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Vergleich der mittleren Bewegungen in der babylonischen, griechischen und indischen Astronomie yon B. L. VAN DER WAERDEN* Summary. The mean motions of sun, moon and planets according to Greek authors are compared with those derived from Babylonian and Indian sources. From this comparison, conclusions concerning dependence can be drawn. INHALTS~BERSICHT A. Problem und Methode. 1. Umlaufszeiten oder Geschwindigkeiten? 2. Tropisches oder siderisches Jahr? 3. Zeiteinheit und Ekliptikteilung in der hellenistischen Astronomie. 4. Zeiteinheit und Ekliptikteilung in der babylonischen Astronomie. 5. Planetenperioden. 6. Verwandlung von monatlichen in jiihrliche Bewegungen. 7. Genauigkeit. B. Ergebnisse. 8. Tagliche Bewegungen von Sonne und Mond nach griechischen Quellen. 9. Monatliche Bewegungen von Sonne und Mond in den Keilschrift- texten. 10. Jiihrliche Bewegungen von Sonne und Mond. 11. Planetenbewegung. 12. Umlaufszahlen der Planeten nach persischen und indischen Quellen. 13. Gesamtiibersicht. 14. Schlussfolgerungen. Mathematisches Institut d. Universitat Ziirich. Cmrurw 1965: vol. 11: no. 1: pp. 1-18 1 CENTAURUS, VOL. XI

Vergleich der mittleren Bewegungen in der babylonischen, griechischen und indischen Astronomie

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Vergleich der mittleren Bewegungen in der babylonischen,

griechischen und indischen Astronomie yon B. L. VAN DER WAERDEN*

Summary. The mean motions of sun, moon and planets according to Greek

authors are compared with those derived from Babylonian and Indian sources. From this comparison, conclusions concerning dependence can be drawn.

INHALTS~BERSICHT

A. Problem und Methode. 1. Umlaufszeiten oder Geschwindigkeiten? 2. Tropisches oder siderisches Jahr? 3. Zeiteinheit und Ekliptikteilung in der hellenistischen Astronomie. 4. Zeiteinheit und Ekliptikteilung in der babylonischen Astronomie. 5. Planetenperioden. 6. Verwandlung von monatlichen in jiihrliche Bewegungen. 7. Genauigkeit.

B . Ergebnisse. 8. Tagliche Bewegungen von Sonne und Mond nach griechischen

Quellen. 9. Monatliche Bewegungen von Sonne und Mond in den Keilschrift-

texten. 10. Jiihrliche Bewegungen von Sonne und Mond. 1 1. Planetenbewegung. 12. Umlaufszahlen der Planeten nach persischen und indischen Quellen. 13. Gesamtiibersicht. 14. Schlussfolgerungen.

Mathematisches Institut d. Universitat Ziirich.

Cmrurw 1965: vol. 11: no. 1 : pp. 1-18

1 CENTAURUS, VOL. XI

2 B. L. van der Waerden

A. PROBLEM UND METHODE

Ein wichtiges Hilfsmittel beim Studium der Wechselbeziehungen zwischen der babylonischen, hellenistischen und indischen Astronomie ist der Vergleich der mittleren Bewegungen der Himmelskorper. Nun kann man die Zeiten durch verschiedene Zeiteinheiten (Tage, mittlere syno- dische Monate, tropische oder siderische Jahre) ausdrucken, und man kann die Bewegungen synodisch, siderisch oder tropisch messen. Es ist also wichtig, einheitliche Masstabe fiir Raum und Zeit zu wiihlen, damit alle Zahlen vergleichbar werden.

1. Umlaufszeiten oder Geschwindigkeiten ? Es ist klar, dass man mit mittleren “Bewegungen”, d. h. Geschwindig-

keiten, leichter rechnet als mit Umlaufszeiten. Addiert man zur tropischen Bewegung eines Himmelskorpers die Priizession, so erhalt man die siderische Bewegung. Addiert man zur Bewegung des Mondes die Knotenbewegung, so erhiilt man die Bewegung in Breite. Subtrahiert man von der Mondbewegung die Bewegung des Apogeums, so erhalt man die Bewegung in Anomalie. M e diese Operationen werden vie1 komplizierter, wenn man Umlaufszeiten zugrunde legt.

2. Tropisches oder siderisches Jahr ?

Das tropische Jahr eignet sich aus verschiedenen Griinden nicht gut als Zeiteinheit. Erstens rechnen die indischen Quellen meistens nicht mit tropischen Jahren. Zweitens: wiirde man die tiiglichen Bewegungen des Ptolemaios in Bewegungen pro tropisches Jahr umrechnen, so wiirde man in alle Bewegungen einen systematischen Fehler hineinbringen, da das von ihm angenommene tropische Jahr zu gross ist.

Besser eignet sich das siderische Jahr. Das siderische Jahr des Ptole- maios stimmt recht gut mit dem babylonischen, dem indischen und dem modernen siderischen Jahr iiberein, wie wir noch sehen werden. Fiir die indische Astronomie empfiehlt sich das siderische Jahr als Zeiteinheit besonders deswegen, weil die indischen Quellen selbst meistens die Bewegung pro Mahdyuga angeben, wobei das Mahiyuga 4320000 siderische Jahre umfasst. Dividiert man die Umlaufszahl pro Mahdyuga durch 4320000, so erhalt man die Umlaufszahl pro Jahr. Um die Bewegung in Bogenminuten auszudriicken, muss man wiederum mit

Vergleich der mittleren Bewegungen 3

360 x 60 = 21 600 multiplizieren. Insgesamt hat man also die Umlaufs- zahlen durch

= 200 4 320 O00 21 600

zu dividieren, um die jahrliche Bewegung in Bogenminuten zu erhalten. Da die Umlaufszahlen in den Quellen selbst dezimal angegeben sind, ist die Division durch 200 eine leichte Rechenoperation.

3. Zeiteinheit und Ekliptikteilung in der hellenktkchen Astronomie. Die fundamentale Zeiteinheit in der hellenistischen Astronomie ist der

Tag. Die meisten Astronomen benutzen den agyptischen Kalender, in dem das Jahr genau 365 Tage hat. Ptolemaios gibt alle Bewegungen in Graden pro Tag an. So lange man nur griechische und agyptische Quellen untereinander und mit modernen Rechnungen vergleicht, wird man also den Tag als Zeiteinheit benutzen.

Als Nullpunkt der Ekliptik nimmt Prolemaios den Friihlingspunkt. Andere hellenistische Astronomen benutzen eine siderische Ekliptik- teilung, d. h. eine solche, die fest mit den Fixsternen verkniipft ist. Will man die tropischen Bewegungen des Ptolemaios auf die siderische Eklip- tik reduzieren, so muss man den von ihm angenommenen Wert der Priizession, namlich 1" in 100 Jahren oder (sexagesimal geschrieben)

(1) 0;0,0,5,54,50 Grad pro Tag zur taglichen Bewegung addieren.

Will man hellenistische Werte mit indischen vergleichen so muss man zunachst die erwiihnte Reduktion auf die siderische Ekliptik vollziehen und sodann die tagliche Bewegung in jahrliche Bewegung umechnen, indem man mit der Lange des siderischen Jahres multipliziert. Das tropische Jahr von Hipparchos und Ptolemaios enthalt

365 + 4 - & = 365;14,48

Tage. Rechnet man noch die Zeit dam, die die Sonne braucht, um Grad zuriickzulegen, so erhalt man

(2) 365;15,24,32d = 3656 6" 9" 48.88

als Dauer des siderischen Jahres nach Ptolemaios. Der Wert stimmt sehr

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4 B. L. van der Waerden

gut mit der modernen Rechnung uberein; man fiihrt also keinen syste- matischen Fehler ein, wenn man die taglichen Bewegungen mit (2) multipliziert, um sie in jikliche Bewegungen umzurechnen.

Der Umrechnungsfaktor (2) ist immer dann anzuwenden, wenn man von den taglichen Bewegungen des Hipparchos oder des Ptolemaios ausgeht. Hat man es mit einem anderen hellenistischen System zu tun, so muss man die Jahreslhge eben dieses Systems verwenden.

Allerdings geht bei der Umrechnung auf jahrliche Bewegungen ein Parameter verloren, namlich die Sonnenbewegung. Die jahrliche Sonnen- bewegung ist ja nach Defmition 360”. Man muss also als weiteren Para- meter die Dauer des siderischen Jahres, d. h. die Zahl der Umlaufe der Sonne (in ihrer taglichen Bewegung) im siderischen Jahr hinzunehmen. Addiert man 1, so erhiilt man die Zahl der Umdrehungen des Fixstern- himmels im Jahr. Die Zahl ist 366 und etwas mehr als 4. Zweckmassig lasst man die 366 ganzen Umdrehungen weg und verwandelt den Rest in Grade durch Multiplikation mit 360. Das Ergebnis ist der “Umdrehungs- uberschuss” (excess of revolution), der in arabischen Tafeln verschiedent- lich erwkhnt wirdl. Aus dem Umdrehungsuberschuss kann man, indem man ihn durch 360 dividiert, den Ueberschuss des Jahres iiber 365 Tage zuriick erhalten.

4. Zeiteinheit und Ekliptikteilung in der babylonischen Astronomie. Die fundamentale Zeiteinheit in der babylonischen Astronomie ist der

Monat, d. h. der mittlere synodische Monat, der in 30 Mondtage oder Tithis eingeteilt ist. Er enthalt nach der babylonischen Mondrechnung (System I = B) und nach Hipparchos und Ptolemaios iibereinstimmend

(3) 29;31,50,8,20

Tage2. Dieser Wert stimmt sehr gut mit der modernen Rechnung uberein. Durch die Benutzung des Faktors (3) als Umrechnungsfaktor von tag- licher zu monatlicher Bewegung werden also keine systematischen Fehler eingefiihrt.

Die Babylonier benutzen eine siderische Ekliptikteilung : alle Be- wegungen werden auf die Fixsterne bezogen. Wenn man namlich die monatlichen Bewegungen von Sonne und Mond, wie sie in der Mond- rechnung angenommen werden, als tropische Bewegungen deuten wiirde, so wiiren die Zahlenwerte vie1 zu gross. Deutet man sie aber als siderische

Vergleich der mittleren Bewegungen 5

Bewegungen, so sind sie nur ein wenig zu gross. Als Marksteine zur Be- stimmung der Bewegung benutzten die Babylonier Normalfixsterne, die iiber die ganze Ekliptik verteilt waren. Der Nullpunkt der babylonischen Ekliptik hat nahezu die Lange 356" auf der tropischen Ekliptik des Jahres - 100.3

Will man also baby lonische Sonnen- und Mondperioden untereinander und mit hellenistischen Perioden vergleichen, so wird man alle Bewegungen auf die siderische Ekliptik beziehen und den Monat als Zeiteinheit wahlen. Tagliche Bewegungen werden in monatliche umgerechnet, indem man sie mit dem Faktor (3) multipliziert.

5. Planetenperioden. Anders liegt die Sache bei den Planeten, denn die babylonischen und

hellenistischen Planetenperioden werden meistens nicht im Verhiiltnis zum synodischen Monat, sondern im Verhaltnis zum Jahr angegeben. So findet man in den Keilschrifttexten und bei RHETORIOS (Catal. cod. astrol. Graec. I, p. 163) die folgenden Planetenperioden :

Saturn 9 Umlaufe = 256 synod. Per. = 265 Jahre Jupiter 36 - = 391 - - = 427 - Mars 151 - = 133 - - = 284 - Venus 720 - - = 1151 - Merkur 1513 - - = 480 -

Bei Venus und Merkur sind die geozentrischen Umlaufszahlen natiirlich ebenfalls 1 15 1 und 480. Die heliozentrischen Umlaufszahlen sind

Venus 720 + 1151 = 1871 Merkur 1513 + 480 = 1993.

Die jlihrliche Bewegung wird in allen Fallen gefunden, indem man die Zahl der Umlaufe mit 360" multipliziert und durch die Zahl der Jahre dividiert. Bei Venus und Merkur ist die jiihrliche synodische Bewegung gleich der heliozentrischen Bewegung minus 360". Es ist also bei den inneren Planeten gleichgiiltig, ob man die heliozentrische oder die synodische Bewegung angibt. Bei den ausseren Planeten ist die jihrliche synodische Bewegung gleich 360" minus siderische Bewegung.

6 8. L. van der Waerden

6. Verwandlung yon monatlichen in jahrliche Bewegungen. Einen Fall haben wir noch nicht behandelt, namlich den, dass man eine

monatliche Bewegung, die man einer babylonischen Quelle entnommen hat, in eine jahrliche Bewegung umwandeln wiII, urn sie mit den indischen Quellen zu vergleichen. Dazu muss man die monatliche Bewegung mit der Zahi der Monate im siderischen Jahr muitiplizieren. Diese Zahl ist nach dem babylonischen System I1 = A

(4) 12;22,8

und nach System I = B

(5) 12;22,7,51,53,40

(0. NEUGEBAUER, Astronomical Cuneiform Texts I, p. 71). Beide Werte sind zu gross. Die indischen Texte rechnen mit kleineren Werten, z. B. der SGrya-Siddhiinta und h a b h a t a mit

= I2 ;22,7,46,48 53 433 336 4 320 OOO

und Brahmagupta mit

= 12;22,7,45. 53 433 300 4 320 0oO

Bei Hipparchos und Ptolemaios und nach moderner Rechnung ist der Quotient noch kleiner. Man weiss also nicht recht, mit welchem Faktor man rechnen soll.

Ich mochte daher vorschlagen, die Umrechnung nur auf langsame Bewegungen wie die des Mondknotens und des Apogeums anzuwenden, bei denen es auf den genauen Umrechnungsfaktor nicht so ankommt. Ein Fehler f im Umrechnungsfaktor ergibt, mit einer kleinen monatlichen Bewegung v multipliziert, nur einen kleinen Fehler fv in der jahrlichen Bewegung.

An einer Stelle kommt der Umrechnungsfaktor natiirlich wesentlich hineb, nh l i ch bei der Bewegung des Mondes selbst. Der Faktor (4) oder (9, um 1 vermehrt, ist namlich gerade die Umlaufszahl des Mondes im siderischen Jahr nach System A oder B. Man nehme also diese Zahlen, lasse die 13 ganzen Umlaufe weg und multipliziere den Rest mit 360.

Vergleich der mittleren Bewegungen 7

in L h g e X =

in Anomalie Y = in Breite z = Apogeum x - y = Knoten x - z =

So ergibt sich ohne weiteres die jiihrliche siderische Bewegung des Mondes in Grad, nkdich

132" 48' nach System I1 = A 132" 47' 11" nach System I = B.

Zusammenfassend haben wir fiir die Mondbewegung die folgende Vorschrift :

Man berechne aus der babylonischen Theorie ( A oder B ) die monatliche Bewegung des Knotens und des Apogeums. Um sie in jahrliche Bewegungen zu verwandeln, multipliziere man sie mit dem Faktor (4) fur System A , mit ( 5 ) fur System B. Aus (4) oder (5) erhlilt man ferner, wie oben ange- geben, durch Multiplikation mit 360 die jahrliche Bewegung des Mondes.

13 "1 0'34"58"' 33jV3 1 13" 3'53"56"' 29iv39v 13 3'53"56"' 171VW 13'1 3'45"39"' 401v17v 13*13'45"39"' 481V57v

6'41" 2"' 3lV52V 6'41" 2"'15iv39v

13 a 10'34"58"' 33iv3 1

- 3'10"41"' 6iv46V - 3'10"41"' 15i'26v

7. Genauigkeit. Ich schlage vor, die taglichen Bewegungen auf Quarten, die monat-

lichen auf Terzen und die jahrlichen auf Sekunden genau zu berechnen. Bei dieser Genauigkeit kommen auch die winzigsten Unterschiede zwischen verschiedenen Theorien deutlich zum Vorschein.

B. ERGEBNISSE 8. Tagliche Bewegungen von Sonne und Mond nach griechischen Quellen.

Aus Almagest IV 3 entnehmen wir die in Tabelle 1 zusammengestellten tropischen Bewegungen des Mondes nach Hipparchos und Ptolemaios :

Tabelle I

Ptolemaios I Hipparchos I TLgliche Bewegung

8

Sonne Mond Apogeum

Priizession Knoten

B. L. van der Waerden

59’ 8”11”’18’V 59’ 8”11”‘18’V 59‘ 8“10”’2SV

6’40”56“’ g I V 6’40”56”’21 I V 6‘40”52’’’431v

5“‘551V 5”’55Iv (Theon 7“’24lv)

13”10’34“52”’391V 13”10’34“52”’391v 13’10’34”52”‘

- 3’10”47”’ 2 1 V - 3’1()“47”’101V - 3‘10’’49”’15Iv

Tabelle 2

TPgliche PauliSa f ir Sonne I Hipparchos Ptolemaios sid. Bewegung Ryland 27 f i r Mond

Die letzte Spalte wurde folgendermassen erhalten. Die Zahlen fiir den Mond und seine Knoten sind direkt meiner Arbeit “The Astronomical Papyrus Ryland 27” (Centaurus 5, p. 177) entnommen. In derselben Arbeit wurde fur die Dauer des anomalistischen Monats die Zahl 27;33,16,21,4 & 41” gefunden. Dividiert man 360” durch diese Zahl, so erhiilt man die tagliche Bewegung in Anomalie:

y = 13 “3‘53”59”’1 7lv

mit einem Fehler von hochstens 2Iv. Die DXerenz x - y ergibt wieder die taghche Bewegung des Apogeums.

Die Bewegung der Some ist im Papyrus Ryland nicht angegeben, da dieser nur vom Monde handelt. Die im Papyrus verwendeten Mond- perioden von 3031 und 248 Tagen kehren aber bei Var2ha Mihira wieder, und zwar dort, wo dieser uber den Inhalt des PauliSa Siddhbta berichtet4. Offenbar ist die Astronomie des PauliSa mit den griechischen Papyri Lund 35a und Ryland 27 verwandt. Als Autor des Originalwerkes, das dem PauliSa-Siddhgnta zugrunde liegt, gilt nach einer indischen Tradition, die AlWWini5 iibermittelt hat, “PauliSa der Grieche, aus der Stadt Saintra”. Albiirni vemutet, dass mit der Stadt Saintra Alexandria gemeint i d . Jedenfalls enthalt der PauliSa Siddhgnta eine Angabe uber die Liingendiflerenzen von Yavana, d. h. Alexandria einerseits, Avanti und Benares andererseits. Der PauliSa-Siddhanta beruht also sicher auf griechischen Quellen.

Aus Var2ha Mihira I11 1 geht hervor, dass die Sonne nach PauliSa in 43 831 Tagen 120 Umlaufe vollfiihrt. Daraus foIgt fur die Dauer des (sicherlich siderischen) Jahres

365 ; 15,30 Tage.

Vergleich der mittferen Bewegungen 9

Genau denselben Wert gibt auch AlbattSni7 als Jahreslkge der Agypter und Babylonier.

Aus alledem sieht man, dass die Annahme einer Jahreslange von 365 ; 15,30 Tagen in der vorptoledschen griechischen Astronomie weit verbreitet war. Zu dieser Jahresliinge gehort aber eine mittlere tiigliche Bewegung der Some

59'8 '1 O"'25 lv.

Es fragt sich nun, ob diese Sonnenbewegung mit der Mondbewegung des Papyrus Ryland vertraglich ist. Verschiedene Astronomen nehmen haufig ganz verschiedene Bewegungen fiir die Some und den Mond an, aber die Differenz der Bewegungen von Sonne und Mond muss in allen Systemen ungefahr ubereinstimmen, weil der Augenblick des Vollmondes sich leicht genau bestimmen lasst, z. B. durch Finsternisbeobachtungen. In der Tat sehen wir, dass die babylonischen, griechischen und indischen Quellen fiir diese Differenz fast denselben, in einigen Fallen sogar genau denselben Wert geben. Wir bilden also aus der Mondbewegung des Papyrus Ryland und der Sonnenbewegung des PauliSa die Differenz

13"10'34"52"' - 59'8''lO' "2YV = 12"1l'26''4lf"35~V.

Dieser Wert ist nur 14iv grosser als der gemeinsame Wert von Hip- parchos, Ptolemaios und dem babylonischen System I. Es steht also nichts der h a h m e im Wege, dass die Mondtheorie der Papyri Ryland und Lund und die Sonnentheorie des PauliSa kombiniert von den hel- lenistischen Astrologen verwendet wurden.

Die "alten Astrologen" nahmen nach Theon* eine hin- und hergehende Bewegung der Aequinoktien an. Seit dem Jahr - 128 des Augustus sei die Bewegung riicklaufig und betrage 1" in 80 Jahren. Das ergibt eine jahrliche Bewegung von -45", eine tagliche von -7"'24lV. Dieser Wert wurde in der Tabelle 2 eingeklammert, weil wir nicht wissen, ob diese "alten Astrologen" dieselben waren, die nach Ryland 27 rechneten oder dieselben, deren Jahreslange Albattini uns erhalten hat.

9. Monatliche Bewegungen von Sonne und Mond in den Keilschrifttexten.

Im System I = B der babylonischen Mondrechnung ist die dttlere monatliche Bewegung der Some direkt gegeben9 :

(6) 29"6'19''20"'.

10 R. L. vun der Waerden

Im System I1 = A hat das Jahr 12;22, 8 Monate. In einem Jahr legt die Sonne 360 Grade zuruck, in einem Monat also

(7) 360" : 12;22,8 = 29'6'19"l"'.

Um die monatliche Bewegung des Mondes zu erhalten, braucht man nur 360" zu addieren.

Nach System I sind 251 synodische Monate gleich 269 anomalistische. Die anomalistische Bewegung des Mondes im synodischen Monat ist also

(8) - 360" = 360" + 25"49'0'f14'f'.

Ebenso ist die monatliche Bewegung in Breite nach System I

(9) * 360" = 360" + 30"40'14"4"',

Im System I1 sind 6247 synodische Monate gleich 6695 anomalistische Perioden. Die monatliche anomalistische Bewegung ist also im System I1

(10)

nitischen zum synodischen Monat

- 360" = 360" + 25"49'1"54"'.

In System I1 ist nach 0. NEUGEBAUER~~ das Verhaltnis des drako-

P 24 p=-=- P+1 2 4 + d

mit K 25,17,26,59 ;29,36 J 12;22,8 d = 12,0,0,0 und d = - =

Die Breitenbewegung in einem synodischen Monat ist also

1 24 + d K 360 P 24 J 24 - - 360" = - . 360" = 360" + -. -

= 360" + 30°40'14"31'" 6,19;21,44,52,24 12;22,8

= 360" + In System I1 ist die Dauer des mittleren synodischen Monats

29 ;3 1 ,50,19,11,4,56 Tagel 1.

Die Zusammenstellung der babylonischen Werte mit denen des Hipparchos ergibt nun folgende Tabelle :

Vergleich der mittleren Bewegungen 11

~ ~ ~~

Monatliche Bewegung des Mondes

Tabelle 3

Babylonisch Griechisch System I1 = A I System I = B Hipparchos

in Llnge in Anomalie in Breite Apogeum X - Y =

X = 360" + Y = 360" + Z = 360" +

Knoten x - z =

29" 6'19" 1"' 29 O 6'1 9"20"' 29" 6'20" 7"'

25"49' 1'34"' 25 "49' O"14"' 25"49' O"14"' 30"4014"31"' 30"40'14" 4"' 30"40'14" 4"'

3 "1 7'1 7" 7"' 3"17'19" 6"' 3"17'19"53"' - 1 "33'55"30"' - 1 "33'54"44"' - 1 "33'53"57"'

Das Minuszeichen bei der Knotenbewegung werden wir kiinftig weglassen, weil es selbstverstandlich ist. Ebenso bei der Priizession.

Wie man sieht, stimmen drei von den sechs Parametern des Hipparchos genau mit denen des Systems I = B uberein. Daraus hat schon KUGLER~ geschlossen, dass Hipparchos diese Parameter aus der babylonischen Mondrechnung ubernommen hat.

10. Jahrliche Bewegungen von Some und Mond. Die jiihrlichen Bewegungen der beiden babylonischen Systeme werden

erhalten, indem man die monatlichen Bewegungen mit den Faktoren

(12) 12;22,8 (System A) und 12;22,7,51,53,40 (System B)

multipliziert. Die so erhaltenen Werte sind in Tabelle 4 zusammen- gestellt.

Durch Multiplikation der Faktoren (12) mit der Dauer des syno- dischen Monats findet man die Dauer des Jahres:

365;15,40,31,58 fiir System I1 = A 365;15,34,18,22 - - I = B

(vgl. Kugler, Babylonische Mondrechnung S. 72 und 91). Addiert man 1, so erhalt man die Anzahl der Umdrehungen des Fixsternhimmels. Lasst man die 366 ganzen Umdrehungen weg und multipliziert den Rest mit 360, so erhalt man die Umdrehungsiiberschiisse:

94" 3'12" fur System A, 93"25'50" - - B.

12 B. L. van der Waerden

132"45'12" 40"40'45" 19'21 '25"

92"27'12" mindest. 36"

Die jarlichen Bewegungen nach Hipparchos und Ptolemaios wurden durch Multiplikation der taglichen Bewegungen mit der Jahresliinge (2) erhalten. Fur die Some ergibt sich dabei natiirlich genau 360".

Urn die taglichen Bewegungen des Mondes, der Apogeums und des Knotens nach Ryland 27 (Tabelle 2) in jahrliche umzurechnen, wurden sie mit der Jahreslange des PauliSa (13) 365;15,30 multipliziert. Die Ergebnisse fur das Apogeum und den Knoten sind geniigend genau. Die jiihrliche Bewegung des Mondes ist unsicher, weil wir nicht wissen, ob die Jahreslange (13) genau stimmt.

Die so erhaltenen jahrlichen Bewegungen sind in Tabelle 4 zusammen- gestellt.

Tabelle 4

132'45'12'' 132"46'20" 40"40'46" 40'40'24" 19"21'26" 19"21'39"

92"27'12" (PauliSa) 93" 36" (Theon) 45"

Jlhrliche Bewegungen

Mond Apogeum Knoten Umdrehungs-

iiberschuss Prkession

132"48' 40"40'12" 19"21'45"

94" 3'12" 0

Ba bylonisch System A 1 System B

I I 132'47'1 1" 40"40'36" 19"21'35"

93"25'50" 0

Saturn Jupiter Mars Venus Merkur

57' 7"43"'41 l V 4 4 V 2' 0'27"'371V 54' 9" 2"'46'v26v 4'59" 8"'321v 27'41 "40"'19 lV21 3 1 '26"30"'591v 36'59"25"'53iv1 1

3' 6'24" 6"'591v36v

1 1. Planetenbewegung. Die mittleren Bewegungen der Planeten nach Hipparchos kennen wir

nicht, denn Ptolemaios teilt im Almagest IX 3 nur die von ihm selbst komgierten mittleren Bewegungen mit. Die Bewegung in homalie nach Ptolemaios ist in Tabelle 5 in der zweiten Spalte wiedergegeben.

Tabelle 5 ~ ~~~~

I Tlgliche Bewegung

~

synodisch siderisch

Vergleich der mittleren Bewegungen 13

Babyionisch

12"13'35" 30-21' 5" 191 "24'30" 225 1 1 '44" 54"45' 0"

Um die siderische Bewegung zu erhalten, muss man bei den drei ausseren Planeten die Bewegung in Anomalie von der Sonnenbewegung sub- trahieren.

Durch Multiplikation mit der Jahresdauer 365;15,24,32 erhiilt man die jarlichen Bewegungen. Man fmdet sie in der dritten Spalte der nach- folgenden Tabelle 6. In der zweiten Spalte findet man die Werte, die sich aus den Periodenrelationen der Keilschrifttexte ergeben :

Ptolemaios Keskinto

12O13'19" 12"15'19" 30"21' 4" 30"16' 4" 191 "24'23" 191 "23'26" 225"ll' 2" 54"44'35" 54"58'34"

Saturn siderisch &g * 360' = 12'13'35" 6"' Jupiter - & - 360" = 30'21' 4"38"' Mars - * 360' = 19 1 "24'30"25'" Venus synodisch #& * 360' = 225'1 1'43''4"" Merkur - - 360" = 3 Umlaufe + 54'45'.

In der folgenden Tabelle 6 sind die jiihrlichen Bewegungen auf Se- kunden abgerundet.

JBhrliche Bew.

Saturn sid. Jupiter - Mars - Venus syn. Merkur -

Die letzte Spalte bezieht sich auf die Inschrift von Keskinto auf Rhodos, die von HILLER (Inscr. Graec. insul. maris Aegaei, Heft 1, Nr. 913) publiziert und von TANNERY (Mkm. scient. 11, p. 487) bearbeitet wurde. Nach der Inschrift vollfiihren Merkur, Mars, Jupiter und Saturn in 291 400 Jahren der Reihe nach

29 1 400, 154 920, 24 500, 9 920 siderische und 918 700, 136 480, 266 900, 281 480 synodische Umlaufe.

Daraus ergeben sich die oben angegebenen jiihrlichen Bewegungen. Sie sind sehr ungenau.

14 B. L. van dcr Waerden

12. Umlaufszahlen der Planeten nach persischen und indischen Quellen. In einer friiheren Arbeitl2 habe ich die Umlaufszahlen der Planeten im

Mahbyuga nach folgenden Quellen zusammengestellt :

1) Alter Shy-Siddhdnta (abgekiirzt: SS) nach dem Bericht von VarPha Mihira,

2) Aryabhatfyu des h a b h a f a , 3) Neuer Sziryu-Siddhdntu (neuer SS). 1) und 2) beruhen beide auf Beobachtungen, die um 500 n. Chr.

angestellt wurden. In 3) sind die Umlaufszahlen verbessert auf Grund von Beobachtungen um 1100 (Datierung nach Bentley).

Fur die alte Zeit kommen noch folgende Quellen in Betracht: 4) Khqdukhddyuku des Brahmaguptal3 (625 nach Chr.). Die Um-

laufszeiten dieses Werkes stimmen genau mit denen des alten SS uberein. 5) Auch die Umlaufszeiten, die Albirfini und Bhaftotpala aus dem

PuZiSu-Siddhdnta zitieren, stimmen genau mit denen des alten SS uberein. 6) Verschieden von diesem PuliSa-Siddhhta, den wir als neuen PS

anfiihren werden, ist der alte Paulisa-Siddhdnta, uber den VarAha Mihira in den Kapiteln 34,6-7 und 18 seines Panchasiddhdntikd berichtet. Nach diesem alten PS vollfiihrt die Sonne in 43 831 Tagen 120 Umlaufe; die Dauer des Jahres ist also nach dem alten PS

365;15,30 Tage. 7) AlbSni berichtet (India 11, transl. Sachau, p. 19) uber die Um-

laufszahlen des AbQ-alhasan von Al’ahwk. Dieser nennt den Mahlyuga Jahr yon 02-arjubhar. AlbXini vermutet, dass kjabhar eke Verstiim- melung von Aryabhata ist. In der Tat stimmen die Umlaufszahlen des Abfi-alhasan genau rnit denen des Aryabhatiya uberein, ausser fur Mars, dem AbO 4 Umlaufe mehr gibt.

Die Umlaufszahlen, die man aus diesen Quellen erhalt, sind in der folgenden Tabelle 7 zusammengestellt. Fur den neuen SS und fur Ary- abhata sind nur die Korrekturglieder zu den Zahlen des alten SS ange- geben, ebenso fur AbQ-alhasan nur die Konektur zum Aryabhatiya.

Die Umlaufszahlen des kabhat iya und des AbQ, die nur wenig von denen des alten SS abweichen, lassen wir im folgenden ausser Betracht, ebenso die des vie1 jungeren neuen SS. Wir beschranken uns also auf den alten SS, der mit dem Khandakhbdyaka ubereinstimmt. Die Umlaufs- zahlen des Khandakhbdyaka stimmen wiederum, wie dessen Autor

Vergleich der mittleren Bewegungen

Sonne Mond Apogeum Knoten Merkur Venus Mars Jupiter Saturn Tage

15

alter SS

4 320 OOO 57 753 336

488 219 232 226

17 937 OOO 7 022 388 2 296 824

364 220 146 564

1 577 917 800

TabelIe 7 Umlaufszahlen im Mahbyuga

neuer SS

+ O + o -16 +12 + 60 -12 + 8 + o + 4 + 28

Aryabhatiya

+ 20

+ 4

- 300

AbQ-alhasan

+ 4

Brahmagupta uns mitteilt, mit denen des “Mitternacht-Systems” des &yabha@ uberein. Fiir die Beziehung dieses Mitternacht-Systems zum verbesserten Morgen-System, das dem kabhat iya zugrunde liegt, siehe die unter 12 w d 13 zitierten Arbeiten, sowie W. E. CLARK, The h a b h a - tiya of &yabha@, Chicago 1930.

Neben dem Mahilyuga von 4 320 OOO Jahren, den &yabha@ w d der alte SS benutzen, waren noch eine kiinere und eine Ibgere Periode in Gebrauch. Die kiirzere ist das “grosse Jahr der Perser” zu 360000 Jahrenl4. Diese kannte auch &yabhatals; sein Mahayuga ist gerade das

Tabelle 8 Umlaufszahlen im Mahdyuga oder Kalpa

I Kalpa Perser I alter ss I Brahmagupta

Mahayuga

Sonne Mond Apogeum Knoten Merkur Venus Mars Jupiter Saturn Tage

4 320 OOO 57 753 336

488 220 232 224

17 937 012 7 022 388 2 296 824

364 224

1 577 918 880 146 568

4 320 OOO 57 753 336

488 219 232 226

17 937 000 7 022 388 2 296 824

364 220 146 564

1 577 917 800

4 320 OOO OOO 57 753 300 OOO

488 105 858 232 311 168

17 936 998 984 7 022 389 492 2 296 828 522

364 226 455 146 561 298

1 577 916 450 OOO

16 B. L. vun der Waerden

46'1 3"

21' 8"

93"

1Zfache der persischen Periode. Die Ihgere Periode ist der Kalpa, der dem BrAhmasphupsiddhanta des Brahmagupta zugrunde liegt. Er um- fasst lo00 Mahayugas. M e n drei Systemen (der Perser, des k a b h a t a und des Brahmagupta) gemeinsam ist die Annahme einer Konjunktion aller Planeten im Jahre -3101 am 17. oder 18. Februar.

In unserer Tabelle 8 sind die Umlaufszahlen der Perser mit 12 multipliziert, damit man sie mit denen des alten SS und des k a b h a t a vergleichen kann. Will man die Umlaufszahlen im Kalpa haben, so muss man drei Nullen am Ende hinzufugen. Die letzte Spalte gibt die Umlaufs- zahlen im Kalpa nach Brahmaguptals.

46'41 " 46'41 " 41' 6" 41' 6" 21' 7" 21' 8" 45' 4" 45' 1 1 '56" 11'56' 24' 7" 24' 7" 21' 7" 21' 6" 12'50" 12'49" 93"14' 93" 9'

0 0

13. Gesamtiibersicht Aus den Umlaufszahlen der Tabelle 8 kann man, wie friiher angegeben,

die jiihrlichen Bewegungen berechnen und sie mit den friiher berechneten babylonischen und hellenistischen Werten vergleichen. So erhalt man die fogende Uebersichtstafel. Da sich die einzelnen Autoren nur in den Minuten und Sekunden unterscheiden, wurden die ganzen Grade in der ersten Kolonne vorweggenommen.

Tabelk 9 tfbersichtstafel

JIhrl. Bew. (Sonne 360')

Mond 132" Apogeum 40" Knoten 19' Merkur 54" Venus 225" Mars 191 Jupiter 30' Saturn 12' Umdrehungsub. Prlzession

Babyl. I

47'1 1 " 40'36" 21'35" 45' 1 1 '44" 24'30" 21' 5" 13'35" 93 "26'

0

Ptol.

45'1 2" 40'46" 21 '26" 44'35" 11' 2" 24'23" 21' 4" 13'19" 92 "27'

36"

- Ryl. 27

46'20" 40'24" 21'39"

f93" Ibcon 45'

46'30" 40'32" 21'33" 45' 11'57" 24' 9" 21' 8" 12'50" 93" 2'

0

14. Schlussfolgerungen. Aus der Tabelle 9 sieht man zunachst, dass die persischen und indischen

Werte nahe zusammen liegen, zum Teil sogar genau ubereinstimmen. Das war nicht anders zu erwarten, denn die Systeme der Perser, des h a b h a t a und des Brahmagupta sind nahe verwandt. Ueber die Richtung

Vergleich der miitleren Bewegungen 17

der Abhangigkeit (Persisch --f Indisch oder umgekehrt) kann man ver- schiedener Meinung sein: siehel4 und 15.

Ferner sieht man, dass die persisch-indischen Werte von denen des Ptolemaios ganz verschieden sind. In der Tat weiss man schon lange, dass die indische Astronomie von der des Ptolemaios unbeeidusst ist. Feinheiten wie die Evektion und die Priizession kommen in den dteren Sanskrittexten nicht vor.

Wohl aber ist die indische Astronomie von der vorptolemiiischen hellenistischen Astronomie abhiingig, denn sie benutzt die griechische Trigonometrie, die Epizykelhypothese und die babylonisch-griechische Ekliptikteilung. In der Tat finden wir in der Tabelle 9 verschiedene Uebereinstimmungen zwischen babylonisch-hellenistischen und persisch- indischen Zahlwerten.

Zunachst ist da die jmliche Bewegung des Merkur, die im alten SS und bei Brahmagupta genau mit dem babylonisch-hellenistischen Wert 54’45’ ubereinstimmt. Eine genaerte Uebereinstimmung findet man auch bei Jupiter.

Sehr bemerkenswert ist die genaue Uebereinstummung zwischen PauliSa und dem alten SS in der Knotenbewegung des Mondes. Die indischen Werte fiir den Umdrehung&erschws (oder, was damit Bqui- valent ist, fur die Dauer des Jahres) liegen ebenfalls nahe beim Wert des PauliSa. Den gleichen Wert 93” haben, wie wir friiher gesehen haben, auch die “alten Astrologen” des Albiriini angenommen.

In der Sinustafel des PauliSa, die Variiha Mihira uns in Kap. IV des Panchasiddhhtikb uberliefert hat, ist der grosste Sinus (Sinus Totus) gleich 120, wie die grosste Sehne in der Sehnentafel des Ptolemaios. Der PauliSa-Siddhbta stimmt also in zwei Punkten (Sinus Totus und Urn- drehungsuberschuss) mit griechischen Quellen uberein. Andererseits stimmt er in zwei Punkten (Knotenbewegung und Umdrehungsuber- schuss) genau oder geniihert mit den persisch-indischen Quellen uberein. Der PauliSa-Siddhbnta nimmt somit eine Mittelstellung zwischen der griechischen und der indischen Astronomie ein.

Beim Monde und seinem Apogeum und Knoten finden wir drei geniherte Uebereinstimmungen zwischen Brahmagupta und Ryland 27. Im Abschnitt 8 haben wir schon gesehen, dass die Mondperioden von 248 und 3031 Tagen, die dem Papyrus Ryland zugrunde liegen, den indischen Astronomen bekannt waren, und m a r &den sie sich im PauliSa-Siddhinta und in der Tamil-Astronomie.

7. CENTAURUS. VOL. XI

18 B. L. van der Waerden

Im PauliSa-Siddhiinta haben wir offenbar einen wichtigen Knotenpunkt, in dem Entwicklungslinien der dteren griechischen Astronomie zu- sammenlaufen und von dem d a m wieder Entwicklungslinien der in- dischen Astronomie ausgehen. Es wiirde sich wohl lohnen, den Inhalt des PauliSa-Siddhlnta im Exzerpt des Varlha Mihira naher zu studieren. Erganzend konnte man ein Fragment das “Pulisa” in seinem Siddhlnta aus “Paulisa dem Griechen” zitiert und das Albiriki (India I, Transl. Sachau, p. 266) uns erhalten hat, hinzunehmen.

A N M E R K U N G E N

1. E. S. KENNEDY, Survey of Islamic Astronomical Tables, Trans. Amer. Philos. SOC. 46

2. Siehe F. X. KUGLER, Babylonische Mondrechnung, Freiburg 1900, S. 24 und Ptole

3. P. HUBER: Ueber den Nullpunkt der babylonischen Ekliptik. Centaurus 5, p. 192 (1958). 4. THIBAUT und DVIVEDI, The Panchasiddhilntikil of VarPha Mihira, Kap. 111, 4-9.

Vgl. auch den verwandten Abschnitt I1 2-4 aus dem Vasishta Siddhilnta. Die gleichen Mondperioden werden auch in der Tamil-Astronomic verwendet.

(1956) p. 147

maios, Almagest, Buch 4. Kap. 2.

5. AlbirQnf. India, transl. Sachau I, p. 153. 6. Die Vermutung des BtrQnt hat vie1 f l r sich, denn erstens k6nntc Saintra sehr gut eine

Verbalhornung von Alexandria sein, und zweiteas hat es wirklich einen Astrologen namens Paulos von Alexandria gegeben.

7. A1 Battani. Opera (ed. Nallino) I. p. 40. 8. Theon, Commentaire sur les tables manuelles de PtolCmCe. ed. Halma, Paris 1822,

p. 53. Dazu B. L. van der Waerden. History of the Zodiac, Archiv f. Orientforschung 16, S. 228 (1953).

9. F. X. KUGLER, Babylonische Mondrechnung (Freiburg 1900) S. 89. 10. 0. NEUGEBAUER: Unters. z. antiken Astron. 111, Quellen u. Studien Gesch. Math. B 4,

11. 0. NEUGEBAUER: Saros and lunar velocity in Babylonian astronomy. Mat.-fys. Med-

12. B. L. VAN DER WAERDEN, Vierteljahrsschrift Naturf. Ges. Zurich 100, p. 153 (1955). 13. Ed. P. C. SENGUPTA, publ. by Univ. of Calcutta 1941. Englische Uebersetzung mit

Kornmentar von P. C. SENGUPTA: The KhavGakhadyaka of Brahmagupta, Univ. of Calcutta 1934.

14. E.S. KENNEDY und B. L. VAN DER WAERDEN: The World-Year of the Persians. J. Amer. Oriental SOC. 83, p. 315 (1963).

IS. D. PINGREE: Astronomy and Astrology in India and Iran. Isis 54, p. 229 (1963). 16. Siehe etwa J. J. BURCKHARDT: Die rnittleren Bewegungen im Tafelwerk des Khwil-

rizmi. Vierteljahrsschr. Naturf. Ges. Zurich 106. p. 213 (1961) und die dort unter [3], [5], [a], [7] zitierten Quellen. Dazu die Sanskrit-Edition des Brahmasphuta-siddhilnta von M. S. DVIVEDIN in Pandit XXIV (December 1902), die auch ais Buch (Benares 1900) erschienen ist.

p. 238-9

delelser Kon. Danske Vid. Selsk. 31 (1957). Nr. 4.