Im Zugbe-reich ist die Festigkeit nur noch 3 – 10 % der Steindruckfestigkeit [108]. Bis zum Erreichen der Zugfestigkeit kann von einem linear-elastischen Materialverhalten ausgegangen werden, danach kann der Verlauf durch einen exponentiellen Ver-lauf approximiert werden.

2.2 Materialverhalten des Mörtels Mauermörtel, ein Gemisch von Sand, Bindemittel, Wasser und gegebenenfalls auch Zusatzstoffen und –mitteln, können grundsätzlich in drei verschiedenen Mörtelarten unterschieden werden: Normalmörtel (NM), Leichtmörtel (LM) und Dünnbettmörtel (DM). Angaben zu den Eigenschaftswerten verschiedener Mör-telarten sind u. a. in [16], [111] zu finden, zu den Prüfverfahren in [110], [109], [112].

Normalmörtel werden auf der Baustelle gefertigt oder als Werkmörtel geliefert. In der DIN 1053-1 [30] werden fünf Mörtelgruppen unterschieden (I, II, IIa, III und IIIa). Neben der Zuschlagart, der Korngrößenverteilung sowie dem Mi-schungsverhältnis lassen sich Mörtel vor allem durch das verwendete Bindemittel unterscheiden (Luftkalk, hydraulischer Kalk oder Zement). Leichtmörtel werden in die Gruppen LM 21 und LM 36 eingeteilt; sie sind Werk-Trocken- oder Werk-Frischmörtel mit einer Trockenrohdichte ≤ 1,5 kg/dm³. Dünnbettmörtel sind Werk-Trockenmörtel, deren Zuschlagarten ein Größtkorn von maximal einem Millimeter aufweisen dürfen. Sie werden der Gruppe III zugeordnet. Oft wird dieser als Klebemörtel bezeichnet.

Das Spannungs-Dehnungsverhalten von Mörtel ist mit dem des Betons vergleich-bar [16]. Die Druckfestigkeit wird wesentlich vom Wasser-Zement-Wert und damit durch den Hydratationsvorgang bestimmt; neben der Festigkeitszunahme bei dreiaxialen Druckbeanspruchungen gegenüber einaxialer Beanspruchung ist auch mit steigendem Druckspannungsverhältnis Quer- zu Vertikaldruck eine Zunahme sowohl der Steifigkeit als auch der Bruchstauchung sowie eine Abnah-me der Sprödheit festzustellen. Für höhere Spannungsverhältnisse treten in Querrichtung nur noch Stauchungen auf. Ebenfalls nimmt die Volumendehnung nach anfänglich linearem Verhalten unterproportional ab. Für kleine Spannungs-verhältnisse wird das Volumen kleiner bis zu einem Minimum, danach nimmt die Dehnung sehr stark zu in Richtung der betragsmäßig kleineren Hauptspannun-gen.

2.3 Verhalten von Mauerwerk unter Scheibenbeanspruchung

Eine Unterteilung von Mauerwerk kann nach Art der Verbandsausbildung (regel-mäßig oder regellos), Alter (z. B. historisch), Fugenausbildung (z. B. Trocken-mauerwerk), Funktion (z. B. Verblendmauerwerk) oder nach verwendeten Ma-

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Kapitel 2: Unbewehrtes Mauerwerk unter Erdbebenbelastung 7

terialien (z. B. Naturstein-, Ziegelmauerwerk) vorgenommen werden. Im Rah-men dieser Arbeit wird aufgrund der baupraktischen Relevanz nur modernes, regelmäßiges Mauerwerk betrachtet, bei dem durch die regelmäßige Ausrichtung der durchgängigen Lager- und versetzt angeordneten Stoßfugen eine ausgepräg-te Orthotropie vorhanden ist, die durch die unter 2.1 beschriebene Richtungsab-hängigkeit der Steine noch verstärkt wird. Stoßfugen bleiben oft planmäßig un-vermörtelt oder sind nur zum Teil vermörtelt. Aber auch bei einer Vermörtelung ist der Haftverbund infolge Mörtelschwinden und fehlender Druckspannungen kaum gegeben. Nach Dialer [29] hat dies auf die Versagenslast kaum einen Ein-fluss, jedoch werden die Verformungen bei fehlender Vermörtelung größer.

Eine Übersicht über die Prüfverfahren zur Bestimmung der mechanischen Eigen-schaften von Mauerwerk ist in [110], [112] enthalten, eine Übersicht von An-haltswerten ist z. B. in [111] zu finden.

Da Mauerwerkswände in der Regel für den Abtrag der vertikalen Lasten und die Aufnahme der Horizontallasten durch Scheibenwirkung verwendet werden, er-folgt im Rahmen der Arbeit eine Beschränkung auf das Tragverhalten von Mau-erwerk als Scheibe. Deshalb werden im folgenden Abschnitt nur Druck- und Zugbeanspruchungen senkrecht und parallel zur Lagerfuge sowie Schubbean-spruchungen betrachtet.

Da insbesondere bei Erdbeben die Mauerwerkswände stochastischen Be- und Entlastungen unterliegen, werden im Folgenden auch die Einflüsse dieser Bean-spruchungen betrachtet, auch wenn sie oft bei der Tragfähigkeitsbewertung vernachlässigt werden. Versuche zeigen aber, dass in Abhängigkeit der Belas-tungsart und Versagensform bei einer wiederholten gleich großen Verformung in den inelastischen Bereich nicht mehr die gleichen Lasten aufgenommen werden können wie bei einer Erstbelastung.

2.3.1 Druckbeanspruchung

Wichtigstes Merkmal für die Tragfähigkeit von Mauerwerk ist die einaxiale Druck-festigkeit senkrecht zur Lagerfuge. Dementsprechend ist diese auch am inten-sivsten experimentell untersucht worden. Wie eingangs erläutert, stellt in den überwiegenden Fällen das Druckversagen bei Normalmörtel eigentlich ein Stein-querzugversagen infolge der Querdehnung des Mörtels dar. Einen direkten Ein-fluss darauf haben die Steifigkeitskennwerte (E-Modul und Querkontraktionszahl) der Einzelkomponenten, die Fugendicke, das Steinformat [14], der Verband [59] und natürlich die Qualität der Verarbeitung. Deshalb weist die Mauerwerksdruck-festigkeit einen sehr starken Streubereich auf. Da die Mauerwerksdruckfestigkeit gewöhnlich zwischen den Festigkeitswerten der Einzelkomponenten liegt, wur-den für ihre Berechnung bereits mehrere empirische Ansätze aufgestellt, die von der Druckfestigkeit des Steins und des Mörtels abhängen und somit indirekt auch von den Steifigkeitskennwerten. Eine Zusammenstellung dieser Beziehungen findet sich in [123]. Sie werden wegen ihrer einfachen Form in der Praxis häufig angewendet. Aufgrund der vielen Einflussfaktoren und der Ausführung des Mau-erwerks vor Ort sollte die Tragwerksabschätzung immer auf Grundlage der direkt gemessenen Mauerwerksdruckfestigkeit geführt werden, um auch den spezifi-schen Streubereich abschätzen zu können.

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8 Kapitel 2: Unbewehrtes Mauerwerk unter Erdbebenbelastung

Das Spannungs-Dehnungsverhalten kann auch in diesem Fall wieder in drei Bereiche aufgeteilt werden: in einen linearen, einen sich anschließenden Bereich mit zunehmender Krümmung bis zum Erreichen der Mauerwerksdruckfestigkeit und einen Entfestigungsbereich, dessen Verlauf mit steigender Mörtelfestigkeit stärker abfällt. Die Steifigkeit des Anfangbereichs wird oft als Funktion der Druckfestigkeit angegeben, obwohl ganz unterschiedliche Kombinationen von Mauersteinen und Mörtel zwar die gleiche Druckfestigkeit, aber nicht die gleiche Steifigkeit haben. Eine Auflistung mehrerer solcher Ansätze findet sich in [123].

Das Verhalten von unbewehrtem Mauerwerk unter zyklischer Druckbeanspru-chung wurde bisher wesentlich seltener untersucht im Gegensatz zum monoto-nen Lastfall [2], [86], [87], [116]. Weitere Randbedingungen wie die Belastungsgeschichte und -art (Wechsel-, Druckschwellbeanspruchung) haben in diesem Fall großen Einfluss. Naraine und Sinha [86], [87] kommen aufgrund ihrer Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass die Einhüllende unter zyklischer Belastung bei einer Druckursprungsbelastung mit derjenigen unter monotoner Belastung zusammenfällt. Die Ent- und Wiederbelastungspfade bei mehrfach zyklischen Belastungen unterscheiden sich jedoch sehr voneinander, da die zykli-sche Druckbeanspruchung den vollständigen Abbau von Querverformungen verhindert, einhergehend mit einer erhöhten Rissbildung des Mörtels, was sich als Steifigkeitsabminderung bemerkbar macht [46]. Die Traglastminderung folgt aus den mit jedem Zyklus vergrößerten Querzugspannungen im Stein.

Gleiches Verhalten wird in [86], [87] auch für die Belastungsrichtung parallel zur Lagerfuge festgestellt. Dies lässt sich jedoch nicht verallgemeinern, da die Druckfestigkeit des Mauerwerks in dieser Belastungsrichtung maßgeblich von der Steinlängsdruckfestigkeit und der Stoßfugenausbildung abhängt. Ist die Stoßfuge unvermörtelt, ergibt sich eine deutlich geringere Längsdruckfestigkeit und ein erheblich flacherer Verlauf der Spannungs-Dehnungslinie aufgrund des veränder-ten Kraftflusses im Verband [104].

2.3.2 Zugbeanspruchung

Bei Verwendung von Normalmörtel kann normalerweise davon ausgegangen werden, dass bei Zugbeanspruchung senkrecht zur Lagerfuge die Haftzugfestig-keit maßgebend wird. Aufgrund starker Streuungen und unzureichender Sicher-stellung des Haftverbundes darf nach Norm [30] die Zugfestigkeit bei der Be-messung nicht mit angesetzt werden. Die Spannungs-Dehnungsbeziehung kann in einen linear-elastischen Bereich bis zum Erreichen der Zugfestigkeit und einen Entfestigungsbereich eingeteilt werden, der sehr gut durch einen exponentiellen Verlauf beschrieben werden kann.

Bei Zugbeanspruchungen parallel zur Lagerfuge können die zwei Versagensme-chanismen Fugen- und Steinversagen unterschieden werden. Bei geringerer Normaldruckspannung kommt es zum Versagen der Lagerfuge und zu einem Aufreißen der Stoßfugen. Das Verhalten ist vergleichbar mit dem Schubversagen, das im folgenden Abschnitt beschrieben wird. Bei großen Normaldruckspannun-gen führt die Steigerung der horizontalen Zugbeanspruchung zu relativ sprödem Steinzugversagen, welches hauptsächlich von der horizontalen Steinzugfestigkeit abhängt.

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Kapitel 2: Unbewehrtes Mauerwerk unter Erdbebenbelastung 9

2.3.3 Beanspruchung von Mauerwerk unter Schub 2.3.3.1 Versagensarten

Wird Mauerwerk auf Schub belastet, können zwei unterschiedliche Versagensar-ten auftreten. Bei geringer Auflast tritt ein Reibungsversagen in der Lagerfuge auf. Die Schubfestigkeit hängt dabei von dem Reibungswinkel µ und der Kohäsi-on bzw. Haftscherfestigkeit k ab [99]. Die Haftscherfestigkeit k wird nach Errei-chen der Schubfestigkeit exponentiell abgebaut. Der Reibungswinkel µ0 reduziert sich auf einen Restwert µr. Der Dilatanzwinkel ψ (vergleiche Abschnitt 5.2.2) wird sowohl mit größerer Auflast kleiner, er verringert sich ebenso mit zuneh-mender Scherverschiebung.

0tanyyk σ µ−

tanyy Rσ µ−

Schu

bspa

nnun

g

Scherverschiebung Abbildung 2-1: Lagerfugenversagen

Die zweite Versagensart, die sich mit steigender Auflast senkrecht zur Lagerfuge einstellt, ist das Steinversagen. Dies resultiert aus den unter Schub sich ein-stellenden Steinrotationen der darüber- und darunterliegenden Reihe, so dass große Beanspruchungen meistens infolge dieses Abschermechanismus hervor-gerufen werden. Daraus ergeben sich große Hauptzugspannungen im Stein, die zum Versagen führen. Deshalb wird dieses Versagen auch als Steinzugversagen bezeichnet.

2.3.3.2 Verhalten auf Bauteilebene – aussteifende Schubwände

Wird eine gesamte Mauerwerkswand unter Auflast zusätzlich durch eine Horizon-tallast in ihrer Systemebene belastet, dann wird das Mauerwerk auf Biegung, also auf Druck- und Zugspannungen, und auf Schub beansprucht. Es können sich prinzipiell drei verschiedene globale Versagensformen ausbilden, die sich aus den bisher beschriebenen Versagensarten zusammensetzen. Entscheidend sind auch hierbei das Verhältnis der Auflast zur Schublast und die Schlankheit der Mauerwerksscheibe.

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10 Kapitel 2: Unbewehrtes Mauerwerk unter Erdbebenbelastung

Monotone Belastung

Zyklische Belastung

Qualitativer Verlauf der Last-Verformungskurve

Fuge

nver

sage

n

F

∆v

Stei

nver

sage

n

F

∆v

Abbildung 2-2: Schubversagen von Mauerwerkswänden

Bei kleiner Auflast tritt Fugenversagen ein, die Steine bleiben im Regelfall intakt (Abbildung 2-2, oben links). Entweder beschränkt sich der Verlauf auf eine ein-zelne Lagerfuge, oder der Riss verläuft treppenförmig entlang der Stoß- und Lagerfugen in Abhängigkeit des Verbandes. Die Mauerwerksschubfestigkeit ist also demnach auch vom Format der Steine, dem Überbindemaß und der Fugen-dicke abhängig. Eine Steigerung der Normaldruckspannung bewirkt nach anfäng-lichem Fugenversagen ein Versagen benachbarter Steine, wodurch ein Rissbild mit Versagen in den Fugen und der Steine entsteht. Ab einer gewissen Größe der Druckspannung erfolgt der Bruch ausschließlich durch Steinzugversagen (Abbildung 2-2, unten links). Sowohl das Fugen- als auch das Steinzugversagen werden als Schubversagen bezeichnet.

Bei alternierender, zyklischer Belastung entstehen die Kreuzrisse, meistens durch eine Kombination von Fugen- und Steinzugversagen. Die qualitative Gegenüber-stellung der Kraft-Verformungskurven (Hysteresekurve) beider Versagensarten verdeutlicht den Unterschied beider Versagensarten unter zyklischer Beanspru-chung: Beim Gleiten der Lagerfuge wird Energie durch Reibung dissipiert. Die Hysteresekurven (Abbildung 2-2, rechts) sind füllig, und das Verhalten kann nach Überschreiten und Abbau der Haftscherfestigkeit als duktil bezeichnet werden, was einem rein elastoplastischem Materialverhalten entspricht [25], [91]. Das Steinzugversagen ist dagegen spröde, und es kommt zu Steifigkeitsabminderun-gen. Die Realität ist natürlich immer eine Kombination beider Versagensarten.

Schlanke Mauerwerksscheiben werden vor allem auf Biegung beansprucht. Maß-gebend für das Versagen sind in diesem Fall insbesondere die Zug- und Druck-

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Kapitel 2: Unbewehrtes Mauerwerk unter Erdbebenbelastung 11

tragfähigkeit des Mauerwerks in den Eckbereichen (Abbildung 2-3), die Schub-tragfähigkeit spielt eine untergeordnete Rolle.

Monotone Last Zyklische Belastung Qualitativer Verlauf der Last-Verformungskurve

Dru

ckve

rsag

en

Zugv

ersa

gen

F

∆v

Abbildung 2-3: Kombiniertes Druck- und Zugversagen infolge Biegebeanspruchung bei schlanken Wänden

Bei zyklischer Belastung macht die Wand eine Kippbewegung, einen Wechsel von Klaffung und Druckspannung oder Wechselspannungen im Druckschwellbereich. Die Verformungen sind im Verhältnis zur aufnehmbaren Last sehr groß (große Duktilität). Die Hysteresekurven weisen einen stark eingeschnürten, S-förmigen Verlauf auf, der zeigt, dass nach anfänglichem Fugenaufreißen wenig Energie dissipiert wird. Im Ursprung nimmt die Steigung der Kurven nur sehr wenig ab. Der S-förmige Verlauf resultiert hauptsächlich nicht aus der Materialdegradie-rung, sondern aus der Verkleinerung des überdrückten Querschnittsbereichs mit größer werdender Verformung.

Fouad und Meincke [46] behaupten, dass die Einhüllende der Last-Verformungskurve unter zyklischer Last mit der unter statischer Last zusammen-fällt. Dies entspricht zwar den Beobachtungen von Naraine und Sinha [86], [87] unter Druckbeanspruchung, wie bereits im Abschnitt 2.3.1 beschrieben, kann aber nicht als allgemeingültig aufgefasst werden. Experimentelle Untersuchun-gen weisen darauf hin, dass die Anzahl der Zyklen einen sehr großen Einfluss auf die Steifigkeiten und damit auf die aufnehmbare Last bei gleicher Verformung haben [92], [127]. Es kann festgehalten werden, dass das Verhalten von Mau-erwerksscheiben unter zyklischer Beanspruchung noch nicht vollständig unter-sucht worden und Schwerpunkt zahlreicher aktueller Forschungsprojekte ist (z. B. [35], [38], [103]).

2.3.4 Versagenskriterien bei Scheibenbeanspruchung

Das Versagen von Mauerwerk wird, wie in den vorangegangenen Abschnitten beschrieben, durch unterschiedliche Versagensmechanismen hervorgerufen. Ein allgemeingültiges Versagenskriterium für Mauerwerk ist daher nicht durch eine einzige stetige Kurve beschreibbar, sondern muss sich aus einer Kombination mehrerer einzelner Kriterien zusammensetzen. Vollständig lässt sie sich ebenfalls

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12 Kapitel 2: Unbewehrtes Mauerwerk unter Erdbebenbelastung

nicht mehr nur in Hauptspannungen veranschaulichen wie bei isotropen Materia-lien, sondern für ihre Darstellung wird eine weitere Angabe benötigt (z. B. der Winkel θ zwischen einer Hauptspannungsrichtung und der Lagerfugenrichtung), oder es muss ein raumfestes Koordinatensystem des Spannungsvektors (σxx, σyy, τ) benutzt werden [104].

Bei vielen entwickelten Versagenskriterien wurden vereinfachende Annahmen getroffen, so dass sich die Versagenskriterien für eine praktischere Anwendbar-keit entweder kompakter oder in einem reduzierten Spannungsraum darstellen lassen. Umfassende und genaue Übersichten von Versagenskriterien werden in [4], [29], [52], [103], [123] gegeben, die in dieser Arbeit nicht wiederholt wer-den sollen. Bemerkenswert ist, dass in den ersten Untersuchungen aufgrund des qualitativ schlechten Mörtels lediglich Reibungsversagen festgestellt wurde. So lag es nahe, das Mohr-Coulomb-Kriterium als maßgebendes Kriterium zu benut-zen [52], was auch heute in manchen Ländern noch immer als einziges Hilfsmit-tel zur Beurteilung der Schubtragfähigkeit von Mauerwerksscheiben genutzt wird. Die deutsche Mauerwerksnorm DIN 1053 [30] basiert auf der Schubbruchtheorie nach Mann und Müller [72], [73]. Sie beinhaltet vier verschiedene Versagenskri-terien für unbewehrtes Mauerwerk. Die ersten drei dieser Kriterien beschreiben die Versagensformen unter Druckbeanspruchung des Mauerwerks, das vierte Kriterium betrifft das Zugversagen des Mauerwerks. Diese Bruchkriterien sollen im Folgenden ausführlicher dargelegt werden, weil sie Grundlage für die Ent-wicklung eines numerischen Modells in Kapitel 5 sind. Ein detaillierter Vergleich zwischen diesen Bruchkriterien und den Kriterien von Ganz [51], die als Grundla-ge in die schweizerische Mauerwerknorm SIA 177/2 [117] eingegangen sind, ist in [115] enthalten. Den Kriterien von Ganz liegt ein Versagensmodell in Abhän-gigkeit der Spannungen parallel zur Lagerfuge zugrunde.

Die Theorie nach Mann und Müller bezieht sich auf einen regelmäßigen Läufer-verband mit einem Überbindemaß von einer halben Steinlänge sowie einem Verhältnis von Steinhöhe ∆y zu Steinlänge ∆x von ca. 1:2. Bei dem Modell wird davon ausgegangen, dass in den Stoßfugen keinerlei Schub- und Normalspan-nungen übertragen werden. Die in den Lagerfugen wirkenden Schubspannungen bewirken ein Drehmoment am Einzelstein (Abbildung 2-4a). Das Gleichgewicht gegen Verdrehen kann nur über ein vertikal wirkendes Kräftepaar aus den sich einstellenden vertikalen Spannungen hergestellt werden. Einfachheitshalber wird eine blockförmige Normalspannungsverteilung ∆σyy mit verschiedenen Vorzeichen in den beiden Steinhälften gewählt (Abbildung 2-4b), die sich auf anschauliche Weise aus den Steinrotationen ableiten lässt.

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Kapitel 2: Unbewehrtes Mauerwerk unter Erdbebenbelastung 13

∆x

∆y

τ

σyy

σyy

∆σyy

∆σyy τ

σxx = 0

τStirn = 0

σxx = 0σI

σII τStirn = 0

(a) (b)

Abbildung 2-4: Spannungszustand am Einzelstein nach Mann und Müller

Nach Abbildung 2-4 ergibt sich die vertikale Normalspannung σvert in der Lagerfu-ge zu

2vert yy

yx

σ σ τ ⋅ ∆= ± ⋅

∆, (2.1)

so dass die eine Steinhälfte größere Spannungen, die andere Steinhälfte kleinere Spannungen erfährt. Im Folgenden werden die vier Versagenskriterien vorge-stellt.

2.3.4.1 Versagenskriterium I: Gleiten in der Lagerfuge

Die Beschreibung des ersten Bruchkriteriums erfolgt anhand der Mohr-Coulomb’schen Geraden unter Berücksichtigung der Kohäsion k (Haftscherfestig-keit) und des Reibungskoeffizienten µ = tan φ. Für das Reibungsversagen in der Lagerfuge wird auf der sicheren Seite liegend angenommen, dass die Steinhälfte mit der geringeren Drucknormalspannung maßgebend ist. Die maximal auf-nehmbare Schubspannung ergibt sich demnach zu

vertkτ µ σ≤ − ⋅ . (2.2)

Um σvert durch die mittlere Normalspannung σyy ersetzen zu können, werden abgeminderte Kohäsions- bzw. Reibbeiwerte eingeführt. Diese werden berechnet mit

xy21

1

∆∆⋅

⋅+⋅=

µkk

(2.3)

und

xy21

1

∆∆⋅

⋅+⋅=

µµµ ,

(2.4)

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14 Kapitel 2: Unbewehrtes Mauerwerk unter Erdbebenbelastung

so dass sich die maximal aufnehmbare Schubkraft als Funktion der mittleren Drucknormalspannung σyy zu

yykτ µ σ≤ − ⋅ (2.5)

ergibt.

2.3.4.2 Versagenskriterium II: Schubversagen des Steins

Bei größerer Vertikalspannung σyy wird nicht die horizontale Fuge auf Reibung, sondern vorher wird der Stein auf Schub versagen und reißen. Dafür haben Mann und Müller [73] die maximal auftretende Schubspannung in Steinmitte durch den Faktor 2,3 abgeschätzt. Sie haben diesen Wert durch eine FE-Berechnung an einem Einzelstein mit den Einheitsabmessungen 1:2 und der Überbindelänge von 1 unter Benutzung von Acht-Knoten-Scheibenelementen ermittelt (Abbildung 2-5).

2

1

τ ∆σyy

∆σyyτ

(a) (b)

Abbildung 2-5: (a) FE-Netz und Belastung der Berechnung von Mann und Müller, (b) Simulationsergebnis mit ANSYS [3]

Zusammen mit der mittleren Normalspannung σyy ergibt sich eine geneigte Hauptzugspannung σI. Überschreitet diese Spannung die Zugfestigkeit des Mau-ersteins ƒbt, kommt es zum Versagen. Dieses Bruchkriterium ist definiert durch:

( )2

22,32 2yy yy

I

σ σσ τ

≤ + + ⋅

(2.6)

2.3.4.3 Versagenskriterium III: Druckversagen des Mauerwerks

Wie in Abbildung 2-4 ersichtlich, ist für ein Druckversagen des Mauerwerks die betragsmäßig höhere Drucknormalspannung

2vert yy

yx

σ σ τ ⋅ ∆= − ⋅

∆ (2.7)

maßgebend. Bei Überschreitung der Mauerwerksdruckfestigkeit ƒmy versagt das Mauerwerk. Als maximal zulässige Drucknormalspannung ergibt sich mit σvert ≥ -ƒmy

2yy my

y fx

σ τ ⋅ ∆≥ ⋅ −

∆ (2.8)

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Kapitel 2: Unbewehrtes Mauerwerk unter Erdbebenbelastung 15

und aufgelöst nachτ

( ) 2yy myxf

yτ σ ∆

≤ + ⋅⋅ ∆

. (2.9)

2.3.4.4 Versagenskriterium IV: Klaffen in der Lagerfuge

Bei einer geringen Drucknormalspannung in der Wand kann

2vert yy

yx

σ σ τ ⋅ ∆= + ⋅

∆ (2.10)

positive Werte annehmen, also im Zugbereich liegen. Überschreitet diese Zug-spannung die Haftzugfestigkeit zwischen Stein und Mörtel ƒtmy, kommt es zu einer klaffenden Fuge.

Wird σvert = ƒtmy in (2.10) eingesetzt und nachτaufgelöst, so ergibt sich das Bruchkriterium zu

( )y

xf yytmy ∆⋅∆

⋅−=2

στ . (2.11)

Abbildung 2-6 zeigt das zusammengesetzte Versagenskriterium, bestehend aus den vier vorgestellten Einzelkriterien.

fmy -σyyσyy

τ

k

µarctan

fbt ftmy

Druckversagen

Steinzugversagen Gleiten in der Lagerfuge

Zugversagen

Abbildung 2-6: Zusammengesetztes Versagenskriterium im 2D-Spannungsraum

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16 Kapitel 3: Numerische Simulation von Mauerwerk

3. Numerische Simulation von Mauerwerk In diesem Kapitel werden die verschiedenen Möglichkeiten der Modellierung von Mauerwerk mit Hilfe der Methode der Finiten Elemente (FEM) vorgestellt. Zur numerischen Lösung der Bewegungsgleichung werden in dieser Arbeit aus-schließlich implizite Integrationsverfahren verwendet. Für explizite Zeitintegrati-onsverfahren, die für die numerische Berechnung von Mauerwerk ebenfalls ge-eignet sind, wird auf Schlegel [104] verwiesen.

3.1 Modellierungsebenen Mauerwerk kann auf verschiedene Weisen modelliert werden. Grundsätzlich kann zwischen diskreter und homogener Modellierung unterschieden werden. Diskon-tinuierliche Modelle bilden die einzelnen Steine und Fugen des Mauerwerks ab. Je nach Genauigkeitsstufe der Generierung können hier nochmals Modelle auf der Mikro- und Mesoebene unterschieden werden (Abbildung 3-1). Bei der ho-mogenen Modellierung hingegen wird das Mauerwerk durch ein homogenes Kontinuum ersetzt, dem die makroskopischen („verschmierten”) Eigenschaften von Mauerwerk zugewiesen werden.

„Mauerstein“ „Fuge“Kontaktbereich Stein/Mörtel

Stein Mörtel Homogenes Kontinuum

Genauigkeit & Rechenaufwand

Größe berechenbarer Tragstrukturen

Stoßfuge

Lagerfuge

Stein

Mikroebene Mesoebene

diskrete Modellierung homogene Modellierung

Makroebene

Abbildung 3-1: Modellierungsebenen

3.1.1 Diskrete Modellierung In den letzten zwei Jahrzehnten wurden zahlreiche diskrete Finite-Elemente-Modelle für monotone und zyklische Belastungen entwickelt [15], [19], [49], [69], [104]. Diese bilden Mauerwerk auf zwei verschiedenen Genauigkeitsstufen ab. In der genaueren Abbildung (Mikroebene) werden Mauersteine und Mörtel getrennt mit den vorhandenen geometrischen Abmessungen und den jeweiligen nichtlinearen Werkstoffgesetzen durch Kontinuumselemente modelliert. Das Verbundverhalten zwischen den Komponenten kann zusätzlich durch Kontakt-

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Kapitel 3: Numerische Simulation von Mauerwerk 17

elemente abgebildet werden. Das feine Diskretisierungsniveau ermöglicht insbe-sondere die Nachvollziehbarkeit der inneren Spannungszustände im Mauer-werksverband. Wie zu Beginn des Kapitels 2 erläutert, kann infolge der Interak-tion zwischen Mörtel und Stein der Spannungszustand nur dann realistisch erfasst werden, wenn die Anteile in Querrichtung zur Systemebene mit berück-sichtigt werden. Daher muss eine genaue Modellierung im dreidimensionalen Raum erfolgen. Ansonsten ist bei einer zweidimensionalen Generierung des FE-Modells ein verallgemeinerter ebener Dehnungszustand anzunehmen [6].

Bei Modellen auf der Mesoebene, die auch als „vereinfachte Mikromodellierung” bezeichnet werden [104], wird auf eine getrennte Modellierung des Mörtels und des Verbundbereiches verzichtet. Die nichtlinearen Mörteleigenschaften sowie der Verbund zwischen Mauersteinen und Mörtel werden Diskontinuumselemen-ten (Kontakt- oder Interfaceelementen) zugewiesen. Die Mauersteine werden um die Fugendicke vergrößert abgebildet. Infolge der Vernachlässigung der Fugendi-cke geht der Hilsdorf-Effekt verloren, so dass entweder die Steinfestigkeit durch die Mauerwerksdruckfestigkeit ersetzt werden muss oder die Mauerwerksdruck-festigkeit im Interfaceelement zu berücksichtigen ist.

Bei der Umsetzung diskreter Modelle in ein FE-Modell muss die Diskretisierung entsprechend der tatsächlichen geometrischen Anordnung der Mauersteine und Fugen erfolgen. Dies führt schon bei kleinen Systemen zu einer großen Anzahl von Freiheitsgraden, so dass die Mikromodelle nur zur Untersuchung eines Mau-erwerksausschnittes, und bei der Homogenisierung zur Bestimmung effektiver Materialparameter für die Makromodelle (Abschnitt 3.2) eingesetzt werden kön-nen. Daher geben solche Modelle Einblicke in die Versagensmechanismen auf lokaler Materialpunktebene und liefern wichtige Erkenntnisse, sind aber für die Simulation ganzer Tragwerke nicht geeignet. Modelle auf der Mesoebene können eher im Bereich von einfachen Tragstrukturen wie z. B. einzelnen Wänden ohne aufwändige geometrische Besonderheiten eingesetzt werden. Einflüsse aus der Verbandsausbildung, die insbesondere für schubbeanspruchte Mauerwerksstruk-turen von großer Bedeutung sein können, können mit dieser Modellierungstech-nik sehr gut untersucht werden.

3.1.2 Homogene Modellierung

In Makromodellen wird das Mauerwerk als homogenes Kontinuum mit makrosko-pischen („verschmierten”) Materialeigenschaften idealisiert [50], [69], [103], [104], [115], [123]. Die Vernachlässigung vorhandener Diskontinuitäten führt zu einer wesentlichen Reduzierung des Rechenaufwands gegenüber den Mikromodellen, so dass auch größere Systeme berechnet werden können. Ge-rechnet wird mit mittleren, homogenen Spannungen und Dehnungen. Vorausge-setzt werden muss aber, dass die Diskontinuitäten tatsächlich „verschmiert” betrachtet werden können, d. h. die Größe der Einzelkomponenten müssen im Verhältnis zur Gesamtstruktur klein genug sein.

Es muss jedoch eine größere Komplexität der Materialformulierung in Kauf ge-nommen werden, da alle Versagenskriterien zusammen auftreten können und der Einfluss des Verbands direkt in der Materialformulierung berücksichtigt wer-

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18 Kapitel 3: Numerische Simulation von Mauerwerk

den muss. Weiterhin ist je nach Materialformulierung auch ein höherer Aufwand für die Bestimmung der Eingabeparameter notwendig (Abschnitt 3.2).

Unterschieden werden können zum einen Modelle, die die einzelnen spezifischen Versagensmechanismen von Mauerwerk (Kapitel 2) weiterhin gesondert berück-sichtigen und zum anderen diejenigen, die auf verallgemeinerten, angepassten Versagenskriterien basieren. Wie in Abschnitt 2.3.4 erläutert, kann ein solches Versagenskriterium niemals Allgemeingültigkeit besitzen. Sie werden nur der Einfachheit halber verwendet und müssen mit experimentellen Ergebnissen kalib-riert werden. Auftretende Versagens- und Schädigungsmechanismen werden dabei nur phänomenologisch erfasst. Für Beanspruchungen, die in der Kalibrie-rung nicht betrachtet werden, ist die Korrektheit der Simulationsergebnisse nur schwer zu beurteilen. Je weniger Eingangsparameter das Modell aufweist, desto leichter ist die Kalibrierung, desto kleiner ist aber auch die Simulationsgenauig-keit und -aussagefähigkeit. Beispiele für Makromodelle auf Basis verallgemeiner-ter Versagenskriterien sind die Modelle von Vratsanou [69] und Lourenco [123].

Dagegen ist durch die Berücksichtigung mehrerer, einzelner Fließkriterien eine realitätsnahe Berücksichtigung unterschiedlicher Versagens- und Schädigungs-mechanismen möglich, da die Definition der Ver- bzw. Entfestigungsfunktionen und damit die Formulierung der Spannungs-Dehnungsbeziehung für jeden Versagensfall spezifisch vorgenommen wird. Es handelt sich um makroskopische Modelle, die auf mehrflächigen Fließfiguren basieren. Wesentliche Beiträge zu dieser Vorgehensweise im Bereich der Mauerwerksmodellierung stammen von Seim [115] und Schlegel [105].

Die Formulierung von Makromodellen für dynamische Belastungen erfordert die Beschreibung der Spannungs-Dehnungsbeziehungen im monotonen Belastungs-pfad und im zyklischen Be- und Entlastungspfad. Der Verlauf dieser Beziehungen ist hierbei abhängig von den in Abschnitt 2.3.3 beschriebenen Versagenskrite-rien. Die Makromodelle müssen darüber hinaus in der Lage sein, trotz des Konti-nuumsansatzes die Rissbildung des Mauerwerks bei Überschreitung der Zugfes-tigkeit und die Rissschließungsvorgänge bei Lastumkehr zu erfassen, so dass senkrecht zur Rissrichtung wieder Druckspannungen übertragen werden können. In der Regel wird dazu der „smeared crack approach” verwendet, bei dem das gerissene Mauerwerk weiterhin als Kontinuum mit vielen sehr kleinen Rissen betrachtet wird. Bisher wurden zyklische Makromodelle nur auf Basis vereinfach-ter Versagenskriterien entwickelt wie z. B. das Modell von Vratsanou [69]. Auf der Basis mehrflächiger Fließfiguren ist dem Autor bisher kein zyklisches Modell bekannt.

3.2 Homogenisierung Für eine genaue Mikromodellierung müssen die Materialparameter und die Span-nungs-Dehnungsbeziehungen der Einzelkomponenten bekannt sein. Für die meisten Steinarten und Mörtel sind ihre Eigenschaften in umfangreichen Unter-suchungen mittels standardisierter Versuche gut bereits ermittelt und dokumen-tiert worden (Abschnitt 2.1 und 2.2).

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Kapitel 3: Numerische Simulation von Mauerwerk 19

Für die Makromodellierung ist der Aufwand zur Bestimmung und Kalibrierung der notwendigen Eingabeparameter wesentlich größer. Bei makroskopischen Model-len ist darauf zu achten, dass die notwendigen Eingangsparameter direkt stan-dardisierten Versuchen (Kapitel 2.3) entnommen werden können. Ist dies nicht der Fall oder müssen die makroskopischen Spannungs-Dehnungsbeziehungen weiterer Belastungspfade bekannt sein, verlangt die experimentelle Bestimmung dieser Pfade komplizierte, aufwändige und kostspielige Versuchsaufbauten mit großen Mauerwerksprüfkörpern.

Der experimentelle Aufwand kann jedoch reduziert werden, wenn auf numeri-schem Weg die „verschmierten” Materialeigenschaften des homogenisierten Kontinuums bestimmt werden und als Eingabeparameter für ein Makromodell genutzt werden können (Abbildung 3-2). Dafür muss es möglich sein, dem Mik-romodell einen makroskopisch homogenen Spannungszustand aufzuzwingen, und zwar für alle möglichen Belastungspfade.

Mikroebene Mesoebene Makroebene

Homogenisierung Abbildung 3-2: Homogenisierung

Im Folgenden wird ein allgemeines, vom Materialgesetz der Einzelkomponenten unabhängiges Homogenisierungsverfahren mit Hilfe der FEM erläutert, um die homogenisierten Eigenschaften des Ersatzkontinuums aus den Kenngrößen sei-ner Bestandteile zu berechnen. Da im Rahmen dieser Arbeit der Schwerpunkt auf der Simulation von Mauerwerkswänden als Schub abtragende Elemente liegt, erfolgt eine Beschränkung der Herleitung auf Mauerwerk unter Scheibenbelas-tung. Das Verfahren lässt sich aber auch auf die Untersuchung eines Mauer-werksverbandsausschnitts für beliebige kombinierte Membran- und Biegebelas-tungen erweitern. Die Erweiterungen werden von Mistler et al. in [81] beschrieben.

3.2.1 Homogenisierungstechniken

In den letzten zwei Jahrzehnten wurden verschiedene Homogenisierungstechni-ken mit unterschiedlichen Zielsetzungen wie beispielsweise die Ermittlung der elastischen Eigenschaften oder Festigkeitsanalysen entwickelt [5], [26], [68], [74], [95], [96], [98], [128]. Sie lassen sich vereinfacht in zwei Arten gruppie-ren: Eine der einfachsten Techniken ist die „two-step-homogenization”, bei der das Mauerwerk ähnlich wie bei Faserverbundwerkstoffen als ein in beide Rich-tungen geschichtetes Material betrachtet wird [69]. Die Homogenisierung erfolgt dann nacheinander für beide Richtungen. Nachteilig ist dabei, dass die Ergebnis-se von der Reihenfolge abhängig sind, mit der das Verfahren durchgeführt wur-de. Bei der in [128] vorgeschlagenen „one-step-homogenization” werden Gleich-gewichtzustände unter verschiedenen Belastungszuständen betrachtet. Die

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20 Kapitel 3: Numerische Simulation von Mauerwerk

angesetzten Kräfte werden aus dem Verformungszustand der betrachteten Ein-heitszellen abgeleitet. Dieses Verfahren ist genauer, da es die mechanischen Eigenschaften besser berücksichtigt. Mit beiden Verfahren können jedoch nur linear elastische Materialkennwerte bestimmt werden. Ein weiteres, direktes „one-step”-Verfahren ist die von Anthoine [5], [6] vorgestellte Prozedur, in dem die Homogenisierungstheorie für periodische Medien, wie sie z. B. in [57] erläu-tert wird, konsequent auf Mauerwerk angewendet wird. Diese Methode ist bisher nur zur Bestimmung der linear elastischen Materialkennwerte genutzt worden. Sie lässt sich aber, wie im Folgenden beschrieben, direkt zur Bestimmung der „verschmierten”, homogenisierten nichtlinearen Eigenschaften von Mauerwerk (z. B. Festigkeiten oder makroskopische Spannungs-Dehnungsbeziehungen) erweitern.

3.2.2 Homogenisierung ebener, periodischer Strukturen Ebenes, modernes Mauerwerk ist durch die periodische Anordnung seiner Kom-ponenten gekennzeichnet. Die Periodizität ist durch das Referenzsystem charak-terisiert, das durch die beiden unabhängigen Vektoren v1 und v2 aufgespannt wird (Abbildung 3-3).

y

x

l d

h

v2

v1

Abbildung 3-3: Einheitszelle für Mauerwerk im Läuferverband

Folglich ist es ausreichend, die mechanischen Materialeigenschaften anhand einer repräsentativen Basiszelle zu definieren, deren kleinste Grundform Ein-heitszelle genannt wird. Naturgemäß ist dies im Fall eines Läuferverbandes ein Parallelogramm. Die Fläche des Parallelogramms ist gegeben durchv1 x v2= l · h. Gemäß der Homogenisierungstheorie für periodische Strukturen müssen unter der Voraussetzung eines homogenen Spannungszustandes zwei aneinan-der grenzende Zellen auch in ihrem gemeinsamen, verformten Zustand kompati-bel sein [5]. Dies bedeutet, dass beim Übergang von einer Seite zur anderen die Dehnungen kompatibel und die Spannungsvektoren entgegengesetzt sein müs-sen. Dies führt zur Definition eines kinematisch zulässigen, dehnungsperiodi-schen Verschiebungsfeldes u(x,y):

( ) ( )( ) ( )

, ,, ,

px xx xy x

py xy yy y

u x y E x E y u x yu x y E x E y u x y

= ⋅ + ⋅ += ⋅ + ⋅ +

(3.1)

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Kapitel 3: Numerische Simulation von Mauerwerk 21

worin Exx, Eyy und Exy die Anteile der „verschmierten”, makroskopischen Dehnun-gen sind, x und y die Ortskoordinaten und up(x,y) ein periodisches Verschiebungs-feld darstellt. up(x,y) nimmt an allen Grenzpunkten, die durch die Periodizität verbunden sind, den gleichen Wert an:

( ) ( )p pi+ =u x v u x mit i = 1,2 (3.2)

Aus Gleichung (3.1) und (3.2) kann die folgende Eigenschaft abgeleitet werden:

( ) ( )i i+ − = ⋅u x v u x Ε v (3.3)

Gleichung (3.3) stellt eine alternative Definition eines kinematisch zulässigen Verschiebungsfeldes dar, da sie auf den relativen Verschiebungen zwischen zwei miteinander aufgrund der Periodizität assoziierten Randpunkten beruht.

Die makroskopische Dehnung Ε stimmt mit dem Durchschnitt der Dehnungen einer Zelle überein. Für ein gegebenes dehnungsperiodisches Verschiebungsfeld u(x,y) kann sie über ein Flächenintegral (falls die Zelle keine Löcher einschließt) oder über ein Randpolygon-Integral ausgewertet werden [5]. Die statisch zuläs-sigen Spannungsfelder σ(x,y) sind frei von Divergenz und anti-periodisch. Der „verschmierte” Mittelwert eines solchen Spannungsfeldes über einer Basiszelle ist definitionsgemäß die makroskopische Spannung Σ, die ebenfalls entweder über ein Integral der Nettofläche oder über ein Randpolygon-Integral ausgewertet werden können [5].

3.2.3 Das Steuerungssystem

Zur Durchführung der Homogenisierung im Rahmen einer verschiebungsbasier-ten FE-Berechnung sollten die Freiheitsgrade des Netzes, das die Basiszelle ab-bildet, Gleichung (3.3) erfüllen. Das im Weiteren präsentierte Steuerungssystem ermöglicht dies auf einfache und effiziente Art.

u2y

u2x

u1x

u1y

P2

P1P0 u0x

u0y

Master DOF

DOF verhindern Starr-körperverschiebungen

y

x

Abbildung 3-4: Steuerungssystem einer Einheitszelle

Gegeben sind die drei Eckpunkte P0, P1 und P2 der Einheitszelle, so dass Pi - P0 = vi (Abbildung 3-4) gilt, und es sei ui die Verschiebung des Knotens Pi. Wird Gleichung (3.3) für die beiden Paare (P0,P1) und (P0,P2) ausgeschrieben, erhält man ein System aus vier Gleichungen, anhand dessen E in Abhängigkeit der

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22 Kapitel 3: Numerische Simulation von Mauerwerk

Verschiebung der drei Eckpunkte ausgedrückt werden kann. Um Starrkörperver-schiebungen der Basiszelle zu verhindern, wird u0 zu Null gesetzt:

0 0

2 1 1

0x y

x x y

u ulu du hu

= == +

(3.4)

und 1x

xxuEl

= , 1y

xy

uE

l= ,

2 1y y

yy

u duE

h lh= − (3.5)

Gleichung (3.5) belegt, dass u1x, u1

y und u2x die drei Hauptfreiheitsgrade sind,

während u0x, u0

y und u2y drei zusätzliche Freiheitsgrade sind, die in Gleichung

(3.4) benutzt werden, um Starrkörperverschiebungen zu verhindern (Abbildung 3-4). Gleichung (3.3) ist erfüllt, sobald alle restlichen Knoten auf dem Randpoly-gon folgendermaßen verknüpft sind:

( ) ( )( ) ( )

( ) ( )

( ) ( )

11

11

1 1 22

22

x x x

y y y

x x x y x

y y y

u u uu u u

d hu u u u ul l

u u u

+ − =+ − =

+ − = + =

+ − =

x v xx v x

x v x

x v x

(3.6)

Gleichung (3.6) bedeutet nichts anderes, als dass für alle Knoten einer Seite gelten muss, dass die Relativverschiebung zum gegenüberliegenden Knoten mit der Relativverschiebung des korrespondierenden Hauptfreiheitsgrads überein-stimmen muss.

3.2.4 Belastung

Die Belastung der Basiszelle sollte anhand der makroskopischen Größen E und/oder Σ aufgebracht werden. Da E über Gleichung (3.5) direkt mit den Hauptfreiheitsgraden in Verbindung steht, sind makroskopische Belastungen offensichtlich einfach durch Knotenverschiebungen aufzubringen.

Die makroskopischen Spannungen sind über die Dualität mit den Reaktionskräf-ten Fx

1, Fy1 und Fy

2, die an den korrespondierenden Freiheitsgraden angreifen, verbunden. Nach dem Arbeitssatz der äußeren Kräfte gilt:

111xF h= ⋅Σ , 1

12 222yF h d= ⋅Σ − ⋅ Σ , 222yF l= ⋅Σ (3.7)

Gleichung (3.7) macht die kraftgesteuerte Anwendung beliebiger makroskopi-scher Spannungspfade durch Aufbringen von Knotenverschiebungen möglich. Im Falle einer kombinierten makroskopischen Belastung sollten die Gleichungen (3.5) und (3.7) adäquat kombiniert werden. Soll beispielsweise eine senkrechte Druckbelastung bei gleichzeitigem konstantem Horizontaldruck weggesteuert durchgeführt werden (Σ11 = -p, Σ12 = 0 und Eyy = -λ, worin λ der Belastungsparame-ter ist), so wird diese Belastung mit folgenden Gleichungen beschrieben:

2 1y yl u d u l h λ⋅ − ⋅ = − ⋅ ⋅ , 1

xF h p= − ⋅ (3.8)

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Kapitel 3: Numerische Simulation von Mauerwerk 23

Die fehlenden makroskopischen Größen können im Anschluss über die Integrati-on der lokalen Felder u(x) und σ(x) oder einfacher über die Hauptfreiheitsgrade und die zugehörigen Reaktionskräfte (Gleichungen (3.5), (3.7)) berechnet wer-den. Beispielsweise wird für die vertikale Spannung Σ22 = Fy

2/l und für die Quer-dehnung Exx = u1

x/l sein.

Unter den möglichen Belastungsverläufen ist die proportionale, multiaxiale Span-nungsbelastung besonders interessant. Insbesondere wenn diese Lastaufbrin-gung weggesteuert durchgeführt wird, erlaubt sie die Herleitung der gesamten (d. h. inklusive des möglichen Entfestigungsastes) makroskopischen Spannungs-Dehnungskurve entlang jeder radialen Richtung des Hauptspannungsraums (d. h. konstantes Hauptspannungsverhältnis). Insbesondere kann, wenn alle Richtungen des Spannungsraumes untersucht werden, die Versagensfläche als Einhüllende aller Extremwerte bestimmt werden. Darüber hinaus kann sowohl der maßgebende Versagensmechanismus als auch der zugehörige Grad der Sprödigkeit am Verlauf des Entfestigungsastes bzw. am Nachbruchverhalten analysiert werden. Natürlich könnte die Versagensfläche auch durch die Untersu-chung radialer Richtungen im Dehnungsraum, d. h. durch Abfahren eines Belas-tungspfades mit proportionalen Dehnungen berechnet werden. Es sollte jedoch berücksichtigen werden, dass die berechneten Versagenskriterien bei nichtlinea-rem Materialverhalten im Allgemeinen von den Belastungsverläufen abhängen. Daher führen die Untersuchungen des radialen Spannungs- und Dehnungsver-laufs nicht grundsätzlich zur gleichen Einhüllenden des Versagenskriteriums, wenngleich der Unterschied beider Ansätze bei der Untersuchung von Mauer-werk vernachlässigbar ist.

3.2.5 Versuche von Page Die umfassendsten Versuchsergebnisse zur experimentellen Ermittlung der Versagensfläche von Mauerwerksscheiben sind die Versuche von Page aus den frühen 80er Jahren [93], [94]. Diese sollen zur Validierung der Methode heran-gezogen werden.

.const==ΣΣ qIIIIIΣ

tteBürstenpla

θ

.const==ΣΣ qIIIIIΣ

tteBürstenpla

θ

q = 1

q = 8

q = 0.25q = -0.25

q = -1

q = -1q = 1

ΣII

θ = const.

ΣI

(a) (b)

Abbildung 3-5: (a) Randbedingungen der Versuche von Page [93], [94], (b) radialer Belastungspfad im Hauptspannungsraum

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24 Kapitel 3: Numerische Simulation von Mauerwerk

Page untersuchte die Versagenskriterien von Mauerwerk unter zweiachsiger Druck- und unter Zug-Druck-Belastung. Das im Maßstab 1:2 und als Läuferver-band ausgeführte Mauerwerk bestand aus Steinen der Abmessung 110 x 35 x 50 mm und einer 5 mm dicken Mörtelschicht. Die Versuchseinrichtung (Abbildung 3-5a) war so konzipiert, dass ein radialer Spannungsverlauf verfolgt werden konnte, der durch den Lagerfugenwinkel θ und ein konstantes Haupt-spannungsverhältnis q = ΣII/ΣI definiert ist. Er führte die Versuche für Lagerfu-genwinkel θ von 0°, 22,5°, 45°, 67,5° und 90° durch. Stahlbürsten an allen vier Seiten der Scheibe verhinderten die Einleitung von Schubspannungen und sorg-ten für eine gleichmäßige Lasteinleitung.

Die Hauptspannungsrichtungen werden im Folgenden mit I und II bezeichnet. Die Neigung der Hauptspannungen beträgt θ. In diesen Richtungen können die makroskopischen Dehnungen wie folgt beschrieben werden:

( )( )

( )

' 2 211'12' 2 222

cos sin 2 sin( )sin cos cos 2

sin sin 2 cos

xx xy yy

yy xx xy

xx xy yy

θ θ θθ θ θ

θ θ θ

Ε = Ε + Ε + ΕΕ = Ε − Ε + ΕΕ = Ε − Ε + Ε

, (3.9)

Die Arbeit, die die äußere Belastung bei gegebenem, konstantem Hauptspan-nungsverhältnis q = ΣII/ΣI verrichtet, ist unabhängig vom Referenzrahmen und gegeben durch:

( )2 2 2 2[ (cos sin ) (1 )sin 2 (sin cos )]I xx xy yyW h l q q qθ θ θ θ θ= Σ ⋅ ⋅ ⋅ Ε + + Ε − + Ε + (3.10)

oder anders ausgedrückt:

IW λ= Σ ⋅ , (3.11)

wobei Σ1 der Belastungsparameter und λ der korrespondierende Verschiebungs-parameter mit

( )( )2 2 2 2(cos sin ) (1 )sin 2 (sin cos )xx xy yyh l q q qλ θ θ θ θ θ= ⋅ ⋅ Ε + + Ε − + Ε + (3.12)

ist. Folglich kann der radiale Spannungsverlauf weggesteuert und nur durch Steigerung des einen Parameters λ selbst über sein Maximum hinaus verfolgt werden („one-parameter loading mode” [56]). Durch Einsetzen von (3.5) in (3.12) wird deutlich, dass dieser Verschiebungsparameter λ eine einfache Linear-kombination der drei Hauptfreiheitsgrade ist:

( )( )2 2 1 2 2 2 2 2 1(cos sin ) (sin cos ) (1 )sin 2 (sin cos )x y yh q u l q u h q d q uλ θ θ θ θ θ θ θ= + + + + − − + (3.13)

3.2.5.1 Elastische Materialeigenschaften

Bevor die eigentliche Versagensfläche berechnet wird, wird zunächst der lineare Fall als Verifikation der Homogenisierung genutzt. Für Stein und Mörtel wird iso-tropes Verhalten angenommen und ein E-Modul von 10 MPa für den Stein bzw. 2 MPa für den Mörtel und Querdehnzahlen von νb = 0,15 bzw. νm = 0,25 ange-setzt. Die 2D-Basiszelle ist ein Parallelogramm mit den Abmessungen l = 115 mm, h = 40 mm und d = l/2 = 57,5 mm. Die 3D-Basiszelle ist ein Parallelepiped

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Kapitel 3: Numerische Simulation von Mauerwerk 25

mit der Dicke von w = 50 mm. Die entsprechenden FE-Netze sind in Abbildung 3-6 dargestellt. Abbildung 3-7 zeigt die Einheitszelle im Verband.

(a) (b)

Abbildung 3-6: FE-Netz der 2D- bzw. 3D-Basiszelle

v2

v1

Abbildung 3-7: Einheitszelle im Verband

Exemplarisch wird der Elastizitätsmodul in Abhängigkeit eines beliebigen Lager-fugenwinkels θ berechnet. Dies erfolgt direkt aus einer einachsigen Zugbelastung in Richtung von θ, wobei dafür in Gleichung (3.13) jeweils q zu 0 gesetzt wird.

6200

6700

7200

7700

8200

0 15 30 45 60 75 90Lagerfugenwinkel [°]

E-M

odul

[N/m

m²]

3D - Modell2D - gen. ebener Dehnungszustand2D - ebener Spannungszustand2D - ebener Dehnungszustand

Abbildung 3-8: Elastizitätsmodul in Abhängigkeit des Lagerfugenwinkels θ

Abbildung 3-8 zeigt die Ergebnisse bei Verwendung von 3D- und 2D-Basiszellen für Berechnungen unter Annahme eines ebenen Spannungszustands, eines ebe-nen Verzerrungszustands und eines verallgemeinerten ebenen Verzerrungszu-stands. Unter letzterem ist eine „generalized plane strain”-Formulierung zu ver-stehen [6], [7]. Im vorliegenden Fall kommt es bei dem 2D-Modell mit verallgemeinertem ebenen Verzerrungszustand zu einer fast perfekten Überein-stimmung mit dem 3D-Modell. Die kleinen Abweichungen (0,4%) sind zurückzu-führen auf Störungen im Randbereich sowie auf Oberflächeneffekte (Abbildung 3-9).

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26 Kapitel 3: Numerische Simulation von Mauerwerk

Mörtel

Stein

(a) (b)

Abbildung 3-9: Qualitative Spannungsverteilung im 3D-Modell infolge Scheibenbean-spruchungen über die Dicke senkrecht zur Lagerfuge (a) und senkrecht zur System-ebene (b)

3.2.5.2 Berechnung der Versagensfläche

Stellvertretend für alle nichtlinearen homogenisierten Eigenschaften des Mauer-werks wird hier die Versagensfläche nach Abschnitt 3.2.4 berechnet. Zur Redu-zierung der Rechenzeiten wird ein ebenes Modell unter Annahme eines verall-gemeinerten ebenen Verzerrungszustandes verwendet, da diese Annahme eine sehr gute Übereinstimmung mit dem 3D-Modell zeigt (Abbildung 3-8). Für die nichtlineare Materialformulierung wird das Modell von Mazar [75] verwendet. Aufgrund unzureichender Kennwerte werden die Verbundeigenschaften zwischen Mörtel und Stein in die Materialeigenschaften der Mörtelschicht mit aufgenom-men. Zu Vergleichszwecken wird für den Stein außerdem ein ideal elastoplasti-sches Materialgesetz mit Mohr-Coulomb’schem Versagenskriterium angesetzt. Es ist ein vom hydrostatischen Druck abhängiges Kriterium, das lediglich auf zwei Materialparametern basiert: dem inneren Reibungswinkel und der Kohäsion. Die Materialparameter sind aus [27], [28], [93] und [94] entnommen und in Tabelle 3-1 zusammengefasst.

Tabelle 3-1: Festigkeitskennwerte in [MN/m²] der Versuche von Page [27], [28], [93], [94]

Stein (Gebrannte Ziegelsteine) Mörtel Angaben zum Mauerwerk

Querkontraktionszahl: 0,15

E-Modul: 6740

Druckfestigkeit: 15,4

Haftscherfestigkeit: 2350

Druckfestigkeit: 5,08 - 5,55

Haftzugfestigkeit: 0,13

Schubfestigkeit: 0,30

Druckfestigkeit: 9,85; getestet an einem Prüfkörper mit vier übereinander liegenden Stei-nen

E-Modul: 5700, parallel und senkrecht zur Lagerfuge

Aufgrund der Symmetrie werden die Versuchsergebnisse für die Lagerfugenwin-kel von θ gleich 22,5° und 67,5° bzw. 0° und 90° zusammengefasst.

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Kapitel 3: Numerische Simulation von Mauerwerk 27

-12

-10

-8

-6

-4

-2

0-12 -10 -8 -6 -4 -2 0

1. Hauptspannung [N/mm²]

2. H

aupt

span

nung

[N/m

m²]

θ = 0°

-12

-10

-8

-6

-4

-2

0-12 -10 -8 -6 -4 -2 0

1. Hauptspannung [N/mm²]

2. H

aupt

span

nung

[N/m

m²]

θ = 22,5°

Versuch: Versuchsergebnisse

von Page [93] Experimentell unter-

suchter Belastungs- pfad (konst. Haupt- spannungsverhältnis) Numerische Simulation:

Stein: Mazar Mörtel: Mazar

Stein: Mohr-Coulomb Mörtel: Mazar θ : Lagerfugenwinkel

-12

-10

-8

-6

-4

-2

0-12 -10 -8 -6 -4 -2 0

1. Hauptspannung [N/mm²]

2. H

aupt

span

nung

[N/m

m²]

θ = 45°

Abbildung 3-10: Versuchs- und Simulationsergebnisse der Versuche von Page [93]

Die Ergebnisse zeigen eine zufriedenstellende qualitative und quantitative Über-einstimmung von Versuchen und Simulationen. Auch für das Mohr-Coulomb-Modell, das eines der einfachsten druckabhängigen Versagensmodelle darstellt,

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28 Kapitel 3: Numerische Simulation von Mauerwerk

sind die Ergebnisse noch zufriedenstellend. Auch die einzelnen Versagensmodi stimmen mit den im Versuch Ermittelten [93], [94] überein.

Im Druck-Druck-Bereich hängt die qualitative Form der ermittelten Versagensflä-che direkt von der Form der Versagensfläche des Steins ab (Versagen infolge Querzug). Da für den Stein jeweils unterschiedliche Materialgesetze mit unter-schiedlichen Formulierungen angewendet worden sind, ergeben sich somit auch unterschiedliche qualitative Verläufe der Versagensfläche für das Mauerwerk. Prinzipiell geben die Ergebnisse des Mohr-Coulomb-Modells eine Obergrenze der Materialfestigkeit an, da hier das Material vereinfachend als ideal elasto-plastisch betrachtet wird.

3.2.6 Fazit Abschnitt 3.2 zeigt, dass es möglich ist, mittels numerischer Hilfsmittel direkt aus den Materialparametern der einzelnen Bestandteile auf die „verschmierten” ho-mogenen Eigenschaften von Mauerwerk zu schließen. Das Verfahren ist allge-meingültig und kann auch auf den Lastfall Plattenbiegung verallgemeinert wer-den [81].

Dennoch muss angemerkt werden, dass

• der Aufwand für die Homogenisierung nicht unterschätzt werden darf. Wie bereits dargelegt darf kein ebener Spannungszustand angenommen werden, sondern es müssen auch die Spannungen quer zur Systemebene berücksichtigt werden.

• die Homogenisierung eine Genauigkeit vorgibt, die real nicht vorhanden ist: Es wird eine Basiszelle benutzt und ein perfektes System vorausge-setzt, indem diese Zelle als repräsentativ für alle anderen angenommen wird, d. h. alle anderen Zellen verhalten sich genau so wie die Einheitszel-le. Materialfehler oder schlechte Verarbeitungen können aber sehr unre-gelmäßig über die Wand verteilt vorhanden sein (makroskopische Inho-mogenität). Die Auswirkungen dieser stochastischen Streuungen dürfen nicht vernachlässigt werden.

Verdeutlicht werden soll dies anhand der Mauerwerksdruckfestigkeit. In Ab-schnitt 2.3.1 ist bereits gezeigt worden, dass dies eine Größe mit großer Streu-breite ist. Verschiedene statistische Ansätze zur Bestimmung der Mauerwerks-druckfestigkeit sind dargelegt worden. Eine numerische Lösung kann zwar den theoretisch richtigen Wert ergeben, der Aufwand ist aber nicht gerechtfertigt.

Statt die Parameter der Einzelkomponenten zu bestimmen, bedeutet es in prakti-scher Hinsicht keinen Mehraufwand, die wesentlichen „homogenisierten” Para-meter in bereits standardisierten Kleinbauteilversuchen zu bestimmen. Selbst bei kleinformatigen Mauerwerksversuchen ist eine Mittelung der Fehler und Berück-sichtigung sonstiger Randeinflüsse enthalten. Deshalb sollte bei der Formulie-rung von Makromodellen auf jeden Fall darauf geachtet werden, dass die not-wendigen Eingangsparameter direkt standardisierten Versuchen entnommen werden können. Nur in Ausnahmefällen sollte auf ein zweistufiges Simulations-konzept zurückgegriffen werden, indem zuerst die Homogenisierung auf der

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Kapitel 3: Numerische Simulation von Mauerwerk 29

Mikroebene zur Bestimmung der effektiven Materialparameter durchgeführt wird und diese als Eingangsgrößen für das Makromodell genutzt werden.

Der Schwerpunkt soll nun auf der Entwicklung eines Makromodells liegen, das auch zyklische Belastungspfade simulieren kann und ohne Homogenisierungsver-fahren auskommt. Zunächst werden dafür in Kapitel 4 die theoretischen Grund-züge der numerischen Umsetzung erklärt.

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30 Kapitel 4: Plastizitätstheorie und Schädigungsformulierung

4. Plastizitätstheorie und Schädigungsformulierung

In diesem Kapitel werden die theoretischen Grundlagen der Materialmodelle beschrieben, auf denen die in Kapitel 5 entwickelte Mauerwerksmodelle basie-ren.

4.1 Grundlagen der numerischen Umsetzung Bei großen Belastungen kann für Materialien wie Stahl, Beton und Mauerwerk nicht mehr von einer linear-elastischen Spannungs-Dehnungsbeziehung ausge-gangen werden, wie sie durch die Elastizitätstheorie beschrieben werden, son-dern es muss von einem nichtlinearen, inelastischen Verhalten ausgegangen werden. Inelastische Materialmodelle für monotone Belastungen basieren häufig aufgrund der relativ einfachen Umsetzbarkeit und der numerischen Stabilität sowie Flexibilität auf der Plastizitätstheorie. Bei Anwendung dieser Theorie kann auf bekannte Algorithmen [118] zurückgegriffen werden. Die Plastizitätstheorie kann entweder spannungs- oder verzerrungsbasiert formuliert werden [64], [100]. Dabei wird entweder ein Spannungsraum oder ein Verzerrungsraum vor-gegeben, in dem sich das Material elastisch verhält. Diese Fließfläche muss nicht aus einer geschlossenen Funktion bestehen, sie kann sich auch aus mehreren Fließkriterien zusammensetzen (Multi-surface plasticity). Dadurch ist eine reali-tätsnahe Berücksichtigung unterschiedlicher Versagens- und Schädigungsmecha-nismen möglich, da die Definition der Ver- bzw. Entfestigungsfunktionen und damit die Spannungs-Dehnungsbeziehungen für jeden Versagensfall spezifisch formuliert werden können.

Die Plastizitätstheorie ist aber nicht in der Lage, die Degradation des Materials bei zyklischen Belastungspfaden abzubilden. Die Steifigkeit bleibt bei allen Belas-tungen konstant, Entlastungen erfolgen immer mit der Anfangssteifigkeit. Das Schädigungsverhalten von Baustoffen wird allgemein mit der Kontinuums-schädigungstheorie abgebildet. Grundsätzlich werden auch hierfür Räume zuläs-siger Spannungen bzw. Verzerrungen definiert, in denen sich das Material elas-tisch verhält [100]. Bei einer Verletzung dieser Bereiche kommt es zur Degradation des Materials. Im Rahmen der reinen Schädigungstheorie findet dann die Entlastung von einem gegebenen Spannungs- bzw. Verzerrungszustand immer durch den Ursprung des Spannungs-Verzerrungsdiagramms statt. Auch diese Abbildung des Materialverhaltens beschreibt die Realität nur in Ausnahme-fällen korrekt.

Zyklische uniaxiale Druck- bzw. Druck-Zug-Versuche legen eine Kombination aus beiden Theorien (Abbildung 4-1) nahe. Hier sind grundsätzlich sämtliche Kombi-nationen aus verzerrungs- oder spannungsbasierter Plastizitäts- und verzer-rungs- oder spannungsbasierter Schädigungstheorie denkbar und durchführbar [64]. Eine Auflistung der verschiedenen Ansätze findet sich in [100]. Gleichartige Formulierungen, d. h. wenn beide Theorien entweder spannungs- oder verzer-rungsbasiert sind, lassen sich einfacher formulieren, da lediglich eine Fließ- bzw.

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Kapitel 4: Plastizitätstheorie und Schädigungsformulierung 31

Schädigungsfläche notwendig ist. Es können aber auch verschiedene Flächen für beide Theorien definiert werden.

σ

ε

σ

ε

σ

ε

Plastizität Schädigung

Kombination

Abbildung 4-1: Kopplung von Plastizität und Schädigungstheorie

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird ein Modell auf Grundlage der kombi-nierten Plastizitäts- und Schädigungstheorie (elastoplastische Schädigungstheo-rie) mit nur einer Fließ-/Schädigungsfläche entwickelt. Die Formulierung der mehrflächigen Fließflächen erfolgt spannungsbasiert, da auf die in Abschnitt 2.3.4 beschriebenen Bruchkriterien zurückgegriffen werden soll und somit die Kriterien auf nachvollziehbaren, einfachen und in der Praxis „bewährten” mecha-nischen Modellen gegründet sind. Die Einbeziehung schädigender Effekte soll auf möglichst einfache Weise geschehen, indem nur wenige zusätzliche, zu kalibrie-rende Eingangsvariablen eingeführt werden. Daher wird hier ein Ansatz von Meschke [76] gewählt, bei dem eine anisotrope Materialdegradierung in die bekannten Algorithmen der klassischen Plastizitätstheorie eingebunden werden kann.

4.2 Klassische spannungsbasierte Plastizitätstheorie

4.2.1 Fließfläche

Nach der klassischen Plastizitätstheorie setzt sich bei inelastischem Materialver-halten der inkrementelle Dehnungszuwachs ∆ε eines Materials zusammen aus einem elastischen Anteil ∆εel und einem irreversiblen, plastischen Anteil ∆εpl:

el pl∆ = ∆ + ∆ε ε ε (4.1)

Ausgehend von einem bekannten Spannungs-Dehnungszustand (εn, σn) im Last-schritt n ergibt sich der Spannungs- bzw. Dehnungszustand im Lastschritt (n+1) zu:

1 1n n n+ += + ∆σ σ σ , (4.2)

1 1n n n+ += + ∆ε ε ε . (4.3)

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32 Kapitel 4: Plastizitätstheorie und Schädigungsformulierung

Bei dehnungsgesteuerten Problemstellungen wird der inkrementelle Dehnungs-zuwachs ∆εn+1 vorgegeben, den inkrementellen Spannungszuwachs ∆σn gilt es zu bestimmen.

Um zu unterscheiden, ob für einen beliebigen Spannungszustand ausschließlich elastische oder auch plastische Dehnungen vorliegen, wird eine Fließfläche defi-niert, die die beiden Bereiche gegeneinander abgrenzt. Für jeden Spannungszu-stand, der innerhalb dieser Fließfläche liegt, gelten elastische Verhältnisse. Span-nungen, die außerhalb der Fließfläche liegen, sind physikalisch zunächst nicht zulässig.

Die Fließfläche wird definiert durch eine oder mehrere Fließfunktionen Fk (σ, κk). Die Werte κk stellen darin Schädigungsparameter dar, auf die in Abschnitt 4.2.3 näher eingegangen wird. Für den Rand der Fließfläche gilt Fk (σ, κk) = 0, für Werte innerhalb der Fließfläche gilt dementsprechend Fk (σ, κk) < 0.

4.2.2 Berechnungsablauf mit Hilfe des „Return-Mapping”

4.2.2.1 Einflächige Plastizität

Wird durch die Vorgabe des inkrementellen Dehnungsvektors ∆ε nur eine Fließ-funktion verletzt, so wird von „einflächige” Plastizität (Single-surface plasticity) gesprochen. Der erste Schritt der elastoplastischen Berechnung besteht darin, einen vorläufigen sogenannten Prädiktorspannungszustand σtrial auszurechnen unter der Annahme elastischen Materialverhaltens. Mit dem inkrementellen Deh-nungszuwachs ∆ε und der Elastizitätsmatrix D ergibt sich der inkrementelle Spannungszuwachs ∆σtrial zu

trial∆ = ⋅ ∆σ D ε . (4.4)

Der Prädiktorspannungszustand

trial n trial= + ∆σ σ σ (4.5)

wird nun in jede Fließfunktion Fk (σ,κk) eingesetzt. Ist Fk (σtrial,κk) ≤ 0, so gilt

1n trial+ =σ σ . (4.6)

Ist Fk (σ,κk) > 0, muss ein Rückzug ausgehend von σtrial auf die Fließfläche erfol-gen, bis sich ein Spannungszustand ergibt, der die Fließfunktion gerade erfüllt. Dieses Verfahren wird als „Return-Mapping” bezeichnet [118]. Dabei wird der für einen zulässigen Spannungszustand erforderliche Rückzug durch den plastischen Anteil der Dehnung bestimmt.

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Kapitel 4: Plastizitätstheorie und Schädigungsformulierung 33

σi

σj

F(σ,κ) = 0

F(σ,κ) > 0

F(σ,κ) < 0

σtrial

σn+1

σn

Abbildung 4-2: Prinzip des Return-Mapping-Verfahrens

Der plastische Dehnungsanteil ∆εpl wird nach der Fließregel

σε

∂∂

⋅∆=∆ kk

pl Qλ (4.7)

ermittelt. Dabei ist ∆λk das plastische Multiplikatorinkrement. Dieses ist eine skalare Größe, die anschaulich gesehen die Länge des Richtungsvektors ∂Qk / ∂σ, in die der Rückzug erfolgen soll, skaliert. Die Funktion Qk wird als Potentialfunk-tion bezeichnet. Im Falle einer assoziierten Fließregel ist sie gleich der jeweiligen Fließfunktion Fk (σ,κk) und damit ebenfalls abhängig von dem Spannungszustand σ und dem Schädigungsparameter κk.

),(),( kkkk FQQ κκ σσ == (4.8)

Der Rückzug des Spannungszustands erfolgt bei assoziierten Fließregeln auf-grund der Normalenregel immer senkrecht auf die Fließfläche. Für nicht-assoziierte Fließregeln entspricht die Potentialfunktion Qk nicht der Fließfunktion Fk:

),( kk FQ κσ≠ (4.9)

Aus (4.1) und der Beziehung eln εDσ ∆⋅=∆ +1 ergibt sich

pln εDεDσ ∆⋅−∆⋅=∆ +1 . (4.10)

Mit Gleichungen (4.4) und (4.7) folgt

σDσ

σDσσσ

∂∂

⋅∆⋅−=∂

∂⋅∆⋅−∆+= +++

knktrial

knktrialnn

QQ1,1,1 λλ . (4.11)

Im Rahmen der plastischen Berechnung muss nun das plastische Multiplikatorin-krement ∆λk,n+1 so bestimmt werden, dass der Spannungsvektor σn+1 die folgende Bedingung erfüllt:

( )1, 0n kF κ+ =σ !

(4.12)

Gelöst wird die Spannungsrückführung mittels iterativer Algorithmen. Ist der Richtungsvektor der Potentialfunktion richtungsveränderlich, ist dies zwingend erforderlich, da Gleichung (4.11) nicht geschlossen gelöst werden kann. Für

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34 Kapitel 4: Plastizitätstheorie und Schädigungsformulierung

Potentialfunktionen mit richtungskonstantem Normalenvektor (∂Qk / ∂σ = const.) gibt es zwar eine geschlossene Lösung, ein iteratives Lösungsverfahren hat aber praktische Vorteile. In den meisten Fällen reicht eine Standard-Newton-Iteration aus, sie wird in Abschnitt 4.2.4.1 vorgestellt.

4.2.2.2 Mehrflächige Plastizität

Verletzt der Spannungszustand σtrial gleichzeitig mehrere Fließfunktionen, so wird von „mehrflächiger” Plastizität (Multi-surface plasticity) gesprochen. Das für einflächige Plastizität beschriebene Return-Mapping-Verfahren kann auch hier angewendet werden, wobei nun ein lineares Gleichungssystem mit den Unbe-kannten ∆λk,n+1 mit k = 1..i zu lösen ist. Dies soll nachfolgend für den Fall i = 2 verdeutlicht werden. Die inkrementelle plastische Dehnung setzt sich in diesem Fall zusammen aus

σσε

∂∂

⋅∆+∂∂

⋅∆=∆ 22

11

QQpl λλ . (4.13)

Analog zu (4.11) ergibt sich damit:

σD

σDσσ

∂∂

⋅∆⋅−∂

∂⋅∆⋅−= +++

21,2

11,11

QQnntrialn λλ (4.14)

Dieser Spannungsvektor muss die beiden Fließbedingungen F1(σ,κ1) = 0 und F2(σ,κ2) = 0 erfüllen, es liegen also zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten (∆λ1,n+1, ∆λ2,n+1) vor. Nebenbedingung ist, dass nur positive Werte für die plasti-schen Multiplikatorinkremente ∆λk,n+1 zulässig sind [118]:

01, ≥∆ +nkλ (4.15)

Ein negativer Wert würde bedeuten, dass Energie aufgewendet werden müsste, um einen zulässigen Spannungszustand auf der zusammengesetzten Fließfläche in den Kreuzungspunkt von zwei Fließbedingungen zu zwingen [124]. Im Allge-meinen kann davon ausgegangen werden, dass der Schnittpunkt zweier Fließ-funktionen einen Knick bzw. eine Ecke in der Fließfläche darstellt. Der Rückzug von σtrial aus hin zu σn+1 erfolgt nach (4.14) mittels einer Linearkombination der unbekannten Größen ∆λk,n+1. Abbildung 4-3 zeigt diesen Zusammenhang für eine assoziierte Fließregel.

σtrial

∆λ1,n+1 > 0

∆λ2,n+1 > 0

σn+1

F1(σ,κ1)

F2(σ,κ2)

σj

σi

Abbildung 4-3: Return-Mapping-Verfahren bei mehrflächiger Plastizität

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Kapitel 4: Plastizitätstheorie und Schädigungsformulierung 35

In Abbildung 4-3 ist zu erkennen, dass die Forderung (4.15) nur für Werte von σtrial erfüllt ist, die im grau hinterlegten Bereich liegen. Für die anderen Bereiche ist ein ∆λk stets negativ. In diesem Fall stellt der Prädiktorspannungszustand σtrial lediglich eine Verletzung derjenigen Fließfunktion dar, deren plastisches Multipli-katorinkrement positiv ist. Damit liegt einflächige Plastizität vor.

4.2.3 Isotrope Verfestigung und Entfestigung Ein Maß für die Verfestigung (Hardening) bzw. Entfestigung (Softening) des Materials, die durch die Überschreitung der elastischen Grenztragfähigkeit her-vorgerufen wird, stellen die Werte κk dar. Die Abhängigkeit der Fließfunktionen von den jeweiligen Ver- bzw. Entfestigungsparametern κk bedeutet daher, dass sich die Fließfläche infolge der Lastgeschichte verändert. Im Rahmen dieser Arbeit wird nur isotropes Verhalten berücksichtigt: Bei einem Entfestigungsan-satz zieht sich die Fließfläche bei jedem plastischen Dehnungsschritt zusammen, das maximale Lastniveau im ungeschädigten Werkstoff kann nach Überschreiten der maximalen Festigkeit nicht mehr erreicht werden. Bei einer isotropen Verfes-tigung hingegen weitet sich die Fließfläche auf. Im Schritt n+1 können größere Spannungen erreicht werden als im Schritt n.

σi

σj

σn F(σn,κn)

VerfestigungF(σn+1,κn+1)

EntfestigungF(σn+1,κn+1)

σtrial

σn+1,V

σn+1, E

Abbildung 4-4: Veränderung einer Fließfläche bei isotroper Ver- und Entfestigung

Als Bedingung für den gesuchten zulässigen Spannungszustand σn+1 gilt nun:

( )1 , 1, 0n k nF κ+ + =σ !

(4.16)

Grundsätzlich kann die Berücksichtigung der Ver- und Entfestigung über zwei verschiedene Ansätze erfolgen [69]. Bei der Arbeitsver- bzw. Arbeitsentfestigung wird der Ver- bzw. Entfestigungsparameter κk als Funktion der gesamten plasti-schen Arbeit definiert:

∫== plplk dW εσκ (4.17)

Bei dem Ansatz einer Dehnungsver- bzw. Dehnungsentfestigung wird κk einer äquivalenten plastischen Dehnung εeps gleichgesetzt. Die Aktualisierung des Schädigungsparameters lautet dann:

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36 Kapitel 4: Plastizitätstheorie und Schädigungsformulierung

1,,1,1

,1, ++=

+ ∆+=∆+∆= ∑ nknknk

n

iiknk κκκκκ (4.18)

Der inkrementelle Anteil ∆κn+1 lässt sich beschreiben durch [69]:

( ) plTplepsnk εε ∆⋅∆=∆=∆ + εκ 1, (4.19)

Mit Gleichung (4.7) folgt daraus

( ), 1 , , 1 , , 11

Tnk k k

k n k i k n k n k ni

Q Q Qκ κ λ λ λ+ + +=

∂ ∂ ∂ = ∆ + ∆ ⋅ ⋅ = + ∆ ⋅ ∂ ∂ ∂ ∑ σ σ σ

. (4.20)

Der Parameter κk,n+1 lässt sich also wie auch der Spannungszustand σn+1 durch die Summe der plastischen Multiplikatorinkremente ∆λk,n+1 ausdrücken. Die For-derung Fk (σn+1, κk,n+1) = 0 stellt somit nach wie vor eine Gleichung mit nur einer unbekannten Größe dar.

4.2.4 Lösungsverfahren 4.2.4.1 Die Newton-Iteration

Die Problematik der plastischen Spannungsberechnung ist durch die im vorher-gehenden Abschnitt durchgeführten Schritte auf eine Nullstellenbestimmung reduziert worden. Hierfür sind, wie erwähnt, iterative Verfahren erforderlich. Wegen ihrer quadratischen Konvergenz kommt vor allem die Newton-Iteration zum Einsatz. Die grundlegende Idee dieses Verfahrens ist, eine Funktion ƒ(x) zu linearisieren, d. h. ihre Ableitung zu bestimmen, und die Nullstelle der Tangente als verbesserte Nährung der Nullstelle der Funktion zu verwenden. Die Iterati-onsvorschrift lautet für den eindimensionalen Fall:

( )( )i

iii xf

xfxx

′−=+1 (4.21)

Für die Lösung eines mehrdimensionalen Gleichungssystems ergibt sich mit der Jacobi-Matrix

∂∂

∂∂

∂∂

∂∂

=

n

nn

n

xf

xf

xf

xf

1

1

1

1

J (4.22)

folgende Vorschrift:

( )

( )

⋅−

=

+

+

niin

nii

ni

i

ni

i

xxf

xxf

x

x

x

x

,1,

,1,1

1

,

1,

,1

1,1

,.....,....,

,.....,....,

J (4.23)

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Kapitel 4: Plastizitätstheorie und Schädigungsformulierung 37

Die Problematik bei Iterationen im Allgemeinen ist die Gewährleistung der Kon-vergenz. Die Newton-Iteration ist hinsichtlich der Konvergenz vor allem in der Nähe von Extremstellen anfällig. Der Initialisierung des Iterationsvorgangs, d. h. der Bestimmung des Startwertes xi kommt daher eine besondere Bedeutung zu.

4.2.4.2 Potentialfunktionen mit konstantem Normalenvektor

Für Potentialfunktionen, deren Normalenvektor nicht von dem gesuchten Span-nungszustand σn+1 abhängt, können die Ausdrücke für σn+1 aus Gleichung (4.11) bzw. (4.14) und κk,n+1 aus (4.20) direkt in die Forderung Fk(σn+1, κk,n+1) = 0 einge-setzt werden. Die für die Newton-Iteration benötigten Ableitungen der Fließfunk-tionen nach den plastischen Multiplikatorinkrementen können dann unmittelbar aus der Beziehung Fk(σn+1, κk,n+1) = Fk(∆λk,n+1) bestimmt werden. Das Return-Mapping-Verfahren verläuft in diesem Fall entlang eines linearen Pfads.

4.2.4.3 Potentialfunktionen mit veränderlichem Normalenvektor

Ist der Normalenvektor einer Potentialfunktion richtungsveränderlich, dann muss das Return-Mapping-Verfahren iterativ erfolgen. In voneinander getrennten Schritten erfolgen die Aktualisierung von σn+1, die Aktualisierung von den Schädi-gungsparametern κk,n+1 und die Abfrage der Fließfunktionen Fk (σn+1, κk,n+1). Die für die Anwendung der Newton-Iteration erforderliche Ableitungen ∂Fk / ∂∆λk,n+1 ist nun veränderlich und ist ebenfalls in jedem Iterationsschritt zu aktualisieren unter Berücksichtigung der inneren Ableitungen. Nach Lourenco [69] gilt für einflächige Plastizität:

hF

nk

nT

nk

k −∆∂∂

⋅=∆∂∂

+

+

+ 1,

1

1, λγ

λσ (4.24)

mit

, 1

1 , 1 1

k nk k

n k n n

F F κγ

σ κ σ+

+ + +

∂∂ ∂= + ⋅

∂ ∂ ∂,

, 1

, 1 , 1

k nk

k n k n

Fhκ

κ λ+

+ +

∂∂= − ⋅

∂ ∂∆. (4.25)

Für die gleichzeitige Verletzung von zwei Fließfunktionen ergibt sich die Jacobi-Matrix für gekoppelte Schädigungsparameter zu:

−∆∂∂

⋅∆∂

∂⋅

∂∂

+∆∂∂

∆∂

∂⋅

∂∂

+∆∂∂

⋅−∆∂∂

=

+

+

+

+

++

+

+

+

++

+

+

+

+

21,2

12

1,1

1,2

1,2

2

1,1

12

1,2

1,1

1,1

1

1,2

111

1,1

11

1

hF

Fh

J

n

nT

n

cn

cnn

nT

n

cn

cnn

nT

n

nT

n

λγ

λκ

κλγ

λκ

κλγ

λγ

σσ

σσ

(4.26)

mit

, 1

1 , 1 1

i ni ii

n i n n

F F κγ

σ κ σ+

+ + +

∂∂ ∂= + ⋅

∂ ∂ ∂,

, 1

, 1 , 1

i nii

i n i n

Fhκ

κ λ+

+ +

∂∂= − ⋅

∂ ∂∆. (4.27)

Der Index c des Schädigungsparameters κ bedeutet dabei „compare”. Er gilt nur für den Fall, dass die Schädigungen der verletzten Versagenskriterien miteinan-der gekoppelt sind, also wenn eine Veränderung der einen Fließfunktion auch

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38 Kapitel 4: Plastizitätstheorie und Schädigungsformulierung

eine Veränderung der anderen Fließfunktion verursacht. Sind die Versagenskrite-rien entkoppelt, so kann der Index c entfallen. Die hinteren Summanden auf der Nebendiagonalen der Jacobi-Matrix ergeben sich zu Null.

Abbildung 4-5 zeigt den Verlauf des Return-Mapping-Verfahrens für eine assozi-ierte Fließregel für eine Potentialfunktion mit richtungsveränderlichem Normalen-vektor. Die Richtung des Spannungsrückzugs ändert sich in jedem Iterations-schritt, der Pfad des Spannungsrückzugs ist deshalb gekrümmt.

σn+1

σtrial

F(σn+1, κn+1)Q(σtrial,κn)

Abbildung 4-5: Return-Mapping-Verfahren für eine assoziierte Fließregel mit rich-tungsveränderlichem Normalenvektor

Das soeben beschriebene Lösungsverfahren kann auch für Potentialfunktionen mit konstantem Normalenvektor genutzt werden. Es ergeben sich dieselben Differentiale wie bei der direkten Ableitung.

4.2.5 Tangentiale Steifigkeit

In den vorhergehenden Abschnitten wurde bereits erläutert, dass bei anwach-senden plastischen Dehnungen die korrespondierenden Spannungszustände immer auf dem Rand der Fließfläche liegen müssen. Bei Belastungssteigerungen finden Spannungsumlagerungen statt, und der Spannungszustand wandert ent-lang des Randes der Fließfläche. Für den Fall, dass nur eine einzige Fließbedin-gung verletzt ist, lässt sich diese Forderung nach Simo und Hughes [118] durch folgende Konsistenzbedingung beschreiben:

0=⋅∂∂

+⋅

∂∂

= dκFdFdFT

κσ

σ (4.28)

Mit der Elastizitätsmatrix D lassen sich dσ und dκ ausdrücken durch

∂∂

⋅⋅−⋅=σ

DεDσ Qddd λ (4.29)

und

λλκκ dd ⋅

∂∂

= . (4.30)

Ist die Potentialfunktion Q eine lineare Funktion Q(σ), ergibt sich durch Einsetzen der Gleichungen (4.29) und (4.30) in (4.28) und Auflösen nach dλ

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Kapitel 4: Plastizitätstheorie und Schädigungsformulierung 39

λκ

κ

ελ

∂∂

⋅∂∂

−∂∂

⋅⋅

∂∂

⋅⋅

∂∂

=FQF

dF

d T

T

σD

σ

. (4.31)

Wird dies wiederum in (4.29) eingesetzt, so erhält man die Gleichung für die elastoplastische Tangentensteifigkeitsmatrix Dep:

λκ

κ ∂∂

⋅∂∂

−∂∂

⋅⋅

∂∂

∂∂

⋅∂∂

⋅−==

FQF

FQ

dd

T

T

ep

σD

σ

Dσσ

DD

εσD (4.32)

Ist die Funktion Q(σ) nichtlinear, muss die Elastizitätsmatrix D durch die modifi-zierte Elastizitätsmatrix H mit

1

2

2

11

+−

∂∂

⋅∆+=σ

DH Qnλ . (4.33)

ersetzt werden. An dieser Stelle sei auf Lourenco [69] und Simo und Hughes [118] verwiesen.

Werden mehrere Fließbedingungen gleichzeitig verletzt, erfolgt die Herleitung der elastoplastischen Steifigkeitsmatrix analog. Mit den Abkürzungen

1 2 1 2,F F Q Q∂ ∂ ∂ ∂ = = ∂ ∂ ∂ ∂ V U

σ σ σ σ (4.34)

und

∂∂

⋅∂∂

∂∂

⋅∂∂

∂∂

⋅∂∂

∂∂

⋅∂∂

=

2

2

2

2

1

2

2

2

2

1

1

1

1

1

1

1

λκ

κλκ

κ

λκ

κλκ

κ

c

c

c

c

c

c

c

c

FF

FF

E (4.35)

lässt sich die elastoplastische Tangentialsteifigkeitsmatrix Dep formulieren:

( ) 1T Tep

dd

−= = − ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ − ⋅ ⋅

σD D D U V D U E V Dε

(4.36)

D ist auch hier durch die modifizierte elastische Steifigkeitsmatrix H zu ersetzen, wenn 0/ 22 ≠∂∂ σQ ist. H ist bei mehrflächiger Plastizität folgendermaßen defi-niert:

1

22

2

1,221

2

1,11

++−

∂∂

⋅∆+∂∂

⋅∆+=σσ

DHQQ

nn λλ (4.37)

Die Form der tangentialen Steifigkeitsmatrix Dep hängt also maßgeblich von den Fließfunktionen Fk und den dazu korrespondierenden Potentialfunktionen Qk ab. Bei Verwendung von assoziierten Fließregeln ergeben sich symmetrische Matri-

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40 Kapitel 4: Plastizitätstheorie und Schädigungsformulierung

zen. Nicht-assoziierte Fließregeln dagegen erzeugen unsymmetrische tangentiale Steifigkeitsmatrizen. Ihre Weiterverarbeitung in FE-Programmen ist mit Schwie-rigkeiten verbunden, so dass das Konvergenzverhalten bei der Umlagerung der Ungleichgewichtskräfte mit Hilfe des Newton-Raphson-Verfahrens oftmals nicht verbessert wird [104]. Dies führt bei den praktischen Anwendungen dazu (so auch in dieser Arbeit), dass das modifizierte Newton-Raphson-Verfahren unter Verwendung der Anfangsteifigkeitsmatrix benutzt wird.

4.3 Elastoplastische Schädigungsformulierung Wie im vorangegangenen Abschnitt kurz beschrieben, lässt sich im Rahmen einer plastischen Materialformulierung die Dehnung in einen irreversiblen (plastischen) und einen elastischen Anteil aufspalten, sobald das Material über seinen elasti-schen Bereich hinaus verformt wird (Gleichung (4.1)). In jedem Dehnungszu-stand εtot kann der elastische Anteil εel direkt über das Verhältnis vom aktuellen Spannungsniveau zur Anfangssteifigkeit bestimmt werden, die verbleibende Dehnung ist der plastische Anteil εpl (Abbildung 4-6).

D0 Dn D0

elε Dehnungsanteile bei berücksichtigter Schädigung

Dehnungsanteile bei plastischem Materialverhalten

ε εtot

σ

εpl εel

εpl

εel εda

Abbildung 4-6: Spannungsrückzug nach der kombinierten Plastizitäts-Schädigungs-theorie

Im Rahmen einer kombinierten elastoplastischen Schädigungsformulierung geht dieser einfache Zusammenhang verloren: An seine Stelle tritt die Abhängigkeit von der veränderlichen Steifigkeit als Funktion einer neuen Eingangsvariablen, nämlich des Schädigungsparameters β. Er beschreibt das Maß an Schädigung, das das Material für eine vorgegebene Verformung erfährt. Für β = 0 ergibt sich eine Berechnung nach klassischer Plastizitätstheorie, für β = 1 ergibt sich eine Berechnung auf Basis der reinen Schädigungstheorie. In diesem Fall gibt es keine plastischen Dehnungen, und der Spannungsrückzug erfolgt immer durch den Nullpunkt. Für dazwischen liegende Werte ergibt sich eine Linearkombinati-on von Plastizitäts- und Schädigungstheorie.

Die numerische Umsetzung soll so erfolgen, dass sie sich in Return-Mapping-Verfahren implementieren lässt. Deshalb wird hier der Ansatz von Meschke [76] gewählt. Im Rahmen dieses Ansatzes wird die anisotrope Materialdegradierung in das Return-Mapping-Verfahren der mehrflächigen Plastizitätstheorie einge-

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Kapitel 4: Plastizitätstheorie und Schädigungsformulierung 41

bunden. Dazu ist es notwendig, weiterhin mit zwei Dehnungsanteilen wie bisher zu arbeiten und folgende Konvention einzuführen:

el pl da el pd∆ = ∆ + ∆ + ∆ = ∆ + ∆ε ε ε ε ε ε (4.38)

Das kombinierte Dehnungsinkrement ∆εpd entspricht nun nicht mehr der plasti-schen Dehnung im ursprünglichen Sinn der Plastizitätstheorie, sondern stellt die Summe aus inelastischer Dehnung ∆εpl und dem Zuwachs der elastischen Deh-nungen infolge der Materialdegradierung ∆εda dar. Das rein plastische Dehnungs-inkrement ∆εpl wird nun durch das kombinierte Inkrement ∆εpd in Gleichung (4.7) ersetzt:

σεεε

∂∂

⋅∆=∆+∆=∆ kk

daplpd Qλ (4.39)

Der Schädigungsparameter β erlaubt die Aufteilung in den inelastischen Deh-nungsanteil ∆εpl und den Anteil infolge Materialdegradierung ∆εda:

( )1pl kk

Qβ λ ∂∆ = − ⋅ ∆ ⋅

∂ε

σ, (4.40)

da kk

Qβ λ ∂∆ = ⋅ ∆ ⋅

∂ε

σ. (4.41)

Der Zuwachs der elastischen Dehnungen infolge der Materialdegradierung ∆εda entspricht einer Abminderung der Materialsteifigkeitsmatrix ∆D, dementspre-chend auch einer Zunahme der Inversen, also der Flexibilitätsmatrix ∆F:

da∆ = ∆ ⋅ε F σ (4.42)

Wird Gleichung (4.42) in (4.41) eingesetzt, so folgt nach Linksmultiplikation mit σT:

T T kk

Qβ λ ∂⋅ ∆ ⋅ = ⋅ ∆ ⋅ ⋅

∂σ F σ σ

σ (4.43)

Nach Erweiterung der rechten Seite von Gleichung (4.43) T

T TT

k k

kk

Q Q

Qβ λ

∂ ∂ ⋅ ∂ ∂ ⋅ ∆ ⋅ = ⋅ ∆ ⋅ ⋅ ⋅∂ ⋅ ∂

σ σσ F σ σ σσ

σ

(4.44)

liefert ein Koeffizientenvergleich das Inkrement der Flexibilitätsmatrix: T

T

k k

kk

Q Q

Qβ λ

∂ ∂ ⋅ ∂ ∂ ∆ = ⋅ ∆ ⋅∂ ⋅ ∂

σ σFσ

σ

(4.45)

Das Inkrement der Flexibilitätsmatrix erlaubt die Aktualisierung der Flexibilitäts-matrix

1n n+ = + ∆F F F (4.46)

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42 Kapitel 4: Plastizitätstheorie und Schädigungsformulierung

und somit auch das Update der Materialmatrix.

Das Spannungsupdate nimmt folgende Form an:

1pl el

n n n+∆ = ⋅ ∆ − ⋅ ∆ + ∆ ⋅ ∆σ D ε D ε D ε , (4.47)

gemäß Abbildung 4-7, die den Spannungsrückzug von σtrial auf σn+1 im Span-nungs-Dehnungsdiagramm veranschaulicht:

Dn

σ

ε σn

εn

Dn

Dn+1

εn+1

σtrial

Dn

σn+1

-Dn · ∆εpl

Dn · ∆εel - Dn+1 · ∆εel = ∆D · ∆εel

(= -Dn · ∆εda )

∆σn+1

Plastizität

Schädigung

Schäd.

∆ plε∆ daε

∆ elε

∆ε Abbildung 4-7: Spannungsrückzug nach der kombinierten elastoplastischen Schädi-gungsformulierung

Darin ist der zweite Summand (-Dn ⋅ ∆εpl) die Spannungsabminderung infolge plastischen Materialverhaltens:

( )1pl kn n k

Qβ λ ∂⋅ ∆ = ⋅ − ⋅ ∆ ⋅

∂D ε D

σ (4.48)

Der dritte Summand ∆D ⋅ εel stellt die Abminderung des Spannungszustandes infolge der Abnahme der Steifigkeit ∆D dar. Nach Abbildung 4-7 kann er gleich-gesetzt werden zu:

el dan∆ ⋅ ∆ = − ⋅ ∆D ε D ε (4.49)

Formal kann Gleichung (4.49) über die Betrachtung der Beziehung zwischen Flexibilitätsmatrix und Steifigkeitsmatrix

n n⋅ =F D 1 (4.50)

hergeleitet werden, indem Gleichung (4.50) mit ∆εel multipliziert wird und ihre differenzielle Betrachtungsweise

n n⋅ ∆ = −∆ ⋅F D F D (4.51)

mit berücksichtigt wird.

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Kapitel 4: Plastizitätstheorie und Schädigungsformulierung 43

Aus Gleichung (4.49) folgt mit der Gleichung für das Dehnungsinkrement aus Schädigung in (4.41):

el kn k

Qβ λ ∂∆ ⋅ ∆ = − ⋅ ⋅ ∆ ⋅

∂D ε D

σ (4.52)

Mit (4.48) und (4.52) folgt nun für das Inkrement der Spannung aus Gleichung (4.47):

( )1

1

pl eln n n

k kn n k n k

kn n k

Q Q

Q

β λ β λ

λ

+∆ = ⋅ ∆ − ⋅ ∆ + ∆ ⋅ ∆∂ ∂

= ⋅ ∆ − ⋅ − ⋅ ∆ ⋅ − ⋅ ⋅ ∆ ⋅∂ ∂

∂= ⋅ ∆ − ⋅ ∆ ⋅

σ D ε D ε D ε

D ε D Dσ σ

D ε Dσ

(4.53)

So ergibt sich für die Spannung im Schritt n+1:

σDεDσσ

∂∂

⋅∆⋅−∆⋅+=+k

knnnnQ

λ1 (4.54)

Gleichung (4.54) weicht von Gleichung (4.11) für das Spannungsupdate nach der reinen Plastizitätstheorie nur noch in der veränderlichen Materialmatrix ab. Die formelle Übereinstimmung zur Implementierung in die Routinen der klassischen Plastizität ist also hergestellt.

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44 Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben

5. Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben

5.1 Verwendete Versagenskriterien Ziel ist es, das Materialverhalten von Mauerwerksscheiben unter zyklischer oder dynamischer Belastung möglichst realitätsnah zu beschreiben. Dennoch sollen die zu Grunde liegenden mechanischen Modellvorstellungen nachvollziehbar, daher möglichst einfach, aber auch dem Stand der Technik entsprechen. Die Eingangsparameter sollten sich auf wenige charakteristische, bereits „homogeni-sierte” Größen beschränken, die standardisierten Versuchen entnommen werden können und für die üblichen Materialkombinationen bereits bekannt sind.

Die Anforderungen werden am besten mit den vier von Mann und Müller im Jahr 1973 aufgestellten Versagenskriterien [72], [73] erfüllt, die bereits in Abschnitt 2.3.4 vorgestellt worden sind:

- Versagenskriterium I: Gleiten in der Lagerfuge (Gleichung (2.5))

- Versagenskriterium II: Schubversagen des Steins (Gleichung (2.6))

- Versagenskriterium III: Druckversagen des Mauerwerks (Gleichung (2.9))

- Versagenskriterium IV: Klaffen in der Lagerfuge (Gleichung (2.11))

Alle maßgebenden Bruchmechanismen von Schubwänden sowie der Einfluss des Verbandes sind darin enthalten. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Kriterien der aktuellen deutschen Mauerwerksnorm DIN 1053 [30] zugrunde gelegt sind und sich für die Praxis bereits bewährt haben. Die Eingangsgrößen beschränken sich auf experimentell gut bestimmbare Materialparameter, die für die meisten Mau-erwerksmaterialkombinationen tabelliert sind. Sie können aber auch mit den Werten aus der Norm auf der sicheren Seite liegend abgeschätzt werden.

Bei den Versagenskriterien wird von einem ebenen Spannungszustand ausge-gangen. Der Dehnungs- und Spannungsvektor setzt sich in diesem Fall aus drei Komponenten zusammen.

( ), ,Txx yy xyε ε ε=ε , ( ), ,T

xx yy xyσ σ τ=σ (5.1)

Des Weiteren kann von einem homogenen, transversal orthotropen Material ausgegangen werden, dessen Elastizitätsmatrix D

( )

⋅⋅⋅−⋅

⋅−=

xyyxxy

yyxy

xyxx

yxxy GEE

EE

210000

11

ννν

ν

ννD (5.2)

sich mit den vier unabhängigen, homogenisierten Größen Ex, Ey, νxy und Gxy ermitteln lässt. Zusätzlich gilt folgende Beziehung:

y xy

x yx

EE

νν

= (5.3)

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Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben 45

Liegt der Schubmodul Gxy nicht vor, so kann dieser nach Mojsilović [85] abge-schätzt werden:

4 (1 )x y

xy

E EG

ν+

=⋅ +

(5.4)

Aufgrund der heute verfügbaren Vielzahl verschiedener Steingeometrien werden die Versagenskriterien nach Mann und Müller [72], [73] für variable Steinabmes-sungen, variable Überbindemaße und für die Berücksichtigung der Steinorthotro-pie erweitert. Den ersten beiden Punkten ist sehr einfach Rechnung zu tragen, indem das Verhältnis 2⋅∆y/∆x in den Gleichungen (2.1) bis (2.11) durch das Verhältnis von Steinhöhe plus Lagerfugendicke zur Überbindelänge ersetzt wird. Dies ergibt sich direkt aus einer Gleichgewichtsbetrachtung am Einzelstein ge-mäß den Annahmen von Mann und Müller, jedoch mit variablem Überbindemaß.

Da Mann und Müller bei der Aufstellung der Versagenskriterien von Vollsteinen ausgingen, ist die Steinorthotropie z. B. infolge des Lochbildes, nur im Ein-gangswert der Mauerwerksdruckfestigkeit berücksichtigt, nicht aber im Kriterium II des Steinzugversagens, bei dem die Hauptzugspannung mit der Steinzugfes-tigkeit verglichen wird. Eine Berücksichtigung der Mauersteinorthotropie findet deshalb in Anlehnung an Ganz [51] statt (Abbildung 5-1). Die Querschnittsfläche des Steins wird in die Anteile Axy und Ay unterteilt. Senkrechte Normalspannun-gen werden von der gesamten Nettoquerschnittsfläche abgetragen (Axy+Ay), Schubspannungen in Wandebene werden nur von den in Wandrichtung durch-laufenden Mauersteinscheiben aufgenommen (Axy).

dunkel hinterlegte Flächen: Schubabtragender Flächenanteil - Axyrestliche Flächen: reine Druck- bzw. Zugflächenanteile - Ay

x

z

y

Abbildung 5-1: Aufteilung der Querschnittsfläche eines Steins in Schub- und Druck- bzw. Zug-Flächenanteile

Die Steinzugfestigkeit bezieht sich im Allgemeinen auf die Steinbruttoquer-schnittsfläche. Je nach Lochbild und Lochanteil weicht die tatsächlich an der Aufnahme der Hauptzugspannungen beteiligte Querschnittsfläche jedoch stark von der Bruttoquerschnittsfläche ab. Dies kann dadurch kompensiert werden, dass die Hauptzugspannung aus den tatsächlichen Spannungen in den einzelnen Steinquerschnitten berechnet und mit der Nettosteinzugfestigkeit verglichen wird [18]:

( )2

2A 2,3

2 2yy yy

I

σ σσ τ

= + + ⋅ ⋅

(5.5)

mit

y xy

xy

A AA

A+

= (5.6)

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46 Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben

Damit tritt mit größer werdendem Lochanteil ein schnelleres Versagen ein. Dem gegenüber steht aber die Tatsache, dass der in Gleichung (2.6) bzw. (5.5) be-nutzten Faktor von 2,3 eine konservative Abschätzung ist. Wie bereits in Ab-schnitt 2.3.4 erwähnt haben Mann und Müller [73] ihn durch eine FE-Berechnung an einem Einzelstein mit den Einheitsabmessungen 1:2 und der Überbindelänge von 1 ermittelt. Das dafür verwendete FE-Netz war relativ grob (Abbildung 2-5). Mit einer feineren Diskretisierung ergibt sich für die Schubspannungen ein Maxi-mum von 2,13 in Steinmitte [18]. Außerdem beeinflussen die Randbedingungen wie Steingeometrie, Überbindemaß und Stoßfugenausbildung die Größe der Schubspannungen. Mit einem kleineren Verhältnisse von Steinhöhe zu -länge wird der Faktor tendenziell kleiner. Bei einer Aktivierung der Kraftübertragung in den Stoßfugen erfahren die Steine zudem nicht mehr so große Rotationen (Abbildung 2-4a) und dementsprechend werden die Schubspannungen kleiner. Der Faktor muss demnach bei einer vorhandenen und kraftschlüssigen Stoßfu-genvermörtelung verringert werden. Aus den genannten Gründen wird im entwi-ckelten Materialmodell der Faktor individuell angepasst:

( )2

2

2 2yy yy

I

σ σσ τ τ

= + + ⋅

(5.7)

In den meisten Fällen liegt der Wert τ im Bereich

2,0 2,5τ≤ ≤ . (5.8)

5.2 Makromodell In diesem Abschnitt werden die für die Durchführung des Return-Mapping-Verfahrens benötigten Zusammenhänge erarbeitet. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Ent- bzw. Verfestigungsverhalten des Mauerwerks, durch das die nicht-lineare Spannungs-Dehnungsbeziehung des verschmiert betrachteten Materials abgebildet wird.

5.2.1 Die Bruchenergie Das Verhalten eines Materials im Bruchzustand wird maßgeblich durch seine Duktilität bestimmt. Eine geringe Duktilität bedeutet ein sprödes Bruchverhalten, das Material bzw. das Bauteil versagt schlagartig und verliert dabei einen Groß-teil seiner Tragfähigkeit. Ein duktiles Material hingegen ist dadurch gekennzeich-net, dass im Fall eines lokalen Versagens durch Spannungsumlagerungen Trag-reserven aktiviert werden können.

Die Bruchenergie Gk ist ein Maß zur Quantifizierung der Duktilität, die der für die Bildung eines Risses erforderlichen Energiemenge pro Einheitsfläche entspricht. Diese Energie ist gleich dem Integral der Spannungs-Verformungslinie. Ein klei-ner Wert Gk steht demnach für ein sprödes Versagen.

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Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben 47

ε

σ

Gk

Abbildung 5-2: Die Bruchenergie als Maß für die Duktilität

Für die Kriterien I (Abscheren in der Lagerfuge), II (Schubversagen des Steins) und IV (Zugversagen) wird in der vorliegenden Arbeit ein exponentieller Entfes-tigungsansatz gewählt. Die jeweiligen Bruchenergien G1, G2 und G4 steuern dabei den Verlauf der Spannungs-Dehnungskurven im nichtlinearen Bereich und werden als Materialkonstanten in der Berechnung berücksichtigt. Für das Versagenskriterium III (Druckversagen des Mauerwerks) wird das Bruchverhal-ten abweichend von den übrigen Kriterien nicht über die Bruchenergie gesteuert. In diesem Fall wird die Spannungs-Dehnungsbeziehung in Abhängigkeit der äquivalenten plastischen Dehnung definiert.

5.2.2 Versagenskriterium I: Gleiten in der Lagerfuge Bei einer Überschreitung der aufnehmbaren Schubspannungen in der Lagerfuge reißt diese auf, und die Mauersteine werden relativ zueinander verschoben. Aus der Horizontalverschiebung ∆uh der Steine folgt auch eine Vertikalverschiebung ∆uv. Dieser Zusammenhang wird als Dilatanz bezeichnet. Der Dilatanzwinkel ψ ist definiert durch

h

v

uu

∆∆

=ψtan . (5.9)

Er ist abhängig von dem Druckspannungsniveau sowie der Horizontalverschie-bung. Ausgehend von einem Anfangswert ψ0 wird der Dilatanzwinkel mit zuneh-mender Relativverschiebung der Steine aufgrund der abnehmenden Verzah-nungswirkung des Mauermörtels abgebaut und geht gegen Null. Große Druckspannungen beschleunigen die Degradation von ψ.

φ

φψ

ϕψ ≤≤0F1

Q1 σ∂

∂ 1Q

-σyy

τ

Abbildung 5-3: Dilatanz- und Reibungswinkel

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48 Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben

Als physikalisch sinnvolle Obergrenze gilt gemäß Abbildung 5-3: µϕψ arctan=≤ (5.10)

Der Verlust der Rissverzahnung bei einsetzender Schubgleitung bewirkt neben dem Abbau der Kohäsion (Haftscherfestigkeit) ebenfalls eine Reduzierung des Anfangsreibungswinkels φ0 auf einen Endwert φr, der ca. 70 – 80 % von φ0 be-trägt [104].

In der vorliegenden Arbeit muss der Dilatanzwinkel analog zur Vorgehensweise in Abschnitt 2.3.4 bzw. in Abhängigkeit der Steingeometrie und des Überbinde-maßes gemäß Abschnitt 5.1 abgemindert werden. Es gilt:

xy2tan1

1tantan

∆∆⋅

⋅+⋅=

ψψψ

(5.11)

Es wird nun eine exponentielle Entfestigungsbeziehung der abgeminderten Ko-häsion k zusammen mit einer nicht-assoziierten Fließregel angesetzt: Aus Glei-chung (2.5) wird die Fließfunktion des ersten Kriteriums abgeleitet:

kyyt kF Ω⋅−⋅+= σµτ1 (5.12)

mit

( ) ( )0 0 1t r kµ µ µ µ= + − ⋅ − Ω (5.13)

und

−=Ω 1

1

exp κG

kk , (5.14)

wobei κ1 der Entfestigungsparameter ist. Die nicht-assoziierte Potentialfunktion Q1 ist gegeben durch

kyy kQ Ω⋅−⋅Ω⋅+= σψτ ψtan1 . (5.15)

Darin ist

⋅−=Ω 1

1

exp κψ Gfs

. (5.16)

Der Parameter fs hängt wiederum ab von dem aktuellen Reibungskoeffizienten tµ und der Normalspannung σyy:

für 0

0 für 0yy t yy

yy

fsσ µ σ

σ

⋅ <= ≥

(5.17)

Wegen der getroffenen Fallunterscheidung wird der Dilatanzwinkel nur im Druck-bereich abgebaut, bei auftretenden Zugspannungen ist er konstant. Für den Zugbereich entspricht die Potentialfunktion also der Fließfunktion, es liegt eine assoziierte Fließregel vor.

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Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben 49

Mit den genannten Zusammenhängen ergibt sich der Richtungsvektor des Re-turn-Mapping-Verfahrens zu

( )

Ω⋅=

∂∂

τψ ψ

sign

Q tan0

1

σ. (5.18)

Der Betrag des Vektors ist

( )21 tan1 ΨΩ⋅+=∂∂

ψσQ

. (5.19)

Für den Schädigungsparameter κ1 im Lastschritt n+1 folgt mit Gleichung (4.20):

( ) ( )21,1,11,1 tan1 Ψ++ Ω⋅+⋅∆+= ψλλκ nnn (5.20)

Bezüglich der Aktualisierung des Spannungszustands ist zu beachten, dass die Materialmatrix aufgrund einer Schädigung voll besetzt sein kann, so dass sich folgendes Spannungsupdate ergibt:

( )( )( )( )

( )( )

⋅+Ω⋅⋅⋅∆−⋅+Ω⋅⋅⋅∆−⋅+Ω⋅⋅⋅∆−

=

+

+

+

+

33321,1

23221,1,

13121,1,

1

tantantan

DsignDDsignDDsignD

ntrial

ntrialyy

ntrialxx

n

τψλττψλστψλσ

ψ

ψ

ψ

σ (5.21)

An dieser Stelle ist deutlich zu erkennen, dass die Lösung der aus der Forderung Fk(σn+1,κk,n+1) = 0 entstehenden Gleichung iterativ erfolgen muss. Alle oben ge-nannten Formulierungen sind abhängig von dem zu bestimmenden Spannungs-vektor σn+1. Die Berechnung der Ableitung für die Newton-Iteration wird nun anhand der Ausdrücke aus Gleichungen (4.24) und (4.25) durchgeführt. Es er-gibt sich für den Druckbereich:

( )( ) ( )2122 33 0

1, 1 1

tan 1 tant yy rn

F kD D kGψµ ψ σ µ µ ψ

λ Ψ+

∂= − ⋅ ⋅ ⋅Ω − + ⋅ ⋅ − + ⋅ + ⋅Ω

∂∆ (5.22)

Für den Zugbereich ist kΩ durch 1 zu ersetzen. Anzumerken ist, dass bereits auf Elementebene die größere Duktilität bei Berücksichtigung des Dilatanzwinkels beobachtet werden kann (Abbildung 5-4). Die Abminderung des Reibungskoeffi-zienten ist von untergeordneter Bedeutung.

τ µ0 = 0,75, G1 = 0,25 kNm/m2

tan ψ = 0,75

tan ψ = 0

µr = 0,55 µr = 0,75

εxy

µr = 0,55 µr = 0,75

Abbildung 5-4: Einfluss des Dilatanz- und Reibungswinkels auf die Duktilität

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50 Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben

5.2.3 Versagenskriterium II: Schubversagen des Steins

Mit σI = ƒbt ergibt sich aus Gleichung (5.7) unter Ansatz einer exponentiellen Reduktion der Steinzugfestigkeit ƒbt die Versagensfunktion für Kriterium II:

( )2

22 2 2

yy yybt fbtF f

σ στ τ

= + + ⋅ − ⋅Ω

(5.23)

mit der Entfestigungsfunktion

⋅−=Ω 2

2

exp κGfbt

fbt (5.24)

Benutzt wird für dieses Versagenskriterium II eine assoziierte Fließregel. Die Potentialfunktion des assoziierten Fließgesetzes entspricht definitionsgemäß der Funktion F2, somit ergeben sich folgende Gleichungen:

( )

( )

[1]

22[2] 2

[3]

22

0

0,250,5

0,25

0,25

yy

yy

yy

QQ Q

Q

σ

σ τ τ

τ τ

σ τ τ

∂ ⋅ ∂ + = ∂ = ⋅ + ⋅∂ ∂ ⋅ ⋅ + ⋅

σ (5.25)

( )( )

( )

22

2222

0,250,5

0,250,25yy

yyyy

Q σ τ τσ τ τσ τ τ

⋅ ⋅∂ = + + ∂ ⋅ + ⋅⋅ + ⋅

σ (5.26)

( )( )

( )( )

22

2, 1 2, 2, 1 2222

0,250,5

0,250,25yy

n n nyyyy

σ τ τκ λ λ

σ τ τσ τ τ+ +

⋅ ⋅ = + ∆ ⋅ + + ⋅ + ⋅⋅ + ⋅

(5.27)

Unter Verwendung der Abkürzungen aus (5.25) ergibt sich die Aktualisierung des Spannungsvektors wie folgt:

( )( )

( )

, 2, 1 12 [2] 13 [3]

21 2, 1 , 2, 1 22 [2] 23 [3]

2, 1 32 [3] 33 [3]

xx trial n

n trial n yy trial n

trial n

D Q D QQ D Q D Q

D Q D Q

σ λ

λ σ λ

τ λ

+

+ + +

+

− ∆ ⋅ ⋅∂ + ⋅∂ ∂ = − ∆ ⋅ ⋅ = − ∆ ⋅ ⋅ ∂ + ⋅ ∂

∂ − ∆ ⋅ ⋅ ∂ + ⋅∂

σ σ Dσ

(5.28)

Auch hier muss wieder der Fall der vollbesetzten Materialmatrix in Betracht ge-zogen werden. Anzumerken ist noch, dass eine nicht-assoziierte Fließregel vom Typ Q2 = τ den entscheidenden Nachteil hat, dass im Zugbereich das Return-Mapping-Verfahren für bestimmte Prädiktorspannungszustände keine Lösung findet, da sich kein Schnittpunkt zwischen der Fließfläche und dem Normalenvek-tor ∂Q2 / ∂σ ergibt. Besonders bei großen Dehnungsschritten oder bei kleinen Schubspannungen ist dieses Verhalten sehr deutlich zu erkennen und wird durch

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Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben 51

die Kontraktion der Fließfläche verstärkt. Deshalb ist ein assoziiertes Fließgesetz gewählt worden.

5.2.4 Versagenskriterium III: Druckversagen des Mauerwerks

Aus Gleichung (2.9) wird zunächst die Fließfunktion ohne einen Ent- bzw. Verfestigungsansatz formuliert:

( )32 2

yy my yy myy yF f f

x xτ σ τ σ⋅ ∆ ⋅ ∆

= ⋅ − + = ⋅ − −∆ ∆

(5.29)

Für die Ver- und Entfestigungsbeziehungen wird die maximale Druckfestigkeit des Mauerwerks ƒmy in Gleichung (5.29) durch die von der äquivalenten plasti-schen Dehnung κ3 abhängigen Funktion )( 33 κσ ersetzt. Es ergibt sich:

)(2333 κσστ +−

∆∆⋅

⋅= yyxyF (5.30)

Die Funktion )( 33 κσ wird entsprechend Abbildung 5-5 in drei Bereiche aufgeteilt.

κm κp

Bereich A Bereich B Bereich C

σi

ƒmy

σm

σr

κ3

-σyy

Abbildung 5-5: Ver- bzw. Entfestigungsfunktionen des dritten Kriteriums.

Im Folgenden erfolgt zunächst die formale Erläuterung der einzelnen Bereiche. Im Anschluss werden die Kenngrößen κp und κm und ihre versuchstechnische Ermittlung erläutert.

5.2.4.1 Bereich A

Der Bereich A beschreibt die Verfestigung des Materials, beginnend bei der Ü-berschreitung der Anfangsdruckfestigkeit iσ bis zum Erreichen der maximal aufnehmbaren Druckspannung ƒmy. Die Funktion )( 33 κσ ist in diesem Bereich definiert als

2

233

3,32

)()(pp

imyiA fκκ

κκ

σσκσ −⋅

⋅−+= . (5.31)

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52 Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben

5.2.4.2 Bereich B

Im Bereich B wird die bei zusätzlicher plastischer Dehnung eintretende Entfesti-gung des Materials abgebildet. Dies lässt sich entweder durch eine quadratische Parabel abbilden [69], [101] oder durch eine trigonometrische Funktion [18]. Wegen eines stabileren Iterationsverhaltens, vor allem bei Berücksichtigung der Schädigung, wird der Weg über eine trigonometrische Funktion gewählt. In diesem Fall lautet die Funktion:

( ) mpm

pmmyB f σ

κκκκπσκσ +

−⋅⋅−= 3

3,3 2cos)( (5.32)

5.2.4.3 Bereich C

Durch den in Gleichung (5.32) beschriebenen Entfestigungsansatz würden die aufnehmbaren Druckspannungen des Mauerwerks bis auf Null abgemindert werden. Realistisch ist es allerdings, die Entfestigung des Materials auf eine aufnehmbare Restspannung rσ zu begrenzen. Deshalb wird ein dritter Bereich C der Funktion )( 33 κσ definiert, in dem die Druckspannung bis auf rσ abgemindert wird.

( )( )23

3,3 1)()(

m

rmrC a κκ

σσσκσ−⋅+

−+= (5.33)

mit

( ) ( )( )pmrmpm

mymr

fa

κκσκκσ

σπσ−⋅+−⋅

−⋅+=

)(4

(5.34)

Diese Funktion hat bei κm den Funktionswert von mσ und außerdem für κ3 = κm die gleiche Steigung wie die Entfestigungsfunktion im Bereich B. Bei Verwendung einer assoziierten Fließregel entspricht die Potentialfunktion der Versagensfunk-tion aus Gleichung (5.30):

)(23333 κσστ +−

∆∆⋅

⋅== yyxyFQ (5.35)

Ihre partielle Ableitung nach dem Spannungsvektor ergibt sich unabhängig von der Funktion )( 33 κσ zu

( )

∆∆

⋅⋅

−=∂

xysign

Q

21

03

τσ

. (5.36)

Es folgt

2

23 41

xyQ

∆∆

⋅+=∂

∂σ

. (5.37)

Wie zu erkennen ist, liegt hier eine Potentialfunktion mit konstantem Richtungs-vektor vor. Die äquivalente plastische Dehnung κ3 wird bestimmt durch

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Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben 53

( ) 2

2

1,31,3 41xy

nnn ∆∆

⋅+⋅∆+= ++ λλκ . (5.38)

Für den Spannungszustand σn+1 gilt:

( )

( )

( )

( )

, 3, 1 12 13

1 3, 1 , 3, 1 22 23

3, 1 32 33

201 2

22

xx trial n

n trial n yy trial n

trial n

yD sign DxyD sign Dx

ysign yx D sign Dx

σ λ τ

λ σ λ τ

ττ λ τ

+

+ + +

+

∆ + ∆ ⋅ − ⋅ ⋅ ∆ ∆ = − ∆ ⋅ ⋅ − = + ∆ ⋅ − ⋅ ⋅ ∆ ∆

⋅ ⋅ ∆ ∆ − ∆ ⋅ − ⋅ ⋅ ∆

σ σ D (5.39)

Durch Einsetzen dieser Gleichung in die jeweilige Fließfunktion der drei Bereiche ergeben sich die Gleichungen, deren Nullstellen zu bestimmen sind.

Anzumerken ist hierbei, dass die Knickstelle für τ = 0 gesondert zu behandeln ist. Wie in Gleichung (5.39) festzustellen ist, werden durch den Spannungsrück-zug von σtrial aus auf σn+1 auch die Schubspannungen verändert. Der Normalen-vektor verläuft nicht parallel zur σyy-Achse, sondern geneigt dazu. Dies bedeutet, dass für kleine Schubspannungen ein Vorzeichenwechsel zwischen τtrial und τn+1 entstehen kann. Dies macht aus mechanischer Betrachtung keinen Sinn. Des Weiteren erfüllt der so berechnete Spannungszustand σn+1 die Forderung F3(σn+1,κn+1) = 0 nur für den positiven oder den negativen Schubspannungsbe-reich, nicht aber für beide gleichzeitig. Dieser fehlerhafte Rückzug an der Knick-stelle kann behoben werden, indem das dritte Versagenskriterium in den positi-ven und den negativen Schubspannungsbereich aufgeteilt wird und die Fließfunktionen dieser Bereiche als zwei verschiedene Versagenskriterien inter-pretiert werden. Das Return-Mapping-Verfahren für diesen Fall läuft dann wie bei mehrflächiger Plastizität ab (Abbildung 5-6).

-σyy

τ

σtrial σn+1

∆λ3,neg ∆λ3,pos

u

Abbildung 5-6: Return-Mapping-Verfahren mit assoziierter Fließregel an der Knick-stelle für τ = 0

Die Besonderheit ist dabei, dass beide Versagenskriterien denselben Schädi-gungsparameter κ3 bzw. zwei im Verhältnis 1:1 gekoppelte Schädigungsparame-ter besitzen. Wird die Größe der Schädigung anhand des Betrages des Vektors u = (σtrial – σn+1) gemessen, so ergibt sich:

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54 Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben

σλ

σλ

∂⋅∆+

∂⋅∆= ++

negnneg

posnpos

QQ1,,31,,3u (5.40)

Unter Verwendung von (5.36) ergibt sich der Betrag von u zu

( ) ( )2

21,,31,,3

21,,31,,3 4

∆∆

⋅⋅∆−∆+∆+∆= ++++ xy

nnegnposnnegnpos λλλλu . (5.41)

Die Aktualisierung von κ3,n+1 ist somit anhand folgender Gleichung durchzufüh-ren:

( ) 2

2

1,3 41xy

nn ∆∆

⋅+⋅+=+ uλκ (5.42)

5.2.4.4 Ermittlung der Kenngrößen κp und κm

Der Wert κp stellt die äquivalente plastische Dehnung des Materials beim Errei-chen der maximalen Druckspannung ƒmy dar. Diese Größe kann in Versuchen nicht direkt gemessen werden. Es ist also notwendig, einen Zusammenhang zwischen κp und der tatsächlich vorhandenen Gesamtdehnung εyy(ƒmy) = εyy,p her-zustellen, welche aus Versuchsdaten abgelesen werden kann.

Mit (4.7) und (5.36) ergibt sich die plastische Dehnung im Punkt p zu

( )

∆∆

⋅⋅⋅

−=∂∂

⋅=

xysign

Qplp

2

0

τλλλ

σε . (5.43)

Mit der Anfangssteifigkeit yE gilt des Weiteren

, , , ,mypl e

yy p yy p yy p yy py

fE

ε ε ε ε= − = − . (5.44)

Dieser Zusammenhang lässt sich aus dem Diagramm in Abbildung 5-7a ablesen.

yE

ƒmy

-εyy

-σyy

plpyy,ε pyy,ε

Versuch (i) Versuch (ii)

y

x

(a) (b)

Abbildung 5-7: Spannungs-Dehnungs-Beziehungen (a) und unterschiedliche Randbe-dingungen (b) bei der Durchführung eines vertikalen Druckversuches

Durch einen Vergleich von Gleichungen (5.43) mit Gleichung (5.44) folgt

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Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben 55

,my

p yy py

fE

λ ε= − . (5.45)

Eingesetzt in Gleichung (4.20) erhält man 2

, , 21 4my myp yy p yy p

y y

f fQ yE E x

κ ε ε ∂ ∆

= − ⋅ = − ⋅ + ⋅ ∂ ∆ σ. (5.46)

Die Anfangssteifigkeit E0,y kann explizit angegeben werden. Dazu ist allerdings zwischen zwei Versuchsanordnungen zu unterscheiden gemäß Abbildung 5-7b: Für Versuch (i) ist die Querdehnung verhindert:

( )Tyy 00 ε=ε (5.47)

Aus

∂∂

⋅−⋅=σ

Dσ Qyy λε (5.48)

folgt also

22

yyyyD

σλ ε= − . (5.49)

Die Anfangssteifigkeit yE entspricht für diesen Fall also der Steifig-

keityxxy

yED

νν ⋅−=

122 . Für Versuch (ii), welcher den Standarddruckversuch nach

DIN 1053 [30] darstellt, ist die Querdehnung nicht behindert. In diesem Fall gilt für den Spannungsvektor

( )Tyy 00 σ=σ , (5.50)

so dass nach (5.48) folgt:

yyyy

yEσ

λ ε= − (5.51)

Für die Versuchsanordnung (b) gilt also y yE E= .

Der Wer κm gibt die äquivalente plastische Dehnung im Wendepunkt des abfal-lenden Asts der Spannungs-Dehnungskurve eines Druckversuchs an. Anhand dieser Definition ist zu erkennen, dass diesem Kennwert nur eine untergeordnete Rolle zukommt. Der abfallende Ast eines Druckversuchs ist wenig aussagekräftig, zugleich ist die genaue Abbildung dieses Bereichs für die Zwecke des vorliegen-den Modells nicht ausschlaggebend.

Ist die Dehnung an der Stelle des Wendepunktes bekannt, kann κm analog zu κp anhand der oben genannten Gleichungen bestimmt werden. εyy,p ist dann durch εyy,m zu ersetzen. Als Näherung wird im Rahmen des vorliegenden Modells statt-dessen κm = 2⋅κp angenommen.

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56 Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben

5.2.5 Versagenskriterium IV: Klaffen in der Lagerfuge Im Versagenskriterium IV wird die Haftzugfestigkeit ƒtmy zwischen Stein und Mörtel ähnlich wie im Kriterium I mit wachsenden plastischen Dehnungen herab-gesetzt. Vereinfachend wird bei diesem Kriterium die Abhängigkeit von der Schubspannung τ vernachlässigt, damit lautet die Fließfunktion F4:

ftmytmyyy fF Ω⋅−= σ4 (5.52)

Für Ωftmy kann entweder ein exponentieller Ansatz

⋅−=Ω 4

4

exp κGftmy

ftmy (5.53)

oder ein hyperbolischer Ansatz

2

44

1

1

⋅+

⋅=Ω

κGf

ftmy

tmyftmy (5.54)

gewählt werden. Mit beiden Ansätzen kann der reale Entfestigungsverlauf sehr gut abgebildet werden, und bei beiden Funktionen ist das Integral von κ4 von null bis unendlich gleich der Bruchenergie G4. Nach Meschke [76] sind jedoch exponentielle Funktionen zur Beschreibung des Spannungsrückzugs im Rahmen der reinen Schädigungstheorie (β = 1) unbrauchbar, da die Return-Mapping-Algorithmen schließlich zu einer linearen Spannungsreduzierung führen. Aus diesem Grund wird die hyperbolische Entfestigungsfunktion gewählt, die auch bei Berechnung im Rahmen der reinen Schädigungstheorie einen hyperbolischen Verlauf beibehält.

Es wird eine assoziierte Fließregel verwendet. Demnach ist die partielle Ableitung der Potentialfunktion Q4 = F4 gegeben durch

=

∂∂

010

4

σQ

. (5.55)

Mit 14 =∂

∂σ

Q ergibt sich die äquivalente plastische Dehnung zu

1,441,4 ++ ∆+= nn λλκ . (5.56)

Der Spannungszustand ist durch folgende Gleichung gegeben:

⋅∆−⋅∆−

=

⋅⋅∆−= +

+

++

trial

ntrialyy

ntrialxx

ntrialn DD

τλσλσ

λ 221,4,

121,4,

1,41

010

Dσσ (5.57)

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Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben 57

5.2.6 Kopplung von Versagenskriterien 5.2.6.1 Kriterien I und IV

Die Kopplung der Versagenskriterien I und IV ist für eine realistische Abbildung der Versagensvorgänge im Mauerwerk unumgänglich. Wird die maximal zulässi-ge Schubfestigkeit überschritten, bedeutet dies gleichzeitig eine Abminderung der aufnehmbaren Spannungen im Zugbereich. Umgekehrt gilt dieser Zusam-menhang ebenfalls. Für die numerische Umsetzung hat dieser Zusammenhang eine Kopplung der beiden Schädigungsparameter κ1 und κ4 zur Folge. Da beide Kriterien auf dem Lagerfugenversagen beruhen, wird eine proportionale Kopp-lung dieser Kriterien angesetzt:

( )( )

( )( )

1 1tmy ftmyk n n

tmy ftmyk nn

k ffk

+ +⋅ Ω ⋅ Ω

=⋅ Ω⋅ Ω

(5.58)

Unter der Annahme von ψ = 0 stehen die Normalenvektoren beider Kriterien senkrecht aufeinander.

Wird nur das Schubkriterium verletzt (∆λ1,n+1 > 0, ∆λ4,n+1 = 0), so wird F1 aufgrund der exponentiellen Entfestigung am Ende des Schrittes n+1 wie folgt abgemin-dert:

( )( )

11, 1

1

expk nn

k n

k kGk

κ++

⋅Ω −= ⋅ ∆ ⋅Ω

(5.59)

Aufgrund der Kopplung wird ebenfalls der Ausdruck ( )tmy ftmyf ⋅ Ω von Kriterium IV aktualisiert, bei exponentieller Entfestigung ist dies:

( )( )

14, 1

4

exptmy ftmy tmy cnn

tmy ftmy n

f fGf

κ++

⋅Ω − = ⋅ ∆ ⋅Ω

(5.60)

Damit folgt aus der Forderung (5.58)

44, 1 1, 1

1

cn n

tmy

G kG f

κ κ+ +∆ = ⋅ ⋅ ∆ . (5.61)

In Analogie dazu wird bei Verletzung von Kriterium IV die Schubfestigkeit abge-mindert:

11, 1 4, 1

4

tmycn n

fGG k

κ κ+ +∆ = ⋅ ⋅ ∆ (5.62)

Für eine hyperbolische Entfestigung erfolgt die Herleitung analog.

Bei gleichzeitigem Verletzen beider Kriterien können (5.61) bzw. (5.62) nicht angewendet werden, da das Return-Mapping-Verfahren dann aus einer Linear-kombination der beiden plastischen Multiplikatorinkremente ∆λi (siehe Abschnitt 4.2.2.2) besteht. Wird analog zu der Vorgehensweise in Abschnitt 5.2.4.3 auch hier die Größe der Entfestigung infolge der Kopplung anhand des Betrags von u = |σtrial – σn+1| gemessen, so muss gemäß Abbildung 5-8 für den Vektor u auf-

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58 Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben

grund der aufeinander senkrecht stehenden Normalenvektoren σ∂∂ /1Q und σ∂∂ /4Q

( ) ( )21,4

21,1 ++ ∆+∆= nn λλu (5.63)

gelten.

σtrial

∆λ4

∆λ1

F1

F4

σn+1

u

Abbildung 5-8: Entfestigungsbeziehungen infolge der Kopplung bei mehrflächiger Plastizität.

Für die Aktualisierung der Multiplikatorinkremente sind demnach bei exponentiel-ler Entfestigung folgende Zusammenhänge zu verwenden:

( )

( )

22 1

1, 1 1, 1 4, 14

22 4

4, 1 4, 1 1, 11

tmycn n n

cn n n

tmy

fGG k

G kG f

κ κ κ

κ κ κ

+ + +

+ + +

∆ = ∆ + ⋅ ⋅ ∆

∆ = ∆ + ⋅ ⋅ ∆

(5.64)

Für eine hyperbolische Entfestigung lassen sich die Ausdrücke nicht so kompakt beschreiben, daher wird auf ihre Darstellung an dieser Stelle verzichtet.

5.2.6.2 Kriterien III und IV

Neben der gegenseitigen Kopplung der Zugfestigkeit mit der Haftscherfestigkeit wird eine einseitige Kopplung der Zugfestigkeit an die Druckfestigkeit berücksich-tigt: Ein über die maximale Druckfestigkeit hinaus belasteter Probekörper besitzt, wenn überhaupt, nur noch eine reduzierte Zugfestigkeit. Wird der Körper dage-gen zuerst auf Zug bis zur Rissbildung belastet, so kann immer noch nahezu die gesamte Druckfestigkeit erreicht werden. Die aufnehmbare Zugspannung wird im Bereich B der Entfestigungsfunktion des Kriteriums III von 100 % auf 5 % der Anfangszugfestigkeit reduziert, und zwar mit folgendem proportionalem Zusammenhang:

3 4

4,

p

m p Rest

κ κ κκ κ κ

−=

− (5.65)

κ4,Rest ist der zur Resttragfähigkeit von 0,05 · ftmy gehörige Entfestigungswert des Kriteriums IV. Er wird bestimmt, indem Gleichung (5.54) gleich 0,05 gesetzt

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Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben 59

wird. In Abbildung 5-9 wird die Reduktion der Zugfestigkeit infolge dieser einsei-tigen Kopplung anschaulich dargestellt.

κp

κ4,Rest

ƒtmy

κ3, κ4

-σyy

σyy

0.05 ·ƒtmy

σp

κm

Abbildung 5-9: Kopplung der Entfestigungsparameter der Kriterien III und IV

Durch die Kopplung von Kriterium IV an Kriterium III ergibt sich eine indirekte Kopplung von Kriterium I an Kriterium III. Besondere Beachtung kommt diesem Zusammenhang beim Multi-Versagen der zuletzt genannten Kriterien zu, da sich infolge der verschiedenen Kopplungen zunächst zwei unterschiedliche Schädi-gungsparameter κ4 ergeben können. Maßgebend ist in diesem Fall diejenige Kopplung, welche den größeren Wert für κ4 liefert.

5.2.7 Schädigung

Grundsätzlich kann eine Degradation der Elastizitätsmatrix bei allen Versagens-kriterien berücksichtigt werden. Aber nach Abschnitt 2.3.3 ist dies nicht für jede Versagensform nötig. So kann z. B. das Schubversagen der Lagerfuge sehr gut mit plastischem Verhalten abgebildet werden, was beim Druck- (Kriterium III) und Zugversagen (Kriterium IV) nicht der Fall ist.

Die Einbindung der Schädigung wurde so durchgeführt, dass im Zug- und im Druckbereich der Normalspannungen die Materialmatrix unabhängig abgemin-dert werden kann. Damit ist es möglich, für jedes Kriterium k einen Schädi-gungsparameter βk zu wählen. So bleibt die Materialmatrix für den Zugbereich nach Druckbelastung bis in den nichtlinearen Bereich hinein unverändert, das Gleiche gilt umgekehrt. Das Update der Elastizitätsmatrix erfolgt auf Grundlage des plastischen Multiplikatorinkrementes λk, das beim Return-Mapping zur Her-stellung des Gleichgewichtszustands ermittelt wird.

Für das Kriterium III (Druckversagen) ergibt sich durch Einsetzen der Gleichung (5.36) in das Update der Flexibilitätsmatrix aus (4.45):

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60 Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben

3 3

2

0 0 01 0 1 2

2

0 2 2yy

yy xx y y

x x

β λτ σ

∆ = ⋅ ∆ ⋅ ⋅ − ⋅ ∆ ∆⋅ ⋅ − ∆ ∆ ∆ − ⋅ ⋅ ∆ ∆

F (5.66)

Das Update der Flexibilitätsmatrix in (5.66) ist singulär, daher muss für die Aktu-alisierung der Materialmatrix der Umweg über die Inverse derselben gegangen werden:

( ) 11

11

+−

+ ∆+= nnn FDD (5.67)

Für den ersten Schritt in den nichtlinearen Bereich ergibt sich folgende Material-matrix:

1

33,11-

33,023,1

32,122,11-22,0

1-21,0

1-12,0

1-11,0

1

FDF0FFDD0DD

∆+∆∆∆+=D (5.68)

Bisher waren Normalspannungen und Schubspannungen entkoppelt. Das dritte Kriterium hängt aber sowohl von der Druck- als auch von der Schubspannung ab. Durch die Einbeziehung dieses Kriteriums in die Schädigung entsteht des-halb eine vollbesetzte Elastizitätsmatrix.

Bei Schädigungen infolge der Verletzung von Kriteriums IV (Überschreiten der Mauerwerkszugfestigkeit) nimmt das Update der Flexibilitätsmatrix folgende Form an:

4 4

0 0 01 0 1 0

0 0 0yy

β λσ

∆ = ⋅ ∆ ⋅ ⋅

F (5.69)

Im Zugbereich bleibt die Materialmatrix aufgrund der Form des Updates der Flexibilitätsmatrix also auch weiterhin in den Einträgen D13, D23, D31 und D32 unbesetzt.

Das Steinzugversagen (Kriterium II) tritt allgemein unter Druckbelastungen des Mauerwerks ein, wenn die Schubspannungen erhöht werden und geneigte Hauptzugspannungen im Stein die Steinzugfestigkeit überschreiten. Dies bedeu-tet, dass bei Anwendung der Schädigungstheorie in den Fällen, wenn Kriterium II aktiv wird, mit der Materialmatrix des Druckbereichs gerechnet werden muss.

Im Fall von kombiniertem Versagen der Kriterien II und III (Steinzug-/Druckversagen) werden die Schädigungen über die Wurzel der Quadratsumme kombiniert, so dass mit unabhängigen Schädigungsparametern gerechnet wer-den kann. Auf eine Darstellung des Inkrements der Flexibilitätsmatrix soll an dieser Stelle übersichtshalber verzichtet werden.

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Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben 61

5.2.8 Verhalten unter zyklischer Druck-Zugbeanspruchung Wird die maximale Haftzugfestigkeit zwischen Stein und Mörtel ƒtmy überschrit-ten, so entsteht ein klaffender Riss in der Lagerfuge, der im Modell verschmiert über die Elementgröße dargestellt wird. Bei Entlastung und anschließender Druckbelastung ist zu beachten, dass der Riss erst geschlossen werden muss, bevor Druckspannungen entstehen können. Folgt der Druckbelastung eine er-neute Zugbeanspruchung, so können Zugspannungen erst auftreten, wenn der Riss wieder geöffnet ist. Möglich wird dies dadurch, dass, wie im vorhergehen-den Abschnitt erwähnt, ein unterschiedliches Schädigungsverhalten im Druck- und Zugbereich simuliert werden kann. In Abbildung 5-10 sind beispielhaft zwei Belastungspfade von Wechselbeanspruchungen dargestellt.

σyy

-σyy

ƒtmy

-εyy εyy

σi

ƒtmy

-εyy

-σyy

σyy

σi

εyy

εcr

εcr

(a) (b)

Abbildung 5-10: Spannungspfade bei Wechselbelastung

Im Diagramm (a) ist der Spannungspfad für eine Erstbelastung in den Zugbe-reich mit einem Zugschädigungsparameter β4 = 1,0 dargestellt. Bei Überschreiten der Mauerwerkszugfestigkeit ftmy bildet sich im Mauerwerk ein klaffender Riss, der durch die äquivalente Rissdehnung berücksichtigt ist. Der Entlastungspfad im Zugbereich hat aufgrund der Materialdegradierung eine geringere Neigung als der Belastungspfad. In der Realität ist nun zu beobachten, dass sich bereits vor Erreichen des Dehnungsnullpunktes Druckspannungen einstellen können. Dies liegt an der Kontaktspannung der Rissufer. Durch den Zugriss lockert sich das Material an den Rissufern auf, bei Entlastung wird der Kontakt deshalb allmählich aufgebaut, nicht schlagartig. Vereinfacht kann dieses Verhalten dadurch berück-sichtigt werden, indem über den Schädigungsparameter β4 das Maß an Riss-schließung vorgegeben wird, bevor Druckspannungen entstehen können.

Im Druckbereich (Abbildung 5-10b) ist die Steigung des Entlastungspfades im jeweiligen Schritt über den Druckschädigungsparameter β3 zu regeln. Nach voll-ständiger Druckentlastung werden dann im Zugbereich die Zugspannungen wie-der allmählich aufgebracht, bis die bereits vorhandene Rissdehnung εcr aus dem vorhergehenden Belastungsschritt im Material erreicht ist. Danach erfolgt der Abbau vorhandener Zugspannungen infolge weiterer Rissöffnung. Beim Über-

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62 Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben

gang vom Druck- in den Zugbereich wird das vorgegebene Dehnungsinkrement ∆εn+1 in zwei Teile ∆εn+1,1 und ∆εn+1,2 aufgespalten. Der erste Teil führt zur voll-ständigen Entlastung im Druckbereich, der zweite Teil dann zum ersten Belas-tungsschritt im Zugbereich. Die gleiche Vorgehensweise gilt für den Übergang vom Zug- in den Druckbereich.

5.2.9 FE-Netzabhängigkeit

5.2.9.1 Allgemeines

Mauerwerk weist je nach Versagensart einen spezifischen Schädigungs- bzw. Risszustand auf: Bei Druckversagen beispielsweise kommt es aufgrund der an-fänglichen Verfestigung zu einem gleichmäßig verteilten Rissbild des homogenen Ersatzkontinuums. Erst bei Überschreitung der Mauerwerksdruckfestigkeit stellt sich ein inhomogenes Rissbild ein, da es aufgrund der Entfestigung nur noch im Bereich mit der niedrigsten Festigkeit bzw. mit der höchsten Spannungskonzent-ration zum vollständigen Versagen kommt. Dieses Verhalten gilt selbstverständ-lich nur für Körper mit weitgehend homogenen Materialeigenschaften sowie gleichmäßiger Geometrie und Belastung.

Ein ähnlicher Prozess läuft unter Zugbelastung ab. Hier wird allerdings bis zum Erreichen der Mauerwerkszugfestigkeit ein linearelastisches Materialverhalten vorausgesetzt, so dass es bei Erreichen der Materialfestigkeit zur Erstrissbildung kommt. Dieser Riss entsteht wiederum im Punkt des niedrigsten Materialwider-standes bzw. der höchsten Spannungskonzentration. Es entsteht also ein diskre-ter Riss, in dem die gesamte Bruchenergie des betrachteten Körpers dissipiert wird, unabhängig von der Länge des Körpers in Zugrichtung.

Das vorliegende Materialmodell bildet lokale Risse bzw. Brüche verschmiert über die Elementgröße des FE-Modells ab, d. h. es wird nicht die eigentliche Rissbreite erfasst, sondern der Dehnungszuwachs infolge des Risses. Hinsichtlich der Imp-lementierung des Modells in ein FE-Programm besteht die Anforderung, dass das Ergebnis der Berechnung unabhängig von der Maschenweite des FE-Netzes ist. Konkret lässt sich diese Forderung mit Hilfe von Abbildung 5-11 erläutern.

δcr,b

hel,b

δcr,a

hel,a ⇒

Abbildung 5-11: FE-Modell eines Probekörpers mit verschiedenen Elementgrößen

Dargestellt sind zwei Modellierungen eines Zugversuchs, wobei zur Vereinfa-chung jeweils nur drei Elemente verwendet werden. Die grau hinterlegten Ele-mente haben eine verminderte Zugfestigkeit. Eine Netzunabhängigkeit zeigt sich

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Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben 63

darin, dass die dissipierte Bruchenergie in beiden Fällen die Gleiche sein muss, d. h. die Fläche unter dem Spannungs-Verformungsdiagramm muss gleich sein, oder, anders betrachtet, dass sich für beide Modellierungen die gleiche Rissbreite δcr einstellen muss.

, ,cr a cr bδ δ= !

(5.70)

Die Rissbreite kann aus der plastischen Dehnung und der Dehnung infolge Schä-digung des geschwächten Elements berechnet werden:

( ), , ,

, ,

pl da pdcr a el a a a el a a

pdcr b el b b

h h

h

δ ε ε ε

δ ε

= ⋅ + = ⋅

= ⋅ (5.71)

Damit lässt sich Gleichung (5.70) umformen zu

, ,/pd pda b el b el ah hε ε= ⋅ . (5.72)

Für einen Zugversuch, in dem der Riss senkrecht zur Belastungsrichtung verläuft, ist also die plastische Dehnung anhand der Elementhöhe zu skalieren. Je nach Versagensform kann eine andere geometrische Größe maßgebend sein. Im Fol-genden sind die Zusammenhänge für die einzelnen Kriterien erläutert.

5.2.9.2 Versagenskriterien I, II und IV

In den Versagenskriterien I, II und IV wird die plastische Dehnung über die Bruchenergien G1, G2 und G4 skaliert. Dies hat den Vorteil, dass sich die zu den Kriterien gehörigen Fließfunktionen nicht verändern. Es werden lediglich die auf die Einheitsfläche bezogenen Bruchenergien auf die mögliche Bruchlänge eines Integrationspunktes angepasst; diese gehen als Materialkonstanten in die Be-rechnung ein. Die gleiche Vorgehensweise wird u. a. in [100], [104] vorgeschla-gen.

Für Kriterium I und IV verläuft der Riss parallel zur Lagerfuge. Die für die Be-rechnung zu verwendende Bruchenergie Gi lautet deshalb

, , 1,4int i normi

el

n GG i

h⋅

= = . (5.73)

Dabei stellt Gi,norm die auf die Einheitsfläche normierte Bruchenergie und nint die Anzahl der Element-Integrationspunkte über die Höhe dar.

Für das zweite Kriterium ist die Rissbreite nicht in einer festgelegten Richtung vorgegeben. Das Versagen des Mauersteins infolge der Querzugspannungen ist von der Hauptzugspannungsrichtung abhängig, ein Riss kann deshalb unter beliebigen Winkeln verlaufen. Hinsichtlich der FE-Netzabhängigkeit wird im Rah-men dieser Arbeit vereinfachend die Elementdiagonale als geometrische Größe für die Skalierung der plastischen Dehnungen verwendet. Daraus ergibt sich

2,2 2 2

int norm

el el

n GG

h b

⋅=

+. (5.74)

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64 Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben

0

200

400

600

0 0,5 1 1,5 uy

[mm]

σyy [kN/m2]

hel = 1 m

hel = 0,5 m

hel = 0,25 m

0

200

400

600

0 0,5 1 1,5

σyy [kN/m2]

uy [mm]

hel = beliebig

(a) (b)

Abbildung 5-12: (a) Kriterium IV ohne Skalierung der Bruchenergie, (b) Kriterium IV mit Skalierung der Bruchenergie

Abbildung 5-12 zeigt die Spannungs-Verschiebungskurven eines einfachen Zug-versuches entsprechend Abbildung 5-11 mit und ohne Skalierung der Bruchener-gien. Die Höhe hel des geschwächten Elements wird variiert, die Geometrie des Körpers bleibt unverändert mit hges = 3 m und b = 1 m.

Für Kriterium I und Kriterium II wird zur Erfassung der FE-Netzabhängigkeit auf einen quadratischen Versuchkörper ein gleichmäßiger Verzerrungszustand auf-gebracht, um einen reinen Schubspannungszustand zu erhalten (Abbildung 5-13).

+ux

-ux

-uy +uy |τ| > 0 σxx = 0 σyy = 0

Abbildung 5-13: Modellierung zur Überprüfung von Kriterien I und II

Die grau hinterlegten Elemente sind erneut mit verminderten Festigkeitswerten belegt. Die Seitenlänge des Probekörpers bleibt unverändert mit hges = bges = 3 m, variiert wird die Anzahl der Elemente und dadurch die Höhe des geschwäch-ten Streifens. Es ergeben sich qualitativ die Spannungs-Dehnungskurven aus Abbildung 5-12, auf eine Darstellung wird aus diesem Grund verzichtet.

5.2.9.3 Versagenskriterium III

Bei Kriterium III wird das nichtlineare Verhalten des Mauerwerks nicht über die Bruchenergie definiert, sondern über die Kennwerte κp und κm. Wie erwähnt spielt die FE-Netzunabhängigkeit nur im Entfestigungsbereich eine Rolle, also nur für κ3 > κp. Die Skalierung der plastischen Dehnungen für die Gewährleistung der FE-Netzunabhängigkeit erfolgt hier über den plastischen Multiplikator λ3. Aus Gleichung (5.72) ergibt sich unter Verwendung von Gleichung (4.7):

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Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben 65

,3, 3,

el ba b

int

hn

λ λ= ⋅ (5.75)

wobei nint die Anzahl der Element-Integrationspunkte über die Höhe ist. In den Return-Mapping-Funktionen der Bereiche B und C des dritten Versagenskriteri-ums ist demnach der Faktor hel / nint vor dem plastischen Multiplikatorinkrement ∆λ3,n+1 einzufügen. Für die im Modell verwendete assoziierte Fließregel ergibt sich die Aktualisierung des Schädigungsparameters zu

2

3, 1 3, 1 21 4eln n n

int

h yn x

κ λ λ+ +

∆= + ⋅ ∆ ⋅ + ⋅ ∆

. (5.76)

Abbildung 5-14 zeigt beispielhafte Spannungs-Dehnungskurven mit und ohne Berücksichtigung der Skalierung des plastischen Multiplikators. Verwendet wird der Modellaufbau entsprechend Abbildung 5-11.

-2000

-1000

1 2 3

σyy [kN/m2]

hel = 1 m

hel = 0,25 m

hel = 0,5 m

uy [mm]

-2000

-1000

1 2

σyy [kN/m2]

hel = beliebig

uy [mm]3

(a) (b)

Abbildung 5-14: Kriterium III ohne (a) bzw. mit (b) Skalierung des plastischen Multi-plikators

5.2.9.4 Scheinbare Größeneffekte

hKörper = 1,25 m hKörper = 0,75 m

Abbildung 5-15: Probekörper unter Zugbelastung

Betrachtet werden die in Abbildung 5-15 dargestellten Zugprobekörper, denen dasselbe netzunabhängige Materialgesetz mit gleicher Festigkeit zugewiesen ist.

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66 Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben

Sie werden bis in den Entfestigungsbereich hinein belastet. Die Rissbildung setzt an der Stelle mit kleinster Festigkeit ein, in diesem Fall in Probenmitte. Abbildung 5-16 zeigt die zugehörigen Spannungs-Verschiebungs- und Spannungs-Dehnungsbeziehungen, die auffällige Abweichungen voneinander aufweisen.

0 εyy

σyy

hKörper = 0,75 m

hKörper = 1,0 m

hKörper = 1,25 m

0

σyy hKörper = 0,75 m hKörper = 1,0 m

hKörper = 1,25 m

uy

(a) (b)

Abbildung 5-16: (a) Spannungs-Dehnungs- und (b) Spannungs-Verformungsbezie-hungen für verschiedene Probekörperabmessungen

Im Spannungs-Dehnungsdiagramm sind die Belastungspfade unabhängig, die Entlastungspfade aber abhängig von der Probekörperlänge. Da die Entfestigung für alle Proben bei der gleichen Dehnung einsetzt, ist die Deformation bei Riss-beginn bei unterschiedlicher Probenlänge ebenfalls unterschiedlich. Im Span-nungs-Verformungsdiagramm ist zu erkennen, dass das Nachbruchverhalten für alle drei Fälle vom Verlauf her übereinstimmt und lediglich parallelverschoben ist. Diese Tatsache führt, nach der Umrechnung auf die Dehnung durch Skalierung mit der Probenlänge, zu unterschiedlichen Entfestigungspfaden im Spannungs-Verformungsdiagramm. Dieses Phänomen ist zu beachten, wenn aus einem großen Probekörper Substrukturen zur eingehenderen Betrachtung herausge-schnitten werden. Aber bereits bei der Wahl der Elementabmessungen ist dieser Effekt zu berücksichtigen. Mit größeren Elementabmessungen wird die Fläche unter der Spannungs-Dehnungskurve kleiner, da die Bruchenergie unabhängig von der Elementabmessung ist. Wird die Elementgröße zu groß gewählt, kommt es zum „Snap-Back”-Effekt, also zu instabilen Spannungsabfällen [13], [104].

5.2.10 Flussdiagramm der Materialroutine

Auf der folgenden Seite ist das Flussdiagramm abgebildet, das eine Übersicht der programmierten Materialroutine für das vorgestellte Makromodell wiedergibt.

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Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben 67

Vorgabe des vektoriellen Dehnungsinkrements

1+∆ nε

Berechnung des Prädiktorspannungszustandes

11 ++ ∆⋅+=∆+= nnnnntrial εDσσσσ

Abfrage der Fließkriterien

( ) ?, =ntrialkF κσ

( ) 0, ≤ntrialF κσ

Return-Mapping-Verfahren

iterativer Rückzug des Spannungszustands, lokaler Iterationsschritt „m+1“:

( )mmtrialmn Q σDσσ ∂∂⋅⋅∆−= +++ /11,1 λ

( )mmnmn Q σ∂∂⋅∆+= +++ /11,1 λκκ

( ) ≤++++ 1,11,1 , mnmnF κσ Abbruchtoleranz ?

nein ja

11 ++ ∆+= nnn εεε

trialn σσ =+1

nn κκ =+1

11 ++ ∆+= nnn εεε

( ) 111 / +++ ∂∂⋅⋅∆−= mkmtrialn Q σDσσ λ

( ) 111 / +++ ∂∂⋅∆+= mmnn Q σλκκ

globaler Gleichgewichtszustand erreicht?

nein

ja Ende

loka

le It

erat

ion

Inde

x „

m “

glob

ale

Itera

tion

Inde

x „

n “

Ausgangsposition im globalen Iterationsschritt „n“:

( ) 0, ≤nnnnn F κκ σσε

n =

n+1

m =

m+1

( ) 0, >ntrialF κσ

Liegt ein Vorzeichenwechsel der vertikalen Normalspannungen vor?

Aufstellung der Materialmatrix

/ ,Zug Druck nD

nein ja

Aufteilung des Dehnungsinkrementes

1,112,11,11 +++++ ∆=∆⇒∆+∆=∆ nnnnn εεεεε

Neuberechnung des Prädiktorspannungszustandes

11 ++ ∆⋅+=∆+= nnnnntrial εDσσσσ

Wurde das Dehnungsinkrement aufgeteilt?

ja

111,12,11 ;;; +++++ ==∆+=∆=∆ nnnnnnnnn κκσσεεεεε

nein

Update der Materialmatrix: ( ) 11

11

−+

−+ ∆+= nnn FDD

Abbildung 5-17: Berechnungsablauf der Materialroutine für Mauerwerk

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68 Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben

5.3 Diskret generiertes Modell (Mesoebene) In Abschnitt 3.1.1 ist bereits die Eignung diskret generierter Finite-Elemente-Modelle diskutiert worden. Eine Untersuchung ganzer Tragstrukturen ist in der Regel mit solchen Modellen zu aufwändig. Soll jedoch nur eine einzelne Wand simuliert werden, so ist ein Modell auf der Mesoebene durchaus einsetzbar. Die aufwändige, diskontinuierliche Generierung kann für solche Systeme automati-siert werden.

Grundsätzlich kann mit den gleichen numerischen Algorithmen, die in Kapitel 4 beschrieben wurden, und unter Verwendung der gleichen Versagenskriterien von Mann und Müller (Abschnitt 2.3.4) ein Materialmodell für ein diskretes FE-Modell entwickelt werden. Die diskontinuierliche Generierung hat dann zur Folge, dass das Materialmodell getrennt für den Mauerstein und für die Fuge entwickelt wird. Da der Einfluss des Verbandes direkt in der Diskretisierung berücksichtigt wird, kann seine Berücksichtigung in den Funktionen der Versagenskriterien entfallen. Im Makromodell erfolgt diese Berücksichtigung durch Erhöhung bzw. Abminde-rung der mittleren homogenen Spannungen (Abbildung 5-18, dicke durchgezo-gene Linie) aufgrund der Annahme einer blockförmigen Spannungsverteilung am Einzelstein.

-8000

-6000

-4000

-2000

0

2000

4000

6000

8000

0.00 0.22 0.44 0.66 0.88

Wandkoordinate [m]

Vert

ikal

span

nung

[kN

/m²]

homogenes MakromodellDiskret generiertes Modell - FugenniveauDiskret generiertes Modell - Steinniveau

Steinlage

Fugenlage

Abbildung 5-18: Verteilung der Vertikalspannung über die Wandlänge in einer Schubwand bei linearem Materialverhalten ohne Auflast

Auf der Mesoebene kann an jeder Stelle der vorhandene Spannungszustand angesetzt werden. Damit ergeben sich die folgenden Versagenskriterien:

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Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben 69

Der Fuge bzw. dem „Interface”-Element werden das Kriterium I „Abscheren in der Lagerfuge” (Reibungsversagen in Abhängigkeit der nicht abgeminderten Kohäsion k und des Reibungsbeiwertes µ)

yykτ µ σ≤ − ⋅ (5.77)

und das Kriterium IV „Klaffen der Lagerfuge” (Beschränkung der Zugfestigkeit)

yy tmyfσ ≤ (5.78)

zugewiesen, wogegen das Kriterium II „Steinzugfestigkeit”

I btfσ ≤ (5.79)

dem Stein zugeordnet wird. Kriterium III „Beschränkung der Mauerwerksdruck-festigkeit”

yy myfσ− ≤ (5.80)

bezieht sich auf das bereits homogenisierte Ersatzkontinuum. Es kann entweder dem Stein oder dem Interface-Element zugeordnet werden. Wird Kriterium III ebenfalls dem Stein zugeordnet, sind maximal zwei Versagenskriterien pro Mate-rialgesetzformulierung vorhanden. Damit reduziert sich der Aufwand für die Materialformulierung wesentlich. Die Art der Diskretisierung macht es natürlich auch möglich, dem Stein ein gesondertes spezifisches Materialgesetz zuzuord-nen, um den Einfluss des Lochbildes genauer zu erfassen.

Das Modell eignet sich besonders dafür, die Effekte infolge auftretender Steinro-tationen zu untersuchen. Maßgeblich daran beteiligt ist die Ausbildung der Stoß-fugen [29], die im Makromodell auch bei großen Steinrotationen als nicht kraft-schlüssig angenommen worden sind, auf der Mesoebene aber mit eigenem Materialgesetz versehen werden können. Je steifer die Stoßfuge ist, desto weni-ger hat der Stein die Möglichkeit zu rotieren. Im Fall einer steifen Stoßfuge ent-spricht der Spannungsverlauf des Mesomodells in Abbildung 5-18 dem Verlauf des homogenen Makromodells.

Eine detaillierte Beschreibung dieses Modells, das in das benutzte FE-Programm implementierte Interface-Element sowie seine Validierung können der Diplomar-beit von Scheiff [102] entnommen werden. Im Rahmen der folgenden Simulati-onsbeschreibungen wird nur noch auf die Anwendung des Makromodells einge-gangen.

5.4 Simulation von Schubwänden Die Umsetzung und Implementierung des beschriebenen Materialmodells für Mauerwerk erfolgte in ANSYS [3]. Die Validierung des in dieser Arbeit vorge-stellten Materialmodells für unbewehrtes Mauerwerk erfolgt zuerst an einem monoton belasteten Schubwandversuch, wobei der Schwerpunkt aber auf die Simulation zyklisch beanspruchter Mauerwerkswände gelegt wird.

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70 Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben

5.4.1 Schubwandversuch mit monotoner Belastung der ETH Zürich

Lurati und Thürlimann führten im Jahr 1990 an der ETH Zürich im Rahmen eines Forschungsprojekts zum Trag- und Bruchverhalten von Mauerwerksscheiben eine Reihe von Schubversuchen an Wänden aus Betonsteinmauerwerk durch. Abbildung 5-19 zeigt den Versuchsaufbau mit den Abmessungen der Wand.

A

60 15 15 3,60

2,01

18

18

15

B B B B

65

B - B

A - A

A

δh

65

pv

H

20 20

y

x

x

30

15

h = 19

Abbildung 5-19: Versuchsaufbau der Wand ZW1

Die Mauerwerksscheibe ist auf einer Betonplatte aufgemauert. Am oberen Ende der Wand ist zwecks Lasteinleitung eine weitere, vorgespannte Betonplatte auf einer Mörtelschicht aufgelegt. Seitlich sind zur Stabilisierung 60 cm breite Mau-erwerksflansche angeordnet. Die Lagerfugen haben eine mittlere Dicke von 10 mm und sind vollflächig vermörtelt. In den Stoßfugen ist der Mörtel als verdeck-ter Spatz nur in den Steinnuten eingebracht.

Bei der Versuchsdurchführung ist zunächst die vertikale Belastung von insgesamt 419 kN aufgebracht worden, was in etwa der Last auf einer Wand im Unterge-schoss eines vierstöckigen Gebäudes entspricht. Beim Aufbringen der horizonta-len Last sind erst aufgrund der zu schwach ausgelegten Gleitsicherung am linken Ende der unteren Betonplatte Starrkörperverschiebungen aufgetreten. Außerdem ist die Bodenplatte von dem Aufspannboden abgehoben, und es konnte ein klaffender Riss beobachtet werden. Zu diesem Zeitpunkt sind in der Wand selber noch keine Risse sichtbar gewesen. Der erste Riss in der Wand war laut Ver-suchsbeschreibung im mittleren Bereich der Wand erkennbar. Bei steigender Belastung bildeten sich weitere Risse aus und pflanzten sich unter einem Winkel von etwa 37° bezüglich der vertikalen Achse in Richtung der unteren und oberen Betonplatte fort (Abbildung 5-20).

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Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben 71

Abbildung 5-20: Rissbild der Wand ZW1

Die Risse verliefen treppenförmig sowohl entlang der Stoß- und Lagerfugen als auch durch die Mauersteine hindurch. Bei Weitersteigerung der Horizontalver-schiebung wurde ein Biegeriss in der untersten Lagerfuge durch Niederhalten der unteren Betonplatte erzwungen. Die horizontal angreifende Last konnte bis auf die Bruchlast von 353 kN gesteigert werden, danach trat schlagartiges Versagen durch das Herausstoßen der Druckdiagonalen ein.

Im diskretisierten Modell für die Berechnung in ANSYS [3] werden die Beton-platten, die Flansche und die Mauerwerksscheibe durch vierknotige ebene Schei-benelemente abgebildet. Abbildung 5-21 zeigt das diskretisierte Modell in der 3d-Ansicht.

Mauerwerk

Beton

Abbildung 5-21: Diskretisiertes Modell in ANSYS

Dem Modell liegen die in Tabelle 5-1 angegebenen Materialparameter zugrun-de [70], [71].

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72 Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben

Tabelle 5-1: Verwendete Materialparameter der Wand ZW1 [70], [71]

Allgemein Kriterium I Kriterium III

k = 1,2 MN/m2 µ0 = 0.83 µr = 0.60 tan ψ = 0.50 G1,norm = 0.25 kNm/m2

fmy = 9,1 MN/m2

iσ = 6 MN/m2

mσ = 5 MN/m2

rσ = 3 MN/m2 εyy,p = 1.0 · 10-3 [-]

Kriterium II Kriterium IV

Mauerwerk Ex = 7750 MN/m2 Ey = 11600 MN/m2 Gxy = 4000 MN/m2 ν = 0.32 Stein ∆x = 30 cm ∆y = 19 cm fbt = 2,0 MN/m2

G2,norm = 1.0 kNm/m2

τ = 2.3

ftmy = 1 10-4 MN/m2 G4,norm = 0.1 kNm/m2

In Abbildung 5-22 ist die berechnete Last-Verformungskurve den Messwerten gegenübergestellt. Das im Versuch zu beobachtende, eigentlich für Mauerwerks-scheiben untypische, aber aufgrund der Flansche große Duktilitätsverhalten kann in der Simulation bestätigt werden.

0

50

100

150

200

250

300

350

400

0.0 2.0 4.0 6.0 8.0

Kopfpunktverschiebung [mm]

Hor

izon

talk

raft

[kN

]

MesswerteSimulation

11.0 15.0 19.0 23.00

50

100

150

200

250

300

350

400

0.0 2.0 4.0 6.0 8.0

Kopfpunktverschiebung [mm]

Hor

izon

talk

raft

[kN

]

MesswerteSimulation

11.0 15.0 19.0 23.0

Abbildung 5-22: Last-Verformungskurve für die Wand ZW1

Einen weiteren großen Einfluss auf den Verlauf der Last-Verformungskurve hat der erzwungene Biegeriss in der untersten Lagerfuge. In Abbildung 5-23 ist dieser zu erkennen. In dieser Abbildung sind die Aktivitätsplots, die das maßge-bende Versagenskriterium angeben, sowie die Schädigungsplots, die die qualita-tive Verteilung der Schädigungen und Risse angeben, in Abhängigkeit der Kopf-punktverschiebung dargestellt. Die dunkle Einfärbung kennzeichnet den Bereich der Wand, in dem kein Versagenskriterium verletzt ist und somit auch keine Schädigung vorliegt. Zu erkennen ist, dass nach Abheben der Betonplatte (bzw. erzwungenem Riss in der ersten Lagerfuge) sich die ersten Risse in Wandmitte ausbilden. Das aktive Versagenskriterium ist in diesem Fall Reibungsversagen der Lagerfuge. Die Wandfläche, in der dieses Kriterium aktiv ist, vergrößert sich mit tendenziell schrägem Verlauf. Rechnerisch kann bei größerer Wandkopfver-schiebung auf der linken Seite ein Bereich ausgemacht werden, in dem die Stei-ne versagen. Diese Bereiche sind in der Realität natürlich nicht so abgegrenzt wie im Rechenmodell.

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Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben 73

Kopf

punk

t-ve

rsch

iebu

ng

Aktivität

Krite

rium

I

kein

K

riter

ium

akt

iv

Krite

rium

II

Krite

rium

III

Krite

rium

IV

Krite

rium

I+

IV

Krite

rium

I+

III

Krite

rium

I+

II

Schädigung / Rissbild

keine Schädigung

großeSchädigung

0,68

mm

(B

egin

n de

r Sc

hädi

gung

)

AbhebenReibungs-versagen

1,90

mm

(E

rrei

chen

des

max

. Las

t-ni

veau

s)

25 m

m

(End

e)

AbhebenReibungs-versagen

Stein-versagen

Reibungs- & Zugversagen der Lagerfuge

Abbildung 5-23: Aktivitäten und Schädigung in Abhängigkeit der Kopfpunktverschie-bung

Zu Abschluss dieser Simulationsbeschreibung sei noch besonders hervorgeho-ben, dass im Rahmen der Versuchsvorbereitungen an einem Mauerwerksprüf-körper die Kohäsion k zu 0,5 MN/m² bestimmt worden ist [70]. In der Simulation ergibt sich bei Verwendung dieses Wertes eine um 23 % niedrigere maximal aufnehmbare Horizontallast. Diese Unterschätzung der Schubfestigkeit ist auf die grundlegenden Modellannahmen und –ansätze von Mann und Müller zurückzu-führen. Der für die Bemessung von Mauerwerkscheiben entwickelte Ansatz min-dert, wie bereits in Abschnitt 2.3.4 erläutert, die tatsächliche Kohäsion ab, um

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74 Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben

auf der sicheren Seite liegend den Einfluss des Verbandes und der Stoßfugen-vermörtelung mit zu berücksichtigen.

Es wird beim Reibungsversagen angenommen, dass die Stelle maßgebend wird, bei der die aufeinander liegenden Steine sich voneinander wegbewegen, da sich dort die kleinste Druckkraft ausbildet. In dem Makromodell wird daher die für die Reibungskraft verantwortliche Normalspannung durchschnittlich niedriger ange-setzt als eigentlich vorhanden. In der Realität kann je nach Stoßfugenausbildung sich die blockförmige Normalspannungsverteilung gar nicht richtig ausbilden, da die Steinrotation durch die Stoßfugenvermörtelung behindert wird. Ist also die Stoßfuge kraftschlüssig ausgebildet und überträgt deshalb Schub- und Druck-kräfte, so ist die Steinrotation nicht so stark ausgeprägt. In diesem Fall kann sich eine blockförmige Druckspannungsverteilung, wie sie in Abbildung 2-4b darge-stellt ist, kaum ausbilden, und der Reibungswinkel sowie die Kohäsion brauchen nicht reduziert werden.

Wird bei der Simulation der betrachteten Wand ZW1 ohne eine Abminderung der Kohäsion und des Dilatanzwinkels nach Gleichung (2.3) bzw. (2.4) gerechnet, so wird das Lastniveau ziemlich genau getroffen; die Abweichung ist kleiner als 4 %. In allen weiteren Berechnungen wird aber jeweils die Kohäsion angepasst, um den beschriebenen Effekt zu berücksichtigen und dennoch keine weiteren Modifikationen des Modells vornehmen zu müssen.

5.4.2 Zyklischer Druckversuch von Naraine und Sinha Naraine und Sinha [86], [87] führten im Jahr 1989 zyklische Druckversuche an Mauerwerkskörpern senkrecht und parallel zu den Lagerfugen durch. Abbildung 5-24 zeigt den Versuchsaufbau für die Belastung senkrecht zur Lagerfuge.

Kraftmessdose

25mm Stahlplatte

Lastverteilung

250 Dehnungs-messstreifen

70

700 230

340

[mm]

70

11

230

[mm]

(a) (b) (c)

Abbildung 5-24: Versuchsaufbau (a), Anordnung der Messstreifen (b) und Einzel-stein (c)

Das Mauerwerk besteht aus Ziegel-Vollsteinen (Frogged clay bricks), die im Kreuzverband mit 1 cm dicken Lagerfugen gemauert sind. Die Belastung wurde verteilt über die gesamte Länge verformungsgesteuert aufgebracht. Es wurden sowohl monotone als auch zyklische Versuche durchgeführt. Für die Simulation

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Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben 75

in ANSYS wird aufgrund der Symmetrie die Hälfte des Systems abgebildet und nur der Bereich der Dehnungsmessstreifen berücksichtigt, da in diesem Bereich von einen homogenen Spannungszustand und einem gleichmäßigen Rissbild ohne Störeinflüsse des Randes ausgegangen werden kann.

Tabelle 5-2: Verwendete Materialparameter der Versuche von Naraine und Sinha [86], [87]

Material & Geometrie Kriterium III

Ey = 2780 MN/m2 Ex = 1.980 MN/m2 Gxy = 903 MN/m2 ν = 0.32

Stein ∆x = 23 cm ∆y = 8 cm

fmy = 5,270 MN/m2

iσ = 1,540 MN/m2

mσ = 4 MN/m2

rσ = 3 MN/m2 εyy,p = 8.7 · 10-3

β3 = 0.351

Der Parameter β3 wird mit (5.81) ermittelt:

03

0

/ 1dap

ppdp p

D DD

β σε σ

−= = ⋅

⋅ −εε

(5.81)

Hierin beschreiben die Werte mit dem Index p die Peak-Werte, die aus dem experimentell ermittelten Spannungs–Dehnungsverlauf ermittelt werden können.

Simulation

Versuch

Abbildung 5-25: Vergleich der Ergebnisse der zyklischen Druckversuche von Naraine und Sinha [86], [87] mit den Simulationsergebnissen

In Abbildung 5-25 wird der berechnete Last-Verformungsverlauf den Versuchs-ergebnissen gegenübergestellt. Die Simulationsergebnisse treffen die Umhüllen-de des experimentell ermittelten Spannungsniveaus sehr gut, wenn gleich die linearen Entlastungspfade nur bedingt die realistischen Verläufe abbilden. Im Rahmen der Untersuchung von Schubwänden oder noch komplexeren Strukturen erscheint diese Art der Annäherung aber als ausreichend. Zur Kalibrierung von β3 kann bei vollständiger Druckentlastung der Nulldurchgang herangezogen wer-

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76 Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben

den. Bei einer Teilentlastung kann dieser Parameter zu Null gesetzt werden, so dass die Entlastungspfade mit der Steigung der Anfangssteifigkeit beginnen.

5.4.3 Zyklische Schubwandversuche der Universität Dortmund

An der Universität Dortmund wurden im Rahmen einer Projektstudie zur Identifi-zierung des seismischen Verhaltensfaktors von Mauerwerksbauten zyklische Versuche an Wandscheiben mit unterschiedlichen Materialien, Geometrien und Randbedingungen durchgeführt [92]. Die Versuchseinrichtung ist in Abbildung 5-26 dargestellt.

Abbildung 5-26: Versuchseinrichtung in Dortmund [92]

Untersucht werden 2,50 m hohe Wände aus Hochlochziegeln, Kalksand-, Leicht-beton- und Porenbetonsteinen, die entweder 1,25 m oder 2,50 m breit sind. Auf diesen ist ein Stahlbetonkopfbalken aufgesetzt, über den die Vertikalbelastung von pv = 500 kN/m² mittels externer Spannglieder mit weicher Federlagerung aufgebracht wird.

(a) (b) Abbildung 5-27: Kinematische Randbedingungen der zyklischen Schubversuche

Zu unterscheiden sind die zwei, in Abbildung 5-27 dargestellten kinematischen Versuchsrandbedingungen: In der Konfiguration (a) wird die Wandscheibe als Kragarm getestet, in der Konfiguration (b) wird die Verdrehung des oberen Kopf-balkens durch zwei vertikale Hydraulikzylinder behindert. Sie werden so gesteuert, dass durch das Zylinderpaar nur ein Moment, aber keine resultierende zusätzliche Vertikallast aufgebracht wird. Die horizontale Belastung wird wegge-steuert auf den Betonbalken aufgebracht.

In diesem Abschnitt werden die Simulationen der Wände aus Hochlochziegel vorgestellt. Verwendet werden Hochlochziegel HLz 12 mit einem Normalmörtel der Klasse IIa. Der Versuchsaufbau ist in Abbildung 5-28 dargestellt.

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Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben 77

175 1,25 / 2,50

2,50

δh pv

H

498

175

h = 238

Abbildung 5-28: Versuchsaufbau der Wände aus Hochlochziegeln [92]

Für die Simulation werden die Materialparameter nach Tabelle 5-3 angesetzt [92], [111], [113].

Tabelle 5-3: Verwendete Materialkennwerte der Wände aus Hochlochziegel [92], [111], [113]

Allgemein Kriterium I Kriterium II

k = 0,8 MN/m2 µ0 = 0,8 tan ψ = 0,5 G1,norm = 0,25 kNm/m2

β1 = 0,0

fbt = 0,8 MN/m2

τ = 2,4 G2,norm = 1,0 kNm/m2 β2 = 0,2

Kriterium III Kriterium IV

Mauerwerk Ex = 3000 MN/m2 Ey = 6000 MN/m2 Gxy = 1000 MN/m2 ν = 0,3 Stein ∆x = 50 cm ∆y = 25 cm

fmy = 5,0 MN/m2

iσ = 1,0 MN/m2

mσ = 3,0 MN/m2

rσ = 0,1 MN/m2

εyy,p = 3 · 10-3 [-]

β3 = 0,4

ftmy = 0,2 MN/m2 G4,norm = 0,1 kNm/m2

β4 = 1,0

Zunächst wird der Versuch „V6” beschrieben. Dabei handelt es sich um eine 1,25 m lange Wand mit verhinderter Kopfbalkenrotation. Bei der Versuchsdurch-führung traten zuerst leichte Schäden in den Eckbereichen infolge Biegedruck auf. Durch die weiteren Belastungen fand eine Auflockerung des Mauerwerkge-füges statt, und erst nach mehreren Lastzyklen stellte sich dann ein plötzliches sprödes Steinzugversagen ein, gekennzeichnet durch einen vertikalen Riss durch die gesamte Mauerwerkswand (Abbildung 5-29).

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78 Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben

Abbildung 5-29: Rissbild der Wand V6

Der Verlauf des entstandenen asymmetrischen Rissbildes ist letztendlich abhän-gig von den statistischen Streuungen des Materialverhaltens und von den imper-fekten Randbedingungen, denen jeder Versuch unterworfen ist. Dies zeigt sich auch in der im Versuch ermittelte Last-Verformungskurve (Abbildung 5-30a). Die Auslenkungen in negative Richtung sind kleiner als die in positiver Richtung.

-60

-40

-20

0

20

40

60

-15 -10 -5 0 5 10 15

Kopfpunktverschiebung [mm]

Hor

izon

talk

raft

[kN

]

(a) (b)

Abbildung 5-30: (a) Experimentell ermittelte [92] und (b) berechnete Hysteresekur-ven der Wand V6

Bei einer numerischen Simulation werden ideale Randbedingungen und ein per-fekt homogener Baustoff vorausgesetzt. Dementsprechend stellt sich ein sym-metrisches Rissbild ein, und es ergeben sich im ungeschädigten Zustand punkt-symmetrische Hysteresekurven, die den S-förmigen, eingeschnürten Verlauf gut widergeben. Sie resultieren aus der Biegebeanspruchung zusammen mit den auftretenden Fugenöffnungen und –schließungen. Durch die Druckbeanspru-chung der Eckbereiche wird die Systemsteifigkeit infolge Materialdegradation abgemindert. Dies zeigt sich darin, dass sich der S-Verlauf allmählich neigt. So-bald die Wand abrupt versagt, öffnet sich die Hysteresekurve.

Die aktiven Fließbedingungen und die Schädigungsverteilungen sind in Abbildung 5-31 in Abhängigkeit der Kopfpunktverschiebung dargestellt. Auch hier ist zu erkennen, dass zuerst ein leichtes Druckversagen infolge Biegung in den unteren Eckbereichen zusammen mit einer Klaffung der Fuge auf der anderen Seite auf-

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Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben 79

tritt. Bei größeren Wandkopfauslenkungen bildet sich ein vertikaler Riss infolge Steinversagen aus, der sich im FE-Modell in Wandmitte zuerst durch ein langge-strecktes X darstellt und schließlich in einem einzigen vertikalen Riss endet.

Kopf

punk

t-ve

rsch

iebu

ng

Aktivität

Krite

rium

I

kein

K

riter

ium

akt

iv

Krite

rium

II

Krite

rium

III

Krite

rium

IV

Krite

rium

I+

IV

Krite

rium

I+

III

Krite

rium

I+

II

Schädigung / Rissbild

keineSchädigung

großeSchädigung

0,68

mm

(B

egin

n de

r Sc

hädi

gung

)

Druck-versagen

Stein-versagen

1,90

mm

(E

rrei

chen

des

max

. Las

tniv

eaus

)

Stein-versagen

Druck-versagen

25 m

m

(End

e)

kombiniertes Versagen

(Stein-, Fuge-, Druckversagen)

Druck-versagen

Abbildung 5-31: Aktivitäten und Schädigung in Abhängigkeit der Kopfpunktverschie-bung von Versuch V6

Beim Versuch „V8” wird unter den gleichen Randbedingungen eine 2,50 m lange Wand getestet. Die sich im Verlauf der Versuchsdurchführung einstellenden

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80 Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben

Schubrisse verlaufen durch den Stein. Sie konzentrieren sich in der Mitte der Wand und verlaufen bis in die Wandecken (Abbildung 5-32a).

keine Schädigung

große Schädigung

(a) (b)

Abbildung 5-32: (a) Rissbild des Versuchs [92] und (b) simuliertes Rissbild der Wand V8

Der Hystereseverlauf zeigt diesmal keinen ausgeprägten S-förmigen Verlauf. Aber auch hier versagt die Wand schlagartig, danach legt sich die Kurve.

-150

-100

-50

0

50

100

150

-6 -4 -2 0 2 4 6 8

Kopfpunktverschiebung [mm]

Hor

izon

talk

raft

[kN

]

(a) (b)

Abbildung 5-33: (a) Experimentell ermittelte [92] und (b) berechnete Hysteresekur-ven der Wand V8

Die numerische Simulation wird mit den bereits in Tabelle 5-3 aufgelisteten Ma-terialparametern durchgeführt. Auch für diese Wand kann sowohl die Versagensart (Steinversagen), das Rissbild, aber auch der Hystereseverlauf gut simuliert werden.

Beim Versuch „V11” wird eine 2,50 m lange Wand als Kragarm getestet (Abbildung 5-27a). Das Versagensbild dieser Wand unterscheidet sich deutlich von den beiden Versuchen „V6” und „V8”. In diesem Fall versagt die untere

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Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben 81

Steinlage. Auch in diesem Fall kann bei Verwendung der gleichen Materialpara-meter eine gute qualitative und quantitative Übereinstimmung zwischen Simula-tion und Experiment festgestellt werden.

keine Schädigung

großeSchädigung

(a) (b)

Abbildung 5-34: (a) Rissbild des Versuchs [92] und (b) berechnete Schädigung der Wand V11

In Abbildung 5-34b ist zu erkennen, dass die unterste Elementreihe die größten Schädigungen erfährt. Die Schädigungsanteile in den oberen Elementreihen resultieren aus dem Verfestigungsverhalten des Kriteriums III.

-120

-80

-40

0

40

80

120

-10 -8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 10

Kopfpunktverschiebung [mm]

Hor

izon

talk

raft

[kN

]

(a) (b)

Abbildung 5-35: (a) Experimentell ermittelte [92] und (b) berechnete Hysteresekurve der Wand V11

5.4.4 Simulation einer Hauswand mit Öffnungen unter zyklischer Belastung

Zum Abschluss dieses Unterkapitels soll gezeigt werden, dass auch komplexere Tragstrukturen mit dem entwickelten Materialmodell berechnet werden können.

In Italien wurden von der „Gruppo Nazionale per la Difesa dai Terremoti” im Jahr 1995 im Rahmen des Programms „Experimental Evaluation of the Seismic Beha-viour of Structures” zyklische Versuche an einem 1:1 Modell eines ganzen Ge-bäudes durchgeführt (Abbildung 5-36a).

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82 Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben

(a) (b)

Abbildung 5-36: (a) 3d-Ansicht des Testgebäudes [54] und (b) Einleitungspunkte der zyklischen Belastung an den Gebäudewänden

Das Gebäude ist zweistöckig mit zweischaligen, im regelmäßigen Läuferverband gemauerten Außenwänden. Auf der einen Seite des Gebäudes sind pro Etage drei kleinere Fensteröffnungen, auf der anderen Seite sind unten zwei Tür- und oben zwei Fensteröffnungen vorhanden. Die Geschossdecken werden durch untereinander nicht verbundene Stahl-I-Träger repräsentiert, um Einflüsse einer steifen Geschossdecke auf das Wandverhalten zu vermeiden. Die Geschosslasten werden durch Betonblöcke aufgebracht, die auf diesen Stahlträgern befestigt werden. Die Wand mit den Tür- und Fensteröffnungen ist mit der übrigen Struk-tur lediglich über die Stahlträger verbunden. Die Wand mit den sechs Fensteröff-nungen ist mit den Querwänden über Eck vermauert. Die horizontalen Lasten werden in Längsrichtung aufgebracht, so dass die Wände mit den Öffnungen in ihrer Ebene belastet werden (Abbildung 5-36). Die Verformung auf Höhe des oberen Geschosses wird weggesteuert aufgebracht. Die Verformung auf Höhe des unteren Geschosses erfolgt kraftgesteuert, und zwar in der Weise, dass sie der aufgebrachten Kraft des oberen Geschosses entspricht.

In dieser Arbeit wird die alleinstehende Wand mit den Türöffnungen simuliert. Die Lasteinleitung erfolgt weggesteuert über einen Steuerfreiheitsgrad ux,control

(Abbildung 5-37), der mit folgender geometrischer und kinematischer Randbe-dingung an die Decken des ersten und zweiten Stockwerks gekoppelt ist:

1. 2.

2Stock Stock

controlh hh +

= , ,1. ,2., 2

x Stock x Stockx control

u uu

+= (5.82)

Damit kann trotz weggesteuertem Versuch sichergestellt werden, dass die glei-che Kraft sowohl in das untere als auch in das obere Stockwerk eingeleitet wird.

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Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben 83

115,0 182,0 94,0 94,0 115,0

214,5

169,0

123,5

136,5

643,5

600

Umrandete Bereiche: gedrehte Elementkoordi-naten-systeme (Sturz)

[cm]

286,5

147,0

147,0

66,5

ux,control

hcontrol

Abbildung 5-37: Diskretisiertes FE-Modell

Die angesetzten Materialparameter basieren auf den Angaben in [54] und [111]. Das entstandene Schädigungsbild ist in Abbildung 5-38 zu sehen. Zu erkennen ist, dass das im Versuch entstandene Rissbild gut abgebildet wird. Zwischen den Türöffnungen bildet sich ein charakteristischer Kreuzriss aus. Jeweils auf der Außenseite der Türen entstehen diagonale Risse von den äußeren Wandecken zu den oberen, äußeren Ecken der Türöffnungen. Letztendlich führt ein kombinier-tes Schub- und Steinzugversagen auf Höhe der Stürze über den Türöffnungen zur Zerstörung der Hauswand.

Tabelle 5-4: Verwendete Materialparameter zur Simulation der Gebäudewand mit Öffnungen [54], [111]

Allgemein Kriterium I Kriterium II

k = 0,5 MN/m2 µ0 = 0,6 µr = 0,5 tan ψ = 0,5 G1,norm = 0,25 kNm/m2

fbt = 0,4 MN/m2 G2,norm = 1,0 kNm/m2

τ = 2,0 β2 = 0,0

Kriterium III Kriterium IV

Mauerwerk Ex = 1700 MN/m2 Ey = 2300 MN/m2 Gxy = 900 MN/m2 ν = 0,3 Stein ∆x = 25 cm ∆y = 6 cm fmy = 6,2 MN/m2

iσ = 3,1 MN/m2

mσ = 1,9 MN/m2

rσ = 1,9 MN/m2 εyy,p = 8,7 · 10-3

β3 = 0.5

ftmy = 0,1 MN/m2 G4,norm = 0,5 kNm/m2

β4 = 1,0

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84 Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben

keine Schädigung

große Schädigung

(a) (b)

Abbildung 5-38: Rissbild der Hauswand: (a) Simulation und (b) Versuch

5.4.5 Fazit

Festzuhalten ist, dass das zyklische Materialverhalten von Mauerwerk grundsätz-lich gut widergegeben werden kann. Die einzelnen maßgebenden Versagenskri-terien können abgebildet werden, und auch die jeweiligen Hystereseverläufe entsprechen den Versuchsergebnissen.

Das Materialmodell läuft stabil und rechnet effizient, so dass auch größere Trag-werksstrukturen schnell berechnet werden können. Die Generierung der FE-Netze nimmt aufgrund der Makroformulierung keinen großen Zeitaufwand in Anspruch.

Zu beachten ist aber, dass das Modell konservativ rechnet. Die maximalen auf-nehmbaren Traglasten liegen auf der sicheren Seite, da dem Modell die Annah-men von Mann und Müller zugrunde liegen, wonach die Stoßfugen keine Kräfte übertragen. Sollen die realistischen Werte nachvollzogen werden, so muss dieser Effekt anderweitig Berücksichtigung finden. Dies kann dadurch erfolgen, indem entweder die Abminderungsfunktion nach Gleichung (2.3) bzw. (2.4) modifiziert oder die Kohäsion angepasst wird. Sicherlich hat in dieser Hinsicht das Modell noch Optimierungsbedarf: Ist die Stoßfuge kraftschlüssig ausgebildet und über-trägt sie deshalb Schub- und Druckkräfte, so ist die Steinrotation nicht so stark ausgeprägt. In diesem Fall kann sich eine blockförmige Druckspannungsvertei-lung (Abbildung 2-4b) kaum ausbilden und der Reibungswinkel sowie die Kohä-sion brauchen nicht reduziert werden.

Außerdem ist bei den Simulationen festzustellen, dass die in Abschnitt 5.2.6.1 beschriebene gegenseitige, proportionale Kopplung von Kriterium I (Reibungs-versagen der Lagerfuge) und Kriterium IV (Zugversagen) nicht genau der Reali-tät entspricht. Das Abscheren der Lagerfuge beeinflusst sehr stark das Zugver-

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Kapitel 5: Zyklische, nichtlineare Modelle für Mauerwerksscheiben 85

sagen (so wie im Modell angenommen), jedoch hat umgekehrt das Zugversagen einen nicht so starken Einfluss auf das Reibungsversagen. Dies ist darin begrün-det, dass der Riss infolge Zugversagen nicht glatt verläuft, sondern sehr rau ist. Damit kann beim Schließen des Risses zwar nicht mehr die volle, aber ein Teil der Kohäsion noch weiterhin angesetzt werden. Berücksichtigt werden kann dies durch ein modifiziertes Kopplungsgesetz im Materialmodell. Des Weiteren könnte eine Kopplung der Kriterien II und III das Modell weiter verbessern.

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86 Kapitel 6: Bemessungsverfahren für den Lastfall Erdbeben

6. Bemessungsverfahren für den Lastfall Erdbeben

Die Bemessung von Gebäuden in erdbebengefährdeten Gebieten kann im Rah-men unterschiedlicher Sicherheitsbetrachtungen durchgeführt werden. Vielfach wird nur der Grenzzustand der Standsicherheit (Ultimate limite point) betrachtet. Ziel ist es, ein gesamtes Versagen des Gebäudes zu verhindern und somit das Gefährdungspotential für den Menschen zu minimieren. Bei der Gegenüberstel-lung der Kräfte infolge seismischer Einwirkung und dem Widerstand des Bau-werks wird lediglich die Standsicherheit des Tragwerks gefordert. Das Sicher-heitsniveau auf der Einwirkungsseite wird durch die Festlegung der Eintrittswahrscheinlichkeit des Bemessungserdbebens festgelegt. Auf der Wider-standsseite wird für den Extremlastfall Erdbeben in der Regel mit reduzierten Sicherheitsbeiwerten gerechnet.

Ein ganz anderer Ansatz ist die „Performance”-basierte Bemessung (Performance based seismic design), bei der das Gebäude bei allen Erdbebenintensitäten ein zufriedenstellendes „Verhalten” zeigen soll: Keine oder geringe Schäden werden akzeptiert nach kleinen, dafür häufig eintretende Erdbeben; das Gebäude muss aber funktionsfähig bleiben. Bei starken und seltenen Erdbeben ist die Standsi-cherheit zu gewährleisten. In Abhängigkeit von der Bedeutung des Gebäudes können diese Anforderungen noch verschärft werden. In Abbildung 6-1 wird dieser Zusammenhang zwischen den Performance-Levels und der Häufigkeit des Bemessungserdbebens veranschaulicht.

Voll funktionsfähig funktionsfähig

Kurz vor Kollaps

häufig

gelegentlich

selten

sehr selten

inacceptable

Safety Critical objective

Essential/Hazardous objective

Basic objective

Performance-Level

Eart

hqua

ke D

esig

n Le

vel

Überleben(Live Safe)

Abbildung 6-1: Zusammenhang zwischen Performance-Levels und Erdbebenhäufig-keit

Sowohl die Berechnung der Standsicherheit als auch die der Gebäudeperforman-ce, was in den meisten Fällen mit Verformungen quantifiziert wird, kann auf unterschiedliche Wege erfolgen. Die Rechenverfahren können unterteilt werden in

• kraftbasierte, linear statische Methoden,

• verformungs- oder kapazitätsbasierte nichtlinear statische Methoden und

• nichtlineare dynamische Zeitverlaufsberechnungen.

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Kapitel 6: Bemessungsverfahren für den Lastfall Erdbeben 87

Im Folgenden werden diese drei Berechnungsmöglichkeiten näher erläutert.

6.1 Linear statische Methoden Linear statische Methoden haben die Zielstellung, nur die für die Bemessung relevanten Maximalwerte der auftretenden Verschiebungen und Schnittgrößen während eines seismischen Ereignisses zu ermitteln.

Die einfachsten, linear statischen Näherungsverfahren arbeiten mit dem Prinzip statischer Ersatzlasten, die auf das Gebäudemodell unter Annahme linear-elastischen Materialverhaltens angesetzt werden. Die Ersatzlasten basieren auf der Ermittlung einer Gesamt-Erdbebenkraft als Produkt der wirksamen Masse des Tragwerks mit einer geeignet gewählten Bodenbeschleunigung. Diese Ge-samt-Erdbebenkraft wird in einem zweiten Schritt auf die einzelnen Stockwerke verteilt. Vorteilhaft ist, dass bei diesem Vorgehen die Erdbebenbeanspruchung formal als ein weiterer statischer Lastfall behandelt werden kann.

Genauer, allgemeingültiger und sehr verbreitet ist das modalanalytische Ant-wortspektrum-Verfahren, auch Antwortspektrenverfahren genannt. Bei diesem Verfahren erfolgt die quantitative Erfassung der seismischen Beanspruchung und gleichzeitig die Beschreibung der in einem Akzelerogramm enthaltenen Energie-verteilung mittels eines elastischen Antwortspektrums Se(T). Darin sind unter Annahme elastischen Strukturverhaltens die Absolutwerte der maximalen Rela-tivverschiebungen Sd, der Pseudo-Geschwindigkeiten Sv oder der Pseudo-Boden-beschleunigungen Sa eines Einmasseschwingers infolge einer gegebenen seismi-schen Belastung über den Frequenz- oder Periodenbereich aufgetragen, wobei folgender Zusammenhang gilt:

22 2a v dS S S

T Tπ π = = ⋅

(6.1)

Beim Antwortspektrenverfahren werden zuerst die Eigenformen bestimmt und die Maximalwerte der generalisierten Koordinaten der einzelnen Eigenformen mit Hilfe der Antwortspektren berechnet. Danach werden die Gesamtwerte von Ver-schiebungs- und Schnittgrößen durch Überlagerung der Anteile aus den einzel-nen Moden nach statistischen Methoden ermittelt.

Das Antwortspektrenverfahren selbst ist in der Literatur ausführlich beschrieben, u. a. in [10], [24], [77], [78], [89]. Dennoch sollen im Folgenden die wesentli-chen Zusammenhänge und Definitionen angeführt werden, da sie auch die Grundlage der statisch nichtlinearen Verfahren bilden. Ausgangspunkt dieses Verfahrens ist die Bewegungsdifferentialgleichung:

gu⋅ + ⋅ + ⋅ = − ⋅ ⋅M V C V K V M r (6.2)

mit

K: Steifigkeitsmatrix der Tragstruktur,

M: diagonale Massenmatrix,

C: viskose Dämpfungsmatrix,

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88 Kapitel 6: Bemessungsverfahren für den Lastfall Erdbeben

r: Verschiebungsvektor in den wesentlichen Freiheitsgraden bei einer Einheitsverschiebung des Fußpunkts in Erregungsrichtung.

Ihre modale Zerlegung bei angenommener Proportionaldämpfung ΦT C Φ = diag[2Diωi] liefert entkoppelte Bewegungsdifferentialgleichungen für jede Modalkoordinate ηi:

22 Ti i i i i i iDη ω η ω η+ + = Φ P (6.3)

Φi ist der i-te Eigenvektor des Systems mit der Kreiseigenfrequenz ωi, und Di das modale Dämpfungsmaß. Für jede Eigenform i lässt sich ein Anteilsfaktor βi ge-mäß

Ti

i Ti i

β =Φ MrΦ MΦ

(6.4)

definieren, wobei die modale Masse Mi = ΦTi M Φi normiert wird. Damit kann

(6.3) umformuliert werden zu:

( )22i i i i i i i gD u tη ω η ω η β+ ⋅ ⋅ ⋅ + ⋅ = ⋅ (6.5)

Die Lösung dieser gewöhnlichen Differentialgleichung lautet

( ) ,d ii it Sη β= ⋅ (6.6)

mit dem Duhamel-Integral

( ) ( ) ( ),

0

1 sini i

tD t

d i g DiDi

S t u e t dω τ ω τ τω

− −= ⋅ ⋅ −∫ . (6.7)

Der betragsmäßige Maximalwert des Integrals ist gleich der Ordinate Sd des Verschiebungs-Antwortspektrums nach Gleichung (6.1). Die Maximalwerte der modalen Verformungen der i-ten Modalform lauten damit:

, ,, 2max max v i a i

i i i i d i i i i i ii i

S SSη β β β

ω ω= ⋅ = ⋅ ⋅ = ⋅ ⋅ = ⋅ ⋅V Φ Φ Φ Φ (6.8)

Aus den modalen Verschiebungen lassen sich dann die modalen Schnittgrößen bestimmen. Die Gesamtantwort ergibt sich aus einer geeigneten Überlagerung der modalen Maximalbeiträge wie z. B. der SRSS- oder CQC-Regel.

Die „effektive modale Masse” der i-ten Eigenform ist wie folgt definiert: 2 2

, ( )Ti eff i i i iM β β= ⋅ =Φ M Φ (6.9)

Die Summe aller effektiven Modalmassen ist gleich der effektiven Gesamtmasse MTot,eff :

, ,1

NT

Tot eff i effi

M M=

= = ∑r Mr (6.10)

Das Verhältnis αi der effektiven Modalmasse Mi,eff zur effektiven Gesamtmasse des Systems MTot,eff beträgt

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Kapitel 6: Bemessungsverfahren für den Lastfall Erdbeben 89

( )( )

( )2 2

,

, ,,

T Ti ii eff

i TTot eff Tot effi i Tot eff

MM MM

α = = =⋅

Φ Mr Φ MrΦ MΦ

. (6.11)

Das Produkt der effektiven Modalmasse mit der Spektralbeschleunigung Sa stellt die modale seismische Gesamtkraft Fi dar, die in der Fundamentfuge auftritt:

, , , ( )i i eff a i Tot eff i a iF M S M S Tα= ⋅ = ⋅ ⋅ (6.12)

Die Energiedissipation im Bauwerk durch die Ausbildung plastischer Bauwerks-verformungen kann bei diesem Verfahren nur sehr grob abgeschätzt werden. In der Regel wird ein globaler Verhaltensbeiwert q (Behaviour Factor) benutzt, mit dem das gesamte Antwortspektrum abgemindert wird. Die Bestimmung eines solchen q-Faktors ist nicht eindeutig geregelt. Er ist nur in sofern eindeutig defi-niert, dass er gleich dem Verhältnis der Erdbebenkraft Fe bei linear elastischem Strukturverhalten zu der minimalen seismischen Kraft Fdu des realen Bauwerks unter Miteinbeziehung zulässiger plastischer Verformungen ist (Abbildung 6-2).

e

du

FqF

= (6.13)

F Fe

Fmax Fdu

Fd’

de dFe du

tatsächlichideal elastisch

d

Abbildung 6-2: Definition des Verhaltensbeiwertes q [120]

Daraus können verschiedene Ansätze für den Verhaltensbeiwert abgeleitet wer-den [10], [103]. Für ideal-plastisches Verhalten ergibt sich auf Basis einer Ener-gieäquivalenzbetrachtung der Zusammenhang zu

2 1q µ= − , (6.14)

wobei die dimensionslose Duktilität µ das Verhältnis von maximaler (plastischer) Gesamtverformung du zu elastischer Verformung de angibt. Ansätze auf Grundla-ge gleicher Verformungen setzen den Verhaltensbeiwert q mit der Duktilität µ gleich. q µ= (6.15)

Geregelt wird die Bestimmung dieses Faktors in den einschlägigen Normenwer-ken, abhängig vom verwendeten Material, vom Konstruktionstyp und der Versagensform. Dass dieser Verhaltensfaktor im Fall von Mauerwerk sehr unter-

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90 Kapitel 6: Bemessungsverfahren für den Lastfall Erdbeben

schiedlich bewertet wird, zeigt sich bei einem Vergleich der zulässigen Werte verschiedener Normen [63].

6.2 Nichtlineare statische Methoden In den letzten Jahren erfreuten sich nichtlineare statische Berechnungsmethoden in der Erdbebenforschung großer Beliebtheit, um im Rahmen der „Performance”-basierten Bemessungsphilosophie die Verformungskapazität und damit die Bau-werksschädigung genauer abschätzen zu können. Die Bemessung sollte nicht auf Spannungen, die aus äquivalenten seismischen Kräften resultieren, sondern auf Verformungen basieren.

Durch den Einsatz von nichtlinearen statischen Verfahren sollen zeitaufwendige und komplexe nichtlineare dynamische Zeitverlaufsberechnungen vermieden werden. Zudem erlauben diese Verfahren eine genauere Abschätzung der in-elastischen Strukturantwort als lineare statische Methoden, da sie Umlagerungs-effekten infolge Nichtlinearitäten wie z. B. der Bildung von Fließgelenken berück-sichtigen. International gesehen sind diese Verfahren heute in zahlreichen Normen und Richtlinien verankert [8], [43], [44], [45], [79], [114]. Auch die europäische Norm ENV 1998 [38] sieht die Möglichkeit des rechnerischen Nach-weises auf Basis nichtlinearer statischer Analysen vor.

6.2.1 „Pushover”-Analyse

Grundlage nichtlinearer statischer Methoden ist die Ermittlung der „Bauwerkska-pazität”. Sie drückt die Fähigkeit aus, der seismischen Beanspruchung standzu-halten und wird im Wesentlichen von der Festigkeit und dem Verformungsverhal-ten beeinflusst. Beschreiben lässt sich die Kapazität mittels einer inelastischen statischen Last-Verformungskurve unter monoton wachsender Horizontallast bei konstant gehaltenen Vertikallasten (Abbildung 6-3). Eine solche Untersuchung wird auch als „Pushover”-Analyse bezeichnet und die Last-Verformungsbeziehung als Kapazitäts- bzw. „Pushover”-Kurve.

DDach Fb = SF F

DDach

Abbildung 6-3: Ermittlung der Last-Verformungskurve (Pushover-Kurve)

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Kapitel 6: Bemessungsverfahren für den Lastfall Erdbeben 91

Die übliche Form dieser Kurve stellt die Dachverschiebung ∆Dach als Funktion des resultierenden Fundamentschubs Fb dar. Die Bestimmung der Pushover-Kurve erfolgt durch monotone Steigerung der horizontal wirkenden Stockwerkskräfte, die aus dem Produkt der jeweiligen Stockwerksmassen mit den Ordinaten der gewählten Verformungsfigur berechnet werden. Die daraus resultierenden Ver-schiebungen werden unter Berücksichtigung der Effekte nach Theorie II. Ord-nung ermittelt. In der Regel ist als Verformungsfigur die erste Eigenform zu verwenden, die unter Berücksichtigung reduzierter Systemsteifigkeiten durch Schädigungseffekte zu bestimmen ist. Einfachheitshalber werden aber auch dreieckförmige, d. h. höhenproportionale Kräfteverteilungen verwendet [37], [45], [67]. In diesem Fall sollte aber wenigstens eine weitere Untersuchung durchgeführt werden, und zwar mit einer gleichförmigen (rechteckförmigen) Verteilung, damit sowohl das Verhalten im Ausgangs- als auch im Versagenszu-stand berücksichtigt wird.

Ist eine schnelle, dafür aber nur grobe Abschätzung des Verformungsverhaltens gefragt, wie es z. B. für eine Vulnerabilitätsbeurteilung von vielen Gebäuden bzw. ganzer Bezirke benötigt wird, so lassen sich die Gebäudekapazitätskurven annähernd mit wenigen Gebäudekennwerten herleiten. Es setzt voraus, dass die Gebäude mit gleichem Strukturverhalten typisiert werden. Aufgegriffen wurde dieses Verfahren von der FEMA (Federal Emergency Management Agency, Wa-shington D.C.) für die Methode HAZUS®99 [42], um in kurzer Zeit eine Aussage über die seismische Gefährdung eines Bauwerks zu machen. HAZUS®99 differen-ziert zwischen 36 Gebäudetypen, abhängig von der Konstruktionsart des Bau-werks, dem Baumaterial und der Gebäudehöhe. Gebäude mit tragenden Mauer-werkswänden ohne weitere aussteifende Elemente aus Stahl oder Beton werden in HAZUS®99 in zwei Typen unterteilt. Damit wird die Eignung nichtlinear stati-scher Methoden sowohl für die Beurteilung der Vulnerabilität einer größeren Anzahl von Gebäuden als auch für die genaue Untersuchung einzelner Bauwerke belegt.

6.2.2 Kapazitätsspektrum-Methode

Unter den verschiedenen kraft- oder verschiebungsbasierten Ansätzen nichtlinea-rer statischer Pushover-Analysen [1], [23], [36], [40], [41], [47], [54], [61], [114] stellt die Kapazitätsspektrum-Methode sicherlich die bekannteste und die am weitesten verbreitete nichtlineare statische Methode dar und soll im Folgen-den genauer erläutert werden.

Die Kapazitätsspektrum-Methode ist 1975 von Freeman et al. [48] im Rahmen eines Pilotprojektes zur Beurteilung der seismischen Vulnerabilität von Gebäuden im Gebiet des Pudget-Sound Militärareals entwickelt worden und wird seitdem insbesondere in den USA als anerkannte Methode zur Tragwerksanalyse heran-gezogen [8], [45]. Bei dieser Methode wird die seismische Beanspruchung mit Hilfe eines Antwortspektrums und die Kapazität des Gebäudes durch eine ine-lastische statische Last-Verformungskurve beschrieben. Beide Kurven werden in ein gemeinsames Spektralverschiebungs-Spektralbeschleunigungsdiagramm überführt (Abbildung 6-4). Der Schnittpunkt beider Kurven (Performance Point) gibt die maximale Spektralverschiebung an. Anzumerken ist, dass in diesem

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92 Kapitel 6: Bemessungsverfahren für den Lastfall Erdbeben

Diagramm die Steigung der Sekante des Kapazitätsspektrums durch den Ur-sprung des Koordinatensystems dem Quadrat der Kreisfrequenz ω² entspricht.

Performance Point

Spektralverschiebung

Spek

tralb

esch

leun

igun

g

Sd,p

Kapazitätsspektrum

Antwortspektrum

ω²

Abbildung 6-4: Kapazitätsspektrum-Methode: Überlagerung von Antwort- und Kapa-zitätsspektrum

6.2.3 Transformation der Bauwerkskapazität

Die Anwendung der Kapazitätsspektrum-Methode erfordert, dass die Kapazitäts-kurve bzw. Last-Verformungskurve Fb-∆Dach in ein Spektralbeschleunigungs-Spektralverschiebungsdiagramm (Sa als Funktion von Sd) transformiert wird. Diese Transformation basiert auf dem Modell eines äquivalenten Einmasse-schwingers. Die Umrechnung erfolgt mittels der Grundeigenform, indem jeder Punkt der Kapazitätskurve (Fb,i, ∆Dach,i) durch die Beziehungen

,,

, 1

b ia i

Tot eff

FS

M α=

⋅ (6.16)

und

,,

1 1,

Dach id i

Dach

Sβ φ

∆=

⋅ (6.17)

in den zugehörigen Punkt (Sa,i, Sd,i) des Kapazitätsspektrums transformiert wird. Gleichung (6.16) kann direkt aus (6.12), die Gleichung (6.17) aus (6.8) abgelei-tet werden. Die dabei auftretenden Parameter haben folgende Bedeutung: φ1,Dach ist die Ordinate der Grundeigenform auf Höhe des Daches, β1 der Anteilsfaktor für die erste Grundeigenform Φ1 des Systems gemäß Gleichung (6.4) und α1 ist das Verhältnis der effektiven Modalmasse M1,eff zur effektiven Gesamtmasse MTot,eff des Systems für die erste Grundeigenform Φ1 nach (6.11), wobei bei der effektiven Gesamtmasse des Gebäudes MTot,eff Anteile aus veränderlichen Ver-kehrslasten als Massen zu berücksichtigen sind.

6.2.4 Verwendung elastischer Erdbebenantwortspektren unter Ausnutzung des Prinzips der äquivalenten viskosen Dämpfung

Bei der Kapazitätsspektrum-Methode wird zur Beschreibung der Erdbebeneinwir-kung am Standort wie beim Antwortspektrenverfahren in der Regel ein elasti-sches Antwortspektrum verwendet [8]. Die Umrechnung des Antwortspektrums

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Kapitel 6: Bemessungsverfahren für den Lastfall Erdbeben 93

in das Spektralbeschleunigungs-Spektralverschiebungsdiagramm (Sa als Funktion von Sd) erfolgt für jeden einzelnen Punkt i nach Gleichung (6.1).

Der Einfluss der Energiedissipation im nichtlinearen Bereich der Last-Verformungskurve auf das Bauwerksverhalten findet durch die Ermittlung einer äquivalenten elastischen Dämpfung und einer entsprechenden Abminderung des elastischen Antwortspektrums Berücksichtigung. Nach Chopra [20] wird die äquivalente viskose Dämpfung ξeq gemäß folgender Formel berechnet:

14

Deq

So

EE

ξπ

= (6.18)

Dabei ist ESo die maximale Dehnungsenergie und ED die Hystereseenergie. ED entspricht der von der Hystereseschleife umschlossenen Fläche im Last-Verfor-mungsdiagramm.

, , , ,4( )D a y d pi d y a piE S S S S= ⋅ − ⋅

K Anfang

Sa,y

Sd,piSd,y

Sa,pi

Sa

Sd

, ,

2a pi d i

So

S SE

⋅=

Abbildung 6-5: Ableitung der äquivalenten viskosen Dämpfung

Wird ein bilinearer Verlauf der Last-Verformungskurve und damit eine als Paralle-logramm idealisierte Hystereseschleife vorausgesetzt, so kann mit der in Abbildung 6-5 dargestellten physikalischen Interpretation des hysteretischen Dämpfungsanteils die äquivalente viskose Dämpfung ξeq auch wie folgt berechnet werden [8]:

, , , ,

, ,

0,637 a y d pi d y a pieq

a pi d pi

S S S SS S

ξ⋅ − ⋅

= ⋅⋅

(6.19)

Die effektive Gesamtdämpfung des Systems ξeff ergibt sich als Summe der visko-sen Bauteildämpfung ξ0 und der äquivalenten viskosen Dämpfung ξeq zu:

0eff eqξ ξ ξ= + (6.20)

Da der tatsächliche Hystereseverlauf nicht dem in Abbildung 6-5 dargestellten Parallelogramm entspricht, wird im ATC-40 [8] eine um den Korrekturfaktor κ (Damping Modification Factor) reduzierte äquivalente viskose Dämpfung benutzt.

0eff eqξ ξ κ ξ= + ⋅ (6.21)

Die Werte für den Korrekturfaktor κ bestimmen sich aus dem Verhältnis der Fläche, die von der tatsächlichen Hystereseschleife umschlossen wird, zu der Fläche, die sich aus dem bilinearen Ansatz ergibt. Sie können in Abhängigkeit des Verformungszustands ∆Dach,i oder in Abhängigkeit von ξeq angegeben werden.

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94 Kapitel 6: Bemessungsverfahren für den Lastfall Erdbeben

Im ATC-40 [8] werden die in Tabelle 6-1 aufgeführten Werte in Abhängigkeit vom Typ des hysteretischen Verhaltens des Bauwerks angegeben.

Tabelle 6-1: Werte für den Korrekturfaktor κ gemäß ATC-40 [8]

Typ des hystereti-schen Verhaltens

ξeq (%)

κ Verlauf

25,16≤ 0,1 A stabile Hysterese-schleifen, hohe Ener-giedissipation 25,16>

, , , ,

, ,

1,13 0,51 a y d pi d y a pi

a pi d pi

S S S SS S

⋅ − ⋅− ⋅

25≤ 67,0 B relativ gering einge-schnürte Hysterese-schleifen 25>

, , , ,

, ,

0,845 0,446 a y d pi d y a pi

a pi d pi

S S S SS S

⋅ − ⋅− ⋅

C stark eingeschnürte Hystereseschleifen

33,0

Typ A entspricht Tragwerken mit stabilen Hystereseschleifen und hoher Energie-dissipation, wie sie von gut durchkonstruierten, duktilen Aussteifungssystemen aus Stahlbeton bekannt sind. Typ C wird Tragwerken mit stark eingeschnürten Hystereseschleifen wie Mauerwerksbauten zugeordnet und Typ B solchen mit relativ gering eingeschnürten Hystereseschleifen (Tabelle 6-2).

Tabelle 6-2: Typen des hysteretischen Verhaltens (ATC-40 [8])

Erdbeben-dauer

Neues oder neuwer-tiges Gebäude

DurchschnittlichesGebäude

Schadensanfälliges, bestehendes Gebäude

Kurz A B C

Lang B C C

Infolge der Abminderung des elastischen Antwortspektrums ist eine iterative Bestimmung des Schnittpunkts (Performance Point) notwendig, da jeder Spekt-ralverschiebung eine unterschiedliche Dämpfung zugeordnet wird. Dies hat zur Folge, dass jeder Spektralverschiebung quasi ein anderes Antwortspektrum zu-geordnet wird.

κ 1,0

0,5

15 30 45 60

ξeq [%]

κ 1,0

0,5

15 30 45 60

ξeq [%]

κ 1,0

0,5

15 30 45 60

ξeq [%]

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Kapitel 6: Bemessungsverfahren für den Lastfall Erdbeben 95

Im Abschnitt 8.2.2 des ATC-40 [8] sind drei unterschiedliche Methoden dazu beschrieben. Die Verfahren nach Prozedur A und Prozedur B eignen sich für eine numerische Lösung des Problems, während Prozedur C einen grafischen Ansatz verfolgt. Die Bestimmung der äquivalenten viskosen Dämpfung erfolgt für alle drei Ansätze mit Hilfe einer bilinearen Annäherung an den tatsächlichen Funkti-onsverlauf. Die Prozedur B des ATC-40 unterscheidet sich dabei von der Proze-dur A im Wesentlichen durch die vereinfachte Annahme einer für alle Verfor-mungszustände konstanten Steigung der den inelastischen Bereich des Funktionsverlaufs beschreibenden Geraden. Prozedur A verspricht daher die exakteren Ergebnisse und wird deshalb im Folgenden kurz erläutert.

Dazu wird zunächst ein Ausgangspunkt (Sa,pi, Sd,pi) gewählt (Abbildung 6-6a). Zu diesem Punkt wird eine zugehörige bilineare Darstellung des Kapazitätsspekt-rums entwickelt, indem zuerst eine Gerade entsprechend der Anfangssteifigkeit durch den Koordinatenursprung gelegt wird. Eine zweite Gerade wird dann der-art durch den Punkt (Sa,pi, Sd,pi) gezogen, dass die Fläche A1 in Abbildung 6-6b der Fläche A2 entspricht.

Sa,pi

Sd,pi

Spektralverschiebung

Spek

tral

besc

hleu

nigu

ng

Kapazitätsspektrum

5% gedämpftes Antwortspektrum

Ausgangspunkt Sa,pi, Sd,pi

Sa,pi

Sd,pi

Spektralverschiebung

Spek

tral

besc

hleu

nigu

ngKapazitätsspektrum

A2A1

KAnfang

Sa,y

Sd,y

(a) (b)

Abbildung 6-6: (a) Ausgangspunkt der Iteration und (b) bilineare Approximation des Kapazitätsspektrums

Nun wird die äquivalente viskose Dämpfung ξeq gemäß (6.20) unter Berücksichti-gung des Korrekturfaktors κ berechnet. Liegt dann die Spektralverschiebung, bei welcher das Bemessungs- und das Kapazitätsspektrum sich schneiden, innerhalb der erlaubten Toleranz von

, , ,0,95 1,05d pi d i d piS S S⋅ ≤ ≤ ⋅ , (6.22)

so ist der Performance Point (Sa,pi, Sd,pi) gefunden, und Sd,pi stellt die zu erwarten-de maximale Spektralverschiebung für das Bemessungsbeben dar (Abbildung 6-7). Werden die zulässigen Toleranzen überschritten, muss ein neuer Aus-gangspunkt gewählt und dies Verfahren iterativ fortgeführt werden. Als neuer Ausgangspunkt kann der Schnittpunkt des Kapazitätsspektrums mit dem redu-zierten Antwortspektrum gewählt werden.

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96 Kapitel 6: Bemessungsverfahren für den Lastfall Erdbeben

Sa,pi

Sd,pi

Spektralverschiebung

Spek

tral

besc

hleu

nigu

ng

Kapazitätsspektrum

5% gedämpftes Antwortspektrum

Ausgangspunkt Sa,pi, Sd,pi

reduziertes Antwortspektrum

Sa,i

Sd,i

Schnittpunkt Sa,i, Sd,i von reduziertem Antwortspektrum und Kapazitätsspektrum

Abbildung 6-7: Zulässiger Toleranzbereich nach ATC-40 [8]

In Abbildung 6-8 ist der iterative Ablauf zur Bestimmung des Performance Points in einem Flussdiagramm dargestellt.

Transformation der Pushover-Kurve in das Kapazitätsspektrum

Wahl eines Punktes (Sa,pi, Sd,pi) als Startpunkt der Iteration

Bilineare Approximation des Kapazitätsspektrums

Ermittlung der zugehörigen, äquivalenten viskosen

Dämpfung und des Wertes κ

Reduzierung des Antwortspektrums

Schnittpunkt = neuer Ausgangspunkt

pid,i,dpid, S05,1S S 0,95 ⋅≤≤⋅

Schnittpunkt = Performance Point

ja

nein

Aufstellung des Antwortspektrums für die gewählte viskose Bauteildämpfung

Abbildung 6-8: Flussdiagramm zur iterativen Bestimmung des Performance Points

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Kapitel 6: Bemessungsverfahren für den Lastfall Erdbeben 97

Anzumerken ist, dass dieses iterative Verfahren mit erheblichen Konvergenzprob-lemen behaftet ist. Chopra et al. [21] stellen bei ihren Berechnungen fest, dass bei Ansatz des Antwortspektrums der kalifornischen Norm einige der Rechnun-gen nach oben beschriebenem iterativen Verfahren nicht konvergieren.

6.2.5 Verwendung inelastischer Antwortspektren

Die im Abschnitt 6.2.4 vorgestellte Methode der Verwendung eines elastischen Antwortspektrums unter Ausnutzung des Prinzips der äquivalenten viskosen Dämpfung ist bereits vielfach angewendet worden. Aber es gibt auch Kritiker dieses Verfahrens, die verschiedene Modifikationen vorschlagen. Die wohl wich-tigste Modifikation betrifft die Verwendung von inelastischen seismischen Ant-wortspektren für unterschiedliche Werte der Verschiebeduktilität µ anstelle von elastischen Antwortspektren [11], [21], [22], [40], [65], [126].

Zur Ermittlung inelastischer Antwortspektren werden nichtlineare Einmassen-schwinger mit Akzelerogrammen am Fußpunkt erregt [77], [80]. Unter Annahme elastoplastischen oder bilinearen Materialverhaltens ergeben sich in Abhängigkeit der Duktilität unterschiedlich reduzierte Spektren. Es gibt in der Literatur auch verschiedene Ansätze, mit Hilfe von Reduktionsfunktionen inelastische Antwort-spektren aus den elastischen in Abhängigkeit von der Ausprägung des nichtlinea-ren Verformungsbereichs zu entwickeln. Zu beachten ist dabei, dass die Ergeb-nisse auf Parameterstudien beruhen und diese von der Auswahl der zugrundeliegenden Daten abhängen. Deshalb können die Verfahren nicht immer uneingeschränkt auf Regionen mit anderen geologischen oder topografischen Verhältnissen oder auf Bauwerke mit abweichendem Materialverhalten übertra-gen werden. Bei der Anwendung auf die Kapazitätsspektrum-Methode lässt sich mit Hilfe der entwickelten Reduktionsfunktionen für jede Spektralverschiebung ein zugehöriges inelastisches Antwortspektrum bestimmen. Der Performance-Point als Schnittpunkt zwischen Kapazitäts- und Antwortspektrum muss daher auch nach dieser Methode iterativ ermittelt werden.

(a) (b)

Abbildung 6-9: (a) Elastisches Spektrum und (b) Verlauf des Reduktionsfaktors Ry nach Newmark und Hall [20], [90]

Das bekannteste der Verfahren zur Entwicklung eines inelastischen Antwort-spektrums wurde 1982 von Newmark und Hall [90] vorgeschlagen. Für verschie-

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98 Kapitel 6: Bemessungsverfahren für den Lastfall Erdbeben

dene Bereiche des Spektrums (Abbildung 6-9a) werden unterschiedliche Funkti-onen für den Abminderungsfaktor Ry entwickelt (Abbildung 6-9b), wobei den Funktionen ein elasto-idealplastischer Ansatz für das Systemverhalten zugrunde liegt.

Tn < Ta

Ta < Tn < Tb

Tb < Tn < Tc’

Tc’ < Tn < Tc

2

1

(2 1)

2 1y

n

c

RTT

βµ

µ

µ

µ

− ⋅ −=

für

Tn > Tc

(6.23)

mit

ln

ln

n

a

b

a

TTTT

β

=

(6.24)

Die Duktilität µ ist dabei wieder das Verhältnis von maximaler elastischer Verformung de zur Gesamtverformung du.

Im Gegensatz zum Ansatz von Newmark und Hall basiert die von Krawinkler und Nassar [65] entwickelte Funktion auf den Antwortspektren bilinearer Systeme.

[ ]1( 1) 1 cyR c µ= ⋅ − + (6.25)

mit

1

an

an n

T bcT T

= ++

(6.26)

Die Werte a und b werden in Abhängigkeit von der Nachverfestigung im inelastischen Bereich angegeben. Für ein elasto-idealplastisches System ergeben sich die Werte zu a = 1 und b = 0,42.

Ein weiterer Ansatz zur Entwicklung inelastischer Antwortspektren wurde 1994 von Vidic et al. [121] veröffentlicht. Für bilineares Materialverhalten geben sie folgende Formel an:

( )

( )

0,95

0,95

1, 35 1 1

1,35 1 1

n

oy

TT

µ

⋅ − += ⋅ − +

(6.27)

mit 0,20,75o c cT T Tµ= ⋅ ≤ (6.28)

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Kapitel 6: Bemessungsverfahren für den Lastfall Erdbeben 99

Red

uktio

nsfu

nktio

n R y

[-]

Spektralperiode Tn [s] 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3

Abbildung 6-10: Vergleich der Ansätze von Newmark und Hall (NH), Krawinkler und Nassar (KN) und Vidic et al. (VFF) [21]

In Abbildung 6-10 sind die Funktionsverläufe der drei unterschiedlichen Ansätze für ein elasto-idealplastisches Bauwerksverhalten gegenübergestellt. Wie zu erkennen ist, ergibt sich insbesondere für kleinere Duktilitätsfaktoren für alle drei Verfahren ein ähnlicher Funktionsverlauf des Abminderungsfaktors Ry. Für weite Bereiche und insbesondere für Perioden Tn > 0,25 s, die bei der Anwendung der Kapazitätsspektrum-Methode in den meisten Fällen maßgebend werden, ist der Ansatz von Newmark und Hall der konservativste. Die Differenzen zwischen den Funktionsverläufen wachsen mit zunehmendem Duktilitätsfaktor deutlich an.

Die Verwendung inelastischer Antwortspektren ist also durchaus eine Alternative zum Prinzip der äquivalenten viskosen Dämpfung. Auf eine Bewertung zwischen diesen beiden Methoden wird an dieser Stelle verzichtet und auf Abschnitt 7.2.3 verwiesen.

6.2.6 Berücksichtigung mehrer Modalformen

Nicht nur in [43] und [54] wird darauf hingewiesen, dass eine nichtlineare stati-sche Analyse in der bisher beschriebenen Form nicht angewendet werden sollte, falls höhere Moden einen signifikanten Einfluss auf das Bauwerksverhalten unter seismischer Belastung haben. Dies ist vor allem bei höheren Gebäuden und Bauten mit unregelmäßigem Aufrissen der Fall [23], [54], [61]. Auch hierzu gibt es in der Literatur verschiedene Ansätze, diesen Nachteil wettzumachen und die Effekte höherer Moden zu berücksichtigen. Dies betrifft sowohl die Verteilung der horizontal angreifenden Lasten als auch die Transformation der Kapazitätskurve in das Kapazitätsspektrum.

Chopra et al. [23] entwickelt eine „modale Pushover-Analyse” (MPA). Bei diesem Verfahren erfolgt der Ansatz der Lastverteilung als auch die Umrechnung ge-trennt für die einzelnen Modalbeiträge. Für die Transformation der Kapazitäts-kurve in das jeweilige Kapazitätsspektrum werden die gleichen Beziehungen wie in (6.16) und (6.17) verwendet, nur dass für jeden Modalbeitrag k der entspre-chende modale Anteilsfaktor βk nach Gleichung (6.4) und Massekoeffizient αk (6.11) verwendet wird.

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100 Kapitel 6: Bemessungsverfahren für den Lastfall Erdbeben

,, ,

,

Dach id i k

k k Dach

Sβ φ

∆=

⋅ (6.29)

,, ,

,

b ia i k

Tot eff k

FS

M α=

⋅ (6.30)

Die Bestimmung des Performance-Points kann auf zwei Arten erfolgen:

1) Die maximale Verschiebung ergibt sich aus einer Zeitverlaufsberechnung am äquivalenten, aber nichtlinearen Einmassenschwinger: Dann ist aber das Verfah-ren nicht mehr ein statisches Verfahren im ursprünglichen Sinne.

2) Durch Überlagerung des Kapazitäts- mit dem Antwortspektrum im Spektral-beschleunigungs-Spektralverschiebungsdiagramm wird für jeden Mode getrennt der Performance-Point ermittelt. Für jeden Modalbeitrag können dann aus der Spektralverschiebung des Performance-Points die sich ergebende Verschiebung durch Multiplikation mit dem modalen Anteilsfaktor βk und der entsprechenden Amplitude φk,i der Modaleigenform k ermitteln. Die so ermittelten Verschiebungen infolge der einzelnen Modalbeiträge können mittels der SRSS-Regel oder CQC-Regel zusammengefasst werden.

Die Autoren kommen mit dieser Prozedur zu besseren Übereinstimmungen mit den Ergebnissen aus dynamischen nichtlinearen Zeitverlaufsberechnungen vier verschiedener Lastverteilungen nach FEMA-356 [45].

Kalkan und Kunnath [61] zeigen auf, dass dieses Verfahren nicht die Steifig-keitsumverteilung infolge Nichtlinearitäten berücksichtigt. Beim Berechnen der Pushover-Kurve ist die gleichzeitige Wirkung der verschiedenen Modalbeiträge zu berücksichtigen. Die Autoren schlagen eine Methode vor, die bei der Pushover-Analyse direkt die Anteile verschiedener Moden berücksichtigt (Method of Modal Combinations, MMC). Aufgrund unterschiedlicher Vorzeichenkombinationen kön-nen sich bei Berücksichtigung mehrer Moden viele Kombinationsmöglichkeiten und nichtlineare Untersuchungen ergeben. Die direkte Einbindung in die Kapazi-tätsspektrum-Methode ist aber nicht vorgesehen.

Aydinoglu [9] entwickelt eine Methode, die er „Incremental Response Spectrum Analysis” (IRSA) nennt. Vorausgesetzt wird eine stückweise lineare Pushover-Kurve, die sich durch die sukzessive Bildung von Fließgelenken ergibt. In einer inkrementellen Prozedur werden nach jedem Schritt Modalanalysen und damit modale Antwortgrößen ermittelt. Basierend auf der gleichzeitigen Entwicklung modaler Kapazitätsdiagramme werden momentane modale inelastische Spektral-verschiebungen berechnet und jeweils mit einem Skalierungsfaktor, der für prak-tische Anwendungen näherungsweise nur einmal ermittelt werden muss, verse-hen.

Festzuhalten ist jedenfalls, dass alle Autoren zu dem gleichen Schluss kommen, dass die Mitnahme von mehreren Modalbeiträgen im Vergleich zum ursprüngli-chen Verfahren bei hohen und unsymmetrischen Bauwerken bessere Ergebnisse liefert.

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Kapitel 6: Bemessungsverfahren für den Lastfall Erdbeben 101

6.2.7 Weitere Modifikationsvorschläge Die Belastungsgeschichte kann je nach Material und Konstruktion einen wesentli-chen Einfluss auf die Fähigkeit zur Energiedissipation im inelastischen Bereich haben und damit die Tragfähigkeitsreserven eines Bauwerks beeinflussen. Eine Möglichkeit, diesem Punkt Rechnung zu tragen, ist durch eine Modifikation in der Entwicklung der Kapazitätskurve gegeben. Anstelle der Last-Verformungskurve für eine Erstbelastung wird die Einhüllende infolge einer zyklischen Belastung gewählt. Ungewiss bleibt hier die Anzahl der zu verwendenden Zyklen, die ei-gentlich den zu erwartenden Belastungszyklen bei einem Erdbeben entsprechen sollte.

Neben der Abminderung der Kapazitätskurve ist auch eine Abminderung des Antwortspektrums denkbar. Fajfar [39], [41] passt den Duktilitätsfaktor in Ab-hängigkeit von dem zyklischen Verhalten an und integriert ihn in den klassischen Bemessungsansatz nach der Kapazitätsspektrum-Methode. Diese Anpassung erfolgt auf Basis zahlreicher Parameterstudien. Neben den üblichen Unwägbar-keiten bezüglich der Übertragbarkeit aus Parameterstudien gewonnener Ergeb-nisse ist auch bei diesem Ansatz die Festlegung von zusätzlichen Erdbebeneigen-schaften unabdingbar. Vorgeschlagen wird hierzu die Angabe des Integrals über die Beschleunigungen während des Zeitverlaufs des Erdbebens als Kennwert für die aufgebrachte seismische Gesamtenergie.

6.3 Bemessung mittels dynamischer Zeitverlaufsberechnung

Eine dynamische Zeitverlaufberechnung ist sicherlich die physikalisch gesehen „korrekteste”, d. h. genaueste, aber auch die umfassendste Methode zur Unter-suchung seismisch beanspruchter Tragwerke. Die Erdbebeneinwirkung wird durch ein standortspezifisches, synthetisch generiertes oder gemessenes Akzele-rogramm spezifiziert. Aus diesem wird durch Integration der Bewegungsdifferen-tialgleichung eines fußpunkterregten Systems der Zeitverlauf aller mechanischen Zustandsgrößen des Bauwerks ermittelt.

Aufgrund des großen Aufwands erhält das Verfahren nur dann seine Rechtferti-gung zur Anwendung, wenn nichtlineares Systemverhalten vorliegt und dies eine genauere Untersuchung erzwingt. Bei solchen Systemen ist eine modalanalyti-sche Zerlegung und Integration nur einiger Modalgleichungen mit anschließender linearer Superposition einzelner Modalbeiträge nicht mehr möglich, sondern eine direkte Integration der gekoppelten Bewegungsdifferentialgleichungen wird nötig. Für baudynamische Aufgaben hat sich das implizite Integrationsverfahren nach Newmark [88] als besonders geeignet herausgestellt [77].

In praktischen Fällen müssen mehrere Berechnungen mit verschiedenen Erdbe-benzeitverläufen durchgeführt werden, deren Ergebnisse dann statistisch auszu-werten sind. Eurocode 8 [37] gibt als minimale Anzahl drei nichtlineare Zeitver-laufsberechnungen an. Der ungünstigste Fall ist der Bemessungslastfall. Bei Berechnungen von mindestens 7 nichtlinearen Zeitverläufen darf der Mittelwert der Strukturantwort als Bemessungsgrundlage dienen.

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102 Kapitel 6: Bemessungsverfahren für den Lastfall Erdbeben

6.4 Beurteilung der Verfahren hinsichtlich der seismischen Bemessung von Mauerwerksbauten

In der Anwendung setzen sich solche Bemessungsverfahren durch, die praktika-bel sind und in Bezug auf den Zeitaufwand und die Übersichtlichkeit Vorteile aufweisen. Bei der Bemessung von Gebäuden im Lastfall Erdbeben können aber auch andere Aspekte eine wichtige Rolle spielen, gerade dann, wenn der Stand-sicherheitsnachweis eine genauere Rechnung erforderlich macht und in einem solchen außergewöhnlichen Lastfall sämtliche Tragwerksreserven ausgenutzt werden sollen, um eine wirtschaftliche Bemessung zu erreichen. In diesem Fall ist der Tragwerksplaner daran interessiert, das nichtlineare Materialverhalten mit seinen dissipativen Eigenschaften gut, aber auf einfache Weise auszunutzen.

Bemessungen auf Grundlage des Antwortspektrenverfahrens bieten hierfür einen einfachen, pragmatischen und mittlerweile normativ gut ausgereiften Ansatz, da das Verfahren in den meisten Ländern die Grundlage der Vorschriften zur Be-rechnung der Erdbebenbeanspruchung von Bauwerken bildet. Jedoch zeigt sich, dass bei der Anwendung auf Mauerwerksbauten durch die Pauschalisierung und zu grobe Berücksichtigung des nichtlinearen Tragwerkverhaltens gerade an wich-tigen Stellen Tragwerksreserven nicht genutzt werden.

Nichtlineare statische Verfahren erhöhen die Genauigkeit und umgehen dennoch komplizierte Zeitverlaufsberechnungen. Nachteilig ist aber, dass das Verfahren bisher in Europa nur selten angewendet wurde. Für die Anwendung auf Mauer-werksbauten fehlen deshalb für die Praxis wichtige Anwendungsregelungen, die die Anwendung auf praktische (also nicht für wissenschaftliche Zwecke idealisier-te) Fälle ermöglicht. Dies betrifft vor allem die Berücksichtigung von Torsionsef-fekten und die Anwendung auf Gebäude mit unregelmäßigen Grund- und Aufris-sen.

Im Vergleich zu nichtlinearen statischen Berechnungen sind die Ergebnisse einer nichtlinearen dynamischen Analyse theoretisch zwar exakter, der Aufwand des Anwenders ist aber bedeutend höher, und auch die für die Zeitverlaufsberech-nung notwendigen Annahmen für die Systemdiskretisierung (z. B. in Bezug auf Dämpfung oder Punktmassen) verlangen vom Anwender ein fundiertes Wissen und vertiefte dynamische Kenntnisse. Ferner weisen die bisher vorhandenen numerischen Modelle für die Simulation von dynamisch belastetem Mauerwerk keine ausreichende Genauigkeit und Stabilität auf, so dass diese Bemessungsart keine praktische Relevanz hat.

Als Fazit kann festgehalten werden, dass eine wirtschaftliche, genaue und praxis-taugliche Bemessung für Mauerwerksbauten nicht existiert, die die Tragwerksre-serven von Mauerwerksbauten besser ausnutzt als beim Antwortspektrenver-fahren, trotzdem aber ein ausgewogenes Gleichgewicht an Verlässlichkeit der Ergebnisse und Anwendbarkeit des Verfahrens aufweist. Diese Arbeit soll dazu verhelfen, diese Lücke zu schließen, indem im Kapitel 7 ein Verfahren entwickelt wird, das ein Tragwerksplaner auch ohne vertiefte Kenntnisse nichtlinearer Be-rechnungen anwenden kann, das aber dennoch die Tragwerksreserven gut aus-nutzt.

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Kapitel 6: Bemessungsverfahren für den Lastfall Erdbeben 103

Zuvor soll aber im Folgenden noch auf die bisher erfolgte normative Umsetzung der Erdbebenbemessung von Mauerwerksbauten speziell in Deutschland einge-gangen werden.

6.5 Bemessungskonzept für Mauerwerksbauten nach DIN 4149

Die DIN 4149 (2005) „Bauten in deutschen Erdbebengebieten” [34] bildet in Deutschland die Grundlage für den Entwurf, die Bemessung und die Konstruktion baulicher Anlagen des üblichen Hochbaus aus Stahlbeton, Stahl, Holz oder Mau-erwerk in Erdbebengebieten. Sie unterscheidet zwischen vier Erdbebenzonen: Für die Erdbebenzone 0, die flächenmäßig den größten Teil Deutschlands um-fasst, sind Tragfähigkeitsnachweise für seismische Einwirkungen grundsätzlich nicht erforderlich. Für die übrigen Zonen wird ein maßgebendes standortspezifi-sches elastisches Bodenantwortspektrum in Abhängigkeit der geologischen Un-tergrundklassen (R, T, S) und Baugrundklassen (A, B, C) definiert. Das Antwort-spektrum setzt sich aus der Definition von vier Bereichen zusammen:

( ) ( )e g I 0B

1 1TS T a ST

γ η β

= ⋅ ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅ −

für A BT T T≤ ≤ (6.31)

( )e g I 0S T a Sγ η β= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ für B CT T T≤ ≤ (6.32)

( ) Ce g I 0

TS T a ST

γ η β= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ für C DT T T≤ ≤ (6.33)

( ) C De g I 0 2

T TS T a ST

γ η β= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ ⋅ für DT T≤ (6.34)

mit

Se(T): Ordinate des elastischen Antwortspektrums in Abhängigkeit von der Periode T

ag: der Bemessungswert der Bodenbeschleunigung in Abhängigkeit von der Erdbebenzone (Zone 0/1/2/3: 0/0,4/0,6/0,8 m/s²)

γI: Bedeutungsbeiwert (Kategorie I-IV: 0,8/1,0/1,2/1,4)

β0: Verstärkungsfaktor der Spektralbeschleunigung mit dem Referenz-wert β0 = 2,5 für 5 % viskose Dämpfung

TA,B,C,D: Kontrollperioden des Antwortspektrums

S: Untergrundparameter in Abhängigkeit von der Boden- und Unter-grundklasse

η: Dämpfungs-Korrekturbeiwert

Der Dämpfungs-Korrekturbeiwert η berücksichtigt die vorhandene viskose Dämpfung und hat für 5% viskose Dämpfung den Referenzwert η = 1. Er kann nach folgender Gleichung abgemindert werden:

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104 Kapitel 6: Bemessungsverfahren für den Lastfall Erdbeben

10 0,75

ηξ

= ≥+

(6.35)

wobei ξ die viskose Dämpfung der Struktur in [%] ist. In Abbildung 6-11 ist das elastische Antwortspektrum mit den charakteristischen Kontrollperioden TA, TB, TC und TD dargestellt.

g I 0a Sγ η β⋅ ⋅ ⋅ ⋅

g Ia Sγ⋅ ⋅

0 TB TC TD T

Se(T)

A

B C

D

Abbildung 6-11: Elastisches Antwortspektrum nach DIN 4149 [34]

Durch die Abminderung mit einem baustoff- und konstruktionsspezifischen Ver-haltensbeiwert q wird das elastische Spektrum in ein Bemessungsantwortspekt-rum überführt. Für Mauerwerksgebäude ist dieser in Abhängigkeit der Mauer-werksart und des Geometrieverhältnisses h/l geregelt (Tabelle 6-3). Für unbewehrte, nicht eingefasste Mauerwerksscheiben ist in der Regel auf der si-cheren Seite liegend ein Verhaltensbeiwert von q = 1,5 anzusetzen.

Tabelle 6-3: Verhaltensbeiwert q nach DIN 4149, Tabelle 17

* Für q > 1,5 darf im Gebrauchszustand die mittlere Normal- spannung 50% der zulässigen Spannungen nicht überschreiten.

Maßgebend ist in jeder Richtung die längste Wand. Bei Bauwerken mit unregel-mäßigem Aufriss ist der q-Beiwert um 20 % abzumindern, wobei eine Abminde-rung auf Werte von kleiner als 1,5 nicht erforderlich ist. Der Verhaltensbeiwert ist somit noch nicht einmal abhängig vom verwendeten Mauerwerksmaterial. Im Vergleich zu anderen Bauten sind bei Mauerwerksbauten die anzusetzenden Erdbebenkräfte sehr hoch, da für Bauwerke anderer Baustoffe bei entsprechen-der konstruktiver Durchbildung zum Teil wesentlich größere Verhaltensbeiwerte angesetzt werden können.

Für den rechnerischen Nachweis der Tragfähigkeit unter seismischer Belastung sind in der DIN 4149 zwei linear statische Verfahren vorgesehen, das „verein-

q Mauerwerksart

h/l ≤ 1 h/l ≥ 2

unbewehrtes Mauerwerk * 1,5 2,0

eingefasstes Mauerwerk 2,0

bewehrtes Mauerwerk 2,5

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Kapitel 6: Bemessungsverfahren für den Lastfall Erdbeben 105

fachte Antwortspektrenverfahren”, bei dem nur die Grundeigenform des Systems berücksichtigt wird und statische Ersatzlasten ermittelt werden, und das „Ant-wortspektrenverfahren unter Berücksichtigung mehrerer Schwingungsformen”. Die Anwendbarkeit des vereinfachten Verfahrens beschränkt sich auf Gebäude, die die in der Norm spezifizierten Anforderungen an die Regelmäßigkeit im Grundriss und im Aufriss erfüllen (DIN 4149, Abschnitt 4.3.2 u. 4.3.3) und deren Grundschwingperiode im beschleunigungssensitiven Bereich des Antwortspekt-rums angesiedelt ist (DIN 4149, Abschnitt 6.3.2.1). Diese Bedingungen sind für Mauerwerksgebäude in vielen Fällen gegeben.

An die zur Aussteifung genutzten Wände werden nach DIN 4149 verschärfte Anforderungen gegenüber der DIN 1053 [30] gestellt, und zwar bezüglich der Schlankheit, Wandstärke und Länge der Wand. Durch diese Anforderungen soll sichergestellt werden, dass die aussteifenden Wände infolge von Querbeschleu-nigungen nicht senkrecht zu ihrer Ebene versagen (Tabelle 6-4).

Tabelle 6-4: Mindestanforderungen an aussteifende Schubwände

Erdbebenzone hk /t t [mm] l [mm]

1 nach DIN 1053-1 ≥ 740

2 ≤ 18 ≥ 150 ≥ 980

3 ≤ 15 ≥ 175 ≥ 980

Bei der Ermittlung der Eigenfrequenzen ist auf eine realistische Abschätzung der Steifigkeiten nach DIN 1053 zu achten. Die übereinander stehenden Wände werden meistens als Kragarm betrachtet. Ist dabei hges/l < 1,5, sollte die Schub-verformung mitberücksichtigt werden. Bei der Berechnung der Wandsteifigkeiten werden meistens nur Rechteckquerschnitte gewählt. Es sollte kein zusammenge-setzter Querschnitt angesetzt werden, es sei denn, die Verzahnung zwischen Wand und Querwand ist für die Schubübertragung ausreichend und sicherge-stellt.

Ist die Gesamterdbebenkraft berechnet, so wird eine steifigkeitsproportionale Kraftverteilung auf die vorhandenen aussteifenden Wände unter Berücksichti-gung der Torsion infolge von Exzentrizitäten vorgenommen. Danach erfolgt eine Lastverteilung über die Höhe und die Berechnung der daraus resultierenden Momentenverteilung. Maßgebender Schnitt im Erdbebenlastfall ist in der Regel die Einspannung, wo das maximale Moment auftritt, günstigerweise auch die maximale Druckkraft. Vereinfachend darf nach DIN 1053-1 von einer linearen Spannungsverteilung ausgegangen werden, basierend auf der Bernoulli-Hypothese und der Annahme einer linearen Spannungs-Dehnungskurve. Zug-spannungen dürfen nicht angesetzt werden. Schubspannungen können nur im überdrückten Querschnittsbereich übertragen werden.

Der Standsicherheitsnachweis erfolgt auf Grundlage der DIN 1053. Dazu stehen das vereinfachte Verfahren und das genauere Verfahren zur Auswahl. Ersteres darf angewendet werden, sofern die Gebäudehöhe kleiner als 20 m und die Deckenstützweite kleiner als 6 m ist. Die zulässigen Spannungen dürfen in die-

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106 Kapitel 6: Bemessungsverfahren für den Lastfall Erdbeben

sem Fall um 50 % erhöht werden (DIN 4149, Abschnitt 11.7.3 (2)). Wird das genauere Verfahren angewendet, so darf ein abgeminderter globaler Sicherheits-faktor von γ = 1,33 angesetzt werden. Bei der Bemessung nach DIN 1053-100 (Bemessung auf Grundlage des auf Teilsicherheitsbeiwerten basierenden Sicher-heitskonzepts) ist für Mauerwerk ein Teilsicherheitsbeiwert von γm = 1,2 einzu-setzen (DIN 4149, Tabelle 16).

Für statische Belastungen fordert die DIN 1053 eine Begrenzung des Klaffens der Querschnitte bis zum Schwerpunkt und eine Begrenzung der Randdehnung. Diese Anforderungen sind für die Erdbebenbemessung nach DIN 4149 aufgrund des Charakters der dynamischen Einwirkung nicht relevant. Das Tragwerk kann somit für die außergewöhnliche seismische Einwirkung bis an die Grenzen seiner Verformungsfähigkeit beansprucht werden.

In vielen Fällen kann aber auf den rechnerischen Erdbebennachweis eines Mau-erwerksgebäudes verzichtet werden: In Abschnitt 11.6 der DIN 4149 sind kon-struktive Regeln aufgeführt, bei deren Einhaltung der rechnerische Nachweis des Grenzzustandes der Tragfähigkeit für Mauerwerksbauten entfallen kann.

Neben grundlegenden Anforderungen an die Regelmäßigkeit von Grund- und Aufriss, der Begrenzung der Geschosszahl nach Tabelle 8 der DIN 4149 und der Geschosshöhe h ≤ 3,50 m beinhalten die konstruktiven Regeln detaillierte Vor-schriften zur Wandanordnung und Mindest-Querschnittsflächen der Mauerwerks-Schubwände. So sollen in jeder Gebäuderichtung mindestens zwei Schubwände mit l ≥ 1,99 m angeordnet werden, die über alle Geschosse durchgehend sind. Zusätzlich sind die Bedingungen nach Tabelle 6-4 einzuhalten, und die auf die Grundrissfläche bezogene Querschnittsfläche der Schubwände muss die Min-destwerte nach Tabelle 15, DIN 4149 in Abhängigkeit von der Geschossanzahl, der Steinfestigkeitsklasse und des Bemessungswertes der Bodengrundbeschleu-nigung einhalten.

Tabelle 6-5: Mindestanforderung an die auf die Grundrissfläche bezogene Quer-schnittsfläche von Schubwänden je Richtung nach Tabelle 15, DIN 4149

ag * S * γI

≤ 0,06 * g * k ≤ 0,09 * g * k ≤ 0,12 * g * k

Steinfestigkeitsklasse nach DIN 1053 - 1

Anzahl der Voll-

geschosse

4 6 ≥12 4 6 ≥12 4 6 ≥12

1 0,02 0,02 0,02 0,03 0,025 0,02 0,04 0,03 0,02

2 0,035 0,03 0,02 0,055 0,045 0,03 0,08 0,05 0,04

3 0,065 0,04 0,03 0,08 0,065 0,05

4 KvNz 0,05 0,04 KvNz

Kein vereinfachter Nachweis zulässig

(KvNz)

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode 107

7. Verformungsbasierte Bemessung von Mauerwerksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode

Gebäude in Mauerwerksbauweise werden üblicherweise durch Decken- und Wandscheiben ausgesteift. Diese sollten in ihrer Anordnung und im Verbund untereinander wie ein steifer Kasten wirken, so dass das Gebäude unter räumli-chen Einwirkungen stabil bleibt. Die Horizontallasten werden dabei von den Decken über die Schubwände in die Fundamente abgeleitet. Im Lastfall Erdbe-ben kommt somit der Bemessung der Schubwände eine besondere Bedeutung zu.

Aufgrund der trendgemäß immer filigraneren Bauweise ist es der Wunsch vieler Architekten und Bauherren, die Anzahl und Abmessungen der aussteifenden Wände zu minimieren. Dies führt dazu, dass das Mauerwerk bis an die Grenze seiner Belastbarkeit herangeführt wird und dass der Standsicherheitsnachweis auf Basis kraftbasierter Verfahren mit pauschaler Abschätzung der dissipativen Eigenschaften und des Verformungsvermögens der Bauwerke häufig nicht mehr erbracht werden kann. Aber auch Mauerwerksbauten, die sich in der Praxis bewährt haben, genügen den neuen Anforderungen der DIN 4149 nicht mehr. Dies zeigt, dass die Tragreserven von Mauerwerk rechnerisch zu pauschal er-fasst werden und diese durch ein genaueres Verfahren berücksichtigt werden sollten.

Nichtlineare statische Verfahren erhöhen die Genauigkeit und umgehen dennoch komplizierte Zeitverlaufsberechnungen. Nachteilig ist aber, dass das Verfahren bisher gerade in Deutschland und auch in Europa nur selten angewendet wurde. Für Mauerwerksbauten sind nichtlineare statische Verfahren nur im Rahmen von Vulnerabilitätsabschätzungen angewendet worden [12], [67]. Die benötigten Kapazitätskurven werden in diesem Fall auf statistischen Grundlagen ausgewer-tet oder mit einfachen Modellen abgeschätzt. Außerdem fehlen wichtige Rege-lungen für die Bemessung von Mauerwerksbauten mit nichtlinearen statischen Verfahren. In akademischen Beispielen werden oft nur idealisierte Fälle betrach-tet, bei denen Torsionseffekte infolge von unregelmäßigen Grund- und Aufrissen unberücksichtigt bleiben.

Zur Lösung der beschriebenen Problematik wird in diesem Kapitel ein neues verformungsbasiertes Nachweisverfahren für Mauerwerk auf Grundlage der Kapazitätsspektrum-Methode entwickelt, welches die Erdbebenbemessung von Mauerwerksbauten auf Basis der Kapazitätskurven von Schubwänden erlaubt. Dieses Verfahren schätzt die Tragwerksreserven von Mauerwerksbauten genauer ab, da die materialspezifischen Eigenschaften und das dynamische Verhalten des gesamten Tragwerks berücksichtigt werden. Die Kapazitätskurven der Einzel-wände, in denen die verschiedenen Versagensmodi implizit Berücksichtigung finden, können vorab aus Versuchen und numerischen Simulationen mit dem entwickelten Modell in Kapitel 5 bestimmt werden. Die Parameter zur Beschrei-bung der Kurven lassen sich auf ein Minimum reduzieren, so dass die Kapazitäts-kurven in einer strukturierten Datenbank abgelegt werden können. Durch eine

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- 108 werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode

programmtechnische Umsetzung der Methode mit Einbindung der Datenbank steht dem Anwender aus der Praxis erstmals ein Werkzeug zur Verfügung, mit dem der Nachweis von Mauerwerksbauten unter Berücksichtigung nichtlinearer Reserven schnell und einfach durchgeführt werden kann.

Bisher basierte die allgemein bekannte Kapazitätsspektrum-Methode auf einem zweidimensionalen Einmassenschwinger. Damit blieben Torsionseffekte unbe-rücksichtigt und die Methode wurde deshalb hauptsächlich auf ebene Rahmen-systeme angewendet. Diese Einschränkung wird bei der Anwendung auf Mauer-werksbauten durch die Verwendung eines dreidimensionalen dynamischen Ersatzsystems (Abbildung 7-1) aufgehoben.

x

y

x

y

z

Abbildung 7-1: Dynamisches Ersatzsystem

Der Nachweis mit der Kapazitätsspektrum-Methode setzt sich analog zum Ab-schnitt 6.2.2 aus der Bestimmung der Kapazitätskurve, der Bestimmung des abgeminderten Antwortspektrums und der anschließenden Überlagerung der Kurven in dem Sa -Sd -Diagramm zusammen.

7.1 Berechnung des Gebäude-Kapazitätsspektrums

7.1.1 Vereinfachter Ansatz, basierend auf der Erdgeschoss-Kapazitätskurve

Ist das Gebäude im Aufriss regelmäßig und sind die lastabtragenden Schubwän-de vom untersten bis zum obersten Geschoss durchgängig vorhanden und eta-genweise verbunden durch schubstarre Deckenscheiben, so kann von einem Versagen der Mauerwerksbauten im Erdgeschoss ausgegangen werden [60], [119]. Unter der Annahme, dass die anderen Stockwerke sich weitgehend linear elastisch verhalten, vereinfacht sich das Verfahren wesentlich, da das Kapazitäts-spektrum des Bauwerks direkt aus der Last-Verformungskurve des Erdgeschos-ses abgeleitet werden kann [82]. Die Pushover-Analyse (Berechnung der Last-Verformungskurve) ist in diesem Fall eindeutig, sie braucht nicht für verschiede-ne Lastverteilungen der horizontal angreifenden Erdbebenlasten durchgeführt werden. Bei der Transformation ist aber die Steifigkeitsänderung im Erdgeschoss zu berücksichtigen.

7.1.1.1 Berechnungsalgorithmus

Die Bestimmung der Pushover-Kurve des Erdgeschosses erfolgt für eine vorge-gebene Erdbebenrichtung auf Grundlage der Einzelwand-Kapazitätskurven. Refe-renzpunkt ist der konstant bleibende Massenschwerpunkt des Stockwerks.

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode 109

Im Falle symmetrischer Grundrisse mit symmetrischer Masseverteilung lässt sich durch Superposition der Einzelwand-Kapazitätskurven die Gesamtkapazität des Erdgeschosses ermitteln, wenn die angreifende Last in Richtung der Symmetrie-achse wirkt. Liegen unregelmäßige Geometrien oder ungleichmäßige Massen-verteilungen vor, so stellen sich auch Rotationen und Verformungen senkrecht zur Belastungsrichtung ein. Da die Steifigkeiten der einzelnen Gebäudeteile vom globalen Verformungszustand des Stockwerks abhängig sind, kann die Lage des Steifigkeitsmittelpunktes nicht a priori bestimmt werden, sondern verschiebt sich in Abhängigkeit der Gesamtverschiebung des Systems.

In diesem Fall muss die Gesamtkapazitätskurve des Erdgeschosses durch einen doppelt-iterativen Algorithmus ermittelt werden. Veranschaulicht wird dieser Rechenablauf in Abbildung 7-2. Zunächst wird dem Erdgeschoss in Belastungsrichtung eine Verformung ∆x aufgezwungen und die Reaktionskräfte in allen Schubwänden werden mit Hilfe der Kapazitätskurven der Einzelwände berechnet. Das resultierende Gesamtmoment dieser Kräfte bewirkt dann eine Rotation des Systems um den Massenmittelpunkt. Das System wird nun solange iterativ um ∆ϕ gedreht, bis sich das resultierende Moment zu Null ergibt. Die sich dabei einstellenden Ungleichgewichtskräfte senkrecht zur Belastungsrichtung sind durch eine Translation ∆y senkrecht zur Achse der ursprünglichen Auslenkung auszugleichen. Diese beiden Schritte werden so lange wiederholt, bis sich das Gesamtsystem im Gleichgewicht befindet. Die aufgezwungene Verformung ∆x und die in dieser Richtung resultierende Kraft sind ein Wertepaar der Last-Verformungs-Kurve des Stockwerks. Wird die Auslenkung weiter iterativ vergrößert, lässt sich die gesamte Kapazitätskurve des Erdgeschosses schrittweise ermitteln.

∆y

∆x

∆x ∆ϕ

IterationInitialisierung

Σ M = 0 Σ Fy = 0

Massenmittelpunkt

∆x ∆EG

Fb

Fb,∆x

Iterationsende:

Abbildung 7-2: Iterative Berechnung der Kapazitätskurve des Erdgeschosses

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- 110 werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode

7.1.1.2 Seitliches Schiefstellen der Wände

Die benutzten Kapazitätskurven der Einzelwände gelten für Wände ohne Im-perfektionen, also ohne eine seitliche Lotabweichung. Die Tragfähigkeit einer Wand wird aber infolge einer seitlichen Schiefstellung, die sich durch eine Ge-schossrotation oder auch durch ein Erdbeben quer zur Wandebene einstellt, ver-mindert. Die Kapazitätskurven der Wände beinhalten diese Informationen nicht. Der Tragfähigkeitsverlust muss aber bei einer verformungsbasierten Bemessung berücksichtigt werden, da auch größere Schiefstellungen im Extremfall auftreten können. Bei der programmtechnischen Umsetzung erfolgt die Berücksichtigung dadurch, dass zusätzlich eine Funktion angegeben wird, die die Abminderung der Schubtragfähigkeit in Abhängigkeit ihrer Schiefstellung beschreibt [60]. In jedem Berechnungsschritt wird die seitliche Schiefstellung jeder einzelnen Wand be-rechnet, und die aufnehmbare Horizontalkraft wird individuell abgemindert.

7.1.1.3 Transformation in das Sa-Sd-Diagramm

Die Darstellung der Kapazitätskurve im Sa -Sd -Diagramm erfolgt durch eine Trans-formation analog zu (6.16) und (6.17), nun aber bezogen auf die Verschiebung des Erdgeschosses; d. h. der Punkt (Fb,i, ∆EG,i) wird mit Hilfe von Gleichung (7.1) und (7.2) in den zugehörigen Punkt (Sa,i, Sd,i) transformiert, wobei φ1,EG die Grundeigenform-Ordinate auf Höhe des Erdgeschosses ist.

,,

, 1

b ia i

Tot eff

FS

M α=

⋅ (7.1)

,,

1 1,

EG id i

EG

Sβ φ

∆=

⋅ (7.2)

Für die Bestimmung des modalen Anteilsfaktors β1 und des Massenfaktors α1 wird die Grundeigenform des Bauwerks benötigt. Diese wird an einem dynami-schen Ersatzsystem bestimmt, das das Bauwerk als Mehrmassenschwinger mit horizontalen Freiheitsgraden in den Deckenebenen idealisiert abbildet (Abbildung 7-3). Dabei wird der Rotationsfreiheitsgrad der Geschossdecken nicht berück-sichtigt, da die Decken nur als starre Scheiben betrachtet werden. Außerdem verhindern die Querwände, die keinen Einfluss auf die horizontale Schubsteifig-keit haben, zusätzlich die Einstellung von Deckenverdrehungen.

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode 111

k1 = k2 = k3 = konst. k1 <= k2, k3 k2 = k3 = konst. k1: Sekantensteifigkeit

k1 << k2, k3 k2 = k3 k1, k2, k3 = konst.

k3

k2

k3

k1

k2

k3

k1

. . . . . . . . . .

p, q

k1

k2

Abbildung 7-3: Ersatzsystem und Eigenformen vom ungeschädigten Zustand bis zum weichen Erdgeschoss

Da sich im nichtlinearen Bereich die Grundeigenform in Abhängigkeit der Stock-werksverschiebung ändert, wird diese für jeden Punkt auf der Kapazitätskurve, d. h. für jeden Verformungszustand, neu berechnet. Hierbei werden in der Be-rechnung gemäß der zu Beginn des Abschnitts 7.1.1 erwähnten Annahme für das Erdgeschoss die aktuellen Sekantensteifigkeiten aus den Wandkapazitätskur-ven angesetzt. Sie entsprechen der „mittleren” Steifigkeit des Stockwerks inner-halb eines Schwingungszyklus. Für die übrigen Geschosse werden elastische Geschosssteifigkeiten angesetzt, die aufgrund des unveränderten Aufrisses der elastischen Anfangssteifigkeit des Erdgeschosses entsprechen. Auch wenn sich aufgrund geringerer Auflasten von unten nach oben abnehmende Geschossstei-figkeiten einstellen, so liegt dieser Ansatz doch auf der sicheren Seite, da sich am Mehrmassenschwinger die zur Überführung in den Einmasseschwinger un-günstigere Haupteigenform einstellt.

Die Wichtigkeit, die aktuellen reduzierten Steifigkeiten des Erdgeschosses der Transformation der Kapazitätskurve zum Kapazitätsspektrum zugrunde zu legen, wird durch den Vergleich mit Kapazitätsspektren, die unter der Annahme eines ungeschädigten und eines weichen Erdgeschosses (Abbildung 7-3) ermittelt wurden, in Abbildung 7-4 verdeutlicht. Wird die erste Modalform im ungeschä-digten Zustand der Transformation zugrunde gelegt, ergeben sich deutlich grö-ßere Spektralverschiebungen als für das Modell mit einem weichen Erdgeschoss. Die realitätsnähere Transformation auf Grundlage der mit der Sekantensteifigkeit ermittelten ersten Modalform liegt zwischen diesen beiden Ansätzen. Anzumer-ken ist, dass ein plötzlicher Steifigkeitsabfall, z. B. durch Versagen einer einzel-nen Wand, gleichzeitig zu einer Abnahme der Spektralbeschleunigung und der Spektralverschiebung führt.

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- 112 werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode

Spek

tralb

esch

leun

igun

g

k1 << k2, k3 k2 = k3 k1, k2, k3 = konst.

k1 <= k2, k3 k2 = k3 = konst. k1 : Sekantensteifigkeit

k1 = k2 = k3 = konst.

Spektralverschiebung

Abbildung 7-4: Auswirkung der Schädigung im Erdgeschoss auf das Kapazitätsspek-trum

7.1.1.4 Kapazitäten für unterschiedliche Versagenszustände

Für die Überlagerung mit dem Antwortspektrum ist es erforderlich, das Kapazi-tätsspektrum des Gebäudes durch einen bilinearen oder elastoplastischen Funk-tionsverlauf anzunähern, um die vom Bauwerk durch inelastische Verformungen dissipierte Energie oder den Duktilitätsfaktor des Bauwerks bestimmen zu kön-nen (Abschnitt 6.2.4, Abschnitt 6.2.5). Für das vollständige Kapazitätsspektrum kann dies nur für den Bereich bis zum ersten Wandversagen (Sprung in der Funktion) sinnvoll bestimmt werden. Um auch für die restlichen Bereiche des Kapazitätsspektrums eine gültige, bilineare Näherung des Funktionsverlaufes zu ermöglichen, werden zusätzlich zu der Kapazitätskurve des Basissystems sämtli-che vollständige Kapazitätskurven für alle bei dem schrittweise ablaufenden Versagen des Systems auftretenden Systemzustände im Erdgeschoss berechnet.

Zwar wird für den Nachweis der Tragfähigkeit eines Bauwerks streng genommen nur der erste Abschnitt der Kapazitätskurve bis zum ersten Wandversagen benö-tigt, um das Programm aber auch dazu nutzen zu können, für bestehende Bau-werke auftretende Strukturschäden einzuschätzen oder Schäden aus stärkeren, die Norm überschreitenden Erdbebenereignissen zu untersuchen, wird eine Ent-wicklung des vollständigen Funktionsverlaufs umgesetzt. Maximal entspricht die Anzahl der für eine Belastungsrichtung diesbezüglich zu berechnenden Kapa-zitätskurven und -spektren der Anzahl der insgesamt vorhandenen Wand-scheiben. Versagen mehrere Wände gleichzeitig oder stehen Wände orthogonal zur Lastangriffsrichtung und liefern damit keinen Beitrag zur Kapazität, verringert sich die Anzahl der benötigten Kapazitätsspektren entsprechend.

7.1.2 Genauer Ansatz: Berechnung der Gebäude-Kapazitätskurve, bezogen auf das oberste Geschoss

7.1.2.1 Adaptive Entwicklung der Pushover-Kurve

Der Vorteil einer nichtlinearen statischen Berechnung gegenüber kraftbasierten linearen Methoden ist, dass in jedem Verformungszustand der aktuelle nichtline-are Zustand des Systems bekannt ist. Dies ist bereits in Abschnitt 7.1.1.3 ausge-nutzt worden, als die Geschosskapazitätskurve in das Spektralverschiebungs-Beschleunigungsdiagramm transformiert und in jedem Verformungszustand die

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode 113

aktuelle Systemsteifigkeit berücksichtigt wurde. Verändert wurde in der voran-gegangenen Entwicklungsstufe aber nur die Steifigkeit des Erdgeschosses, wobei die Stockwerkssteifigkeiten der oberen Stockwerke unverändert blieben.

Werden nun alle Stockwerke mit veränderlichen Steifigkeiten berücksichtigt, so ist es möglich, nicht nur die aktuellen Steifigkeiten aller Geschosse in jedem Verformungszustand bei der Transformation zu berücksichtigen, sondern es ist auch eine adaptive Anpassung der horizontal angreifenden Lasten möglich. Ein solches Verfahren ist bereits von Gupta et al. [55] und Bracci et al. [17] einge-führt worden, und auch Elnashai [36] bestätigt, dass eine adaptive Anpassung der Kräfteverteilung eine Genauigkeitssteigerung des sich ergebenden Perfor-mance Point mit sich bringt.

Eine adaptive Anpassung der horizontalen Lastverteilung berücksichtigt jeweils die aktuelle Eigenform und damit auch Umlagerungseffekte infolge der Nichtline-aritäten bzw. plötzlichen Systemveränderungen infolge Wandversagen. Eine Pushover-Analyse mit mehreren Ansätzen der Lastverteilung, wie sie in den Normenwerken [37], [45] vorgeschlagen werden, um sowohl das elastische Verhalten als auch den Versagenszustand zu berücksichtigen, ist demnach nicht mehr erforderlich.

Versagenszustand Elastisches Verhalten Jeder Zustand wird berücksichtigt.

adaptive Anpassung

Mas

senp

ropo

rtio

nal *

Mas

sen-

& E

igen

form

pro

port

iona

l *

* Diese Grenzzustände sind nach EC8/FEMA zu berücksichtigen.

Abbildung 7-5: Adaptive Anpassung der Auslenkungsform

Um die Kapazitätskurve auf die Dachverschiebung ∆Dach beziehen zu können, wird das Gebäude als Mehrmassenschwinger mit den horizontalen Stockwerks-verschiebungen auf Deckenplattenhöhe als Systemfreiheitsgrade abgebildet. Vorgegeben wird die Dachverschiebung ∆Dach. Der Lastvektor F, bestehend aus den einzelnen Lastanteilen Fi, die am Geschoss i angreifen, wird mit einer mo-dalform- und masseproportionalen Verteilungsfunktion multipliziert, so dass die Kräfteaufteilung genau eine Verformung in Form der ersten Modalform Φ1 her-vorruft:

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- 114 werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode

1,

1,1

i ii N

j jj

mf

m

φ

φ=

⋅=

⋅∑, (7.3)

wobei mi die Masse des Geschosses i und N die Anzahl der Stockwerke sind.

In die Gesamtsteifigkeitsmatrix K des Gebäudes werden jeweils die Sekanten-steifigkeiten der einzelnen Geschosse eingemischt. Nach Vorgabe der Dachver-schiebung ∆Dach und der normierten Lastvektorverteilung fi lassen sich bei be-kannter aktueller Sekantensteifigkeit K die unbekannten Verschiebungen Vi aller Freiheitsgrade i sowie die unbekannte Summe des Lastvektors ΣPi, die dem Fundamentschub Fb entspricht, wie folgt berechnen [107]:

1 1

2 21

1... ...

N

b iTii

Dach Dach

f Vf V

F F

f=

⋅ = = ⋅ ∆

∑MΦ KΦ Mr

(7.4)

Die Berechnung basiert zwar auf einer vorgegebenen Kräfteverteilung, trotzdem wird sie weggesteuert durchgeführt durch Vorgabe der Dachverschiebung.

Die Berechnung erfolgt iterativ: Werden nach Vorgabe der Dachverschiebungen die relativen Stockwerksverschiebungen berechnet, so können daraufhin sowohl die Steifigkeitsmatrix aktualisiert als auch die Modalform und damit die Kräfte-verteilung adaptiv angepasst werden. Die aktuelle Sekantensteifigkeit des Ge-schosses ist für die jeweilige, berechnete relative Stockwerksverschiebung aus der bereits berechneten Geschosskapazitätskurve abzulesen. Zusätzlich ist si-cherzustellen, dass aufgrund von Vorschädigungen der Wände durch Verformun-gen im nichtlinearen Bereich der Wert der aktuellen Sekantensteifigkeit nicht den Wert des vorherigen Berechnungsschrittes überschreitet.

7.1.2.2 Berücksichtigung weiterer Modalformen

Bisher wurde davon ausgegangen, dass die Stockwerksverschiebungen von der Grundeigenform dominiert werden. Um zu klären, ob diese Annahme für Mauer-werksbauten mit niedriger Stockwerksanzahl zutreffend ist und um den Einfluss weiterer Modalformen quantitativ zu erfassen, soll in das Verfahren eine Metho-de zur Berücksichtigung höherer Modalformen eingebettet werden.

Die meisten der Verfahren, die in Abschnitt 6.2.6 beschrieben worden sind, wei-sen den Nachteil auf, dass die modalen Anteile unabhängig voneinander berück-sichtigt werden und somit bei der Berücksichtigung des nichtlinearen Verhaltens eine gegenseitige Beeinflussung infolge von Schädigungen nicht berücksichtigt werden kann.

Durchgeführt wird hier nun eine inkrementelle Entwicklung der modalen Push-over-Kurven, die gleichzeitig erfolgt, damit die Umrechnung ins Spektrum für jeden Modalbeitrag auf den gleichen Steifigkeitsverhältnissen beruht. Nach je-dem Schritt wird die gesamte relative Stockwerksverschiebung aus den einzelnen modalen Anteilen mittels der SRSS-Regel ausgewertet. Damit ist ein Update der

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode 115

Steifigkeitsmatrix möglich, und es lässt sich der gleiche Algorithmus, wie im vorigen Kapitel beschrieben, anwenden.

Offen geblieben ist aber die Frage der Kopplung der einzelnen Modalbeiträge. Angelehnt an das Verfahren von Aydinoglu [9] wird deshalb mit der Methode eines modalen Verzerrungsfaktors gearbeitet. Die Herleitung dieses Faktors ergibt sich wie folgt:

Nach Gleichung (6.8) ergibt sich die maximale Verformung infolge der i-ten Modalform zu

,i i d i iSβ= ⋅ ⋅V Φ . (7.5)

Bei einer gleichzeitigen Entwicklung der modalen Kapazitätskurven können aus Gleichung (7.5) die obersten Geschossverschiebungen infolge der einzelnen Modalbeiträge miteinander in Beziehung gesetzt werden. Daraus wird ein Skalie-rungsfaktor Vskal,k für jeden modalen Anteil abgeleitet, der in jedem Verfor-mungszustand neu berechnet werden muss. Wird die Verschiebung ∆1,Dach der ersten Eigenform vorgegeben, so ergibt sich die Dachverschiebung ∆k,Dach infolge des k-ten Modalbeitrags zu

, , 1,k Dach skal k DachV∆ = ⋅ ∆ (7.6)

mit

( ) , , ,, 1,

1 ,1 ,1 1,

( )( )

k d k eff k k Dachskal k Dach

d eff Dach

SV f

Sβ ξ φβ ξ φ

⋅ ⋅= ∆ =

⋅ ⋅. (7.7)

Wird also die Dachverschiebung ∆1,Dach der ersten modalen Kapazitätskurve vor-gegeben, werden gleichzeitig alle anderen modalen Kapazitätskurven mit skalier-ter Dachverschiebung ∆k,Dach berechnet. Die Aktualisierung der Sekantensteifig-keitsmatrix erfolgt auf Basis der Kombination aus allen berücksichtigten Modalverschiebungen. Der iterative Berechnungsablauf erfolgt ansonsten gemäß dem vorhergehenden Abschnitt.

Anschaulich bedeutet die Verwendung des beschriebenen Ablaufs, dass die Ka-pazitätsspektren im Sa -Sd -Diagramm bei sukzessiver Verformungssteigerung gleichschnell „anwachsen” und gleichzeitig (d. h. mit gleicher Sekantensteifig-keitsmatrix) das Antwortspektrum erreichen. Dies ist in Abbildung 7-6 darge-stellt.

Spektralverschiebung

Spek

tralb

esch

leun

igun

g

ω1² ω2² ω3²

Kapazitätsspektrum infolge 1. Eigenform

Kapazitätsspektrum infolge höherer Eigenform

Bemessungsspektrum

skalierte Antwortspektren

Abbildung 7-6: Gleichzeitige Entwicklung der modalen Kapazitätsspektren

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- 116 werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode

In dieser Abbildung sind drei modale Kapazitätsspektren eingetragen. Der Ein-fachheit halber sind diese als linear angenommen worden. Der Schnittpunkt des Kapazitätsspektrums mit dem Antwortspektrum gibt die jeweilige modale Spek-tralverschiebung an, die bei einem Erdbeben auftritt. Die Gesamtverformung er-gibt sich dann aus der Kombination der einzelnen modalen Anteile.

Gerade bei nichtlinearen Systemen, bei denen sich die Steifigkeitsverhältnisse in jedem Verformungsschritt ändern, ist eine gleichzeitige Entwicklung der Kapazi-tätsspektren wichtig, damit die verschiedenen Modalanteile auch wirklich auf Basis der gleichen Steifigkeiten berechnet werden.

7.1.2.3 Flussdiagramm des genauen Ansatzes

Der Algorithmus des genauen Ansatzes unter Berücksichtigung mehrer Modal-formen lässt sich wie folgt in einem Flussdiagramm darstellen:

Iterationsabbruch

für a

lle k

Eig

enfo

rmen

Vorgabe der Dachverschiebung ∆Dach

Modale Analyse auf Grundlage der aktuellen Steifigkeiten

Ermittlung der Lastverteilung fi,k und des Skalierungsfaktors Vskal,k

Berechnung der unbekannten Stockwerksverschiebungen Vi und der Erdbebenschubkraft ΣFi durch Lösen des Gleichungssystems:

1, 1

2, 2,

,

... ...

k

Nk

i skal ki

Dach k Dach

f Vf V

F V

f

⋅ = ⋅ ⋅ ∆

∑ K

Ermittlung relativen Stockwerksverschiebung infolge des k-ten modalen Anteils

Ermittlung gesamten relativen Stockwerksverschiebung durch Überlagerung der Modalanteilen

Update der Steifigkeitsmatrix K

Umrechnung der Dachverschiebungen ∆Dach,k und der Erdbebenschubkräfte ΣFi,k in das Kapazitätsdiagramm

Berechnung der Geschosskapazitätskurven

Abbildung 7-7: Flussdiagramm des genauen Verfahrens

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode 117

Bereits jetzt soll vorweggenommen werden, dass die Annahme, die in der voran-gegangenen Entwicklungsstufe des vereinfachten Ansatzes getroffen wird (un-veränderte Stockwerkssteifigkeiten der oberen, über dem Erdgeschoss liegenden Geschosse), gemacht werden darf, da es eine auf der konservativen Seite lie-gende Annahme ist. Dies wird in Kapitel 8 an Berechnungsbeispielen demonst-riert. Auch die Berücksichtigung mehrer Modalformen hat für Stockwerksanzah-len, wie sie bei Mauerwerksgebäuden im Wohnungsbau üblich sind, einen vernachlässigbar kleinen Einfluss.

7.1.3 Gebäude mit variablen Stockwerken Bisher ist vorausgesetzt worden, dass alle Stockwerke des Gebäudes gleich sind, d. h. eine Regelmäßigkeit im Aufriss vorliegt. Das dynamische Ersatzsystem eines einzelnen Geschosses ist ein exzentrisch angeordneter, dreidimensionaler Einmassenschwinger mit nur horizontalen Freiheitsgraden (DOF), wovon die Translation in Richtung der Erdbebeneinwirkung der wesentliche DOF ist (Abbildung 7-8). Die Lage des Steifigkeitsmittelpunktes und somit auch die Aus-mitte können sich im Verlauf der Belastung aufgrund der Nichtlinearitäten verän-dern. Für den Rechnungsablauf ist die Kenntnis der momentanen Lage des Steifigkeitsmittelpunktes aber nicht erforderlich, da die seismische Kraft im Massenschwerpunkt angreift.

M

Mi+1

Mi

y

z

x ∆δi

(a) (b)

Abbildung 7-8: Dynamisches Ersatzsystem bei gleich bleibendem Geschoss (a) und mit variablen Geschossen (b)

Soll nun eine kombinierte Unregelmäßigkeit in Grund- und Aufriss berücksichtigt werden können (variable Geschosse), so sind als wesentliche Freiheitsgrade sowohl die in Erdbebeneinwirkung gerichtete Geschosstranslation Vi als auch -rotation ϕi des Geschosses i zu berücksichtigen, da neben der Querkraft Qi (Geschossschub) auch ein Torsionsmoment MT,i vom jeweiligen Geschoss i auf-genommen werden muss (Abbildung 7-9). Für die Dachgeschossebene ist das Moment gleich Null.

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- 118 werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode

Vi

VDach

ϕDach Q MT

QDach = PDach

Dach

i kk i

Q P=

= ∑

MT,Dach =0

ϕi

( )1 1

, 1

Dach Dach

T i k jk i j i

M P δ− −

+= =

= ⋅

∑ ∑

Abbildung 7-9: Geschossschub und -torsionsmoment

Bei Vorgabe der sukzessiv gesteigerten Dachverschiebung ∆Dach können bei itera-tiver Anpassung der Gebäudesteifigkeit und adaptiver Anpassung der modalana-lytisch berechneten Lastverteilung sowohl der Erdbebenfundamentschub Fb als auch die unbekannten Translations- und Rotationsfreiheitsgrade Vi und ϕi ermit-telt werden, analog zu (7.4):

11

1

221

21

0

0......

0

N

b iTii

DachDach

Dach

Vf

VfF F

f

ϕ

ϕ

ϕ

=

⋅ = ⋅ = ⋅

∑MΦ KΦ Mr

(7.8)

δi ist dabei die ebene Projektion des Abstandes zwischen den Massenmittelpunk-ten der Etagen i und i+1 orthogonal zur Erdbebenrichtung nach Abbildung 7-8. fi

sind die normierten Werte des Lastvektors F, dessen Betrag 1

N

ii

F=∑ gleich dem

Fundamentschub Fb ist. Die Verteilung der Erdbebeneinwirkung über die Gebäu-dehöhe erfolgt gemäß Gleichung (7.3).

Für die Bestimmung der globalen Sekantensteifigkeitsmatrix K werden die Frei-heitsgrade quer zur Erdbebenrichtung als unwesentliche Freiheitsgrade statisch kondensiert. Die Geschossdecken als starre Verbindungselemente werden mit dem wirksamen Hebelarm δi nach Abbildung 7-8 durch eine kinematische Kon-densation erfasst. Die globale Steifigkeitsmatrix K ist somit nur abhängig von den Sekantensteifigkeiten der einzelnen Geschosse, die sich jeweils aus den nachfolgenden vier Elementen zusammensetzt gemäß Abbildung 7-10:

, ,

, ,

VV i V ii

V i i

K KK K

ϕ

ϕ ϕϕ

=

K

(7.9)

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode 119

Vi

ϕi

Geschoss-Massenschwerpunkt

Projektion des Massenschwerpunkts

Abbildung 7-10: Makroelement eines Geschosses

Die Elemente der Geschosssteifigkeitsmatrix KVV, KVϕ, KVϕ, Kϕϕ können im Ge-gensatz zum Verfahren in Abschnitt 7.1.2 nicht aus der Geschosskapazitätskurve abgelesen werden, sondern sie müssen für jedes Geschoss i in jedem Berech-nungsschritt neu bestimmt werden. Dafür werden die zwei Verschiebungsgrößen der relativen Stockwerksverschiebung ∆Vi und -verdrehung ∆ϕi des vorherge-henden Berechnungsschrittes vorgegeben, so dass nun nicht ein doppeliterativer Algorithmus, wie in Abschnitt 7.1.1.1 beschrieben, durchgeführt werden muss, sondern es ist lediglich das Gleichgewicht des Geschosses in orthogonaler Rich-tung gefordert. Die Weggrößen werden abwechselnd inkrementell, aber mit pro-portionaler Steigerung auf das Geschoss aufgebracht. In Untersuchungsrichtung können dann die globale Reaktionskraft F∆V infolge der aufgebrachten Verschie-bung und die globale Reaktionskraft F∆ϕ infolge der aufgebrachten Verdrehung separat ermittelt werden. Gleiches erfolgt für das globale Reaktionsmoment, so dass die Elemente der aktuell vorliegenden Geschoss-Sekantensteifigkeitsmatrix wie folgt ermittelt werden können:

VVV

FKV∆=

∆: Kraft, nur infolge Verschiebung, pro aufgebrachte Verschiebung

V

FK ϕ

ϕ ϕ∆=

∆: Kraft, nur infolge Verdrehung, pro aufgebrachter Verdrehung

VV

MKVϕ∆=

∆: Moment, nur infolge Verschiebung, pro aufgebrachter Verschiebung

MK ϕ

ϕϕ ϕ∆=

∆: Moment, nur infolge Verdrehung, pro aufgebrachter Verdrehung

Berücksichtigt werden muss weiterhin eine eventuelle Vorschädigung des Mau-erwerks durch Erreichen des inelastischen Bereichs in vorhergehenden Berech-nungsschritten; d. h. die Steifigkeiten können nur kleiner werden oder maximal die Größe des vorherigen Berechnungsdurchgangs haben. Um auftretende Effek-te infolge geometrischer Nichtlinearität zu berücksichtigen, werden die Steifigkei-ten auf Grundlage der aktuellen Hebelarme δi und der aktuellen Lage der Wände berechnet.

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- 120 werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode

7.2 Iterative Ermittlung des Performance Point

7.2.1 Prinzip der äquivalenten viskosen Dämpfung Bei der Kapazitätsspektrum-Methode wird die seismische Beanspruchung, wie in Abschnitt 6.2 beschrieben, durch ein elastisches Antwortspektrum definiert, das der Norm, die der Berechnung zugrunde gelegt wird, entnommen werden kann. Der Einfluss der Energiedissipation infolge nichtlinearem Verhalten findet durch die Ermittlung einer äquivalenten elastischen Dämpfung ξeq und einer entspre-chenden Abminderung des elastischen Antwortspektrums Berücksichtigung. Die gesamte effektive viskose Dämpfung ξeff ergibt sich als Summe der viskosen Bauwerksdämpfung ξ0 und der äquivalenten viskosen Dämpfung ξeq infolge hysteretischen Verhaltens.

Bereits in Abschnitt 6.2.4 wurde kurz angemerkt, dass das im ATC-40 [8] be-schriebene iterative Verfahren zur Ermittlung des Performance Point Konver-genzprobleme aufweist. Ersetzt wird dies durch eine mit steigenden Spektralver-schiebungen fortlaufende Entwicklung des abgeminderten Bemessungsantwort-spektrums, die sich als sehr stabil erweist. Damit kann zu jeder Spektralver-schiebung ein unterschiedlich abgemindertes Spektrum und so ein kontinuierlich abgemindertes Antwortspektrum ermittelt werden (Abbildung 7-11).

ξ = 5%

9.5 %

8 %

9 %

ξ = 5 %

Sa

Sd

8% 9%9,5%

Performance Point

Kapazitätsspektrum

zu jeder Spektralverschiebung unterschiedlich abgemindertes Antwortspektrum

Abbildung 7-11: Zu jeder Spektralverschiebung unterschiedlich abgemindertes Ant-wortspektrum

Anstatt für einzelne ausgewählte Punkte wird für jedes Funktionswertepaar des Kapazitätsspektrums und jeweils fünf weitere dazwischenliegende Punkte ent-sprechend der in Kapitel 6.2.4 beschriebenen Weise (bilineare Approximation des Funktionsverlaufes) eine äquivalente viskose Dämpfung bestimmt, das angepass-te Antwortspektrum berechnet und der Schnittpunkt mit dem Kapazitätsspekt-rum durch Vergleich der Funktionswerte bestimmt. Befindet sich das Kapazitäts-spektrum noch im elastischen Bereich der Funktion, erfolgt keine Abminderung. Befindet sich das Kapazitätsspektrum im inelastischen Verformungsbereich, er-folgt eine Abminderung. Bei der bilinearen Approximation (Abbildung 6-6b) wird die Steigung der zweiten Geraden zu null begrenzt, so dass sich für einen abfal-

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode 121

lenden Verlauf der tatsächlichen Kapazitätskurve ein elasto-plastischer Ansatz ergibt.

Die Ermittlung des reduzierten vollständigen Bemessungsantwortspektrums erfolgt zunächst getrennt für alle eintretenden Versagenszustände des Gebäudes (Kapitel 5.7). Anschließend werden die voneinander unabhängigen Spektren zu einem gemeinsamen, für die Bemessung des Gebäudes maßgebenden Antwort-spektrum kombiniert.

7.2.1.1 Anpassung des materialabhängigen Dämpfungsverhaltens

Zyklische Belastungsversuche für Mauerwerkswände zeigen, dass sich der tatsächliche Verlauf der Hystereseschleifen von Mauerwerk erheblich von dem durch einen bilinearen Ansatz idealisierten Verlauf unterscheiden kann. Beson-ders deutliche Abweichungen vom idealisierten Verhalten ergeben sich für aus-geprägt inelastische Verformungen. In Abbildung 7-12 stellt die dick gestrichelte Linie den idealisierten Verlauf dar, die dick durchgezogene Linie entspricht dem tatsächlichen Verlauf.

Abbildung 7-12: Abweichung des hysteretischen Verlaufs von der idealisierten bili-nearen Annäherung [92]

Daher erfolgt eine Anpassung und Begrenzung des hysteretischen Dämpfungsan-teils ξeq durch den Korrekturfaktor κ in Abhängigkeit der Wandverformung. Die-ser entspricht dem Verhältnis zwischen der tatsächlichen Fläche der Hysterese-kurve und der Fläche der idealisierten Hysteresekurve. Verbleibt die Wand im elastischen Zustand, ist dieser Faktor gleich 1. Für das stark eingeschnürte Hystereseverhalten nimmt der Faktor nach Abschnitt 6.2.4 den Wert 0,33 an.

Die viskose Bauteildämpfung von Mauerwerk ist, wie es einige Literaturstellen aufzeigen, deutlich höher als die viskose Bauteildämpfung für Stahlbeton von 5 %. Nach der neuen DIN 4178 (2005) [33] wird die Dämpfung für Mauerwerk um 50 % höher als bei Stahlbeton angesetzt; in der alten DIN 4178 (1978) [32] sind es sogar 66 %. Bestätigt wird dies durch die Angaben in [77] und [97].

Programmtechnisch kann jeder im Bauwerk verhandenen Schubwand eine zugehörige Reduktionsfunktion zugewiesen werden, die den Korrekturfaktor κ in Abhängigkeit der Wandverformung beschreibt. Dadurch ist es möglich, die

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- 122 werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode

Energiedissipation infolge unterschiedlichen hysteretischen Verhaltens abhängig von der Versagensform zu berücksichtigen. In Abbildung 7-13 ist der näherungsweise bestimmte Verlauf einer solchen Funktion für die in Abbildung 7-12 dargestellten Hystereseschleifen abgebildet. Zum Vergleich ist die Funktion nach dem ATC-40 [8] eingetragen, die eine konservative Annahme darstellt.

0 2,5

1,0

5,5 6,2

genaue AuswertungATC 40

Anp

assu

ngsf

akto

r κ

Wandverformung [mm]

0,33

Abbildung 7-13: Abminderungsfunktion zur Anpassung des Dämpfungsverhaltens

Für jede Wand i ergibt sich im Allgemeinen ein unterschiedlicher Korrekturfaktor κi in Abhängigkeit der lokalen Wandverformung, die sich aus der globalen Sys-temverformung ergibt. Für das Gesamtkapazitätsspektrum des Bauwerks werden die einzelnen Faktoren proportional zur maximalen Dehnungsenergie ESo,i der jeweiligen Wand gewichtet (Abbildung 6-5). Mit (6.20) ergibt sich der für das Gesamtsystem äquivalente viskose Dämpfungswert zu:

0,0

0,

i S ieff eq

S i

EE

κξ ξ ξ

⋅= + ⋅ ∑

∑ (7.10)

Die Bestimmung und Anpassung der äquivalenten viskosen Dämpfung muss für jeden Verformungszustand des Systems erneut erfolgen, da sich für inelastische Verformungen die Verhältnisse der Wandverformungen untereinander ebenso verändern können, wie die Verhältnisse der Reduktionsfaktoren zueinander, wenn unterschiedliche Materialtypen oder Auflasten auf die Wände unterschied-liche Versagensformen des Mauerwerks hervorrufen.

7.2.2 Verwendung inelastischer Spektren

Alternativ zum Ansatz der äquivalenten viskosen Dämpfung soll der Ansatz eines inelastischen Antwortspektrums verfolgt werden. Zwischen den verschiedenen Ansätzen, die in Abschnitt 6.2.5 vorgestellt wurden, ergeben sich im Vergleich nur relativ geringe Differenzen [21]. Da der Ansatz nach Newmark und Hall weit verbreitet ist und für den größten Periodenbereich den konservativsten Ansatz darstellt, wird dieser für die Herleitung der inelastischen Spektren verwendet.

Die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Bestimmung des Performance Points entspricht dem bisher beschriebenen Verfahren, d. h. es werden ebenfalls mit steigenden Spektralverschiebungen fortlaufend die Spektralwerte des Antwort-spektrums ermittelt.

Die Ableitung des inelastischen Spektrums soll aus dem in der DIN 4149 [34] beschriebenen elastischen Antwortspektrum (Abschnitt 6.5) erfolgen. Darin wer-den die Kontrollperioden Tb und Tc in Abhängigkeit von den Untergrundverhält-nissen angegeben. Ta wird in der DIN 4149 vereinfachend zu null angenommen,

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode 123

der in dem Spektrum nach Newmark vorgesehene Bereich für Tn < Ta entfällt somit. Die Periode Tc ′ ergibt sich als Schnittpunkt der reduzierten Antwortspekt-ren für die Bereiche Tb < Tn < Tc und Tc < Tn < Td zu:

'2 1

ccT T T µµ

−= = (7.11)

Da der Ansatz von Newmark und Hall auf elasto-idealplastischem Bauwerksverhalten basiert, wird auch für die Bestimmung der Duktilität eine elasto-idealplastische Näherungsfunktion bestimmt (Abbildung 7-14).

uy1 um

uy1 um uy2

1

m

y

uu

µ = 1 2

min ,m m

y y

u uu u

µ

=

Abbildung 7-14: Entwicklung eines elasto-plastischen Funktionsverlaufs

Dabei darf aber die Duktilität µ des Systems nicht überschätzt werden. Der Funk-tionsverlauf wird auf der sicheren Seite so bestimmt, indem zunächst der Schnittpunkt berechnet wird, den die horizontale Gerade und die (den elasti-schen Bereich abbildende) Gerade durch den Ursprung bilden. Anschließend wird die Fläche zwischen wahrem Funktionsverlauf und der horizontalen Geraden berechnet. Ergibt sich eine negative Fläche und liegt damit der tatsächliche Funktionsverlauf überwiegend oberhalb der Geraden, wird die den plastischen Bereich repräsentierende Gerade so lange iterativ nach oben verschoben, bis sich die Fläche zu null ergibt. Auf diese Weise wird verhindert, dass die Duktilität µ zu hoch angesetzt wird.

7.2.3 Gegenüberstellung beider Verfahren

Für die beiden Ansätze zur Berücksichtigung der Energiedissipation infolge nicht-linearem Verhalten ergeben sich deutliche Unterschiede in den ermittelten Ant-wortspektren und damit deutliche Abweichungen der ermittelten Maximalverfor-mungen des Bauwerks. Auch bei den in [21] durchgeführten Vergleichsberechnungen zwischen dem im ATC-40 vorgeschlagenen Verfahren und der Benutzung von inelastischen Antwortspektren ergeben sich deutliche Unterschiede der Spektralverschiebungswerte und entsprechen tendenziell den hier dargelegten Ergebnissen [60]. Die Unterschiede im Funktionsverlauf der Antwortspektren lassen sich am bestem an einem vereinfachten, elasto-idealplastischen System verdeutlichen. Abbildung 7-15 zeigt ein Spektral-beschleunigungs-Spektralverschiebungsdiagramm, in dem zwei unterschiedliche Kapazitätsspektren mit gleicher maximaler elastischer Verformung, aber unter-schiedlichen Festigkeiten eingezeichnet sind.

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- 124 werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode

0.0

1.0

2.0

3.0

4.0

5.0

0 0.002 0.004 0.006 0.008

Spektralverschiebung [m]

Spek

tral

besc

hesc

hleu

nigu

ng [

m/s

²]

Kapazitätsspektren

inelastisches Antwortspektrum

abgemindertes Antwortspektrum mit Prinzip der äquiv. viskosen Dämpfung κ = 1,0 = const. κ = 0,33 = const. (ATC-40)

κ = 0,33

κ = 1,0

Spek

tral

besc

hesc

hleu

nigu

ng [

m/s

²]

Abbildung 7-15: Vergleich der Verfahren zur Berücksichtigung des Dämpfungsverhal-tens

Für beide Kapazitätsspektren ergeben sich die gleichen abgeminderten Antwort-spektren. In Abbildung 7-15 sind die abgeminderten Antwortspektren nach dem Prinzip der äquivalenten viskosen Dämpfung für κ = 1,0 und κ = 0,33 und zu-sätzlich das inelastische Antwortspektrum dargestellt. Im Bereich kleinerer Spektralverschiebungen und damit kleinerer Duktilitätswerte sind die Spektralbe-schleunigungswerte, die sich unter Benutzung von inelastischen Antwortspektren ergeben, größer als bei der Anwendung der Methode der äquivalenten viskosen Dämpfung, so dass für den Nachweis der Tragfähigkeit eine größere Kapazität und damit eine höhere Duktilität des Gebäudes gefordert werden muss. Für Bereiche größerer Spektralverschiebungen sind die Spektralbeschleunigungswer-te des inelastischen Antwortspektrums wesentlich kleiner. Damit ergeben sich kleinere Spektralverschiebungen des Bauwerks. Für eine Bemessung bedeutet dies, dass eine kleinere Duktilität gefordert wird als mit dem Prinzip der äquiva-lenten viskosen Dämpfung.

Auch wenn dieses Beispiel nicht Allgemeingültigkeit besitzt, wird im Folgenden das Prinzip der äquivalenten viskosen Dämpfung mit einem Korrekturfaktor von κ = 0,33 angewendet, da in diesem Fall der Performance Point für alle Spektral-verschiebungen konservativ abgeschätzt wird (Abbildung 7-15).

7.3 Berücksichtigung der normativen Anforderungen

Der Nachweis der Standsicherheit für Mauerwerksbauten setzt sich aus den Nachweisen der Tragfähigkeit und der Gebrauchstauglichkeit zusammen.

Um diese Nachweise mit dem verformungsbasierten Konzept auf Grundlage der Kapazitätsspektrum-Methode führen zu können, ist es notwendig, die normativen Anforderungen hinsichtlich der zu berücksichtigenden Massenanteile aus verän-derlichen Vertikallasten, der ungewollten Torsionseffekte und der Richtung der Erdbebeneinwirkung zu berücksichtigen.

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode 125

7.3.1 Zu berücksichtigende Massen Die in dem Verfahren anzusetzenden Trägheitsmassen werden unter Berücksich-tigung der in Abschnitt 5.5 der DIN 4149 [34] spezifizierten Vertikallasten ermit-telt und sind direkt bei der Berechnung der Kapazitätskurve und des Kapazitäts-spektrums zu berücksichtigen.

∑ ∑ ⋅+ kiEikj QG ψ"" (7.12)

Damit ergeben sich die anzusetzenden Massen aus dem Eigengewicht der De-cken, der Wände und dem normativ festgelegten Anteil ψEi der mitwirkenden Massen aus den Verkehrslasten. ψEi ergibt sich aus dem Produkt des Gebäude- und stockwerksabhängigen Beiwerts φ mit dem Kombinationsbeiwert ψ2 nach DIN 1055-100 [31].

7.3.2 Unplanmäßige Torsionswirkungen

Die planmäßigen Torsionswirkungen werden in dem Verfahren automatisch bei der Berechnung der Kapazitätskurve erfasst. Dagegen müssen unplanmäßige Torsionswirkungen, die sich aus der Lageungenauigkeit der Massen und der räumlichen Veränderlichkeit der Erdbebenbewegung ergeben, zusätzlich bei der Ermittlung der Kapazitätskurven berücksichtigt werden. Dazu wird der Massen-schwerpunkt gegenüber seiner planmäßigen Lage in jeder Richtung um eine zufällige Exzentrizität e1i verschoben:

1 0,05i ie L= ± (7.13)

wobei Li die Geschossabmessungen senkrecht zur Einwirkungsrichtung sind (Abbildung 7-17).

7.3.3 Kombination der Erdbebeneinwirkung

Die horizontale Erdbebeneinwirkung wird durch zwei zueinander orthogonale Komponenten beschrieben, die als gleichzeitig wirkend zu betrachten sind, und zwar in Richtung und orthogonal zur maßgebenden Richtung. Die Bestimmung der maßgebenden Richtung wird in Abschnitt 7.3.3.1 vorgestellt. Die Richtung der Erdbebeneinwirkungen wird als konstant angenommen. Die Kombination der Schnittgrößen kann entweder durch die Quadratwurzel der Quadratsumme oder mit Hilfe der folgenden Kombinationsregel durchgeführt werden (DIN 4149, Abschnitt 6.2.4):

0,30Edx EdyE E⊕ ⋅ bzw. 0,30 Edx EdyE E⋅ ⊕ , (7.14)

wobei EEdx und EEdy die sich infolge der Erdbebenlast ergebenden Zustandsgrö-ßen in x- bzw. y-Richtung sind. Der Operator ⊕ bedeutet „zu kombinieren mit”. Diese Kombinationsregel für die orthogonal wirkenden Erdbebenkomponenten kann in den Berechnungsablauf zur Bestimmung der Kapazitätskurve integriert werden. Bei der iterativen Ermittlung des Kräftegleichgewichts (Abschnitt 7.1.1.1) muss lediglich gefordert werden, dass die Summe der in senkrechter Richtung aktivierten Kräfte 30 % der aufnehmbaren Kraft in Hauptrichtung be-trägt.

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- 126 werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode

F

0,3⋅F

M S

Abbildung 7-16: Entwicklung der Kapazität unter Einbeziehung der orthogonal wirkenden Erdbebenlast

Deutlich gemacht werden kann dies anhand des in Abbildung 7-16 dargestellten Grundrisses. Während sich das System ohne Einbeziehung der orthogonalen Belastung rein translatorisch verformen würde, resultiert aus der zusätzlichen Last neben einer Verschiebung in Richtung der Querachse auch eine Verdrehung des Systems, die wiederum zu einer Absenkung der Kapazität in der nachzuwei-senden Hauptbelastungsrichtung führt.

Aufgrund der nichtlinearen Kapazitätsverläufe der Wände kann eine orthogonal wirkende Last durch die Verschiebung des Steifigkeitszentrums auch einen güns-tigen Einfluss auf die erste versagende Wand haben. Deshalb ist es erforderlich, die orthogonale Last in beide Richtungen getrennt zu untersuchen.

Da die ungünstigste Position des Massenschwerpunktes vorab nicht bestimmt werden kann, ist es zudem notwendig, die zufälligen Massenexzentrizitäten in alle Richtungen anzusetzen, so dass sich vier zu untersuchende Positionen des Massenschwerpunktes ergeben. Zusammen mit den jeweils zwei unterschiedli-chen Laststellungen der orthogonal in jede Richtung zusätzlich angreifenden Erdbebenlast ergeben sich somit acht zu untersuchende Einwirkungskombinatio-nen für jede der beiden Bemessungsachsen (Abbildung 7-17).

L2

L1

M

0,3·F

0,3·F

F e12

e11

L1

x

y

L2 Mi

ϕ2

ϕ1

Abbildung 7-17: Ansatz der orthogonalen Erdbebenlasten und Massenexzentrizitäten

Die Positionen der verschobenen Massenschwerpunkte im globalen Koordinaten-system ergeben sich aus den Winkeln der Lastangriffsachsen und den Abmes-sungen des Bauwerks und können für alle vier Positionen der exzentrischen Massenschwerpunkte entsprechend der Vorgehensweise der hier für die erste Position angegebenen Formeln ermittelt werden:

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode 127

( ) ( )( ) ( )

1 1 1 2 2

1 1 1 2 2

0,05 cos 0,05 cos0,05 sin 0,05 sin

M M

M M

x x L Ly y L L

ϕ ϕϕ ϕ

= + ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅= + ⋅ ⋅ + ⋅ ⋅

(7.15)

7.3.3.1 Bestimmung der maßgebenden Achsen

Die Tragwerkskapazität eines Gebäudes, die durch die Kapazitätskurve quantifi-ziert wird, ist richtungsabhängig. Deshalb ist es erforderlich, die für den Nach-weis der Gebäudestandsicherheit maßgebenden Lastangriffsrichtungen des Erd-bebens zu bestimmen.

Die Ersatz-Erdbebenlast greift nicht im Steifigkeitsmittelpunkt an, sondern im Massenschwerpunkt des Systems. Ist eine Ausmitte (= Hebelarm zwischen Steifigkeitszentrum und Massenmittelpunkt) vorhanden, weicht die zur Bemessung maßgebende schwächste und steifeste Achse von den Hauptachsen des Anfangs-Steifigkeitsmittelpunktes ab. Geführt wird der Nachweis in beide Richtungen. Zwar wird für die meisten realitätsnahen Systeme der Nachweis in der schwachen Achse des Bauwerks maßgebend werden, für Bauwerke mit sehr unterschiedlichen Duktilitätseigenschaften in den wesentlichen Bemessungsach-sen, zum Beispiel aufgrund der Verwendung unterschiedlicher Mauerwerkstypen, kann aber auch die Achse mit hoher Steifigkeit für den Nachweis relevant wer-den.

Die maßgebenden Achsen werden im unverformten, elastischen Anfangszustand des Systems bestimmt. Dazu werden zunächst die bekannten, sich aus den Ka-pazitätskurven der Wände ergebenden, elastischen Steifigkeiten der Wandschei-ben bestimmt. Daraus leiten sich die Steifigkeitswerte in den beiden globalen Koordinatenachsen wie folgt ab:

( )( )

2, ,

2, ,

cossin

i x i el

i y i el

k kk k

αα

= ⋅= ⋅

(7.16)

wobei α den Winkel zwischen Wandachse und globaler x-Achse angibt. Aus den Steifigkeitswerten in beiden Achsen und der Lage der Wandscheiben lässt sich der Steifigkeitsmittelpunkt des Gesamtsystems wie folgt berechnen:

,

,

i y ix

i y

k xS

k⋅

= ∑∑

, ,

,

i x iy

i x

k yS

k⋅

= ∑∑

. (7.17)

Für die Festlegung der für die Nachweise maßgebenden Erdbebenangriffsrich-tungen ist, wie erwähnt, der Widerstand des Systems gegenüber einer Massen-schwerpunktverschiebung maßgebend. Die Verschiebung des Massenmittelpunk-tes infolge einer dort angreifenden Last F kann in Abhängigkeit des Lastangriffswinkels ϕ wie folgt bestimmt werden.

( ) ( )2 2 2

, ,

cos sinM mi x i y m

F F Fd rk k k

ϕ ϕ= + +∑ ∑

(7.18)

Dabei gibt km die Rotationssteifigkeit des Systems und rm den Hebelarm für die angreifende Last bezüglich des Steifigkeitsmittelpunktes an. km berechnet sich zu:

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- 128 werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode

2,m i el ik k r= ⋅∑ (7.19)

ri steht für den Hebelarm der Wandscheibe i zum Steifigkeitsmittelpunkt S. Der Hebelarm rm zur Berechnung der Verschiebung des Massenmittelpunktes ergibt sich in Abhängigkeit von dem Winkel ϕ. Die Formel hierfür lautet für ∆x > 0 und ∆y > 0:

2 2 sin arctanmyr x yx

ϕ ∆ = ∆ + ∆ ⋅ − ∆ (7.20)

mit

M S

M S

x x xy y y

∆ = −∆ = −

(7.21)

Die maßgebenden Richtungen des Erdbebenangriffs ergeben sich als diejenigen, in deren Richtung eine angesetzte Kraft F die geringste und die größte Verfor-mung verursacht. Diese beiden Richtungen liegen stets orthogonal zueinander.

7.3.3.2 Bestimmung der elastischen Anfangssteifigkeit

Für die Bestimmung der elastischen Anfangssteifigkeit ist es erforderlich, eine gemittelte Anfangssteigung der Kapazitätsfunktion im elastischen Bereich zu definieren. Zu berücksichtigen ist dabei eine mögliche Streuung der Funktions-werte, die die Bestimmung alleine anhand der ersten Funktionswerte unzurei-chend macht.

inelastischer Bereichelastischer Bereich

Verschiebung

Kraf

t

Abbildung 7-18: Bestimmung der elastischen Steifigkeit

Dazu wird zunächst die gemittelte Steigung der Geraden durch die ersten drei Funktionswertepaare bestimmt. Falls sich weitere Punkte oberhalb dieser Gera-den befinden, werden weitere Funktionswertepaare in die Berechnung der Stei-gung einbezogen. Für den gesamten elastischen Bereich gilt sie als bestimmt, wenn sich oberhalb der auf diese Weise ermittelten Geraden keine Funktionswer-te mehr befinden, die nicht bereits in die Steigungsermittlung eingegangen sind. In Abbildung 7-18 stellt die durchgezogene Linie die gemittelte Anfangssteifigkeit dar. Die gestrichelte Linie repräsentiert den Steigungsverlauf, der sich aus der Mittlung der ersten drei Funktionswerte ergibt.

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode 129

Der Bestimmung der elastischen Steifigkeit fällt eine große Bedeutung zu, da auf diese Weise auch der Duktilitätsfaktor des Systems bestimmt und damit bei Verwendung von inelastischen Antwortspektren der sich ergebende Abminde-rungsfaktor für das elastische Antwortspektrum beeinflusst wird.

7.3.4 Nachweis der Tragfähigkeit

Der Nachweis der Tragfähigkeit ist erbracht, wenn ein „Performance Point” exis-tiert, ohne dass es zu einem Wandversagen kommt, und zwar für alle Einwir-kungskombinationen, die sich für die unterschiedlichen zu untersuchenden Posi-tionen des Massenschwerpunktes und die verschiedenen Kombinationen der Lastangriffsrichtungen ergeben.

Die globale Sicherheit eines Nachweises ist abhängig von den Sicherheitsreser-ven auf der Einwirkungsseite und auf der Widerstandsseite. Auf der Einwirkungs-seite werden diese indirekt über die festgelegte Widerkehrperiode des Bemes-sungserdbebens und über die Bedeutungskategorie des Bauwerks definiert. Ansonsten hängt die globale Sicherheit bei dem hier vorgestellten Verfahren nur von den Sicherheitsreserven ab, die in den Kapazitätskurven der Wände enthal-ten sind. Um direkt die Last-Verformungskurven verwenden zu können, die aus Versuchen oder mit Hilfe numerischer Berechnungen ermittelt worden sind, können im Programm globale Sicherheitsbeiwerte eingegeben werden, über die die Kapazitäten der Schubwände zum einen bezüglich ihrer Verformung und zum anderen bezüglich ihrer Tragfähigkeit reduziert werden. Dabei können für beide Achsen des Last-Verformungsdiagramms voneinander unabhängige Faktoren angegeben werden.

7.3.5 Nachweis der Gebrauchstauglichkeit

Für den Nachweis einer Gebrauchstauglichkeit, wie es im Rahmen eines „Perfor-mance”-basierten Bemessungsansatzes gebraucht wird, kann die maximale rela-tive Stockwerksverschiebung aus der Spektralverschiebung des Performance Points berechnet werden. Er ist erbracht, wenn die größte Verformung einer Wandscheibe die zulässige Verschiebung, die sich aus der zerstörungsfreien Verformbarkeit aller nichtstrukturellen Elemente wie Fenster, Türrahmen oder Versorgungsleitungen ergibt, nicht überschreitet.

In der DIN 4149 [34] wird auf den Nachweis der Gebrauchstauglichkeit verzich-tet. Im Eurocode 8 [37] wird dieser Nachweis gefordert, und zwar für dasselbe Spektrum mit dem auch der Tragfähigkeitsnachweis geführt wird, wobei die berechneten Verschiebungen dann um einen Faktor ν abgemindert werden dür-fen, der eine kleinere Wiederkehrperiode des für den Gebrauchstauglichkeits-nachweis anzusetzenden Erdbebenereignisses berücksichtigt. Dieses Vorgehen verzichtet somit auf einen vollständig neuen Nachweis mit verändertem Antwort-spektrum. In Abhängigkeit der vorhandenen nicht-strukturellen Elemente im Bauwerk werden die Beschränkungen wie folgt festgelegt:

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- 130 werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode

0,005rd hν⋅ ≤ ⋅ für Bauwerke mit spröden nicht-strukturellen Elementen (7.22)

0,0075rd hν⋅ ≤ ⋅ für Bauwerke mit duktilen nicht-strukturellen Elementen (7.23)

0,01rd hν⋅ ≤ ⋅ für Bauwerke mit weitgehend entkop-pelten nicht-strukturellen Elementen (7.24)

Dabei ist h die Stockwerkshöhe und dr die maximale, horizontale Bauteilverfor-mung. Für den Faktor ν werden im Eurocode 8 [37] Werte von 0,4 für Gebäude der Bedeutungskategorie I und II und 0,5 für Bauwerke der Kategorien III und IV vorgeschlagen.

Beurteilt werden kann der zu erwartende Schädigungsgrad des Gebäudes zusätz-lich mittels der Klassifizierungsvorgaben für Mauerwerksbauten entsprechend der European Macroseismic Scale 1998 [53]. In dieser Klassifikation werden fünf Schadensgrade für Mauerwerksbauten angegeben:

• Schadensgrad D1: unwesentlicher bis geringer Schaden

• Schadensgrad D2: mäßiger Schaden

• Schadensgrad D3: beträchtlicher bis schwerer Schaden

• Schadensgrad D4: sehr schwerer Schaden

• Schadensgrad D5: Zerstörung

Der erste Schadensgrad beschreibt also Bauwerke ohne wesentliche strukturelle Schäden infolge Erdbebeneinwirkung. Dieser Zustand wird für alle Gebäude angenommen, die sich während des Erdbebenereignisses ausschließlich in ihrem elastischen Bereich verformen. Für eine Lage des Performance Points zwischen dem elastischen Bereich und erstem Wandversagen werden die Schädigungsgra-de zwei bis drei angegeben. Sobald eine Wand versagt, beginnt der Schadengrad D4. D5 wird Systemen zugeordnet, bei denen kein Performance Point ermittelt werden kann und somit das System vollständig versagt.

7.4 Praxisorientierte Umsetzung des Verfahrens Der verformungsbasierte Nachweis auf Grundlage der Kapazitätsspektrum-Methode kann durch eine programmtechnische Umsetzung sehr gut automati-siert werden.

Das entwickelte Programm „M-DESIGN”, das die Durchführung des Nachweises von Mauerwerksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode unterstützt, setzt sich aus folgenden Modulen zusammen:

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode 131

Eingabemodul - Eingabe allgemeiner Gebäude- und Erdbebendaten - Automatische Ermittlung der Antwortspektren nach DIN 4149 - Eingabe der Grundrissgeometrie eines Geschosses - Eingabe der Wandscheiben mit Zuordnung des Mauerwerkstyps

Berechnungsmodul - optional: Vereinfachter Nachweis nach DIN 4149

- Bestimmung der Lasteinzugsflächen für jede Wand

- Zugriff auf die Datenbank: Ermittlung der Kapazitätskurven für jede Wand mit Interpolationsalgorithmen

- Berechnung zufälliger Masseexzentrizitäten

o Berechnung der maßgebenden Richtung o Ermittlung der Kapazitätskurve des Erdgeschosses o Umwandlung in ein Kapazitätsspektrum o Ermittlung eines Antwortspektrums o Schnittpunkt des Kapazitätsspektrums mit dem

Antwortspektrum o Übergabe der neuen Geometrie (bei Wandversagen)

Ausgabemodul - Grafische Kontrolle der Eingaben - Darstellung der Überlagerung im Sa-Sd-Diagramm - Gebrauchstauglichkeitsnachweis - optional: Protokoll des vereinfachten Nachweis

Abbildung 7-19: M-DESIGN: Programmmodule und Ablauf

7.4.1 Eingabeoberfläche Die Eingabe sämtlicher Daten erfolgt über eine benutzerfreundliche, graphische Oberfläche, wie sie in Abbildung 7-20 zu sehen ist. Sie ist in drei Bereiche aufge-teilt. Der größte Teil des Fensters wird von dem Zeichenbereich des Grundrisses eingenommen. Links davon befindet sich der Eingabebereich für allgemeine Gebäudedaten, unterhalb befinden sich die Registerkarten für die Grundrissein-gabe.

Abbildung 7-20: M-DESIGN: graphische Eingabeoberfläche

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- 132 werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode

Zuerst sind vom Benutzer die allgemeinen Angaben zum Gebäude in den einzel-nen Untermenüs einzugeben (Abbildung 7-21).

Abbildung 7-21: M-DESIGN: Untermenüs

Das standortspezifische Antwortspektrum wird gemäß DIN 4149 [34] automa-tisch generiert in Abhängigkeit des aus einer Datenbank ausgewählten Stand-orts. Danach erfolgt die Eingabe der Grundrisskonfiguration unter Berücksichti-gung von Deckenaussparungen, der Wandabmessungen und der Zuordnung mit einem in der angeschlossenen Datenbank vorliegenden Mauerwerkstyp.

Sind alle Eingaben durchgeführt, kann optional ein vereinfachter Nachweis auf Grundlage der konstruktiven Regelungen der DIN 4149 durchgeführt werden (Abbildung 7-22, vergleiche Abschnitt 6.5).

Abbildung 7-22: M-DESIGN: Vereinfachter Nachweis durch Einhaltung konstruktiver Regeln nach DIN 4149, Abschnitt 11.6

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode 133

Der rechnerische Nachweis erfolgt auf Grundlage des neuen verformungsbasier-ten Bemessungsverfahrens. Dazu werden zunächst die Lasteinzugsflächen der einzelnen Wände berechnet. Die sich daraus ergebende Wandauflast wird benö-tigt, um in einer hinterlegten Datenbank die richtige Kapazitätskurve zu finden. In dieser Datenbank sind die im Vorhinein ermittelten Kapazitätskurven der ein-zelnen Wände in Abhängigkeit vom Mauerwerkstyp, den Wandgeometrieverhält-nissen h/l und den vertikalen Auflasten q abgelegt (Abbildung 7-23). Kurven, deren Eingangswerte nicht mit denjenigen der Datenbank zusammenfallen, wer-den mittels geeigneter Interpolationsalgorithmen aus benachbarten Kurven er-zeugt. Voraussetzung hierfür ist eine genügend große Dichte der in der Daten-bank belegten Felder.

Verhältnis h/l = 2,0

Kapazitätskurve: qi

∆v Fb

q Verhältnis h/l = 1,3

Kapazitätskurve: qi

∆v

Fb

q

Interpolation

l

q

Abfrage

h

Datenbank Abbildung 7-23: Datenbankzugriff

Bei dem vorgestellten Nachweisverfahren können auch ohne weitere Modifikati-on der Programmstruktur statt der Kapazitätskurven unbewehrter Wände Kurven aus bewehrtem, verstärktem oder eingefasstem Mauerwerk eingesetzt werden. Dafür müssen nur die notwendigen Kapazitätskurven in der Datenbank bereitge-stellt werden.

Liegen die Kapazitätskurven der Einzelwände vor, erfolgt die Berechnung der Gebäudekapazitätskurve (bei jedem Wandversagen wird diese jeweils für die im Bauwerk verbleibenden Wände neu berechnet), die Transformation in das Spektralbeschleunigungs-Spektralverschiebungsdiagramm und die Überlagerung mit dem Antwortspektrum. Dies erfolgt, wie in Abschnitt 7.3.3 beschrieben, für alle vier möglichen Lagen der Massepunkte, jeweils in Richtung der starken und in Richtung der schwachen Achse. Der Nachweis der Tragfähigkeit ist erbracht, wenn für jede Kombination ein Performance Point existiert, ohne dass es zu einem Wandversagen kommt. Im Anschluss an diese Schleife werden die be-rechneten Ergebnisse in einem Berechnungsprotokoll in übersichtlicher Form ausgegeben.

7.4.2 Bestimmung der Lasteinzugsflächen Für die Bestimmung der Kapazitätskurve einer Wand wird die zugehörige Wan-dauflast benötigt, die sich aus der Lasteinzugsfläche der Decke und der Wandlast der darüber liegenden Wände ergibt. In dem Programm ist eine automatisierte

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- 134 werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode

Berechnung der Lasteinzugsfläche nach rein geometrischen Gesichtspunkten integriert, d. h. es wird davon ausgegangen, dass die Deckenlast von der geo-metrisch nächstgelegenen tragenden Wand aufgenommen wird. Vorausgesetzt wird eine konstante Verteilung von Eigengewicht und Verkehrslast über die Ge-schossdecke. Für Systeme, bei denen dieser vereinfachte Ansatz unzureichend erscheint, erlaubt das Programm die direkte Eingabe der Wandauflasten durch den Anwender.

Die Geometrie der Decke wird durch einen Randpolygonzug und gegebenenfalls auch durch Polygonzüge, die Öffnungen in der Decke beschreiben, bestimmt. Der Berechnungsablauf zur Bestimmung der Lasteinzugsflächen gliedert sich in folgende Punkte:

1. Ein zur Untersuchung der Lastverteilung relevanter Bereich wird im globa-len Koordinatensystem aus den maximalen x- und y-Koordinaten bestimmt und in finitesimal kleine, quadratische Flächeninkremente aufgeteilt.

2. Für jedes Flächeninkrement wird geprüft, ob es Teil der Deckenfläche ist. Dazu wird die Anzahl der Schnittpunkte zwischen der direkten Verbindungslinie zwischen dem Inkrementmittelpunkt und einem außerhalb des Polygons liegenden Punkt und beliebigen Polygonabschnitten von Rand- oder Öffnungspolygonen (Abbildung 7-24a) bestimmt. Für eine ungerade Anzahl von Schnittpunkten liegt der Mittelpunkt des Inkrementes innerhalb des Bereichs der Decke. Besonders beachtet werden muss bei der Ermittlung der Schnittpunktanzahl die an einem Polygonabschnitt tangential anliegenden Verbindungslinien.

x

y

-10,-10

x

y

(a) (b)

Abbildung 7-24: Zuordnung der Flächeninkremente zum Deckenbereich (a) und Ab-standsbestimmung (b)

3. Liegt nun ein Flächeninkrement innerhalb des Deckenbereichs, werden die Abstände des betrachteten Inkrementes zu allen Wandscheiben des Sys-tems ermittelt (Abbildung 7-24b). Der kürzeste Abstand eines Punktes zu einer Wand kann dabei entweder durch eine Orthogonale zur Wandachse durch den Punkt oder durch die Verbindungslinie zwischen dem Koordina-tenpunkt und dem Eckpunkt der Wand bestimmt sein (Abbildung 7-25a).

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode 135

Abbildung 7-25: Bestimmung der maßgebenden Wandscheibe (a) und der Wider-stände (b)

4. Ist die direkte Verbindung zwischen Flächeninkrement und einer Wand nicht zulässig, da zum Beispiel die Verbindungslinie eine Deckenöffnung schneidet (Abbildung 7-25, gestrichelte Linie) und ist außerdem die Länge dieser nicht zulässigen Verbindungslinie kleiner als die Länge der kürzes-ten zulässigen direkten Verbindung, so wird der kürzeste zulässige Lastab-tragungsweg mit Hilfe des Algorithmus nach Dijkstra [122] ermittelt.

Der Algorithmus nach Dijkstra ermittelt für eine beliebige Anzahl von Stationen und bekannten Widerständen zwischen den Stationen den günstigsten Pfad. Die Widerstände entsprechen hierbei den Abständen zwischen zwei Punkten und werden mit unendlich belegt, falls keine direkte Verbindung möglich ist. Anhand eines fiktiven Beispiels soll der Algorithmus erläutert werden.

9

2 5

2

2

4

2

1

A

B

C

D E

F

A B C D E F 1. A - 1,A 2,A ∞ ∞ ∞ 2. B - 1,A 2,A 5,B ∞ ∞ 3. C - 1,A 2,A 4,C 7,C 11,C 4. D - 1,A 2,A 4,C 6,D 11,C

(a) (b)

Abbildung 7-26: Funktionsweise des Dijkstra-Algorithmus [122] zur Pfadsuche

In Abbildung 7-26a sind die sechs Knoten A bis F dargestellt mit allen möglichen direkten Verbindungen und den zugehörigen Widerständen. Alle anderen Verbin-dungen sind mit einem unendlich großen Widerstand belegt. Neben dieser Wi-derstandsmatrix benötigt der Algorithmus nach Dijkstra lediglich ein Feld der Größe n (Anzahl der Punkte) zur Ergebnisablage. Jedes Feld ist dabei mit einem Widerstandswert und einem Zeiger belegt. Der Widerstandswert gibt dabei den Widerstand (Abstand) zum Ausgangspunkt an, während sich am Zeiger der Pfad des kürzesten Widerstands zurückverfolgen lässt.

Gesucht ist in diesem Beispiel der Pfad A-E. In Abbildung 7-26b ist der Inhalt dieses Feldes für die verschiedenen Schritte des Algorithmus dargestellt. Die erste Spalte zeigt die Nummer des Arbeitsschrittes und den aktuellen Quellkno-ten, der die Position angibt, auf den sich die Berechnung der Widerstände in diesem Arbeitsschritt bezieht. Ausgehend vom Anfangspunkt A werden in einem ersten Schritt für die Knoten B bis F die Widerstände zu A aus der Widerstands-

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Kapitel 7: Verformungsbasierte Bemessung von Mauer- 136 werksbauten mit der Kapazitätsspektrum-Methode

matrix herausgelesen und in dem Ergebnisfeld abgelegt. Für alle Widerstände, die kleiner sind als unendlich, wird außerdem die Quelle der betrachteten Ver-bindung gespeichert (A). Fortgesetzt wird der Ablauf des Algorithmus an dem Punkt mit dem bisher kleinsten Widerstand zu A (B), der im nächsten Arbeits-schritt des Algorithmus als Quelle betrachtet wird. Für diesen Arbeitsschritt wer-den nun alle Verbindungen zwischen B und allen bisher nicht als Quelle betrach-teten Knoten untersucht (C-F). Der Widerstand jedes Zielknotens zu A ist dabei die Summe aus dem Widerstand des Quellknotens zu A (für B: 1) und dem Wi-derstand zwischen den beiden betrachteten Knoten. Ist dieser Widerstand für einen Zielknoten geringer als der im Ergebnisfeld eingetragene, wird der Wert ersetzt und als Zeiger der aktuelle Quellknoten angefügt (hier für Knoten D). Dieser Prozess wird für die weiteren Knoten als Quellknoten fortgesetzt, bis der Zielknoten (E) erreicht wird. Zu diesem Zeitpunkt kann der Ablauf unterbrochen werden, auch wenn gegebenenfalls weitere Knoten (F) noch nicht in den Prozess eingebunden worden sind.

(a) (b)

Abbildung 7-27: Verteilung der Auflasten auf die Wandscheiben für eine Decke (a) ohne bzw. (b) mit Aussparung

In Abbildung 7-27 sind für zwei Beispiele unterschiedlicher Deckensysteme, einmal mit und einmal ohne Aussparung, die sich ergebende Zuordnung gra-phisch dargestellt.

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Kapitel 8: Anwendungsbeispiele 137

8. Anwendungsbeispiele In diesem Kapitel wird die entwickelte verformungsbasierte Bemessungsmethode auf zwei praxisübliche Bauwerke angewendet. Eine Übersicht über die in diesem Kapitel vorgestellten Beispiele und der untersuchten Effekte zeigt Tabelle 8-1.

Tabelle 8-1: Übersicht der vorgestellten Beispiele und der untersuchten Effekte

Abschnitt

Beispiel 1: Reihenhaus

Vergleich des vereinfachten Ansatzes (Abschnitt 7.1.1) mit genauerem Ansatz (Abschnitt 7.1.2)

Einfluss der Stockwerksanzahl

Einfluss höherer Moden

Vergleich mit dem Antwortspektrenverfahren

8.1

Ableiten des Verhaltensbeiwerts q 8.2

Untersuchte Effekte

Validierung durch nichtlineare Zeitverlaufsbe-rechnung 8.3

Beispiel 2: Freistehendes Gebäude

Unregelmäßigkeit im Grundriss Untersuchte Effekte Unregelmäßigkeit im Aufriss

8.4

8.1 Überprüfung der Standsicherheit eines Reihenhauses im Erdbebenfall

In diesem Abschnitt soll das entwickelte Verfahren anhand eines Reihenhauses erläutert werden. Die zwei Genauigkeitsstufen des entwickelten verformungsba-sierten Verfahrens (vereinfachter und genauer Ansatz nach Abschnitt 7.1.1 und 7.1.2) werden miteinander verglichen und der Einfluss höherer Eigenformen bewertet. Die Ergebnisse der verformungsbasierten Bemessungsmethode wer-den schließlich denen der linear elastischen Bemessung nach dem Antwortspekt-renverfahren gegenübergestellt.

8.1.1 Beschreibung des Gebäudes

Untersucht wird ein für Deutschland typisches, dreistöckiges Reihenhaus mit den Abmessungen von 6,5 m x 13,0 m und einer lichten Stockwerkshöhe von 2,50 m [84] (Abbildung 8-1).

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138 Kapitel 8: Anwendungsbeispiele

Bad

Essen

Wohnen

Küche y

x

W2

W2

W1

Abbildung 8-1: Reihenhaus-Grundriss

Das Eigengewicht der Decken beträgt 5 kN/m². In y-Richtung ist das Gebäude durch zwei durchgängige Außenwände ausgesteift, die eine ausreichende Stabili-tät des Gebäudes in dieser Richtung gewährleisten. Der seismische Nachweis wird daher nur in x-Richtung geführt. In dieser Richtung sind vier 1,25 m lange Außenwände (W2) und zwei 2,50 m lange Innenwände (W1) achsensymmetrisch angeordnet. Alle Wände bestehen aus Hochlochziegeln (HLZ 12/IIa). Eine zufäl-lige Ausmitte wird im Rahmen dieser Untersuchung nicht berücksichtigt, da tor-sionale Bewegungen des Gebäudes durch die sehr steifen Längswände in y-Richtung verhindert werden. Außerdem wird durch die Vernachlässigung von Ausmitten ein direkter Vergleich zwischen der Kapazitätsspektrum-Methode und dem Antwortspektrenverfahren möglich.

8.1.2 Kapazitätskurven

Die Kapazitätskurven der Einzelwände sind direkt aus den Versuchsergebnissen der zyklischen Schubwandversuche der Universität Dortmund entnommen wor-den [92]. Diese werden aus den Umhüllenden der zyklischen Last-Verformungskurven durch Mittelung der Kurven in negative und in positive Rich-tung ermittelt. Die Versuchsergebnisse und die verwendeten Pushover-Kurven der Einzelwände W1 und W2 sind in Abbildung 8-2 dargestellt.

0

20

40

60

80

100

120

140

0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8

neg. Umhüllende

pos. Umhüllende

Mittelwert

0

10

20

30

40

50

60

0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1

pos. Umhüllende

neg. Umhüllende

Mittelwert

(a): Wand W1 (b): Wand W2

Abbildung 8-2: Ermittlung der Pushover-Kurven aus zyklischen Schubwandversuchen an Wänden aus Hochlochziegeln

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Kapitel 8: Anwendungsbeispiele 139

Die Gesamt-Kapazitätskurve des Erdgeschosses ergibt sich aufgrund der Sym-metrie durch einfache Superposition der Einzelkapazitätskurven.

0

100

200

300

400

500

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1

Verschiebung [cm]

Schu

bkra

ft [k

N]

Kapazitätskurve, bezogen auf erstes Stockwerks (Abschnitt 5.2)

Kapazitätskurve, bezogen auf oberstes Geschoss (Abschnitt 5.3)

Kapazitätskurve W1

Kapazitätskurve W2

Stockwerk

Wandversagen W1

W1

W2

Abbildung 8-3: Gesamtkapazitätskurve des Erdgeschosses

In Abbildung 8-3 sind die Kapazitätskurven bezogen auf das erste und das o-berste Stockwerk dargestellt. Die Kurven weisen natürlich die gleiche maximal aufnehmbare Kraft von 465 kN auf, jedoch ist die Verschiebung der Kurve bezo-gen auf das oberste Stockwerk dementsprechend größer, da die Verschiebungs-anteile aus allen Stockwerken mit eingehen.

0

1000

2000

3000

4000

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1

Verschiebung des obersten Geschosses [cm]

Stei

figke

iten

[kN

/cm

]

1. Geschoss 2. Geschoss 3. Geschoss

Abbildung 8-4: Verlauf der Steifigkeitsabminderung

Der Verlauf der Steifigkeitsentwicklung ist in Abbildung 8-4 widergegeben. Eine Abnahme der Steifigkeit tritt zuerst in den Erdgeschosswänden auf. Mit größer werdender Dachverschiebung erfolgt sukzessive auch eine Abnahme in den darüber liegenden Stockwerkswänden. In diesem Berechnungsbeispiel bleibt die

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140 Kapitel 8: Anwendungsbeispiele

Steifigkeit für das oberste, dritte Geschoss im linearelastischen Bereich (konstan-ter Verlauf). Dies macht sich auch bemerkbar, wenn die Stockwerksverschiebun-gen des Bauwerkes in Abhängigkeit der Dachverschiebung aufgetragen werden. In Abbildung 8-5 sind diese den Ergebnissen gegenübergestellt, die sich erge-ben, wenn nur die Nichtlinearität des ersten Stockwerks berücksichtigt wird.

0

1

2

3

0 0.5 1Auslenkung [cm]

Ges

chos

s

alle Stockwerke nichtlinear

nur erstes Stockwerk nichtlinear

Abbildung 8-5: Verformungsfigur in Abhängigkeit der maximalen Auslenkung

Bei konstanter Steifigkeit der oberen Geschosse ist die Verformungsfigur gestalt-streu. Unter Berücksichtigung von Steifigkeitsverlusten ist eine sukzessive Ver-ringerung der Steifigkeitswerte, ausgehend von der untersten Etage, an der zunehmenden Veränderung der Verformungsfigur zu erkennen. Ein quantitativ größerer Verlust der Steifigkeit ist in der Kapazitätskurve an dem abfallenden Ast infolge Wandversagen erkennbar (Abbildung 8-3). Bei dem berechneten Beispiel ist bei gleicher Dachverschiebung eine schlagartig größere Verschiebung der Erdgeschossdecke trotz der mit konstanten Schritten vorgegebenen Dachauslen-kung zu beobachten.

Bei dem bei einer Dachverschiebung von 0,8 cm eintretenden Wandversagen im Erdgeschoss steigt bei gleicher Dachverschiebung die Verschiebung des Erdge-schosses stärker an (gestrichelte Linien), nach dem Wandversagen ist eine der Gestalt nach gleich bleibende Verformungsfigur der oberen Geschosse auch bei zunehmender Dachverschiebung zu erkennen.

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Kapitel 8: Anwendungsbeispiele 141

Normierte Eigenformen

0

1

2

3

Eigenform 1

Eigenform 2

Eigenform 3

Normierte Eigenformen

Verformungsfigurbei 0,1 cm max. Auslenkung

0

1

2

3

0 0,05 0,1

Auslenkung [cm]G

esch

oss

Verformungsfigurbei 1,1 cm max. Auslenkung

0

1

2

3

0 0,4 0,8 1,2

nur 1. Eigenformberücksichtigt

alle 3 Eigenformenberücksichtigt

Verschiebung [cm]

Verformungsfiguren bei einer Dachverschiebung von 0,1 cm und 1,1 cm

(a) (b)

Abbildung 8-6: (a) Eigenformen und (b) Verformungsfigur bei einer Dachverschie-bung von 0,1 bzw. 1,1 cm

Die Verschiebungsfiguren aus den zwei höheren modalen Anteilen sind neben der Darstellung der Eigenformen in Abbildung 8-6 abgebildet. Sie sind dargestellt für den Zustand bei 0,1 cm und bei 1,1 cm maximaler Dachauslenkung. Im ers-ten Fall sind noch alle Stockwerke im linearen Bereich, was aus Abbildung 8-4 hervorgeht. Schon in diesem Zustand ist der Anteil aus den höheren Modalfor-men zwar noch zu erkennen, aber sehr klein. Bei einer maximalen Dachauslen-kung von 1,1 cm hat das unterste Geschoss schon versagt. In diesem Fall haben die höheren Modalformen überhaupt keinen Einfluss mehr.

8.1.3 Überlagerung mit dem Antwortspektrum

0.00

0.50

1.00

1.50

2.00

2.50

0.000 0.002 0.004 0.006 0.008 0.010

Spektrale Verschiebung [m]

Spek

trale

Bes

chle

unig

ung

[m/s

²] . Abgemindertes Antwortspektrum

gesamtes Kapazitätspektrum

Kapazitätsspektrum nach Wegfall der zwei Wände W1

Kapazitätspektrum infolge 2. Eigenform

Kapazitätsspektrum infolge 3. Eigenform

Versagen der langen Wände W1

Performance Point (1. Eigenform)

Abminderung aufgrund Energiedis-sipation infolge Hystereseverhalten

Performance Point (2. Eigenform)

Performance Point (3. Eigenform)

Ansteigender Ast des Kapazitäts- spektrums für 2. Eigenform

Ansteigender Ast des Kapazitäts- spektrums für 3. Eigenform

Abbildung 8-7: Bestimmung des Performance Point für das dreistöckige Reihenhaus

Nach Transformation der Kapazitätskurve in das Kapazitätsspektrum werden beide Kurven in dem Sa -Sd -Diagramm überlagert (Abbildung 8-7). Das Antwort-spektrum ist hierbei nach DIN 4149 [34] für die Erdbebenzone 3 und den Boden-typ B-R angesetzt worden.

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142 Kapitel 8: Anwendungsbeispiele

Der Schnittpunkt beider Kurven liegt im nichtlinearen Bereich des Kapazitäts-spektrums (Sd = 1,97⋅10-3 m; Sa = 2,02 m/s²). Dennoch tritt bei dieser Erdbe-benstärke kein Versagen des Gebäudes ein. Die Eigenperiode ist aufgrund der Schädigung von anfänglich 0,176 s auf 0,196 s gestiegen. Die maximale Ver-schiebung des 1. Stockwerks beträgt 1,88⋅10-3 m. Die relative Stockwerksver-schiebung beträgt somit 0,07 % und ist damit, bei einer angenommenen Bedeu-tungskategorie II, kleiner als die nach [37] zulässige Verformung von 0,75%/ν = 1,88 % (Abschnitt 7.3.5). In Abbildung 8-7 ist außerdem das Kapazitätsspektrum nach Ausfall der zwei langen Wände W1 eingezeichnet. Dies wird, wie in Ab-schnitt 7.1.1.4 beschrieben, zur Berechnung der äquivalenten viskosen Dämp-fung nach Versagen dieser Wände benötigt.

Die Graphen der Kapazitätsspektren für die höheren Modalbeiträge haben im Vergleich zum ersten Modalbeitrag einen wesentlich steileren Verlauf für niedrige Spektralverschiebungswerte. Der Performance Point dieser Spektren gibt die maximale Spektralverschiebung infolge der jeweiligen höheren Modalform an.

Zur besseren Interpretation wird zusätzlich der Verlauf der zugehörigen Dämp-fungsanteile in Abbildung 8-8 dargestellt. Solange das Bauwerk sich linear verhält, ist die gesamte äquivalente viskose Dämpfung gleich der viskosen Bauteilsdämpfung. Im nichtlinearen Bereich wird der hysteretische Dämpfungsanteil, umgerechnet in eine äquivalente viskose Dämpfung, aufaddiert.

0

5

10

15

20

25

30

35

0 0,002 0,004 0,006 0,008 0,01

Spektralverschiebung [m]

Däm

pfun

g [%

]

äquivalenter viskoser hysteretischer Dämpfungsanteil

viskose Bauteildämpfung

gesamte äquivalente viskose Dämpfung

Abbildung 8-8: Verlauf der äquivalenten viskosen Dämpfung

8.1.4 Variation der Stockwerksanzahl

Eine Variation der Stockwerksanzahl soll den Einfluss der Nichtlinearitäten der oberen Stockwerke aufzeigen. Dazu wird von einem gleichbleibenden Stock-werkgrundriss sowie gleichen Massen- und Steifigkeitsverhältnissen wie beim bereits untersuchten Reihenhaus ausgegangen. Um die Vergleichbarkeit zu ge-währleisten, wird mit gleichen Kapazitätskurven über die Stockwerkshöhe ge-rechnet, obwohl ihr Verlauf (d. h. die Lastkapazität und die Duktilität) von der

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Kapitel 8: Anwendungsbeispiele 143

Auflast abhängt. Die Steifigkeit bleibt davon aber unberücksichtigt. Da bei die-sem Gebäude aufgrund unzureichender horizontaler Aussteifungswände aus statischen Gründen sowieso nur von einer geringen Stockwerksanzahl ausge-gangen werden kann, ist dieser Ansatz hier gerechtfertigt.

T1 = 0,07 s T2 = 0,12 s T3 = 0,18 s T4 = 0,23 s T5 = 0,28 s

0.00

0.50

1.00

1.50

2.00

2.50

3.00

3.50

4.00

0.000 0.002 0.004 0.006 0.008 0.010

Spektralverschiebung Sd [m]

Spek

tralb

esch

leun

igun

g Sa

[m/s

²] 1 Stockwerk2 Stockwerke3 Stockwerke4 Stockwerke5 Stockwerkeabgemindertes AntwortspektrenPerformance Point

Abbildung 8-9: Variation der Stockwerksanzahl

Zunächst zeigt Abbildung 8-9 das Spektralbeschleunigung-Spektralverschiebungs-Diagramm für Gebäude mit ein bis fünf Stockwerken, gerechnet mit dem vereinfachten Ansatz, bei dem nur die Nichtlinearität im ers-ten Stockwerk berücksichtigt wird. Mit größer werdender Stockwerksanzahl geht eine Abminderung der Eigenfrequenz einher. Deshalb legen sich die Kapazitäts-spektren mit höherer Stockwerksanzahl. Bei Berücksichtigung der Nichtlinearitä-ten in allen Geschossen ergibt sich eine maximale Abweichung der Spektralver-schiebung des Performance Point von weniger als 1 %. Dies ist auf den ersten Anschein sehr wenig. Werden dagegen die maximalen relativen Stockwerksver-schiebungen betrachtet, so ist der Unterschied zwischen den einzelnen Ansätzen beträchtlich höher.

In Abbildung 8-10 ist die maximal auftretende Verschiebung auf Höhe der ersten Deckenebene über die Stockwerksanzahl aufgetragen. Sie entspricht der maxi-malen relativen Stockwerksverschiebung.

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144 Kapitel 8: Anwendungsbeispiele

0

0,05

0,1

0,15

0,2

0,25

0,3

0 1 2 3 4 5 6 7

Stockwerksanzahl [-]

Max

imal

e St

ockw

erks

- .

vers

chie

bung

[cm

]

Nichtlinearität aller Stockwerke &alle Eigenformen berücksichtigt

Nichtlinearität aller Stockwerke,nur 1. Eigenform berücksichtigt

Nichtlinearität nur im 1. Stockwerk

Abbildung 8-10: Maximale relative Stockwerksverschiebung in Abhängigkeit der Stockwerksanzahl

Zunächst ist festzuhalten, dass das Versagen auch bei Berücksichtigung der Nichtlinearitäten aller Stockwerke und auch bei Berücksichtigung aller modalen Beiträge immer im ersten Geschoss stattfindet. Dies ist bei dem vereinfachten Ansatz angenommen worden und wird hiermit bestätigt. Damit entspricht die angegebene Stockwerksverschiebung der maximalen relativen Stockwerksver-schiebung des Gebäudes. Zu erkennen ist, dass die Vernachlässigung der höhe-ren modalen Anteile einen verschwindend geringen Einfluss auf das Ergebnis hat. Jedoch bewirkt die Tatsache, dass nur die Nichtlinearität des ersten Ge-schosses berücksichtigt wird, eine deutliche Überschätzung der relativen Stock-werksverschiebung. Dass die Verschiebungen bei dem vereinfachten Ansatz größer sind, wird bereits in Abbildung 8-5 deutlich. Es muss aber noch ergänzt werden, dass die Tatsache, dass sich die oberen Stockwerke bereits nichtlinear verhalten, zu einer Steifigkeitsreduktion und damit zu einer Eigenfrequenzernied-rigung führt und sich bei der Überlagerung dementsprechend größere Verschie-bungen einstellen.

Es wurde damit gezeigt, dass der vereinfachte Ansatz auf der sicheren Seite liegt und somit die getroffenen Annahmen für dieses vereinfachte Verfahren gerecht-fertigt sind. Für typische Mauerwerksbauten mit niedriger Stockwerksanzahl wird das Verhalten durch die Grundeigenform dominiert und mit dieser zutreffend beschrieben.

8.1.5 Ermittlung des maximal aufnehmbaren Erdbebens und Vergleich mit dem Antwortspektrenverfahren

Mit der Kapazitätspektrum-Methode ist es auch möglich, die maximale Erdbebenstärke zu bestimmen, bei der das Gebäude gerade noch standsicher ist. Dies erfolgt in einem iterativen Prozess durch iterative Berechnung mit dem durch den Bemessungswert der Bodenbeschleunigung ag skalierten Ausgangsspektrum. Es wird der Punkt ermittelt, in dem sich die beiden Kurven gerade noch schneiden (Abbildung 8-11). Der maximale Bemessungswert der

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Kapitel 8: Anwendungsbeispiele 145

Bodenbeschleunigung beträgt für das hier betrachtete Reihenhaus ag,max = 1,56 m/s².

0,00,51,01,52,02,53,03,54,04,55,0

0,000 0,002 0,004 0,006 0,008 0,010Spektralverschiebung [m]

Spek

tral

besc

hleu

nigu

ng [m

/s²]. Antwortspektrum

Kapazitätsspektrum

Performance Point

Abbildung 8-11: Maximal aufnehmbares Erdbeben

Mit diesem maximal aufnehmbaren Erdbeben wird nun die maximal aufzuneh-mende Schubkraft nach dem kraftbasierten Bemessungsansatz (Antwortspekt-renverfahren) nach DIN 4149 berechnet. Bei diesem Verfahren ist die Verwen-dung eines Verhaltensbeiwertes von q = 1,5 zugelassen, da die Wandabmessungen der längeren Schubwände h/l = 1 betragen.

Die elastische Steifigkeit des Gebäudes beträgt in x-Richtung 392500 kN/m. In Abhängigkeit von der Eigenperiode des Gebäudes (T1 = 0,176 s) ergibt sich die anzusetzende Spektralbeschleunigung für die ermittelte maximale Bodenbe-schleunigung zu:

01

2,5( 0,176 s ) 1,563 1 1,25 3,256 [m/s²]1,5a B C g IS T T T a S

qβγ< = < = ⋅ ⋅ ⋅ = ⋅ ⋅ ⋅ = (8.1)

Die anzusetzende Gesamterdbebenkraft, auf die das Gebäude zu bemessen wäre, berechnet sich dann zu:

1( ) 3,256 192,55 0,85 1 533 [kN]b aF S T M λ γ= ⋅ ⋅ ⋅ = ⋅ ⋅ ⋅ = (8.2)

Die maximal aufnehmbare Schubkraft liegt jedoch gemäß der Kapazitätskurve in Abbildung 8-3 bei nur 465 kN. Obwohl das Erdbeben nach der Kapazitätsspek-trum-Methode noch kein Versagen des Gebäudes verursacht, kann die Stabilität mit Hilfe des Antwortspektrenverfahrens nicht nachgewiesen werden. Dies bedeutet, dass das vereinfachte Antwortspektrenverfahren die im Mauerwerk vorhandenen plastischen Reserven nicht ausnutzt.

Würde beim vereinfachten Antwortspektrenverfahren der sich für die Grundmo-dalform ergebende exakte modale Anteilsfaktor von 0,92 verwendet werden anstatt des in der DIN 4149 vorgeschlagenen Näherungswertes von 0,85, so ergäbe sich sogar eine noch größere maximale Schubkraft, für die das Gebäude zu bemessen wäre:

1( ) 3,256 192,55 0,92 1 577 [kN]b aF S T M λ γ= ⋅ ⋅ ⋅ = ⋅ ⋅ ⋅ = (8.3)

Dies bedeutet, dass der nachzuweisende maximale Horizontalschub infolge der Erdbebeneinwirkung noch größer wird.

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146 Kapitel 8: Anwendungsbeispiele

Das Beispiel verdeutlicht, dass der verformungsbasierte Ansatz die vorhandenen plastischen Reserven von Mauerwerk besser ausnutzt und eine rein kraftbasierte Bemessung den realen Tragwerkswiderstand gegen eine seismische Belastung nicht abbilden kann.

8.2 Ermittlung des seismischen Verhaltensbeiwerts

Ein Vergleich des Antwortspektrenverfahrens mit der entwickelten Methode ist möglich, wenn für das Ergebnis des verformungsbasierten Nachweises der für das Antwortspektrum benötigte Verhaltensbeiwert q ermittelt wird. Für seine Bestimmung sollen keine Näherungsverfahren verwendet werden, sondern direkt die Definition nach Gleichung (6.13). Deshalb wird das maximale Erdbeben er-mittelt, so dass gerade noch kein Systemversagen auftritt (Abschnitt 8.1). Aus dem sich ergebenden „Performance Point” wird die zugehörige Erdbebenkraft Hdu (Abbildung 6-2) ermittelt. Diese wird ins Verhältnis gesetzt zu der Erdbebenkraft He, die sich für das Bauwerk bei Ansatz einer konstanten linear elastischen Steifigkeit, die gleich der Anfangssteifigkeit des realen Bauwerks ist, ergibt. Gemäß dieser Definition kann der Verhaltensbeiwert q wie folgt berechnet wer-den:

,

int int ,

( )( )a elastisch elastisch Tot eff

a PerfPo PerfPo Tot eff

S T Mq

S T Mαα

⋅ ⋅=

⋅ ⋅ (8.4)

wobei Sa(T) die zur Eigenperiode T gehörige Spektralbeschleunigung und α das Verhältnis der effektiven modalen Masse zur effektiven Gesamtmasse MTot,eff des Bauwerks gemäß Gleichung (6.11) sind. Dabei wird αelastisch im elastischen Zu-stand ermittelt und αPerfPoint im Zustand der maximalen Auslenkung des Performance Points.

Die Auswertung dieser Gleichung für das im vorherigen Abschnitt betrachtete Beispiel (Reihenhaus mit drei Geschossen, Wände aus Hochlochziegel) liefert einen q-Faktor von 2,5. Gemäß den vorangestellten Ausführungen kann der Verhaltensbeiwert nun aber auch individuell für verschiedene Gebäudekonfigura-tionen mit unterschiedlichen Materialien abhängig vom standortspezifischen Erdbebenspektrum berechnet werden. Deshalb wird für das betrachtete Gebäude der Verhaltensbeiwert q in Abhängigkeit der Gebäude-Eigenperiode und des Bodentyps ausgewertet. Das Ergebnis ist in Abbildung 8-12 dargestellt.

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Kapitel 8: Anwendungsbeispiele 147

0

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

4

0.1 0.15 0.2 0.25 0.3 0.35

Grundperiode T [s]

q-W

ert f

ür H

LZ [-

] .

A-RB-RC-RB-TC-TC-S

Abbildung 8-12: q-Faktoren für ein dreigeschossiges Reihenhaus mit Wänden aus Hochlochziegel HLz 12-IIa in Abhängigkeit der Untergrundverhältnisse

Zu Vergleichszwecken sind in Abbildung 8-13 zusätzlich die q-Faktoren für Kalk-sandsteinmauerwerk angegeben. Allen Berechnungen liegen wiederum die Wandkapazitätskurven aus den an der Universität Dortmund durchgeführten zyklischen Wandschubversuchen zugrunde [92].

0

0.5

1

1.5

2

2.5

3

3.5

4

4.5

0.1 0.15 0.2 0.25 0.3 0.35

Grundperiode T [s]

q-W

ert f

ür K

S [-]

A-RB-RC-RB-TC-TC-S

Abbildung 8-13: q-Faktoren für ein dreigeschossiges Reihenhaus mit Wänden aus Kalksandstein KS 20-DM in Abhängigkeit der Untergrundverhältnisse

Die Ergebnisse für das untersuchte Mauerwerkgebäude zeigen, dass sich der in der Norm angegebene pauschale Verhaltensbeiwert von q = 1,5 nur für die Erdbebenzone 3 in Kombination mit den ungünstigsten Untergrundverhältnissen C-S ergibt. Die geringe Abweichung von 0,1 ist im Rahmen der Modellungenau-igkeiten vernachlässigbar. Das Verfahren bestätigt daher den Verhaltensbeiwert von 1,5 als konservativen Wert, mit dem auch der ungünstigste Fall abgedeckt ist. Für viele Fälle ergeben sich durch die Ermittlung mit Hilfe der Kapazitäts-spektrum-Methode jedoch wesentlich höhere Verhaltensbeiwerte. Die höheren q-

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148 Kapitel 8: Anwendungsbeispiele

Faktoren des Kalksandsteines weisen auf das gutmütigere Verhalten von Voll-stein gegenüber Hochlochziegeln hin. Zu berücksichtigen ist aber, dass die hier präsentierten berechneten Werte nur auf einer einzigen Versuchsreihe von zykli-schen Wandversuchen basieren. Die Berechnung dient lediglich dazu aufzuzei-gen, dass durch einen verformungsbasierten Nachweis unter Berücksichtigung des sich ändernden Schwingungsverhaltens und der tatsächlichen Wandkonfigu-ration die Tragwerksreserven besser ausgenutzt werden können.

8.3 Vergleich mit einer Zeitverlaufsberechnung Nachdem bisher die Anwendungsmöglichkeiten der nichtlinear statischen Bemes-sungsmethode vorgestellt worden sind und die bessere Ausnutzung nichtlinearer Tragwerksreserven durch die Berechnung von Verhaltensbeiwerten dargelegt worden ist, sollen nun die Ergebnisse dieser Methode den „richtigen” Lösungen, also den Ergebnissen einer nichtlinearen dynamischen Zeitverlaufsberechnung unter Verwendung des in Kapitel 5 entwickelten Makromodells gegenübergestellt werden. Damit soll

• das nichtlineare statische Verfahren validiert und

• die Leistungsfähigkeit des numerischen Modells demonstriert werden.

8.3.1 Seismische Einwirkung

Zugrunde gelegt werden den Berechnungen Beben am Standort Aachen mit unterschiedlichen Intensitäten. Die seismische Einwirkung wird mittels der seis-mischen Gefährdungskurve aus [106] definiert (Abbildung 8-14).

0.00001

0.0001

0.001

0.01

0.1

5 6 7 8 9

Intensität [MSK]

jähr

liche

Übe

rsch

reite

nsw

ahrs

chei

nlic

hkei

t

Abbildung 8-14: Seismische Gefährdungskurve für Aachen [106]

Mit dem in Gleichung (8.5) angegebenen Zusammenhang

ZeRτ

−−= 1 (8.5)

zwischen der Widerkehrperiode Z und der Wahrscheinlichkeit R, dass innerhalb eines beliebigen Zeitraumes τ ein Beben der definierten Stärke auftritt, können aus einer vorgegebenen Erdbeben-Wiederkehrperiode die jährliche Überschrei-tungswahrscheinlichkeit und dann aus Abbildung 8-14 die Intensität bestimmt werden.

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Kapitel 8: Anwendungsbeispiele 149

Tabelle 8-2: Zusammenhang zwischen jährlicher Überschreitungswahrscheinlichkeit, Wiederkehrperiode, Intensität und max. Bodenbeschleunigung am Standort Aachen

Jährliche Überschreitungs-wahrscheinlichkeit Wiederkehrperiode Intensität PGA

[-] [a] [MSK] [m/s²]

0,02 50 5,3 0,38

0,01 100 5,85 0,52

0,0021 475 6,85 0,92

0,001 1000 7,25 1,15

0,0005 2000 7,45 1,30

0,0001 10000 8,15 1,94

Für den Zusammenhang zwischen Intensität und maximaler Bodenbeschleuni-gung (PGA) gibt es eine Reihe von Ansätzen [8], [10], u. a. die Beziehung von Murphy und O'Brien [66], die die PGA in [cm/s²] angibt:

IPGA ⋅⋅= 25,010778,1 (8.6)

Dieser PGA-Wert wird im Folgenden als Bemessungswert der Bodenbeschleuni-gung verwendet und damit ein skaliertes elastisches Antwortspektrum entspre-chend DIN 4149, Bodentyp B-R, erzeugt. Daraus werden jeweils vier syntheti-sche Akzelerogramme für eine Wiederkehrperiode generiert [77]. Eine Rücktransformation in den Frequenz- bzw. Periodenbereich zeigt den Streube-reich der erzeugten Akzelerogramme.

0.0

1.0

2.0

3.0

4.0

0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 3.5 4.0Schwingungsdauer T [s]

Bod

enbe

schl

euni

gung

ag

[m/s

²]

Ausgangsspektrum

synthetisch generierte Spektren

0.0

1.0

2.0

3.0

4.0

0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 3.5 4.0Schwingungsdauer T [s]

Bod

enbe

schl

euni

gung

ag

[m/s

²]

Ausgangsspektrum

synthetisch generierte Spektren

Abbildung 8-15: Synthetisch generierte Akzelerogramme für eine Wiederkehrperiode von 100 Jahren für den Standort Aachen

8.3.2 Berechnungsmodell Als Grundlage der Berechnung dient ein ebenes Rechenmodell, das einen Aus-schnitt des Reihenhauses aus Abschnitt 8.1 mit gleicher Geometrie repräsentiert (Abbildung 8-16).

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150 Kapitel 8: Anwendungsbeispiele

y

x

W2

W1

b

2,5 4,0

(a) (b)

Abbildung 8-16: (a) Grundriss und (b) FE-Modell der tragenden Innenwand im Auf-riss

Abgebildet wird eine der beiden aussteifenden Innenwände des Reihenhauses zusammen mit den äußeren Giebelwänden und der Betondecke. Als realistische mitwirkende Geschossmasse werden im Modell pro Geschoss konstant 23 t an-gesetzt, resultierend aus Eigengewicht und anteilsmäßiger Verkehrslast.

Untersucht werden Gebäude mit unterschiedlicher Geschossanzahl. Außerdem bleibt die Einflussbreite b variabel (Abbildung 8-16a). Damit können verschiede-ne Randbedingungen am oberen Ende einer Wand untersucht werden. Es wer-den folgende zwei Fälle unterschieden:

- Die Decke ist sehr steif, die Einflussbreite b damit sehr groß. Vereinfachend wird angenommen, dass aufgrund der übrigen Wände wie z. B. der langen Giebelwände die Verdrehung der Decke behindert ist.

- Einflussbreite b = 2m: Die Decke ist biegeweich und kann sich entspre-chend biegen.

Im zuletzt genannten Fall sind zwar die Randbedingungen realistischer, im ersten Fall entsprechen sie aber direkt den Annahmen der statischen nichtlinearen Methode. In beiden Fällen wird die für die nichtlineare statische Analyse benötig-te Kapazitätskurve mit dem nichtlinearen Materialmodell durch zyklische, aber statisch belastete Versuche berechnet (Abbildung 8-14).

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Kapitel 8: Anwendungsbeispiele 151

0

20

40

60

80

100

120

140

160

0 0.5 1 1.5 2Verschiebung [cm]

Kra

ft [k

N]

2 Stockwerke3 Stockwerke4 Stockwerke

Abbildung 8-17: Berechnete Kapazitätskurve für unterschiedliche Stockwerksanzahl

Großen Einfluss auf die nichtlineare statische Berechnung hat der angenommene Verlauf des Korrekturfaktors κ in Abhängigkeit von der Wandverschiebung. Da-mit dieser nicht abgeschätzt werden muss und um die Vergleichbarkeit zwischen nichtlinear statischer und transienter Berechnung zu gewährleisten, wird ein Schädigungsparameter von β = 0 (keine Steifigkeitsabnahme) für das maß-gebende Versagenskriterium „Steinzugversagen” angesetzt. Damit verhalten sich die Hysteresekurven parallelogrammartig (Abbildung 8-18), so dass für den Korrekturfaktor κ = 1,0 = const. gilt.

-150

-100

-50

0

50

100

150

-0.4 -0.2 0 0.2 0.4

relative Stockwerksverschiebung des 1. Geschosses [cm]

Fund

amen

terd

bebe

nsch

ub

[kN

]

Abbildung 8-18: Hysteresekurven des verwendeten Materialmodells für β = 1

8.3.2.1 Ergebnisse

Als Indikator für die quantitative Beurteilung über den Grad der Schädigung wird üblicherweise die relative Stockwerksverschiebung benutzt [42]. In Tabelle 8-3 sind die Ergebnisse der statischen und der dynamischen Berechnung in Abhän-gigkeit von der Erdbeben-Wiederkehrperiode gegenübergestellt.

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152 Kapitel 8: Anwendungsbeispiele

Tabelle 8-3: Vergleich der berechneten maximalen relativen Stockwerksverschiebung mit der nichtlinear statischen und der Zeitverlaufsberechnung für das Modell mit behindertem Deckendrehwinkel

Anza

hl

Stoc

kwer

ke

Schädigungskurve der strukturellen Bauwerksschädigung

2

0.00

0.20

0.40

0.60

0.80

1.00

10 100 1000 10000

Erdbeben-Wiederkehrperiode [a]

max

. rel

ativ

e St

ockw

erks

vers

chie

bung

[cm

]

Einfaches Verfahren kappa = 1einfaches Verfahren kappa = 0,3

obere Stockwerke nichtlinearZeitverlaufsberechnung

3

0.00

0.20

0.40

0.60

0.80

1.00

10 100 1000 10000

Erdbeben-Wiederkehrperiode [a]

max

. rel

ativ

e St

ockw

erks

vers

chie

bung

. [c

m]

4

0.00

0.20

0.40

0.60

0.80

1.00

10 100 1000 10000

Erdbeben-Wiederkehrperiode [a]

max

. rel

ativ

e St

ockw

erks

vers

chie

bung

. [c

m]

Vers

agen

Die Zeitverlaufsberechnungen stimmen mit den Ergebnissen der statischen Be-rechnung sehr gut überein. Lediglich für eine Eintrittswahrscheinlichkeit von R = 10-4, also einer Wiederkehrperiode von 10.000 Jahren, treten bei 2 Geschossen Abweichungen auf. Die statische Methode gibt aber für diese Erdbebenintensität

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Kapitel 8: Anwendungsbeispiele 153

im Hinblick auf eine Bemessung konservative Werte an. Zu berücksichtigen ist auch, dass in diesem Fall der Streubereich der Ergebnisse aus der Zeitverlaufs-berechnungen auch wesentlich größer ist.

In den Schädigungskurven sind zum Vergleich auch die Ergebnisse für κ = 0,33 = const. angegeben, die als konservativste Abschätzungen der statischen Metho-de angesehen werden können. Die Ergebnisse unterscheiden sich im Bereich mit linearem Materialverhalten natürlich nicht. Erst im Intensitätsbereich, bei dem maßgebende Schädigungen auftreten (Wiederkehrperiode > 100 Jahre), differie-ren die Ergebnisse. Dies ist auch in Abbildung 8-19 zu erkennen. Dort ist die kumulative Schädigung der Schubwände für das Gebäude mit drei Stockwerken in Abhängigkeit der Wiederkehrperiode dargestellt.

nicht geschädigt sehr stark

geschädigt Wiederkehr-

Periode 50 100 475 1000 2000 10000

Abbildung 8-19: Kumulierte Schädigung in Abhängigkeit der Wiederkehrperiode

In Abbildung 8-20 sind die Berechnungsergebnisse für das Modell mit unbehindertem Deckendrehwinkel bei zwei Geschossen widergegeben.

0.00

0.20

0.40

0.60

0.80

1.00

10 100 1000 10000

Erdbeben-Wiederkehrperiode [a]

max

. rel

ativ

e St

ockw

erks

vers

chie

bung

[c

m]

Einfaches Verfahren kappa = 1

einfaches Verfahren kappa = 0,3

Zietverlaufsberechnung

Zeitverlaufsberechnung

Abbildung 8-20: Vergleich der statischen mit der Zeitverlaufsberechnung für das Modell mit unbehindertem Deckendrehwinkel bei zwei Geschossen

Auch hier ist eine gute Übereinstimmung zwischen der Berechnung auf Grundla-ge der Kapazitätsspektrum-Methode und der Zeitverlaufsberechnung zu erken-nen. Es wird deutlich, dass die nichtlinearen statischen Berechnungen mit κ = 1,0 die Ergebnisse teilweise unterschätzen. Mit einem Korrekturfaktor von κ = 0,33 ergeben sich jedoch auf der sicheren Seite liegende Ergebnisse.

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154 Kapitel 8: Anwendungsbeispiele

8.4 Einfluss der Torsion am Beispiel eines freistehenden Gebäudes

Anhand eines idealisierten Referenzgebäudes mit unterschiedlichen Grund- und Aufrissen sollen in diesem Unterkapitel die Einflüsse aus Torsionswirkungen aufgezeigt und ihre Auswirkungen auf die Kapazitätskurve erläutert werden.

8.4.1 Unregelmäßigkeit im Grundriss Zuerst werden die Effekte aus einer Unregelmäßigkeit im Grundriss untersucht. Das freistehende Mauerwerksgebäude mit den Außenabmessungen 5,0 m x 15,0 m hat zwei gleiche Geschosse mit einer Geschossmasse von durch-schnittlich 95 t, die gleichmäßig verteilt ist. Die Stockwerkshöhe beträgt 2,70 m. Die Schubwände haben jeweils eine Länge von 3,60 m. Die den Berechnungen zugrunde gelegte Kapazitätskurve der Wände ist in Abbildung 8-21 dargestellt.

0

50

100

150

200

250

300

350

0 0.5 1 1.5 2 2.5 3

Verschiebung [cm]

Schu

bkra

ft [k

N]

Abbildung 8-21: Kapazitätskurve der Einzelwand

Untersucht wird das Gebäude mit den in Abbildung 8-22 skizzierten Grundrissen, in denen der Übersicht wegen nur die tragenden Wände eingezeichnet sind.

10,0

5,0 5,0

5,0

5,0 5,0 5,0 5,0

(a) (b) (c) x

y

Erdbeben-

richtung

L3

L2

L1

Abbildung 8-22: Variation der Grundrisskonfiguration

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Kapitel 8: Anwendungsbeispiele 155

Die drei Grundrisse unterscheiden sich durch die in y-Richtung ausgerichteten Wände: In der Grundrisskonfiguration (a) sind vier Wände an den Außenseiten angeordnet, im Fall (b) nur zwei und in der Konfiguration (c) sind wiederum zwei Wände in y-Richtung vorhanden, die aber in Gebäudemitte angeordnet sind. In allen drei Fällen ist der Steifigkeitsmittelpunkt gegenüber dem in Deckenmitte liegenden Massenschwerpunkt nach unten versetzt.

Untersucht wird die Gebäudekapazitätskurve in x-Richtung. Die drei Kapazitäts-kurven für die verschiedenen Grundrisskonfigurationen sind in Abbildung 8-23 abgebildet.

0

500

1000

1500

2000

2500

0.0 1.0 2.0 3.0 4.0 5.0

Verschiebung des 2. Geschosses [cm]

Geb

äude

schu

bkra

ft [k

N] Konfiguration (a)

Konfiguration (b)

Konfiguration (c)

Verschiebung des obersten Geschosses [cm] Abbildung 8-23: Gebäudekapazitätskurven bei unregelmäßigem Grundriss

Die Grundrisskonfiguration (a) hat infolge der vier Querwände eine große Torsi-onssteifigkeit. Die Geschosse verdrehen sich kaum, so dass alle Wände in x-Richtung (Wandpaare L1 – L3) gleichzeitig versagen. Die Gebäude-Kapazitätskurve entspricht in etwa einer linearen Superposition der Einzelwand-Kapazitätskurven. Die maximal aufnehmbare Last ist genau das 6-fache der Lastkapazität der Einzelwand.

Wandkonfiguration (b) hat zwar auch eine große Torsionssteifigkeit infolge der zwei weit außen angeordneten Wände, dennoch kann sich eine leichte Rotation des Gebäudes im Uhrzeigersinn einstellen, so dass im unteren Geschoss die einzelnen Wandpaare in x-Richtung nacheinander versagen, beginnend mit dem Wandpaar L3, dann L2 und schließlich L1. Selbst wenn nur noch ein Wandpaar in x-Richtung vorhanden ist, ist die Gesamtstabilität dennoch gegeben.

Bei der Konfiguration (c) haben die Querwände keinen Anteil auf die Torsions-steifigkeit. Dies hat zur Folge, dass das äußere Wandpaar L3 einer wesentlich größeren Verschiebung unterliegt als der Massenschwerpunkt. Demnach ist die Duktilität der Gebäudekapazitätskurve viel kleiner als in den anderen zwei Fällen. Auch ist das aufnehmbare Lastniveau niedriger, da aufgrund der großen Rotatio-nen zwei der Wandpaare ihre maximale Traglast nicht erreichen, bevor das obe-re Wandpaar versagt. Danach verschiebt sich der Steifigkeitsmittelpunkt sprung-

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156 Kapitel 8: Anwendungsbeispiele

haft nach unten. Beide Wandpaare versagen dann gleichzeitig, da die Gesamt-stabilität mit nur einem Wandpaar in x-Richtung nicht mehr gegeben ist.

Dieses Beispiel unterstreicht die Wichtigkeit, die Torsionseffekte bei der Ermitt-lung der Kapazitätskurve zu erfassen. Es zeigt deutlich auf, dass Querwände einen großen Einfluss auf die Kapazität haben, sowohl hinsichtlich der aufnehmbaren Last als auch hinsichtlich der Duktilität.

8.4.2 Unregelmäßiger Aufriss

Untersucht wird nun ein dreistöckiges Gebäude mit gleichen Außenabmessungen wie im vorangegangenen Abschnitt, jedoch mit unterschiedlichen Aufrisskonfigu-rationen. Für die Einzelwände wird die Kapazitätskurve nach Abbildung 8-21 weiterhin verwendet, auch wenn in der Realität in jedem Stockwerk eine unter-schiedliche Auflast vorhanden ist. In Erdbebenrichtung wird idealerweise von einem symmetrischem Grundriss ausgegangen, der in Abbildung 8-24 dargestellt ist.

7,5

5,0 5,0

7,5

x

y

Erdbeben-

richtung

5,0 5,0

(a) (b) Abbildung 8-24: starkes (a) und schwaches (b) Geschoss

Drei Gebäudekonfigurationen werden untersucht: In jeder Konfiguration wird das Versagen jeweils in einem anderen Stockwerk erzwungen, indem zwei Wandpaa-re weniger in Erdbebenrichtung angesetzt werden (Abbildung 8-24b). Die sich einstellenden Gebäude-Kapazitätskurven sind in Abbildung 8-25 widergegeben.

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Kapitel 8: Anwendungsbeispiele 157

0

250

500

750

1000

1250

0 0.5 1 1.5 2 2.5 3Verschiebung des obersten Geschosses [cm]

Geb

äude

schu

bkra

ft [k

N]

1. Geschoss weich2. Geschoss weich3. Geschoss weich

Abbildung 8-25: Gebäudekapazitätskurven bei unregelmäßigem Aufriss

Ist das unterste Geschoss das schwächste, so verhalten sich die oberen Ge-schosse als „steifer” Kasten. Die Kapazitätskurve entspricht in etwa der des un-tersten Geschosses. Tritt das Versagen in einem höheren Geschoss auf, so ver-halten sich zunächst alle Etagen elastisch. Sobald das schwache Geschoss an Steifigkeit verliert, lagern sich die Kräfte aufgrund der eigenformproportionalen Verteilung noch zusätzlich um. Die unteren starken Geschosse wollen dabei eine rückwärtige Bewegung machen, so dass das Versagen trotz duktiler Geschoss-Kapazitätskurve relativ spröde stattfindet.

Anzumerken ist, dass realistischerweise in jedem Geschoss unterschiedliche Kapazitätskurven anzusetzen sind. Die Auflasten nehmen nach unten hin zu, so dass im unteren Geschoss eher Steinversagen maßgebend wird. Dies bedeutet ein spröderer Verlauf gegenüber Reibungsversagen.

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158 Kapitel 9: Zusammenfassung und Ausblick

9. Zusammenfassung und Ausblick In Erdbebengebieten ist gerade bei Gebäuden in traditioneller Mauerwerksbau-weise eine genauere Berücksichtigung vorhandener Tragwerksreserven wün-schenswert, nicht nur, um dem architektonischen Wunsch nachzukommen, mög-lichst filigrane Tragstrukturen entwerfen zu können, sondern auch, um das Gefährdungspotential und Risiko des Baubestandes im Lastfall Erdbeben realisti-scher einschätzen zu können.

Mit diesem Thema setzt sich die vorliegende Arbeit auseinander. Für die Ein-schätzung der Tragwerksreserven wird im Gegensatz zu der sonst in der Praxis üblichen kraftbasierten Bemessung ein verformungsbasierter Ansatz auf Grund-lage der Kapazitätsspektrum-Methode gewählt. Damit ist es möglich, sowohl die mauerwerks- als auch die bauwerksspezifischen Tragreserven besser zu berück-sichtigen. Ziel dieser Arbeit ist außerdem, das Verfahren praxisorientiert umzu-setzen, so dass kein nennenswerter Mehraufwand für den Tragwerksplaner ent-steht.

Voraussetzung zur Anwendung des Verfahrens ist die Kenntnis der spezifischen Kapazitätskurve der einzelnen Mauerwerksschubwände. Ihr Verlauf ist abhängig vom maßgebenden Versagensmodus, der sich unter zyklischer Schubbeanspru-chung einstellt. Für ihre Berechnung wird in dieser Arbeit ein plastizitäts- und schädigungsorientiertes Materialmodell zur Simulation mit Hilfe der Finiten-Elemente-Methode entwickelt. Das Modell kann sowohl für die Simulation auf der Makroebene eingesetzt werden, bei der das Mauerwerk als homogenes Konti-nuum betrachtet wird, als auch für eine detailliertere Untersuchung auf der Me-soebene, bei der der Stein und die Fuge diskret abgebildet werden. Die Validie-rung des Modells erfolgt anhand von experimentellen Untersuchungen an Schubwänden.

Die Kapazitätsspektrum-Methode wird schließlich speziell auf Mauerwerksbauten angewendet. Unterschieden wird zwischen einem vereinfachten Verfahren und einem genaueren Ansatz. Beim vereinfachten Verfahren wird das Gebäudekapa-zitätsspektrum direkt aus der Erdgeschosskapazitätskurve ermittelt, die aus den Kapazitätskurven der Einzelwände unter Berücksichtigung von Torsionseffekten berechnet wird. Vorausgesetzt wird dabei, dass das Gebäude im Aufriss regel-mäßig ist und dass das untere Stockwerk zuerst versagt, während sich die ande-ren Stockwerke linear elastisch verhalten.

Dass die getroffenen Annahmen auf der sicheren Seite liegen, wird durch den Vergleich mit dem genauen Ansatz bestätigt. Bei diesem Verfahren wird das Gebäudespektrum aus der Kapazitätskurve ermittelt, die sich auf die Dachver-schiebung bezieht und das nichtlineare Verhalten aller Stockwerke mit ein-schließt. Bei ihrer Ermittlung wird die horizontale Lastverteilung entsprechend der aktuellen Modalform adaptiv angepasst. Damit ist es möglich, Umlagerungs-effekte infolge der Nichtlinearitäten bzw. der plötzlichen Systemveränderungen infolge Wandversagen zu berücksichtigen. Eine Pushover-Analyse mit mehreren Ansätzen der Lastverteilung, wie sie in den Normenwerken vorgeschlagen wer-den, um sowohl das elastische Verhalten als auch den Versagenszustand zu berücksichtigen, ist demnach nicht mehr erforderlich. Das Verfahren wird

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Kapitel 9: Zusammenfassung und Ausblick 159

schließlich in der Weise erweitert, dass unterschiedliche Stockwerkskonfiguratio-nen berücksichtigt werden können.

Der Praxisbezug wird unterstrichen durch die programmtechnische Umsetzung mit einer benutzerfreundlichen interaktiven Oberfläche unter Berücksichtigung der normativen Vorgaben der DIN 4149. Die Berechnungszeiten lassen sich durch eine Kopplung der Software an eine Datenbank minimieren. In dieser sind die Wandkapazitätskurven für unterschiedliche Geometrien, Materialkombinatio-nen und Auflasten hinterlegt. Auch andere Konstruktionstypen wie bewehrtes, verstärktes oder eingefasstes Mauerwerk lassen sich ohne Veränderung der Programmstruktur mit in das Verfahren einbinden.

Zum Abschluss der Arbeit wird die entwickelte Bemessungsmethode anhand einfacher Beispiele demonstriert. Verifiziert wird die nichtlinear statische Berech-nung durch den Vergleich mit nichtlinearen Zeitverlaufsberechnungen, die gleich-zeitig den effizienten Einsatz des entwickelten Makromodells bestätigen. Die Ergebnisse der statischen Analyse zeigen eine sehr gute Übereinstimmung mit den Zeitverlaufsberechnungen. Ein Vergleich mit dem Antwortspektrenverfahren wird durch die Ermittlung von Verhaltensbeiwerten an einem konkreten Bauwerk mit Hilfe des beschriebenen Verfahrens geführt. Dieser Vergleich zeigt auf, dass die verformungsbasierte Bemessung gegenüber dem kraftbasierten Verfahren die nichtlinearen Reserven genauer und spezifischer erfassen kann. Für die untersuchten Reihenhäuser ergibt sich der in der Norm angegebene pauschale Verhaltensbeiwert von q = 1,5 nur für die ungünstigsten Untergrundverhältnisse. Das Verfahren bestätigt daher, dass dieser Wert auf der sicheren Seite liegt. Für den Regelfall ergeben sich bei Anwendung der Kapazitätsspektrum-Methode jedoch wesentlich höhere Verhaltensbeiwerte. Die Verwendung von unbewehrtem Mauerwerk wird somit in Erdbebenzone 3 wieder attraktiver.

Zuletzt wird der Einfluss von Torsionseffekten auf die Kapazität eines Gebäudes untersucht. Es kann die Wichtigkeit aufgezeigt werden, quer zur Einwirkungsrich-tung stehende Wände mit zu berücksichtigen. Sie haben einen großen Einfluss auf die Kapazitätskurven, sowohl hinsichtlich der aufnehmbaren Last als auch hinsichtlich der Duktilität.

Abschließend kann festgehalten werden, dass das entwickelte Verfahren einen Beitrag zur wirtschaftlicheren Bemessung für Mauerwerksbauten unter seismi-scher Einwirkung leistet, ohne den Aufwand für den Tragwerksplaner unange-messen zu steigern. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, das entwickelte Ver-fahren in Zukunft auch auf andere Mauerwerkstypen oder sogar andere Baustoffe anzuwenden. Voraussetzung dafür sind aber geeignete Materialmodel-le, die das Verhalten unter zyklischer Belastung abbilden können.

Mit dem in dieser Arbeit entwickelten numerischen Modell steht zukünftigen Forschungsvorhaben ein wichtiges Werkzeug zur Verfügung, um weitere im Tragwerk „versteckte” Reserven ausfindig zu machen. Dazu zählen eine genaue-re Untersuchung der Wand-Decken-Interaktion (Behinderung der Wandkopfver-drehung) sowie des Einflusses von Wandöffnungen. Sollen diese Aspekte in dem Bemessungsverfahren Berücksichtigung finden, so ist eine detailliertere Aufsplit-tung der Datenbank zur Ablage der unterschiedlichen Kapazitätskurven notwen-dig. Außerdem sollte den Interpolationsalgorithmen zur Erzeugung der in der

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160 Kapitel 9: Zusammenfassung und Ausblick

Datenbank nicht vorhandenen Kapazitätskurven besondere Aufmerksamkeit ge-widmet werden.

Aufgrund der großen Streubreiten der Materialeigenschaften von Mauerwerk können des Weiteren statistische Sensitivitätsanalysen bezüglich der berechne-ten Kapazitätskurven zur Optimierung des Verfahrens beitragen. Besonders vorteilhaft kann dies für Mauerwerk-Wandfertigteile sein, die aufgrund der Her-stellungsart kleineren Streuungen unterworfen sind. Durch die Standardisierung der Fertigteile ist für ihre Bemessung die hier vorgeschlagene Methode geradezu prädestiniert.

Abbildung 9-1: Wandfertigteil aus Mauerwerk

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Literaturverzeichnis 161

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168 Abbildungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1-1: Aufbau der Arbeit mit zwei Entwicklungsschwerpunkten......................4

Abbildung 2-1: Lagerfugenversagen .........................................................................9

Abbildung 2-2: Schubversagen von Mauerwerkswänden .......................................... 10

Abbildung 2-3: Kombiniertes Druck- und Zugversagen infolge Biegebeanspruchung bei schlanken Wänden..................................... 11

Abbildung 2-4: Spannungszustand am Einzelstein nach Mann & Müller ..................... 13

Abbildung 2-5: (a) FE-Netz und Belastung der Berechnung von Mann & Müller, (b) Simulationsergebnis mit ANSYS [3]........................................... 14

Abbildung 2-6: Zusammengesetztes Versagenskriterium im 2D-Spannungsraum ....... 15

Abbildung 3-1: Modellierungsebenen ...................................................................... 16

Abbildung 3-2: Homogenisierung............................................................................ 19

Abbildung 3-3: Einheitszelle für Mauerwerk im Läuferverband .................................. 20

Abbildung 3-4: Steuerungssystem einer Einheitszelle ............................................... 21

Abbildung 3-5: (a) Randbedingungen der Versuche von Page [93], [94], (b) radialer Belastungspfad im Hauptspannungsraum ....................... 23

Abbildung 3-6: FE-Netz der 2D- bzw. 3D-Basiszelle ................................................. 25

Abbildung 3-7: Einheitszelle im Verband ................................................................. 25

Abbildung 3-8: Elastizitätsmodul in Abhängigkeit des Lagerfugenwinkels θ................ 25

Abbildung 3-9: Qualitative Spannungsverteilung im 3D-Modell infolge Scheibenbean-spruchungen über die Dicke ............................................................ 26

Abbildung 3-10: Versuchs- und Simulationsergebnisse der Versuche von Page [93] .... 27

Abbildung 4-1: Kopplung von Plastizität und Schädigungstheorie.............................. 31

Abbildung 4-2: Prinzip des Return-Mapping-Verfahrens............................................ 33

Abbildung 4-3: Return-Mapping-Verfahren bei mehrflächiger Plastizität .................... 34

Abbildung 4-4: Veränderung einer Fließfläche bei isotroper Ver- und Entfestigung..... 35

Abbildung 4-5: Return-Mapping-Verfahren für eine assoziierte Fließregel mit richtungsveränderlichem Normalenvektor ................................... 38

Abbildung 4-6: Spannungsrückzug nach der kombinierten Plastizitäts-Schädigungstheorie........................................................ 40

Abbildung 4-7: Spannungsrückzug nach der kombinierten elastoplastischen Schädigungsformulierung ...................................... 42

Abbildung 5-1: Aufteilung der Querschnittsfläche eines Steins in Schub- und Druck- bzw. Zug-Flächenanteile ................................. 45

Abbildung 5-2: Die Bruchenergie als Maß für die Duktilität ....................................... 47

Abbildung 5-3: Dilatanz- und Reibungswinkel .......................................................... 47

Abbildung 5-4: Einfluss des Dilatanz- und Reibungswinkels auf die Duktilität............. 49

Abbildung 5-5: Ver- bzw. Entfestigungsfunktionen des dritten Kriteriums. ................. 51

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Abbildungsverzeichnis 169

Abbildung 5-6: Return-Mapping-Verfahren mit assoziierter Fließregel an der Knickstelle für τ = 0.............................................. 53

Abbildung 5-7: Spannungs-Dehnungs-Beziehungen (a) und unterschiedliche Randbe-dingungen (b) bei der Durchführung eines vertikalen Druckversuches 54

Abbildung 5-8: Entfestigungsbeziehungen infolge der Kopplung bei mehrflächiger Plastizität. ........................................................... 58

Abbildung 5-9: Kopplung der Entfestigungsparameter der Kriterien III und IV .......... 59

Abbildung 5-10: Spannungspfade bei Wechselbelastung............................................ 61

Abbildung 5-11: FE-Modell eines Probekörpers mit verschiedenen Elementgrößen ...... 62

Abbildung 5-12: (a) Kriterium IV ohne Skalierung der Bruchenergie, (b) Kriterium IV mit Skalierung der Bruchenergie ............................. 64

Abbildung 5-13: Modellierung zur Überprüfung von Kriterien I und II......................... 64

Abbildung 5-14: Kriterium III ohne (a) bzw. mit (b) Skalierung des plastischen Multiplikators .......................................................... 65

Abbildung 5-15: Probekörper unter Zugbelastung ..................................................... 65

Abbildung 5-16: (a) Spannungs-Dehnungs- und (b) Spannungs-Verformungs-beziehungen für verschiedene Probekörperabmessungen.................. 66

Abbildung 5-17: Berechnungsablauf der Materialroutine für Mauerwerk...................... 67

Abbildung 5-18: Verteilung der Vertikalspannung über die Wandlänge in einer Schubwand bei linearem Materialverhalten ohne Auflast ................... 68

Abbildung 5-19: Versuchsaufbau der Wand ZW1....................................................... 70

Abbildung 5-20: Rissbild der Wand ZW1................................................................... 71

Abbildung 5-21: Diskretisiertes Modell in ANSYS...................................................... 71

Abbildung 5-22: Last-Verformungskurve für die Wand ZW1....................................... 72

Abbildung 5-23: Aktivitäten und Schädigung in Abhängigkeit der Kopfpunktverschiebung............................................................. 73

Abbildung 5-24: Versuchsaufbau (a), Anordnung der Messstreifen (b) und Einzelstein (c).......................................................................... 74

Abbildung 5-25: Vergleich der Ergebnisse der zyklischen Druckversuche von Naraine und Sinha [86], [87] mit den Simulationsergebnissen .... 75

Abbildung 5-26: Versuchseinrichtung in Dortmund [92]............................................. 76

Abbildung 5-27: Kinematische Randbedingungen der zyklischen Schubversuche ......... 76

Abbildung 5-28: Versuchsaufbau der Wände aus Hochlochziegeln [92] ...................... 77

Abbildung 5-29: Rissbild der Wand V6...................................................................... 78

Abbildung 5-30: (a) Experimentell ermittelte [92] und (b) berechnete Hysteresekurven der Wand V6 ................................. 78

Abbildung 5-31: Aktivitäten und Schädigung in Abhängigkeit der Kopfpunktverschiebung von Versuch V6..................................... 79

Abbildung 5-32: (a) Rissbild des Versuchs [92] und (b) simuliertes Rissbild der Wand V8 ............................................... 80

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170 Abbildungsverzeichnis

Abbildung 5-33: (a) Experimentell ermittelte [92] und (b) berechnete Hysteresekurven der Wand V8.................................. 80

Abbildung 5-34: (a) Rissbild des Versuchs [92] und (b) berechnete Schädigung der Wand V11 ....................................... 81

Abbildung 5-35: (a) Experimentell ermittelte [92] und (b) berechnete Hysteresekurve der Wand V11.................................. 81

Abbildung 5-36: (a) 3d-Ansicht des Testgebäudes [54] und (b) Einleitungspunkte der zyklischen Belastung an den Gebäudewänden ............................ 82

Abbildung 5-37: Diskretisiertes FE-Modell ................................................................. 83

Abbildung 5-38: Rissbild der Hauswand: (a) Simulation und (b) Versuch .................... 84

Abbildung 6-1: Zusammenhang zwischen Performance-Levels und Erdbebenhäufigkeit .................................................................. 86

Abbildung 6-2: Definition des Verhaltensbeiwertes q [120] ...................................... 89

Abbildung 6-3: Ermittlung der Last-Verformungskurve (Pushover-Kurve) .................. 90

Abbildung 6-4: Kapazitätsspektrum-Methode: Überlagerung von Antwort- und Kapazitätsspektrum.................................................................. 92

Abbildung 6-5: Ableitung der äquivalenten viskosen Dämpfung ................................ 93

Abbildung 6-6: (a) Ausgangspunkt der Iteration und (b) bilineare Approximation des Kapazitätsspektrums........................ 95

Abbildung 6-7: Zulässiger Toleranzbereich nach ATC-40 [8]..................................... 96

Abbildung 6-8: Flussdiagramm zur iterativen Bestimmung des Performance Points .... 96

Abbildung 6-9: (a) Elastisches Spektrum und (b) Verlauf des Reduktionsfaktors Ry nach Newmark und Hall [20], [90] ................... 97

Abbildung 6-10: Vergleich der Ansätze von Newmark und Hall (NH), Krawinkler und Nassar (KN) und Vidic et al. (VFF) [21] ............................................ 99

Abbildung 6-11: Elastisches Antwortspektrum nach DIN 4149 [34]........................... 104

Abbildung 7-1: Dynamisches Ersatzsystem............................................................ 108

Abbildung 7-2: Iterative Berechnung der Kapazitätskurve des Erdgeschosses.......... 109

Abbildung 7-3: Ersatzsystem und Eigenformen vom ungeschädigten Zustand bis zum weichen Erdgeschoss........................................... 111

Abbildung 7-4: Auswirkung der Schädigung im Erdgeschoss auf das Kapazitätsspektrum........................................................... 112

Abbildung 7-5: Adaptive Anpassung der Auslenkungsform ..................................... 113

Abbildung 7-6: Gleichzeitige Entwicklung der modalen Kapazitätsspektren .............. 115

Abbildung 7-7: Flussdiagramm des genauen Verfahrens ........................................ 116

Abbildung 7-8: Dynamisches Ersatzsystem bei gleich bleibendem Geschoss (a) und mit variablen Geschossen (b).................................................. 117

Abbildung 7-9: Geschossschub und -torsionsmoment ............................................ 118

Abbildung 7-10: Makroelement eines Geschosses.................................................... 119

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Abbildungsverzeichnis 171

Abbildung 7-11: Zu jeder Spektralverschiebung unterschiedlich abgemindertes Antwortspektrum....................................................120

Abbildung 7-12: Abweichung des hysteretischen Verlaufs von der idealisierten bilinearen Annäherung [92] ...................................121

Abbildung 7-13: Abminderungsfunktion zur Anpassung des Dämpfungsverhaltens .....122

Abbildung 7-14: Entwicklung eines elasto-plastischen Funktionsverlaufs....................123

Abbildung 7-15: Vergleich der Verfahren zur Berücksichtigung des Dämpfungsverhaltens..............................................................124

Abbildung 7-16: Entwicklung der Kapazität unter Einbeziehung der orthogonal wirkenden Erdbebenlast................................................126

Abbildung 7-17: Ansatz der orthogonalen Erdbebenlasten und Massenexzentrizitäten 126

Abbildung 7-18: Bestimmung der elastischen Steifigkeit ...........................................128

Abbildung 7-19: M-DESIGN: Programmmodule und Ablauf .......................................131

Abbildung 7-20: M-DESIGN: graphische Eingabeoberfläche ......................................131

Abbildung 7-21: M-DESIGN: Untermenüs ................................................................132

Abbildung 7-22: M-DESIGN: Vereinfachter Nachweis durch Einhaltung konstruktiver Regeln nach DIN 4149, Abschnitt 11.6 .......................132

Abbildung 7-23: Datenbankzugriff...........................................................................133

Abbildung 7-24: Zuordnung der Flächeninkremente zum Deckenbereich (a) und Abstandsbestimmung (b) ........................................................134

Abbildung 7-25: Bestimmung der maßgebenden Wandscheibe (a) und der Widerstände (b)................................................................135

Abbildung 7-26: Funktionsweise des Dijkstra-Algorithmus [122] zur Pfadsuche..........135

Abbildung 7-27: Verteilung der Auflasten auf die Wandscheiben für eine Decke (a) ohne bzw. (b) mit Aussparung............................136

Abbildung 8-1: Reihenhaus-Grundriss....................................................................138

Abbildung 8-2: Ermittlung der Pushover-Kurven aus zyklischen Schubwandversuchen an Wänden aus Hochlochziegeln ...................138

Abbildung 8-3: Gesamtkapazitätskurve des Erdgeschosses .....................................139

Abbildung 8-4: Verlauf der Steifigkeitsabminderung ...............................................139

Abbildung 8-5: Verformungsfigur in Abhängigkeit der maximalen Auslenkung..........140

Abbildung 8-6: (a) Eigenformen und (b) Verformungsfigur bei einer Dachverschiebung von 0,1 bzw. 1,1 cm ............................141

Abbildung 8-7: Bestimmung des Performance Point für das dreistöckige Reihenhaus141

Abbildung 8-8: Verlauf der äquivalenten viskosen Dämpfung ..................................142

Abbildung 8-9: Variation der Stockwerksanzahl ......................................................143

Abbildung 8-10: Maximale relative Stockwerksverschiebung in Abhängigkeit der Stockwerksanzahl ............................................144

Abbildung 8-11: Maximal aufnehmbares Erdbeben...................................................145

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172 Abbildungsverzeichnis

Abbildung 8-12: q-Faktoren für ein dreigeschossiges Reihenhaus mit Wänden aus Hochlochziegel in Abhängigkeit der Untergrundverhältnisse............. 147

Abbildung 8-13: q-Faktoren für ein dreigeschossiges Reihenhaus mit Wänden aus Kalksandstein in Abhängigkeit der Untergrundverhältnisse .............. 147

Abbildung 8-14: Seismische Gefährdungskurve für Aachen [106] ............................. 148

Abbildung 8-15: Synthetisch generierte Akzelerogramme für eine Wiederkehrperiode von 100 Jahren für den Standort Aachen ....................................... 149

Abbildung 8-16: (a) Grundriss und (b) FE-Modell der tragenden Innenwand im Aufriss ............................................. 150

Abbildung 8-17: Berechnete Kapazitätskurve für unterschiedliche Stockwerksanzahl . 151

Abbildung 8-18: Hysteresekurven des verwendeten Materialmodells für β = 1 .......... 151

Abbildung 8-19: Kumulierte Schädigung in Abhängigkeit der Wiederkehrperiode ....... 153

Abbildung 8-20: Vergleich der statischen mit der Zeitverlaufsberechnung für das Modell mit unbehindertem Deckendrehwinkel bei zwei Geschossen.. 153

Abbildung 8-21: Kapazitätskurve der Einzelwand..................................................... 154

Abbildung 8-22: Variation der Grundrisskonfiguration .............................................. 154

Abbildung 8-23: Gebäudekapazitätskurven bei unregelmäßigem Grundriss................ 155

Abbildung 8-24: starkes (a) und schwaches (b) Geschoss ........................................ 156

Abbildung 8-25: Gebäudekapazitätskurven bei unregelmäßigem Aufriss.................... 157

Abbildung 9-1: Wandfertigteil aus Mauerwerk ....................................................... 160

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Tabellenverzeichnis 173

Tabellenverzeichnis Tabelle 3-1: Festigkeitskennwerte in [MN/m²] der Versuche

von Page [27], [28], [93], [94]............................................................. 26

Tabelle 5-1: Verwendete Materialparameter der Wand ZW1 [70], [71] ...................... 72

Tabelle 5-2: Verwendete Materialparameter der Versuche von Naraine und Sinha [86], [87] ......................................................... 75

Tabelle 5-3: Verwendete Materialkennwerte der Wände aus Hochlochziegel [92], [111], [113] ................................................... 77

Tabelle 5-4: Verwendete Materialparameter zur Simulation der Gebäudewand mit Öffnungen [54], [111] ........................................ 83

Tabelle 6-1: Werte für den Korrekturfaktor κ gemäß ATC-40 [8] ............................... 94

Tabelle 6-2: Typen des hysteretischen Verhaltens (ATC-40 [8])................................. 94

Tabelle 6-3: Verhaltensbeiwert q nach DIN 4149, Tabelle 17....................................104

Tabelle 6-4: Mindestanforderungen an aussteifende Schubwände ............................105

Tabelle 6-5: Mindestanforderung an die auf die Grundrissfläche bezogene Quer-schnittsfläche von Schubwänden je Richtung....................................... 106

Tabelle 8-1: Übersicht der vorgestellten Beispiele und der untersuchten Effekte ........137

Tabelle 8-2: Zusammenhang zwischen jährlicher Überschreitungswahrschein- lichkeit, Wiederkehrperiode, Intensität und max. Bodenbeschleunigung am Standort Aachen ..........................................149

Tabelle 8-3: Vergleich der berechneten maximalen relativen Stockwerks- verschiebung mit der nichtlinear statischen und der Zeitverlaufs-berechnung für das Modell mit behindertem Deckendrehwinkel .............152

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Lebenslauf

Zur Person Name: Mistler

Vorname: Michael

Geburtsdatum: 26.06.1976

Geburtsort: Karlsruhe

Familienstand: verheiratet mit Sarah Mistler, geb. Hoster Sohn Philipp und Tochter Ann-Sophie

Schulausbildung 08/82 - 06/86 Gemeinschaftsgrundschule, Stolberg-Breinig (Rhld.)

08/86 - 06/95 Ritzefeld-Gymnasium, Stolberg (Rhld.)

Studium 03/98 Vordiplom des Bauingenieurwesens an der RWTH Aachen

03/01 Diplom des Bauingenieurwesens an der RWTH Aachen Vertiefungsrichtung: Konstruktiver Ingenieurbau

Berufsweg 03/96 - 03/97 Zivildienst beim Referat für Umwelt, Forst und Natur der Stadt Stolberg

(Rhld.)

04/98 - 06/01 Studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Mechanik und Baukonstruktio-nen der RWTH Aachen

06/02 Thyssen-Hünebeck Preis

08/03 - 11/03 Marie-Curie-Stipendium. Structural Mechanics Unit, Joint Research Centre, Ispra, Italien

08/01 – 10/06 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Baustatik und Baudy-namik der RWTH Aachen; freiberufliche Tätigkeit mit überwiegend baudynamischen Problemstellungen