8

Click here to load reader

Verhaltenstherapie-Kompetenz-Checkliste

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Verhaltenstherapie-Kompetenz-Checkliste

Psychotherapeut 2010 · 55:477–484DOI 10.1007/s00278-010-0775-2Online publiziert: 13. Oktober 2010© Springer-Verlag 2010

Michael Linden1, 2 · C. Langhoff1, 2

1 Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation, Charité – Universitätsmedizin Berlin2 Abteilung Verhaltenstherapie und Psychosomatik, Rehabilitationszentrum Seehof  der Deutschen Rentenversicherung Bund, Teltow

Verhaltenstherapie-Kompetenz-ChecklisteKompetenzerfassung, Qualitätssicherung und Supervision

Schwerpunkt: Supervision - Originalie

In der Psychotherapieforschung und -anwendung ist ein Problem von vor-rangiger Bedeutung die Sicherung der Behandlungsgüte (Fydrich et al. 2003; Grawe u. Braun 1994; Scheidt 1998; Scheidt 1999; Schmidt et al. 1995). Nach Beutler et al. (2003) hängt ein wesentlicher Teil der Out-come-Varianz in der Psychotherapie von Therapeutenvariablen und Thera-peutenverhalten ab. Die Übereinstim-mung zwischen dem, was ein Thera-peut tut, und dem, was ein Fachstan-dard vorgibt, kann als Therapeuten-Compliance oder Protokolladhärenz bezeichnet werden.

Behandlungs- und Behandlergüte in der Psychotherapie

Nach dem Mehrebenenmodell psycho-therapeutischer Kompetenz (Linden et al. 2007a) sind mindestens 6 Kompetenze-benen zu unterscheiden, auf denen un-abhängig voneinander die Therapeuten-kompetenz und Therapietreue zu bestim-men und zu sichern ist. Dies sind:1. Beziehungskompetenzen,2. Kompetenzen in der Anwendung von

Basistechniken,3. Kompetenzen in der Anwendung von

störungsspezifischen Techniken,4. Kompetenzen zur Strukturierung der

einzelnen Sitzung,

5. Kompetenzen zur Strukturierung des gesamten therapeutischen Prozesses über viele Stunden hinweg sowie

6. heuristische und theoretische Kom-petenzen als Grundlage für das Ver-ständnis der vorliegenden Störung und der Behandlungsansätze.

Die Beziehung der 6 Ebenen des thera-peutischen Prozesses zueinander lässt sich verkürzt durch eine Analogie zur Musik erläutern. Ein Pianist sollte eine gut ausge-prägte Musikalität sowie ein Rhythmusge-fühl haben und den Rhythmus auch hal-ten können. Dies könnte den Beziehungs-kompetenzen gleichgesetzt werden. Er be-nötigt des Weiteren gute technische Fer-tigkeiten, Z. B. Fingerläufigkeit, analog zu den Basistechniken. Er muss zudem über die speziellen technischen Fertig-keiten verfügen, die das konkret zu spie-lende Stück als Besonderheit erfordert, entsprechend den störungsspezifischen Techniken. Schließlich muss er die ein-zelnen Sätze (Stundenstrategie) und die gesamte Partitur (Prozessstrategie) no-tengetreu spielen können. Die Interpreta-tion des Musikstücks sollte dabei von mu-siktheoretischen Kenntnissen geleitet sein (Heuristik). Alle Kompetenzen sind wich-tig, um Musik auf professionellem Niveau erklingen zu lassen. In besonderer Weise unverzichtbar sind Basistechniken.

In der Regel erfolgen die Therapieaus-bildung und Sicherung der Therapiegüte

über Theorieunterricht, „learning by do-ing“ und Supervisionen (Laireiter u. Wil-lutzki 2005). Die Vermittlung und der Er-werb praktischer Fähigkeiten erfolgen da-bei allerdings eher unstrukturiert und nur bedingt objektiv. Eine Alternative und Er-gänzung zur Erfassung der Behandlergü-te und damit auch als Grundlage für ei-ne Supervision können standardisierte Instrumente sein (Asendorpf u. Wallbott 1979; Hausch et al. 1999; Rudolph 1997; Stangier et al. 1998). In der Literatur fin-den sich verschiedene, recht unterschied-liche Messinstrumente zur Operationali-sierung und Quantifizierung des Thera-peutenverhaltens (Pohl et al. 2000; Staats et al. 2003). Diese Instrumente wurden im Rahmen von Therapiestudien und -prüfungen mit speziellen Fragestellungen und begrenzten Anwendungsbereichen zu Forschungszwecken entwickelt, wie bei-spielsweise die Überprüfung der Anwen-dung einzelner störungsspezifischer Tech-niken. Daraus ergeben sich Begrenzungen in der Anwendung, da die Durchführung oft kompliziert ist und sich als zusätzliches inhaltliches Problem stellt, was der Stan-dard ist, mit dem die realisierte psycho-therapeutische Behandlung verglichen wird, um daraus Qualitätsurteile ablei-ten zu können (Düsch 2003). Die meisten standardisierten Instrumente zur Mes-sung der Therapeuten-Compliance er-möglichen daher in der Regel keine gene-relle Beurteilung des Psychotherapeuten-

RedaktionM. Cierpka, Heidelberg

477Psychotherapeut 6 · 2010  | 

Page 2: Verhaltenstherapie-Kompetenz-Checkliste

Tab. 1  Übersicht über die Items der Verhaltenstherapie-Kompetenz-Checkliste, Supervisions- und Klinikversion (VTKC-S)

A. Aufgaben aus der letzten Stunde wurden angesprochen, bzw. der Therapeut hat nach Aufgaben aus vorangegangen Sitzungen gefragt

1. Ich habe mir vom Patienten die Hausaufgaben aus der letzten Sitzung im Detail schildern lassen

2. Ich habe den Patienten für die Durchführung der Hausaufgaben ermutigt und bestärkt – unabhängig vom Ergebnis der Hausaufgaben

3. Schlussfolgerungen, die aus den Hausaufgaben resultieren, wurden festgestellt und konkretisiert

B. Ich habe mit dem Patienten geklärt, was dazu führt, dass er sich auf eine bestimmte Art verhält bzw. habe eine Mikroverhaltensanalyse durchgeführt

4. Die vom Patienten beschriebene (Global-)Symptomatik wurde in einzelne Symptome aufgegliedert

5. Ich bat den Patienten, die Symptomatik detailliert in Art, Erscheinungsform, Intensität und Verlauf (Frequenz, Oszillation) zu beschreiben

6. Ich habe den Patienten gebeten, die Beschreibung des problematischen Verhaltens auf verschiedenen Ebenen (kognitiv, emotional,  physiologisch, motorisch) zu machen

7. Möglichen Antezedensen und Konsequenzen wurden detailliert erfasst

8. Antezedensen problematischen Verhaltens wurden in interne und externe Stimuli unterteilt

9. Konsequenzen problematischen Verhaltens werden in kurz- und langfristig, intern und extern unterschieden

10. Ich habe Wahrnehmungs- und Verarbeitungsaspekte im Zusammenhang mit dem problematischen Verhalten, wie z. B. Interpretationen,  Bewertungen und Ursachenzuschreibungen erfragt

C. Fragen nach früheren Ereignissen wurden gestellt, wann was war und warum es war; es wurde eine Anamnese erhoben bzw.  eine Makroverhaltensanalyse durchgeführt

11. Es gelang mir, Verlaufscharakteristika der Symptomatik präzise und nachvollziehbar zu erfragen und diese auf einer Zeitachse zu fixieren

12. Der Therapeut hat an den Stellen nachgefragt, an denen im biografischen Verlauf auffällige Veränderungen sichtbar wurden  (auslösende Lebenssituationen, z. B. Trennung, Verlust, Scheitern)

13. Biografische Kontexterfahrungen, die im Zusammenhang zur Symptomentwicklung stehen, wurden erfragt  (Lerngeschichte, Lebens- u. Beziehungsgestaltung)

14. Ich habe Stärken und Ressourcen des Patienten erfragt

D. Entwickeln eines Störungsmodells

15. Ich habe den Patienten nach seiner subjektiven Erklärung der Entstehung seiner Probleme gefragt

16. Es konnte mit dem Patienten ein auf Verhaltensanalysen basierendes Störungsmodell entwickelt werden

17. Der Patient kann sich die Entstehung und das Fortbestehen der Symptome seiner Erkrankung verständlich erklären

18. Ich orientiere mich therapeutisch an einem individuellen Fallkonzept bzw. psychologischen Modell und kann daraus ableiten, wie der Patient in einer bestimmten Situation reagieren wird

E. Der Therapeut gibt Ratschläge, was zu machen ist, gibt Unterstützung, wie Probleme zu lösen sind bzw. arbeitet an Problemlösungen und -bewältigungen

19. Ich habe die bestehenden Probleme des Patienten in Einzel- bzw. Teilprobleme unterteilt, bevor ich begonnen habe, diese mit dem Patienten zu bearbeiten

20. Ich habe den Fokus bei der Problembearbeitung auf intrapsychische, psychologische Prozesse gelegt und nicht auf äußere, aktuelle Probleme

21. Ich habe mit dem Patienten eine nach Schwierigkeiten gestufte Hierarchie von Problemen, Themen und/oder Aufgaben

22. Es wurde an Übungsproblemen gearbeitet, d. h. Probleme, die für den Patienten relevant sind, in denen er jedoch auch Fehler machen darf

23. Ich habe mit dem Patienten detailliert mehrere alternative Verhaltensoptionen für konkrete Situationen herausgearbeitet

24. Strategien zur Bewältigung der relevanten Probleme wurden im Detail auf der Verhaltensebene besprochen

25. In einzelnen Übungen (Dialog, Rollenspiel, Exposition) wurden Probleme oder Verhaltensproben dargestellt, modifiziert und geübt

26. Über die Qualität der Übungen (Dialog, Rollenspiel, Exposition) hat der Therapeut dem Patienten eine Rückmeldung gegeben

F. Ich habe mit dem Patienten an und mit Kognitionen gearbeitet

27. Ich habe situationsbezogene automatische Gedanken erfragt

28. Ich habe den Patienten aufgefordert, die situationsbezogenen automatischen Gedanken in Quantität und Qualität zu beschreiben

29. Irrationale, unangemessene Denkmuster wurden so hinterfragt, dass eine kognitive Umstrukturierung deutlich wird

30. Durch Präzisierungen und Erläuterungen gelang es mir, dass der Patient Ungereimtheiten und inkonsistente Schlussfolgerungen bezüglich seiner Sichtweise der Dinge überprüfen konnte

31. Ich habe den Patienten aufgefordert, Gedanken in konkret umschriebenen Verhaltensproben zu überprüfen und ihren Realitätsgehalt  festzustellen

32. Durch das Prüfen von neuen Verhaltensalternativen gelang es dem Patienten, eine kognitive Neubewertung vorzunehmen

33. Durch mein Fragen nach alternativen Erklärungen und Interpretationen gelang es dem Patienten, neue Aspekte einer Situation oder eines Problems zu erkennen und zu durchdenken

34. Folgen bzw. Konsequenzen der eigenen und alternativer Sichtweisen und Deutungen von Ereignissen wurden von mir strukturiert erfragt und gegenübergestellt

35. Ich habe den Patienten aufgefordert, Situationen oder Verhalten aus der Sicht eines Dritten darzustellen oder zu kommentieren

36. Ich habe zusammen mit dem Patienten eine Verbindung zwischen Kognitionen, Emotionen und Verhalten erarbeiten können

478 |  Psychotherapeut 6 · 2010

Schwerpunkt: Supervision - Originalie

Page 3: Verhaltenstherapie-Kompetenz-Checkliste

Tab. 1  Übersicht über die Items der Verhaltenstherapie-Kompetenz-Checkliste, Supervisions- und Klinikversion (VTKC-S) [Fortsetzung]

37. Es gelang mir, problembezogene, zentrale Grundannahmen des Patienten gemeinsam mit dem Patienten zu erarbeiten

38. Gemeinsam konnten zentrale Grundannahmen des Patienten im Zusammenhang mit seiner Problematik gesetzt und hinterfragt werden

G. Der Therapeut hält den Patienten dazu an, sein Verhalten zu ändern oder sich zusammenzureißen bzw. arbeitet an Selbstkontrolle und Selbstmanagement

39. Ich habe den Patienten aufgefordert, eigenes Verhalten genau zu beobachten und zu dokumentieren (Selbstbeobachtung)

40. Ich habe dem Patienten Methoden der Kontingenzkontrolle (Selbstverstärkung bzw. -bestrafung) erläutert

41. Ich habe mit dem Patienten am Kontingenzmanagement gearbeitet, d. h. es gelingt dem Patienten, Belohnungen (Beispiel Kuchen, Kauf eines Buches) für erwünschte Verhaltensweisen und Bestrafungen (Beispiel „Stopp“, Geldspenden an politisch konträre Partei) für unerwünschte Verhaltenweisen festzulegen und einzuhalten

42. Ich habe erfragt, welche Möglichkeiten der Patient für sich selbst sieht, eigenes (Problem-)Verhalten selbst zu beeinflussen  (Beispiel Stimuluskontrolle, Selbstinstruktion, diskriminanter Hinweisreiz)

43. Ich habe den Patienten aufgefordert, an konkreten Verhaltensbeispielen zu überprüfen, welche Möglichkeiten er für sich selbst hat, eigenes (Problem-)Verhalten zu beeinflussen

44. Ich habe gemeinsam mit dem Patienten Sätze bzw. Argumentationen, die der Patient in Problemsituationen zu sich selbst sagen kann,  erarbeitet und geübt

45. Ich habe den Patienten aufgefordert, positive Aussagen über sich selbst zu formulieren und diese zu üben

H. Der Therapeut hat Aufträge für die nächste Zeit gegeben bzw. Hausaufgaben erteilt

46. Es wurde mit dem Patienten erarbeitet, was bis zur nächsten Sitzung zu klären, auszuprobieren oder zu trainieren ist

47. Sinn und Zweck der Hausaufgaben wurden vom Patienten benannt

48. Der experimentelle Charakter der Hausaufgaben wurde betont

49. Es wurde auf der Verhaltensebene konkretisiert, was genau zu tun ist

50. Es wurden Kriterien festgelegt, um die Zielerreichung objektivieren zu können

51. Ort, Zeit und Situation der Hausaufgaben wurden festgelegt

52. Mögliche Probleme, die im Rahmen der zukünftigen Hausaufgaben auftreten könnten, wurden besprochen

53. Es wurden (Selbst-)Belohnungen vom Patienten genannt, die er sich nach der Durchführung von Hausaufgaben unabhängig vom Erfolg  „gönnen“ kann

54. Die Hausaufgaben für den Patienten zur nächsten Therapiesitzung sind …

I. Maßnahmen zum Aufbau/Erhalt des Arbeitsbündnisses

55. Ich habe mich in einfachen Sätzen und ohne Fremdwörter klar ausdrücken können

56. Ich habe im Gespräch mit dem Patienten auf Belehrungen verzichtet

57. Ich habe therapeutisch transparent gearbeitet, indem ich z. B. notwendige Erläuterungen zum Vorgehen, zu Übungen usw. gegeben habe

58. Ich habe mich gut in die Sichtweise und das Erleben des Patienten hineinversetzten und dies gegenüber dem Patienten zum Ausdruck bringen können

59. Ich war an dem Patienten als Person und an seiner Thematik innerlich interessiert

60. Ich habe den Patienten für Fortschritte in der Therapiestunde ausdrücklich gelobt bzw. indirekt sozial verstärkt (Beispiel Mh, ah, nicken …)

61. Ich habe den Patienten ermutigt zu benennen, in welchen Aspekten des therapeutischen Vorgehens er Fragen oder Zweifel hat

62. Ich habe dem Patienten eine Rückmeldung bezüglich seines individuellen interpersonellen Interaktionsstils in der Therapie gegeben

63. Ich habe dem Patienten ermöglicht, seine Gedanken zu entwickeln, ohne ihn zu bedrängen oder zu überreden

J. Maßnahmen zur Förderung einer sinnvollen Stunden- und Prozessstruktur

64. Das Ergebnis der letzten Stunde wurde wiederholt

65. Das heutige Thema hat unmittelbar an der letzten Sitzung angeknüpft

66. Das heutige Thema ordnet sich in einen inhaltlichen therapeutischen Entwicklungsprozess ein

67. Der Therapieablauf der Therapiestunde ist strukturiert; der Therapeut geht nach einer zu Beginn der Therapiestunde festgelegten  Tagesordnung vor

68. Es wird erst ein Thema abgehandelt, bevor zum nächsten übergegangen wird

69. Ich habe die Zeit für die vorgesehenen Themen und nicht für allgemeine Gespräche genutzt

70. Ich habe den Patienten aufgefordert, Therapieziele auf der Verhaltensebene zu formulieren bzw. zu wiederholen

71. Formulierte Therapieziele wurden in kurzfristig und langfristig erreichbar unterschieden

72. Ich habe den Patienten angehalten, sich wichtige Dinge zu notieren bzw. Stichwörter, Kernsätze oder Hausaufgaben aufzuschreiben

73. Ich habe mir Rückmeldungen über das, was der Patient vom Gespräch aufgefasst hat, eingeholt

74. Ich habe gezielt und gründlich nachgefragt, wenn ich einen Sachverhalt für wichtig erachtet habe und/oder ihn nur ungenügend  nachvollziehen konnte

75. Ich habe mich in der heutigen Therapiestunde um ein hohes Ausmaß an Stringenz und Konsequenz bemüht, d. h. der Therapeut greift auf  bereits Erarbeitetes, vereinbarte Ziele zurück, nutzt gewonnene Erkenntnisse usw.

479Psychotherapeut 6 · 2010  | 

Page 4: Verhaltenstherapie-Kompetenz-Checkliste

verhaltens und haben sich in der täglichen Supervision auch nicht durchgesetzt. In der aktuelleren Literatur fand sich ledig-lich ein Messinstrument, das sich zur Er-fassung der Behandlungsgüte in der Ver-haltenstherapie eignet und auch im Rah-men der Supervision eingesetzt und er-probt wurde (Zarbock et al. 2009).

Verhaltenstherapie-Kompetenz-Checkliste

Konzept

Ein Instrument, das speziell zur Anwen-dung in der Praxis und für die Ausbil-dung von Verhaltenstherapeuten entwi-ckelt wurde, ist die Verhaltenstherapie-Kompetenz-Checkliste (VTKC). Sie er-möglicht (Linden et al. 2007b):Fzu operationalisieren, was als gu-

te therapeutische Praxis in der kogni-tiven Verhaltenstherapie anzusehen ist,

Fzu messen, wie gut eine konkrete Therapie nach diesem Maßstab ist, und

Fden Einsatz in der Aus- und Fort-bildung als Trainingsinstrument zur Optimierung des Therapeutenverhal-tens.

Die theoretische Basis der VTKC liefert das bereits angesprochene Mehrebenen-modell der Psychotherapie. Zunächst wur-den die vorliegenden Skalen zur Messung der Therapeutenkompetenz und Thera-piegüte in der Verhaltenstherapie sowie die einschlägige kognitiv-verhaltensthe-

rapeutische Fachliteratur, wie z. B. Praxis der kognitiven Therapie (Beck 1999), Ver-haltenstherapiemanual (Linden u. Haut-zinger 2009), Selbstmanagement-Therapie (Kanfer et al. 1999) u. a. gesichtet. Es wur-den auf dieser Basis Items zur Operatio-nalisierung von Beziehungskompetenzen, Basistechniken und Stundenstrategie ge-sammelt. Die Items sollten unmissver-ständlich sein, Therapeutenverhalten möglichst konkret beschreiben, praktika-bel und ökonomisch in der Anwendung sein, übersichtlich in der Anordnung, ei-ne sinnvolle Skalierung ermöglichen und dabei relevante sowie regelhaft anzuwen-dende Therapieinterventionen erfassen, die für jeden Therapeuten in jeder Thera-piestunde von Bedeutung sind. Es liegen eine ausführlichere Version für Supervi-sionen und Therapeutentraining (VTKC-S), eine Version, die vom Patienten aus-gefüllt werden kann (VTKC-P) sowie für Forschungszwecke verkürzte Fassungen als Selbstbeurteilungsskala für den The-rapeuten (VTKC-T) und als Fremdbe-urteilungsskala für einen externen Rater (VTKC-R) vor.

Die VTKC-S enthält 86 Items zu ko-gnitiv-verhaltenstherapeutischen Inter-ventionen, die 12 Oberkategorien zuzu-ordnen sind (.Tab. 1; die VTKC-R bei-spielsweise ist etwas kürzer, sie enthält 71 Items und 11 Oberkategorien):a) Nachbesprechung von Hausaufgaben

(3 Items),b) Mikroanalyse (7 Items),c) Makroanalyse (4 Items),d) Entwicklung eines Störungsmodells

(4 Items),

e) Problemlösung (8 Items),f) Modifikation von Kognitionen

(12 Items),g) Selbstmanagement (7 Items),h) Hausaufgaben stellen (9 Items),i) Sicherung eines Arbeitsbündnisses

(9 Items),j) Stunden- und Prozessstruktur

(12 Items),k) Globalbewertung der VT-Kompetenz

(6 Items) undl) Heuristik (5 Items),

Die Fragen der Supervisionsversion sind in der Ichform formuliert und sollen dem Therapeuten ermöglichen, nach einer Therapiesitzung sich selbst zu überprüfen. In der Arbeit mit einem Supervisor kann der Therapeut dann Tonbandausschnitte aus einer Sitzung präsentieren. Einzel-ne Therapieinterventionen können kon-kret dahingehend analysiert werden, in-wiefern diese vollständig den technischen Anforderungen genügen bzw. welche As-pekte eventuell nicht berücksichtigt wor-den sind. In der Supervision ist somit ein recht konkretes Arbeiten möglich; dies hilft dem Therapeuten, Basisinterventi-onen möglichst technisch präzise zu er-lernen.

Die Urteilsbildung in der VTKC ist zweigestuft. Zunächst wird ein Urteil zu der jeweiligen Oberkategorie abgege-ben, z. B. ob eine Mikroanalyse durchge-führt wurde. Wenn „ja“, werden alle Items dieses Abschnitts beurteilt; wenn nein, wird zur nächsten Oberkategorie weiter-gegangen, wodurch das Rating zeitöko-nomisch durchgeführt werden kann. Je-

Tab. 1  Übersicht über die Items der Verhaltenstherapie-Kompetenz-Checkliste, Supervisions- und Klinikversion (VTKC-S) [Fortsetzung]

K. Globalbewertung der Therapiesitzung

76. Ich hatte den Eindruck, dass zwischen mir und dem Patienten eine vertrauensvolle Beziehung besteht

77. Ich hatte den Eindruck, dass die Zusammenarbeit mit dem Patienten gut war

78. Ich hatte den Eindruck, dass die heutige Therapiestunde hilfreich für den Patienten war

79. Die Therapiestunde war typisch für die Konzepte der kognitiven Verhaltenstherapie

80. Die eingesetzten verhaltenstherapeutischen Techniken sind von mir kompetent angewendet worden

81. Ich hatte den Eindruck, dass sich der Patient verstanden fühlte

L. Heuristik

82. Mein heutiges Stundenziel vor Beginn der Sitzung war …

83. Die therapeutisch wichtigste Technik der Therapiestunde war …

84. Wichtige, neue Erkenntnisse, Kern- und Merksätze der heutigen Therapiestunde sind …

85. Verhaltenstherapeutischer Autor oder Publikation, auf die ich mich in einem therapeutischen Vorgehen in der heutigen Therapiestunde bezo-gen habe, …

86. Für die nächste Sitzung habe ich mir vorgenommen (Vorbereitung, Themen) …

480 |  Psychotherapeut 6 · 2010

Schwerpunkt: Supervision - Originalie

Page 5: Verhaltenstherapie-Kompetenz-Checkliste

Zusammenfassung · Abstract

Psychotherapeut 2010 · 55:477–484   DOI 10.1007/s00278-010-0775-2© Springer-Verlag 2010

Michael Linden · C. Langhoff

Verhaltenstherapie-Kompetenz-Checkliste. Kompetenzerfassung, Qualitätssicherung und Supervision

ZusammenfassungHintergrund.  In der Psychotherapiepraxis und in der Psychotherapieforschung ist ein Problem von vorrangiger Bedeutung die Si-cherung der Behandlungsgüte. Dazu muss diese jedoch operationalisiert und messbar gemacht werden. Dies ist mit der Verhaltens-therapie-Kompetenz-Checkliste (VTKC) mög-lich, die (a) operationalisiert, was als gute the-rapeutische Praxis in der kognitiven Verhal-tenstherapie anzusehen ist, (b) misst, wie gut eine konkrete Therapie nach diesem Maßstab ist und (c) dadurch in der Aus- und Fortbil-dung das Training guten Therapeutenverhal-tens unterstützen kann.Methode.  Mithilfe der VTKC wurden 182 auf Tonband aufgenommene Therapiesitzungen von 14 Verhaltenstherapeuten von 4 unab-hängigen Beobachtern beurteilt.Ergebnisse.  Die häufigsten verhaltensthera-peutischen Interventionen waren Hausaufga-ben vorzubereiten (71,4%) und Arbeit an Ko-

gnitionen (41,6%). Seltener sind Makrover-haltensanalyse (19,5%) und Problemlösestra-tegien (19,5%). Im VTKC-Gesamturteil fin-det sich ein Wert von 3,4 auf einer Skala von 7 (sehr gut) bis 1 (ungenügend).Schlussfolgerung.  Die VTKC kann helfen, in der Therapeutenausbildung, Supervision und Intervision technisch präzisierend zu wirken. Sie kann auch nach Art einer Checkliste am Ende einer Therapiesitzung durch den The-rapeuten selbst ausgefüllt werden und zur Selbstkontrolle dienen. Eine Patientenversion ermöglicht einen Perspektivenvergleich zwi-schen Patient und Therapeut; dies kann Hin-weise für eine Behandlungsoptimierung oder Problemklärung geben.

SchlüsselwörterEvaluation · Standards · Qualitätssicherung · Supervision · Verhaltenstherapie

Behavior Therapy Competency Checklist. Competency evaluation, quality assurance and supervision

AbstractBackground.  Quality control in psychother-apy is a pivotal goal in clinical practice and re-search and requires to define and measure good practice. The Behavior Therapy Compe-tency Checklist (BTCC) allows (a) good clinical practice in behavior therapy to be defined, (b) measurement of the quality and (c) sup-port for training of therapists.Methods.  In this study 182 tape recordings of routine treatment sessions of 14 behavior therapists were evaluated by 4 independent observers using the BTCC.Results.  The most frequent therapeutic in-terventions were homework assignments (71.4%) and modification of cognitions (41.6%). Macro-behavioral analysis (19.5%), or problem solving (19.5%) were rare inter-

ventions. The average BTCC quality score for all interventions was 3.4 on a scale from 1 (in-sufficient) to 7 (very good).Conclusions.  The BTCC allows an analysis of problems of therapists and can help to im-prove therapist education, supervision or in-tervision. It is also possible to use the scale as self-rating after a single session in order to control one’s own treatment behavior. A pa-tient version allows a contrast between ther-apist and patient perspectives on the treat-ment process.

KeywordsEvaluation · Standards · Quality assurance · Supervision · Behavior therapy

des Item wird auf einer siebenstufigen Likert-Skala beurteilt: (1) trifft überhaupt nicht zu, (2) trifft kaum zu, (3) trifft etwas zu, (4) trifft teilweise zu, (5) trifft überwie-gend zu, (6) trifft größtenteils zu und (7) trifft vollkommen zu.

Bei speziellen Fragestellungen kann die VTKC auch durch störungsspe-zifische Module ergänzt werden, die die Anwendung und das Training stö-rungsspezifischer Behandlungskompe-tenzen unterstützen. Dies ist in der eige-nen Forschungsgruppe z. B. in einer Stu-die zu „Weisheitstherapie“ und „Genuss-therapie“ bei Anpassungsstörungen er-folgt (Linden et al. 2006; Schippan et al. 2004).

Untersuchung zur Güte  von Verhaltenstherapie unter Routinebedingungen

Mithilfe der VTKC-R wurden 182 auf Band aufgenommene Therapiesitzungen von 14 Verhaltenstherapeuten von 4 un-abhängigen Beobachtern beurteilt (Lin-den et al. 2007b). Es wurde die gesamte Stunde angehört. Die Rater machten sich dabei fortlaufend stichwortartige Notizen über die angesprochenen Themen und er-kennbar werdenden Interventionen. Im Anschluss wurde dann die VTKC ausge-füllt. Die prozentuale Übereinstimmung der Urteile der Beobachter liegt bei 79,6%; der Median der 4 erhaltenen κ-Werte liegt bei 0,612 (p<0,000).

Therapeuten waren ärztliche und psy-chologische Psychotherapeuten der Ab-teilung Verhaltenstherapie und Psychoso-matik des Rehabilitationszentrums See-hof, Teltow/Berlin. Sie arbeiten ganztags in der Klinik und betreuen jeweils etwa 10 Patienten. Sie sind verantwortlich für die Koordination der Gesamtbehandlung und der Kotherapeuten. Sie führen in der Regel mit jedem Patienten zweimal wö-chentlich psychotherapeutische Einzel-sitzungen und zweimal wöchentlich eine Gruppentherapiesitzung durch. Sie neh-men wöchentlich an mehrstündigen kli-nischen Visiten mit Fallvorstellungen so-wie zweimal wöchentlich an speziellen Fallsupervisionen teil, u. a. durch exter-ne Supervisoren. Sechs der Therapeuten waren Frauen. Die Therapeuten waren durchschnittlich 35,2 Jahre (Standardab-

481Psychotherapeut 6 · 2010  | 

Page 6: Verhaltenstherapie-Kompetenz-Checkliste

weichung, SD ±5,1 Jahre) alt und arbeitet-en seit 5,6 Jahren (SD ±3,2 Jahre) als Ver-haltenstherapeuten.

Eine Übersicht, welche Interventi-onen Verhaltenstherapie unter Rou-tinebedingungen kennzeichnen, gibt .Tab. 2. Am häufigsten werden von den Therapeuten Hausaufgaben vorbe-reitet (71,4%). In 41,6% der Sitzungen wird an Kognitionen gearbeitet. Nach-vollziehbar selten kommt die Makro-verhaltensanalyse (19,5%) vor, die in der verhaltenstherapeutischen Arbeit Teil der initialen Anamneseerhebung ist. Er-staunlich selten ist die Erarbeitung von

Problemlösestrategien (19,5%). Zusam-menfassend belegen die Daten, dass in den untersuchten Sitzungen verhaltenst-herapeutische Techniken und Strategien zur Anwendung kamen.

Nachdem auf diese Art belegt ist, dass Verhaltenstherapie zur Anwendung kam, ist zu prüfen, mit welcher Qualität. Wie gut die Therapeuten im Urteil der exter-nen Rater die eingesetzten verhaltenst-herapeutischen Basiskompetenzen um-gesetzt haben, zeigt .Tab. 3. Betrach-tet man das VTKC-Gesamturteil, das sich aus den Bewertungen aller Items zusam-mensetzt, ergibt dies einen Wert von 3,4

auf einer Skala von 1 (ungenügend) bis 7 (sehr gut). Die Therapie auf den beurteil-ten Tonbändern dieser Studie war, quali-tativ betrachtet, lediglich „etwas gut bzw. ausreichend gut“. Die Beurteilungen der einzelnen Kategorien unterscheiden sich hierbei nur geringfügig: So liegen die Werte für die meisten Kategorien zwi-schen 2,9 und 3,5. Am schlechtesten wird die verhaltenstherapeutische Basiskompe-tenz „Erarbeiten und Üben von Problem-lösestrategien“ (2,7) bewertet, am besten die Basiskompetenz „Aufbau und Auf-rechterhalten einer therapeutischen Be-ziehung“ (5,2).

Derartige Analysen lassen sich auch auf der Individualebene machen und als Grundlage für die Supervision nut-zen. Die Häufigkeiten, mit der 2 Thera-peuten Interventionen aus den verschie-denen Oberkategorien zur Anwendung bringen, sind in .Abb. 1 dargestellt. Es wurden jeweils 8 Sitzungen ausgewertet. Therapeut A nutzt das gesamte Spektrum der Methoden und arbeitet in nahezu al-len Stunden mit Mikroverhaltensanalysen und Hausaufgaben. Er ist daher als Ver-haltenstherapeut im engeren Sinn anzu-sehen. Therapeut B hingegen ist eher bi-ografisch orientiert und fokussiert auf die Besprechung von Kognitionen. Von In-teresse ist, dass Therapeut B zwar auch in etwa der Hälfte der Sitzungen Hausauf-gaben erteilt, Hausaufgaben aber selten nachbespricht.

Unterschiede zwischen beiden Thera-peuten zeigen sich auch in der Qualität der Umsetzung der verhaltenstherapeu-tischen Interventionen. Therapeut A er-füllt die technischen Anforderungen zu einem deutlich höheren Grad als Thera-peut B. Dies gilt insbesondere auch für die Kategorien Makroanalyse/biografische Arbeit und Arbeit an Kognitionen, die nach der Quantität die Domäne von The-rapeut B sind. Es legt den Schluss nahe, dass Therapeut B weniger gut Verhaltens-therapie umzusetzen vermag; dies spie-gelt sich auch im Durchschnittswert und in der Globalbeurteilung wider. Statt Ver-haltenstherapie auszuüben, redet Thera-peut B offenbar eher unspezifisch über Er-lebnisse aus der Vergangenheit und darü-ber, was der Patient so denkt. Therapeut B kann also noch wesentliche verhaltensthe-rapeutische Kompetenzen optimieren.

Tab. 2  Prozentuale Angaben über den Einsatz von verhaltenstherapeutischen Basis-kompetenzen Prätraining, beurteilt durch externe Rater/Beobachter anhand von Ton-bandaufnahmen (Quantität)

  Kategorien verhaltenstherapeutischer Basiskompetenzen n Ja (Anteil in %)

A Hausaufgaben nachbesprochen 76 34,2

B Mikroverhaltensanalyse 77 36,4

C Makroverhaltensanalyse 77 19,5

D Problemlösestrategien 77 19,5

E Arbeit an Kognitionen 77 41,6

F Selbstmanagementstrategien 77 37,7

G Hausaufgaben vorbereiten 77 71,4Kategorien verhaltenstherapeutischer Basiskompetenzen einzelne Basiskompetenzkategorien des VTKC wurden vom externen Beobachter beurteilt: 1: Basiskompetenz ist vorhanden, 0: Basiskompetenz ist nicht vorhanden. n Anzahl der durch externe Beobachter beurteilten Tonbänder zum Zeitpunkt Prätraining. Ja (An-teil in %) prozentuale Angaben über das Vorhandensein (Basiskompetenz: 1) der verhaltenstherapeutischen Basiskompetenz.

Tab. 3  Durchschnittswerte der Kategorien A–K und des VTKC-Gesamtwerts Prätraining

Kategorie n Mini-mum

Maxi-mum

Mittel-wert

SD

A Hausaufgaben nachbesprechen 25 1,0 6,3 3,5 1,5

B Mikroverhaltensanalyse 28 1,3 6,0 3,5 1,1

C Makroverhaltensanalyse 15 1,7 6,3 3,5 1,5

D Problemlösestrategien 15 1,7 3,9 2,7 0,5

E Arbeit an Kognitionen 33 1,0 6,0 3,2 1,2

F Selbstmanagementstrategien 29 1,9 4,6 2,9 0,7

G Hausaufgabenplanung 54 1,8 5,0 3,0 0,9

H Arbeitsbündnis 77 1,4 5,7 3,5 1,0

I Strukturierung 77 1,5 5,8 2,9 0,9

J Therapeutische Beziehung 77 2,3 7,0 5,2 1,1

K Verhaltenstherapeutische Kompetenzbewertung 77 1,5 7,0 4,0 1,4

VTKC-Gesamt 77 2,1 5,1 3,4 0,6Zusätzlich sind die Kategoriesummenwerte angegeben (Qualität). VTKC Verhaltenstherapie-Kompetenz-Checkliste.Kategorie Items pro Basiskompetenzkategorien des VTKC wurden vom externen Beobachter in ihrer Qualität auf einer Skala von 1–7 beurteilt beurteilt (1: trifft überhaupt nicht zu, 2: trifft kaum zu, 3: trifft etwas zu, 4: trifft teilweise zu, 5: trifft überwiegend zu, 6: trifft größtenteils zu, 7: trifft vollkommen zu). n Anzahl der beurteilten Basiskompetenzkategorien des VTKC, Basiskompetenzkategorie A–G wurden nur dann qualitativ beurteilt, wenn die verhaltenstherapeutische Basiskompetenz als vorhanden klassifiziert wurde. Minimum kleinster Wert aller Itemwerte einer Basiskompetenzkategorie. Maximum größter Wert aller Itemwerte einer Basiskompetenzka-tegorie. Mittelwert Mittelwert aller Itemwerte einer Basiskompetenzkategorie. SD Standardabweichung aller Itemwerte einer Basiskompetenzkategorie.

482 |  Psychotherapeut 6 · 2010

Schwerpunkt: Supervision - Originalie

Page 7: Verhaltenstherapie-Kompetenz-Checkliste

Interessant ist die Beurteilung der Hausaufgaben. Beide Therapeuten erhal-ten sowohl hinsichtlich der Hausaufga-benplanung und -nachbesprechung nur einen mittleren bis geringen Wert. Di-es lässt darauf schließen, dass die Thera-peuten den Patienten zwar immer wieder Aufträge erteilten, sie dies jedoch tech-nisch nicht präzise umsetzen. Eine pro-fessionell gestellte Hausaufgabe verlangt nach Wunschel u. Linden (2009), dass1. Sinn und Zweck der Aufgaben vom

Patienten erfasst werden,2. Vorschläge des Patienten berücksich-

tigt werden,3. eine exakte Planung darüber erfolgt,

was, wann, wie und wie oft zu tun ist,4. Überforderungen vermieden werden,5. Alternativen zur Auswahl gestellt

werden, ggf. mit Hierarchiebildung,6. benötigte Materialien vom Thera-

peuten ausgehändigt oder mit dem Patienten erstellt werden,

7. der experimentelle Charakter der Hausaufgabe betont wird,

8. mögliche Probleme antizipiert und deren Bewältigungsmöglichkeiten be-sprochen werden,

9. der Patient für seine Bereitschaft, ein-mal etwas zu versuchen, ermutigt und verstärkt wird,

10. Kontingenzen (z. B. Selbstverstär-kung) festgelegt werden,

11. die Erfahrungen mit der Hausaufga-be in der nächsten Stunde ausführlich besprochen werden,

12. aus den Erfahrungen die neue Haus-aufgabe abgeleitet wird sowie

13. Aufzeichnungen und Notizen zur Hausaufgabe durch Therapeut oder Patient archiviert werden.

Werden diese technischen Elemente nicht umgesetzt, besteht die Gefahr, dass der Patient nicht weiß, worum es geht, was er machen soll, möglicher-weise therapeutisch kontraproduktive Dinge tut oder Enttäuschungen erlei-det. Ein Durchschnittswert in der Beur-teilung der Qualität der Umsetzung der verhaltenstherapeutischen Basiskompe-tenz von 3–4 besagt, dass die technische Präzision fehlte, also Aufgaben vermut-lich in Form von Aufforderungen, nicht jedoch wie oben beschrieben, technisch korrekt gestellt wurden.

Schlussfolgerungen

Psychotherapie ist das, was ein Therapeut tut, nicht das, was er intendiert, und auch nicht das, was ein Patient tut. In der Kom-petenzerfassung, Qualitätssicherung und Supervision muss daher das Therapeuten-verhalten und nicht der Patient im Mittel-punkt stehen. Voraussetzung ist ein präzi-ses technisches Verständnis darüber, was

korrektes Therapeutenverhalten ist und was nicht. Die VTKC definiert Qualitäts-standards für kognitive Verhaltensthera-pie. Sie erlaubt die Beschreibung der Pro-zessqualität psychotherapeutischer Be-handlungen. Eine sehr verhaltensnahe Operationalisierung von verhaltensthera-peutischen Interventionen, wie sie in der VTKC vorgegeben wird, kann als Trai-nings- und Schulungsgrundlage in der

0 20 40 60 80 100

Hausaufgabenbesprechung

Mikroanalyse

Makroanalyse

Pröblemlösen

Kognitionen

Selbstmanagement

Hausaufgabenplanung

Mittel aller Therapeuten Therapeut A Therapeut B

Abb. 1 8 Vergleich von 2 Therapeuten bezüglich der bevorzugt eingesetzten verhaltenstherapeu-tischen Interventionen (Quantität)

1 2 3 4 5 6 7

Hausaufgabenbesprechung

Mikroanalyse

Makroanalyse

Pröblemlösen

Kognitionen

Selbstmanagement

Hausaufgabenplanung

Arbeitsbündnis

Stundenstuktur

Arbeitsbündnis

Globalbewertung

Mittel aller Therapeuten Therapeut A Therapeut B

Abb. 2 8 Güte der Umsetzung verhaltenstherapeutischer Interventionen, Vergleich von 2 Thera-peuten (Qualität)

483Psychotherapeut 6 · 2010  | 

Page 8: Verhaltenstherapie-Kompetenz-Checkliste

Aus- und Weiterbildung sowie Supervisi-on von Psychotherapeuten Verwendung finden. In den Items finden sich klare Ver-haltensanweisungen für die Umsetzung verschiedener verhaltenstherapeutischer Basiskompetenzen. So kann nicht nur überprüft werden, wie häufig verschie-dene verhaltenstherapeutische Basiskom-petenzen eingesetzt werden (Quantität), sondern auch, welche Basiskompetenzen qualitativ eher gut und welche eher weni-ger gut umgesetzt werden (Qualität).

Die vorgenannten Beispiele der bio-grafisch-kognitiven Orientierung oder der Erstellung von Hausaufgaben zeigen, wie sich fachkundige Psychotherapie von wohlmeinendem gutem Zureden unter-scheidet. Therapeut A und Therapeut B hatten ein vergleichsweise gutes Arbeits-bündnis mit dem Patienten. Daraus lässt sich ableiten, dass in beiden Fällen Thera-peut und Patient der subjektiven Annah-me sein können, dass eine gute, weil sub-jektiv „zufriedenstellende“ Psychothera-pie durchgeführt wird. Erst die Analyse der Details des therapeutischen Vorgehens zeigt, dass davon bei Therapeut B nicht die Rede sein kann. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass Thera-peut B durch „learning by doing“ jemals ein professionelleres Therapeutenverhal-ten erwerben könnte. Hier gilt die Regel der Golfspieler: „Not practice makes per-fect, perfect practice makes perfect!“ Die vorliegenden Daten zeigen, dass es ver-gleichsweise einfach ist, bei kooperativen Patienten eine gute therapeutische Bezie-hung aufzubauen (Langhoff et al. 2008). Sehr viel schwerer ist es offenbar jedoch, dem Therapeuten andere Basistechniken zu vermitteln, sodass er diese sachgerecht anwendet, um dem Patienten Problem-lösefertigkeiten zu vermitteln, Probe-handlungen bzw. Hausaufgaben zu planen oder Kognitionen zu erfassen und zu mo-difizieren. Je nach individuellem Kompe-tenzprofil des Therapeuten kann sich ein Training auf die Fertigkeiten beziehen, in denen die größten Schwierigkeiten beste-hen. Basisfertigkeiten, die bereits präzi-se beherrscht werden, können ausgespart werden, was die Effektivität von Supervi-sion steigert.

Fazit für die Praxis

Die VTKC kann helfen, in der Therapeu- tenausbildung, Supervision und Inter-vision technisch präzisierend zu wirken. Sie kann mit diesem Ziel auch zur Selbst-kontrolle herangezogen werden, nach Art einer Checkliste die nach dem En-de einer Therapiesitzung durch den The-rapeuten selbst ausgefüllt wird. Dies er-möglicht eine kontinuierliche und ver-gleichsweise wenig aufwendige Quali-tätssicherung in der Psychotherapie. Ins-besondere bei der Selbstüberprüfung eines Therapeuten, aber auch in der Su-pervision, kann die zusätzliche Patien-tensicht ein hilfreiches Korrektiv sein.  Dies wird dadurch ermöglicht, dass es neben der Therapeuten- bzw. Supervisi-onsversion auch eine Patientenversion der VTKC gibt. Diskrepanzen in den Pa-tientenfeststellungen im Vergleich zur Selbstwahrnehmung können wichtige Hinweise für den Therapeuten sowohl für eine Behandlungsoptimierung als auch Problemklärung mit dem Patienten sein.

KorrespondenzadresseProf. Dr. Michael LindenAbteilung Verhaltenstherapie und  Psychosomatik, Rehabilitationszentrum Seehof der Deutschen Rentenversicherung BundLichterfelder Allee 55, 14513 [email protected]

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor  weist auf folgende Beziehung/en hin: Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie, Leiter einer Abteilung für Verhaltenstherapie der Deutschen  Rentenversicherung Bund.

Literatur

Asendorpf J, Wallbott HG (1979) Maße der Beobachter- übereinstimmung: ein systematischer Vergleich.  Z Sozialpsychol 10:243–252

Beck JS (1999) Praxis der Kognitiven Therapie. Beltz, Weinheim

Beutler LE, Malik M, Alimohamed S et al (2003) The-rapist variables. In: Lambert MJ (Hrsg) Bergin and Garfield’s handbook of psychotherapy and behavi-or change, 5. Aufl. Wiley, New York

Düsch E (2003) Ziele und Instrumente der Qualitäts- sicherung in der ambulanten Psychotherapie. Ver-haltensther Psychosoz Prax 35:333–346

Fydrich T, Nagel A, Lutz W, Richter R (2003) Qualitäts-monitoring in der ambulanten Psychotherapie: Modellprojekt der Techniker Krankenkasse. Verhal-tenstherapie 13:291–295

Grawe K, Braun U (1994) Qualitätskontrolle in der  Psychotherapiepraxis. Z Psychol 23:242–267

Hausch T, Novak H, Poggenpohl C, Scholz OB (1999) Dokumentation der therapeutischen Sitzungen als Möglichkeit der Qualitätssicherung und Weiterbil-dung. Verhaltenstherapie 9:38–43

Kanfer FH, Reinecker H, Schmelzer D (1999) Selbstma-nagement-Therapie. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokio

Laireiter AR (1998) Qualitätssicherung der psychothe-rapeutischen Praxis: Möglichkeiten für Psychothe-rapeuten. Verhaltensther Verhaltensmed 19:9–38

Laireiter AR, Willutzki U (2005) Ausbildung in der Ver-haltenstherapie. Hogrefe, Göttingen

Langhoff C, Bär T, Zubrägel D, Linden M (2008) Thera-pist-patient, patient-therapist, mutual therapeutic alliance, therapist-patient-concordance, and out-come of CBT in GAD. J Cogn Psychother 22:68–79

Linden M, Hautzinger M (2009) Verhaltenstherapiema-nual. Springer, Berlin Heidelberg New York Tokio

Linden M, Baumann K, Schippan B (2006) Weisheits-therapie. Kognitive Therapie der Posttrauma-tischen Verbitterungsstörung. In: Maerker A, Ros-ner R (Hrsg) Psychotherapie der posttrauma-tischen Belastungsstörungen. Thieme, Stuttgart

Linden M, Müller C, Milew D (2007a) Das Mehrebenen-Modell psychotherapeutischer Kompetenz. Verhal-tenstherapie 17:52–59

Linden M, Langhoff C, Rotter M (2007b) Definition, operationalization, and quality assurance of psy-chotherapy. An investigation with the behaviour therapy-competence-checklist (BTCC). Psychiatr Danub 19:308–316

Pohl U, Richter H, Bohus M (2000) Neuere Entwicklun-gen zur systematischen Überprüfung des thera-peutischen Vorgehens. Skalen zur Erfassung von adherence und competence. Psychother Psycho-som Med Psychol 50:22–28

Rudolph G (1997) Dokumentation im Dienste von kli-nischer Forschung und Qualitätssicherung.  Psychotherapeut 42:145–155

Scheidt CE (1998) Basisdaten zur Qualitätssicherung in der ambulanten Psychotherapie. Ergebnisse einer Untersuchung in 40 psychotherapeutischen Fach-praxen. Teil 1: Therapeuten, Patienten, Interventi-onen. Psychotherapeut 43:92–101

Scheidt CE (1999) Basisdaten zur Qualitätssicherung in der ambulanten Psychotherapie. Ergebnisse einer Untersuchung in 40 psychotherapeutischen Fach-praxen. Teil 2: Behandlungsverlauf und Behand-lungsergebnisse. Psychotherapeut 44:83–93

Schippan B, Baumann K, Linden M (2004) Weisheits-therapie. Kognitive Therapie der Posttrauma-tischen Verbitterungsstörung. Verhaltenstherapie 14:284–293

Schmidt J, Nübling R, Vogel H (1995) Qualitätssiche-rung in der stationären medizinischen Rehabilitati-on. Verhaltensther Psychosoz Prax 2:245–263

Staats M, Bär T, Linden M (2003) Messinstrumente der Therapeutencompliance in der Verhaltensthera-pie. Verhaltenstherapie 13:62–67

Stangier U, Hoyer J, Kosfelder J, Meyer F (1998) Doku-mentation von Psychotherapiesitzungen. Z Klin Psychol 27:172–176

Wunschel I, Linden M (2009) Hausaufgaben. In: Linden M, Hautzinger M (Hrsg) Verhaltenstherapiemanual.  Springer, Berlin Heidelberg New York Tokio

Zarbock G, Drews M, Bodansky A, Dahme B (2009) The evaluation of supervision: construction of brief questionnaires for the supervisor and the super- visee. Psychother Res 19:194–204

484 |  Psychotherapeut 6 · 2010

Schwerpunkt: Supervision - Originalie