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StV 6 . 2019 I Verirrt im dunklen Netz – wie der Bundesrat das Darknet ȱberkriminalisieren will Am 15.03.2019 hat der Bundesrat einen Gesetzentwurf beschlossen (BR Drs. 33/19), der das Betreiben von Darknet-Handelsplȩtzen unter Strafe stellen soll. Diese Online-Markt- plȩtze werden im Tor-Netzwerk betrieben. Dies stellt sicher, dass sowohl die IP-Adresse der Plattform selbst als auch diejenige der Nutzer verschleiert wird. Gehandelt werden dort alle Arten von illegalen Gȱtern (z.B. Drogen, Waffen, Falschgeld). Wenn Sie sich nun wundern, warum der Betrieb von Drogen- und Waffenhandelsplȩtzen nicht bereits strafbar ist, dann stellen Sie die richtige Frage. Selbstverstȩndlich ist die Er- mȰglichung des Handels von illegalen Gȱtern durch das Zurverfȱgungstellen von notwen- diger Infrastruktur bereits strafrechtlich erfasst. Im praxisrelevanten Fall des Drogenhandels hat die Rechtsprechung das »Handeltreiben« i.S.v. § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG definiert als »je- des eigennȱtzige Bemȱhen, das darauf gerichtet ist, den Umsatz von Betȩubungsmitteln zu ermȰglichen oder zu fȰrdern«, wovon auch die bloße Vermittlung von Geschȩften er- fasst ist. Da die meisten Plattformen ȱber ein Treuhand- und Provisionssystem verfȱgen, liegt die Eigennȱtzigkeit in der Regel auf der Hand. Liegt sie nicht vor, bleibt zumindest § 29 Abs. 1 Nr. 10 BtMG anwendbar, welcher bereits die Ȱffentliche Mitteilung der Gelegenheit zum BtM-Erwerb kriminalisiert. Beim Waffenhandel ist gem. § 52 Abs. 1 Nr. 1 Nr. 2 lit. c WaffG i.V.m. Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 9 ebenfalls bereits die Vermittlung strafbar. In Deliktsbereichen mit engeren Voraussetzungen liegt zumindest Beihilfe vor. Hier wird nun behauptet, oftmals sei der Vorsatz bezȱglich der Haupttat nicht nachweisbar. Auch dies ist zweifelhaft. Der BGH lȩsst es fȱr den Vorsatz genȱgen, wenn der Gehilfe dem Tȩter willentlich ein entscheidendes Tatmittel zur Verfȱgung stellt und damit bewusst das Risiko erhȰht, dass durch den Einsatz des Tatmittels eine »typischerweise« gefȰrderte Haupttat verȱbt wird (BGHSt 42, 135 = StV 1997, 411). In welchen Fȩllen des Betriebs einer Darknethandelsplattform diese ȩußerst niederschwelligen Voraussetzungen nicht nach- weisbar sein sollen, erschließt sich nicht. Bisher gelingt die Bestrafung der Plattformbetreiber jedenfalls. So wurde unlȩngst der Be- treiber der Plattform »Deutschland im Deep Web« vom LG Karlsruhe (StV 2019, 400 [in diesem Heft; n.r.]) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Neben zahlreicher (offensichtlich gut nachweisbarer) Beihilfedelikte wurde der Angeklagte auch wegen mehrfacher fahrlȩssiger TȰtung verurteilt, weil mit einer ȱber die Plattform erworbenen Waffe ein Amoklauf verȱbt wurde. Auch wenn die Begrȱndung der Verurteilung wegen fahrlȩssiger TȰtung nicht ȱberzeugt, zeigt sie, dass die Gerichte zur Aburteilung entspre- chender Fȩlle nicht auf neue Gesetze angewiesen sind. Das Heilmittel fȱr die fehldiagnostizierte Strafbarkeitslȱcke soll nun ein § 126a StGB-E sein, der das »Anbieten« einer »internetbasierten Leistung, deren Zugang und Erreichbarkeit durch besondere technische Vorkehrungen beschrȩnkt und deren Zweck (...) darauf aus- gerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten im Sinne von Satz 2 [Katalogtaten – d. Verf.] zu ermȰglichen oder zu fȰrdern«, unter Strafe stellt. Die Auslegung dieses Gesetzes wird Freude bereiten. Zum Beispiel ist, angesichts der Tat- sache, dass fȱr den Zugang zum Darknet das Herunterladen des Tor-Browsers und Ermit- teln der «.onion«-Adresse des Marktplatzes mittels Standardsuchmaschine genȱgt, frag- lich, was nicht unter die besonderen technische Vorkehrungen zur Zugangsbeschrȩnkung fallen soll. Akademischer Rat a.Z. Dr. Christian Rȱckert, Erlangen-Nȱrnberg Editorial

Verirrt im dunklen Netz – wie der Bundesrat das Darknet … · 2020. 9. 4. · das Darknet berkriminalisieren will Am 15.03.2019 hat der Bundesrat einen Gesetzentwurf beschlossen

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Page 1: Verirrt im dunklen Netz – wie der Bundesrat das Darknet … · 2020. 9. 4. · das Darknet berkriminalisieren will Am 15.03.2019 hat der Bundesrat einen Gesetzentwurf beschlossen

WKD/StV, 06/2018 #9728 02.05.2019, 13:27 Uhr – sp/vk –S:/3D/wkd/Zeitschriften/StV/2019_06/wkd_stv_2019_06_Roemer.3d [S. 1/8] 2

StV 6 . 2019 I

Verirrt im dunklen Netz – wie der Bundesratdas Darknet �berkriminalisieren will

Am 15.03.2019 hat der Bundesrat einen Gesetzentwurf beschlossen (BR Drs. 33/19), derdas Betreiben von Darknet-Handelspl�tzen unter Strafe stellen soll. Diese Online-Markt-pl�tze werden im Tor-Netzwerk betrieben. Dies stellt sicher, dass sowohl die IP-Adresseder Plattform selbst als auch diejenige der Nutzer verschleiert wird. Gehandelt werden dortalle Arten von illegalen G�tern (z.B. Drogen, Waffen, Falschgeld).

Wenn Sie sich nun wundern, warum der Betrieb von Drogen- und Waffenhandelspl�tzennicht bereits strafbar ist, dann stellen Sie die richtige Frage. Selbstverst�ndlich ist die Er-m�glichung des Handels von illegalen G�tern durch das Zurverf�gungstellen von notwen-diger Infrastruktur bereits strafrechtlich erfasst. Im praxisrelevanten Fall des Drogenhandelshat die Rechtsprechung das »Handeltreiben« i.S.v. § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG definiert als »je-des eigenn�tzige Bem�hen, das darauf gerichtet ist, den Umsatz von Bet�ubungsmittelnzu erm�glichen oder zu f�rdern«, wovon auch die bloße Vermittlung von Gesch�ften er-fasst ist. Da die meisten Plattformen �ber ein Treuhand- und Provisionssystem verf�gen,liegt die Eigenn�tzigkeit in der Regel auf der Hand. Liegt sie nicht vor, bleibt zumindest § 29Abs. 1 Nr. 10 BtMG anwendbar, welcher bereits die �ffentliche Mitteilung der Gelegenheitzum BtM-Erwerb kriminalisiert. Beim Waffenhandel ist gem. § 52 Abs. 1 Nr. 1 Nr. 2 lit. cWaffG i.V.m. Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 9 ebenfalls bereits die Vermittlung strafbar.

In Deliktsbereichen mit engeren Voraussetzungen liegt zumindest Beihilfe vor. Hier wirdnun behauptet, oftmals sei der Vorsatz bez�glich der Haupttat nicht nachweisbar. Auchdies ist zweifelhaft. Der BGH l�sst es f�r den Vorsatz gen�gen, wenn der Gehilfe dem T�terwillentlich ein entscheidendes Tatmittel zur Verf�gung stellt und damit bewusst das Risikoerh�ht, dass durch den Einsatz des Tatmittels eine »typischerweise« gef�rderte Haupttatver�bt wird (BGHSt 42, 135 = StV 1997, 411). In welchen F�llen des Betriebs einerDarknethandelsplattform diese �ußerst niederschwelligen Voraussetzungen nicht nach-weisbar sein sollen, erschließt sich nicht.

Bisher gelingt die Bestrafung der Plattformbetreiber jedenfalls. So wurde unl�ngst der Be-treiber der Plattform »Deutschland im Deep Web« vom LG Karlsruhe (StV 2019, 400 [indiesem Heft; n.r.]) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Neben zahlreicher(offensichtlich gut nachweisbarer) Beihilfedelikte wurde der Angeklagte auch wegenmehrfacher fahrl�ssiger T�tung verurteilt, weil mit einer �ber die Plattform erworbenenWaffe ein Amoklauf ver�bt wurde. Auch wenn die Begr�ndung der Verurteilung wegenfahrl�ssiger T�tung nicht �berzeugt, zeigt sie, dass die Gerichte zur Aburteilung entspre-chender F�lle nicht auf neue Gesetze angewiesen sind.

Das Heilmittel f�r die fehldiagnostizierte Strafbarkeitsl�cke soll nun ein § 126a StGB-E sein,der das »Anbieten« einer »internetbasierten Leistung, deren Zugang und Erreichbarkeitdurch besondere technische Vorkehrungen beschr�nkt und deren Zweck (...) darauf aus-gerichtet ist, die Begehung von rechtswidrigen Taten im Sinne von Satz 2 [Katalogtaten – d.Verf.] zu erm�glichen oder zu f�rdern«, unter Strafe stellt.

Die Auslegung dieses Gesetzes wird Freude bereiten. Zum Beispiel ist, angesichts der Tat-sache, dass f�r den Zugang zum Darknet das Herunterladen des Tor-Browsers und Ermit-teln der «.onion«-Adresse des Marktplatzes mittels Standardsuchmaschine gen�gt, frag-lich, was nicht unter die besonderen technische Vorkehrungen zur Zugangsbeschr�nkungfallen soll.

Akademischer Rat a.Z. Dr. Christian R�ckert, Erlangen-N�rnberg

Editorial