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Verhalten -1- mindestens dreimal in Folge kein Fehler oder eine konstante niedrige Zahl von Fehlern aufgetreten ist bzw. wenn die für einen Durchlauf benötigte Zeit nicht mehr abnimmt. Reize - aus der Umwelt ebenso wie infolge von Veränderungen des Or- ganismus selbst - werden von Sinnesorganen rezipiert („ Eingangsverhal- ten“), vom Zentralnervensystem ausgewertet („ Zustandsverhalten“) und können schließlich zu Reaktionen des Tieres führen, die sich oft in Bewe- gungen ausdrücken („ Ausgangsverhalten“). Dies ist eine sehr allgemeine und daher unscharfe Definition von Verhalten. Sie macht aber zumin- dest deutlich, dass sich der Begriff nicht nur auf die äußerlich sichtbare Aktivität beschränkt, sondern die vorausgehenden sinnes- und neurophy- siologischen Leistungen einschließt. Typisch für alle Arten von Verhaltensäußerungen ist, dass sie nicht völlig reproduzierbar ablaufen. Wie groß diese Variabilität ausfällt oder, umge- kehrt, wie vorhersagbar („ stereotyp“) ein Verhalten ist, hängt hauptsäch- lich vom Komplexitätsgrad des Prozesses ab. Eine solche Variabilität kann lediglich zufallsbedingt sein oder aber gerichtet und dadurch eine wichtige funktionale Komponente innerhalb des Verhaltens. Das ist dann notwendig, wenn sich das Verhalten selbst an die äußeren Bedingungen oder inneren Zustände des Organismus anpassen muss. Dazu zählen auch Lernvorgänge im weitesten Sinne. Reflexe gehören zu den einfachsten Formen von Verhalten und sind oft Bestandteil von automatischenNotfall-Strategien, etwa bei Fluchtaus- lösung oder Schutz von Organsystemen. Manche Reflexe laufen völlig starr und ohne willentliche Beeinflussung ab. Ihr Ergebnis ist unabhängig von den Umgebungsbedingungen stets weitgehend gleich und wirkt auch nicht auf die Ausführung des Reflexes zurück. Dabei handelt es sich um ungeregelte Reflexe. Andere Reflexe dienen dazu, einen bestimmten Zustand, z.B. eine Körper- haltung, zu erreichen oder möglichst gleichförmig beizubehalten. Sie sind dann Bestandteil eines umfangreicheren (motorischen) Verhaltenskomple- xes, etwa Laufen oder Schwimmen. Hier muss die Rückwirkung des Re- flexes auf die aktuelle Körperposition gemessen und für die nachfolgende Motorik berücksichtigt werden, die eventuell wiederum reflektorisch ab- läuft. Es handelt sich also um geregelte Reflexe. Solche Reflexe stellen ein Beispiel für einen biologischen Regelkreis dar, einen Servomechanismus mit einem Rückkopplungselement und einem einstellbaren Soll-Wert. Das gilt etwa für den Mechanismus, mit dem wir durch Pupillenänderung die mittlere Lichtmenge möglichst konstant hal- ten, die auf unsere Retina trifft. Da alle beteiligte Prozesse (Reizaufnah- me, Erregungsleitung, Hirnaktivität und Muskelkontraktion) Zeit benöti- gen, also trägesind, folgt die beobachtbare Änderung der Pupillenweite der einwirkenden Helligkeitsänderung immer verzögert: der Regelkreis weist eine Totzeitauf. Deshalb vermag das System Serien schneller Helligkeitswechsel nicht angemessen zu folgen. Außerdem kann es den angestrebten Zielzustand nur asymptotisch oder durch einen Einschwing- prozess erreichen. Das gilt prinzipiell für jeden (auch technischen) realen Regelkreis. Verhalten: Reflexe und Lernen Definition„Verhalten“ Regelkreis Ungeregelte Reflexe sind relativ selten und treten in reiner Form vor allem in experimentellen Situationen auf, wenn die Einbindung in den normalen Verhaltenskontext aufgehoben wird. Der in der medizinischen Diagnostik genutzte ungeregelte Kniesehnenreflex z.B. trägt normalerweise als geregelter Reflex zur Erhaltung der Körperbalance bei. Definition„Reflex“

Verhalten: Reflexe und Lernen - rhuster1/PDF-Physio/Verhalten-Skript 2007.pdf · bedingter Reflex Iwan Pawlow (1849-1936) erforschte hauptsächlich Aspekte der Verdauung und des Kreislaufs

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Verhalten - 1 -

mindestens dreimal in Folge kein Fehler oder eine konstante niedrige Zahlvon Fehlern aufgetreten ist bzw. wenn die für einen Durchlauf benötigteZeit nicht mehr abnimmt.

Reize - aus der Umwelt ebenso wie infolge von Veränderungen des Or-ganismus selbst - werden von Sinnesorganen rezipiert („Eingangsverhal-ten“), vom Zentralnervensystem ausgewertet („Zustandsverhalten“) und können schließlich zu Reaktionen des Tieres führen, die sich oft in Bewe-gungen ausdrücken („Ausgangsverhalten“). Dies ist eine sehr allgemeine und daher unscharfe Definition von „Verhalten“. Sie macht aber zumin-dest deutlich, dass sich der Begriff nicht nur auf die äußerlich sichtbareAktivität beschränkt, sondern die vorausgehenden sinnes- und neurophy-siologischen Leistungen einschließt.

Typisch für alle Arten von Verhaltensäußerungen ist, dass sie nicht völligreproduzierbar ablaufen. Wie groß diese Variabilität ausfällt oder, umge-kehrt, wie vorhersagbar („stereotyp“) ein Verhalten ist, hängt hauptsäch-lich vom Komplexitätsgrad des Prozesses ab. Eine solche Variabilitätkann lediglich zufallsbedingt sein oder aber gerichtet und dadurch einewichtige funktionale Komponente innerhalb des Verhaltens. Das ist dannnotwendig, wenn sich das Verhalten selbst an die äußeren Bedingungenoder inneren Zustände des Organismus anpassen muss. Dazu zählen auchLernvorgänge im weitesten Sinne.

Reflexe gehören zu den einfachsten Formen von Verhalten und sind oftBestandteil von „automatischen“Notfall-Strategien, etwa bei Fluchtaus-lösung oder Schutz von Organsystemen. Manche Reflexe laufen völligstarr und ohne willentliche Beeinflussung ab. Ihr Ergebnis ist unabhängigvon den Umgebungsbedingungen stets weitgehend gleich und wirkt auchnicht auf die Ausführung des Reflexes zurück. Dabei handelt es sich umungeregelte Reflexe.

Andere Reflexe dienen dazu, einen bestimmten Zustand, z.B. eine Körper-haltung, zu erreichen oder möglichst gleichförmig beizubehalten. Sie sinddann Bestandteil eines umfangreicheren (motorischen) Verhaltenskomple-xes, etwa Laufen oder Schwimmen. Hier muss die Rückwirkung des Re-flexes auf die aktuelle Körperposition gemessen und für die nachfolgendeMotorik berücksichtigt werden, die eventuell wiederum reflektorisch ab-läuft. Es handelt sich also um geregelte Reflexe.

Solche Reflexe stellen ein Beispiel für einen biologischen Regelkreis dar,einen Servomechanismus mit einem Rückkopplungselement und einemeinstellbaren Soll-Wert. Das gilt etwa für den Mechanismus, mit dem wirdurch Pupillenänderung die mittlere Lichtmenge möglichst konstant hal-ten, die auf unsere Retina trifft. Da alle beteiligte Prozesse (Reizaufnah-me, Erregungsleitung, Hirnaktivität und Muskelkontraktion) Zeit benöti-gen, also„träge“sind, folgt die beobachtbare Änderung der Pupillenweiteder einwirkenden Helligkeitsänderung immer verzögert: der Regelkreisweist eine „Totzeit“auf. Deshalb vermag das System Serien schnellerHelligkeitswechsel nicht angemessen zu folgen. Außerdem kann es denangestrebten Zielzustand nur asymptotisch oder durch einen Einschwing-prozess erreichen. Das gilt prinzipiell für jeden (auch technischen) realenRegelkreis.

Verhalten: Reflexe und Lernen

Definition „Verhalten“

Regelkreis

Ungeregelte Reflexe sind relativselten und treten in reiner Form

vor allem in experimentellenSituationen auf, wenn die

Einbindung in den normalenVerhaltenskontext aufgehobenwird. Der in der medizinischen

Diagnostik genutzte ungeregelteKniesehnenreflex z.B. trägt

normalerweise als geregelterReflex zur Erhaltung der

Körperbalance bei.

Definition „Reflex“

Verhalten - 2 -

Reflexe können angeboren sein (wie der Pupillenreflex oder der Knieseh-nenreflex) oder als „bedingte Reflexe“ erworben werden (sogenannte Konditionierung). Dies ist eine einfache Form des Lernens, der Ent-wicklung von Fähigkeiten, dank derer der Organismus in Zukunft „bes-ser“ mit den Bedingungen in seiner Umwelt umgehen kann. Das bekann-teste Beispiel für bedingte Reflexe ist der sogenannte „PawlowscheHund“: nach einer Trainingsphase, in der Futter (unconditionierter Sti-mulus, US) gemeinsam mit einem Ton (conditionierter Stimulus, CS)angeboten wird, löst auch der Ton allein bereits Speichel- und Magensaft-Sekretion aus. An diesem geradezu sprichwörtlichen bedingten Reflexwird auch deutlich, dass das Ergebnis nicht unbedingt eine motorischeReaktion sein muss. Die Effektoren sind hier Drüsenzellen, die aber unterneuronaler Kontrolle stehen.

Verknüpfungen der verschiedensten sensorischen Eingänge lassen sich beiallen (vielzelligen) Tieren konditionieren, sofern US für das Tier „bedeut-sam“ ist. Außerdem muss er während der Lernphase (meist) gemeinsammit CS auftreten (hohe Kontingenz). Dabei gibt es mindestens drei prin-zipielle Möglichkeiten der Kontiguität, d.h. der zeitlichen Kopplung:

1) CS kann vor US beginnen, US aber ganz einschließen(„Verzögerung“);

2) CS kann US vorausgehen, wobei zwischen beiden einePause ohne Reizung bleibt („Pause“);

3) US kann CS vorausgehen, so dass CS eventuell sogarerst nach Ende der Reaktion erfolgt („Umkehrung“).

Je nach untersuchten Reizen können diese Methoden sehr unterschiedlichwirksam Konditionierungen auslösen; die „Umkehrung“ bleibt jedoch ofterfolglos. In jedem Fall spielen aber die Dauer von CS und US und dieAbstände zwischen CS und US eine wichtige Rolle. Außerdem gelingteine Konditionierung nur, wenn für das Versuchstier das Auftreten vonUS selbst unvorhersehbar ist und erst durch CS vorhersehbar wird. Dasgilt gleichermaßen für solche US, die eine „Belohnung“ oder die eine „Bestrafung“ darstellen, also vom Tier nach Möglichkeit aktiv gesuchtoder vermieden werden.

Zwei verschiedene Er-eignisse werden (unbe-wusst) vom Organismusals zeitlich verknüpfterkannt. Danach bewirktdas eine Ereignis dieReaktion, die zuvor nurvom anderen verursachtwurde.

einfacher:S teuer ung : eine Eingangs-größe beeinflusst nachbestimmten Regeln in einemdynamischen System eineAusgangsgröße.

komplexer:Rege lung : ein System mitRückkopplung, in dem diegesteuerte Ausgangsgrößeselbst auf die Eingangsgrößeoder deren Weiterverarbei-tung einwirkt.

technische Begriffe:open loop (offene Schleife):keine Rückkopplungc lo sed loop (geschlosseneSchleife): Rückkopplung

bedingter Reflex

Iwan Pawlow (1849-1936) erforschtehauptsächlich Aspekte der Verdauungund des Kreislaufs. Dafür erhielt er1904 den Nobelpreis. Seine Beschrei-bung des konditionierten Reflexes(1903) war eigentlich ein Nebenpro-dukt. Sie war grundlegend für die frü-he Verhaltensforschung und Psycholo-gie der folgenden Jahrzehnte und hatPawlow bleibenden Ruhm gebracht,während seine meisten Arbeiten zurvegetativen Physiologie heute nurnoch Spezialisten bekannt sind.

Verhalten - 3 -

Bewertet wird im Experiment das Auftreten (die Häufigkeit) und gegebe-nenfalls die Stärke und Dauer der Reaktion auf CS, also die conditionier-te Reaktion (CR), im Vergleich zur unconditionierten Reaktion (UR)nach US. In günstigen Fällen sind UR und CR etwa gleichartig. Es ist zubeachten, dass jede Reizung, gleichgültig ob als CS oder US, Einfluss aufdie Entwicklung, Stärke und Nachhaltigkeit der Konditionierung hat. Des-halb erfordern solche Versuche eine besonders sorgfältige Planung, diedann auch strikt einzuhalten ist.

Nach erfolgter Konditionierung bleibt diese Kopplung zwischen CS undCR meist nicht auf Dauer erhalten sondern nimmt mit der Zeit allmählichab: die „Bedeutung“des conditionierten Reizes für das Tier wird wiedervergessen. Um diesen Zeitverlauf zu erfassen, gibt man in immer größerenAbständen CS ohne US und misst die Stärke der CR. Hier tritt ein konzep-tionelles Problem auf: jeder derartige Test stellt gleichzeitig eine neueTrainingssituation dar, in der der Organismus erfährt, dass CS jetzt nichtmehr mit US gekoppelt auftritt, also keine Indikatorbedeutung mehr hat.Dieses Nachlassen der gelernten Reaktion aufgrund fehlender Bekräfti-gung durch US bezeichnet man als Extinktion oder Auslöschung. Im Er-gebnis ist die Wirkung von Extinktion nicht von „spontanem“ Vergessen zu unterscheiden. Dennoch sind dies verschiedene Prozesse, denn schondurch einzelne CS-US-Kopplungen (also erneute Konditionierung) wäh-rend der Testphase lässt sich Extinktion wieder aufheben, während das beiechtem Vergessen nicht ausreicht.

Die bisher beschriebene „klassische Konditionierung“geht von angebo-renem (oder erworbenem) Verhalten aus, das durch die erlernte Kopplungan einen andersartigen Reiz ausgelöst wird, ohne dass eine „Willensent-scheidung“des Versuchstiers beteiligt ist. Im Gegensatz dazu steht die„instrumentelle“oder „operante Konditionierung“, bei der das Tierdurch eigene Aktivität mittels Versuch und Irrtum eine Art „Verständnis“für eine kausale Beziehung zwischen einem zunächst spontan auftretendenVerhalten und einer Belohnung (oder Bestrafung) entwickelt. Danachwird dieses Verhalten häufiger oder rascher ausgeführt (oder vermieden)als vor der Konditionierung. Beispiele sind das Drücken eines Hebels, umeine automatische Futtergabe auszulösen, oder die Passage eines Laby-rinths, das zu einem Futterplatz führt. In Lernversuchen am Menschenentspricht bei einer dem Probanden bekannten Aufgabe meist das Errei-chen des Ziels selbst bereits der Belohnung.

Typische Abläufe bei Versuchen zur Konditionierung–Schema der Einzelprozesse längs einer Zeitachse

Vergessen undExtinktion (=Auslöschung)

sind verschiedeneProzesse

klassischeKonditionierung

und operante Konditionierung

Verhalten - 4 -

Operante Konditionierung liegt aber auch der Anpassung motorischer Re-gelkreise an neue oder veränderte mechanische Aufgaben zugrunde, etwabeim Erlernen neuer Bewegungsabläufe (z.B. Gehen mit fixiertem Knie-gelenk) oder als Reaktion auf gestörte Sinneseingänge.

Lernen und Erinnern sind zwar verschiedene Vorgänge, aber so eng ge-koppelt, dass sie stets nur zusammen untersucht werden können. IhreGrundlagen müssen im Nervensystem zu finden sein. Zu beiden Prozessengibt es z.T. gut begründete Hypothesen und Theorien, doch der Gesamtab-lauf ist vor allem für höhere Lernleistungen bei keinem Organismus völliggeklärt. Zentrale Bedeutung kommt aber sicher dem Prinzip der „Hebb-Synapse“ zu: Hebb postulierte vor fast 60 Jahren rein theoretisch, dassLernen mit erhöhter Aktivität von bestimmten Übertragungsstellen zwi-schen Neuronen zusammenhängt. Solche Synapsenbahnen werden ver-stärkt, wenn Transmitterstoff vom präsynaptischen Neuron gerade in demMoment ausgeschüttet wird, in dem das postsynaptische Neuron durchandere erregende Eingänge depolarisiert wird, wenn also die beiden an derSynapse gekoppelten Neuronen gleichzeitig aktiv sind. Dadurch werdenzeitliche Koinzidenzen wahrgenommen. Wiederholt sich diese synchroneErregung mehrmals, wird die betroffene Synapsenbahn in Zukunft wirksa-mer übertragen, auch wenn das postsynaptische Neuron nicht depolarisiertist. Wenn eine solche Hebb-Synapse zunächst gar nicht überträgt, wohlaber nach einer „erlernten“ Kopplung mit einem anderen Erregungssignal,kann dieses Modell den Prozess der Konditionierung erklären. Beispieledafür konnten experimentell vielfach belegt werden. An Hebb-Synapsenwerden biochemische Reaktionsketten aktiviert, die Stoffwechselverände-rungen und Protein-Bildung bewirken, so dass sich–zusammen mit gänz-licher Neubildung von Synapsen –schließlich ein stabiles Langzeitge-dächtnis bildet.

Diese (und verwandte) Steigerungen der Übertragungsfähigkeit wieder-holt „benutzter“ Synapsen werden auch Potenzierung oder –üblicherwei-se auf Englisch–Potentiation genannt. Hält dieser Effekt für Stunden bisWochen an, spricht man von „long-term potentiation“(LTP). LTP liegtdamit zwischen dem Kurzzeitgedächtnis, das nur über Sekunden bis we-nige Stunden arbeitet, und dem Langzeitgedächtnis, das den Bereich vonTagen bis Jahren (lebenslang) abdeckt. Der Zeitbereich, der dem Kurz-,Lang- und evtl. Mittelzeitgedächtnis zugeordnet wird, schwankt je nachAutor und Untersuchungsobjekt in Lehrbüchern und Original-Veröffentli-chungen. Das hängt auch mit der sehr unterschiedlichen Lebensdauer ver-schiedener Organismen zusammen. Wo die Begriffe nicht auf die moleku-laren Ursachen zurückgeführt werden, bleiben sie ziemlich unspezifisch.

Dies ist nur ein Beispiel für die vielfältigen Kombinationen, in denen zeitlicheKopplungen zu neuronaler Plastizität im Sinne der Hebb-Synapsen führen können.

2 Dinge ereignen sich etwagleichzeitig: Ko inz idenz .Geschieht das oft, führt eszur Vermutung, dass sieursächlich verknüpft sind:Kor r e la t ion .Beim assoziativen Lernenstellt das Nervensystemsolche Vermutungen an.

Im Schemasymbolisieren dieDreiecke sowohldie Richtung desSignalflusses alsauch seine Stärke.

Verhalten - 5 -

Bei Wirbeltieren hat man LPT besonders im Hippocampus untersucht,einem Bestandteil des limbischen Systems aus dem Telencephalon (End-hirn) mit zentraler Bedeutung für Lernvorgänge. Hier kennt man inzwi-schen die neurophysiologischen Ursachen für LTP, die aber ebenso imübrigen Gehirn (vor allem im Neocortex), in der Peripherie und bei Wir-bellosen vorkommt. Entscheidend sind drei ionotrope (d.h. selbst alsIonenkanäle fungierende) Rezeptor-Typen für den Transmitter Glutamatin der postsynaptischen Zelle. Normalerweise öffnen nur zwei dieser Ka-näle (AMPA und K) bei einem präsynaptisch einlaufenden Aktionspoten-tial. Nur bei stärkerer Aktivierung durch das gleiche (homosynaptischeLTP) oder ein anderes (heterosynaptische = assoziative LTP) präsynapti-sches Neuron kommt es zu einer stärkeren generellen Depolarisation derpostsynaptischen Zelle. Erst dann öffnet auch der dritte, sonst durch Mag-nesiumionen blockierte Rezeptorkanal-Typ (NMDA). Dadurch entstehtein viel größeres exzitatorisches postsynaptisches Potential (EPSP).Außerdem strömt durch den NMDA-Kanal neben Natrium auch viel Kal-zium in die postsynaptische Zelle, so dass Kalzium-abhängige Kinasenaktiviert werden, die ihrerseits durch Phosphorylierung Enzymkaskadenstarten.

Solche Kalzium-abhängigen Reaktionsketten führen zu lang andauerndenVeränderungen der Zellphysiologie, etwa indem sie die Empfindlichkeitdes AMPA-Kanals für Glutamat erhöhen. Im Laufe mehrerer Stundenkönnen derart aktivierte Enzyme auch im Zellkern die Transkription än-dern und die Proteinsynthese verstärken. Diese sogenannte „Konsolidie-rungsphase“ führt schließlich zum Langzeitgedächtnis. Dem könnten ver-schiedene Mechanismen zugrunde liegen, einige sind exemplarisch unter-sucht, doch hat man dafür bislang kein ähnlich geschlossenes Verständnisgewonnen wie für die LTP.

Beide zuvor genannte Arten der Konditionierung (klassische und operanteKond.) gehören zum assoziativen Lernen, bei dem (mindestens) zweiverschiedene Vorgänge verknüpft werden. Dem steht das nicht-assoziati-ve Lernen als noch einfachere Form gegenüber. Dort führt die identischeWiederholung eines Reizes zu verstärkter Reaktion (Sensitivierung, z.B.auf einen Duft als Futter-Lockstoff) oder–viel häufiger–zu immer gerin-gerer Reaktion (Gewöhnung = Habituation). Erst nach längeren Pausenohne diesen Reiz, aber auch durch Einwirkung eines ganz anderen Reizes,kehrt die Reizantwort auf das Ausgangsniveau zurück (Dishabituation).Auch dies lässt sich auf Veränderungen im Übertragungsverhalten von

Ca++-Einstrom in dieZelle ist wesentlich bei

allen Lernprozesseneines Neurons.

NMDA wird gleichzeitigdurch Glutamat und das

Membranpotentialgesteuert: ein molekularer

Ko inz idenz dete kto r

LTP long-termpotentiation

Habituation

Verhalten - 6 -

wiederholt aktivierten Synapsen zurückführen, und abermals spielt eineErhöhung der Ca++-Konzentration dabei eine wichtige Rolle.

Sollen komplexere Verhaltensweisen erlernt werden, die aus einer Abfol-ge aufeinander aufbauender Bewegungen bestehen, entwickelt sich dieseSequenz allmählich in Form einer „Lernkurve“. Wenn plötzlich ein Prin-zip für die Lösung der Aufgabe verstanden wird („Aha-Effekt“), zeigt die Lernkurve einen Sprung und danach andere (oder keine) Steigung. Eskönnen verschiedene, vom jeweiligen Verhalten abhängige Parameter alsMaß für den Lernerfolg herangezogen werden. Bei der Orientierung in ei-nem Labyrinth zwischen Start und Ziel kann dies z.B. die für den Weg be-nötigte Zeit oder die Anzahl der dabei vorkommenden Fehl-Abzweigun-gen sein. Hier spielt nicht nur die Einprägung der Labyrinthgeometrie inForm einer „Landkarte“ oder der Reihenfolge von benötigten Links-Rechts-Abzweigungen eine Rolle sondern auch das Entstehen eines be-stimmten motorischen Musters, in dem die Bewegung ausgeführt wird.Außerdem gibt es Wechselwirkungen mit den bisherigen Erfahrungen undder Motivation des Versuchstiers.

Solches Orientierungslernen stellt eine höhere Form assoziativen Lernensdar. „Einsichtiges Lernen“, bei dem eine Problemlösung durch Nachden-ken ohne Ausprobieren gefunden wird, ist bei Primaten und neuerdingsbei Rabenvögelnnachgewiesen. Auf den Menschen beschränkt ist „be-wusstwerdendes Lernen“ mit deklarativem (explizitem) Gedächtnis (Fak-ten, Bilder, Gesichter etc.) und nicht-deklarativem (implizitem, prozedura-lem) Gedächtnis (durch Übung erworbene motorische Fähigkeiten, z.B.Hand- und Maschine-Schreiben als separat zu erlernende Abläufe).

„höhere“ Lernleistungen

Das Schema fasst diewichtigsten Begriffezusammen und versucht,ihre Zusammenhängeund Überschneidungendeutlich zu machen.Natürlich ist hier nur einBruchteil der Aspektebehandelt worden, diezum „Verhalten“ und zum „Lernen“ gehören. Außerdem ist Verhaltenohne Lernen ebensomöglich wie (z.B.deklaratives) Lernenohne Verhalten.

Verhalten - 7 -

Das Skript enthält in verkleinerter Form Tabellen, die als lose Blätter am Kurstagzum Protokollieren der Versuchsdaten ausgeteilt werden. Machen Sie sich damitschon in der Vorbereitung vertraut. Darüber hinaus müssen Sie zusätzliche Beob-achtungen und für die Experimente wichtige Angaben separat notieren.

Im Rahmen des Kurstages befassen wir uns nur mit experimentell beson-ders einfach zugänglichen Aspekten des Verhaltens, deren neuronale Ur-sachen dennoch sehr komplex sein können und vielfach bislang nur an-satzweise bekannt sind. Die Mehrzahl aller Verhaltensuntersuchungen,vor allem solche zu plastischen Verhaltensänderungen und zum Lernen,basieren auf Beobachtungen und Versuchen, die einen Zeitrahmen vonTagen bis Monaten und sehr viele (oft Hunderte) Wiederholungen immergleicher Prozeduren erfordern. Dazu kommt, dass „normales“ Verhalten stark von der Motivation abhängt und daher eigentlich nur von Tieren zuerwarten ist, die sich - ohne Störung durch den Experimentator - in ihrernatürlichen Umgebung befinden. Unter Laborbedingungen sind also nichtnur lange Gewöhnungs- und Ruhephasen nötig, sondern auch ein geübterUmgang mit den Versuchstieren. Da beide Anforderungen im Rahmeneines Halbtagspraktikums nicht erfüllt werden können, werden alle Expe-rimente am Menschen durchgeführt. Dies kann zu Problemen führen, dawir für viele einfache Lernsituationen „zu schlau“ sind, d.h. alle unsereHandlungen und ihre Einordnung in die aktuelle Umweltsituation bewusstüberdenken. Aufgrund der vorbereitenden Beschäftigung mit dem Prakti-kumsstoff hinsichtlich Theorie und Arbeitsabläufen sind Sie keine „naiven Probanden“, wie es für derartige Versuche eigentlich erforderlich wäre,sondern gehen an jedes Experiment mit einer Vorerwartung heran, die dasErgebnis von Konditionierungs- und Lernversuchen möglicherweisebeeinflusst. Dies darf für Sie natürlich kein Anlass sein, auf eine guteKursvorbereitung zu verzichten!

Ein Labyrinth der abgebildeten Art, das der Proband nicht kennt, ist alsSchlitzspur (schwarz) in eine Plastikplatte geschnitten. Bei geschlossenenAugen muss der Proband nun vom „Start“ zum „Ziel“ mit einem Schreib-stift den Weg (weiß) finden, der dabei auf einem untergelegten Papierbo-gen dokumentiert werden kann. Dabei sollen möglichst wenige Falschab-zweigungen gemacht werden, die der Versuchsleiter zählt. Der Probanderhält darüber aber keine Rückmeldung. Als ein Fehler zählt jede Abwei-chung vom direkten Weg, weitere Fehler werden erst wieder gezählt,nachdem der Proband zum„richtigen“ Weg (durch Zufall) zurückgekehrtist. Zusätzlich wird die zum Erreichen des Ziels benötigte Zeit gestoppt.Sobald die Messdaten protokolliert sind, setzt der Versuchsleiter die Handdes Probanden mit dem Schreibstift sofort wieder am Startpunkt an undder nächste Labyrinthdurchlauf beginnt.

Ein Lernerfolg kann nur bei voller Konzentration eintreten –dies ist einExperiment, kein Gesellschaftsspiel! Unterhalten Sie sich deshalb wäh-rend des Versuchs nicht miteinander. Machen Sie maximal 30 Labyrinth-passagen. Sie können schon vorher abbrechen, wenn mindestens dreimalin Folge kein Fehler oder eine konstante niedrige Zahl von Fehlern aufge-treten ist bzw. wenn die für einen Durchlauf benötigte Zeit nicht mehr ab-nimmt. Hinweise zur Auswertung werden bei Versuch 5 gegeben.

E x p e r i m e n t e

(1) Lernen imLabyrinth / Teil I

Verhalten - 8 -

Versuch 1Wiederholung

Aufgabe: möglichstwenige Fehler

Wiederholung

Aufgabe: möglichstwenige Fehler

Fehlerzahl Zeitbedarf Fehlerzahl Zeitbedarf1 162 173 184 195 206 217 228 239 2410 2511 2612 2713 2814 2915 30

Markieren Sie dieOrientierung des

Labyrinths, diejeweilige Startposition

und ihreGruppennummer

eindeutig mitbeschrifteten

Klebestreifen auf derPlastikplatte. Später

muss in Versuch 5 mitden gleichen

Bedingungen erneutbegonnen werden.

Anschließend soll der Proband den erlernten Weg „freihändig“, also ohne Verwendung des im Training benutzen Labyrinths, auf einem Blatt Papieraufzeichnen, wenn möglich auch nochmals mit der anderen Hand (alsobeim Rechtshänder mit der linken). Daraus kann man Rückschlüsse zie-hen, ob eher motorisches oder „Landkarten“-Lernen stattgefunden hat.

Die der aktuellen Beleuchtungsintensität „angemessene“Pupillenweitewird durch zentralnervöse Mittelwertbildung aus der Helligkeit in beidenAugen bestimmt und dann beidseitig identisch mit der Iris eingestellt. Da-her kann man Lichtreize auf nur einem Auge anbieten und die Wirkungam anderen Auge beobachten.

Ein Auge des Probanden wird bei geringer Umgebungshelligkeit abwech-selnd mit einem starken Lampenlicht beleuchtet oder mit der Hand ver-dunkelt. Der Versuchsleiter beobachtet den Zeitverlauf der Pupillenände-rung am anderen Auge. Ist zu Beginn der Helligkeitsänderung ein Über-schwingen über den späteren Endzustand hinaus zu beobachten? Hängtdies von der Geschwindigkeit ab, mit der die Helligkeit geändert wird? Istdamit beim Probanden eine entsprechende subjektive Empfindung („pul-sierende Helligkeit“) verbunden?

Wiederholen Sie solche schnellen Hell-Dunkel-Wechsel etwa im 5-Se-kunden-Rhythmus mindestens 25mal. Sind danach das Ausmaß und/oderder Zeitverlauf der Pupillenänderung sowie die subjektive Empfindungdes Probanden verändert? Gibt es also Hinweise auf nicht-assoziativesLernen und eine Habituation beim Pupillenreflex?

(2) Verhalten imRegelkreis;

Pupillengröße

Versuch 2Tritt Überschwingen der Pupillenänderung bei Belichtungsbeginn auf? ...........................................................Beeinflußt Geschwindigkeit der Helligkeitsänderung das Überschwingen? .....................................................Subjektiver Eindruck des Probanden während der Pupillenveränderung? ........................................................Nach 25maliger Wiederholung der Helligkeitsänderung im 5-Sekunden-Abstand:Gibt es Änderungen im Verlauf des Pupillenreflexes? ......................................................................................Hat sich der subjektive Eindruck des Probanden geändert? ...............................................................................

Also: habituiert der Pupillenreflex? ..............................................................................

Abdeckung der Pupille mit einer schwarzen Kreis-Blende bis zum "Pulsieren des Bildes":Subjektiver Eindruck des Probanden: ................................................................................................................Beobachtung des Versuchsleiters am anderen Auge (kann auch vom Probanden selbst gezählt und demVersuchsleiter zur Zeitmessung angesagt werden):Dauer für 10 Pulsationen (Achtung: wirklich 10 Perioden messen, ..........................................[Sekunden]

also z.B. von der 1. bis zur 11. Öffnung der Pupille)Mittlere Periodendauer: ..........................[Sekunden] Frequenz der Regelkreis-Schwingung: . ..............[Hz]

Verhalten - 9 -

Ein durchsichtiger Plastikstreifen trägt einige schwarze Kreisscheiben ab-gestufter Größe. Schauen Sie auf eine helle Fläche oder aus dem Fenster,während Sie diesen Streifen so nah wie möglich vor ein Auge halten, undzwar so, dass jeweils eine Kreisscheibe als Blende die Pupille möglichstgut abdeckt. Probieren Sie, bis Sie die Blendengröße finden, bei der dasBild zu pulsieren scheint. Welche Änderungen nimmt der Proband dabeiwahr? Der Versuchsleiter beobachtet die Irisbewegung währenddessen amanderen Auge. Messen Sie die Zeit für 10 (oder so viele sie zusammenhängendschaffen) Bewegungsperioden (eine Periode ist die ganze Sequenz "Öffnen-Schließen" bis zum nächsten Öffnen), errechnen Sie daraus die mittlerePeriodendauer und, als Kehrwert, die Frequenz der Regelkreis-Schwin-gung.

Wir wollen quantitativ erfassen, wie schnell und wie genau Sie in einemReaktionstest ein "Zielfolgeverhalten" zeigen. Dabei ist die Aufgabe, miteinem Schreibstift längs einer Anschlagkante einer Vorgabespur zu fol-gen, die in unregelmäßigen Abständen Sprünge aufweist. Die Vorgabe-spur wird von einem Computer in immer gleicher Art auf einem Schreibererzeugt oder ein vorbereiteter Papierstreifen wird mit einem Motor abge-spult. Jede Einzelsequenz beginnt für einige Sekunden mit einer geradenLinie ohne Sprünge. Starten Sie erst währenddieses „Vorlaufs“ den Schreiber mit 25 mmPapiervorschub pro Sekunde (1 mm entspr.40 ms) und zeichnen Sie die im Schreiberfen-ster sichtbare Linie dann für eine ganze Sig-nalsequenz (1 min) möglichst genau nach.Hand und Unterarm, die den Schreibstift füh-ren, dürfen dabei nicht aufliegen oder ge-stützt werden. Alle Einzelexperimente wer-den von der gleichen Versuchsperson durch-geführt. Je nach den Versuchsbedingungenkann man erwarten, dass die Aufgabe unter-schiedlich „gut“ gelöst wird.

(A) Stellen Sie die Abdeckung so ein, dassder sichtbare Abschnitt der Schreiberspur 15 mm, 5 mm bzw. 1 mm langist. Je kleiner dieser Abschnitt ist, desto geringer ist auch Ihre „Voraus-sicht“der bevorstehenden Sprünge: Es ist zu erwarten, dass von Durch-gang zu Durchgang die Reaktionszeit länger und die Genauigkeit derSpur-Verfolgung schlechter wird.

(B) Welchen Einfluss hat die Konzentration auf die Bewältigung dieserAufgabe? Verwenden Sie hier wieder einen sichtbaren Abschnitt derSchreiberspur von 1 mm. Diesmal soll der Proband während des Experi-ments verständlich rückwärts ab 100 zählen oder - was schwieriger ist - inDreierschritten ab 200 rückwärts zählen (200, 197, 194, 191 ...). Der Ver-suchsleiter kontrolliert dabei die Zählung. Die Versuchsperson neigt meistdazu, während der Kurvensprünge und der dabei nötigen Hand- und Stift-bewegungen das Zählen zu unterbrechen. Das ist ausdrücklich nicht er-laubt, sonst lässt sich der Einfluss der „ablenkenden“ Tätigkeit auf die Spurverfolgung nicht quantifizieren.

(C) Unterbrechen Sie die Kabelverbindung zum Schreiber und stellen Sieden sichtbaren Abschnitt der Schreiberspur auf 15 mm. Während der Pro-band der jetzt geraden Vorgabelinie folgt, lenkt der Versuchsleiter dessenHand oder Unterarm mehrfach durch einen kleinen Stoß aus der momen-tanen Position seitlich aus. Wie gut wird diese äußere Störung kompen-

(3) Verhalten imRegelkreis;

Reaktionszeit

Verhalten - 10 -

siert? Verläuft die anschließende Korrekturbewegung ebenso schnell undgenau wie bei der Verfolgung eines Sprungs in der Vorgabespur bei (A)?

Auswertung: Alle Messgrößen werden vom Schreiberpapier als Millime-ter-Distanzen abgelesen. Berücksichtigen Sie die Vorschubgeschwindig-keit, um Strecken in x-Richtung in Sekunden umzurechnen. Für jeden derEinzelversuche wird ausgewertet:(a) wie groß bei einem Sprung der x-Abstand zwischen Vorgabespur underster Verschiebung der Reaktionsspur, d.h. wie lang die Reaktionszeit ist[bei Spaltbreite 15mm beginnt die Bewegung oft schon vor dem eigentlichenFolge der Vorausschau sind; bei Versuch C wird die erste Abweichung der selbst

gezeichneten Spur von der geraden Vorgabelinie als Augenblick dervom Versuchsleiter aufgezwungenen Auslenkung gewertet, obwohl dasAnstoßen des Armes einen Sekundenbruchteil zuvor geschehen undvom Probanden auch schon wahrgenommen worden ist – dieReaktionszeit dauert von dort bis zur Umkehr der Stiftbewegung],

(b) wie weit die Reaktionsspur über die Vorgabespur in y-Richtung hinwegführt (Überschwingen des Regelungsprozesses) und

Versuch 3A–Einfluss der VorausschauDie Vorgabespur enthält einige große und zahlreichekleine Sprünge, deren Verfolgung separat ausgewer-tet werden muss.

Spaltbreite (=sichtbare Vorgabespur) 15 mm

Als kleine Sprünge sollen nur diejenigen von derMittel-Position zu einem der Ränder benutzt werden.Bei ihnen ist der Versuchsperson die nötige Sprung-weite schon bekannt, nicht aber die Sprungrichtung.Bei den großen Sprüngen ist dagegen die Richtungbekannt, nicht aber die Sprungweite.

Spaltbreite (=sichtbare Vorgabespur) 5 mm

Spaltbreite (=sichtbare Vorgabespur) 1 mm

Versuch 3B - Konzentrationsstörung durch..............................(eintragen, z.B. Rückwärtszählen)Die Vorgabespur enthält einige große und zahlreichekleine Sprünge, deren Verfolgung separat ausgewer-tet werden muss.

Spaltbreite (=sichtbare Vorgabespur) 1 mm

Versuch 3C - mechanische Auslenkung der HandSpaltbreite (=sichtbare Vorgabespur) 15 mm

(für diesen Versuch ist die Spaltbreite eigentlichunerheblich, da keine Vorausschau möglich ist)

kleine Sprünge Mittel- große Sprünge Mittel-1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 wert 1 2 3 4 wert

Reaktionszeit [s]Überschwingen [mm]Gesamtzeit [s]

kleine Sprünge Mittel- große Sprünge Mittel-1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 wert 1 2 3 4 wert

Reaktionszeit [s]Überschwingen [mm]Gesamtzeit [s]

kleine Sprünge Mittel- große Sprünge Mittel-1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 wert 1 2 3 4 wert

Reaktionszeit [s]Überschwingen [mm]Gesamtzeit [s]

kleine Sprünge Mittel- große Sprünge Mittel-1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 wert 1 2 3 4 wert

Reaktionszeit [s]Überschwingen [mm]Gesamtzeit [s]

Auslenkung der Hand Mittel-1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 wert

Reaktionszeit [s]Überschwingen [mm]Gesamtzeit [s]

In der Skizzegeben die Punkt-Linien an, inwelcher Richtunggemessen wird,und die dünnenPfeile, bis zuwelchem Ort derRegistrierkurve.Die Länge derPunkt-Linie istalso die jeweiligeMessgröße.

ZuVersuch C:

Verhalten - 11 -

(c) wie lange es dauert, bis die Reaktionsspur nach einem Sprung die Vor-gabespur wieder genau trifft [wenn bei Spaltbreite 15mm eine „negative“ Re-aktionszeit auftritt, wird die Gesamtzeit des Regulationsprozesses vom Beginndieser Reaktion und nicht vom Sprung der Vorgabespur aus gemessen].

Protokollieren Sie für die Versuche 3A und 3B separat die Werte für klei-ne (aus der Mitte) bzw. große (vom Rand) Vorgabe-Sprünge und bildenSie jeweils die Mittelwerte. Für Versuch 3C werden alle Auslenkungenzusammengefasst, unabhängig von ihrer Weite. Stellen Sie die Ergebnissenicht nur in einer Zahlentabelle dar, sondern zeichnen Sie daraus für jededer 3 Messgrößen (a), (b) und (c) ein Säulendiagramm in der für Reak-tionszeiten angedeuteten Art.

Ein wichtiger Schutzreflex für unsere Augen ist der Lidschluss bei mecha-nischer Reizung der Hornhaut und der Bindehaut eines Auges. Wie auchder Pupillenreflex wirkt er sich auf beide Augen gemeinsam aus. Wir lö-sen ihn durch einen kurzen Windstoß aus einer Luftpumpe aus, der durcheinen Schlauch an einem Stirnband auf den nasenseitigen Innenwinkel ei-nes Auges gelenkt wird. In zeitlicher Kopplung dazu erhält der Probandeinen Tonreiz über Kopfhörer (um andere Gruppen nicht zu stören) oderein Lichtsignal über eine Leuchtdiode. Alle Reizgebungen erfolgen durchden Versuchsleiter „von Hand“und können zeitlich beliebig verknüpftwerden. Nach einer Trainingsphase wird geprüft, ob Ton bzw. Licht alleinden Lidschluss auslösen und wie oft dieserbedingte Reflex auftritt, bis die erlernteKopplung durch Extinktion oder Verges-sen wieder aufgehoben ist. Dieser Ver-such erfordert eine genaue vorherigePlanung des Ablaufs, die Sie selbst er-stellen sollen. Machen Sie sich darüberunbedingt schon während der Vorbe-reitung VOR dem Kurs Gedanken. We-gen der knappen verfügbaren Zeit kannein konkreter Reizplan nicht erst wäh-rend des Kurstags angefertigt werde,sondern muss bereits vorbereitet sein.Der Versuchsplan wird von den Kurs-betreuern mit jeder Teilnehmer-Gruppehinsichtlich Fragestellung, Durchführ-barkeit, Zeitbedarf und möglichenSchlussfolgerungen am Kurstag be-sprochen.

Als Hinweis einige Punkte, die sicher bedacht werden müssen:

Was ist hier der conditionierte (CS), was der unconditionierte Stimulus(US)?

Welche und wie viele Kontrollversuche sind vor und nach der Konditio-nierung nötig? Könnten solche Kontrollversuche die Abläufe undWirksamkeit der Konditionierung selbst beeinflussen?

Welches Zeitschema soll bei der Konditionierung angewendet werden,mit „Verzögerung“(empfehlenswert) oder mit „Pause“? Mit „Umkeh-rung“ist hier erfahrungsgemäß nicht ratsam. - Zu den Begriffen sieheden Theorieteil des Skripts.

Versuch 4erstellen Sie hierfür einen eigenen Versuchsplan mit entsprechenden Protokoll-Tabellender durchzuführenden Versuche (welche Reiztypen wie oft in welcher Reihenfolge,welche Zeitabstände dazwischen, welche Kontrollversuche, Unterscheidung Extinktionvon Vergessen

(4) KlassischeKonditionierung;Lidschlussreflex

Vorsicht –Verletzungsgefahr:Schließen Sie die Augen beim

Anlegen des Stirnbands mit derReizdüse und den Leuchtdioden!

Verhalten - 12 -

Wie lang sollen CS und US geboten werden, um welches Zeitintervall sollCS dem US vorausgehen? (Sinnvoll sind hier Werte im Bereich von 0-2 Sekunden.)

Wie soll der Zeitabstand zwischen Reizgebungen sein (sinnvoller Bereich:10-30 Sekunden)? Warum sollte man Abstände verwenden, die in Be-zug zu einem vorgewählten Mittelwert um einige Sekunden (z.B. 5s)zufällig variieren?

Wie oft soll CS+US gegeben werden, bevor nur mit CS der Erfolg derKonditionierung geprüft wird? In welchem Abstand ist dann diesePrüfung zu wiederholen? Ebenso wie während der Konditionierung?

Wenn der konditionierte Reflex wieder ausbleibt, kann er durch erneuteKopplung CS+US möglicherweise rascher und/oder anhaltender her-vorgerufen werden als beim ursprünglichen Training. Das wäre einZeichen für eingetretene Extinktion. Wie kann man das prüfen?

Wie kann man experimentell zwischen Extinktion und Vergessen unter-scheiden?

Sind Ton- und Lichtreiz als CS gleich wirksam? Beeinflusst die Konditio-nierung auf einen dieser Reize die spätere Konditionierung auf denanderen?

Wird eine Konditionierung auf einen Lichtreiz vor dem einen Auge auf ei-nen identischen Reiz vor dem anderen übertragen?

Die vorzubereitende tabellarische Aufstellung der geplanten Versuchs-schritte soll bereits die Zeiten enthalten, zu denen US, CS oder CS+USgeboten werden, und eine Spalte, in denen der erfolgreich ausgelöste Lid-schluss einfach abgehakt werden kann. Zusätzliche Beobachtungen (z.B.unvollständiger Lidschluss, zufälliges Zusammenfallen mit spontanemLidschluss etc.) sind ebenfalls zu protokollieren.

Der Gesamtversuch darf nicht mehr als etwa 30-40 Minuten benötigen.Daher kann bei weitem nicht jeder der genannten Punkte von Ihnen wirk-lich im Experiment berücksichtigt werden; Sie müssen für einen realisier-baren Zeitplan also daraus auswählen. Es wäre trotzdem schön, wenn Sieüber die genannten Punkte hinaus Aspekte zumindest benennen könnten,die sich hier untersuchen lassen, oder variable Größen in der Versuchs-durchführung, die die Resultate beeinflussen können. Dieser Versuch istvielfältig ausbaubar und soll Ihnen–im begrenzten Zeitrahmen des Prak-tikums–Möglichkeit zu eigenständigem Experimentieren bieten.

Auswertung: Beschreiben Sie Ihren Versuchsablauf genau und nachvoll-ziehbar. Suchen Sie selbst für Ihre Messergebnisse eine geeignete Darstel-lungsweise, nicht nur tabellarisch sondern auch in Diagrammform.Diskutieren Sie die Befunde kritisch hinsichtlich möglicher Fehlerquellenund Störeinflüsse unter Kursbedingungen.

Die gleiche Versuchsperson wie in Versuch 1 zeichnet nach Verschließender Augen zunächst freihändig das anfangs erlernte Labyrinth auf einBlatt Papier und führt dann nochmals maximal 20 Durchläufe im gleichenLabyrinth aus. Wieder ist die Zielsetzung, möglichst wenige fehlerhafteAbzweigungen auf dem Weg vom Start zum Ziel zu machen, wobei derZeitbedarf für den Probanden keine Rolle spielt, als Messgröße zusätzlichzur Fehlerzahl aber dennoch registriert wird (Versuchsteil A).

Anschließend wird das Labyrinth jeweils gedreht und/oder umgewendet(d.h. gespiegelt), bevor wiederum jeweils maximal 20 Durchläufe begon-nen werden. Zusätzlich können Start- und Ziel-Position vertauscht wer-

(5) Lernen imLabyrinth / Teil II

Beispiel für den Beginn einervorbereiteten Versuchstabelle (Zeitenund Reizarten können bei Ihnen ganzanders gewählt werden):

Absolutzeit nachVersuchsbeginn(min:sec)

Reizart(US, CS,CS+US)

Lid-schluss(ja/nein)

Bemer-kungen

0:0 US0:16 US0:29 US0:48 CS1:01 CS1:18 CS1:30 CS+US1:49 CS+US2:03 CS+US2:20 CS+US2:32 CS+US2:44 CS+US3:00 CS+US3:14 CS+US3:32 CS+US3:47 CS+US4:02 CS4:19 CS4:34 CS4:50 CSusw. usw.usw. usw.usw. usw.

Verhalten - 13 -

den. Den allermeisten Menschen fällt es viel schwerer, die zuvor erlernteStruktur des Labyrinths „in Gedanken“ ebenfalls zu drehen und wiederanzuwenden als sie nun komplett neu zu lernen. Nach der Umorientierungbeginnt das Training also praktisch von neuem an einem „unbekannten“ Labyrinth, das aber genau den gleichen Komplexitätsgrad hat. Zusätzlichgibt es ein alternatives Labyrinth, das aus den gleichen, nur anders ange-ordneten Teilstrecken besteht und in dem der Lösungsweg (nahezu) ge-nauso lang ist wie im zu Anfang erlernten Labyrinth. (Warum ist die Weg-länge für den Vergleich der Ergebnisse wichtig?)

In den weiteren Versuchsteilen (B) und (C) soll der Lernprozess im Hin-blick auf andere Randbedingungen optimiert werden: In (B) darf der Pro-band beliebig viele Fehler machen, soll aber das Ziel möglichst schnellerreichen. In (C) soll er sowohl wenige Fehler machen als auch wenigZeit brauchen. Tatsächlich sind beide Bedingungen in der Praxis stetsgekoppelt: Jeder Fehler bedeutet zusätzliche Wegstrecken undFehlerkorrekturen; beides erfordert Zeit und verlängert so den Durchlauf.

Der Versuchsleiter protokolliert jeweils beide Messgrößen. Bei (B) kanndas Zählen der Fehler schwierig werden, denn die Stiftbewegungen desProbanden sind dann zumindest zu Beginn oft sehr hektisch. Wie in Ver-such 1 können die Durchläufe vorzeitig abgebrochen werden, wenn min-destens dreimal in Folge kein Fehler oder eine konstante niedrige Zahlvon Fehlern aufgetreten ist bzw. wenn die für einen Durchlauf benötigteZeit nicht mehr abnimmt.

Auswertung: Tragen Sie entsprechend dem gezeigten Koordinatensystemdie Lernkurven für Versuch 1 sowie für Versuch 5A bis 5C auf; abhängigvon der in Versuch 1 durchgeführten Anzahl von Wiederholungen mussdie x-Achse angemessen verlängert werden. Wie verlaufen diese Kurven,sind sie für die beiden Messgrößen identisch? Deutet der Vergleich vonVersuch 1 und 5A darauf hin, dass Versuch 1 zu einem Lernerfolg geführthat, der über mehrere Stunden anhält? Ist dies schon „Langzeitgedächt-nis“?Wird in Versuch 5A schneller gelernt und wird ein besserer Erfolgerreicht als in Versuch 1? Gibt es Unterschiede zwischen den Kurven ausden Teilversuchen 5A-C? Wie könnte man sie deuten (in diesen Versu-chen sind oft mehrere verschiedene Erklärungsmöglichkeiten denkbar)?Gibt es Hinweise, dass nicht nur das individuelle Labyrinth erlernt wird

Versuch 5

Für Versuchsteil (A) muss die gleiche Orientierung des Labyrinthsverwendet werden wie in Versuch 1.

Zwischen den einzelnen Aufgaben muss das Labyrinth verändertwerden. Protokollieren Sie die Art dieser Änderung:

zwischen Versuch 5A und 5B: ............zwischen Versuch 5B und 5C: ............

Wie-der-ho-

(A) Aufgabe:möglichst wenige

Fehler

(B) Aufgabe:möglichst schnell

zum Ziel

(C) Aufgabe:wenige Fehler undschnell zum Ziel

lung Fehlerzahl Zeitbedarf Fehlerzahl Zeitbedarf Fehlerzahl Zeitbedarf123456789

1011121314151617181920

Verhalten - 14 -

sondern dass sich durch dieses „Training“die allgemeine Lernfähigkeitfür solche Labyrinth-Aufgaben verbessert?

Auf jeden Fall spielen hier zwei separate Ebenen des Lernens eine Rolle:das abstrakt-geometrische Weg-Lernen (bei unseren Labyrinthen immereindeutig, da es keine alternativen Passagen gibt) und das motorischeLernen der benötigten Bewegungsabläufe (verschiedene Sequenzen vonunterschiedlich starken Kontraktionen in Arm- und Handmuskeln könnenzum Ziel führen). Ähnlich lernt ein Pianist eine Melodie nach dem Noten-bild, kann sie aber mit verschiedenen, nach einigem Üben dann konstan-ten und unbewusst ablaufenden Fingerbewegungen spielen.

Die nachstehende Tabelle enthält wichtige Begriffe aus diesem Skript. Daran können Sie Ihren Wissensstand überprüfen.Spätestens zur Klausur sollten Sie zu jedem Stichwort eine kurze Erläuterung geben können.

AMPA-Rezeptorkanal einsichtiges Lernen klassische Konditionierung NMDA-Rezeptorkanal Rückkopplung

assoziative LTP explizites Gedächtnis Konditionierung operante Konditionierung Sensitivierung

assoziatives Lernen Extinktion Kontiguität Pawlowscher Hund Sollwert

Ausgangsverhalten Führungsgröße Kontingenz prozedurales Gedächtnis Stellgröße

Auslöschung Gedächtnis-Konsolidierung Kurzzeitgedächtnis Pupillenreflex Steuerung

bedingter Reflex geregelter Reflex Langzeitgedächtnis Reaktionszeit Totzeit einesRegelkreises

bewusstwerdendesLernen

Gewöhnung Lernen Regelglied unbedingter Reflex

closed-loop-Regelung Habituation Lernkurve Regelgröße unconditionierteReaktion

conditionierte Reaktion Hebb-Synapse Lidschlussreflex Regelkreis unconditionierterStimulus

conditionierter Stimulus heterosynaptische LTP long-term potentiation (LTP) Regelschwingung ungeregelter Reflex

deklaratives Gedächtnis homosynaptische LTP Mittelzeitgedächtnis Regelstrecke Vergessen

Dishabituation implizites Gedächtnis nicht-assoziatives Lernen Regelung Zustandsverhalten

Eingangsverhalten instrumentelleKonditionierung

nicht-deklaratives Gedächtnis Regelungsdauer

Außerdem kamen in der Begleitvorlesung zum Kurstag folgende Begriffe vor, mit denen Sie umgehen können sollten:

Adenylatcyclase CRE / CREB Kalzium bei Synapsen Phosphatasen synaptische Kopplungsstärke

Alles-oder-Nichts-Reaktion Engramm Kinasen Proteinkinase A Transmitter

Amygdala Frontallappen Kniesehnen-Reflex Rekonsolidierung

Cerebellum Hippocampus ligandengesteuerter Ionenkanal Synapse

Cortex Kainat-Kanal limbisches System Synapsenpotential