296

Verlag: Joh. Heinr. Meyer, Braunschweig...Quelle: Hans-Wilhelm Windhorst 10 Lage und Größe rungsbezirke. Die Landkreise unter-scheiden sich hinsichtlich ihrer Größe und Einwohnerzahl

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Herausgegeben von der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung Hannover 1999.

Redaktion: Peter Hoffmann, Winfried Meis, Ekkehard Stüber

Redaktionsschluß: 1. März 1999

Herstellung und Gestaltung: Niedersächsische Landeszentrale für politsche Bildung

Abbildungen:1. Umschlagseite: Kunstmuseum Wolfsburg: Media Mobil, Hannover

Die Nachweise der übrigen Bilder siehe Kapitel „Städte in Niedersachsen – Kurzportraits“.

2. Umschlagseite: Niedersachsenkarte, Quelle: Diercke Österreich, Westermann Schulbuchverlag.

Die Veröffentlichung stellt keine Meinungsäußerung der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung dar. Für die inhaltlichen Aussagen tragen die Autorendie Verantwortung.

Verlag: Joh. Heinr. Meyer, BraunschweigDruck: braunschweig-druck GmbH, Braunschweig

Umweltfreundlich hergestellt auf chlorfrei gebleichtem Papier.

ISBN 3-926701-38-2

Inhalt

Lage und Größe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .5

Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung . . . . . . .11

Geschichte des Landes Niedersachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .31

Bevölkerung und Siedlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .51

Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . .51

Arbeitsmarkt: Erwerbstätigkeit, Arbeitslosigkeit und Qualifikationsstrukturen . . .62

Mundarten und Hochsprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .74

Siedlungsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .81

Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem . . . . . . . . . . . . . . . . .90

Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .103

Energierohstoffe, mineralische Bodenschätze und Torf . . . . . . . . .103

Internationale Verflechtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .113

Verarbeitendes Gewerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .121

Land-, Forst- und Fischwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .134

Handel und dienstleistendes Gewerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .143

Erholung und Fremdenverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .149

Verkehrsinfrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .155

Umwelt, Natur und Landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .164

Politisches System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .178

Verwaltung und Rechtspflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .195

Bildung und Ausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .201

Wissenschaft und Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .209

Kulturelle Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .218

Die Denkmalwelt in Niedersachsen unter architektur- und baugeschichtlichen Aspekten . . . . . . . . . . . . . . .227

Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .238

Städte in Niedersachsen – Kurzporträts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .247

Aurich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .247

Braunschweig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .248

Celle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .249

Göttingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .251

Goslar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .252

Hameln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .254

Hannover . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .256

Hildesheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .258

Lüneburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .259

Oldenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .261

Osnabrück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .262

Salzgitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .264

Stade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .265

Wilhelmshaven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .267

Wolfsburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .268

Statistische und historische Daten Niedersachsens . . . . . . . . . . . . . . . . . .271

Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .285

Verfasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .290

Stichwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .292

Niedersachsens Lage in Europa

Niedersachsen nimmt innerhalbEuropas eine zentrale Lage ein, wieman aus der Abbildung leicht ent-nehmen kann. Nach der Wiederver-

einigung und dem Beitritt Schwe-dens und Finnlands zur EU kommtdieser Lagevorteil immer mehr zurGeltung, seine volle Wirkung wirder dann entfalten können, wenndurch die sich abzeichnende Ost-erweiterung der Europäischen Uni-

Lage und Größe

Quelle: Hans-Wilhelm Windhorst

Die Lage Niedersachsens in Europa

6 Lage und Größe

on auch die östliche und südöstlicheFlanke in den europäischen Binnen-markt einbezogen werden.

Diese Lagegunst spiegelt sich imKreuz zweier Entwicklungsachsenwider. Einmal ist es die von Stock-holm über Kopenhagen, Hamburg,Hannover und Kassel nach Frank-furt gerichtete Nord-Süd-Achse, dieim Oberrheingraben ihre Fortset-zung findet, zum anderen die vonder niederländischen „randstad“(Amsterdam, Rotterdam) ausgehen-de Achse, die dann in einem nördli-chen Zweig über Groningen, Olden-burg und Bremen in die vorgenann-te Nord-Süd-Achse einmündet bzw.in einem Südzweig über Osnabrück,Hannover, Magdeburg, Berlin undFrankfurt/Oder bis nach Warschaureichen wird. Die zentrale LageHannovers in diesem Achsenkreuzist offensichtlich, sie findet ihrenAusdruck in der herausragendenBedeutung der Landeshauptstadtals einem der großen Messezentrender Welt. Aus der Abbildung Die La-ge Niedersachsens in Europa kannman auch entnehmen, dass in ei-nem Kreis mit einem Radius von1.000 km um Hannover die bedeu-tendsten Wirtschaftsregionen Euro-pas gelegen sind. Der kontinuierli-che Ausbau der Verkehrsinfrastruk-tur, der mit den Baumaßnahmen inVorbereitung auf die Weltausstel-lung im Jahre 2000 einen vorläufi-gen Abschluss finden wird, hat dieErreichbarkeit über Schiene, Straße

und den Luftverkehr entscheidendverbessert und sicherlich zur Attrak-tivität der Messen in Hannover bei-getragen.

Diese zentrale Lage hat langeZeit ihre Wirkung nicht entfaltenkönnen, weil bis zur Wiedervereini-gung die Verbindungen nach Ostengekappt waren, die bis zum 2. Welt-krieg eine große wirtschaftlicheBedeutung gehabt hatten. Nahezu550 km lang war die gemeinsameGrenze mit der ehemaligen DDR,nur 2 Eisenbahn- und 3 Straßen-übergänge waren vorhanden. DieLänge dieses Grenzsaumes hat ins-besondere die unmittelbar angren-zenden Landkreise lange Zeit inihrer wirtschaftlichen Entwicklunggehemmt und besondere Förder-programme im sog. „Zonenrand-gebiet“ notwendig gemacht. Nachder Wiedervereinigung haben dieseGebiete durch ihre nun wiederzentrale Lage eine Aufwertung er-fahren.

Die Grenze zu den Niederlanden(189 km) ist zwar deutlich kürzer,doch hat auch hier bis zur Grün-dung der Europäischen Wirtschafts-gemeinschaft (1957) die Grenzlagein Verbindung mit einer ungünsti-gen Naturausstattung (weite Moor-flächen) die wirtschaftliche Entwick-lung beeinträchtigt. Es ist allerdingsunverkennbar, dass die Schaffungdes europäischen Binnenmarktesneue Impulse entlang der Hauptver-kehrsachsen gebracht hat.

Lage und Größe 7

Niedersachsen kommt wegenseiner zentralen Lage in Europa so-wohl die Funktion eines Durch-gangslandes als auch die Rolle einesVerbindungslandes zu. Die Funktiondes Durchgangslandes findet ihrenAusdruck in den großen Verkehrs-achsen, die in jüngster Zeit vorallem in West-Ost-Richtung aus-gebaut werden und damit den oben genannten Entwicklungsach-sen Rechnung tragen. Als Verbin-dungsland fungiert es zwischen denskandinavischen Staaten und Mit-tel- bzw. Südeuropa einerseits bzw.Ost- und Westeuropa andererseits.Die wachsende Bedeutung desDienstleistungssektors (Handels-und Speditionsunternehmen) unddie Ansiedlung neuer Industrieun-ternehmen spiegeln diese Rolle wi-der. Von großer Bedeutung in die-sem Zusammenhang sind auch dieLage an der Nordsee und die Nähezu den Welthäfen in Bremen undHamburg, die durch die niedersäch-sischen Häfen an der Ems, dem Ja-debusen und der Unterweser einewichtige Ergänzung finden. DerAustausch von Handelsgütern aufdem Wasserwege wird angesichtsder zunehmenden Globalisierungder Wirtschaft eine noch größereBedeutung erlangen und damit dieVermittlerfunktion Niedersachsensweiter stärken.

Unverkennbar ist, dass Nieder-sachsen aus einer Nachkriegssituati-on, die durch eine Einengung zwi-

schen der Außengrenze zu den Nie-derlanden und der Grenze zur ehe-maligen DDR gekennzeichnet war,in eine günstige Zentrallage in einersich ausweitenden EuropäischenUnion mit einem einheitlichen Bin-nenmarkt gelangt ist, die nicht oh-ne Einfluss auf die zukünftige wirt-schaftliche Entwicklung bleibendürfte.

Niedersachsens Lage in Deutschland

Niedersachsen nimmt nach Bay-ern den zweiten Rang bezüglich derFlächengröße unter den deutschenBundesländern ein. Mit nahezu47.611 km2 ist das Bundeslandgrößer als Belgien, Dänemark oderdie Niederlande. Hinsichtlich derEinwohnerzahl nimmt es mit mehrals 7,8 Mill. Einwohnern den viertenRangplatz ein, wobei die Abständezu Nordrhein-Westfalen, Bayernund Baden-Württemberg allerdingsbeträchtlich sind.

Die Bevölkerung ist innerhalbNiedersachsens sehr ungleichmäßigverteilt. Dem bevölkerungsreichenSüdosten stehen die weniger dichtbesiedelten Landesteile im Norwe-sten und Nordosten gegenüber, dieallerdings durch die beiden Bundes-länder Bremen und Hamburg zweiOberzentren aufweisen, die eineAusstrahlung auf die angrenzendenniedersächsischen Landkreise aus-üben.

8 Lage und Größe

Niedersachsens Stellung im Rahmen der deutschen Bundesländerhinsichtlich der Flächengröße und Einwohnerzahl (Stand 1996)

Quelle. Statistisches Bundesamt

Bundesland Fläche (km2) Bundesland Einwohner

Bayern 70.550,9 Nordrhein-Westfalen 17.947.714

Niedersachsen 47.610,6 Bayern 12.043.869

Baden-Württemberg 35.752,5 Baden-Württemberg 10.374.505

Nordrhein-Westfalen 34.077,7 Niedersachsen 7.815.148

Brandenburg 29.478,7 Hessen 6.027.284

Mecklenburg-Vorpommern 23.170,4 Sachsen 4.545.702

Hessen 21.114,5 Rheinland-Pfalz 4.000.567

Sachsen-Anhalt 20.446,0 Berlin 3.458.763

Rheinland-Pfalz 19.846,5 Schleswig-Holstein 2.742.293

Sachsen 18.412,7 Sachsen-Anhalt 2.723.620

Thüringen 16.171,1 Brandenburg 2.554.441

Schleswig-Holstein 15.770,5 Thüringen 2.491.119

Saarland 2.579,2 Mecklenburg-Vorpommern 1.817.196

Berlin 890,8 Hamburg 1.707.986

Hamburg 755,2 Saarland 1.084.184

Bremen 404,2 Bremen 677.770

Deutschland 357.022,3 Deutschland 82.012.162

deutschen Tiefland auf und steht indeutlichem Kontrast zu den weit-gespannten Niederungszonen, dievon den Niederlanden bis nachOsteuropa reichen. Herrschen hierAblagerungen des Pleistozäns unddes Holzäns vor, also erdgeschicht-lich junge Sedimente, sind die Ge-steine des Mittelgebirgsraumesweitaus älter, z. T. reichen sie bis indas Erdaltertum zurück. Jüngsten

Vielgestaltig ist die Landesnatur,reicht Niedersachsen doch vom Küs-tensaum an der Nordsee mit denvorgelagerten Inseln über die Mar-schen und die glazial geprägtenGrund- und Endmoränengebiete bis in das Mittelgebirge hinein. Dienördlichen Teile dieser breitenSchwelle, die nahezu die gesamteMitte Deutschlands einnimmt,taucht recht abrupt aus dem nord-

Lage und Größe 9

Formungsprozessen an der natür-lichen Grenze der Nordseeküste, diedurch den Deichbau beeinflusstwerden, stehen morphologischeProzesse im Mittelgebirgsraum ge-genüber, die bis in das Karbonzurückreichen und in den folgen-den geologischen Zeiträumen viel-fach überprägt worden sind. DieseVielfalt ist einzigartig unter dendeutschen Bundesländern und

schafft Räume sehr unterschiedli-cher Eignung für die wirtschaften-den und siedelnden Menschen.

Die administrative Gliederung Niedersachsens

Das Bundesland Niedersachsen istadministrativ in 38 Landkreise und 9 kreisfreie Städte untergliedert,die Mittelinstanz bilden vier Regie-

Die administrative Gliederung Niedersachsens

Quelle: Hans-Wilhelm Windhorst

10 Lage und Größe

rungsbezirke. Die Landkreise unter-scheiden sich hinsichtlich ihrerGröße und Einwohnerzahl beträcht-lich. So ist der flächengrößte Land-kreis Emsland mit 2.880 km2 etwa300 km2 größer als das Saarland.Und selbst der flächenkleinste Land-kreis Peine ist mit nur 534 km2 noch130 km2 größer als das BundeslandBremen. Der Landkreis Hannoverweist zusammen mit der kreisfreienLandeshauptstadt eine Einwohner-zahl von nahezu 1,1 Mill. Menschenauf, was etwa der Einwohnerzahldes Saarlandes entspricht. DasSchlusslicht unter den Landkreisenbildet Friesland mit weniger als100.000 Bewohnern. Nur etwa halbso groß ist die Einwohnerzahl derkreisfreien Stadt Emden, die damitvon der Einwohnerzahl die kleinsteadministrative Einheit bildet, be-züglich der Flächenausstattung istdies Delmenhorst mit nur 62 km2.

Die vier Regierungsbezirke unter-scheiden sich ebenfalls deutlich hin-sichtlich ihrer Flächengröße und Be-völkerungszahl.

Die beiden nördlichen Regie-rungsbezirke Lüneburg und Weser-Ems stellen 64 % der Landesflächeund 52,2 % der Einwohnerzahl,während auf die beiden südlichenRegierungsbezirke 47,8 % der Be-völkerung und nur 36 % der Flächeentfallen.

Während die Bevölkerungs-verteilung also nahezu ausgegli-chen ist, herrscht ein deutlichesUngleichgewicht bezüglich derFlächenverteilung vor. Der Nordendes Bundeslandes ist bis in dieGegenwart weitaus stärker agrar-wirtschaftlich geprägt und weisteine wesentlich geringere Bevölke-rungsdichte auf als der Süden.

Hans-Wilhelm Windhorst

Flächengröße und Einwohnerzahl der niedersächsischen Regierungsbezirke

Quelle: Niedersächsisches Landesamt für Statistik, Seedorf 1998, S. 91.

Regierungsbezirk Sitz Fläche (km2) Einwohnerzahl (Mill.)

Braunschweig Braunschweig 8.097 1,67

Hannover Hannover 9.048 2,15

Lüneburg Lüneburg 15.498 1,64

Weser-Ems Oldenburg 14.959 2,39

Naturräume und Klima

Niedersachsen hat, wie kein an-deres Bundesland der Bundesrepu-blik Deutschland, Anteil an fünfnaturräumlichen Großlandschaften,die sich hinsichtlich ihrer Entste-hung und ihrer natürlichen Ausstat-tung recht deutlich voneinander un-terscheiden (vgl. Abb. Naturräumein Niedersachsen). Es sind dies incharakteristischer Abfolge von Nor-den nach Süden

– das Küstenland, gegliedert in Watten, Düneninseln undMarschen,

– die Geest mit darin eingelagerten Nieder- undHochmooren,

– die Lössbörden (Bergvorlandzone),

– das Berg- und Hügelland (Mittelgebirgsschwelle) und derHarz als echtes Mittelgebirge.

Das Küstenland, die Geest unddas lössbedeckte Bergvorland wer-den dem Tiefland zugerechnet, daskeineswegs überall Flachland ist, je-doch an keiner Stelle über 200 mMeereshöhe hinausreicht. Das Tief-land nimmt etwa vier Fünftel derLandesfläche ein, sodass Nieder-sachsen zu Recht als das „niedriggelegene Sachsen“ bezeichnet wird.Umso stärker wirkt dadurch der

Kontrast zum Berg- und Hügellandsowie – vor allem – zum Mittelgebir-ge des Harzes, der immerhin aufüber 1.100 m Meereshöhe ansteigt.

In klimatischer Hinsicht sind dieVerhältnisse weniger komplex. Auf-grund seiner geographischen Lagegehört Niedersachsen dem feucht-gemäßigten Westwindgürtel derNordhalbkugel an. Demzufolgewird das Klima durch folgende all-gemeine Züge geprägt: den rhyth-mischen Wechsel von vier ausge-prägten Jahreszeiten, vorherrschen-de Westwinde und den häufigenDurchzug von Tiefdruckgebieten.Von entscheidender klimatischerBedeutung ist darüber hinaus dieNähe zum Meer. Die vorherrschen-den Westwinde transportierenozeanische Luftmassen heran, dieüber dem Meer Feuchtigkeit auf-nehmen und durch die milden Was-sertemperaturen des Golfstroms be-einflusst werden. Infolgedessen be-dingen die ozeanischen Luftmassen,dass es zu allen Jahreszeiten zu Nie-derschlägen kommt und die Winterrelativ mild, die Sommer dagegenrelativ kühl und regnerisch ausfal-len.

Jedoch ist der Einfluss der sichöstlich anschließenden Kontinental-masse nicht ganz zu verkennen. Sowirkt sich von Osten her im Winterdas regelmäßige Auftreten des rus-

Landesnatur – Naturräumliche undlandschaftliche Ausstattung

12 Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung

sischen Kältehochs aus, das wochen-lange Kälte und Schneearmut be-deuten kann. Im Sommer bringentypische Ostwetterlagen Hitze undTrockenheit mit sich.

Über den ganzen Jahreslauf be-trachtet, sind die Westwetterlagenjedoch eindeutig vorherrschend.Die häufigen Tiefdrucklagen sinddabei verantwortlich für den ra-

schen Wechsel der Witterung, derein Charakteristikum ganz Nord-westdeutschlands ist.

Im Folgenden sollen die fünfgroßen naturräumlichen Großland-schaften Niedersachsens im Einzel-nen im Hinblick auf ihre Genese undihr heutiges landschaftliches Er-scheinungsbild überblickartig vor-gestellt werden.

Quelle: Hans-Heinrich Seedorf/ Hans-Heinrich Meyer: Landeskunde Niedersachsen, Neumünster 1992.

Naturräume in Niedersachsen

Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung 13

Das Küstenland

Das niedersächsische Küstenlandgliedert sich in Watten, Dünenin-seln und Marschen. Es erstreckt sichüber eine Länge von etwa 200 kmentlang der Nordseeküste und wirdim Westen vom Dollart mit der Ems-mündung, im Osten von der Elb-mündung begrenzt.

Die Watten stellen den Über-gangsbereich vom Festland zum of-fenen Meer dar. Mit einer durch-schnittlichen Ausdehnung von 5 bis7 km, stellenweise auch bis zu 10und 15 km Breite, nehmen die Wat-ten beträchtliche Flächen ein. Eshandelt sich um ebene, von Wellen-schlag und Strömung geprägteSchlick- und Sandflächen, die zwei-mal täglich im Wechsel der Gezeitenbei Flut überströmt werden und beiEbbe trockenfallen. In den Wattbo-den hat das im regelmäßigen Rhyth-mus auf- und ablaufende Wasserein verzweigtes System von Wasser-läufen eingeschnitten; dies setztsich aus den fein verästelten Prielen,den breiteren Baljen und den See-gats zwischen den Inseln als Durch-gängen zur offenen See zusammen.Während das Schlickwatt in denströmungsärmeren Gebieten vordem Festland sowie auf den Watt-wasserscheiden am weitesten ver-breitet ist, dominiert das Sandwattaufgrund der hier stärkeren Trans-portkraft des Wassers vor allem ent-lang der Baljen. Im Gegensatz zu

allen anderen Landschaftsräumensind die Watten bis heute vom Men-schen nur wenig veränderte natur-nahe Landschaften geblieben. See-wärts wird das Watt zwischen Ems-und Jademündung, 5 bis 20 km vomFestland entfernt, durch die Ketteder sieben bewohnten Ostfriesi-schen Inseln sowie einiger unbe-wohnter Sandplaten begrenzt. DieInseln sind erdgeschichtlich sehrjunge Erscheinungen und verdan-ken ihre Existenz der ständigenZufuhr von Sand durch Wind undGezeitenstrom.

Ihre Entstehung geht auf einSystem von Sandbänken undStrandwällen zurück, auf denenausgedehnte, teilweise über 20 mhohe Dünenareale aufgeweht wur-den, die durch Pflanzenwuchs fest-gehalten werden. Im Verlauf dervergangenen 1.500 bis 2.000 Jahrehaben alle Inseln starke Formverän-derungen erfahren, wobei die mei-sten sukzessive von Westen nachOsten gewandert sind. Die Dünen-landschaft setzt sich aus unter-schiedlich alten Dünenkörpern zu-sammen: Den Beginn der Dünenbil-dung markieren kleine Primärdü-nen, denen sich nach Süden die ho-hen Weißdünen und schließlichGrau- und Braundünen als ältesteDünenformen anschließen. Den Dü-nen seewärts vorgelagert sind brei-te Sandstrände, während zur Watt-seite ausgedehnte Salzwiesen lie-gen; Letztere kommen ebenso auf

14 Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung

Das Wattenmeer mit dem eigent-lichen Watt, den Düneninseln undSalzwiesen vereinigt sehr unter-schiedliche Lebensräume, die in ge-genseitiger Abhängigkeit zueinan-der stehen und insgesamt eine öko-logische Einheit bilden. Weltweit istdieses Ökosystem einzigartig. Vorallem Flora und Fauna stellen einenbesonderen „Schatz“ des Watten-meeres dar, da hier zahlreiche Artenvorkommen, die infolge ihrer Spe-zialisierung auf die besonderen Le-bensbedingungen des Wattenmee-res, insbesondere den ständigenWechsel von Ebbe und Flut und denSalzgehalt des Wassers, anderswonicht lebensfähig wären.

Um diesen besonderen Land-schaftsraum dauerhaft zu schützen,

den festländischen Vordeichs-flächen vor (vgl. Foto Insel Spie-keroog). Die Salzwiesen sind Stand-orte spezieller Pflanzengesellschaf-ten, die sich der episodischen Über-flutung durch das Meer angepassthaben.

Einen anderen Inseltyp, ver-gleichbar den nordfriesischen Halli-gen, repräsentiert die eingedeichteMarscheninsel Neuwerk vor Cuxha-ven. Sie ist ein Relikt ehemalsgroßflächiger Marschen in diesemGebiet, die durch die Wirkungschwerer Sturmfluten seit dem Mit-telalter sukzessive zerschlagen wur-den. Seit 1961 gehört Neuwerk,ebenso wie die vorgelagerte Sand-plate Scharhörn, zur Freien undHansestadt Hamburg.

Insel Spiekeroog Foto: Ingo Mose

Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung 15

wurden große Teile der niedersäch-sische Nordseeküste am 1. 1. 1986zum Nationalpark erklärt, nachdemschon ein Jahr zuvor in Schleswig-Holstein ein Wattenmeer-National-park eingerichtet worden war. DerNationalpark NiedersächsischesWattenmeer erstreckt sich über 143km in westöstlicher Richtung undumfasst eine Fläche von insgesamt2.400 km2 (vgl. Abb. Großschutzge-

biete in Niedersachsen). Das Schutz-gebiet ist in drei Zonen unterschied-licher Schutzintensität gegliedert:die Ruhezone (54%), in der diestrengen Bestimmungen des Natur-schutzes Anwendung finden; dieZwischenzone (45%), in der ge-genüber der Ruhezone wenigerstrenge Auflagen gelten; und dieErholungszone (1%), die Freizeitund Tourismus vorbehalten ist. Je-

Quelle: Hans-Heinrich Seedorf/ Hans-Heinrich Meyer: Landeskunde Niedersachsen, Neumünster 1992.

Großschutzgebiete in Niedersachsen

16 Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung

doch vollzieht sich die Entwicklungdes Nationalparks nicht konfliktfrei.Vor allem aus dem Tourismus, deran der Nordseeküste traditionell ei-ne große Rolle spielt, resultieren ei-ne Reihe von Nutzungskonflikten,die den Schutzzielen z. T. entgegen-stehen. Inzwischen wurden ver-schiedene Lösungsansätze realisiert,um diese Probleme zu entschärfen(z. B. Wegegebote, Informations-maßnahmen). Erhebliche Gefähr-dungspotentiale stellen aber auchdie industriellen Nutzungen an derKüste, die Schifffahrt und nicht zu-letzt die Schadstoffeinträge in dasWattenmeer über die Flüsse, dieLuft und das offene Meer dar.

Den wichtigsten Landschaftstypdes Küstenlandes bilden aufgrundihrer fruchtbaren Böden die See-und Flussmarschen. Sie erstreckensich als 3 bis 17 km breite Ebene zwi-schen dem Watt und der Geest. IhreEntstehung verdanken sie der Abla-gerung von Sedimenten aus demMeer, die aus der Nacheiszeit stam-men. Dies drückt sich auch in ihremNamen aus, der mit dem lateini-schen „mare“ = Meer zusammen-hängt. In Niedersachsen wird derMarschensaum lediglich an zweiStellen, bei Dangast am Jadebusenund bei Cuxhaven-Duhnen, unter-brochen; hier stößt die Geest unmit-telbar an das Meer vor und bildetdort ein Kliff. Die Marschen erhe-ben sich kaum über den mittlerenMeeresspiegel, z. T. bleiben sie so-

gar unter NN. Ohne den Schutz derDeiche und ohne künstliche Entwäs-serung würden deshalb große Teileder Marsch ständig überflutet wer-den.

Völlig eben sind die Marschen je-doch nicht. So ist nahezu überall ander Nordseeküste zwischen „Hoch-land“ und „Sietland“ zu unterschei-den, wobei das deichnahe Hochlandder Jungen Marsch in der Regel 2 mhöher liegt als das weiter binnen-wärts gelegene Gebiet der AltenMarsch (Sietland). Die Entstehungvon Hochland und Sietland ist aufUnterschiede der Sedimentationzurückzuführen. So wurden see-wärts größere Sedimente abgela-gert, da hier die Wirkungen vonBrandung, Seegang, Küsten- undGezeitenströmung stärker sind;landwärts dagegen kamen in ruhi-gerem Wasser die Trübstoffe zurAblagerung. Auch war die Mengedes abgelagerten Materials see-wärts viel größer. So kam es zu einerstärkeren Aufhöhung des Küsten-saumes in Form des Hochlandes,während das Sietland so langsamwuchs, dass es an einigen Stellen in-folge Setzung und Verdichtung derSedimente sogar unter den Meeres-spiegel absackte. Besonders an-schaulich lässt sich der Unterschiedzwischen Hoch- und Sietland in But-jadingen nachvollziehen.

Wie kaum ein anderer Land-schaftsraum ist die Marsch durch dieHand der Bauern gestaltet worden.

Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung 17

Neben Deichen und Entwässerungs-gräben zeugen davon auch die Spu-ren zahlreicher Wurten (oder Warf-ten), seit etwa der Zeitenwendekünstlich aufgeworfene Wohnhü-gel, die über mehrere Jahrhunderteüberall entlang der Küste land-schaftsprägend waren und z.T. nochheute erkennbar sind. In Ortsnamenwie Langwarden oder Ruhwarden(in Butjadingen) oder der Bezeich-nung des Landes Wursten wird dieGeschichte der Wurtensiedlungenbis heute dokumentiert. Neben denWurten zeugen auch die zahlrei-chen Landgewinnungsflächen vonder gestaltenden Kraft des Men-schen. Im westlichen Ostfrieslandund im Rheiderland werden diese„Polder“, im östlichen Ostfrieslandund Oldenburg „Groden“ genannt.Große Landgewinnungsflächen lie-gen vor allem im Gebiet des Dollart,der Ley-, Harle-, Maade- und Jade-bucht. Verheerende Sturmflutenhatten hier seit dem Mittelalter im-mer wieder zu dramatischen Land-verlusten geführt, die die Buchten z. T. bis an den Geestrand ausspül-ten. Mithilfe verbesserter Technikenwar es jedoch möglich, große Teiledes verlorenen Landes zurückzuge-winnen. Die jüngsten, höher gele-genen Polder bilden mit ihren nähr-stoffreichen, gut durchlüfteten undwasserdurchlässigen Kleiböden eineausgezeichnete Grundlage für denAckerbau. Inzwischen ist die Land-gewinnung an der Küste jedoch fast

bedeutungslos geworden und spieltallenfalls im Rahmen des Küsten-schutzes noch eine Rolle.

Die Geest

Die Geest bildet einen 100 bis 170km breiten Gürtel zwischen derMarsch im Norden und den Lössbör-den im Süden und nimmt damit dengrößten Teil Niedersachsens ein. DerName Geest bedeutet zweierlei:Zum einen leitet er sich vom nieder-deutschen „güst“ ab, was soviel wie„unfruchtbares Land“ bedeutet;ebenso meint der Name aber auchdas friesische „gast“ als Bezeich-nung für hochgelegenes Land. Inbeiden Fällen handelt es sich umTeile des Altmoränengebietes, dievor mindestens 180.000 Jahrendurch das nordische Inlandeis undseine Schmelzwässer geschaffenwurden und seither einem andau-ernden Prozess der Umformung un-terliegen.

Die niedersächsische Geest ist dasAufschüttungsgebiet von zwei Eis-zeiten, der Elstervereisung (vor et-wa 350.000 Jahren) und der Saale-vereisung (vor etwa 235.000 Jahren)(vgl. Abb. Quartäre Haupteisrand-lagen in Nordwestdeutschland).Während beider Vereisungen er-reichte das Eis in etwa die Mittelge-birgsschwelle und verfrachtete inmehreren Vorstößen (Stadien bzw.Phasen) große Mengen von Fein-schutt und Blöcken aus Skandina-

18 Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung

vien in diesen Raum.Dabei entstanden je-weils in charakteristi-scher Weise sog. Gla-ziale Serien, die sichaus vier Elementen zu-sammensetzen: derGrundmoräne, die auslehmigen Böden undgroßen Steinen (Find-linge) besteht; End-moränen, in denenüberwiegend Sandund Kies zu kleinenHöhenzügen aufge-schüttet wurden (z. B.der Wilseder Berg miteiner Höhe von 169m); Sander, die alsweite Sandflächenvon den Schmelzwäs-sern vor den End-moränen ausgebreitetwurden; und Urstrom-täler, in denen sich dieSchmelzwässer sam-melten und zum Meerabflossen (vgl. Abb.Schematisches Querprofil durcheine „Glaziale Serie“ im norddeut-schen Tiefland).

Trotz der lange zurückliegendenEntstehungszeit bestimmen die Gla-zialen Serien bis in die Gegenwartdas abwechslungsreiche, leicht hü-gelige Landschaftsbild der Geest.Auf den Grundmoränenflächen be-finden sich heute die meisten Acker-gebiete. Die Endmoränenzüge, die

auch als „Hohe Geest“ bezeichnetwerden, ragen als mehr oder weni-ger markante Höhenrücken ausihrer Umgebung auf und sind weit-hin mit Kiefern-, seltener mit Bu-chenwäldern bestanden. Hümm-ling, Dammer Berge, FürstenauerBerge und Harburger Berge sindcharakteristische Beispiele für sol-che Endmoränenzüge. Die Sandersind wegen ihrer geringwertigen

Quelle: Hans-Heinrich Seedorf/ Hans-Heinrich Meyer: Landeskunde Niedersachsen, Neumünster 1992.

Quartäre Haupteisrandlagen in Nordwestdeutschland

Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung 19

Böden meist ebenfalls von Kiefern-forsten bewachsen. Zumeist gehendiese auf Aufforstungen aus dem18. und 19. Jahrhundert zurück.

Neben den charakteristischenElementen der Glazialen Serie be-stimmen weitere eis- und nacheis-zeitliche Formen das Landschafts-bild der Geest. Hierzu gehören dieweiten Talsandflächen, die währendder Weichsel-Kaltzeit von den Tief-

landflüssen – vor allem Ems, Weser,Aller und Elbe -aufgeschwemmtwurden. Ausgedehnte Talsand-flächen finden sich im Emsland, imArtland, in der Dümmer-Niederung,in der Teufelsmoor-Wümme-Nie-derung und in der Aller-Niede-rung. Letztere ist mit Abstand diegrößte unter den Schwemmebenen.Ihre Entstehung verdankt sie demweichselzeitlichen Flusssystem der

Aller, das mit einerBreite von bis zu 25 kmdas größte Flusssystemim niedersächsischenTiefland war, wennman vom Urstromtalder Elbe einmal ab-sieht.

Im eisfreien Vorlandder ehemaligen Ver-gletscherungen stelltvor allem die Ober-flächenformung durchden Wind einen wei-teren landschaftsprä-genden Faktor dar.Alle Kaltzeiten warenPerioden intensiverWindwirkung. So wur-de aus den Moränenund Schmelzwasserab-lagungen das feinsteMaterial ausgewehtund an anderer Stellezu Dünen oder Flug-sanddecken aufge-weht. Solche Dünenund Flugsanddecken

Quelle: Hans-Heinrich Seedorf/ Hans-Heinrich Meyer: Landeskunde Niedersachsen, Neumünster 1992.

Schematisches Querprofil durch eine „Glaziale Serie“ im norddeutschen Tiefland

20 Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung

sind auf der niedersächsischen Ge-est weit verbreitet. Sie könnenHöhen von bis zu 10 m erreichen.Charakteristische Beispiele findensich vor allem auf der östlichen Tal-seite vieler Flüsse, z. B. von Ems,Hunte, Weser und Aller, aber auchim Hümmling und in der Lünebur-ger Heide kommen entsprechendeFormen vor.

In der Nacheiszeit haben die Tälerder Flüsse die stärksten morphologi-schen Veränderungen erfahren.Durch die geringer werdendenSchutt- und Sandmassen, die durchdas Wasser in die Täler eingebrachtwurden, setzte eine Phase der fort-schreitenden Tiefenerosion ein. Da-bei gruben sich die großen Flüsse inForm zahlreicher Flussarme immertiefer und tiefer in die Schotter-flächen ein, wobei es zur Ausbil-dung zahlreicher Flussschwingen,sog. Mäander, als charakteristi-schem Element der Talaue kam.Ständige Verlagerungen der Fluss-arme, Laufverkürzungen, die Aus-bildung von abgeschnittenen „Alt-armen“ oder das Trockenfallen alterMäanderschlingen kennzeichnetendas dynamische Geschehen in derTalaue. Infolge von Kanalisierun-gen, Deichbauten und der Errich-tung anderer moderner Wasserbau-werke lassen sich derartige Vorgän-ge heute mehr oder weniger nurnoch an kleinen Flüssen beobach-ten. Reich an Mäandern und Alt-wässern sind u. a. der Emslauf von

Rheine bis Papenburg, das Tal derMittelweser von Stolzenau bis Bre-men und das Allertal. Im Rahmenmodellhafter Projektvorhaben wer-den derzeit Teilabschnitte des Hun-te- und des Hasetales zu natur-nahen Flussläufen zurückgebaut.Eine der letzten großen natur-nahen Flusslandschaften nicht nurDeutschlands, sondern ganz Euro-pas stellt heute die Elbtalauesüdöstlich von Hamburg dar. Um diewertvolle Flusslandschaft auch fürzukünftige Generationen zu be-wahren, hat die niedersächsischeLandesregierung 1998 ein 10.900 hagroßes Teilstück zwischen Radegats(Landkreis Lüchow-Dannenberg)und Schnackenburg (Landkreis Lü-neburg) zum Nationalpark erklärt,der im Februar 1999 gerichtlich auf-gehoben wurde (vgl. Kapitel Um-welt, Natur und Landschaft). DasSchutzgebiet ist ein Teil desgroßräumigen BiosphärenreservatsFlusslandschaft Elbetal mit Flächen-anteilen in den Ländern Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsenund Sachsen-Anhalt (vgl. Abb.Großschutzgebiete in Niedersach-sen).

Anders als in den meisten übri-gen Gebieten der Geest befindensich in der Lüneburger Heide heutenoch ausgedehntere Heidekomple-xe, wie sie früher für große Teileganz Nordwestdeutschlands land-schaftsprägend waren. Die Heide isteine typische Kulturlandschaft, die

Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung 21

sich infolge der Vernichtung des ur-sprünglichen Waldes durch Brand-rodung und Waldweide entwickelnkonnte und mit der sog. Heidebau-ernwirtschaft auf der Basis vonSchafhaltung, Plaggenhieb, Heide-brennen und Bienenhaltung um1750 ihre größte Ausdehnung er-reichte. Ab dem 19. Jahrhundertverlor diese Wirtschaftsweise jedochrapide an Bedeutung und wurdendie Heiden mithilfe neuer agrar-technischer Errungenschaften (Tief-pflug, Mineraldünger) sukzessivefür Ackerbau und Grünlandwirt-schaft erschlossen.

Die Erhaltung der Heidegebiete,die heute noch in der LüneburgerHeide vorhanden sind, verdankt sichden Bemühungen des Natur-

schutzes, der angesichts der tief-greifenden Landschaftsveränderun-gen schon um die Jahrhundertwen-de versuchte, die bis dahin noch er-haltenen Restflächen der Heide als„Kulturdenkmal“ zu retten. Im Jah-re 1910 erwarb der Verein Natur-schutzpark auf Initiative des PastorsWilhelm Bode mehrere Heide-flächen im Gebiet des Wilseder Ber-ges. Sie bildeten den Ausgangs-punkt für einen dauerhaften Schutzder Heide, die 1921 in der Einrich-tung eines Naturschutzgebietes gip-felten. Heute umfasst das Schutzge-biet eine Fläche von 19.740 ha, vondenen allerdings nur noch 22% Hei-deflächen sind (vgl. Foto Lünebur-ger Heide). Diese müssen dauerhaftdurch Schafbeweidung und andere

Lüneburger Heide Foto: Ingo Mose

22 Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung

Maßnahmen gepflegt werden, umdie natürliche Wiederbewaldung zuverhindern. Das Naturschutzgebietist seit 1956 zugleich als Naturparkausgewiesen und gilt als eines deram meisten frequentierten Naher-holungs- und Ausflugsziele Nord-deutschlands. In der offiziellen Be-zeichnung „Naturschutzpark Lüne-burger Heide“ kommt die Sonder-stellung dieses Gebietes unter denübrigen Naturparken Niedersach-sens zum Ausdruck, die allenfalls inkleinen Teilen unter Naturschutzstehen (s. Abb. Großschutzgebietein Niedersachsen).

Voraussetzung für die heute aufder Geest dominierende landwirt-schaftliche Nutzung der an sich un-fruchtbaren, überwiegend sandigenBöden, sei es die Umwandlung zuGrünland oder zu Ackerflächen,war, wie erwähnt, die Entwicklungneuer Agrartechniken und, vor al-lem, die Einführung des Kunstdün-gers. Galt die Geest über Jahrhun-derte als ausgesprochen armesLand, so zählt sie damit heute zuden größten Überschussgebieten anagrarischen Produkten. In besonde-rer Weise gilt dies für das Oldenbur-gische Münsterland, das sich seitden 60er-Jahren zu einem der größ-ten und leistungsstärksten Zentrender Veredlungswirtschaft nicht nurin Deutschland, sondern in derganzen Europäischen Union ent-wickelt hat. Allerdings war die Ent-wicklung der Intensivlandwirtschaft

mit erheblichen ökologischen Kon-flikten verbunden. In diesem Zu-sammenhang ist vor allem die Belas-tung von Böden und Gewässerndurch den erhöhten Auftrag vontierischen Exkrementen, insbeson-dere Gülle zu nennen, der in den70er-Jahren alarmierende Ausmaßeangenommen hatte. Seither wur-den primär von gesetzgeberischerSeite verschiedene Maßnahmen er-griffen, um die angespannte Situati-on zu entschärfen. Der „Gülleer-lass“ von 1983, die „Güllever-ordnung“ von 1990 und, zuletzt, die „Düngemittelverordnung“ von1996 haben dabei zu Regelungengeführt, die mit erheblichen Ein-schränkungen hinsichtlich der Aus-bringungsmengen und -zeiträumeverbunden sind.

Große Gebiete der Geest, vorallem im Emsland, in Ostfriesland,Oldenburg und im Elbe-Weser-Drei-eck, werden durch ausgedehnteNieder- und Hochmoore unterbro-chen. Die Moore sind unter demEinfluss des atlantisch beeinflusstenKlimas überwiegend in den letzten8.000 Jahren der Erdgeschichte ent-standen. Voraussetzung für dieMoorbildung ist ein Überschuss anWasser, der vor allem durch die ho-he Luftfeuchtigkeit und die reichli-chen Niederschläge, aber auch dieVernässung der Niederungen durchden Rückstau des seit über 10.000Jahren ansteigenden Meeres gege-ben war. Zunächst bildeten sich da-

Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung 23

bei Niedermoore auf den grund-wassernahen Standorten der nied-rig gelegenen Geesttäler (Beispiel:Wümme-Niederung).

Seit etwa 5.500 v.Chr. sind aufeinem Teil der Niedermoore, aberauch direkt auf dem mineralischenUntergrund, mächtige Hochmooreaufgewachsen (Beispiele: Teufels-moor, Bourtanger Moor). Im Gegen-satz zu den Niedermooren, die ausden Resten vieler verschiedenerSumpf- und Schwimmblattpflanzenbestehen, werden Hochmoore fastnur von einer einzigen Pflanzen-gattung, den Torf- oder Spagnum-moosen, aufgebaut, die unabhän-gig vom Grundwasser ihren Nähr-stoff- und Wasserbedarf ausschließ-lich aus Niederschlagswasser undeingewehtem Staub decken. Untergünstigen Wachstumsbedingungenhaben einige Hochmoore eineMächtigkeit von bis zu 10 m er-reicht.

Die Moore nehmen eine Flächevon rund 6.200 km2 ein, was einemAnteil von 13% der Landesflächeentspricht. Niedersachsen ist damitdas moorreichste Bundesland. Je-doch sind heute nur noch Bruchteileder einstigen Moore unkultiviert.Die meisten wurden im Verlaufe derletzten vier Jahrhunderte nach undnach für eine landwirtschaftlicheNutzung in Grün- oder Ackerlandumgewandelt.

Den wenigen noch verbliebenenMoorresten kommt heute eine be-

sondere Funktion als Rückzugsge-biete zahlreicher gefährdeter Pflan-zen- und Tierarten zu. Um dieseMoorstandorte als charakteristischeLandschaftselemente Niedersach-sens zu erhalten, wurde 1981 dasNiedersächsische Moorschutzpro-gramm installiert, nach dem mehrals 800 km2 Hochmoorflächen unterNaturschutz gestellt werden sollen.

Die Lössbörden

Südlich des Mittellandkanals gehtdie niedersächsische Geest in dieLössbörden über, die den Über-gangsbereich vom Tiefland zumBerg- und Hügelland markieren. Sietragen ihren Namen vom nieder-deutschen „bören“= „tragen“,„ertragreich“, womit die feinkörni-gen, steinfreien, leicht kalkhaltigenLehmböden gemeint sind, die sichseit der letzten Eiszeit als Schwarz-erden oder Parabraunerden auf denangewehten, durchschnittlich 0,5bis 3 m mächtigen Lössstaubschich-ten entwickelt haben. Sie zählennicht nur zu den wertvollsten BödenNiedersachsens, sondern ganzDeutschlands, die sich vor allemdurch ihre hohe Wasserspeicher-fähigkeit und ihren Reichtum anMineralstoffen auszeichnen (vgl.Foto Hildesheimer Börde).

Die Lössbörden beginnen nörd-lich von Osnabrück zwischen Wie-hengebirge und Mittellandkanal alsschmales Band und verbreitern sich

24 Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung

dann über die Schaumburger, Ca-lenberger und Hildesheimer Bördenach Osten, bis sie im Gebiet umSalzgitter und Helmstedt eine Breitevon fast 40 km erreichen. Jenseitsder niedersächsischen Landesgrenzegehen sie dann nahtlos in die nochweitflächigere Magdeburger Bördeüber. Die Nordgrenze gegen dieGeest, die sog. „Lössgrenze“, ist re-lativ scharf ausgeprägt und verläuftbis Braunschweig über weiteStrecken parallel zum Mittellandka-nal. Nach Süden hin besteht keineso scharfe Grenze, da der Löss teil-weise bis weit in das Berg- und Hü-gelland verweht wurde, wo er lokalimmer noch Mächtigkeiten von biszu 1,5 m aufweist.

Aufgrund ihrer hervorragendennaturräumlichen Ausstattung sinddie Lössbörden von der ehemaligenWaldvegetation fast völlig ent-blößt, sodass manchmal von einer„Kultursteppe“ gesprochen wurde;eine Bezeichnung, die allerdings un-zutreffend ist, da die Börden im Ge-gensatz zu den wirklichen Steppenintensiv landwirtschaftlich genutztwerden.

Nahezu alle Flächen werden heu-te vom Ackerbau beansprucht. Esherrschen dabei anspruchsvolleFeldfrüchte vor, mit denen Spitzen-erträge erzielt werden können(Weizen, Zuckerrüben). Grünlandund Reste von Laubwald sind nurauf wenigen feuchten Standorten

Hildesheimer Börde Foto: Niedersächsisches Landesverwaltungsamt

Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung 25

zu finden, die bisher nicht dräniertworden sind.

Das Berg- und Hügelland

Gegenüber der nahezu waldlo-sen Weite der Lössbörden ist dasniedersächsische Berg- und Hügel-land eine durch Becken, Täler,Höhenrücken, Hochflächen, Berg-kuppen und Hügel kleinräumig ge-kammerte Landschaft. Es umfasstgroße Teile des südlichen Nieder-sachsen, wobei die Gebirgsgruppendes Weserberglandes zwischen Por-ta Westfalica im Norden und demZusammenfluss von Fulda und Wer-ra im Süden daran den weitausgrößten Anteil haben. Dass es sichin der Regel mehr um Hügel alswirkliche Berge handelt, kommtauch in den Höhen der Bergkuppenzum Ausdruck, die kaum über 500 mhinausgehen (Große Blöße im Sol-ling mit 528 m als höchste Erhe-bung).

Das Berg- und Hügelland ver-dankt seinen Formenreichtum ver-schiedenen erdgeschichtlichen Vor-gängen. Die Bergzüge sind durch-weg aus Sedimentgesteinen aufge-baut, die einst im Meer abgelagertwurden; von Süden (Buntsandstein,Muschelkalk) nach Norden (Jura,Kreide) werden diese immer jünger.Infolge tektonischer Bewegungenwurden die Sedimentschichten inSchollen zerlegt und in unterschied-licher Weise gekippt. Aus den

schräggestellten Gesteinspaketenwurden dann durch selektive Ver-witterung und Abtragung die wei-cheren Schichten ausgeräumt undzu Tälern und Becken umgeformt,während die härteren Schichten alsSchichtstufen, Schichtkämme, Ein-zelberge oder steinige Hochflächenstehen blieben. Wiehengebirge undTeutoburger Wald, Ith und Hils sindBeispiele für das charakteristischeLandschaftsbild der Schichtstufenund -kämme, die sich als lange, rela-tiv schmale, allerdings in der Regelwenig hohe Bergzüge in west-östli-cher bzw. nordwest-südöstlicherAusrichtung darstellen. Mit einerStrecke von rund 120 km ist der Teu-toburger Wald der längste unterden Höhenzügen des Berg- und Hü-gellandes (vgl. Foto TeutoburgerWald). Besonders markante Schicht-kämme finden sich im Weser- undWiehengebirge, die 200-300 m überdas Wesertal aufsteigen und zumTeil von mächtigen Klippen gekröntwerden (Luhdener Klippen, Hohen-stein).

Das Berg- und Hügelland ist einewaldreiche Landschaft. Rund 45Prozent sind mit Wald bestanden,der über Höhen von 300 m unddort, wo das Relief zu steil wird, inden Vordergrund tritt; insgesamtnimmt die Bewaldung von Nordennach Süden zu.

Auf allen Höhenzügen stockt da-bei von Natur aus ein Buchenwald,der die nährstoff- und besonders

26 Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung

kalkreichen Böden sowie das nie-derschlagsreiche, kühle Klima desBerg- und Hügellandes bevorzugt.Auch heute noch ist der Bu-chenwald durch weitgehend natur-nahe Bestände vertreten und ver-mittelt durch seine relative Ge-schlossenheit den Eindruck einerechten Waldlandschaft.

Wo kein Wald ansteht, wird aufden fruchtbaren Böden der Tälerund Becken, die während der letz-ten Eiszeit mit Löss ausgekleidetwurden, ertragreicher Ackerbau be-trieben. Wo der Löss besondersmächtig ist, ist der Wald selbst ansteileren Standorten verdrängt wor-den. Grünlandflächen deuten auf

feuchte Standorte hin, die als Vieh-weiden genutzt werden.

Aufgrund seiner abwechslungs-reichen Landschaft mit ihren vielfäl-tigen naturräumlichen und kulturel-len Elementen gelten große Teiledes Berg- und Hügellandes als be-sondere Anziehungspunkte fürNaherholung und Fremdenverkehr.Insgesamt fünf Naturparke wurdenhierfür als Vorranggebiete ausge-wiesen und erfahren als solche einespezielle Förderung (z. B. Weser-bergland, Schaumburg-Hameln, Sol-ling-Vogler) (vgl. Abb. Großschutz-gebiete in Niedersachsen). Auf derBasis zahlreicher Thermal- und Sol-quellen entwickelten sich eine Rei-

Teutoburger Wald Foto: Ingo Mose

Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung 27

he von Heilbädern (z. B. Bad Iburg,Bad Rothenfelde, Bad Oeynhausen,Bad Pyrmont) sowie zahlreiche Luft-kurorte, die auch überregionale Be-deutung besitzen.

Der HarzDer Harz ist als einziger Gebirgs-

zug Niedersachsens ein echtes Mit-telgebirge. Mit scharf gezeichnetenUmrissen erhebt er sich dabei ausder umliegenden Schichtkamm- undSchichtstufenlandschaft im Norden„mauerartig“, im Süden als mehroder weniger steile Aufbiegung.Die deutliche Abgrenzung gegendas Berg- und Hügelland wird nochdurch die fast geschlossene Bewal-dung unterstrichen, der das Gebirgeauch seinen Namen nach dem mit-telhochdeutschen „hart“ = Berg-wald verdankt. Nur ein Drittel, alsoder kleinere Teil des Harzes liegt inNiedersachsen; der größere, östlicheTeil gehört zu Sachsen-Anhalt.

An seinen Rändern weist das Ge-birge dichte, tiefe und meist steileZertalungen auf, die sich besondersim Südharz stark verästeln. Talauf-wärts werden die Hänge zuneh-mend niedriger und flacher, bis sieim Gebirgsinneren schließlich inweite, flachwellige Hochflächenübergehen. Die ausgeprägteste die-ser Hochflächen im niedersächsi-schen Oberharz ist die ClausthalerHochfläche auf einer Höhe von et-wa 550 bis 600 m. Die Hochflächenwerden im sog. Hochharz von den

Erhebungen eines zentralen Berg-landes überragt, dessen bekannte-ste Elemente das Brockenmassivund der Acker-Bruchberg-Kammsind. Die höchsten Gipfel im nieder-sächsischen Teil des Harzes sindWurmberg (971 m) und Bruchberg(928 m), während der Brocken alshöchste Erhebung mit 1.142 m be-reits in Sachsen-Anhalt liegt (vgl.Foto Der Brocken).

Der gesamte Gebirgskörper setztsich aus zwei Elementen zusammen:Sedimentgesteinen, die – anders alsim Berg-und Hügelland – bereitsfrühzeitig intensiv gefaltet und zer-legt wurden, und Magmatiten, z. B.dem Brocken-Granit, die aus demErdinneren aufgestiegen sind. Seineheutige Kontur erhielt der Harz je-doch erst als Folge phasenhafter He-bungen, in deren Folge sich der ge-samte Gebirgsblock um etwa 300 müber das Umland erhob.

Aufgrund des mit der Höhe un-wirtlicher werdenden Klimas, aberauch wegen der steilen Hänge undsteinigen Böden, kann im Harz kei-ne ertragreiche Landwirtschaft be-trieben werden. Lediglich auf denRodungsinseln der Hochflächen fin-den sich wenige Gründlandbetrie-be. Das Landschaftsbild des Harzeswird deshalb durch das größte ge-schlossene Waldgebiet Niedersach-sens bestimmt. Rund drei Viertel derWälder im Westharz sind Nadel-wälder, die fast ausschließlich ausFichten bestehen.

28 Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung

Als potentielle natürliche Vegeta-tion würde die Buche normalerwei-se bis mindestens 700 m Höhe, inForm von Buchen-Fichten-Mischwäl-dern sogar bis 800 m Höhe vorherr-schen, jedoch sind die Buchenwäl-der durch den Bergbau seit Beginndes 16. Jahrhunderts und die späte-re forstwirtschaftliche Förderungder schnell wachsenden Fichte rück-sichtslos abgeholzt und an denHarzrand zurückgedrängt worden.Die heute vielerorts dominierendenFichtenreinbestände werden nuroberhalb von 700 m teilweise vonbaumfreien Hochmooren unterbro-chen (z. B. bei Torfhaus), die Stan-dorte zahlreicher auf der „Roten

Liste“ geführter Pflanzen sind. DerGipfel des Brockens ist ebenfallsbaumfrei; oberhalb eines schmalenKrüppelholzsaumes sind hier subal-pine Zwergstrauch- und Rasenge-sellschaften standortbestimmend,unter denen sich Hochgebirgspflan-zen wie das Alpen-Windröschenund die Berg-Nelkenwurz finden.

Charakteristisch ist der Nieder-schlagsreichtum des Westharzes. Erist eine Folge der Steigungsnieder-schläge, die aus den von Westenherangeführten atlantischen Luft-massen ausfallen. Auf der Westseitedes Brockens beläuft sich die jährli-che Niederschlagsmenge auf rund1.600 mm.

Der Brocken, vom Achtermann aus gesehen Foto: Ingo Mose

Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung 29

Die hohen Niederschläge botendie Voraussetzung für die Anlagevon mehreren großen Talsperren,die seit den 30er-Jahren entstan-den. Sie dienen der Trinkwasserver-sorgung, aber auch dem Hoch-wasserschutz und, als Nebenpro-dukt, der Erzeugung elektrischerEnergie.

Die hohen Niederschläge sindaber auch eng mit einem ernstenProblembereich verbunden: dem„Waldsterben“. Seit Anfang der80er-Jahre haben die sog. neuarti-gen Waldschäden im Harz ausge-sprochen dramatische Formen an-genommen. Große Teile des Wald-bestandes im Harz gelten nach wievor als „krank“. Alarmierend ist vorallem die Situation im Oberharz, wozwischen 60 und 65 Prozent desWaldes geschädigt sind, aber auchdie Waldbestände des Unterharzesweisen z. T. erhebliche Schädigun-gen auf. Hinsichtlich der Schädigun-gen muss allerdings nach verschie-denen Schadensstufen sowie nachBaumarten unterschieden werden;ebenso schwankt der Gesamtum-fang der geschädigten Waldbestän-de, die seit 1983 jährlich im Rahmender sog. „Waldschadensuntersu-chung“ bundesweit einheitlich er-mittelt werden. Hauptschadensfak-toren des Waldsterbens sind Luft-schadstoffe (Schwefeldioxid, Stick-oxide), die vorwiegend durch dieVerbrennung fossiler Brennstoffeentstehen. Als Hauptemittenten

gelten Industrie und Straßenver-kehr. Während die Schadstoffe ausder Industrie z. T. über große Ent-fernungen in den Harz eingetragenwerden, wirkt der Verkehr primärunmittelbar vor Ort als Verursachervon Schädigungen. Großen Anteilhat daran der rege Urlaubs- undNaherholungsverkehr in die Region.Um die Waldschäden zu mildernund die Vitalität des Bestandes zustärken, wurden und werden ver-schiedene Maßnahmen ergriffen.Neben der Bodenkalkung, die derVorbeugung gegen die überhöhteVersauerung des Bodens dient,zählt dazu vor allem die systemati-sche Walderneuerung mit der An-pflanzung von Laubwald-Mischkul-turen.

Um die charakteristische Mittel-gebirgslandschaft des Harzes, diefür Niedersachsen und Nord-deutschland insgesamt einzigartigist, dauerhaft zu schützen, hat dieniedersächsische Landesregierunggroße Teile des Oberharzes 1994zum Nationalpark erklärt (vgl. Abb.Großschutzgebiete in Niedersach-sen). Der Nationalpark bezieht dasehemalige Naturschutzgebiet Ober-harz ein, das in Teilen bereits seit1926 unter Schutz steht. Noch vordem Land Niedersachsen hatte 1990die letzte DDR-Regierung den öst-lichen Teil des Hochharzes zumNationalpark ausgerufen. Als aus-gesprochenem Wald-Nationalparkkommt dem Harz vorrangig die

30 Landesnatur – Naturräumliche und landschaftliche Ausstattung

Aufgabe zu, langfristig die Entste-hung naturnaher, d. h. vom Men-schen weitgehend unbeeinflussterWälder zu ermöglichen. Solche Ur-wälder „aus zweiter Hand“ sind inDeutschland heute nur noch imRahmen von Nationalparks vorstell-bar. Eine intensive Umwelt- undNaturschutzbildung soll dieses hoch

gesteckte Ziel in der Öffentlichkeitmöglichst breit verankern, wobeider Vermittlung zwischen Natur-schutz und Tourismus eine Schlüssel-funktion zufällt. Schon heute zähltder Harz mit rund 10 MillionenJahresbesuchern zu den touristischam stärksten frequentierten Natio-nalparks Europas.

Ingo Mose

Das Bundesland Niedersachsen

Niedersachsen ist nach Flächeund Einwohnerzahl (vgl. KapitelLage und Größe) im europäischenKontext keinesfalls ein bedeutungs-loses Land der Bundesrepublik. Es ist ein Ergebnis der politischen Neu-ordnung Deutschlands nach demZweiten Weltkrieg. Es entstand mitder Verordnung Nr. 55 der briti-schen Militärregierung vom 8. Nov.1946 aus den Ländern Oldenburg,

Schaumburg-Lippe und Braun-schweig sowie der ab 1866 preußi-schen Provinz Hannover.

Im 50. Jubiläumsjahr Niedersach-sens, 1996, wurde häufig auf dieNiedersachsen hingewiesen, diesturmfest und erdverwachsen seien,so wie sie das Niedersachsenlied be-nennt. In jenem Jahr 100 Jahre altwurde der Vers von den Eichen, die,solange sie in alter Kraft um Hofund Haus wüchsen, offensichtlichverhindern sollten, dass in Nieder-

Geschichte des Landes Niedersachsen

Das Land Niedersachsen 1946

32 Geschichte des Landes Niedersachsen

sachsen „die alte Stammesart“ aus-sterbe. Der Versuch, von der Ab-stammung her für die Zeit von 500bis 1945 eine Einheitlichkeit desmenschlichen Verhaltens im Gebietdes heutigen Niedersachsens zukonstruieren, führt allerdings in dieIrre. Es waren im frühen Mittelalterzwei Stämme, nämlich die Sachsenund die Friesen. Die Sachsen gab esauch nicht. Zumindest seit der früh-mittelalterlichen Ansiedlung imnordwestdeutschen Raum zerfielensie in verschiedene regionale Stam-mesverbände, deren Trennung sichschematisch für den niedersächsi-schen Raum von West nach Ost inWestfalen, Engern und Ostfalen be-schreiben lässt. Richtig ist, dass diesefrühmittelalterliche Dominanz säch-sischer bzw. friesischer Bevölkerungbis in das 20. Jahrhundert hineinnicht grundsätzlich verändert wur-de, sondern nur graduell. Zu den-ken ist hierbei an die teilweiseslavische Besiedlung des östlichenNiedersachsens im Mittelalter, andie zunehmende jüdische Bevölke-rung der größeren spätmittelalter-lichen Städte, an Flamen oderHolländer in hochmittelalterlichenGründungsdörfern, in der frühenNeuzeit dann an Hugenotten, Salz-burger oder obersächsische Bergar-beiter, im 19. Jahrhundert an ost-und ostmitteleuropäische Landwirt-schaftsarbeiter.

Die wesentliche Bevölkerungsver-änderung trat nach dem Zweiten

Weltkrieg ein, als weit mehr als 2 Millionen Menschen als Heimat-vertriebene und Flüchtlinge, alsÜbersiedler aus der DDR, als, wiegemeinhin gesagt wird, Gastarbei-ter und jüngst als aus OsteuropaHinzuziehende sich in Niedersach-sen niederließen und allmählich, oftunter großen Hindernissen, inte-griert wurden oder werden.

Ein Rückblick auf die vergange-nen ca. 1500 Jahre der wirtschaft-lichen Einordnung Niedersachsensin den europäischen Rahmen verräteiniges über die Entwicklungs-potentiale und Fremdbestimmun-gen. Vier Phasen zeichnen sich ab:1. Niedersachsen lag im frühen Mit-

telalter, ca. von 500 bis 1000, amnordöstlichen Rand der europäi-schen Wirtschaftszentren West-und Südeuropas.

2. Im Hoch- und Spätmittelalter,von ca. 1000 bis 1450, rückte Nie-dersachsen in die Mitte zwischenden ökonomisch hoch entwickel-ten Landschaften Oberitaliens,Süddeutschlands oder Flandernsund den vom europäischen Han-del erreichten Randzonen Skan-dinaviens und Osteuropas.

3. Diese Mittellage blieb zwar inder frühen Neuzeit, von ca. 1450bis 1850, erhalten, wurde aberwesentlich von der sich raschausweitenden Kluft zwischenWest- und Osteuropa überformt.Erst Flandern, dann die Nieder-lande, dann England, auch Teile

Geschichte des Landes Niedersachsen 33

Frankreichs, wurden zu wirt-schaftlichen Weltzentren, ver-größerten stetig ihren ökonomi-schen und kulturellen Vorsprunggegenüber dem restlichen Euro-pa und schufen mit den Kolonieneigene neue Peripherien.

4. Während der Hauptindustria-lisierungsphase seit der Mitte desletzten Jahrhunderts, insbeson-dere seit der Reichsgründung1871, holte Deutschland denwirtschaftlichen Rückstand ge-genüber den Zentren im Westenauf. Innerhalb des deutschenWirtschaftsraumes stand Nieder-sachsen allerdings stets hinterden ökonomisch bestimmendenGebieten zurück.

Zur wirtschaftlichen Entwicklung Niedersachsens

Bereits die Festellung dieser vierPhasen zeigt, dass Niedersachsennie wirtschaftlich führend im jewei-ligen interregionalen Kontext war;von der Spitze des Fortschrittes ausgesehen also immer ein wenig hin-terher, immer eher im Mittelfeld.Die vier Phasen zeigen zudem, dassdie Entwicklungsgrundmuster be-reits vor der Industrialisierung fest-standen. Die Bevölkerungsdichte inder – für Niedersachsen städterei-chen – Zone von Schaumburg bisBraunschweig lag stets höher als inder Lüneburger Geest; in diesemGürtel war immer die höchste land-

wirtschaftliche Produktivität und,gerade im Übergang zum Berg- undHügelland, die intensivste gewerb-liche Produktion zu finden. Wenndem so ist, so muss der mittelalter-lichen Wirtschaftsgeschichte heuteneue Beachtung geschenkt werden.

Die aus der Neuzeit bekanntenüberregionalen und internationa-len wirtschaftlichen Verflechtungenwaren allerdings im hohen und spä-ten Mittelalter weit weniger ent-wickelt. Sogar der Hansehandel be-einflusste nur wichtige Städte undwenige Kleinräume in Niedersach-sen. Prägend für die Differenzie-rung der Landwirtschaft, die we-sentlich abhängiger von der Naturwar als heute, wirkten die Boden-nutzungsmöglichkeiten. Für die ge-werblichen Entwicklungen warenRohstoff- sowie Energievorkommenund für den Handel günstige Ver-kehrssituationen wichtig.

Das Naturpotential Niedersach-sens bot für Landwirtschaft, Ge-werbe und Handel landschaftlichverschiedenartige Voraussetzun-gen, die außerdem unterschiedlichgenutzt wurden: die Marsch desKüstensaumes und der Mündungs-gebiete von Ems, Weser und Elbe;die Geest samt ihren Mooren undden Urstromtälern der Elbe undAller-Weser; die Lössbörden; dasBerg- und Hügelland.

Von dem Naturpotential, das denMenschen zur Verfügung stand,gewährten die ohnehin eher raren

34 Geschichte des Landes Niedersachsen

zugängliche Brennstoffe. Torf zumHeizen, Ton zur Töpferei und zurBacksteinherstellung, Kalke, Sandeoder Steine zum Bauen standennicht in allen Landstrichen, ver-gleichsweise aber an vielen Ortenzur Verfügung. Nur im „Pötjerland“– zwischen Weser und Leine östlichund nördlich des Sollings – gewan-nen die Tonwarenherstellung undim Solling selber die Glasproduktionam Ausgang des Mittelalters einegewisse überregionale Bedeutung.

Neben der Landwirtschaft undden direkt landwirtschaftsgebunde-

nen Nahrungsmittelge-werben hing die Mehr-zahl der übrigen Pro-duktionsbereiche weni-ger von hiesigen Bo-denschätzen als vonforst- und landwirt-schaftlich erzeugtenRohstoffen ab, wieHolz (als Bau-, Werk-und Brennstoff), Vieh-produkte (auch Kno-chen, Felle) oder Ge-werbepflanzen (insbe-sondere Lein). Insge-samt weist das Natur-potential, gemessen anden mittelalterlichenNutzungsmöglichkei-ten, Niedersachsen ei-ne in erster Linie land-wirtschaftliche und imÜbrigen auf Verkehrs-durchgang und weni-

Bodenschätze bis weit in die Neu-zeit geringere wirtschaftliche Anrei-ze als anzunehmen wäre, musstensie doch sehr oberflächennah anste-hen, um unter den mittelalterlichenBedingungen genutzt werden zukönnen. Die Erze des Rammels-berges und das Salz Lüneburgsbildeten Ausnahmen, die für diewirtschaftliche Bedeutung des mit-telalterlichen Niedersachsens Höhe-punkte setzten. Die Steinkohlenför-derung blieb noch sehr bescheiden.Vereinzelt wurde Eisen gewonnen.Holz und Holzkohle waren leichter

Gütertransporte von Bremen nach Hannover auf derLeine 1790/91

Ware Warenwert Waren-wert

(Reichstaler) (in VH)Kaffee 49138 14,3Wein 43050 12,6Sirup 38905 11,4Roggen 37895 11,0Reis 28690 8,4Tabak 21539 6,3Tran 17564 5,1Zucker 14458 4,2Baumöl 8913 2,6Butter 6875 2,0Kandis 6814 2,0alle übrigen 68963 20,1

nach: Christian Ludwig Albrecht Patje, Kurzer Abriß des Fabriken-, Gewerbe- und Handlungszustandes in den Chur-Braunschweig-Lüneburgischen Landen, Göttingen 1796, zuS.494.

Geschichte des Landes Niedersachsen 35

ger auf Gewerbe undoriginären Handel be-zogene Funktion zu alsTeilen Mittel- undOberdeutschlands.

Diese wirtschaftli-chen Grundmuster desMittelalters beruhtenaber keinesfalls aufden natürlichen Be-dingungen allein. Viel-mehr gewann Nieder-sachsen erst spät, näm-lich am Ausgang des 8. Jahrhunderts, enge-re Verbindungen zumgermanisch-römischen,westeuropäischen Kul-turkreis, also zu denökonomisch höherent-wickelten GebietenWest- und Südeuropas. Sogar imZeitalter der Liudolfinger-Ottonen(919 – 1024) und der Salier (1024 –1125) gedieh nur der Harzraumkurzzeitig zu einer Zentralland-schaft des Reiches. Friesland mit sei-nen Marschen blieb dagegen stetsder Reichspolitik fern, und erst rechtbot die Geest keinen Anlass, imBrennpunkt des Reichsinteresses zustehen. Als seit Mitte des 12. Jahrhunderts die NeugründungLübecks, die Ostexpansion und -kolonisation und die nachfolgendeEntfaltung der Hanse die wirtschaft-lichen Grenzen weitersteckten,kamen selbst die bedeutenderenniedersächsischen Hanseorte des

Spätmittelalters, voran Braun-schweig, über eine Vermittlerrolleim West-Ost-Handel selten hinaus,weil nur wenige hochwertigeWaren (z. B. oft Bier, aber kaumteurer, importierter Pfeffer) gehan-delt wurden. Stärker als in TeilenMittel- und Oberdeutschlands be-stimmten Adel und Klerus die Wirt-schaft, insbesondere die – wenn-gleich nicht in süddeutscher Dichtevorhandenen – Klöster. Adel undKlöster waren die wichtigstenGrundherren der Bauern. Diegrundherrschaftlichen Dienste undAbgaben führten aber nur selten zuÜberbelastungen der Bauern. Zu-dem gingen adlige und klösterliche

Gütertransporte aus Hannover, Celle und Verdennach Bremen auf Leine, Aller und Weser 1790/91

Ware Warenwert Waren-wert

(Reichstaler) (in VH)Blei 94863 23,7Weizen 81840 20,4div. Hölzer 65042 16,2Gewehre 51548 12,9Wolle 30960 7,7Gerste 30475 7,0Garn 14660 3,4Töpferwaren 6655 1,7alle übrigen 25477 6,4

nach: Christian Ludwig Albrecht Patje, Kurzer Abriß des Fabriken-, Gewerbe- und Handlungszustandes in den Chur-Braunschweig-Lüneburgischen Landen, Göttingen 1796, zuS.494.

36 Geschichte des Landes Niedersachsen

Einflüsse während des Ausbaus derTerritorialstaaten, insbesondere derWelfen, im Spätmittelalter zurück.Allmählich gewann zur Sicherungder Staatseinnahmen der landes-herrliche Bauernschutz überhand(niedersächsisches Meierrecht).

Niedersachsen, besonders diewestniedersächsische Geest, warund ist städtearm. Mit Goslar besaßNiedersachsen nur eine mittelalter-liche Reichsstadt und mit Braun-schweig, Lüneburg und Bremen dreiweitere Städte von anerkannt über-regionaler Bedeutung. Von gewis-ser Wichtigkeit waren ferner dieBischofsstädte Hildesheim und Osnabrück, außerdem Stade und ander Wende zur Neuzeit schließlichEmden; allesamt Städte in bevor-zugter Verkehrslage an Flussmün-

dungen, Landschaftsgrenzen undim Kreuzungsbereich naher alterHandelsstraßen.

Dabei überragte die Städtedichtein den Verkehrsballungsgebietenvor und im Berg- und Hügellanddeutlich diejenige des nördlichenNiedersachsen. Mit den Städteland-schaften Flanderns, Oberitaliensoder wenigstens des Textilbe-zirksin Oberschwaben konnte Nieder-sachsen nicht konkurrieren.

Was veränderte sich vom Mittel-alter zur Neuzeit? Niedersachsenlag im frühen und hohen Mittelalteram nordöstlichen Rand der europäi-schen Wirtschaftszentren und imSpätmittelalter in der Mitte zwi-schen den ökonomisch hoch ent-wickelten Landschaften und denvom europäischen Handel erreich-

ten Randzonen Skan-dinaviens und Osteu-ropas. Diese Positionökonomischer Zuord-nung – aber politischerSelbständigkeit – zwi-schen hoch entwickel-ten Gebieten (Zen-trum) und gering ent-wickelten Gebieten(Peripherien) ist für diedem 16. Jahrhundertfolgenden Phasen als„Halbperipherie“ ge-kennzeichnet worden.Sucht man eine Unter-scheidung vom Mittel-alter zur frühen Neu-

ädte und wichtige Verkehrswegein Niedersachsen im Mittelalter

Emden

Bremen

Hamburg

MindenOsnabrück

Lüneburg

Uelzen

HannoverBraunschweig

Stade

Goslar

Göttingen

Hildesheim

Städte und wichtige Verkehrswege in Niedersachsen im Mittelalter

Geschichte des Landes Niedersachsen 37

zeit für die Geschichte Niedersach-sens, so ist zunächst eine Verstär-kung dieser Zwischenlage, dieserhalbperipheren Situation, zu erken-nen. In der hochwertigen Produkti-on gewerblicher Güter vermochtendie niedersächsischen Städte nichtmehr international zu konkurrieren.Die einfache Warenproduktion ver-lagerte sich mehr und mehr auf dasbilliger arbeitende und genügendArbeitskräfte besitzende Land. Eszeigt sich seit dem 16. Jahrhunderteine allmähliche Wandlung von dermittelalterlichen, auf Europa be-schränkten, zu der frühneuzeitli-chen, auf die Welt ausgreifenden Si-tuation. Im Mittelalter blieb daswirtschaftliche BeziehungsgeflechtNiedersachsens auf Europa orien-tiert. Sobald aber die neuen Wirt-schaftszentren Westeuropas (inzeitlicher Reihenfolge: Antwerpen,Amsterdam, London) während ihresHinausgreifens in die Welt immermehr Kapital häuften und in denHandelskreislauf reinvestierenkonnten, wurde Niedersachsen im-mer tiefer in die Halbperipherie ge-drängt. Hierauf verweisen u. a. die Stabilität der Landwirt-schaft oder die Hollandgängerei ausWestniedersachsen, wenn Tausendesaisonal in die Niederlande zogen,um dort Einfacharbeiten zu verrich-ten.

Diese halbperiphere Lage inner-halb der interregionalen Wirt-schaftsbeziehungen änderte sich bis

ins 19. Jahrhundert nicht grund-sätzlich. Trotzdem waren – gemes-sen an Osteuropa – die wirtschaft-lichen und gesellschaftlichen Ver-hältnisse des niedersächsischenRaumes selbst gegen Ende desDreißigjährigen Krieges (1618 –1648) weiterhin modern und ent-wickelt, gegenüber dem Westenhingegen nunmehr rückständig.

Die innere Struktur des nieder-sächsischen Raumes wandelte sichwährend der frühen Neuzeit entwe-der durch Einflüsse von außen oderaber durch das Eingreifen der sichauch im niedersächsischen Raumfestigenden Territorialstaaten, ins-besondere der hannoverschen undbraunschweigischen Welfen. Ihnenverdankt z. B. der Oberharz als neueBergbaulandschaft seine rasche Ent-wicklung. Die Gliederungen inner-halb der Regionen veränderten sichzugunsten der Hauptorte. Das wa-ren die wichtigen binnenländischenStädte, auf die sich die Beziehungenvon der Fläche her neu ausrichteten.Unter den neuen Weltmarkteinflüs-sen gedieh Hamburg seit dem 16.Jahrhundert zu einem Vorort desmodernen Westens Europas, gleich-sam ein Stück Zentrum in der Halb-peripherie. Emden nahm eine deut-lich abgeschwächte, aber vergleich-bare Funktion im 16. Jahrhundertwahr, Bremen seit dem Ausgang des18. Jahrhunderts. Zum neuen inter-nen Hauptort stieg vor allen ande-ren Hannover auf, Braunschweig

38 Geschichte des Landes Niedersachsen

blieb wichtig, bei deutlich geringe-rer Dynamik; beispielsweise Lüne-burg oder Osnabrück blieben esauch, doch bei erkennbaren Verlu-sten; Städte wie Goslar oder Einbeckverloren radikal. Wurde eine vonden Weltmarktbeziehungen nichtpositiv beeinflusste Stadt nicht we-nigstens vom Territorialfürsten ge-fördert (z. B. Aurich, Bückeburg),sank sie während der frühen Neu-zeit zur Unbedeutung ab. Es be-gann, weit vor der Industrialisie-rung, also ein Konzentrationspro-zess auf wenige Hauptorte: im Fern-handel z. B. auf Hamburg, in Ver-waltung und Kultur/Bildung auf dieResidenzstädte. Entsprechend ge-langten die an Zahl reduziertenHauptorte samt ihrem Umland inführende, in der Industrialisierungs-phase dann neu genutzte Funktio-

nen, die sich z. B. deut-lich im Verkehrsnetzder Chausseen unmit-telbar vor dem Eisen-bahnbau ausdrücken.Nun lag Hannover wieeine Spinne im Netz,nicht mehr Braun-schweig.

In allem sank Nie-dersachsen währenddes 16. bis 19. Jahrhun-derts tiefer in die Mit-telmäßigkeit; es standweit hinter dem mo-dernen Westen, denNiederlanden und

England, zurück, bewahrte aberseinen Vorsprung vor Polen oderRussland. Verglichen mit den Nie-derlanden oder England blieb je-doch die Gesellschaftsordnungstabil. Es dominierten die mittelbäu-erlichen Betriebe und das, an Zahlvergleichsweise geringe, Handwer-kerbürgertum der eher kleinenStädte. Die Herrschaft des Adels undder Landesfürsten nahm seltendespotische Züge an. Selbst, wenndie Bauern wie in Teilen Westnie-dersachsens, unfrei waren, konntensie über ihren jeweiligen Haushaltund über die Gemeindeangelegen-heiten recht eigenständig entschei-den.

Einige Vorteile der nordwest-deutschen Halbperipherie im Ver-gleich zum westeuropäischen Zen-trum sind also ersichtlich. Die Mehr-

Schematische Darstellung der Einwohnerzahlenausgewählter nordwestdeutscher Städte 1550 – 1900

1550 1600 1650 1700 1750 1800 1850 1900

Einwohner in 1000700500

300

200150

10080605040302520

15

1098

7

6

Schematische Darstellung der Einwohnerzahlen ausgewählternordwestdeutscher Städte 1550 – 1900

Hamburg

Bremen

Lüneburg

Hannover

Goslar

Braunschweig

Geschichte des Landes Niedersachsen 39

zahl der Bevölkerung lebte weiter-hin unabhängig von Marktbezie-hungen. Externe Krisen wirkten sichdaher nur gedämmt auf die einzel-ne Kleinstadt oder das einzelneDorf aus. Im Regelfall bestand dieweitgehende Selbstversorgung in-nerhalb einer Region fort. DieMehrzahl der Bevölkerung verfügteüber eine eigene, zumindest be-scheidene landwirtschaftliche odergewerbliche Ernährungsgrundlage,die das Überleben in internenKrisenzeiten erleichterte. Die so ge-nannte „moralische Ökonomie“blieb gewahrt. Trotz anfänglicherlandesherrlicher Gegenbemühun-gen bestanden Zünfte fort und wur-den in den Flecken, also kleinenMinderstädten, gar neu geschaffen.Hoch war die Konstanz der Gemein-deverbände in Bruderschaften undBuerschaften der städtischen Be-wohner sowie in Kirchspielen,Markgenossenschaften usw. derländlichen Bewohner. Im Vergleichzum Westen Europas blieb der An-teil der außerhalb dieser Ordnungstehenden Personen gering, ebensowie der Anteil von Spitzenvermö-gen.

Eine große Chance hatte dieHalbperipherie generell: sie konnteZentrumserfahrungen übernehmenund die dort erkannten Fehler ver-meiden, nachholende Moderni-sierung gedieh daher zum nie-dersächsischen Wirtschaftsprinzip.Während sich Westeuropa rasant

veränderte und seine Peripherien, z. B. die neuen überseeischen Kolo-nien, z. T. in wenigen Jahrzehntenumstrukturierte, verlief der histori-sche Wandel in der Halbperipheriegemächlich. Daher blieben die imMittelalter geprägten Wirtschafts-regionen Niedersachsens so beharr-lich bestehen während der frühenNeuzeit.

Hinsichtlich der wirtschaftlichenGrundordnung wirkten sich das 19. und 20. Jahrhundert nur modi-fizierend aus, wenngleich auch inNiedersachsen die Bevölkerungs-zahl rasch wuchs. In dem stark land-wirtschaftlich geprägten Gebietführten die Agrarreformen des aus-gehenden 18. und der ersten Hälftedes 19. Jahrhunderts zu einer Mo-dernisierung von Ackerbau undViehzucht. Die Bauern wurden nun-mehr persönlich frei, die gemein-schaftlich genutzen Wälder undWeiden (Gemeinheiten) wurdenaufgeteilt und die fein parzelliertenFelder zusammengelegt (Verkoppe-lungen). Da hierfür gemessen anPreußen geringe Zahlungen vonden Bauern aufgebracht werdenmussten, stabilisierte sich das mittle-re Bauerntum einmal mehr. West-niedersachsen begann mit Vieh undViehprodukten Teile des Ruhrge-biets mitzuversorgen, Zuckerrüben-und Weizenanbau mit der zu-gehörigen Stallhaltung von Rind-vieh stärkte insbesondere die Bau-ern im Lössbördengürtel nördlich

40 Geschichte des Landes Niedersachsen

Geschichte des Landes Niedersachsen 41

des Berg- und Hügellandes. DieMoorkultivierungen in Teilen derGeest schuf zwar zusätzliche Hof-stellen, doch gewährten sie den Be-wohnern nur eine karge Minimal-versorgung.

Die regionale Industrialisierung,vorrangig im Berg- und Hügellandund in der traditionell städtereichenZone von Osnabrück bis Braun-schweig, setzte ebenso wie der Ei-senbahnbau erst spät ein, da mit derlandwirtschaftlichen und auf heimi-schen Rohstoffen aufbauenden ge-werblichen Produktion lange einGrundeinkommen der Bevölkerunggesichert werden konnte. Industri-eller Vorreiter war der Raum Han-nover. Hannover war seit 1636 Resi-denzstadt. Hiervon profitiertenauch Handel, Verkehr und Gewer-be. Im Dorf Linden westlich der Ca-lenberger Neustadt waren darüberhinaus bereits seit dem 17. Jahrhun-dert zahlreiche Gewerbe angesie-delt worden. Die günstige Verkehrs-lage, die leichte Versorgung ausdem agrarisch ertragreichen Um-land und die im Deister anstehendeSteinkohle ermöglichten es Vaterund Sohn Egestorff in Linden schonwährend der ersten Jahrzehnte des19. Jahrhunderts von der Baustoff-produktion zur Maschinenfabrika-tion überzugehen. Mit dem sich inHannover anschließenden industri-ellen Wachstum gerade des aus-gehenden 19. und frühen 20. Jahr-hunderts konnten die Räume

Braunschweig oder Osnabrück nichtmithalten. Insgesamt jedoch bliebder vergleichsweise agrarischeCharakter Niedersachsens erhalten.Hieran änderten auch die vom NS-Regime gestützten Industrieansied-lungen bei Fallersleben (Wolfsburg)und Lebenstedt (Salzgitter) einst-weilen nichts. Das passende Mottoder niedersächsischen Wirtschafts-geschichte könnte also lauten: im-mer etwas zurück, doch zukunfts-fähig.

Zur politischen Entwicklung Niedersachsens

Niedersachsen war und ist vielfäl-tig. Bis zum 14. Jahrhundert gab esden Begriff Niedersachsen gar nicht.Die lockeren Stammesverbände derFriesen und Sachsen nahmen ge-trennte Entwicklungen. Erst denCirksena gelang es im 15. Jahrhun-dert in (Ost-)friesland eine dominie-rende Stellung über konkurrierendeHerren, Klöster und Großbauern zuerreichen. Für das sächsische Stam-mesgebiet erwies sich die teils ge-waltsame Christianisierung zurzeitKarls des Großen als bedeutungs-voll. Zum einen wurden Bistümergegründet (Bremen, Osnabrück,Verden, Hildesheim), die speziell fürdie territoriale Ordnung der näch-sten Jahrhunderte wichtig wurden,zum anderen gelangten neueHerrscherfamilien in herausragendePositionen, voran schließlich die

42 Geschichte des Landes Niedersachsen

Welfen. Doch selbst Heinrich demLöwen (s. u.) gelang es nicht, dieverschiedenen räumlichen Herr-schaften zu einen.

Um Einheitliches in Niedersach-sen zu verlangen, müssen Hilfskon-struktionen gebaut werden. So wirdgern die hochdeutsche Lautver-schiebung im 16. Jahrhundert alseine solche genutzt. P, t und k wur-den im Norden eben nicht zu pf, tsund ch. Aber das gilt ebenso für Ge-biete, die heute Schleswig-Holstein,Mecklenburg oder der westfälischeTeil Nordrhein-Westfalens heißen.Wenn schon Trennendes hierandeutlich werden sollte, dann dielange währende Differenzierungzwischen Oberdeutschland und Nie-derdeutschland.

Der Name Niedersachsen hilftauch nicht weiter, Einheitliches vor-zufinden. Denn „saxonia inferior“ist nur eine anfangs wenig verwen-dete Unterscheidung gegenüberdem Teil Mitteldeutschlands, denwir heute als Sachsen benennen.Auch stammt dieser Name Nieder-sachsen keineswegs aus altsächsi-scher Zeit des frühen Mittelalters, istnicht 1200 Jahre alt, sondern erst645 Jahre jung. Die Reichskanzleigrenzte 1354 erstmalig den Nord-westen bis nach Vorpommern aufdiese Weise ab. Ursache war, dassdas Recht, den deutschen König zuwählen, die Kurwürde also, nicht et-wa den Nachfahren des WelfenHeinrich dem Löwen zustand, son-

dern den konkurrierenden Aska-niern und hier speziell den Witten-bergern. Als diese ausstarben, fieldie Kurwürde 1422 an die Markgra-fen von Meißen, die Wettiner.

Erst als am Ende des 15. Jahrhun-derts die Idee einer grundsätzlichenReichsreform gedieh und die Hoff-nung keimte, einen Ausgleich zwi-schen aufstrebenden Territorialfür-sten und kaiserlicher Oberhoheit zufinden, wurde der Name Nieder-sachsen 1512 schließlich verstetigt,und zwar als Bezeichnung für einender Reichskreise. Dieser „nieder-sächsische Reichskreis“ ließ aller-dings Gebiete des heutigen Nieder-sachsens im Westen aus, z. B. dieGrafschaft Schaumburg, und reichteim Osten bis in die Altmark undnach Mecklenburg. Anders als derschwäbische oder der fränkischeReichskreis, in dem dominierendeTerritorialfürsten rar waren, gelanges dem bis zur Auflösung des AltenReiches 1806 bestehenden Nieder-sächsischen Reichskreis nie, eineMacht zu erreichen, die Kompe-tenzerweiterungen der Territorial-fürsten brach. Immerhin stammtaber aus jener Zeit die Gewohnheit,mit dem Begriff Niedersachsenüberterritoriale Zusammenschlüssezu bezeichnen. Ein gutes Beispielkennen wir mit dem 1835 gegrün-deten „Historischen Verein fürNiedersachsen“.

Seit der frühen Neuzeit zeigtesich die zunehmende, wenngleich

Geschichte des Landes Niedersachsen 43

umstrittene, Verbindung des Nie-dersachsenbegriffes mit den Wel-fen. Ursache hierfür war die wach-sende Bedeutung der Welfen alsTerritorialfürsten eben im Gebietdes Niedersächsischen Reichskreises.Heinrich der Löwe (1129 – 1195)hatte, im Wesentlichen mit Ausnah-me der askanischen Terrains, die Ge-biete der älteren führenden sächsi-schen Adelsfamilien in seiner Handvereint, dazu auch Bayern. Ausge-hend von seinen Kerngebieten imöstlichen Niedersachsen war Hein-rich auf dem Wege, eine zentraleMachtposition in Nordwestdeutsch-land auszubauen. Doch der Konfliktmit seinem Vetter Barbarossa führte1180 zur Entmachtung Heinrichs. 55 Jahre später erhielt dessen Groß-neffe, Otto das Kind, das „Herzog-tum Braunschweig-Lüneburg“ alsReichslehen. Dieses neue Territori-um beschränkte sich im Wesentli-chen auf das Eigengut (Allodium)der Welfen mit seinen Ballungenum Braunschweig und um Lüne-burg. Der Erzbischof von Köln, sozu-sagen Heinrichs Erbe im Westen,hatte es nicht vermocht, sich die Ter-rains im mittleren und westlichenNiedersachsen zu sichern, über dieHeinrich in verschiedenster Weisesich bemüht hatte zu gebieten. Soentstand im westfälischen Bereichein neuer Herrschaftsfreiraum mitwichtigen Auswirkungen auf diewestniedersächsische Geschichte.Hier festigten nunmehr einzelne

Grafen, ob sie nun sich nach derSchaumburg oder nach Hoya be-nannten, ihre Herrschaft oder aberdie Bischöfe, wie z. B. der Osna-brücker. Von Beginn des Reichsfür-stentums 1235 an bemühten sich dieWelfen freilich um ein erneutes Vor-dringen nach Westen.

Keinesfalls verlief die welfischeExpansion kontinuierlich. Die steti-gen Teilungen des Herzogtums, vondenen schließlich die beständigstediejenige zwischen dem östlichenbraunschweigischen und dem west-lichen ab 1636 hannoverschen Teilwurde, verhinderte dies. Auch ver-zichteten die Welfen darauf, nachder Reformation die Klöster demStaat einzuverleiben. Der braun-schweigische Klosterfond und diehannoversche Klosterkammer ver-weisen darauf noch heute. Ostfries-land wurde weitgehend calvini-stisch, das später oldenburgischeMünsterland, das mainzische Eichs-feld oder die Region um Hildesheimblieben katholisch.

Am Ende des 18. Jahrhundertswaren im Gebiet des heutigen Nie-dersachsens nicht-welfische Territo-rien allein diese: Ostfriesland, Graf-schaft Lingen, Grafschaft Tecklen-burg, Herrschaft Jever, GrafschaftOldenburg, Niederstift Münster,Hochstift Osnabrück (jedoch welfi-sche Alternation), Amt Ritzebüttel,Grafschaft Schaumburg-Lippe, Graf-schaft Schaumburg, Grafschaft Pyr-mont, Hochstift Hildesheim, Herr-

44 Geschichte des Landes Niedersachsen

schaft Plesse, Eichsfeld. Die wenigs-ten dieser Gebiete hatten sich aller-dings halten können, ohne nicht fürlange Zeit Landesherren zu haben,die außerhalb Niedersachsens resi-dierten. Z. B. war Ostfriesland zu je-ner Zeit preußisch, der südöstlicheTeil der alten Grafschaft Schaum-burg seit 1647 hessisch. Und be-kanntermaßen residierten die han-noverschen Welfen seit 1714 und bis1837 in England (Personalunion).Niedersachsen bestand im 18. Jahr-hundert überwiegend sozusagenaus Nebenländern. Auch wenn in

diesen Gebieten absolutistische Ten-denzen seit dem 17. Jahrhundertunübersehbar waren, blieb im Re-gelfall eine politische Mitbestim-mung des Adels, auch der Städteund z. T. sogar der Bauern, erhalten(politisches Ständetum).

Gerade weil die hannoverschenKurfürsten während der Personal-union immer seltener von Englandin ihre Heimat kamen, dürfte dieserelative Autonomie der Stände in ei-nem wichtigen Teil Niedersachsensgestärkt worden sein. Im Übrigenwaren die politischen, ökonomi-

Geschichte des Landes Niedersachsen 45

schen und kulturellen Unterschiedezwischen England und Hannover sogroß, dass von dort nur wenigeInitiativen zur Modernisierung deswelfischen Mutterlandes ausgin-gen. Doch wuchs in den letztenJahrzehnten des 18. Jahrhundertsdie Bereitschaft der führendenGruppen in Hannover, von Englandzu lernen.

Der Wiener Kongress 1815 legtedie Grundstruktur für die Grenzender Länder des heutigen Nieder-sachsen. Er schuf das KönigreichHannover, nun u. a. mit Ostfrieslandund Hildesheim, sowie das Herzog-tum Oldenburg, das HerzogtumBraunschweig und das FürstentumSchaumburg-Lippe. Das Kurfürsten-tum Hessen besaß weiterhin denSüdostteil der alten GrafschaftSchaumburg, das Fürstentum Wal-

deck die Grafschaft Pyrmont unddie Hansestadt Hamburg das AmtRitzebüttel (später Cuxhaven) samtNeuwerk; die vier Gründungsländervon 1946 aber waren geschaffen.Das Königreich Hannover war dasgrößte Land im Gebiet des späterenNiedersachsen. Die behutsame Mo-dernisierung und Liberalisierungdieses Staates schloss mit dem Endeder Personalunion ab. DeutlichstesZeichen hierfür war die Aufhebungder Verfassung durch König ErnstAugust 1837. Sieben Göttinger Pro-fessoren, u. a. die Brüder Grimm,büßten ihren Protest hiergegen mitder Entlassung. Seither werden die„Göttinger Sieben“ als Symbol fürdemokratische Rechte genutzt.

In Nord- und Westdeutschlandwurde die politische und wirtschaft-liche Übermacht Preußens unter-

Politisches Ständetum in Spätmittelalter und früher Neuzeit

Landesherr

LandtageLandtage

Landstände

Klerus Adel Städte (Landesgemeinden)

BürgerLandbevölkerung

Regelungsbereiche: Finanzen, Verwaltung, Militär

46 Geschichte des Landes Niedersachsen

dessen gar zu deutlich. Daherbemühte sich Hannover, die ande-ren kleineren nordwestdeutschenStaaten um sich zu scharen, so imgegen Preußen gerichteten Steuer-verein von 1834/37 mit den späte-ren Gründungsländern Niedersach-sens. Fallweise paktierte Hannovermit Österreich. Gerade dies aberbrachte 1866 den Verlust der Auto-nomie, während Oldenburg, Braun-schweig und Schaumburg-Lippedurch politisch größere Flexibilitätdem Zugriff Preußens entgingen.

Dies alles macht aus dem Prozessder Territorialentwicklung deutlich,dass immer mehr der Name Nieder-sachsen mit dem welfischen Ho-heitsgebiet verbunden werdenkonnte. Den wesentlichen letztenAnstoß gab merkwürdigerweise dieAnnektion des Königreichs Hanno-ver durch Preußen 1866. Um einhäufiges Missverständnis zu vermei-den: die antipreußische Bewegungwelfisch orientierter Gruppen istnicht gleichzusetzen mit der nieder-sächsischen Heimatbewegung. Al-lerdings gibt es viele Verwandt-schaften, auch personeller Art, undimmer dann, wenn es nicht oppor-tun erschien, einen Begriff, der andie Welfen erinnern könnte, zu ver-wenden, bediente sich die welfischepolitische Bewegung des BegriffsNiedersachsen.

Die am Ende des letzten Jahrhun-derts zunehmend an Bedeutung ge-winnende Heimatbewegung hatte

einen gewichtigen und eigenständi-gen Kern in und um Bremen. Hier,wie auch in Hannover, bedienteman sich des alten SammelbegriffsNiedersachsen, um primär auf dashiesige bäuerliche Element hinzu-weisen, dass es gegen Verstädte-rung und Proletarisierung zu schüt-zen und als gesellschaftliches Vor-bild zu pflegen gälte. Bemerkens-werterweise waren es in Wirtschaftund Staat gut etablierte Bürger, diedieses dachten. Rasch durchmisch-ten sich produktive Heimatpflege,die vor zu schneller Veränderungund unwiederbringlicher Zer-störung bewahren wollte, mit anti-zivilisatorischer politischer Haltung,die gerade nach dem Ersten Welt-krieg nationalistisch bis völkischwurde. Von der Heimatbewegungwurden die angeblich so einigen-den Bänder, die Niedersachsen zu-sammenhielten, gewebt, seien siedie gemeinsame Abstammung vonden Altsachsen oder aber das Hal-lenhaus, womöglich mit den alsaltsächsisch postulierten Pferdeköp-fen, oder der Beginn der nieder-sächsischen Geschichte vor etwa1200 Jahren im Kampf Widukindsgegen den „Sachsenschlächter“Karl. Da verwies politisch manchesauf den Nationalsozialismus, imökologischen Gedanken der Hei-matpflege aber auch auf die heuti-gen Umweltbewegungen.

Unterdessen erweiterte sich diesoziale Kluft zwischen dem Proleta-

Geschichte des Landes Niedersachsen 47

riat in den wenigen industriellenZentren, den Kleinstellenbesitzernund Landarbeitern auf der einenSeite und auf der anderen Seite dentraditionellen Führungsgruppen,den Bauern und der wachsendenZahl von Personen, die in Verwal-tung und Wirtschaft reüssierten. Inden größeren Städten und den Ge-werbeorten gewann die Sozialde-mokratie zunehmend an Bedeu-tung. Auf dem Lande herrschten diekonservativen Parteien vor, in derProvinz Hannover die Welfenan-hänger, die auf Reichsebene in ihrerantipreußischen Haltung mit dempolitischen Katholizismus koope-rierten.

Die gerade seit den zwanzigerJahren um den Geographen KurtBrüning gedeihenden Forschungenzur wirtschaftlichen Entwicklungzeigten parallel dazu manche Ver-flechtungen auf dem Gebiet desheutigen Niedersachsen. Brüningselber legte Denkschriften vor, dieein Niedersachsen unter Einschlussu. a. beider Teile Schaumburgs undLippe-Detmolds für sinnvoll hielten.Die von Hugo Preuß nach demErsten Weltkrieg ausgearbeitete, al-lerdings gescheiterte, Neuordnungim deutschen Reich sah als Gegen-gewicht zu einem übermächtigenLand Preußen ein Reichsgebiet Nie-dersachsen unter Einschluss vonSchleswig-Holstein vor. Der welfi-schen politischen Partei DHP miss-lang schließlich 1924 ein Volksbe-

gehren zur Wiederherstellung desLandes Hannover, um das es zur In-tegration anderer politischer Kräfteauch Pläne für ein Land Niedersach-sen gegeben hatte.

Die Wahlergebnisse zu Beginnder dreißiger Jahre zeigen, wierasch die konservativen Wähler zurNSDAP übergingen und ihr breiteMehrheiten schufen. In den katholi-schen Gebieten Niedersachsens unddort, wo die SPD stark war, blieb dieDistanz zum NS-Regime größer undvereinzelt regte sich Widerstand.Niedersachsen spielte mit seinenAgrarpotentialen eine wichtigeRolle in der kriegsvorbereitendenAutarkiepolititk, und Hannover,Braunschweig, nun auch Salzgitter(Hermann-Göring-Werke) und die„Stadt des KdF-Wagens bei Fallers-leben“ (Wolfsburg) wurden geradewährend des Zweiten WeltkriegesRüstungszentren. Bei Munster wur-de zur Kriegsvorbereitung der Trup-penübungsplatz angelegt. Um dieStädte und in abgelegenen Gebie-ten der Geest entstanden Arbeits-und Konzentrationslager für An-dersdenkende, Juden, Ostarbeiteroder Kriegsgefangene: Bergen-Bel-sen liegt in Niedersachsen. Nach derBefreiung durch die alliierten Trup-pen fiel der Neuanfang schwer, dadie großen Städte zerstört warenund Heimatvertriebene und Flücht-linge zu integrieren waren.

Niedersachsen entstand 1946 kei-neswegs aus dem Nichts. Zumindest

48 Geschichte des Landes Niedersachsen

seit dem Ausgang des 19. Jahrhun-derts war manches vorbereitetworden, sodass der SozialdemokratHinrich Wilhelm Kopf in enger An-lehnung an die deutsch-hannover-sche politische Bewegung sich imLaufe des Jahres 1945 bereits soweit durchzusetzen vermochte, dassein „Gebietsrat Niedersachsen“ fürdie noch eigenständigen Länderund die hiesigen Provinzen des auf-gelösten Landes Preußen eingerich-tet wurde, dessen Ergebnisse nach

langen Verhandlungen und man-chen zähen Widerständen die Ver-ordnung Nr. 55 der britischen Mil-tärregierung vom 8. Nov. 1946 wur-de: aus den Ländern Oldenburg,Schaumburg-Lippe, Braunschweigund Hannover wurde das Land Nie-dersachsen.

Sobald, insbesondere nach derWährungsreform 1948, die Wirt-schaft allmählich wieder zu florie-ren begann, wanderten die Ausge-bombten zurück in die wiederauf-

Geschichte des Landes Niedersachsen 49

zubauenden Städte. Problemati-scher war die Lage der Heimatver-triebenen und Flüchtlinge, derenAnteil an der niedersächsischen Be-völkerung zu Beginn der sechzigerJahre ca. 30 % ausmachte. Vielehofften auf baldige Rückkehr undblieben daher im östlichen Nieder-sachsen. Oft ließ es die aufnehmen-de Bevölkerung an Gastfreund-schaft mangeln. Heimatvertriebeneund Flüchtlinge organisierten sichdaher nicht nur vor Ort, sondernschufen sich mit dem BHE (Block derHeimatvertriebenen und Entrechte-ten) eine eigene politische Partei,die bei den ersten Landtagswahlen1951 ca. 15 % der Stimmen gewann.1963 schied der BHE freilich aus demLandtag aus. Die mittlerweile vor-anschreitende Integration der Hei-matvertriebenen und Flüchtlinge ist ganz offensichtlich dem Wirt-schaftswachstum zu verdanken. Vorallen anderen Städten und Fabri-ken profitierten hiervon die StadtWolfsburg und VW.

Die regionale Vielfalt Niedersach-sens blieb nichtsdestoweniger be-stehen. Gerade in den Gebieten, diesich einst vom hannoversch-welfi-schen und vom preußischen Einflusshatten frei halten können, voran inOldenburg und in Schaumburg-Lip-pe, hielt die Sorge vor einer zentra-lisierenden Vereinnahmung an. Ol-denburg stellte immerhin einen ei-genständigen Verwaltungsbezirkdar. Von den sechs zur späteren Ab-

stimmung gelangenden Volksbe-gehren über die Neugliederung desBundesgebietes waren 1956 die bei-den aus Niedersachsen erfolgreich,eben diejenigen aus Oldenburg und Schaumburg-Lippe. In den ab-schließenden Volksentscheiden von1975 stimmten in Oldenburg 31,0 %und in Schaumburg-Lippe 39,5 %der Abstimmungsbeteiligten für dieWiederherstellung eigener Länder.Dies reichte nicht aus, um eine ent-sprechende Entscheidung des Bun-destages herbeizuführen, jedochhalf es, über die Traditionsbestim-mungen der vorläufigen Nieder-sächsischen Verfassung hinaus, Ein-richtungen kultureller Eigenstän-digkeit in beiden Landesteilen zufördern. So ist Niedersachsen heuteallemal kein Zentralstaat. Vielmehrkönnen die regionalen kulturellenSpezifika von Ostfriesland bis zumEichsfeld weiterhin gepflegt wer-den.

Viele Aspekte der jüngeren Ge-schichte Niedersachsens werden inanderen Abschnitten dieses Bandesbehandelt, ein Sachverhalt solltefreilich gesondert beachtet werden.

Mit der fast 550 km langen Gren-ze zur sowjetischen Besatzungszo-ne, dann DDR, hatte Ostniedersach-sen bis 1989 einen Teil seines Hinter-landes verloren. Zusammengehöri-ge Orte oder Regionen waren ge-teilt. Hiervon war insbesondere der Landkreis Lüchow-Dannenbergnachteilig betroffen. Immerhin

50 Geschichte des Landes Niedersachsen

konnte die Zonenrandförderungmanchen wirtschaftlichen Ausgleichleisten. Die Öffnung der DDR-West-grenze und die anschließende Wie-dervereinigung halfen, an Traditio-nen anzuknüpfen, stellten aber dieGebiete, für die eine Zonenrandför-derung nun entfiel, vor neue Her-ausforderungen.

FolgerungenDieses Niedersachsen, dessen

räumliche Vielfalt aus dem Mittel-alter herrührt und dessen wirt-schaftliche Mittelmäßigkeit schonvor der Industrialisierung feststand,kann historisch gar nichts anderessein – als sehr unterschiedlich. Nichtdie Randlage ist prägend, sonderndie Mittellage zwischen Ost undWest, Nord und Süd. Dieses hat überdie Jahrhunderte hinweg eine steteDurchmischung von Abkapselung

und Öffnung geschaffen, eine be-sondere historisch-kuturelle Viel-falt. Darauf beruht regionale Iden-tität, und in dieser liegt die Kraft zukreativem Wachstum.

Niedersachsen war stets sehr dif-ferenziert, zugleich in Gänze immereher Durchschnitt und ein wenigdem Fortschritt hinterher. Das hatvergleichsweise auskömmliche Le-bensbedingungen geschaffen unddie Chance geboten, ohne allzu vie-le Fehler aus den Vorbildern zu ler-nen. Konkurrierende Imitation undnachholende Modernisierung sinddaher niedersächsische Prinzipien.Im Hinblick auf das Jahr 2000 magstatt „sturmfest und erdverwach-sen“ ein anderes Motto für Nieder-sachsen geeigneter sein: bodenstän-dig, aber zukunftsfähig.

Carl-Hans Hauptmeyer

Der norddeutsche Raum ist imDurchschnitt wesentlich dünner be-siedelt als das übrige Bundesgebiet.Die Bevölkerungsdichte erreicht inNiedersachsen nur etwa 70 % desBundesdurchschnitts in Deutsch-land. Innerhalb des Landes ist dieBevölkerung zudem räumlich aus-gesprochen ungleich verteilt. Dasgesamte mittlere und nördliche Nie-

dersachsen ist mit Ausnahme desUmlandes von Hamburg und Bre-men sowie der übrigen größerenHafenstädte dünn besiedelt. Beson-ders gering ist die Bevölkerungs-dichte in einem Streifen, der sichvom Wendland über die Lünebur-ger Heide und das Elbe-Weser-Drei-eck bis in den nordfriesischen Raumerstreckt, sowie im mittleren und

Bevölkerung und Siedlung

Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau

Größere Städte und Gemeinden sowie Bevölkerungsdichte 1998

Gemeinden bzw. Samtgemein-den(Verwaltungseinheiten)in Niedersachsen sowie Hamburg und Bremen

N I W Niedersächsisches Insti-tut für Wirtschafsfor-

Städte und Gemeinden (Samtgemeinden)20000 und mehr Einwohner

Einwohner je km2 (Landkreise bzw. kreisfreie Städte)

52 Bevölkerung und Siedlung – Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau

westlichen Niedersachsen in denGeest- und Moorgebieten nördlichder Mittelgebirgsrandzone. Derstärker industrialisierte Mittelge-birgsraum (Osnabrück, Leine- undWeserbergland, Harz) ist demge-genüber deutlich dichter besiedelt.

Herausragendes großstädtischesZentrum ist die LandeshauptstadtHannover (521.000 Einwohner am1.1.1998).

Mit deutlichem Abstand folgeninnerhalb von Niedersachsen dieGroßstädte Braunschweig (249.000),Osnabrück (167.000), Oldenburg(154.000), Göttingen (127.000),Wolfsburg (123.000), Salzgitter(115.000) und Hildesheim (105.000).Insgesamt leben in großen Städtenmit mehr als 100.000 Einwohnernknapp 1,6 Mio. Menschen oderetwa 20 % der Gesamtbevölkerungdes Landes Niedersachsen. Vongroßer Bedeutung für das nördlichebzw. nordöstliche Niedersachsensind aufgrund der intensivenWirtschafts- und Arbeitsmarktver-flechtungen die beiden größtennorddeutschen Städte Hamburg(1,7 Mio. Einwohner) und Bremen(547.000), die unmittelbar an Nie-dersachsen angrenzen bzw. von die-sem umschlossen werden.

Auch die zum Land Bremengehörende Großstadt Bremerhaven(127.000) wird von den niedersäch-sischen Landkreisen Cuxhaven undWesermarsch umschlossen.

Bevölkerungsentwicklung

Die Bevölkerungszahlen sowiederen Zusammensetzung nach Al-tersgruppen bilden wichtige Rah-mendaten für die regionale Ent-wicklung. Sie sind nicht nur einegrundlegende Bestimmungsgrößefür das Angebot an Arbeitskräftenauf dem regionalen Arbeitsmarkt,sondern sie prägen auch in wesent-lichen Zügen die Nachfrage nachhaushaltsorientierten Dienstleistun-gen, nach Wohnungen sowie nachInfrastrukturleistungen. Die Bevöl-kerungsentwicklung insgesamt er-gibt sich aus dem Zusammenspielvon vier Komponenten: den Gebo-renen und den Sterbefällen (natürli-che Entwicklung) sowie den Zu- undFortzügen (Wanderungssaldo).

Die natürliche Bevölkerungsent-wicklung war in den 80er-Jahren inNiedersachsen aufgrund des ungün-stigeren demographischen Aufbausdeutlich schwächer als im Bundes-gebiet. Seit Ende der 80er-Jahre ver-ringerte sich der Abstand aber zu-nehmend, und in den letzten Jahrenwar die natürliche Entwicklung inNiedersachsen – ebenso wie in denalten Bundesländern – fast ausgegli-chen.

In der Rezession in der erstenHälfte der letzten Jahrzehnte kames in Niedersachsen vorübergehendzu Wanderungsverlusten, die aberbald wieder in Wanderungsüber-schüsse umschlugen. Gegen Ende

Bevölkerung und Siedlung – Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau 53

der 80er-Jahre stiegen dann aberdie Wanderungsgewinne in Nieder-sachsen ebenso wie im übrigen Bun-desgebiet durch die starken Zuwan-derungen über die Außengrenzen(Asylbewerber, Aussiedler aus denNachfolgestaaten des Sowjet-Unionund später Bürgerkriegsflüchtlinge)sowie die Öffnung der innerdeut-schen Grenze sprunghaft an. DieWanderungsintensität war zunächstnicht ganz so hoch wie im Bundes-durchschnitt, nach Überschreitendes bundesweiten Höhepunkts imJahr 1990 gingen die Zuwanderun-gen nach Niedersachsen aber nichtso schnell zurück wie in den übrigenBundesländern. Die relativen Wan-derungsgewinne der Jahre 1993 bis1998 waren in Niedersachsen etwadoppelt so hoch wie im Bundes-durchschnitt. Von 1989 bis 1993 hat-te Niedersachsen damit einen Wan-derungsüberschuss von etwas mehrals 100.000 Personen pro Jahr, ge-genüber 11.000 im Durchschnitt derJahre 1980 bis 1989. Von 1993 bis1998 betrug der Wanderungsge-winn durchschnittlich 55.000 Ein-

wohner. Seit 1989 hat Niedersach-sen damit per Saldo knapp 680.000Einwohner durch Zuwanderungenhinzugewonnen.

Die Wanderungsgewinne desLandes Niedersachsen beziehen sichdabei weitgehend auf Zuwanderun-gen aus dem Ausland, weil das Landgegenüber den anderen Bundeslän-dern insgesamt mehr Fort- als Zuzü-ge aufweist. Von 1993 bis 1997 hat-te Niedersachsen einen Außenwan-derungsüberschuss von 281.000 Per-sonen (Die Zahlen dürften um min-destens 30.000 bis 40.000 zu niedrigsein, da die melderechtliche Erfas-sung der Aussiedler 1993 vorüber-gehend ausgesetzt wurde.), demein Binnenwanderungsverlust vonetwa 37.000 Personen gegenüber-stand. Hinsichtlich der Außenwan-derungsgewinne lag Niedersachsendamit an der Spitze aller Bundes-länder. In den Jahren 1993 bis 1997nahm Niedersachsen insgesamt 19 % der Zuwandernden nachDeutschland auf, 1996 sogar mehrals 25 %. Die größte Gruppe der Zu-wanderer waren dabei Aussiedler

Natürliche Bevölkerungsentwicklung je 1.000 Einwohner

54 Bevölkerung und Siedlung – Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau

aus den Nachfolgestaaten der So-wjetunion.

Insgesamt war damit die Bevölke-rungsentwicklung in Niedersachsenvon Mitte der 80er-Jahre bis Anfangder 90er-Jahre schwächer als imBundesdurchschnitt. Die durch-schnittliche Wachstumsrate der Be-völkerung von 1980 bis 1989 lag inNiedersachsen um mehr als ein Drit-tel unter dem Bundesdurchschnitt.Nach der Wiedervereinigung holteNiedersachsen auf, und nach 1992übertraf das Bevölkerungswachs-tum aufgrund der stärkeren Zuwan-derungen den Bundeswert teilweisesogar deutlich.

Das bundesweit zu beobachten-de Land-Stadt-Gefälle in der natürli-chen Entwicklung ist auch in Nieder-

sachsen nach wie vor besonders aus-geprägt, wenn es auch seit den80er-Jahren tendenziell geringergeworden ist. An der Spitze des Ge-borenendefizits bzw. Gestorbe-nenüberschusses stehen die nord-deutschen Großstädte. Sie werdennur noch übertroffen von einigenKur- und Altersruhesitzorten. Her-ausragend ist demgegenüber dieüberdurchschnittliche natürlicheEntwicklung in den ländlichen Re-gionen des westlichen Niedersach-sen, in denen die bundesweit höch-sten Geborenenzahlen zu findensind. Auch die Umlandbereiche derGroßstädte, die seit langem von derZuwanderung überwiegend „jun-ger Haushalte“ profitieren, weisen(aus demographischen Gründen) ei-

Bevölkerungsentwicklung je 1.000 Einwohner

Bevölkerung und Siedlung – Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau 55

ne vergleichsweise günstige natür-liche Entwicklung auf (z. B. die Um-landkreise von Hamburg und Bre-men). Trotzdem bleibt insgesamtdie natürliche Entwicklung in denAgglomerationsräumen deutlichschwächer als in den übrigen Re-gionen.

Das räumliche Muster der Wan-derungen ist seit langem durch dieSuburbanisierung der Bevölkerung,d. h. den Wegzug (vor allem ein-kommensstärkerer) Haushalte ausden größeren Städten in das nähereund weitere Umland mit attrakti-

veren Wohnstandortbedingungengekennzeichnet. Von Abwanderun-gen geprägt waren in der Vergan-genheit darüber hinaus die vonstrukturellen Anpassungsprozessengekennzeichneten Regionen, so z.B. die Küstenregionen sowie die Re-gion Braunschweig/Salzgitter, derHarz und das Weserbergland. Nachder Wiedervereinigung habenzunächst alle Landesteile mehr oderweniger stark von dem Nettozu-strom an Bevölkerung profitiert. So-wohl die Großstädte als auch dieländlichen Regionen, die in den

Natürliche Bevölkerungsentwicklung 1993 bis 1998

N I W Niedersächsisches Insti-tut für Wirtschafsfor-

Gemeinden bzw. Samtgemein-den(Verwaltungseinheiten)in Niedersachsensowie Hamburg und Bremen

(Geborene abzgl. Gestorbene,jeweils 1. 1.)

relative Entwicklung in v.T. (Jahresdurchschnit-te)

absolute Entwick-

56 Bevölkerung und Siedlung – Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau

80er-Jahren durch Abwanderungengeprägt waren, konnten z. T. rechtstarke Zuwanderungsströme aufsich lenken.

In den letzten Jahren haben sichdie regionalen Unterschiede hin-sichtlich der räumlichen Bevölke-rungsmobilität wieder vergrößert.Fast unvermindert sind Zuwande-rungen von Aussiedlern zu verzeich-nen. Zielregionen waren in erster Li-nie ländliche Regionen im westli-chen Niedersachsen (Cloppenburg,Vechta, Emsland und Teile des Land-kreises Osnabrück) aber auch immittleren und östlichen Niedersach-sen (Gifhorn oder Nienburg). Eherverstärkt haben sich wieder die Sub-urbanisierungstendenzen, d. h. dieAbwanderungen von überwiegendjüngeren Haushalten aus dengroßen Städten ins nähere und wei-tere Umland.

In einigen Landesteilen lösen diewirtschaftlichen Struktur- und An-passungsprobleme zunehmend Ab-wanderungstendenzen aus, die dieZuwanderungen teilweise bereitsübertreffen. Durch insgesamt nurnoch geringe Wanderungsüber-schüsse sind in den letzten Jahrendie südniedersächsischen RegionenOsterode, Goslar, Helmstedt sowiedie Wirtschaftsräume Wolfsburgund Braunschweig/Salzgitter ge-kennzeichnet, deutliche Wande-rungsverluste haben hier bereits dieKernstädte Wolfsburg und Braun-schweig. Ebenfalls nur noch geringe

Wanderungsüberschüsse weisen dieKüstenregionen auf.

Das räumliche Muster der Bevöl-kerungsentwicklung insgesamt warin der ersten Hälfte der 80er-Jahrein Niedersachsen relativ eindeutig.Insgesamt standen den starken Be-völkerungsverlusten der Großstädteentsprechende Gewinne in den Um-landkreisen gegenüber. Darüberhinaus verzeichneten die ländlichgeprägten Räume, insbesondere imwestlichen Niedersachsen, beträcht-liche Bevölkerungszuwächse. Ver-gleichsweise schwach war insge-samt die Entwicklung der Verdich-tungsräume Hannover und Braun-schweig/Salzgitter. Noch stärker wa-ren die Bevölkerungsverluste in densüdniedersächsischen Mittelgebirgs-räumen (Leine-Weser-Bergland undHarz).

Nach der Öffnung der innerdeut-schen Grenze und der sprunghaftenZunahme der Zuwanderung überdie deutschen Außengrenzen ebne-ten sich bei insgesamt erheblichhöherem Wachstum die regionalenUnterschiede in der Bevölkerungs-entwicklung tendenziell ein, wenn-gleich die großräumlichen Grund-strukturen weitgehend blieben. Vorallem das ehemalige Zonenrandge-biet konnte seinen Rückstand zumBundestrend deutlich verringern.

Nach dem Auslaufen des Wieder-vereinigungsbooms und der Ab-schwächung der Außenwande-rungsgewinne vergrößerten sich in

Bevölkerung und Siedlung – Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau 57

den letzten Jahren die Unterschiedein der Bevölkerungsentwicklungwieder. Im Küstenraum verringertesich die Bevölkerungsdynamik sostark, dass in den Zentren bereitswieder zunehmend Bevölkerungs-verluste auftreten. In dem ehemali-gen Zonenrandgebiet gingen dieEinwohnerzahlen mit dem Abflau-en der Zuwanderungsströme unddem Anwachsen der wirtschaftli-chen Strukturprobleme nicht nur inden Zentren (Wolfsburg, Braun-schweig, Salzgitter), sondern auchim Raum Helmstedt/Goslar/Ostero-de wieder zurück. Auf der anderenSeite blieb die Bevölkerungsdyna-mik im westlichen Niedersachsenweiterhin stark überdurchschnitt-lich. Ausgesprochen weit blieb wei-terhin die Bevölkerungsdynamik inden ländlichen Regionen des mittle-ren Niedersachsen zwischen dengroßstädtischen Zentren Hamburg,Bremen und Hannover. Offensicht-lich haben sich die Suburbanisie-rungstendenzen seit dem Ab-schwächen der gesamtwirtschaftli-chen Bevölkerungsdynamik wiederdeutlich verstärkt. Auch für die mei-sten der mittleren und kleinerenGroßstädte außerhalb der Verdich-tungsräume ließen sich gewisseSuburbanisierungstrends feststel-len. Insgesamt haben sich dieWachstumsrelationen zwischen denRegionen gegenüber den 80er-Jah-ren deutlich verschoben. Noch wei-ter zurückgefallen sind die südost-

und südniedersächsischen Regionenmit Ausnahme des Verdichtungs-raumes Hannover, während vor al-lem die Umlandbereiche der Ver-dichtungsräume Hamburg und Bre-men hinzugewinnen konnten. Wei-terhin weit überdurchschnittlich istdie Bevölkerungsentwicklung imwestlichen Niedersachsen, relativstärker als in den 80er-Jahren ist dieDynamik in Ostfriesland und imRaum Oldenburg.

Altersaufbau

Die regionsspezifische Bevölke-rungsentwicklung und der Alters-aufbau der Bevölkerung hängeneng zusammen. Der Anteil der jun-gen Familien bestimmt (neben demgenerativen Verhaltens) wesentlichdie Geborenenzahlen in einer Regi-on, und diese bilden wiederum je-weils die neue Basis eines Altersjahr-gangs der Alterspyramide. Darüberhinaus überformen auch die Zu-und Abwanderungen aufgrund ih-rer meist selektiven Wirkungen dieAltersstruktur einer Region. Da zu-meist die jüngeren und mittlerenAltersjahrgänge überdurchschnitt-lich mobil sind, führt dies in Abwan-derungsregionen zu einer Ausdün-nung und in den Zielregionen zu ei-ner Verstärkung dieser Altersgrup-pen. Regionen mit langfristigen Ab-wanderungstendenzen sind von da-her in der Regel durch eine Überal-terung der Bevölkerung gekenn-

58 Bevölkerung und Siedlung – Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau

zeichnet. Zuwanderungsregionenhaben demgegenüber eine ver-gleichsweise breite Basis nachwach-sender Altersjahrgänge. Dies gilt inähnlicher Weise auch für die größe-ren Städte und ihr Umfeld aufgrundder kleinräumlichen Stadt-Umland-Wanderungen. Die „Bildungswan-derungen“ führen hingegen zu ei-ner Konzentration der Altersgrup-pen zwischen 18 und etwa 25 Jah-ren in den Standorten der Berufs-bildungseinrichtungen und Hoch-schulen. Die Wanderungsströme der „Ruhesitzwanderer“ vergrös-sern tendenziell die Überalterung inden Zielregionen.

Der Altersaufbau der Bevölke-rung in der Bundesrepublik weistmit seinen Anomalien in allen Re-gionen ähnliche Grundstrukturenauf, in denen sich die Bevölkerungs-vorgänge der Vergangenheit spie-geln: Die Geborenenausfälle wäh-rend des Ersten Weltkrieges und derWeltwirtschaftskrise sowie zu Endedes Zweiten Weltkrieges lassen sichals scharfe Einschnitte heute ebensonoch erkennen wie etwa die gebur-tenstarken Jahrgänge aus der er-sten Hälfte der 60er-Jahre. Der da-nach einsetzende rapide Gebore-nenrückgang hat innerhalb wenigerJahre die Besetzungsstärke dernachwachsenden Jahrgänge nahe-zu halbiert. Die Anomalien im Alter-saufbau der Bevölkerung stellen dieGesellschaft im Bildungs- und Aus-bildungsbereich sowie im Arbeits-

marktbereich vor gravierende An-passungsprobleme. Der „Geburten-berg“ aus den sechziger Jahrenmachte zunächst in den Primar- unddann in den Sekundarstufen derSchulen erhebliche Kapazitätsaus-weitungen notwendig und führtedann zu weiter stark ansteigendenStudierendenzahlen in den Hoch-schulen. Zusammen mit allgemei-nen Tendenzen zu verlängerterschulischer Bildung und steigendenÜbergängen zu weiterführendenBildungsformen führte die demo-graphische Entwicklung dann zu ei-nem starken Rückgang der Nachfra-ge nach Ausbildungsplätzen. Mitt-lerweile sind die geburtenstarkenJahrgänge längst in das Alter derFamiliengründung hineingewach-sen und deren Kinder („Sekundär-welle“ des Geburtenberges) sor-gen für (vorübergehend) steigendeSchüler- und Studierendenzahlen.Die Geborenenzahlen sind wiederzurückgegangen, und in wenigenJahren werden sich die Schülerjahr-gänge nahezu halbieren. Der für dieZeit nach der Jahrtausendwende zuerwartende Bevölkerungsrückgangbei gleichzeitigem Ansteigen derZahlen von älteren Menschen wirddie Gesellschaft vor neue Herausfor-derungen stellen. Nicht nur dieheute bereits diskutierten Engpässein der Alterssicherung aufgrund der sich gravierend verschiebendenRelationen zwischen aktiven undnichtaktiven Bevölkerungsteilen

Bevölkerung und Siedlung – Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau 59

stehen bevor, sondern auch Proble-me im Zusammenhang mit derNachfrage nach altersspezifisch un-terschiedlich in Anspruch genom-menen Infrastrukturkapazitäten.

Der Altersaufbau der Bevölke-rung in Niedersachsen insgesamtweicht nur noch geringfügig vondem oben skizzierten Grundmuster(für Westdeutschland) ab, so ist ei-nerseits der Anteil der Kinder undJugendlichen (in den Altersgruppenzwischen 6 und 25 Jahren), anderer-seits aber auch der Anteil der al-ten Menschen (ab dem 65. Lebens-

jahr) geringfügig größer, währenddie mittleren Jahrgänge etwasschwächer besetzt sind.

Innerhalb von Niedersachsen be-stehen aber beträchtliche Unter-schiede im Altersaufbau zwischenStadt und Land sowie zwischen denwestlichen und den südöstlichenLandesteilen. Vor allem die ländli-chen Regionen im Westen des Lan-des mit den traditionell hohen Ge-borenenraten weisen nach wie vorweit überdurchschnittlich hohe An-teile von Kindern und Jugendlichenauf, besonders z. B. die Kreise Clop-

Anteil der Kinder und Jugendlichen an der Bevölkerung

N I W Niedersächsisches Insti-tut für Wirtschafsfor-

Gemeinden bzw. Samtgemein-den(Verwaltungseinheiten)in Niedersachsensowie Hamburg und Bremen

(unter 18 Jahren, Stand 1. 1. 1998)

Anteil an der Bevölkerung insgesamt in %

60 Bevölkerung und Siedlung – Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau

penburg, Emsland, Vechta. In diesenRegionen ist dementsprechendauch weiterhin ein besonders aus-geprägter demographisch beding-ter Anstieg des Arbeitskräfteange-bots zu erwarten. In den großstädti-schen Räumen hingegen sind auf-grund der niedrigeren Geborenen-raten vor allem in den Kernstädtendie nachwachsenden Jahrgängeschwächer besetzt. Kompensiertwird diese Entwicklung etwas durcheine günstigere Altersstruktur imUmfeld, die vor allem auf Zuwande-rungen von Familien mit Kindern

zurückzuführen ist. Einen über-durchschnittlichen Anteil von Bevöl-kerung im Rentenalter weisen dieLandkreise des Harzraumes (Goslarund Osterode), des Weserberglan-des (Kreise Hameln-Pyrmont undHolzminden) sowie die ländlich ge-prägten Kreise des nordöstlichenNiedersachsen auf.

Die Altersstruktur der Städtehängt in starkem Maße von derStadtgröße, der wirtschaftlichenEntwicklung und ihren besonderenFunktionen (Hochschulstandorte,Kurorte, Tourismusstandorte) ab.

Anteil der älteren Menschen an der Bevölkerung

N I W Niedersächsisches Insti-tut für Wirtschafsfor-

Gemeinden bzw. Samtgemein-den(Verwaltungseinheiten)in Niedersachsensowie Hamburg und Bremen

(65 Jahre und älter, Stand 1. 1.1998)

Anteil an der Bevölkerung insgesamt in %

Bevölkerung und Siedlung – Bevölkerungsentwicklung und Altersaufbau 61

In den größeren Städten verursa-chen die Suburbanisierungsprozessedurch Wegzug von jungen Familienin das Umland eine Bevölkerungs-entmischung, die tendenziell zurÜberalterung führt. Eine besondersstarke Überalterung haben Hanno-ver, Braunschweig und Hildesheim.Städte mit wirtschaftlichen Struk-turproblemen, die über längere Zeitwegen der ungünstigen Arbeits-platzentwicklung an Bevölkerungverloren haben, neigen ebenfallszur Überalterung (z. B. Wilhelmsha-ven oder Peine). Eine Reihe vonStädten der mittleren Größenord-nung haben offensichtlich eine be-sondere Funktion als bevorzugte Al-tersruhesitzstandorte. Nicht nur inden klassischen Bädern (wie Bad Py-rmont oder Bad Harzburg), sondernauch in vielen der kleineren (ehe-maligen) Kreisstädte (z. B. Münden,Goslar, Hameln, Celle oder Lüne-burg) ist der Anteil der alten Men-schen überproportional hoch. Diegroßstädtischen Zentren (Hannover,Braunschweig) und vor allem die (inNiedersachsen teilweise auch klei-neren) Hochschul- und Fachhoch-schulstandorte (Göttingen, Osn-abrück, Lüneburg und Oldenburg)haben als Zielregionen der „Ausbil-dungswanderer“ eine teilweise weitüberdurchschnittliche Besetzung anjungen Menschen zwischen dem 18.und etwa dem 30. Lebensjahr.

Insgesamt werden sich allein auf-grund dieser Unterschiede imAltersaufbau deutlich abweichendePerspektiven der Bevölkerungsent-wicklung ergeben. So ist insbeson-dere in den ländlichen Regionen deswestlichen Niedersachsen weiterhinein demographisch bedingter An-stieg des Arbeitskräftepotentials zuerwarten. Die Regionen des südli-chen und südöstlichen Niedersach-sen dürften hingegen allein auf-grund der schwächer besetztennachwachsenden Jahrgänge undstärkerer Altersjahrgänge, die ausdem Ewerbsleben ausscheiden, aufdem Arbeitsmarkt eine relative„Entlastung“ erfahren. Demge-genüber besteht die Gefahr, dassdie schwächere „Erneuerung“ desArbeitskräftepotentials auch denqualifizierten Nachwuchs beein-trächtigt.

Insgesamt werden die oben skiz-zierten wirtschaftlichen und gesell-schaftlichen Konsequenzen aus denAnomalien des Altersaufbaus dieRegionen in unterschiedlichem Aus-maß treffen. Vor allem die demo-graphischen Probleme der Groß-städte dürften sich noch weiter ver-schärfen und auf längere Sicht neueFormen des Lasten- und Interessen-ausgleichs mit den umliegenden Re-gionen notwendig machen.

Hans-Ulrich Jung

Arbeitslosigkeit ergibt sich ausdem Auseinanderklaffen von Ar-beitskräfteangebot und Arbeits-kräftenachfrage auf den (regiona-len) Arbeitsmärkten. Wichtigste De-terminanten der Veränderung desArbeitskräfteangebots sind nebender demographischen Komponente,d.h. dem Altersaufbau und der Ver-änderung der Altersstruktur durchZu- bzw. Abwanderungen, die Er-werbsbeteiligung. Darüber hinauswird das Arbeitskräfteangebot aufden regionalen Arbeitsmärktenauch durch Pendlerverflechtungenbeeinflusst: Einpendler erhöhenund Auspendler verringern das re-gionale Arbeitskräfteangebot. DieArbeitskräftenachfrage steht in en-gem Zusammenhang mit dem wirt-schaftlichen Wachstum und dieseswiederum mit der Wettbewerbs-fähigkeit der in der Region produ-zierten Güter und Dienstleistungen.Wichtige Determinanten der Wett-bewerbsfähigkeit sind die Produkti-onskosten (u. a. Löhne und Prozess-innovationen) sowie der Innovati-onsgehalt der angebotenen Güter-und Dienstleistungspalette (Pro-duktinnovationen). In diesem Zu-sammenhang spielen Forschungs-und Entwicklungsanstrengungender Unternehmen sowie die Quali-fikationsstruktur der Arbeitskräfteeine besondere Rolle.

Erwerbstätigkeit

Von den 7,8 Mio. Einwohnern inNiedersachsen im Jahr 1997 waren5,3 Mio. im Alter von 15 bis unter 65Jahren und galten damit als Er-werbsfähige (Ergebnisse des Mikro-zensus vom April 1997). Von diesenwaren wiederum 3,4 Mio. tatsäch-lich erwerbstätig. Weitere 344.000Personen strebten als Erwerbsloseeine Erwerbstätigkeit an, sodass mitinsgesamt 3,7 Mio. Erwerbsperso-nen die potentielle Erwerbsbeteili-gung (Erwerbspersonen bezogenauf die erwerbsfähige Bevölkerungim Alter von 15 bis unter 65 Jahre)bei 69,6 % lag. Bei den Männern lagdie Erwerbsquote bei 79,5 % undbei den Frauen bei 59,2 %.

Die Erwerbsbeteiligung weist ty-pische geschlechts- und altersspezi-fische Unterschiede auf. Bei denFrauen ist die Erwerbsbeteiligungnicht nur tendenziell niedriger, son-dern hat auch in den mittleren Al-tersjahrgängen einen deutlich an-deren Verlauf als bei den Männern.Die Erwerbsbeteiligung sinkt zwi-schen dem 25. und 30. Lebensjahrwieder, weil Frauen in der Phase derFamiliengründung bzw. nach derGeburt von Kindern vorübergehendaus dem Erwerbsleben ausscheiden.Zwischen dem 35. und dem 50. Le-bensjahr steigt die Erwerbsbeteili-gung dann wieder an. Die Erwerbs-

Arbeitsmarkt: Erwerbstätigkeit, Arbeitslosigkeit undQualifikationsstrukturen

Bevölkerung und Siedlung – Arbeitsmarkt 63

beteiligung der Männer in Nieder-sachsen unterscheidet sich kaumvon dem Bundesdurchschnitt. Beiden Frauen aber ist in fast allen Al-tersklassen die Beteiligung am Er-werbsleben geringer, und beson-ders der Ausstieg in der Familien-gründungsphase ist nach wie vordeutlich ausgeprägt. Insgesamt sig-nalisieren diese Befunde größereArbeitsmarktprobleme vor allem fürFrauen in den mittleren und älterenJahrgängen in Niedersachsen.

Innerhalb des Landes besteht einbeträchtliches Stadt-Land-Gefälle inder Erwerbsbeteiligung von Frauen,das überlagert wird von einem Ost-West-Gefälle. Die höchste Erwerbs-beteiligung wird in den großstädti-schen Zentren Hannover und Ham-burg sowie in ihrem näheren Um-land aufgrund vielfältigen Ange-bots an Beschäftigungsmöglichkei-ten vor allem im Dienstleistungssek-tor erreicht. Deutlich niedriger istsie in den stärker vom Produzieren-

64 Bevölkerung und Siedlung – Arbeitsmarkt

den Gewerbe geprägten großenStandorten wie Bremen, Braun-schweig, Osnabrück oder auchWolfsburg. Außerhalb der Verdich-tungsräume bieten offensichtlichdie Tourismusregionen sowie diesonstigen von Dienstleistungen ge-prägten Regionen vergleichsweisegünstige Beschäftigungsmöglich-keiten für Frauen. Ausgesprochenniedrig ist demgegenüber die Er-werbsbeteiligung der Frauen imgesamten westniedersächsischenRaum sowie auch im Weserraum, im

Unterelbegebiet und im RaumLüchow-Dannenberg.

Arbeitslosigkeit

Die Arbeitslosigkeit ist in den al-ten Bundesländern nach einem vor-läufigen Tiefstand zu Beginn der80er-Jahre in der dann einsetzen-den Rezession steil angestiegen underreichte im Jahresdurchschnitt1985 mit mehr als 2,3 Mio. Arbeits-losen den vorläufig höchsten Standder Nachkriegszeit. Die Arbeitslo-

Bevölkerung und Siedlung – Arbeitsmarkt 65

senzahlen verharrten in der Folge-zeit auf diesem sehr hohen Niveauvon mehr als 2 Mio. und schmolzennur sehr allmählich ab. Erst mit derÖffnung der innerdeutschen Gren-ze und dem damit verbunden-en (vorübergehenden) Wachstums-schub in den westdeutschen Län-dern gingen die Arbeitslosenbe-stände trotz nicht unbeträchtlicherZuwanderungen und Einpendler-zahlen (in den ehemaligen Grenz-gebieten) mit zunehmender Ge-schwindigkeit zurück. Im Jahres-

durchschnitt 1990 wurde erstmalsdie Grenze von 2 Mio. Arbeitslosen,im Jahr 1991 sogar eine Zahl von 1,7 Mio. unterschritten. Allerdingsschwächte sich der Abbau der Ar-beitslosigkeit im Laufe des Jahres1991 ab, und seit Anfang 1992 stie-gen mit der einsetzenden Rezessiondie Arbeitslosenzahlen wieder mitzunehmendem Tempo an. Im Ver-lauf des Jahres 1994 schwächte sichder Zuwachs der Arbeitslosenzahlenaber wieder stark ab und in der er-sten Hälfte des Jahres 1995 sanken

Erwerbsbeteiligung der Frauen 1997

N I W Niedersächsisches Institutfür Wirtschafsforschung

Gemeinden bzw. Samtgemein-den(Verwaltungseinheiten)in Niedersachsensowie Hamburg und Bremen

Beschäftigte am Wohnort bezogen auf dieErwerbsfähigen (18 bis unter 65 Jahre) in %

66 Bevölkerung und Siedlung – Arbeitsmarkt

die Arbeitslosenzahlen vorüberge-hend sogar leicht. Im Jahresdurch-schnitt 1995 lag die Arbeitslosen-zahl in Westdeutschland bei 2,6Mio. Die Abschwächung des ge-samtwirtschaftlichen Wachstumsund vor allem auch die Auswirkun-gen der Anpassungsprozesse in denUnternehmen führten seit Mitte1995 zu einem kräftigen Wiederan-stieg der Arbeitslosenzahlen. Mitte1997 erreichten die Arbeitslosen-zahlen in Westdeutschland knapp3,0 Mio. und lagen damit um fastzwei Drittel höher als 1992. Im Ver-lauf des Jahres 1997 hat sich der An-stieg der Arbeitslosenzahlen inWestdeutschland dann aber wiederverringert, und seit Anfang 1998sinken sie erstmals seit langem wie-der.

In Niedersachsen lag das Niveauder Arbeitsmarktungleichgewichteim Jahresdurchschnitt 1997 mit et-wa 414.000 Arbeitslosen (Mitte1997) und einer Arbeitslosenquotevon 12,9 % um ein Sechstel überdem Durchschnitt der alten Bundes-länder und etwa im Durchschnittvon Deutschland. Damit sind dieProbleme immer noch größer als imübrigen Westdeutschland, die rela-tive Position gegenüber dem Bun-desdurchschnitt hatte sich von 1990bis 1994 schrittweise verbessert, seit1994 hat sich der Arbeitsmarkt inNiedersachsen allerdings nicht mehrgünstiger entwickelt als im Bundes-trend, sodass sich die relative Ar-

beitsmarktposition nicht mehr ver-bessert hat. Die Gründe für dieseungünstigere Entwicklung dürftenvor allem in den hohen Zuwande-rungen gelegen haben, denn derBeschäftigtenrückgang der letztenJahre war durchweg weniger starkals im Bundestrend.

Innerhalb des Landes Niedersach-sen beobachten wir seit langemgroße Gegensätze in der Arbeits-marktsituation. Ende der 80er-Jahrewaren die räumlichen Unterschiedebesonders ausgeprägt. Die größteArbeitslosigkeit hatten die Regio-nen des Küstenraumes. Ausgespro-chen hoch waren die Arbeitsmarkt-probleme auch in den nordwest-deutschen Großstadtregionen, wo-bei sich die Arbeitslosigkeit in be-sonderer Weise in den Zentren kon-zentrierte. Durch überdurchschnitt-liche Arbeitsmarktprobleme warenauch die südniedersächsischen Re-gionen sowie der nordostnieder-sächsische Grenzraum zur damali-gen DDR gekennzeichnet. Ver-gleichsweise günstig war demge-genüber die Lage in den ländlichenRegionen des westlichen und mitt-leren Niedersachsens.

In der ersten Phase nach der Wie-dervereinigung konnten fast alleniedersächsischen Regionen ihre Ar-beitsmarktposition verbessern. Diegrößten Gewinner waren zunächstdie großstädtischen Verdichtungs-räume. Auch einige Regionen deswestlichen Niedersachsen sowie des

Bevölkerung und Siedlung – Arbeitsmarkt 67

Küstenraumes verbesserten ihre Ar-beitsmarktposition deutlich. In denvon Strukturproblemen gekenn-zeichneten Regionen Wilhelmsha-ven und Wesermarsch konntenkaum Fortschritte erzielt werden.Vor allem in den Arbeitsmärktender grenznahen Regionen ver-schlechterte sich die (relative) Ar-beitsmarktposition hingegen teil-weise gravierend. Zwar entstandenin erheblicher Zahl neue Arbeits-plätze, der verstärkte Zustrom von

Arbeitskräften durch Zuwanderungund insbesondere auch durch Ein-pendler über die nunmehr offeneGrenze führte zu einem Anstieg desArbeitskräfteangebots. Die Folgewar ein Verdrängungswettbewerbauf den regionalen Arbeitsmärkten.Darüber hinaus verstärkten sich inder vom Straßenfahrzeugbau ge-prägten Region Wolfsburg diestrukturellen Probleme Anfang der90er-Jahre bereits so stark, dass inhohem Maße vor allem ältere Ar-

Arbeitslosenquote 1998

N I W Niedersächsisches Insti-tut für Wirtschafsfor-schung

Kreise bzw. kreisfreie Städtein Niedersachsensowie Hamburg und Bremen

Arbeitslosenquote in %Arbeitslosenquoten am 30.6.98, berechnet auf der Grundlage der sozialvers.pfl. Beschäftigten am Wohnort

68 Bevölkerung und Siedlung – Arbeitsmarkt

beitnehmer freigesetzt wurden unddie Arbeitslosenquote extrem an-stieg.

Die jahresdurchschnittlichen Ar-beitslosenquoten für 1998 belegenaber nach wie vor erhebliche regio-nale Unterschiede in der Betroffen-heit von Arbeitslosigkeit. Die höch-ste Arbeitslosigkeit unter den Re-gionen haben die KüstenregionenWilhelmshaven, Leer, Emden undBremerhaven/Cuxhaven sowie dieGrenzregionen zu der ehemaligenDDR wie Lüchow-Dannenberg imnordostwärtigen Niedersachsen,Wolfsburg/Gifhorn, Helmstedt, unddie übrigen südniedersächsischenRegionen Göttingen, Osterode undGoslar.

Überdurchschnittlich sind nachwie vor die Arbeitsmarktproblemeauch im Leine- und Weser-Berglandsowie im Raum Braunschweig/Salz-gitter. Die geringsten Arbeitsmarkt-ungleichgewichte gibt es nach wievor im westlichen Niedersachsen so-wie in den ländlichen Regionen zwi-schen den Großstädten Hamburg,Bremen und Hannover.

Insgesamt ist die Arbeitslosigkeitin den Verdichtungsräumen deut-lich niedriger als Mitte der 90er-Jah-re. Allerdings konzentrieren sichnach wie vor die Arbeitslosen inner-halb der Verdichtungsräume undStadtregionen in besonderer Weisein den Kernstädten, ausgesprochenhohe Arbeitslosenzahlen verzeich-

nen die Großstädte Bremerhaven,Wilhelmshaven, Emden, Wolfsburgund Salzgitter. Deutlich höher als imUmland sind die Arbeitsmarktpro-bleme auch in Hannover, Bremen,Braunschweig sowie in Hamburg.

Das Risiko der Erwerbslosigkeit istje nach persönlichen und berufli-chen Merkmalen und Qualifikatio-nen sowie nach der jeweiligen Ar-beitsmarktsituation äußerst unter-schiedlich. Der rasche berufsstruktu-relle und qualifikatorische Wandelsowie die langanhaltende hohe Ar-beitslosigkeit seit Ende der 80er-Jahre haben immer mehr Arbeit-nehmer mit geringen oder nichtmehr nachgefragten bzw. veralte-ten beruflichen Qualifikationen fürlängere Perioden bzw. auch dauer-haft aus dem Beschäftigungssystemhinausgedrängt. Da mit zunehmen-der Dauer der Arbeitslosigkeit dieArbeitslosen aber objektiv oderdoch zumindest subjektiv immerstärker allgemeine und beruflicheQualifikationen verlieren, wird einWiedereinstieg in das Beschäfti-gungssystem dann zunehmendschwieriger. Die „kritische Schwel-le“ wird bei einer Dauer der Arbeits-losigkeitsperiode von etwa einemJahr gesehen. Diese „Langzeitar-beitslosigkeit“ hat mittlerweile be-trächtliche Ausmaße angenommen.

Von den Arbeitslosen waren Mit-te 1998 in Westdeutschland 38,0 %und in Deutschland insgesamt 36,8 % länger als ein Jahr arbeitslos.

Bevölkerung und Siedlung – Arbeitsmarkt 69

In Niedersachsen ist dieser Anteilseit langem überdurchschnittlich.Mitte 1998 waren sogar 40,4 %oder etwa 152.000 Personen längerals ein Jahr ohne Beschäftigung. Dieregionale Betroffenheit von Lang-zeitarbeitslosigkeit ist je nach struk-turellen Ungleichgewichten zwi-schen Angebot und Nachfrage aufden regionalen Arbeitsmärktenäußerst unterschiedlich. Ausgespro-chen hoch ist der Anteil der Lang-zeitarbeitslosen in den Industriege-bieten, die sich in einem intensivenUmstrukturierungsprozeß befinden(z. B. Wolfsburg, Helmstedt, Braun-schweig/Salzgitter sowie in den Küs-tenregionen Wilhelmshaven, Bre-merhaven und Bremen) sowie inden insgesamt wachstumsschwä-cheren Räumen des südlichenNiedersachsen (Göttingen, Holzmin-den, Osterode, Hildesheim). Die au-genfällige positive Korrelation mitder Arbeitslosigkeit älterer Arbeit-nehmer macht deutlich, dass es sichbei der Langzeitarbeitslosigkeitweitgehend um Folgen des raschenStrukturwandels handelt. Ver-gleichsweise niedrig ist der Anteilder Langzeitarbeitslosen im westli-chen Niedersachsen und im südli-chen Umland von Hamburg.

Qualifikationsstrukturen

Der Qualifikation der Beschäftig-ten kommt im internationalenWettbewerb der hochentwickelten

Volkswirtschaften und ihrer Regio-nen eine immer stärkere Bedeutungzu. Qualifizierte Arbeitnehmer sindeine Voraussetzung für die Entwick-lung, Produktion und Vermarktunghochwertiger Güter und Dienstlei-stungen, bei denen ein Land wie dieBundesrepublik mit hohen Einkom-mensansprüchen komparative Vor-teile besitzt. Qualifizierte Arbeits-kräfte sind deshalb bereits heuteein wichtiger Standortfaktor, undviele Anzeichen sprechen dafür,dass die Entwicklungsperspektivenvon Regionen in Zukunft noch ent-scheidender von der Mobilisierbar-keit qualifizierter Kräfte bestimmtwerden.

Der Anteil der Auszubildendenan den Beschäftigten spiegelt die Ausbildungsanstrengungen derWirtschaft wider. Dieser Anteil aller-dings ist seit Mitte der 80er-Jahrefast durchgehend gesunken. Die Ur-sachen hierfür liegen zum einen inder (demographisch bedingten) ge-ringeren Nachfrage nach Ausbil-dungsplätzen, zum anderen in denletzten Jahren auch im Abbau vonAusbildungskapazitäten vor allemin der Industrie. Neben einer reinquantitativen Betrachtung spieltunter regionalwirtschaftlichen Ge-sichtspunkten vor allem eine Rolle,in welchen Berufen ausgebildetwird. Die Zusammensetzung derAusbildungsberufe hängt dabei engmit der Wirtschaftsstruktur einerRegion zusammen. In den ländli-

70 Bevölkerung und Siedlung – Arbeitsmarkt

chen Räumen wird zwar in der Re-gel intensiv ausgebildet, die Ausbil-dung konzentriert sich aber häufigauf wenige Ausbildungsberufe, dasSpektrum ist gegenüber großstäd-tischen Räumen stark eingeengt.Ein vielfältiger Ausbildungsstellen-markt ist aber gerade unter demAspekt der Anpassung der Qualifi-kationen im Zuge des wirtschaftli-chen Strukturwandels von großerBedeutung.

In der niedersächsischen Wirt-schaft wurde über viele Jahre hin-weg überdurchschnittlich ausgebil-det. Die Zahl der Auszubildenden istallerdings seit Ende der 80er-Jahrein Niedersachsen überproportionalzurückgegangen. Im Jahr 1989 lagdie Auszubildendenquote (Anteilder Auszubildenden an den sozial-versicherungspflichtig Beschäftig-ten) noch erheblich über dem Bun-desdurchschnitt und im Jahr 1997übertraf sie den Bundeswert nurnoch geringfügig. In allen Teilräu-men des Landes sind die Auszubil-dendenquoten seit Ende der 80er-Jahre zurückgegangen, besondersstark in den Regionen, die ehemalsweit überdurchschnittlich ausgebil-det haben, sodass die regionalenUnterschiede deutlich geringer ge-worden sind. Vor allem in den länd-lichen Regionen des westlichen Nie-dersachsen wird nicht mehr so starkausgebildet. Nach wie vor sind aberdie großen Industriestandorte unddie Großstädte die Schlusslichter

hinsichtlich der Intensität der beruf-lichen Erstausbildung.

Der sektorale Wandel der Be-schäftigung in der Bundesrepublikwird begleitet von einem beträcht-lichen qualifikatorischen Struktur-wandel. So ist die Zahl der Beschäf-tigten ohne abgeschlossene Berufs-ausbildung von 1980 bis 1996 bun-desweit um 35 % zurückgegangen,die Beschäftigung der mittlerenQualifikationen (mit abgeschlosse-ner Berufsausbildung, ohne Fach-hochschul- und Hochschulausbil-dung) ist demgegenüber um 22 %,diejenige der Hochqualifizierten(mit Fachhochschul- und Hochschul-abschluß) sogar um etwa 94 % an-gestiegen.

In der niedersächsischen Wirt-schaft wurden bereits Anfang der80er-Jahre weniger unqualifizierteKräfte und mehr Arbeitnehmer mitmittleren Qualifikationen beschäf-tigt, und seitdem war der qualifi-katorische Strukturwandel darüberhinaus intensiver als im Bundes-durchschnitt.

Der Anteil der Unqualifiziertenist überdurchschnittlich zurückge-gangen und lag 1997 deutlich unterdem Bundeswert, und der Anteilder mittleren Qualifikationen istüberdurchschnittlich gestiegen. Einbeträchtliches Defizit ergibt sichaber in Niedersachsen seit langembei der Beschäftigung von hochqualifizierten Kräften.

Bevölkerung und Siedlung – Arbeitsmarkt 71

Der Anteil der Beschäftigten mitFachhochschul- und Hochschulab-schluß lag 1997 um mehr als einFünftel unter dem Bundesdurch-schnitt. Gegenüber Anfang der90er-Jahre konnte damit zwar derAnteil der Hochqualifizierten ge-steigert, der relative Rückstand zumBundesgebiet aber nicht verringertwerden.

Die Qualifikationsstrukturen derBeschäftigten weisen ein beträchtli-ches regionales Gefälle auf mit ei-

nem weit überdurchschnittlichenAnteil von Hochqualifizierten inden großstädtischen Zentren undden Hochschulstandorten sowieausgesprochen niedrigen Anteilenin den ländlichen und peripherenRäumen.

Alle Regionen des Landes habenseit Ende der 80er-Jahre den Anteilder Hochqualifizierten steigernkönnen, besonders deutliche Zu-nahmen wurden in den großstädti-schen Zentren des Landes erreicht.

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit Fachhochschul- und Hochschulausbildung 1997

N I W Niedersächsisches Insti-tut für Wirtschafsfor-

Kreise und kreisfreie Städtein Niedersachsen

Anteil an den Beschäftigten insgesamt, BG=100

72 Bevölkerung und Siedlung – Arbeitsmarkt

Bei der Beschäftigung von wenigqualifizierten Kräften ist das regio-nale Verteilungsmuster demgegen-über nicht ganz so eindeutig. Es istoffensichtlich abhängig von denWirtschafts- bzw. Industriestruktu-ren sowie der Sozialstruktur (z. B.ausländische Arbeitskräfte). In allenRegionen des Landes wurde seit Be-ginn der 90er-Jahre der Anteil derunqualifizierten Kräfte weiter redu-ziert. Einige stark ländlich geprägteRäume (Nienburg, Gifhorn, Clop-

penburg, Lüchow-Dannenberg) so-wie die Standorte der Großindustrie(Wolfsburg, Salzgitter, Emden) ste-hen aber nach wie vor an der Spitze.

Insgesamt stellen sich trotz desvergleichsweise günstigen wirt-schaftlichen Wachstums in den letz-ten Jahren erhebliche Herausforde-rungen für die Arbeitsmarkt- undStrukturpolitik in Niedersachsen.Der Anteil von hochqualifiziertenKräften muss durch die Schaffungentsprechender Arbeitsplätze nach-

Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ohne abgeschlossene Berufsausbildung 1997

N I W Niedersächsisches Insti-tut für Wirtschafsfor-

Kreise und kreisfreie Städtein Niedersachsen

Anteil an den Beschäftigten insgesamt, BG=100

Bevölkerung und Siedlung – Arbeitsmarkt 73

haltig erhöht werden. Der nach wie vor hohe Anteil von wenig Qualifizierten mit weit überdurch-schnittlichem und im Strukturwan-del noch steigenden Arbeitsmarkt-risiken muss durch Nachholen schu-lischer Abschlüsse und Nachqua-lifizierungen reduziert werden. Darüber hinaus gilt es aber auch, für nicht (mehr) Qualifizierbareentsprechende einfache Beschäf-tigungsmöglichkeiten zu erhal-

ten und zu schaffen. Zur Abfede-rung der Folgen des innovations- und qualifikationsorientierten wirt-schaftlichen Strukturwandels sindbeträchtliche Anpassungsqualifika-tionen auch bei den qualifiziertenArbeitnehmern notwendig. Last butnot least sind erhebliche Anstren-gungen zur Wiedereingliederungvon Frauen ins Erwerbsleben von-nöten.

Hans-Ulrich Jung

Ursprachen und Mundarten

Die Ursprachen des heutigen Lan-des Niedersachsen sind Nieder-deutsch und – im Küstenraum zwi-schen Weser und Ems – Friesisch.Obwohl die hochdeutsche Stan-dardsprache seit dem Untergangder mittelniederdeutschen Hanse-sprache im 16. Jahrhundert zumIdiom der Schule, der Verwaltung,der Wissenschaft und des öffent-lichen Lebens geworden ist, be-haupteten immer noch 39% der er-wachsenen Bevölkerung Nieder-sachsens in einer Umfrage aus demJahre 1987, über „gute bis sehrgute“ niederdeutsche Sprachkenn-tisse zu verfügen. Das Altostfriesi-sche, bis ca. 1400 die Sprache Ost-frieslands und der Groninger Om-melanden, wurde im Laufe des 15. Jahrhunderts von der Hanse-sprache abgelöst. Heute sprechendie Ostfriesen neben der Standard-sprache eine auf friesischem Sub-strat entstandene niederdeutscheMundart, während das Urostfriesi-sche nur noch von ca. 2.000 Einwoh-nern der Gemeinde Saterland (Ge-samteinwohnerzahl 11.000) in derNordwestecke des Landkreises Clop-penburg gesprochen wird. Inner-halb des Landes Niedersachsen sind,neben dem Friesischen, alle dreiHauptmundarten des Westnieder-deutschen vertreten. Die folgenden

Sprachproben zeigen die Vielfaltder niedersächsischen Mundarten:

(1) Hochdeutsche Standardsprache:Ich habe mit ihm gesprochen,aber er sagte mir, dass er mir denSchlüssel nicht geben könne.

(2) Westfälisch: Ik häwe mit em/enküert, man hee/häi hätt miesäggt, dat häi/hee mie denSlüettel nich giewwen konn.

(3) Ostfälisch: Ik häbbe mit öh-n(e)/ne eköört/esnackt/esproken,man/aver hee/hei hat mik/mekeseggt, dat hei mik/mek denSlöttel nich geben könn(e).

(4) Nordniedersächsisch: a. Ostfriesland: Ik heb mit hum

proot, man häi het (an) miesegd, dat häi/hee mie deSlötel/Slöätel/Schlöädel näit/nee(t)/nich geven/gäven kun;

b. Oldenburger Land: Ik heb mitüm/em s(ch)nackt, man hee/häi hef/het mie seggt, dathee/häi mie den S(ch)löädelnich gäben kunn.

(5) Saterfriesisch: Iek häbe mäd himboald, man hie häd mie (tou)k-weden, dät hie mie dän Koai nitreke kude.

Lediglich im äußersten SüdenNiedersachsens in dem Kreis Han-noversch-Münden und im Südostenim Kreis Osterode findet man meh-rere Ortschaften, wo mitteldeutscheMundarten gesprochen werden.Dies gilt auch für den Kreis Blanken-

Mundarten und Hochsprache

Bevölkerung und Siedlung – Mundarten 75

Einteilung der deutschen Dialekte: Das Westfälische, das Ostfälische und das Nordniederdeutsche

Quelle: Peter Wiesinger: Die Einteilung der deutschen Dialekte, In: Klaus Mattheier/Peter Wiesinger (Hg.): Dialektologie des Deutschen, 2. Halbband, Tübingen 1994, S. 807 – 899.

burg in Sachsen-Anhalt. Sonstfinden wir im ganzen Bundeslandkeine Spur der hochdeutschen Laut-verschiebung, unter deren Einfluss

sich die stimmlosen Verschlusslautep, t, und k je nach ihrer Stellung imWort zu ch; pf, f, ff; z, s, ss und ßentwickelten: niederdeutsch Pen-

76 Bevölkerung und Siedlung – Mundarten

ning, hochdeutsch Pfennig, nieder-deutsch kopen, hochdeutsch kau-fen, niederdeutsch Päper, hoch-deutsch Pfeffer; niederdeutschKropp, hochdeutsch Kropf, nieder-deutsch Tied, hochdeutsch Zeit, nie-derdeutsch bäter, hochdeutsch bes-ser; niederdeutsch Lott, hoch-deutsch Los, niederdeutsch heet,hochdeutsch heiß, niederdeutschkoaken, hochdeutsch kochen.

Westfälisch

Die Hauptorte des Westfälischensind Osnabrück in Niedersachsenund Bielefeld, Dortmund, Münsterund Paderborn in Nordrhein-West-falen. Die herausragenden Kennzei-chen des Westfälischen sind:

(1) Mittelniederdeutsch a in offenerSilbe > westfälisch aa [a:], mittel-niederdeutsch â > westfälisch oa[⊃;] oder au [au]: mittelnie-derdeutsch maken „machen“,westfälisch maken, mittelnieder-deutsch schâp, skâp „Schaf“,westfälisch Schoap, Schaup.

(2) Die germanische Lautverbin-dung sk ist im In- und Auslautweitgehend erhalten, währendsie in den meisten anderen Dia-lekten (außerhalb des niederlän-dischen Grenzraums) als sch er-scheint: Holsken „Holzschuh“,luunsk „launisch“, Disk „Tisch“.

(3) Die Endung der 2. Pers. Sg. Ind.Präs. und Prät. ist -s statt -st: dugiffs, gäfffs „du gibst, gabst“, du

mens, mendes „du meinst, mein-test’’.

(4) Wenn eine Silbengrenze zwi-schen zwei Vokalen liegt, wirdein Gleitkonsonant eingescho-ben, um die Entstehung einesKnacklautes zu vermeiden: ost-friesisch näie „neue“, westfälischnigge; ostfriesisch Eier „Eier“,westfälisch Egger; ostfriesischMauen „Ärmel“ (Pl.), westfälischMovven.

(5) Aus den altniederdeutschenKurzvokalen in offener Silbe a, ∈ , e, i, o, ö, u, ü entwickel-ten sich neben altniederdeutscha > westfälisch aa eine Reihe von Kurzdiphthongen: altnie-derdeutsch hamar, westfälischHamer „Hammer“, altnieder-deutsch etan, westfälisch iätten„essen“, altniederdeutsch beki,westfälisch Biekke „Bach“; alt-niederdeutsch gedrivan, westfä-lisch driewwen „getrieben“, alt-niederdeutsch ginoman, westfä-lisch nuomen „genommen“, mit-tellateinisch cocina > altnieder-deutsch *kokina > westfälischKüöken/Küeke „Küche“; altnie-derdeutsch kuman, westfälischkuemen/kuomen „kommen“, alt-niederdeutsch slutil, westfälischSlüettel „Schlüssel“.

Ostfälisch

Die Hauptorte des Ostfälischensind Hannover, Hildesheim, Braun-schweig, Goslar und Göttingen. Die

Bevölkerung und Siedlung – Mundarten 77

fälisch moaken; altniederdeutschgeban „geben“, ostfälisch gä-ben; altniederdeutsch beki„Bach“, ostfälisch Beke; altnie-derdeutsch gidrivan „getrie-ben“, ostfälisch edreben; altnie-derdeutsch ginoman „genom-men“, ostfälisch enomen; altnie-derdeutsch kuman „kommen“,ostfälisch komen; mittellatei-nisch cocina > altniederdeutsch*kokina, „Küche“, ostfälischKöke; altniederdeutsch slutil„Schlüssel“, ostfälisch Slöttel.

(6) Im ostfälischen Sprachgebiet be-findet sich eine mitteldeutscheSprachinsel, die zwischen 1520und 1620 durch die Zuwande-rung von Bergarbeitern aus demErzgebirge entstanden ist. DieseSiedler gründeten die siebenOberharzer Bergstädte Altenau,Sankt Andreasberg, Clausthal,Hahnenklee, Lautenthal, Wilde-mann und Zellerfeld und brach-ten ihre mitteldeutsche Sprachemit sich.

Nordniedersächsisch

Innerhalb Niedersachsens wirddas Nordniedersächsische durch denalten Regierungsbezirk Aurich, denVerwaltungsbezirk Oldenburg undden Regierungsbezirk Stade vertre-ten. Die Hauptmerkmale des Nord-niedersächsischen sind:

(1) In Ostfriesland findet man imPräs. Pl. Ind. die Endung -en ausder von diesem ursprünglich frie-

herausragenden Kennzeichen desOstfälischen sind:

(1) Im Gegensatz zum Westfälischenund Nordniedersächsischen istder ostfälische Dativ der Perso-nalpronomina mit dem Akkusa-tiv zusammengefallen. Die Ein-heitsformen sind dik/dek „dir,dich“, mik/mek „mir,mich“, öne„ihm, ihn“, se „ihr, sie“. In denübrigen Mundarten stehen dieDativformen für den Akkusativ.

(2) Die Apokope des auslautenden -e unterbleibt: Büsse „Büchse“,Eere „Erde“, Wulle „Wolle“ ge-genüber ostfriesisch Büas, Eerund Wual.

(3) Die mittelniederdeutsche Präfixge- bleibt als e- erhalten: efraget„gefragt“, ekomen „gekom-men“, eseihen „gesehen“.

(4) Die Dehnung kurzer Vokale inoffener Tonsilbe unterbleibt vorunbetonter Endsilbe, vor allemvor -el, -en, -er der Folgesilbe:ostfälisch Voggel „Vogel“ stattnordniedersächsisch Vagel/Vo-gel; betten „bisschen“ stattnordniedersächsisch bäten; Fed-der „Feder“ statt nordnieder-sächsisch Feer/Fäär; ostfälischLeppel „Löffel“ statt nordnieder-sächsisch Läpel.

(5) Die altniederdeutschen Kurzvo-kale in offener Silbe a, ∈ , e, i, o,ö, u, ü entwickeln sich im Ost-fälischen wie folgt: altnieder-deutsch macian, „machen“, ost-

78 Bevölkerung und Siedlung – Mundarten

sischen Sprachgebiet übernom-menen Hansesprache: wie singen(<mittelniederdeutsch wî singen)„wir singen“ gegenüber wiesingt im übrigen Sprachgebiet.Ebenfalls in Ostfriesland findetman die Pronomina hum „ihm,ihn“ un höör „ihr, sie“ mit nord-seegermanischer h-Prothese (vgl.engl. him, her und nieder-ländisch hem, haar), die For-men west „gewesen“, twalf„zwölf“ und kwamm/kweem/keem „kam“ gegenüber den imnordniedersächsischen Raum üb-lichen Formen twölf, wäsen/wään und keem/kööm.

(2) Altniederdeutsch î, û und ü: sindMonopthonge geblieben, wäh-rend diese Laute im West- undOstfälischen häufig diphthon-giert wurden.

(3) Ostfriesland zeigt wie das be-nachbarte Groningerland unddie niederländische Standard-sprache die Pluralendung -enoder, nach Substantiven, die auf -el, -er enden, -s, während dieübrigen Mundarten des Nordnie-dersächsischen mehrere Plura-lendungen verwenden: ostfrie-sisch Pot,-ten „Topf“, oldenbur-gisch Pot, Pötte, ostfriesisch.Wief, Wieven „Frau, Ehefrau“,oldenburgisch Wief, Wiever; ost-friesisch Vögel,-s, oldenburgischVoagel, Vöägel.

(4) Im Nordniedersächsischen wurdedas altniederdeutsche Vokal-system stark vereinfacht. Die alt-niederdeutschen Kurzvokale inoffener Silbe a, ∈ , e, i, o, ö, u, üwerden auf die Vokalphonemeää, oa und öä (im westlichenOstfriesland ee, oo, öö) redu-ziert: altniederdeutsch macian,„machen“, nordniedersächsischmoaken; altniederdeutsch ge-ban „geben“, nordniedersäch-sisch gäven; altniederdeutschbeki „Bach“, nordniedersäch-sisch Bäke; altniederdeutsch gi-drivan „getrieben“ , nordnie-dersächsisch dräven; altnieder-deutsch ginoman „genommen“,nordniedersächsisch noamen;altniederdeutsch kuman „kom-men“, nordniedersächsisch koa-men; mittellateinisch cocina >altniederdeutsch *kokina „Kü-che“, nordniedersächsisch. Kö-äken; altniederdeutsch slutil„Schlüssel“, nordniedersächsischSlöätel.

(5) Einen besonders starken Einflussauf die nordniedersächsischenMundarten innerhalb Nieder-sachsens hat die niederländischeSprache ausgeübt.

Schon im 12. Jahrhundert habenniederländische Kolonisten dieElbmarschen urbar gemacht, undwir finden dort zahlreiche nie-derländische Lehnwörter wieSlüse „Schleuse“ (niederländisch

Bevölkerung und Siedlung – Mundarten 79

in Wörterbüchern und Grammati-ken kodifiziert, und sie unterliegtmehr oder weniger festen Regeln.

Die Umgangssprache im LandeNiedersachsen steht der Standard-sprache nahe, aber sie ist von demniederdeutschen Substrat stark be-einflusst. Obwohl eine Mehrheit derNiedersachsen keine aktiven Nie-derdeutschkenntnisse besitzt, gibtes gewisse niederdeutsche Sprach-gewohnheiten, welche die meistenNiedersachsen trotz der standard-sprachlichen Norm in ihre Spracheübernommen haben:

(1) Die Lautverbindungen sp, st imAnlaut werden als [sp] und [st]statt als [�p], [�t] ausgesprochen.

(2) In Wörtern wie Glas, Rad, grob,Tag spricht man den Vokal in ge-schlossener Silbe kurz. Nur wenndurch das Anhängen einer En-dung der Vokal in eine offeneSilbe tritt, wird er lang (Gläser,Räder, grobe, Tage) gesprochen.

Hier ahmt die Umgangssprachedas Niederdeutsche nach; dennman findet z. B. ostfriesisch Glas,Rad, grof, Dag mit kurzemStammvokal, aber die Pluralfor-men lauten Gloasen, Roaden,groave, Doage(n).

(3) Norddeutsch-niedersächsisch gwird, genau wie im Niederdeut-schen, im Auslaut und vor s, tspirantisiert und entstimmmt:Man findet [ç] nach vorderen Vo-

sluis), Wäteringe „Abzugsgra-ben“ (niederländisch wetering),Waterlose „Schleusengraben,Sielgraben“ (niederländisch wa-terlossing).

Auch die im niederländischenGrenzraum liegenden GebieteOstfriesland, die GrafschaftBentheim und das Emsland ha-ben viele niederländische Wörterin ihre Mundarten aufgenom-men: Potlood „Zimmermanns-bleistift“ (niederländisch pot-lood), Patrise „Rebhuhn“ (nie-derländisch patrijs), Kikkert„Frosch“ (niederländisch kikker).

Im Hannoverschen Wendlandfindet man viele niederländischeLehnwörter, die über die von nie-derländischen Kolonisten besie-delte Altmark in die Sprache derNachbarn aufgenommen wur-den: Bese „Beere“ (niederlän-disch bes), Parre „Kröte“ (nie-derländisch pad); Pier „Regen-wurm“ (niederländisch pier).

Standardsprache, Umgangssprache, Niederdeutsch

Die deutsche Standardsprache istdie Sprache der schriftlichen Kom-munikation in der Bundesrepu-blik Deutschland, Österreich, derSchweiz und anderen Ländern, indenen Deutsch Amtssprache ist. DieStandardsprache ist, im Gegensatzzur Umgangssprache und Mundart,

80 Bevölkerung und Siedlung – Mundarten

kalen und [x] vor hinteren Voka-len. Die Formen liegst, liegt undlag werden als [li:çst], [li:çt] und[lax]/[la:x] realisiert. (Das kurze ain lag beruht auf derselben Er-scheinung, die uns in (1) begeg-net ist.)

(4) Niederdeutsch ist auch die Bil-dung des Perfekts von anfangenmit sein: Ich bin schon damitangefangen (= niederdeutsch ik bün der al mit anfangen/anfungen).

(5) Typisch für die niederdeutscheUmgangssprache ist die Tren-nung zusammengesetzter Pro-nominaladverbien nach nieder-deutschem Vorbild: Da habe ichmich groß über wundert (= nie-derdeutsch dar heb ik mie grootover wunnert.). Wo willst du denHund mit füttern (= nieder-deutsch: Wo wult du de(n) Hundmit fauern/foddern?).

Die Zukunft des Niederdeutschen in Niedersachsen

Bis 1945 kamen die meisten Kin-der, die aus den ländlichen Gebie-ten Niedersachsens stammten, ohnehochdeutsche Sprachkenntnisse indie Schule. In den Jahren nach dem2. Weltkrieg haben die nieder-deutschsprachigen Eltern festge-stellt, dass die Kinder der Ostvertrie-benen erhebliche Vorteile gegen-

über den einheimischen Kindern ge-nossen, weil sie schon vor der Ein-schulung Hochdeutsch sprachen.Die niederdeutschen Eltern, die eineBenachteiligung der eigenen Kinderbefürchteten, begannen ausschließ-lich Hochdeutsch mit ihnen zu spre-chen. Im Laufe der fünfziger Jahrevollzog sich der Sprachwechsel, undHochdeutsch löste Niederdeutschals Sprache des Schulhofes ab. Heut-zutage ist es eine Seltenheit, dassMenschen, die nach 1960 geborenwurden, das Niederdeutsche be-herrschen. Abgesehen von demwestlichen Ostfriesland (Reiderland,Krummhörn) gibt es kaum noch Ge-biete in Niedersachsen, wo mehr alseine Handvoll Kinder Niederdeutschsprechen. Ein zweiter Faktor, derdas Niederdeutsche bedroht, ist dieweit verbreitete Überzeugung, dassman mit dem Niederdeutschen auf-gewachsen sein muss, um die Spra-che richtig zu sprechen. Es ist nichtungewöhnlich, dass eine große nie-derdeutsche Gesprächsrunde zurStandardsprache überwechselt,wenn sich nur ein einziger Hoch-deutscher der Runde anschließt.Wenn die Niederdeutschen nichtbereit sind, ihre Sprache aktiv zupflegen und sie an Kinder, Enkel-kinder und „Zugereiste“ weiterzu-geben, wird das Niederdeutsche vordem Ende des 21. Jahrhunderts aus-sterben.

Marron Fort

Überblick und ländliche Siedlungsformen

Im relativ dünn besiedeltenFlächenland Niedersachsen liegt inräumlicher Hinsicht eine Ungleich-verteilung der Anzahl und Größeder Siedlungen vor. Der Norden undWesten sind verhältnismäßig städ-tearm und weisen zumeist auch nurkleinere Dörfer auf. Im Gebiet der

Lössbörde im Südosten liegt dage-gen eine Häufung von Siedlungen(Dörfern sowie Städten) vor. Vieleder in diesem Altsiedelland gelege-nen Ansiedlungen können auf einemehr als tausendjährige Geschichtezurückblicken. Andere Räume wiedie junge Marsch oder große Moor-gebiete wurden erst sehr viel späterbesiedelt, das Emsland im äußerstenWesten wurde in weiten Teilen so-

Siedlungsstrukturen

Traditionelle ländliche Siedlungsformen in Niedersachsen

Quelle: nach Seedorf und Meyer 1996, S. 109.

82 Bevölkerung und Siedlung – Siedlungsstrukturen

gar erst nach dem Zweiten Welt-krieg planmäßig erschlossen.

Es sind mehrere verschieden-artige Siedlungsformen zu unter-scheiden, die jeweils charakteristi-sche Verbreitungsgebiete haben.Auch wenn durch den Ausbau unddie Ausweitung der Siedlungs-fläche, vor allem seit Ende des Zwei-ten Weltkrieges, eine Überformungder Siedlungen stattgefunden hat,so sind die Grundstrukturen derSiedlungsformen zumeist nochdeutlich erkennbar.

Die Abbildung Traditionelle länd-liche Siedlungsformen zeigt dieräumliche Verbreitung der ländli-chen Siedlungsformen in Nieder-sachsen. Im Südosten sind geschlos-sene Haufendörfer prägend, die, be-dingt durch die hohe landwirtschaft-liche Tragfähigkeit, im Bördegebietzu einer verhältnismäßig hohen Be-völkerungsdichte geführt haben.Ebenfalls zu den älteren Siedlungs-formen zählt die niedersächsischeGeestsiedlung (der Drubbel), die zuden lockeren Haufensiedlungengehört. Ein solcher Drubbel bestandzumeist aus 4–10 Höfen und lag amRande des Dauerackerlandes, demEsch, der sich zumeist aus der feuch-teren Umgebung heraushebt unddurch anthropogene Einflüsse durchAufbringen von Dungmaterial imVerlauf mehrerer Jahrhunderte miteiner mächtigen Humusauflage ver-sehen wurde. Ursprünglich war derEsch in Längsstreifen untergliedert,

die Flurstücke lagen in Gemengela-ge. Durch Verkoppelungen und Flur-bereinigungen sind diese Merkmaleder Flurgestaltung zumeist verlorengegangen.

Einzelhof- und Streusiedlungensind ebenfalls auf der Geest ver-breitet, vor allem im Bereich derOldenburgisch-Ostfriesischen Geest,im Emsland und im OsnabrückerRaum. Einige dieser Siedlungen sindälteren Datums und lassen sich aufmittelalterliche Einzelhöfe, aufSiedlungsausbau im hohen Mittelal-ter, auf alte Mühlenstandorte oderauf Reste ehemaliger Dörfer, die imSpätmittelalter wüstgefallen sind,zurückführen, andere sind erst imZuge der Neulandgewinnung (jun-ge Marsch) oder der Ödlandkultivie-rung (Emsland) entstanden.

Wurtendörfer oder Wurtenrund-dörfer sind auf den Bereich der Alt-marsch an der Nordseeküste be-schränkt. Ihre Entstehungszeit liegtin etwa im Zeitraum 100 n.Chr. –1000 n.Chr. Sie wurden vor der Ein-deichung zum Schutz vor Sturmflu-ten auf künstlichen Hügeln errich-tet. Sie sind planmäßig angelegt,dicht bebaut und die alten Bauern-höfe liegen zumeist radial um dieKirche bzw. den Dorfplatz grup-piert. Ihr runder oder ovaler Orts-grundriss stellt die beste Anpassungan die damaligen Bedingungen(Schutz vor Sturmflut) dar. Charak-teristisch sind Namensendungen auf-wurt, -wart, -warden oder -warp.

Bevölkerung und Siedlung – Siedlungsstrukturen 83

Eine ganz andere Form von Rund-lingen ist im äußersten Osten Nie-dersachsens, vor allem im sog. Han-noverschen Wendland, anzutreffen.Um den Mittelpunkt der abseits derHauptstraßen gelegenen Rundlin-ge, den Dorfplatz, gruppieren sich6–15 Höfe mit keilförmigen Grund-stücken. Ursprünglich führte nur eineinziger Weg zum Dorfplatz, überden auch alle Hofzufahrten erfolg-ten. Die Häuser stehen mit dem Gie-bel zum Dorfplatz und umrahmendiesen, was der gesamten Dorfanla-ge eine geschlossene Form verleiht.Es handelt sich unverkennbar umplanmäßig angelegte Siedlungen,doch ist die geschlossene Rundlings-form erst später aus halbbogen-und hufeisenförmigen Anlagendurch Hofteilungen und Nachsied-lungen kleiner Hofstellen entstan-den.

Zumeist – mit Ausnahme derStraßendörfer – ein Ergebnis ge-lenkter Siedlungstätigkeit sind dieverschiedenen Formen von Reihen-siedlungen. Ältere Formen sind dieHufensiedlungen, die im Mittelalteroder später angelegt wurden. Siestellen ein typisch koloniales Sied-lungszeugnis dar. In der sehr langgestreckten, oft kilometerlangenOrtschaft, liegen die Gehöfte inmehr oder weniger großen Abstän-den entlang einer Straße aufge-reiht. Der zu den Höfen gehörendeGrundbesitz liegt in Form von lan-gen, durchlaufenden Streifen (Hu-

fen) hinter den Höfen. Zu unter-scheiden sind Wald-, Marsch- undMoorhufendörfer.

Waldhufendörfer, einschließlichder Sonderform der Hagenhufen-dörfer, bei denen die einzelnen Hu-fen durch Zäune o. Ä. voneinandergetrennt waren und die auch einenbesonderen Rechtsstatus hatten,wurden vor allem bei der Er-schließung der Mittelgebirge ange-legt. Ein ausgeprägtes Verbrei-tungsgebiet liegt in Form der Ha-genhufendörfer, leicht erkennbaran der Namensendung „-hagen“,im Raum südlich des SteinhuderMeeres bis nördlich von Hannover.

Marschhufendörfer sind unteranderem durch die hochmittelalter-liche Marschhufenkolonisation inder Wesermarsch entstanden, dieab Anfang des 12. Jahrhunderts aufBetreiben des Erzbischofs von Bre-men erfolgte. Da die Ausführendendieser Urbarmachung holländischeSiedlungstechniker und Kolonistenwaren, werden diese Siedlungenauch als „Hollerkolonien“ bezeich-net.

Moorhufendörfer sind in dengroßen Moorgebieten im Nordwe-sten Niedersachsens verbreitet. Siestellen eine relativ junge Form darund verdanken ihre Entstehung denPhasen herrschaftlich organisierterBinnenkolonisation der frühen Neu-zeit (17. – 19. Jahrhundert), wenn-gleich Vorformen auch schon älte-ren Datums sein können. Eine sol-

84 Bevölkerung und Siedlung – Siedlungsstrukturen

Eine verhältnismäßig junge Ent-wicklung sind die Fehnsiedlungen,die auf das 18. – 19. Jahrhundert zudatieren sind. Es handelt sich dabeium eine Reihensiedlung entlang ei-nes Kanals in großen Moorgebietenim Nordwesten Niedersachsens(Fehn= altfries.: Sumpf, Morast,wässeriges und niedriges Land). DerKanal wurde zur planmäßigen Ent-wässerung und zum Abtransportdes gewonnenen Torfes angelegt.

che Vorform sind die Aufstrecksied-lungen in Ostfriesland, die der mit-telalterlichen Binnenkolonisation(11. – 14. Jahrhundert) zugehören.Dabei wurde nach dem Aufstreck-recht die Parzelle nur nach der Brei-te vermessen, die Bewohner dran-gen auf ihrem Besitzstreifen in dasMoor so weit kultivierend vor, bissie auf ein natürliches (z. B. Fluss)oder künstliches Hindernis (z. B. an-dere Parzellengrenze) stießen.

Vorherrschende bäuerliche Hausformen in Niedersachsen

Quelle: nach Seedorf und Meyer 1996, S. 128.

Bevölkerung und Siedlung – Siedlungsstrukturen 85

Die Bebauung erfolgte regelmäßigund reihenförmig entlang des Ka-nalsystems, sodass von „Kanalrei-hendörfern“ gesprochen werdenkann. Aufgrund der lang gestreck-ten Anlage fehlt ein Siedlungskern.Ursprünglich war eine enge Verbin-dung von Landwirtschaft undSchifffahrt gegeben, die sich aberspäter – u. a. bedingt durch diegrößere Bedeutung der Landver-kehrswege (z. B. Eisenbahn) und dieVerlegung von Werften nach Leerund Emden – auflöste. Auch derSiedlungstyp als solcher hat durchVerschlammung, Funktionswandelund teilweise Zuschüttung derKanäle gelitten. Ein bekanntes Bei-spiel für eine Fehnsiedlung ist dieStadt Papenburg.

Bäuerliche Hausformen

Trotz Überprägung und Zurück-drängung durch jüngere Zweckbau-ten lassen sich für die Regionen Nie-dersachsens drei bäuerliche Haus-formen als prägend kennzeichnen.

Sehr weit verbreitet ist das „Nie-derdeutsche Hallenhaus“ oder auch„Niedersachsenhaus“. In diesemFachwerkbau, das früher mit Strohoder Schilf gedeckt war, lebtenMensch und Vieh unter einem Dach.Den größten Teil des Hauses nahmdie große Halle ein, die als Dresch-diele, Flur und/oder Futtergangdiente. An den Seiten der Dielestand das Vieh, als Speicherraum

Das niedersächsische HallenhausAußenansicht – Grundriss – Getreidelagerung

Quelle: Kaiser und Ottenjann 1997, S. 99,113, 147.

86 Bevölkerung und Siedlung – Siedlungsstrukturen

diente die Dachfläche oberhalb die-ses Wirtschaftsteiles. Zum Wohnteilgehörte der Herdraum (das Flett).

Das Niedersachsenhaus war einRauchhaus ohne Schornstein, derRauch der Herdstelle zog frei durchden Dachraum ab. Dabei räucherteer die unter den Balken hängendenWürste und Schinken und trocknetedie Erntevorräte auf dem Dach-boden.

Das Gulfhaus oder „Ostfriesen-haus“ verdrängte im Bereich derostfriesischen Marschen ab dem 16.und 17. Jahrhundert die Niedersach-senhäuser, als die Marschen einegroße Bedeutung für den Ackerbauerlangten und nun großer Stapel-raum für das Getreide benötigtwurde. Das Mittelschiff dieses Hau-ses diente als Lagerraum, wobeizwei Reihen von hohen Ständerndie Gulfe umgaben, in denen dasGetreide erdlastig gestapelt wurde.Somit bildete der Gulf den Haupt-teil des Wirtschaftsbereiches, flan-kiert vom Viehstall und der Wagen-durchfahrt (gleichzeitig Dresch-raum). Kennzeichnend sind die anden Rand des Giebels gerücktenTüren. Diese Backsteinhäuser wie-sen eine klare Trennung zwischenWohn- und Wirtschaftsteil auf, derWohnteil war entsprechend demReichtum der Marschbauern meistanspruchsvoll gestaltet.

Im Gegensatz zu diesen längsaufgeschlossenen Häusern ist dasbesonders in Südniedersachsen und

Das friesische GulfhausAußenansicht – Grundriss – Getreidelagerung

Quelle: Seedorf und Meyer 1996, S. 133; Kaiser und Ottenjann 1997, S. 147.

im Bereich der Lössbörde anzutref-fende mitteldeutsche Gehöft queraufgeschlossen. Das mitteldeutscheHaus ist ein reines Wohnhaus, dieWirtschaftsräume waren in beson-deren Bauten untergebracht. Die

Bevölkerung und Siedlung – Siedlungsstrukturen 87

höhere Bodenfruchtbarkeit und diegrößere Produktion verursachte indiesem Verbreitungsgebiet einehöhere Bevölkerungsdichte. DieSiedlungen sind geschlossener, derHofraum ist dadurch kleiner und en-ger, was sich in jüngerer Zeit alsnachteilig erwiesen hat, da der Zu-gang zum Hofraum mit modernenund großen landwirtschaftlichenMaschinen erschwert wird.

Einen eigenständigen Typ stelltauch das Harzer Haus dar, das als ei-ne Kleinform des mitteldeutschenWohnhauses zu deuten ist und aufdie Bedürfnisse der Bergleute, Holz-hauer und Köhler zugeschnittenund auch an die besonderen Klima-bedingungen angepasst war.

Überprägungenländlicher Siedlungen

Die traditionellen Strukturenländlicher Siedlungen in Nieder-sachsen haben in der Zeit nach demZweiten Weltkrieg eine umfassendeÜberprägung erfahren. Durch denRückgang der Anzahl der landwirt-schaftlichen Betriebe und der in derLandwirtschaft tätigen Bevölkerungveränderte sich die Sozialstrukturim Dorf. Die früher bestimmendebäuerliche Bevölkerung verlor ihreVorrangstellung und wurde zurMinderheit. Durch Ausweisung neu-er Wohngebiete für die anwachsen-de Bevölkerung erfolgte eine Aus-weitung der Siedlungskörper. Viele

ländliche Siedlungen wurden zuPendlerwohnorten, insbesondereim Umland großer Städte erfolgtedurch Fortzug aus der Stadt undZuzug in ländlichen Siedlungen eineSuburbanisierung bislang unge-kannten Ausmaßes.

Die Anzahl der Gemeinden inNiedersachsen hat sich von 4.237 imJahr 1946 auf 1.029 im Jahr1996 ver-ringert. Von wenigen freiwilligenZusammenschlüssen abgesehen, istdiese Verringerung das Ergebnis ei-ner Gemeindereform, die 1971 be-

Das mitteldeutsche GehöftAußenansicht – Grundriss

Quelle: Seedorf und Meyer 1996, S. 134.

88 Bevölkerung und Siedlung – Siedlungsstrukturen

schlossen und in den Folgejahrenumgesetzt wurde. Ziel war es, eineGemeinde- bzw. Samtgemeindegrö-ße von mindestens 7.000, im ländli-chen Raum ausnahmsweise auchvon mindestens 5.000 Einwohnern,zu erreichen, um so zu Verwaltungs-einheiten zu kommen, die ihrenAufgaben besser nachkommen kön-nen als kleinere Gemeinden diesvermögen. So hat sich insbesonderedie Zahl der kleinen Gemeinden(unter 2.000 Einwohner) sehr starkverringert. Lebten 1946 noch 40,5 %der niedersächsischen Bevölkerungin derartigen Gemeinden, sind esderzeit nur noch rund 7 %.

Städtische Siedlungen undZentralörtliches System

Die Ursprünge alter niedersächsi-scher Städte liegen in früheren Han-delsplätzen, Bischofssitzen und Klo-sterorten sowie Burg- und Damm-städten begründet. Die ältestenStädte, die vor 1180 Stadtrecht er-hielten, sind Osnabrück, Braun-schweig, Hildesheim, Goslar undHelmstedt. Zahlreiche weitereStadtrechtsverleihungen erfolgtenim Hoch- und Spätmittelalter, aberauch bis in die unmittelbare Gegen-wart werden Stadtrechte verliehen.Wirkliche Neugründungen vonStädten in jüngerer Zeit sind dage-gen sehr selten. Als ein Beispiel istWilhelmshaven zu nennen, das 1853als preußischer Kriegshafen gegrün-

det wurde und 1859 Stadt wurde.Am bekanntesten sind die Neugrün-dungen Wolfsburg und Salzgitter,mit deren Aufbau unter nationalso-zialistischer Regie ab 1937/1938 be-gonnen wurde. Wolfsburg wurdezum Sitz des Volkswagenwerkes er-koren, während in Salzgitter auf derBasis dort vorhandener Eisenerzvor-kommen ein großes Hüttenwerk er-richtet wurde.

Auch die niedersächsischen Städ-te haben eine mehrfache Überprä-gung erfahren. In früherer Zeit wares die Errichtung von Stadtwällenund Befestigungsanlagen bzw. de-ren spätere Beseitigung, die dasStadtbild veränderten. Auch derAufbau von Residenzen und Garni-sonen hat zu Strukturveränderun-gen geführt. Vor allem aber war esdie industrielle Überformung durchden Aufbau von Industrieviertelnund Arbeitersiedlungen, die nach-haltig zu Wandlungen und zumGrößenwachstum der Städte ge-führt haben. In jüngster Zeit sind esdie Ansprüche des Induvidualver-kehrs, die zu Umbildungen führen.Gleichzeitig werden jedoch in denInnenstädten verkehrsberuhigte Be-reiche und Fußgängerzonen einge-richtet, um die Attraktivität der In-nenstädte zu erhöhen.

In der Raumordnung spielt dasNetz der zentralen Orte eine beson-dere Rolle, das von den Grundzen-tren über die Mittelzentren bis zuden Oberzentren reicht.

Bevölkerung und Siedlung – Siedlungsstrukturen 89

Höherrangige Zentrale Orte in Niedersachsen

Quelle: nach Landesraumordnungsprogramm Niedersachsen 1994.

Die Mittelzentren dienen der Be-reitstellung der zentralen Einrich-tungen und Angebote zur Deckungdes gehobenen Bedarfs. Für einjeweils größeres Umland sind vor al-lem die Oberzentren von Bedeu-tung, deren Aufgabe die Bereitstel-lung der zentralen Einrichtungenund Angebote zur Deckung desspezialisierten höheren Bedarfs ist.Einige dieser Oberzentren wie Han-nover, Braunschweig, Oldenburg,

Hildesheim und Osnabrück warenbereits früher als Residenz- bzw.Landeshauptstädte bedeutend, an-dere erfuhren erst in jüngerer Zeiteine Aufwertung.

Die Städte Salzgitter und Wolfs-burg sind Mittelzentren mit ober-zentralen Teilfunktionen, d. h. sieerfüllen die Aufgaben von Mittel-zentren und darüber hinaus Teilauf-gaben von Oberzentren.

Werner Klohn

Das deutsche Sozialsystem undspeziell das Gesundheitswesen sol-len im Folgenden in ihren Struktu-ren aufgezeigt und dabei in ihrenniedersächsischen Ausprägungendargestellt werden.

Nicht eingegangen wird auf dieSondersysteme z. B. der Beamten imBereich Versorgung und Beihilfeoder der freien Berufe durch dieVersorgungswerke.

Niedersachsen verfügt über einausdifferenziertes System der ge-sundheitlichen Versorgung und dersozialen Sicherung. Beide Bereichesind eng miteinander verzahnt: Eineder wichtigsten Säulen des sozialenSicherungssystems ist die gesetzli-che Krankenversicherung; sie versi-chert ca. 90 % der Bevölkerung ge-gen gesundheitliche Risiken undstrukturiert damit zugleich wesent-lich die gesundheitliche Versor-gung.

Das SozialsystemDie soziale Sicherheit ist in

Deutschland eine gesamtgesell-schaftliche Aufgabe. Grundlage fürstaatliche Sozialpolitik ist das imGrundgesetz verankerte Sozial-staatsprinzip. Dieses Prinzip ist inzahlreichen Bundes-, aber auch Lan-desgesetzen ausgestaltet, die demEinzelnen oder bestimmten Grup-pierungen gewährleistet, sozialeRechte wahrnehmen zu können. Zudiesen Rechten gehören im einzel-

nen Bildung und Ausbildungsförde-rung, Leistungen der Sozialversiche-rung, soziale Entschädigung bei Ge-sundheitsschäden, Minderung desFamilienaufwandes, Zuschuss für ei-ne angemessene Wohnung, Kinder-und Jugendhilfe, Sozialhilfe sowiedie Eingliederung Behinderter.

Für die Ausgestaltung dieserRechte und für die Sicherstellungdes sozialen Auftrags sind die Insti-tutionen verantwortlich, die die So-zialleistungen zur Verfügung stel-len. Hierbei kann es sich sowohl umden Bund, das Land oder die Kom-munen handeln, aber auch um an-dere öffentlich-rechtliche Institutio-nen, wie z. B. die Sozialversiche-rungsträger, oder auch private Or-ganisationen wie die freie Wohl-fahrtspflege oder Selbsthilfegrup-pen.

Das so geknüpfte soziale Netz be-ruht auf der Erfahrung, dass be-stimmte Lebensrisiken und -situatio-nen nur solidarisch getragen undbewältigt werden können. Es ent-läßt den Einzelnen natürlich nichtaus seiner Pflicht, selbst Verantwor-tung für seine soziale Situation zuübernehmen.

Die Säulen der sozialen Sicherheit

Diesen Grundgedanken entspre-chend besteht das System der sozia-len Sicherung aus ganz unterschied-

Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem

Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem 91

lich konstruierten Säulen, auf die im Folgenden näher eingegangenwird.

1. Säule: Sozialversicherung

Die Sozialversicherung ist dasKernstück der sozialen Sicherung.Sie gliedert sich in die Zweige Kran-ken-, Renten-, Unfall- und Pflege-versicherung sowie Arbeitsförde-rung.

Die Leistungen der Versicherten-gemeinschaft erhält der Versichertenicht ohne Gegenleistung: Er hatdafür Geld in Form von Beiträgen zuzahlen. Im Gegensatz zur Privatver-sicherung werden die Beiträge aber

nicht nach dem zu versichernden Ri-siko bemessen, sondern nach der in-dividuellen Leistungsfähigkeit desVersicherten. Dies ist Ausdruck desSolidarprinzips in der Sozialversi-cherung; zugleich unterscheidet dieder Leistung vorangegangene Bei-tragszahlung die Sozialversicherungvon staatlichen Fürsorgesystemenwie z. B. der Sozialhilfe.

Bis auf die Unfallversicherung,die allein durch Beiträge der Arbeit-geber getragen wird, erfolgt grund-sätzlich eine paritätische Finanzie-rung durch Arbeitgeber und Arbeit-nehmer. Die Parität ist auch sonstwesentliches Element der Sozialver-

Prinzipien der sozialen VersicherungLeistungen nach dem…

durch die …

erhalten …

finanziert durch …

Versicherungs-prinzip

Sozial-versicherung

Mitglieder derSozialversicherung,

wenn sieVersicherungsbeiträ-geund Staatszuschüsse

Versicherungsbeiträ-ge Steuermittel Steuermittel

bestimmte Bevölkerungsgrup-pen,

wenn sie besondereOpfer oder Leistun-gen für die Gemein-

bestimmte Bevölkerungsgrup-pen,

wenn sie bedürftig sind

Kriegsopfer-versorgung Sozialhilfe

Versorgungs-prinzip

Fürsorge-prinzip

ZAHLENBILDER

92 Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem

sicherung: Sie wird gemeinsamdurch Vertreter der Sozialpartnerselbstverwaltet und unterscheidetsich so von rein staatlichen Syste-men, wie sie z. B. in anderen eu-ropäischen Ländern existieren. Teil-weise werden Renten-, Unfall- undArbeitslosenversicherung durch ent-sprechende Zuschüsse insbesondereaus dem Bundeshaushalt auch steu-erfinanziert.

Bundesweit beliefen sich die Aus-gaben 1997 in den fünf Sozialversi-cherungszweigen nach dem Sozial-bericht der damaligen Bundesregie-rung auf 794,2 Mrd. DM. Dies ent-spricht ca. 22 % des gesamten Brut-toinlandsproduktes.

Da verschiedene Sozialversiche-rungsträger bundesweit organisiertsind, existieren nur bedingt landes-bezogene Einnahme- und Ausgabe-statistiken. Aufgrund der Einwoh-

nerzahl und anderer Erfahrungs-werte ist aber davon auszugehen,dass ca. 10 % dieser Ausgaben aufdie Bürgerinnen und Bürger desLandes Niedersachsen entfallen.

Der bezogen auf die Ausgabenbedeutendste Zweig im Bereich derSozialversicherung ist die gesetzli-che Rentenversicherung, in der ge-nerell alle abhängig Beschäftigtenversichert sind. Die Rentenversiche-rungsträger gewähren Alters- undHinterbliebenenrenten, Renten beiBerufs- oder Erwerbsunfähigkeit so-wie Leistungen der Rehabilitation.Der Rentenversicherungsträger derAngestellten ist die Bundesversiche-rungsanstalt für Angestellte mit Sitzin Berlin. Die Träger der Arbeiter-rentenversicherung sind in Nieder-sachsen die drei Landesversiche-rungsanstalten Braunschweig, Han-nover und Oldenburg-Bremen.

Ausgaben der Sozialversicherungszweige in Mrd. DM 1997 (bundesweit)

Quelle: Sozialbericht 1997

Rentenversicherung

Krankenversicherung

Unfallversicherung

Arbeitslosenversicherung

Pflegeversicherung

Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem 93

Darüber hinaus existieren für denBergbau mit der Bundesknapp-schaft, für die Landwirtschaft mitden landwirtschaftlichen Alterskas-sen – ebenfalls für Braunschweig,Hannover und Oldenburg-Bremen –sowie der Alterskasse der SeeleuteSondersysteme für bestimmte Be-rufsgruppen. Diese Sondersystemegibt es im übrigen auch in der Kran-ken-, Unfall- und Pflegeversiche-rung. In Niedersachsen waren am1.1.1997 1.913.714 Personen unddamit 24,5% der Gesamtbevölke-rung Rentenempfänger. Der durch-schnittliche Rentenzahlbetrag be-trug zum damaligen Zeitpunkt1.162,21 DM.

Die Krankenversicherung als zen-traler Träger der gesundheitlichenVersorgung hat die Aufgabe, dieGesundheit der Versicherten zu er-halten, sie wieder herzustellen oderihren Gesundheitszustand zu bes-sern. Träger der Krankenversiche-rung sind die fast 470 in Deutsch-land existierenden Krankenkassen,von denen (Stand: 1.1.1999) 39 ih-ren Sitz in Niedersachsen haben. Eshandelt sich hierbei um die Allge-meine Ortskrankenkasse (AOK), ei-ne landesweit tätige Krankenkassemit einem Marktanteil von über37,4 % (Stand: 1.10.1997), 26 Be-triebskrankenkassen – diese Kassen-art hatte 1997 einen Marktanteilvon 12,3 % –, 8 Innungskrankenkas-sen (Marktanteil: 7,4 %), die dreibereits erwähnten landwirtschaftli-

chen Krankenkassen sowie mit derKKH und der Buchdrucker-Kranken-kasse zwei Ersatzkassen. Anderegroße Ersatzkassen, wie z. B. dieDeutsche Angestellen-Krankenkas-se (DAK), die Barmer Ersatzkasseoder die Techniker Krankenkassesind bundesweit tätige Krankenver-sicherungsträger. Alle Ersatzkassenzusammen verfügten 1997 in Nie-dersachsen über einen Marktanteilvon 38,4 %. Neben den bereits er-wähnten fünf Kassenarten existie-ren auch in diesem Bereich die Bun-desknappschaft sowie die Seekasse.

Bei der Angabe der Marktanteilekonnten aus statistischen Gründennicht die Wanderungsbewegungenberücksichtigt werden, die auf-grund des Wahlrechts der Versicher-ten am Ende der Jahre 1997 und1998 zu verzeichnen waren. Sie sindnach vorliegenden Erkenntnissen imwesentlichen zu Lasten der AOKverlaufen und haben insbesondereden Betriebskrankenkassen Mitglie-derzuwächse gebracht.

Träger der Unfallversicherungsind vor allem die gewerblichenBerufsgenossenschaften und dieEigenunfallversicherungsträger deröffentlichen Hand, aber auch hierwieder Sondersysteme im Bereichder landwirtschaftlichen Unfallver-sicherung und der See-Unfallve-rsicherung. Die gewerblichen Be-rufsgenossenschaften gliedern sichnach Wirtschaftszweigen, wie z. B.die Nordwestdeutsche Metall-Be-

94 Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem

rufsgenossenschaft mit Sitz in Hannover; die drei landwirtschaft-lichen Berufsgenossenschaften glie-dern sich nach Regionen und die Ei-genunfallversicherungsträger nachverschiedenen öffentlichen Arbeit-gebern.

Aufgabe der Unfallversicherungist es, Arbeitsunfälle und Berufs-krankheiten sowie arbeitsbedingteGesundheitsgefahren zu verhüten,aber auch nach deren Eintritt dieGesundheit und Leistungsfähigkeitder Versicherten wieder herzustel-len und sie oder ihre Hinterbliebe-nen durch Geldleistungen zu ent-schädigen.

Die Arbeitsförderung ist Aufgabeder Bundesanstalt für Arbeit inNürnberg. Sie beinhaltet die Infor-mation der Arbeitssuchenden überdie Lage am Arbeitsmarkt und dieBerufsberatung, die Durchführungvon Qualifizierungsmaßnahmen,die Arbeitsvermittlung sowie dieZahlung von Arbeitslosengeld undArbeitslosenunterstützung.

Die Betreuung vor Ort erfolgtüber die zuständigen Arbeitsämter.Im September 1997 erhielten in Nie-dersachsen von den 401.305 Ar-beitslosen 158.620 Arbeitslosengeldund 135.229 Arbeitslosenhilfe. Derdurchschnittliche Monatsbezug vonArbeitslosengeld betrug 1.391,00DM und der Arbeitslosenhilfe1.031,00 DM.

Die Pflegeversicherung ist derjüngste Zweig der gesetzlichen Sozi-

alversicherung; er existiert erst seit1995 und dient durch Pflege- undGeldleistungen sowie Pflegehilfs-mitteln und technischen Hilfen derAbsicherung des Risikos der Pflege-bedürftigkeit. Die Krankenkassennehmen hierbei als Pflegekasse dieAufgabe als Träger der Pflegeversi-cherung wahr.

Das Land fördert die Investitions-aufwendungen nach Maßgabe desNiedersächsischen Pflegegesetzes.

2. Säule: Soziale Entschädigung

Soziale Entschädigungsleistun-gen erhalten die Bürger, denen Ge-sundheitsschäden entstanden sind,weil ihnen die staatliche Gemein-schaft z. B. durch Kriegs- oder Wehr-dienst ein besonderes Opfer aufer-legt hat.

Diese im Bundesversorgungsge-setz geregelten Ansprüche umfas-sen Heil- und Krankenbehandlung,Maßnahmen zur Rehabilitation undRentenleistungen, aber auch Hilfezur Pflege und Altenhilfe. Darüberhinaus regelt das Opferentschädi-gungsgesetz Leistungen an die Per-sonen, die Opfer einer Gewalttatgeworden sind.

Die Durchführung des sozialenEntschädigungsrechts obliegt inNiedersachsen den Versorgungsäm-tern. 1998 betrugen in Niedersach-sen die Aufwendungen für diesenBereich 979,29 Mio. DM.

Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem 95

3. Säule: Soziale HilfenSchwerpunkt ist hier die Sozial-

hilfe. Sie unterstützt Personen, dienicht in der Lage sind, ihren Lebens-unterhalt selbst zu bestreiten odersich in besonderen Lebenslagenselbst zu helfen und bei denen auchkeine andere Einrichtung oder einFamilienangehöriger zur Hilfe inder Lage ist.

Unterschieden wird bei diesensteuerfinanzierten Leistungen nachdem Bundessozialhilfegesetz (BSHG)zwischen Hilfe zum Lebensunter-halt, die vorrangig durch monetäreLeistungen die Einkommensarmutbeheben soll, und der Hilfe in be-sonderen Lebenslagen, die in be-stimmten Lebenssituationen die Hil-fesuchenden z. B. durch Eingliede-rungshilfe für Behinderte, Hilfe zurPflege, Alten- und Krankenhilfe un-terstützen und die Teilnahme amLeben in der Gemeinschaft sichernsoll.

In Niedersachsen wurden 1996insgesamt rd. 4,56 Mrd. DM für So-zialhilfe aufgewandt, wobei 41 %auf die Hilfe zum Lebensunterhaltentfielen. Sozialhilfeleistungen sindfast ausschließlich von den Land-kreisen und kreisfreien Städten auf-zubringen.

Ebenfalls zu den sozialen Hilfengehören die Leistungen nach demSchwerbehindertengesetz. Hier-nach stellen die Versorgungsämterauf Antrag das Vorliegen einer Be-hinderung und den Grad der Behin-

derung (GdB) fest. Bei einem GdBvon wenigstens 50 erlangen Behin-derte die Schwerbehinderteneigen-schaft. Je nach Grad der Behinde-rung werden Steuererleichterungenbzw. -ermäßigungen gewährt oderbei weiteren gesundheitlichenMerkmalen sog. Nachteilsausglei-che festgestellt. Hinzu kommenMaßnahmen zur Eingliederung indas Erwerbsleben und zur Sicherungdes Arbeitsplatzes, Letzteres insbe-sondere in Form eines besonderenKündigungsschutzes.

1997 waren in Niedersachsen337.261 Personen behindert und659.980 Personen schwerbehindert.

Die wiederum im BSHG geregel-ten Leistungen zur EingliederungBehinderter richten sich an die Men-schen, die aufgrund von körperli-chen Regelwidrigkeiten, Schwächender geistigen Kräfte oder seelischerStörungen über einen Zeitraum vonmehr als sechs Monaten nicht in dieGesellschaft eingegliedert sind undderen Fähigkeit zur Eingliederungin erheblichem Umfang beeinträch-tigt ist. 1996 waren in Niedersach-sen rund 38.000 Menschen in die-sem Sinne wesentlich behindert.

Durch ein breit gefächertes An-gebot an Betreuungs- und Förder-maßnahmen in 66 allgemeinenFrühförderstellen, 24 Sprachheil-ambulanzen, 13 interdisziplinärenFrühförder- und Früherkennungs-teams, vier sozialpädiatrischen Zen-tren, Sonderkindergärten, Tagesbil-

96 Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem

dungsstätten für geistig Behinderte,einem differenzierten Sonderschul-wesen, Maßnahmen für ein behin-dertengerechtes Wohnen und An-gebote des Betreuten Wohnens,Wohnheime für Behinderte, sta-tionären Einrichtungen mit diffe-renzierten, behindertenspezifischenBetreuungsformen und den Werk-stätten für Behinderte soll den we-sentlich behinderten Menschen ge-holfen werden, nach Möglichkeiteigenständig im Beruf, Wohnbe-reich und mit den üblichen Kontak-ten in der Gesellschaft zu leben.Hierbei werden die Kosten, diedurch die stationäre Betreuung vonKindern, Jugendlichen und Erwach-senen unter 60 Jahren entstehen,vom Land Niedersachsen als über-örtlichem Träger der Sozialhilfeübernommen.

Für die besondere Wahrnehmungder Interessen behinderter Men-schen hat das Land einen Behinder-tenbeauftragten ernannt, der beimMinisterium für Frauen, Arbeit undSoziales angesiedelt ist. Als beson-dere Leistung gewährt das Landnach Maßgabe eines entsprechen-den Landesgesetzes Blindengeld.

Die im Sozialgesetzbuch (SGB)VIII geregelte Kinder- und Jugend-hilfe soll u.a. durch Angebote derJugendarbeit und Jugendsozialar-beit, aber auch des Kinder- und Ju-gendschutzes, der Förderung vonKindern in Tageseinrichtungen undin der Tagespflege, aber auch durch

Hilfe zur Erziehung junge Menschenin ihrer Entwicklung fördern, Erzie-hungsberechtigte beraten und un-terstützen sowie insgesamt dazubeitragen, dass positive Lebensbe-dingungen für junge Menschen undFamilien geschaffen werden.

Für die dadurch entstehendenVerpflichtungen sind in Niedersach-sen die Landkreise und kreisfreienStädte zuständig; allgemein ist die-Kinder- und Jugendhilfe gekenn-zeichnet durch eine große Vielfaltvon öffentlichen und freien Trä-gern.

Gesundheitliche Versorgung

„Gesundheit ist ein Zustand völli-gen körperlichen, geistigen undsozialen Wohlbefindens und nichtnur das Freisein von Krankheiten“,so die Definition von Gesundheitder Weltgesundheitsorganisation(WHO). Dieser umfassende Gesund-heitsbegriff beinhaltet viel mehr alsdas, was landläufig unter gesund-heitlicher Versorgung verstandenwird. Er macht trotz seiner fast nichtfassbaren Weite deutlich, dass hierein Umdenken stattgefunden hat:Krankheit soll nicht nur behandeltwerden, sondern gesellschaftlichesHandeln dient auch der positivenEntfaltung von Gesundheit.

Gerade der Ausbau von Gesund-heitsförderung sowie die Krank-heitsverhütung und -vorsorge ma-chen dies auch in der Praxis deut-

Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem 97

lich. So tragen die Früherkennungs-programme z. B. bei Krebs und dieVorsorgeuntersuchungen im Kin-der- und Jugendalter dazu bei, dass bereits die Entstehung gesund-heitlicher Belastungen und Schädi-gungen verhindert wird. Präventionsoll insgesamt aber nicht nur dasindividuelle Handeln beeinflussen,sondern auch die Lebens- und Um-weltbedingungen durch geeigneteMaßnahmen positiv verändern.

Dieses Aufgabenspektrum warseit 1989 auch ein Teil des Ange-bots der gesetzlichen Krankenver-sicherung. Durch das am 1.1.1997 in Kraft getretene sogenannte„Beitragsentlastungsgesetz“ ist derBereich der Gesundheitsförderungund Krankheitsverhütung allerdingserheblich eingeschränkt worden.Viele Krankenkassen haben ihreentsprechenden Programme sogarvöllig eingestellt.

Um so stärker sind in letzter Zeitdie Leistungen in das Blickfeldgerückt, die von den Trägern dergesetzlichen Unfallversicherung,dem öffentlichen Gesundheits-dienst im Rahmen der kommunalenGesundheitsämter, dem Land Nie-dersachsen oder auch durch dieBundeszentrale für gesundheitlicheAufklärung angeboten und geför-dert worden sind. Bei den Aktivitä-ten im Landesbereich sind insbeson-dere die Programme zur Sucht-prävention und zur Aids-Auf-klärung, die Förderung der Selbst-

hilfe sowie die Kampagnen und In-itiativen z. B. der Landesvereini-gung für Gesundheit zu erwähnen.

Trotz dieser Bemühungen, denPräventionssektor auszubauen,steht die „klassische“ Versorgungim ambulanten und stationären Be-reich nach wie vor im Mittelpunktdes Gesundheitswesens. Hierbeiwerden unter gesundheitlicher Ver-sorgung – auch unter Anknüpfungan die erwähnte WHO-Definition –ebenfalls Pflegeleistungen, Reha-bilitationsleistungen im Bereich derRentenversicherung, Invaliditäts-renten sowie die Lohnfortzahlungim Krankheitsfall verstanden.

1. Ambulante Versorgung

Die ambulante medizinische Ver-sorgung der Bevölkerung umfaßtdie ärztliche und zahnärztliche Be-handlung, die Arbeit der Zahntech-niker, die Versorgung mit Arznei-mitteln, die Heil- und Hilfsmitteler-bringung, aber auch die Tätigkeitder Hebammen sowie die Leistun-gen im Bereich von Rettungsdienstund Krankentransport.

Gemessen am Ausgabevolumenliegt ein wichtiger Teil dieses Versor-gungsbereichs in den Händen derniedergelassenen Vertragsärzte und-zahnärzte. Sie sind freiberuflichtätig und üben ihren Beruf in eige-ner Praxis oder Gemeinschaftspraxisaus. Darüber hinaus wirken an der vertrags(zahn)ärztlichen Versor-

98 Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem

gung auch angestellte oder ermäch-tigte Ärzte mit. Bei ermächtigtenÄrzten handelt es sich um Kranken-hausärzte, die aufgrund eines be-sonderen quantitativen oder quali-tativen Bedarfs die Möglichkeit er-halten haben, auch im ambulantenBereich tätig zu werden.

Zudem sind Krankenhäuser imEinzelfall auch im Rahmen der am-bulanten Versorgung tätig. Teil derambulanten Leistungen ist ebenfallsdie psychotherapeutische Versor-gung. Sie wird von psychothera-peutisch tätigen Ärzten, psycholo-gischen Psychotherapeuten sowieKinder- und Jugendlichenpsycho-therapeuten erbracht. Berufsaus-übung und Leistungserbringung indiesem Bereich sind zum 1.1.1999neu geregelt worden.

Ende 1997 nahmen in Nieder-sachsen 11.076 Ärzte an der ver-tragsärztlichen und 4.679 Vertrags-zahnärzte einschließlich der Fach-zahnärzte für Kieferorthopädie ander vertragszahnärztlichen Versor-gung teil. Die Zahl der in diesem Be-reich arbeitenden Ärzte undZahnärzte in Niedersachsen hat seitEnde 1992 in beiden Bereichen je-weils um über 20% zugenommen:Damals waren nur 9.187 Ärzte und3.796 Zahnärzte im ambulantenSektor tätig.

Jeder zugelassene Arzt oderZahnarzt ist Mitglied der Kas-senärztlichen bzw. Kassenzahnärzt-lichen Vereinigung Niedersachsen.

Diese Selbstverwaltungskörper-schaften haben die Interessen derÄrzte/Zahnärzte gegenüber denKrankenkassen wahrzunehmen, zu-gleich aber die flächendeckende,angemessene und wirtschaftlicheärztliche bzw. zahnärztliche Versor-gung sicherzustellen.

Die Versorgung mit Arzneimit-teln wird in Niedersachsen (Stand:31.12.1998) von 2.148 Apotheken,darunter 42 Krankenhausapothe-ken, gewährleistet. Die Apothekerselbst sind – wie andere Heilberufeauch – in Kammern organisiert.

Zudem besteht mit dem Landes-apothekerverband Niedersachseneine Interessenvertretung, die fürden Abschluss von Verträgen mitden Krankenkassen und deren Ver-bänden zuständig ist.

Die Heilmittelversorgung umfasstim wesentlichen die Arbeit der Mas-seure, medizinischen Bademeisterund Physiotherapeuten, währendim Hilfsmittelbereich die Gesund-heitshandwerke wie Augenoptiker,Hörgeräteakustiker, Orthopädie-und Orthopädieschuhmechanikersowie Bandagisten tätig sind.

2. Stationäre Versorgung

Die Krankenhäuser in Nieder-sachsen bieten ein differenziertesSpektrum vollstationärer, teilsta-tionärer sowie vor- und nachsta-tionärer Versorgung; auch ambu-lante Operationen werden im Rah-

Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem 99

Arztgruppe Teilnehmende Vertragsärzte Angestellte Ermächtigte Ärzte Ärzte Ärzte

Allgemeinärzte 3077 3032 36 9

Praktische Ärzte/Ärzte 1211 1027 171 13

Anästhesisten 294 122 12 160

Augenärzte 468 455 4 9

Chirurgen 523 291 2 230

Frauenärzte 945 827 4 114

HNO-Ärzte 344 324 2 18

Hautärzte 275 261 4 10

Internisten 1546 1229 17 300

Kinderärzte 517 435 6 76

Kinder- und Jugendpsychiater 45 28 0 17

Laborärzte 68 42 0 26

Lungenärzte 17 14 0 3

Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen 68 59 2 7

Nervenärzte/Neurologen/Psychiater 433 337 8 88

Psychotherapeutisch tätige Ärzte 261 188 2 71

Neurochirurgen 29 15 0 14

Orthopäden 386 354 1 31

Pathologen 45 23 3 19

Radiologen 238 154 9 75

Nuklearmediziner 33 27 1 5

Urologen 240 211 0 29

Übrige Arztgruppen 13 7 0 6

Summe Arztgruppen 11076 9462 284 1330

Struktur der zugelassenen Ärzte nach Fachgebieten

Quelle: Strukturanalyse der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen

100 Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem

men der Krankenhausbehandlungdurchgeführt.

Zum 1.1.1998 waren in den Kran-kenhausplan des Landes Nieder-sachsen 202 Krankenhäuser mit zu-sammen 48.934 Betten aufgenom-men. Hierzu gehören auch 10 Lan-deskrankenhäuser sowie die beidenUniversitätskliniken in Göttingenund Hannover.

Das Land Niedersachsen weist inden alten Bundesländern – gemes-sen an der Einwohnerzahl – die ge-ringste Versorgungsdichte mit Bet-ten auf; dies ist auch darauf zurück-zuführen, dass seit 1993 insgesamtüber 4.500 Betten abgebaut wor-den sind, um so rationellen Mittel-einsatz im stationären Sektor zu er-reichen.

Insgesamt befinden sich 82 Häu-ser in öffentlicher und dabei zu-meist kommunaler Hand; 79 Kran-kenhäuser haben freigemeinnützi-ge und 41 Krankenhäuser privateTräger. Freigemeinnützige Trägersind Kirchen oder gemeinnützigeVerbände wie z. B. das DeutscheRote Kreuz. Das Land fördert denInvestitionsaufwand in den sog.Plankrankenhäusern nach Maßgabedes Niedersächsischen Kranken-hausgesetzes.

3. Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen

Vorsorge- und Rehabilitationsein-richtungen sind stationäre Einrich-

tungen, die dazu dienen, Krankheitvorzubeugen oder eine Krankheitzu heilen, ihre Verschlimmerung zuverhüten oder Krankheitsbeschwer-den zu lindern oder im Anschluss aneine Krankenhausbehandlung dendabei erzielten Behandlungserfolgzu sichern, um so Behinderung undPflegebedürftigkeit vorzubeugenoder ihr zu begegnen.

Sie sind daher eine wichtige Er-gänzung zur oben beschriebenAkut-Behandlung.

Niedersachsen verfügt seit jeheraufgrund seiner besonderen, auchheilklimatischen Bedingungen mitseinen 47 Heilbädern und Kurortenüber einen hohen Anteil an ambu-lanten und stationären Institutio-nen im Bereich von Vorsorge undRehabilitation. Allein im stationä-ren Sektor existierten Mitte 1996noch 165 Einrichtungen mit insge-samt 20.145 Betten; hiervon be-saßen 129 Häuser mit 16.047 Bet-ten einen Versorgungsvertrag mitden Krankenkassenverbänden inNiedersachsen.

Speziell das am 1.1.1997 in Kraftgetretene sog. „Wachstums- undBeschäftigungsförderungsgesetz“hat mit seinen Kürzungen bei denGesamtausgaben in diesem Bereichund seinen leistungsrechtlichen Ein-schnitten zu massiven Nachfrage-einbrüchen und damit der Schlie-ßung von Einrichtungen geführt. So hatten im Mai 1998 nur noch 105

Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem 101

RReeggiieerruunnggssbbeezziirrkkee LLaanndd NNiieeddeerrssaacchhsseenn

FFaacchhrriicchhttuunnggeenn Braunschweig Hannover Lüneburg Weser-Ems

SSoommaattiisscchh

Augenheilkunde 180 199 54 206 639

Chirurgie 2817 3450 2214 3550 12031

Frauenheilkunde und Geburtshilfe 1093 1155 720 1597 4565

davon Frauenheilkunde 685 713 401 929 2728

davon Geburtshilfe 408 442 319 668 1837

HNO-Heilkunde 307 367 206 429 1309

Haut- und Geschlechtskrankheiten 89 109 31 188 417

Herzchirurgie 75 82 56 123 336

Innere Medizin 3692 4545 2697 4399 15333

Kinderchirurgie 22 111 10 143

Kinderheilkunde 388 496 261 672 1817

Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie 89 84 24 84 281

Neurochirurgie 172 229 271 271 672

Neurologie 299 701 414 569 1983

Nuklearmedizin 14 25 24 15 78

Orthopädie 330 488 539 611 1968

Plastische Chirurgie 20 111 18 149

Strahlentherapie 89 58 84 109 340

Urologie 357 429 262 429 1477

Zwischensumme 1 10033 12639 7586 13280 43538

Psychiatrisch

Kinder- und Jugendpsychiatrie 91 170 40 219 520

Psychiatrie und Psychotherapie 1379 1446 696 1355 4876

Psychotherapeutische Medizin

Zwischensumme 2 1470 1616 736 1574 5396

Summe 11503 14255 8322 14854 48934

Quelle: Niedersächsischer Krankenhausplan Stand: 1. Januar 1998 (13. Fortschreibung).

Die Krankenhausstruktur in Niedersachsen

102 Bevölkerung und Siedlung – Gesundheitliche Versorgung und Sozialsystem

Einrichtungen mit 13.737 Betten ei-nen entsprechenden Versorgungs-vertrag.

In den Heilbädern und Kurortensind nach den Schätzungen des Heil-bäderverbandes Niedersachsen auf-grund der beschriebenen Maßnah-men weit über 10.000 Arbeitsplätzeverlorengegangen. Die betroffenenKommunen, die Einrichtungsträger,aber auch das Land versuchen, die-ser Krise durch ein differenziertesMaßnahmebündel zu begegnen.

4. Gesundheits- und sozialpflegerische DiensteIn Niedersachsen besteht über

die bereits beschriebenen Bereicheder medizinischen Versorgung hin-aus ein vielfältiges Angebot an Ge-sundheits- und sozialpflegerischenDiensten. Insbesondere nach demInkrafttreten des Pflegeversiche-rungsgesetzes hat sich hier eineneue Struktur der Versorgung her-ausgebildet, die sich derzeit dyna-misch entwickelt.

Ingo Werner

Niedersachsen ist reich an natürli-chen Bodenschätzen. Diese können,abgesehen von den ergiebigenGrundwasservorkommen des Lan-des, in die Energierohstoffe Erdöl,Erdgas, Kohle und Ölschiefer sowieeine große Vielzahl unterschiedli-cher mineralischer Rohstoffe undTorf eingeteilt werden.

Energierohstoffe

Erdöl und ErdgasNiedersachsen ist bei der inländi-

schen Erdöl- und Erdgasproduktionin Deutschland das führende Bun-desland: 67 % des in Deutschlandgeförderten Erdöls und 85 % desErdgases stammen aus niedersächsi-schen Lagerstätten. Zumindest beimErdgas wird Niedersachsen in denkommenden Jahren diese Positionhalten, da fast 90 % der nachgewie-senen Erdgasreserven in Nieder-sachsen liegen.

Bereits im Jahr 1546 beschriebAgricola die Nutzung von Erdöl, dasaus natürlichen Austritten in Teer-kuhlen bei Braunschweig und Hä-nigsen abgeschöpft wurde. Damitist dokumentiert, dass diese Regionzu den ältesten bekannten Erdölge-bieten Europas gehört. Die gezielteBohrtätigkeit auf Erdöl begannaber erst viel später. Sie wurde

durch einen eher zufälligen Ölfundim Jahr 1859 in Wietze ausgelöst,wo ein Besuch des Deutschen Erdöl-museums heute noch einen gutenEindruck von den Arbeits- und Le-bensverhältnisse in der Heide vorder Ölförderung, während ihresHöhepunkts und danach vermittelt.

Die förderstärksten niedersächsi-schen Erdölfelder wurden zwischen1940 und 1960 entdeckt: Emlich-heim und Georgsdorf 1944, Rühleund Scheerhorn 1949, Hankensbüt-tel 1954 und Bramberge 1958. Inden Jahren ab 1960 wurden mitMeppen (1960), Ölheim-Süd (1968),Groß-Lessen (1969) und Sulingen-Valendis (1973) noch einige größereÖlvorkommen gefunden. Danachgab es nur noch einige kleinere Fun-de. Die heute in den Erdölfeldernniedergebrachten Bohrungen die-nen nicht mehr der Suche nach neu-em Öl, sondern der verbessertenund schnelleren Ausbeute der be-reits bekannten Reserven. Die Aus-sichten, bisher unentdeckt geblie-bene Erdölfelder zu finden, sindnicht sehr hoch. Die höffigsten Ge-biete liegen nicht auf dem Festland,sondern vor der Küste.

Der erste Erdgasfund war eben-falls nicht das Ergebnis einer geziel-ten Erdgasexploration, sondern Zu-fall: Im Jahr 1910 stieß eine Wasser-

Wirtschaft

Energierohstoffe, mineralische Bodenschätze und Torf

104 Wirtschaft – Energierohstoffe, mineralische Bodenschätze und Torf

Verbreitung der niedersächsischen Erdöl- und Erdgasfelder

Quelle: Niedersächsisches Landesamt für Bodenforschung

Wirtschaft – Energierohstoffe, mineralische Bodenschätze und Torf 105

bohrung der Hamburger Gaswerkein einer Tiefe von 240 m unvorberei-tet auf ein Erdgasvorkommen. Eskam zu einem starken Gasausbruchmit einer Explosion. Die „Flammevon Neuengamme“ konnte erstnach mehreren Tagen unter Kon-trolle gebracht werden.

Auch die Bohrung Norddeutsch-land 1, mit der im Jahr 1938 das ers-te Erdgasvorkommen bei Bentheimentdeckt wurde, war von der Ziel-setzung her keine Erdgasbohrung.Sie sollte eine vermutete Erdöllager-stätte erschließen, hatte aber bei Er-reichen des Zielhorizontes einenschweren Gasausbruch. Nachdemeine zweite Bohrung und eine Gas-leitung zu den Chemischen WerkenHüls fertig gestellt war, wurde 1942die regelmäßige Gasproduktion inBad Bentheim aufgenommen.

Erst danach setzte die gezielteErdgasexploration ein. Zwischendem überwiegend in Sachsen-An-halt liegenden Erdgasfeld Salzwe-del-Peckensen im Osten und demniederländischen Feld Groningenwurden viele große und kleine Erd-gasfelder entdeckt, die eine Steige-rung der niedersächsischen Erdgas-produktion auf fast 20 MilliardenKubikmeter im Jahr 1998 erlaubten.Mit dieser Produktion steuert Nie-dersachsen etwa ein Fünftel desdeutschen Erdgasverbrauchs bei.

Die förderstärksten Erdgasfeldersind zurzeit Söhlingen (Fundjahr1980), Bötersen (1987), Hemmelte

(1980), Siedenburg/Staffhorst(1963), Hemsbünde (1986), Visbeck(1963), Hengstlage (1963), Golden-stedt/Oythe (1959), Klosterseelte/Kirchseelte (1985) und Mulmshorn/Borchel (1984). Der neueste Erdgas-fund wurde 1992 in Völkersen beiVerden erzielt. Er zeigt, dass die Su-che nach Erdgas in Niedersachsennoch Erfolg versprechend ist. Zur-zeit fallen insbesondere im Dreieckzwischen Hannover, Hamburg undBremen die nachts hell erleuchtetenBohranlagen auf, die für jeweils et-wa sechs Monate auf ihren Lokatio-nen stehen und in dieser Zeit die et-wa 5.000 m tiefen Erdgassondenfertig stellen. Die Abbildung zeigtdie Verbreitung der niedersächsi-schen Erdöl- und Erdgasfelder.

Die überwiegend in Niedersach-sen ansässige deutsche Erdöl- undErdgasindustrie beschäftigt zusam-men mit der Zulieferindustrie etwa20.000 Mitarbeiter. In Niedersach-sen wurden auch neue Technologi-en für die Erdgasexploration undFördertechnik entwickelt, die inzwi-schen weltweit für die Erschließungtief liegender Erdgaslagerstätten ingeringdurchlässigen Gesteinen ein-gesetzt werden. Jährlich werdenknapp 2 Millionen Tonnen Erdölund fast 20 Milliarden KubikmeterErdgas gefördert. Aus der Erdgas-aufbereitung von Sauergas in Süd-oldenburg kommen noch etwa 1Million Tonnen Schwefel hinzu, diein der Chemischen Industrie weiter

106 Wirtschaft – Energierohstoffe, mineralische Bodenschätze und Torf

verarbeitet werden. Auf die gesam-te Produktion wurden im Jahr 1997in Niedersachsen etwa 278 Millio-nen DM an Förderzins und Feldes-abgaben entrichtet. Das einheimi-sche Erdöl und das Erdgas sind da-mit einer der bedeutendsten Wirt-schaftsfaktoren für das Land Nie-dersachsen.

KohleVolkswirtschaftliche Bedeutung

hat derzeit nur noch die Braun-kohlelagerstätte bei Helmstedt, wodie Braunkohle in zwei von einemSalzstock getrennten Mulden abge-lagert ist. Zwei Flözgruppen fallenvon den Muldenrändern zum tief-sten Punkt der Mulden hin ein undsind am Salzstock steil aufgerichtet.Im Tagebau Helmstedt wird dieKohle der Hangenden Flözgruppebis voraussichtlich Ende 2001 abge-baut. Kohle der Liegenden Flöz-gruppe wird im Tagebau Schönin-gen gewonnen, die Vorräte reichenhier wahrscheinlich noch bis zumJahr 2017. Die Braunkohle im Helm-stedter Revier wird ausschließlichzur Stromerzeugung in den beidenKraftwerken Offleben und Busch-haus eingesetzt. Im Jahr 1997 wur-den rund 3,9 Millionen Tonnen Roh-braunkohle gefördert und darausetwa 4,6 Mio. MWh elektrische En-ergie in den Kraftwerken erzeugt.

Der untertägige Abbau von An-thrazit am Piesberg bei Osnabrückund von Steinkohle am Nordrand

des Teutoburger Waldes zwischenGeorgsmarienhütte und Borgholz-hausen, bei Bohmte, in der Schaum-burg-Lippeschen Kreidemulde, amDeister sowie im Osterwald hatte inNiedersachsen eine lange Tradition,ehe als letzter GewinnungsbetriebSchacht Kronprinz bei Borgloh 1963stillgelegt wurde. Noch vorhandeneRestvorräte haben in übersehbarenZeiträumen keine wirtschaftlicheBedeutung mehr.

ÖlschieferIm Raum Braunschweig, bei

Schandelah-Flechtorf und Hondela-ge-Wendhausen, sind in Ober-flächennähe große Lagerstättenvon Ölschiefern nachgewiesen wor-den, die als bitumenhaltige Ton-und Mergelsteine zur Stromerzeu-gung verbrannt oder zur Herstel-lung von Schieferölen verschweltwerden können. Der gewinnbareSchieferöl-Inhalt der niedersächsi-schen Lagerstätten beträgt mit 150-180 Mio. t mehr als das 5-fache derin Niedersachen noch vorhandenenErdölreserven. Ölschiefer wird inNiedersachsen zurzeit nicht abge-baut. Eine wirtschaftliche Verwer-tung, gleich in welcher Form, ist ab-hängig von der Entwicklung derEnergiepreise auf dem Weltmarkt.

Mineralische Rohstoffe Von herausragender Bedeutung

sind die sog. Steine und Erden-Roh-stoffe, deren verbrauchernahe Ver-

Wirtschaft – Energierohstoffe, mineralische Bodenschätze und Torf 107

fügbarkeit vor allemfür die Bau- und Bau-stoffindustrie und da-mit für die gesamtewirtschaftliche Ent-wicklung des Landes ei-nen wichtigen Stan-dortfaktor darstellt.

Zu diesen im Tage-bau gewonnenen Roh-stoffen zählen Kieseund Sande, verwitte-rungsbeständige Na-tursteine, Tone, Kalk-,Dolomit- und Mergel-steine sowie Gipsstein.Die Anteile der verschiedenenSteine und Erden-Rohstoffe an derGesamtproduktion von mehr als 70 Millionen Tonnen pro Jahr sindder Abbildung zu entnehmen. Nie-dersachsen verfügt ferner über Roh-stoffe für die Herstellung von Spe-zialprodukten sowie Erz- und Salzla-gerstätten.

Steine und ErdenKiese und Sande sind in Nieder-

sachsen mengenmäßig die wichtig-sten Massenrohstoffe und werdenpro Jahr in einer Größenordnungvon etwa 50 Millionen Tonnenbenötigt. Kieslagerstätten sind be-vorzugt an die Flussläufe von Weser,Leine, Oker sowie Innerste, Oder,Sieber und Rhume gebunden. DerKiesanteil in den Terrassensedimen-ten der Flüsse nimmt generell vomOberlauf zum Mittellauf kontinuier-

lich ab. Meist nur regionale Bedeu-tung haben örtliche Kiesanreiche-rungen vor allem in den Stauch-moränen des norddeutschen Tief-landes. Grundsätzlich bleibt festzu-stellen, dass die Vorkommen hoch-wertiger Kiese für die Betonher-stellung weitgehend auf das südli-che Niedersachsen beschränkt sind(vgl. Abb. Verbreitung der Kies- undSandlagerstätten in Niedersachsen)und eine Versorgungsfunktion fürdie übrigen Landesteile haben. Dieteilweise sehr großflächigen Sand-vorkommen unterschiedlicher Qua-lität im nördlich anschließendenTiefland weisen überwiegend Kies-gehalte von weniger als 10 Mas-sen-% auf. Erwähnenswert sind fer-ner Lagerstätten von hochreinenkreide- und tertiärzeitlichen Quarz-sanden vor allem im Raum Helm-stedt und südlich von Hildesheim

Anteile der verschiedenen Steine und Erden-Rohstoffe an der Gesamtproduktion in Niedersachsen

Quelle: Niedersächsisches Landesamt für Bodenforschung

108 Wirtschaft – Energierohstoffe, mineralische Bodenschätze und Torf

(Duingen), die als Industriesandeunter anderem von der Glasindu-strie als Rohstoffe verwendet wer-den.

Als Natursteine für den Verkehrs-wege-, Beton- und Wasserbau, de-ren Vorkommen auf das Berglandbegrenzt sind, eignen sich verschie-dene Karbonatgesteine, Sandsteinemit kieseligem Bindemittel sowiedie nur lokal vorhandenen magma-tischen Gesteine Basalt, Diabas undGabbro. Die beiden letztgenanntenGesteinstypen treten ausschließlich

im Harz auf. Niedersachsen ist zurDeckung seines jährlichen Bedarfsvon mehr als 12 Mio. t an diesenRohstoffen auf Zulieferungen ausanderen Bundes- und EU-Ländern in einer Größenodnung von etwa 20 % angewiesen.

Im Gegensatz zu früher ist dieeinheimische Gewinnung von Roh-stoffen für die Herstellung vonNaturwerksteinen auf wenige, op-tisch ansprechende und in großenBlöcken anfallende Gesteine be-grenzt.

Verbreitung der Kies- und Sandlagerstätten in Niedersachsen

Quelle: Niedersächsisches Landesamt für Bodenforschung

Wirtschaft – Energierohstoffe, mineralische Bodenschätze und Torf 109

Rohstoffe der Ziegelindustriesind verschiedenartige Tongesteine,daneben werden unterschiedlicheMengen (durchschnittlich ca. 10 %)Sande zum Abmagern der Ziegel-massen benötigt. Besonders hoch-wertige Ziegeltone, die zur Herstel-lung von Vormauerziegeln, Klin-kern und Dachziegeln geeignetsind, finden sich im Raum Olden-burg, Friesland, Osnabrück, Hanno-ver, Hildesheim und Göttingen. Ton-rohstoffe für die Erzeugung vonHintermauersteinen sind aufgrundgeringerer Qualitätsanforderungenhäufiger und weiter verbreitet.

Hochwertige Kalk- und Dolomit-steine, die im südöstlichen Nieder-sachsen vorkommen, sowie die dar-aus hergestellten Produkte sind fürIndustrie, Land- und Forstwirtschaftund den Umweltschutz wichtigeGrundstoffe. Sie haben ein breitesEinsatzspektrum im Baugewerbe, inder Baustoffindustrie, in der Chemi-schen Industrie und werden u. a. fürdie Herstellung von Eisen und Stahl,Zucker, Glas, Feinkeramik, Zellstoff,Papier, Futter- und Düngemittelnsowie darüber hinaus in der Abgas-und Wasserreinigung eingesetzt.Sehr reine Kalksteine, die für alleVerwendungen geeignet sind, wer-den bei Bad Grund im Harz gewon-nen.

Für die Herstellung von Zementwerden die in großen Mengenbenötigten Kalk- und Kalkmergel-steine nur noch im Raum Hannover

abgebaut, wo die niedersächsischeZementindustrie konzentriert ist.Ein Zementwerk bei Göttingen hatim Jahr 1998 die eigene Produktionvon Portlandzementklinkern, diedas Ausgangsmaterial für die ver-schieden Zementsorten sind, einge-stellt und verarbeitet Klinker ausHannover. Da der Zementverbrauchin Niedersachsen deutlich höher alsdie Produktion ist, wird Zement be-sonders aus Nordrhein-Westfalen,aber auch aus anderen Bundeslän-dern, Polen und Tschechien einge-führt.

Gipssteine werden zu Spezialgip-sen und zu Baugipsen bzw. Baugips-produkten verarbeitet, danebensind sie in der Zementindustrie zurRegelung der Erstarrungszeiten desBetons unentbehrlich. Wirtschaftli-che Bedeutung haben vor allem dieGipslagerstätten am südlichen Harz-rand, bei Stadtoldendorf undWeenzen/Hils. Niedersächsische Fir-men, die ihren Sitz im LandkreisOsterode haben, erzeugen etwa 80 % der in Deutschland herge-stellten Spezialgipse, insbesondereFormgipse. Der größte Teil wird vonder deutschen feinkeramischen In-dustrie verbraucht, aber auch z. B.für die Dachziegelherstellung, Me-dizintechnik, Gießereiindustrie undGummiindustrie. Etwa 25 % der inNiedersachsen hergestellten Spezi-algipse werden in mehr als 60 Län-der exportiert und haben weltweiteine führende Stellung.

110 Wirtschaft – Energierohstoffe, mineralische Bodenschätze und Torf

Rohstoffe für die Herstellung vonSpezialprodukten

Größere Kieselgurlagerstättenfinden sich in Deutschland nur inder Lüneburger Heide in der Umge-bung von Munster. Die Gewinnungund Verarbeitung der Kieselgur, diezur Herstellung von Filtern und alsHilfsstoff vor allem in der Nahrungs-mittelindustrie und Chemischen In-dustrie verwendet wird, mußte imJahr 1994 wegen der hohen Gewin-nungs- und Aufbereitungskostenaufgegeben werden. Im niedersäch-sischen Küstengebiet bei Varel undCuxhaven wurden Schwermineral-sande nachgewiesen, doch sind sieaufgrund der zur Zeit niedrigenWeltmarktpreise für die darin ent-haltenen Wertminerale nicht wirt-schaftlich gewinnbar. Spezielle Tonewerden von einem Werk im Land-kreis Cuxhaven abgebaut und zuBlähton verarbeitet, der zur Herstel-lung von Leichtbeton und als Pflan-zensubstrat verwendet wird. Alshochwertiger Füllstoff für die Farb-,Lack- und Papierindustrie und ande-re Verwendungen wird Schwerspat(Bariumsulfat) bei Bad Lauterbergim Südharz untertägig gewonnen.In der einzigen untertägigen As-phaltkalk-Grube Europas bei Holzenim Ith werden seit Anfang des Jahr-hunderts mit Asphalt imprägnierteKalksteine abgebaut. Der zusätzlichmit Fremdbitumen versetzte As-

phaltkalkstein wird zu besondersverschleißfesten Fußbodenplattenverarbeitet.

ErzeEisenerze werden in Niedersach-

sen wegen der Konkurrenz zu denpreisgünstigen Importerzen nichtmehr abgebaut. Die letzte von ehe-mals mehr als 20 betriebenen Gru-ben wurde im Jahre 1982 geschlos-sen. In Niedersachsen noch vorhan-dene, mengenmäßig nicht unbe-trächtliche Eisenerzvorkommen (ca.2 Mrd. t Erz mit 30 % bis 40 % Fe, d. h. ca. 700 Mio. t Eiseninhalt) stel-len somit eine Zukunftsreserve dar.

Die im Harz bei Bad Grund undGoslar noch vorhandenen Buntme-tallerzvorräte mit kumulativen Me-tallgehalten (Blei, Zink und Kupfer)zwischen 10 % und 30 % im Reich-erz sind aus heutiger Sicht unbedeu-tend und betragen nur noch wenigeMillionen t. Ein Abbau dieser nurunter schwierigen Bedingungen ge-winnbaren Vorkommen ist auchzukünftig nicht zu erwarten.

SalzDer Untergrund Niedersachsens

ist reich an Salzvorkommen, wobeiinsbesondere die Salzstrukturen(Salzkissen, Salzstöcke) eine großewirtschaftliche Bedeutung für denKali- und Steinsalzbergbau, die in-dustrielle Soleproduktion im Tief-solverfahren und den Kavernenbauzur Speicherung von gasförmigen

Wirtschaft – Energierohstoffe, mineralische Bodenschätze und Torf 111

und flüssigen Energieträgern undProdukten haben. Die Nutzung derSalzlagerstätten durch Bergwerkeist im Wesentlichen auf den RaumBraunschweig-Hannover wegen derbegrenzten Verbreitung abbauwür-diger Kalisalzvorkommen konzen-triert. Die hohen Kosten des kon-ventionellen Abbaus in den kompli-ziert gebauten niedersächsischenLagerstätten sowie die weitgehen-de Erschöpfung vieler Vorkommenhaben bereits zur Stilllegung zahl-reicher Kali- und Steinsalzbergwer-ke geführt. Dieser Trend wird sichvermutlich fortsetzen. WachsendeBedeutung kommt hingegen derSteinsalzgewinnung im Tiefsolver-fahren zu. Mit diesem Verfahrenwerden mit Schwerpunkt in Nord-niedersachsen große Mengen Stein-salz als Grundstoff für die Chemi-sche Industrie und die Lebensmittel-industrie gewonnen.

TorfVon großer Bedeutung ist die in

Deutschland überwiegend auf Nie-dersachsen konzentrierte Torf- undHumuswirtschaft mit fast 100 Be-trieben. Grundlage dieser Industriesind die im niedersächsischen Tief-land weit verbreiteten Hochmoor-torf-Lagerstätten. Niedermoortorfe,die meist durch Verlandung vonSeen oder Altläufen von Flüssenentstehen, werden nur in geringemUmfang für balneologische Zweckeabgebaut. Ein erheblicher Anteil

der Gesamtproduktion wird ins eu-ropäische Ausland und sogar nachÜbersee geliefert. Dabei überwie-gen hochwertige Kultursubstrate,die fast ausschließlich im Erwerbs-gartenbau verwendet werden. Torfwird bei Blumenerden, im Hobbybe-reich und im Garten- und Land-schaftsbau inzwischen durch Kom-post und andere organische Kom-ponenten so weit wie möglich sub-stituiert. Aufgrund der spezifischenAnforderungen an Kultursubstratefür den Erwerbsgartenbau ist ein Er-satz von Torf durch Kompost beidiesen Produkten bisher weitge-hend ausgeschlossen. Der Torfab-bau erfolgt in der Regel auf land-wirtschaftlich genutzten, bereitsentwässerten Flächen und nicht inGebieten mit intakter Hochmoorve-getation. Inzwischen werden dieAbbauflächen nach der Abtorfungüberwiegend wiedervernässt, mitdem Ergebnis, dass sich bereits nachrelativ kurzen Zeiträumen aus Na-turschutzsicht sehr wertvolle, schüt-zenswerte Biotope in den ehemali-gen Abbaubereichen entwickeln.

Probleme bei derVersorgung mitoberflächennahenRohstoffen

Bei ausschließlich rohstoffgeolo-gischer Sichtweise ist das in Nieder-sachsen vorhandene Potential anhochwertigen mineralischen Mas-

112 Wirtschaft – Energierohstoffe, mineralische Bodenschätze und Torf

senrohstoffen (Steine und Erden)für die Versorgung der Bauindustriesowie an Torf als Rohstoffbasis fürdie Torf- und Humuswirtschaft auchlangfristig ausreichend. Der Abbaudieser oberflächennahen Rohstoffeist immer mit einem Eingriff in denbegrenzten Naturraum verbundenund steht damit häufig im Wider-spruch zu anderen berechtigtenNutzungsinteressen, was zuneh-mend zu schwer lösbaren Konflik-ten sowie zu Versorgungsengpässenbei einzelnen Rohstoffen führt. Bei-spielsweise sind die Flusstäler mitden wichtigsten Kieslagerstättengleichzeitig die Hauptsiedlungs-räume im Bergland und werden fürdie Verkehrsinfrastruktur genutzt.Große Flächenanteile mit hochwer-tigen Kiesvorkommen werden auchfür die Trinkwassergewinnung be-ansprucht, andere Teilräume sindfür den Naturschutz von besonde-rem Wert.

Auch ein verstärkter Einsatz vongebrochenen Hartsteinen als Kieser-satz ist kaum realisierbar. Die ver-witterungsresistenten Festgesteinebilden fast immer die Kammlagender Mittelgebirge und größere Ein-griffe durch den Gesteinsabbaukönnen vor allem das Landschafts-bild weit sichtbar und teilweise irre-versibel beeinträchtigen, was in derPraxis der Genehmigungsfähigkeit

von Steinbrüchen entgegensteht.Grundsätzlich ergeben sich bei derNutzung aller oberflächennahenRohstoffe vergleichbare Probleme,die auch durch verstärkte Importevon Massenrohstoffen nicht befrie-digend gelöst werden können. Diezur einheimischen Versorgung not-wendigen Rohstoffe würden dannlediglich anderenorts abgebaut unddie notwendigen Eingriffe außer-halb der Landesgrenzen erfolgen.Hinzu kämen aufgrund der größe-ren Transportentfernungen erhebli-che zusätzliche Verkehrsbelastun-gen und Immissionen, Preissteige-rungen für die Verbraucher, Verlu-ste an Arbeitsplätzen und eine Ver-ringerung der Bruttowertschöp-fung.

Die langfristige Sicherung dereinheimischen Rohstoffversorgungkann deshalb nur durch die Raum-ordnung und Landesplanung sicher-gestellt werden, indem wertvolleLagerstätten durch verbindliche pla-nerische Festlegungen von anderenNutzungen, die einen Rohstoffab-bau erschweren oder verhindern,frei gehalten werden. Hierzu erar-beitet das Niedersächsische Landes-amt für Bodenforschung in Hanno-ver die geowissenschaftlichen undrohstoffwirtschaftlichen Grundla-gen.

Michael Kosinowski und Alfred Langer

Im Zuge der zunehmendenInternationalisierung wirtschaftli-cher Aktivitäten eröffnen sich fürdie niedersächsische Wirtschaft so-wohl Chancen als auch Risiken.Chancen, wenn es niedersächsi-schen Unternehmen gelingt, z. B.über verstärkte Exportaktivitäten,Impulse für die Ausweitung der Ka-pazitäten und Sicherung oder garAusbau von Arbeitsplätzen aufzu-nehmen. Eine wesentliche Voraus-setzung ist, dass die Unternehmeninternational wettbewerbsfähigeProdukte herstellen, die auf den

einheimischen, aber auch ausländi-schen Märkten ihren Absatz finden.Gelingt dies nicht, werden sich dieniedersächsischen Unternehmennur schwer gegen die Konkurrenzaus dem In- und Ausland behauptenund den aktuellen Beschäftigungs-stand auf dem derzeitig hohen Ein-kommensniveau beibehalten kön-nen.

Vor diesem Hintergrund werdenin diesem Kapitel die Entwicklung,Struktur und regionale Ausrichtungder Exportaktivitäten sowie auslän-discher Direktinvestitionen in und

Internationale Verflechtungen

Anteil an den gesamten Ausfuhren des Bundesgebietes (alt) in %

Bundesland: 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996

Schleswig-Holstein 1,9 2,1 2,3 2 2,2 2,1 2,3 2,2 2,3

Hamburg 2,7 2,8 2,9 2,3 2,1 2,1 2,2 2,3 3,1

Niedersachsen 10,2 9,9 9,6 9,6 9,2 9,8 10,5 9,5 8,8

Bremen 1,4 1,5 1,8 1,8 1,9 2,2 2,4 2,6 2,2

Nordrhein-Westfalen 31,3 30,1 29,8 29 29,1 28,1 27,2 26,6 26,3

Hessen 8,7 8,4 8,5 8,3 7,9 7,9 7,9 8,2 7,7

Rheinland-Pfalz 6,7 7 6,4 6,1 6,4 6,4 6,2 6 6,0

Baden-Württemberg 18,5 18,7 18,6 19,9 19,8 19,8 19,7 20,4 20,9

Bayern 14,7 15,7 16,3 17,1 17,5 17,8 17,7 18,4 18,8

Saarland 2,3 2,2 2,1 1,9 2 1,9 2 1,9 1,8

Berlin (West) 1,7 1,7 1,8 2 1,8 1,9 2 1,9 2,0

Bundesgebiet (alt) 100 100 100 100 100 100 100 100 100

Quelle: NIW 1997, Statistisches Bundesamt 1998.

Ausfuhr nach Bundesländern

114 Wirtschaft – Internationale Verflechtungen

aus Niedersachsen analysiert, umAnhaltspunkte über die internatio-nale Wettbewerbsfähigkeit der nie-dersächsischen Wirtschaft zu erhal-ten.

Entwicklung, Struktur und regionale Ausrichtung niedersächsischer Exporte

Die Entwicklung der niedersächsi-schen Ausfuhren in den 80er- und90er-Jahren ist von einem Abwärts-trend geprägt. Zwar hat sich derWert der aus Niedersachsen ausge-führten Waren von 30 Mrd. DM imJahr 1980 auf 55 Mrd. DM im Jahr1996 nahezu verdoppelt. Gemessenan den Anteilen Niedersachsens anden Ausfuhren des Altbundesgebie-tes und den weltweiten Ausfuhrenist seine Bedeutung deutlich zurück-gegangen.

In den 80er-Jahren lag der AnteilNiedersachsens an den Ausfuhrendes Altbundesgebietes konstantzwischen 9 und 10 %. Nach demHöchstwert in 1992 von 10,5 %, derunmittelbar mit der Öffnung Mittel-und Osteuropas und der relativ gu-ten Positionierung der niedersäch-sischen Unternehmen zusammen-hing, sank er jedoch auf 9,5 % in1995 und auf 8,8 % in 1996. Auchdie Bedeutung Niedersachsens imWelthandel hat sich vor allem ab1992 verringert. Betrug Niedersach-sens Anteil an den Ausfuhren dergesamten Welt 1992 rund 1,2 %,

verringerte sich der Anteil bis 1994auf rund 1 %. Der niedrige Welt-handelsanteil Niedersachsens darfaber nicht darüber hinweg täu-schen, dass niedersächsische Unter-nehmen dennoch sehr stark in denWelthandel eingebunden sind. DieExportquote Niedersachsens, derAnteil der Ausfuhren in Prozent des Produktionswertes, lag 1994 bei 36 %, der Auslandsumsatzanteil(Anteil des Auslandsumsatzes inProzent des Gesamtumsatzes) 1995bei 30,3 %.

Die sehr ungünstige Ausfuhrent-wicklung zwischen 1992 und 1994ist vor allem auf die massivenAbsatzeinbußen des Automobil-baus zurückzuführen. Darin spiegeltsich eine strukturelle Schwäche derniedersächsischen Exportwirtschaftwider, die wenig diversifiziert ist.Allein auf die Straßenfahrzeugeentfiel 1995 ein Anteil von 31,3 %aller niedersächsischen Industriegü-terexporte. Mit deutlichem Abstandfolgen Erzeugnisse des Maschinen-baus (11,7 %), der Chemischen In-dustrie (10,6%), der Elektrotechnik(9,9 %) und der Nahrungs- undGenussmittelindustrie (7,7 %). DieStärken und Schwächen der nieder-sächsischen Exportwirtschaft lassensich am besten an den Welthandels-anteilen bestimmter Produktgrup-pen verdeutlichen. Spezialisierungs-vorteile der niedersächsischen Ex-portwirtschaft bestehen bei Stra-ßenfahrzeugen, in der Gummi- und

Wirtschaft – Internationale Verflechtungen 115

Welthandelsanteile in %

Produktgruppen und Anteil der Anteil Nds. anausgewählte Produkte Sektoren an den Ausfuhren Deutschland Niedersachsender nds. Ausfuhr Deutschlands in % in %

Nahrungsmittel u. lebende Tiere 7,8 14,5 6,7 1,0

Getränke und Tabak 0,8 8,5 8,1 0,7

Rohstoffe 1,7 7,1 5,3 0,4

Mineral. Brennstoffe, Schmiermittel u. verwandte Erzeugnisse 3,0 20,8 2,0 0,4

Tierische u. pflanzliche Öle, Fette u. Wachse 0,3 7,6 9,2 0,7

Chemische Erzeugnisse 11,5 6,8 16,9 1,1

Medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse 0,6 2,2 16,1 0,4

Bearbeitete Waren, vorwiegend nach Beschaffenheit gegliedert 16,0 7,9 12,7 1,0

Gummiwaren 1,9 9,3 19,1 1,8

Maschinenbau-, elektrotechnische Erzeugnisse u. Fahrzeuge 48,9 7,9 14,9 1,2

Kraftmaschinen und -ausrüstungen 3,2 8,9 13,2 1,2

Büro- und EDV-Maschinen 0,3 1,1 5,6 0,1

Geräte für Nachrichtentechnik, Video- u. Audiogeräte 1,8 6,6 7,6 0,5

Straßenfahrzeuge 27,2 13,4 19,2 2,6

Verschiedene Fertigwaren 7,5 5,7 9,0 0,5

Mess-, Prüf- u. Kontrollinstrumente u. -geräte 2,6 8,3 16,5 1,4

Fotografische Apparate, optische Waren 0,5 3,8 10,0 0,4

Welthandelsanteile Niedersachsens und Deutschlands für Produktgruppenund ausgewählte Produkte

Quelle: Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung 1997.

116 Wirtschaft – Internationale Verflechtungen

Papierindustrie und in Teilen derChemie und Kunststoffverarbei-tung. Die Entwicklung in den einzel-nen Produktgruppen verläuft abernicht stabil.

Der Welthandelsanteil der nie-dersächsischen Straßenfahrzeuge istvon 3,6 % im Jahr 1992 auf 2,6 % in1994 gesunken. Durch das hohe Ge-wicht der Straßenfahrzeugexportehat dieser Sektor maßgeblich zuden Anteilsverlusten der nieder-sächsischen Exportwirtschaft bei-getragen. Der Gummi- und derPapierindustrie ist es gelungen, ih-ren Welthandelsanteil (2,2 % bzw. 1,8 %) zu halten bzw. leicht auszu-bauen, während die Chemische In-

dustrie mit Ausnahme der Kunst-stofferzeugung Anteilsverluste hin-nehmen musste. Besonders positivhervorzuheben ist die Entwicklungvon Mess-, Prüf- und Kontrollinstru-menten. Niedersächsische Unter-nehmen konnten ihren Welthan-delsanteil von 1 % im Jahr 1989 auf1,3 % in 1994 erhöhen. Spezialisie-rungsnachteile bestehen in einigenBranchen, die im Weltmaßstabdurch hohe Forschungs- und Ent-wicklungsaktivitäten geprägt sind.So konnten die Gruppen des Ma-schinenbaus und der Antriebstech-nik sowie der Elektrotechnik ihreohnehin geringen Welthandelsan-teile (zwischen 1,3 % und 0,6 %)

Regionale Ausrichtung der niedersächsischen Exporte und Direktinvestitionen 1995

Quelle: Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung

Wirtschaft – Internationale Verflechtungen 117

nicht halten. Fast bedeutungslossind aus niedersächsischer Sicht Ex-porte von Büro- und ADV-Maschi-nen, von Erzeugnissen der Pharma-industrie, der Luft- und Raumfahrt-industrie sowie der Optik.

Die regionale Ausrichtung derniedersächsischen Exporte ist wie imAltbundesgebiet auf westliche In-dustrieländer und hier insbesondereauf Länder der Europäischen Unionkonzentriert.

1995 gingen rund 59,5 % der Ex-porte in Länder der EU, 5 % in dieUSA und Kanada sowie 3,2 % nachJapan. Seit Mitte der 80er-Jahre hatsich die Regionalstruktur zugunstenvon Ländern Mittel- und Osteuropassowie der Volksrepublik China ver-lagert. Am stärksten ist der Absatzauf den nordamerikanischen Märk-ten zurückgegangen, der bis Mitteder 80er-Jahre noch bei 15 % lag.Ausschlaggebend war die Wettbe-werbsschwäche der niedersächsi-schen Automobilindustrie, die – be-günstigt durch den niedrigen US-Dollarkurs – Marktanteile an diewiedererstarkte US-Automobilindu-strie und an japanische und koreani-sche Konkurrenten verloren hat. ImGegenzug konnten die Absätze inMittel- und Osteuropa sowie der VRChina deutlich gesteigert werden(1995: 4,7 % bzw. 3,4 %). Zwar er-weist sich die Angebotsstruktur derniedersächsischen Unternehmen inBezug auf die hohe Investitionsgü-ternachfrage in den mittel- und ost-

europäischen Reformstaaten alsnachteilig. Die niedersächsischenUnternehmen konnten trotzdemunter Ausnutzung von Lagevortei-len hohe Exportzuwachsraten erzie-len. Ebenso positiv ist die Exportent-wicklung in die VR China, wo sichfrühzeitiges Engagement auch inzunehmenden Exportverflechtun-gen niederschlägt.

Ausländische Direktinvestitionen in und aus Niedersachsen

Die Analyse der Kapitalverflech-tungen mit dem Ausland kann Hin-weise zum einen über die Attrakti-vität des Standortes Niedersachsenund zum anderen über die interna-tionale Wettbewerbsfähigkeit dereinheimischen Unternehmen lie-fern. Gelingt es, ausländische Unter-nehmen anzuziehen, deutet das aufStärken des Standortes hin. Investie-ren einheimische Unternehmen imAusland, so ist das zunehmend einSignal für eine hohe Exportwett-bewerbsfähigkeit und für eine an-gestrebte Ausweitung von Mark-tanteilen. Nach einer Studie des IFO-Instituts (Köddermann/Wilhelm1996) sind Markterschließung undDiversifizierung, zukünftiges Markt-wachstum sowie Marktpflege undVerteidigung von MarktanteilenHauptmotive für deutsche Direktin-vestitionen im Ausland.

Die ausländische Direktinvesti-tionsbilanz Niedersachsens weist er-

118 Wirtschaft – Internationale Verflechtungen

hebliche Internationalisierungsdefi-zite auf. Von 1976 bis 1994 ist derBestand niedersächsischer Direktin-vestitionen im Ausland von 3 Mrd.auf 22 Mrd. DM gestiegen (vgl. Ta-belle Ausländische Direktinvestitio-nen in und aus Deutschland nachBundesländern). Im Vergleich zumAltbundesgebiet war der Anstiegunterdurchschnittlich. Waren 1976rund 7% des deutschen Direktinves-titionsbestandes aus Niedersachsen,

waren es 1994 nur 6,8 %. Auch diePräsenz ausländischer Investorenlässt zu wünschen übrig. 1994 ent-fielen nur 6,2 % des ausländischenDirektinvestitionsbestandes im Alt-bundesgebiet auf Niedersachsen(rund 15 Mrd. DM). Gründe für dasgeringe Auslandsengagement nie-dersächsischer Unternehmen sindnach einer NIW-Studie (Gehrke/Legler u. a. 1997) die Sektorstruktur,die geringe Technologieorientie-

Bundesland Bestand

deutscher Direktinvestitionen ausländischer Direktinvestitionen im Ausland im Bundesgebiet (alt)

1976 1994 1976 1994

Mrd. DM % Mrd. DM % Mrd. DM % Mrd. DM %

Schleswig – Holstein 0,1 0,2 2,0 0,6 1,0 1,6 3,3 1,4

Hamburg 3,0 7,0 15,7 4,8 11,8 18,6 24,2 10,1

Niedersachsen 3,0 7,0 22,2 6,8 2,7 4,3 14,9 6,2

Bremen 0,2 0,5 1,1 0,3 1,0 1,6 2,1 0,9

Nordrhein – Westfalen 14,2 32,9 81,7 24,9 17,0 26,8 66,5 27,6

Hessen 7,5 17,4 59,0 17,9 11,0 17,3 55,6 23,1

Rheinland – Pfalz 2,9 6,7 19,8 6,0 1,5 2,4 5,7 2,4

Baden – Württemberg 5,2 12,1 45,6 13,9 10,4 16,4 32,8 13,6

Bayern 5,8 13,5 71,2 21,7 4,9 7,7 22,5 9,4

Saarland 0,8 1,9 2,1 0,6 1,4 2,2 2,8 1,2

Berlin (West) 0,4 0,9 8,3 2,5 0,7 1,1 10,2 4,2

Bundesgebiet (alt) 43,1 100 328,7 100 63,5 100 240,6 100

Ausländische Direktinvestitionen in und aus Deutschland nachBundesländern

Quelle: Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung 1997.

Wirtschaft – Internationale Verflechtungen 119

rung und der kleine Bestand anGroßunternehmen. Die sektoraleZusammensetzung der niedersächsi-schen Auslandsinvestitionen wirddurch das Verarbeitende Gewerbegeprägt (1994 = 62 % der Ausland-sinvestitionen aller Wirtschaftsbe-reiche) und gibt deutlich die Indu-striestruktur des Landes wieder. Derniedersächsische Straßenfahrzeug-bau, die Kunststoff- und Gummi-industrie sind für den Großteil derAuslandsinvestitionen verantwort-lich. Branchen, die im Bundestrendvergleichsweise stark im Auslandengagiert sind, z. B. die ChemischeIndustrie, die Elektrotechnik, derMaschinenbau, sind in Niedersach-sen als Investoren nur schwach ver-treten. Auslandsinvestitionen vonDienstleistungsbetrieben sind ange-sichts der hohen Bedeutung der In-dustrie im Vergleich zum Altbun-desgebiet unterrepräsentiert. 1994lag der Anteil der niedersächsischenDienstleistungen an den Ausland-sinvestitionen bei 29 %, im Altbun-desgebiet bei 47 %. RegionalerSchwerpunkt niedersächsischer Aus-landsinvestitionen sind westliche In-dustrieländer, allen voran Länderder EU, die 1994 50 % der nieder-sächsischen Direktinvestitionen auf-nahmen.

Innerhalb der EU waren Irland alsStandort für Finanzdienstleister,Belgien und Spanien als Standorteder niedersächsischen Fahrzeugin-dustrie die wichtigsten Zielländer.

Außerhalb der EU sind die USA mit 11 % der niedersächsischen Direkt-investitionsbestände die bevorzug-te Zielregion, wobei der Anteildeutlich hinter dem des Altbundes-gebietes von 21 % zurückbleibt. SeitBeginn der 90er-Jahre haben sichMittel- und Osteuropa sowie die VRChina als wichtige Zielregionen eta-bliert.

Der Anteil niedersächsischer In-vestitionen in diesen Reformlän-dern hat sich zwischen 1991 und1994 von 0,8 % auf 7,3 % erhöht.Ebenfalls hoch ist das Engage-ment niedersächsischer Unterneh-men, vor allem des Fahrzeugbausund der mit ihr verbundenen Zu-lieferer, in Brasilien und Mexiko(1994: 11,5 % aller niedersächsi-schen Direktinvestitionsbestände).Besonders schwach sind niedersäch-sische Investoren in der asiatisch-pa-zifischen Wachstumsregion vertre-ten. In Japan, Malaysia, Hongkong,Singapur, Thailand oder Vietnamsind niedersächsische Unternehmennur selten anzutreffen.

Es stellt sich die Frage, ob sich dasbisherige Exportniveau ohne stärke-res Engagement wird halten lassenkönnen. Denn wie die Regional-struktur der niedersächsischen Di-rektinvestitionen zeigt, vollziehtsich die Entwicklung der Direktin-vestitionsbestände parallel zur Ent-wicklung der Exportströme, sodassvon einer Flankierung der nieder-

120 Wirtschaft – Internationale Verflechtungen

sächsischen Ausfuhren durch Direkt-investitionen gesprochen werdenkann.

Insgesamt gesehen ist mit Aus-nahme des Straßenfahrzeugbausund der mit ihm verbundenen Zulie-ferer die Präsenz niedersächsischerUnternehmen im Ausland nur sehrschwach ausgeprägt. Auch wennder Straßenfahrzeugbau zur Zeithohe Wachstumsraten im Auslanderzielt, geht die Mehrheit der Prog-nosen für 1999 von einer Ab-schwächung aus. Die wenig diversi-fizierte und technologisch nicht aufSpitzentechnologie ausgerichteteExportgüterstruktur birgt die Ge-fahr, dass sich Absatzeinbußen desStraßenfahrzeugbaus sofort negativin der niedersächsischen Außenhan-delsbilanz niederschlagen. Trotz po-sitiver Anzeichen in Mittel- und Ost-

europa sowie in der VR China ist dieRegionalstruktur der niedersächsi-schen Ausfuhren zu stark auf west-liche Industrieländer konzentriert.Die gerade hier für Produkte mittle-rer und höherwertiger Technologiebeobachtbare Marktsättigung setztniedersächsische Unternehmen zu-nehmend einem starken Preiswett-bewerb aus. Ausfuhren in die durchdie asiatische Währungs- undFinanzkrise vorübergehend ge-schwächten WachstumsregionenSüdostasiens bilden die Ausnahme.Impulse für eine Neuorientierungniedersächsischer Exporte durchAuslandsinvestitionen sind nicht zuerwarten, da die Hauptexport-länder auch die Hauptanlageländerfür niedersächsische Unternehmendarstellen.

Javier Revilla Diez

Strukturwandel

Der langfristige sektorale Struk-turwandel verläuft in Niedersachsenebenso wie in der Bundesrepublikzugunsten des Dienstleistungssek-tors und zu Lasten der Produzieren-den Bereiche. Im Strukturwandelder 80er-Jahre entwickelten sich dieeinzelnen Zweige des Verarbeiten-den Gewerbes dabei aber sehr un-terschiedlich. Sich gut behaupten

und an Beschäftigung gewinnenkonnten diejenigen Industriezwei-ge, die in ihrer Produktion relativviel Forschung und Entwicklung so-wie (hoch)qualifiziertes Personaleinsetzten und entsprechend inter-national wettbewerbsfähige tech-nologisch hochwertige Produkteanbieten konnten (Luft- und Raum-fahrzeugbau, weite Teile des Ma-schinenbaus, der Elektroindustrie,hochwertige Chemie).

Verarbeitendes Gewerbe

Beschäftigtenentwicklung des Produzierenden Gewerbes und der Dienstleistungen in Niedersachsen und im Bundesgebiet (alte Bundesländer) seit Anfang der 80er-Jahre

122 Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe

Zu den Verlierern des Struktur-wandels zählten neben den Her-stellern einfacher Konsum- undInvestitionsgüter vor allem dieenergie- und rohstoffintensiven so-wie die umweltbelastenden Produk-tionszweige.

Die Öffnung der Grenzen zurehemaligen DDR und die Integrati-on der ostdeutschen Bundesländerbeschleunigte nicht nur das Wachs-tum der westdeutschen Bundeslän-der insgesamt stark, sondern auchdie Wachstumsperspektiven der ein-zelnen Zweige wichen vorüberge-hend z. T. beträchtlich von den lang-fristigen Linien des sektoralenStrukturwandels ab.

Besonders begünstigt waren auf-grund des Nachfrageschubs aus denostdeutschen Ländern die konsum-güterproduzierenden Industrie-zweige und deren Zulieferer, so z. B. das Ernährungsgewerbe, derStraßenfahrzeugbau, die Herstellervon Unterhaltungselektronik, Haus-haltsgeräten und Lampen, die Holz-verarbeitung, die Kunststoffverar-beitung und die Papier- und Pappe-verarbeitung sowie die von der Bau-nachfrage abhängigen Zulieferin-dustrien (Herstellung von Baustof-fen, Fenstern, Ver- und Entsor-gungsanlagen, Heizungen, u. Ä.).

Mit dem allmählichen Auslaufendes Wachstumsschubs aus den neu-en Bundesländern im Verlauf desJahres 1991 geriet die bundesdeut-sche Industrie vorübergehend in

den Sog der weltweiten Rezession.Sie fand zwar schnell wieder aufeinen leichten Wachstumskurszurück, es setzte aber eine dramati-sche Strukturkrise ein, die bis heutenicht vollständig überwunden ist.Sie betraf nicht mehr ausschließlichsolche Branchen des Hochtechnolo-giesektors, die schon seit längeremwachsendem Wettbewerbsdruckaus den aufstrebenden Schwellen-ländern unterlagen (Büromaschi-nen, Datenverarbeitungsgeräte und-einrichtungen). Zunehmend gerie-ten vielmehr auch die Domänenund Zugpferde der deutschen Ex-portwirtschaft, vor allem der Ma-schinen- und Straßenfahrzeugbau,unter strukturellen Anpassungs-druck. Die Wettbewerbsposition derdeutschen Exportwirtschaft mitihren hohen Standortkosten wurdedabei nicht nur von den anderenführendenTechnologienationen derAvantgarde (USA und Japan) ange-

griffen, sondern auch von den sichim Aufholprozess befindlichenTechnologieproduzenten im fernenOsten und in Europa „in die Zangegenommen”. Gleichzeitig verstärk-te die zunehmende Integration derosteuropäischen Volkswirtschaftenmit ihren konkurrenzlos günstigenLöhnen bei ausreichend hoher Qua-lifikation der Erwerbstätigen ausSicht deutscher Anbieter den Wett-bewerbsdruck bei solchen Produk-tionen, bei denen der Preis der ent-scheidende Absatzparameter ist. Da

Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe 123

sich dieser Prozess unmittelbar „vorder Haustüre” abspielt, erhöhtensich die Anreize zur Verlagerungvon arbeitsintensiven Produktionenin diese Länder beträchtlich.

Die Strukturkrise der letzten Jah-re war vor allem gekennzeichnetdurch bundesweit stark rückläufigeBeschäftigung in fast allen Berei-chen des industriellen Sektors.Durch die damit verbundene erheb-liche Steigerung der Produktivitätgelang es der Wirtschaft aber zu-nehmend, die internationale Wett-bewerbsfähigkeit wieder durchgrei-fend zu verbessern.

Ein zentrales Charakteristikumdes wirtschaftlichen Strukturwan-dels neben seiner Begünstigung derDienstleistungen ist seine starke In-novations- und Qualifikationsorien-tierung. Entscheidende Größen iminternationalen wie im regionalenWettbewerb sind das Hervorbrin-gen von innovativen Produkten undDienstleistungen sowie der Einsatzmodernster Technologien. Damiteng verbunden ist der Einsatz vonqualifizierten und zunehmend auchhochqualifizierten Kräften im Ent-wicklungs-, im Produktions- und imVermarktungsprozess.

Vor dem Hintergrund der o.g.Herausforderungen verändern sichauch die Unternehmensstrukturenbeträchtlich:– Zum einen beobachten wir eine

Neuordnung der Unternehmens-und Konzernstrukturen, die sich

in verstärkten Übernahmen undEingliederungen von bislangselbständigen Betrieben in Un-ternehmensverbünde ausdrük-ken. Die wachsende externeKontrolle und Außensteuerungder regionalen Betriebe im Zugeder Globalisierung und Unter-nehmenskonzentration machtaus regionaler Sicht den Zugangzu den Entscheidungsträgernschwieriger. Sie sind in vielen Fäl-len nicht mehr in der Region an-sässig und fühlen sich nicht mehrso stark für sie verantwortlich.

– Die Neuordnung der Unterneh-mensstrukturen ist aber auchverbunden mit innerbetriebli-chen Veränderungen durch Kon-zentration auf Kernkompeten-zen, schlankere Produktion undOutsourcing von betrieblichenFunktionen und Bereichen. Gera-de die durch Outsourcing entste-henden neuen Unternehmens-strukturen machen eine intensi-ve Beobachtung der Unterneh-mensentwicklung durch dieWirtschaftsförderung notwen-dig („was tut sich in den Unter-nehmen”), um ggf. schnell rea-gieren zu können.

– Darüber hinaus intensiviert sichauch die Erneuerung der Wirt-schaftstruktur, wobei einemHöchststand an Insolvenzen undBetriebsaufgaben ein Rekord an Neugründungen gegenüber-

124 Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe

steht. Insbesondere die „Wellevon Existenzgründungen” führtzu einer neuen Zielgruppe derWirtschaftsförderung mit sehrspezifischen Problemen und Eng-pässen in den unterschiedlichenPhasen der Unternehmensgrün-dung und -entwicklung. NeueHerausforderungen der Siche-rung des Unternehmensbestan-des sind auch in der aufgrundder typischen Altersstruktur vonBetriebsinhabern verstärkt sichstellenden Unternehmensnach-folgeproblematik nicht nur imHandwerk, sondern auch in an-deren Wirtschaftsbereichen zusehen.

Die Globalisierung und die Inter-nationalisierung der Wirtschaftsbe-ziehungen führen zu einem ver-schärften überregionalen und inter-nationalen Wettbewerb der Regio-nen und Standorte. An erster Stelleder Standortfaktoren stehen hierdie Lage und Erreichbarkeit im na-tionalen und internationalen Ver-kehrs- und Kommunikationsnetz-werk. Darüber hinaus spielen erwar-tungsgemäß die quantitativen undqualitativen Arbeitsmarktfaktorenin den meisten Fällen eine aus-schlaggebende Rolle. Neben denunabdingbaren „harten” Standort-faktoren werden auch „weiche” un-ternehmens- und personenbezoge-ne Standortbedingungen zuneh-mend wichtiger.

Dazu zählen neben den Wohn-und Lebensbedingungen mit demFreizeit- und Kulturangebot sowieder Umweltqualität in einer Regionbesonders auch das Image, die„Wirtschaftsfreundlichkeit” undletztlich auch die Leistungsfähigkeitder Akteure im Bereich der Wirt-schaftsförderung.

Produzierendes Gewerbe

Das Produzierende Gewerbe inNiedersachsen hat mit etwa 40 %der Beschäftigten (im Folgenden:sozialversicherungspflichtig Be-schäftigte am 30.6.1997) in etwa diegleiche Bedeutung in der Wirt-schaftsstruktur wie in den altenBundesländern. Die Industrie in Nie-dersachsen ist durch eine Reihenamhafter Unternehmen repräsen-tiert.

Insgesamt weicht die Branchen-struktur des Produzierenden Ge-werbes deutlich vom Bundesdurch-schnitt ab.

– Größter Zweig des Produzieren-den Gewerbes in Niedersachsenist das Baugewerbe, das mit 8,5 % der Gesamtbeschäftigtendeutlich überrepräsentiert ist.Das Baugewerbe spielt vor allemin den ländlichen Regionen undim näheren Umfeld der Groß-städte eine besondere Rolle.

– Der mit Abstand größte Indu-striezweig ist der Straßenfahr-zeugbau mit 6,6 % der Gesamt-

Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe 125

Rang / Unternehmen Sitz Umsatz BeschäftigteBranchein Mio. DM

1 Volkswagen AG (K) Wolfsburg 113245,0 256.132 Straßenfahrzeugbauzu 1 Volkswagen AG Wolfsburg 54285,0 100.370 Straßenfahrzeugbau

2 Preussag AG (K) Hannover 26658,0 63.021 Mischkonzern 3 Preussen Elektra AG (K) Hannover 16197,1 23.085 Energieerzeugung

und -versorgungzu 3 Continental AG (K)Hannover11186,1 44.800Gummiverarbeitung

5 Preussen Elektra AG Hannover 6343,9 5.918 Energieerzeugung und -versorgung

6 KM Europa Metal AG (K) Osnabrück 4294,6 7.657 NE-Metallindustrie7 Solvay Deutschland Gruppe (K) Hannover 3918,0 9.534 Chemische

Industrie7 BEB Erdgas und Erdöl GmbH Hannover 3688,2 1.691 Erdgas- und

Erdölförderung und -handelzu 2 Preussag Stahl AGSalzgitter3175,9 7.957 Eisen- undStahlerzeugung

8 Siemens AG in NiedersachsenNiedersachsen 2934,0 8.108 Elektrotechnikzu 4 Continental AGHannover2893,0 7.513 Gummiverar-beitung

9 Alcan Deutschland GmbH Göttingen 2656,8 3.885 NE-Metallindustrie10 Alcatel Kabel Beteiligungs- AG (K) Hannover 2548,1 5.816 Elektrotech-nik11 VARTA AG (K) Hannover 2461,7 11.133 Akkumulatoren, Bat-terien12 Effem GmbH Verden (Aller) 2030,3 1.403 Heimtiernahrung13 Haarmann & Reimer GmbH (K) Holzminden 2005,4 4.889 Duft- undAromastoffe14 Bahlsen Gruppe (K) Hannover 1974,5 9.468 Dauerbackwaren15 Elastogran GmbH Lemförde 1785,8 1.138 Chemische Industrie16 MZO Oldenburger- Oldenburg 1763,6 1.757 Milchverarbeitung

Botterblom-Milch eG17 Lemförder Fahrwerktechnik Lemförde 1761,0 6.445 FahrwerktechnikPKW/NKW

AG & Co. (K)18 Nordmilch eG (K) Zeven 1760,3 1.769 Milchverarbeitung19 Nordzucker AG (K) Braunschweig 1758,2 1.956 Zuckerindustrie20 Bertrand Faure Sitztechnik Stadthagen 1717,0 4.921 Kfz-Sitzfertigung

GmbH & Co KG21 Lohmann & Co. AG (K) Rechterfeld/Visbek1704,2 3.612 Geflügelwirtschaft22 Wendeln GmbH & Co KG Garrel 1700,0 7.500 Brot- und

Backwarenherstellung23 Nordland Papier AG Dörpen /Ems 1464,4 1.726 Papiergewerbezu 5 KM Europa Metal AG Osnabrück 1404,0 3.075 NE-Metallindustrie24 Wilhelm-Karmann GmbH (K) Osnabrück 1370,1 5.425 Straßenfahrzeugbau

Quelle: Nord/LB, Wirtschaft Niedersachsen, Januar 1999.

Die 30 größten Industrieunternehmen in Niedersachsen 1997

126 Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe

beschäftigten bzw. 22 % der In-dustriebeschäftigten. Die indi-rekte Abhängigkeit des Landesvom Straßenfahrzeugbau istaber noch deutlich größer, weileine Vielzahl von Branchen (Her-stellung von Reifen, Kunststof-fen, Batterien, Bremsen, Autora-dios, Eisen-, Stahl- und Alumini-umerzeugnissen bzw. Maschi-nen- und Anlagenbau) als Zulie-ferer bzw. Lieferant von Investiti-onsgütern auf die Herstellungvon Straßenfahrzeugen ausge-richtet sind (vgl. hierzu vor allemdie Studie der Nord/LB zur Be-deutung der Straßenfahrzeug-bauzulieferer in der Region Han-nover). Schätzungsweise 40 %des niedersächsischen Exportsentfallen auf Kraftfahrzeuge.Die größten Standorte sindWolfsburg mit der Konzernzen-trale von Volkswagen, Hannover,Salzgitter, Emden, Braunschweigund Osnabrück.

– An zweiter Stelle der Industrie-zweige folgt das Ernährungsge-werbe, auf das etwa knapp 13 %der Beschäftigten des Verarbei-tenden Gewerbes entfallen.Standortvorteile ergeben sichvor allem aus der starken land-wirtschaftlichen Prägung desLandes sowie aus der Nähe zuden Seehäfen. Allerdings setztsich das Ernährungsgewerbe auseiner Vielzahl von einzelnen

Branchen zusammen. Bedeu-tendste Zweige in Niedersachsensind die Fleischverarbeitung (vorallem im Weser-Ems-Raum mitdem Schwerpunkt der Intensiv-haltung von Schweinen und Ge-flügel im Raum Vechta/Cloppen-burg und seinem Umfeld), dieHerstellung von Backwaren undDauerbackwaren (u. a. RaumHannover), Molkereierzeugnisse(Heidegebiet und deren Rand-bereiche, Emsgebiet und derKüstenraum), die Getränkein-dustrie (mit der Bierherstellung u. a. in Hannover und Südnieder-sachsen sowie die Spirituosenin-dustrie in den ländlichen Räu-men u. a. des westlichen Nieder-sachsen), die Zuckerindustrie(südniedersächsische BördezoneHannover / Braunschweig / Hil-desheim sowie der Raum Uel-zen), die Futtermittelindustrie(im Umfeld der Seehäfen sowiein den agrarischen Intensivgebie-ten im westlichen Niedersach-sen). Hochspezialisierte Zweigesind darüber hinaus die Herstel-lung von diätischen Nahrungs-mitteln (Raum Lüneburg), vonNahrungsfetten, Saucen, Fertig-gerichten u. a. (Raum Osna-brück) oder die Fischverarbei-tung (u. a. Cuxhaven). Entspre-chend hat das Ernährungsgewer-be Schwerpunkte in den ländli-chen Räumen des westlichenNiedersachsen, im Küstenraum

Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe 127

und im Elbe-Weser-Raum sowieim Umfeld der südniedersächsi-schen Großstädte. Insgesamt istdas Ernährungsgewerbe der In-dustriezweig mit der breitestenräumlichen Streuung und damitder größten Bedeutung in denländlichen Regionen des Landes.

– Die Elektrotechnik steht mit 9 %der Beschäftigten im Verarbei-tenden Gewerbe zwar an dritterStelle, ist aber im Vergleich zumübrigen Bundesgebiet deutlichunterrepräsentiert. Große Stand-orte sind u. a. Hannover, Hildes-heim, Braunschweig und Salzgit-

ter sowie Göttingen, Osterodeund Holzminden, Wesermarschund Oldenburg.

– Der Maschinenbau erreicht mitknapp 9 % der Beschäftigtenden vierten Rang unter denIndustriezweigen. Auch der Ma-schinenbau ist deutlich schwä-cher vertreten als im Bundes-durchschnitt. Der niedersächsi-sche Maschinenbau war in seinerhistorischen Entwicklung starkauf die Bedürfnisse anderer re-gional bedeutsamer Wirtschafts-zweige wie Landwirtschaft, Er-nährungsgewerbe, Holzverarbei-

Branchenspezialisierung des Produzierenden Gewerbes in Niedersachsen 1997

128 Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe

tung und Bergbau ausgerichtet,mittlerweile ist das gesamteSpektrum vertreten. Es reichtvon der Herstellung von Bauma-schinen (Hannover, Delmen-horst) über landwirtschaftlicheMaschinen (Raum Osnabrück, Ol-denburg, Wolfenbüttel) bis hinzu Aufzügen und Fahrtreppen(Hannover, Schaumburg). Diewichtigsten Standorte sind Stadtund Landkreis Hannover, derRaum Braunschweig-Salzgitter,Hildesheim, Stadt und LandkreisOsnabrück, Emsland sowie dasUmland von Bremen und Ham-burg.

Auf die vier größten Industrie-zweige entfallen zusammen mehrals 50 % aller industriellen Arbeits-plätze. In besonderer Weise spezia-lisiert (unabhängig von der Größeder Branche) ist die niedersächsischeWirtschaft darüber hinaus auf diekleine Branche der Gummiverarbei-tung sowie auf den Schiffbau.Leicht überdurchschnittlich vertre-ten sind darüber hinaus auch die In-dustrie der Steine und Erden, dieGlasindustrie, die Papiererzeugungund Papierverarbeitung, die Holzin-dustrie sowie auch der Luftfahr-zeugbau (mit Standorten im RaumBremen und Hamburg sowie Lan-genhagen bei Hannover). Unter-durchschnittlich vertreten sind ne-ben Elektrotechnik und Maschinen-bau vor allem die Chemische Indu-

strie, die Herstellung von Eisen-,Blech- und Metallwaren, die Leder-,Textil- und Bekleidungsindustrie so-wie die Druckindustrie. Eine nurnoch geringe Bedeutung hat auchdie Herstellung von EDV-Geräten.

Die Beschäftigtenentwicklungdes niedersächsischen Produzieren-den Gewerbes in den 80er-Jahrenwar durch eine deutliche Entwick-lungsschwäche gekennzeichnet.Nach dem überdurchschnittlichenRückgang der Zahl der Beschäftig-ten in der Rezession in der erstenHälfte der 80er-Jahre fasste die In-dustrie nur sehr allmählich wiederTritt, und erst gegen Ende der 80er-Jahre lagen die Zuwachsraten derBeschäftigung wieder über demBundestrend. Von 1980 bis 1989gingen landesweit etwa 95.000 Ar-beitsplätze im Produzierenden Ge-werbe verloren.

Hohe Verluste waren in den 80er-Jahren bei traditionellen und eherwachstumsschwächeren Branchenzu verzeichnen, wie bei der Holzin-dustrie, der Industrie der Steine undErden, der Glasindustrie, der Leder-,Textil- und Bekleidungsindustrie,der Eisen- und Stahlindustrie, derGießereiindustrie und auch der Mi-neralölverarbeitung. Überdurch-schnittliche Verluste hatte auch dasBaugewerbe. Dramatisch war derNiedergang der Büromaschinen/EDV-Industrie, von dem vor allemder Raum Willhelmshaven betrof-fen war. Weit überdurchschnittlich

Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe 129

waren auch die Verluste im Maschi-nenbau (z. B. der Herstellung vonBaumaschinen und Landmaschi-nen). Deutlich schwächer warzunächst auch die Entwicklung desStraßenfahrzeugbaus und der Elek-trotechnik (vor allem der Unterhal-tungselektronik). Nur wenige Bran-chen lagen im Trend, dazu zähltenvor allem die niedersächsischeErnährungsindustrie, die Chemieund die Kunststoffverarbeitung. Ei-ne positive Entwicklung hatten nureinige kleinere Branchen wie derLuftfahrzeugbau, die Feinmechanikund Optik sowie die Herstellungvon Eisen-, Blech- und Metallwaren.

In der ersten Phase nach der Wie-dervereinigung waren die Impulsefür die niedersächsische Industriedann weit überdurchschnittlich.Von 1989 bis 1992 entstanden83.000 Arbeitsplätze im Produzie-renden Gewerbe, darunter 58.000in der Industrie und weitere 30.000im Baugewerbe.

Insgesamt zeigte sich, dass dieProduktpalette der niedersächsi-schen Industrie ideal auf den vonder Wiedervereinigung ausgelöstenNachfrageboom passte. Positiv wardie Entwicklung von Elektrotechnik,Feinmechanik, Optik, und von Ei-sen-, Blech-, Metall-Waren, über-durchschnittlich die Impulse auchfür das Ernährungsgewerbe, die Pa-pierindustrie und das Druckgewer-be. Weit überproportional profitier-ten das Baugewerbe und die Bauzu-

lieferindustrien (Steine und Erden,Holzindustrie, Holzverarbeitung).Kurzfristig war zunächst auch dieBeschäftigtenentwicklung des Stra-ßenfahrzeugbaus und seiner Zulie-ferindustrien (u. a. Kunststoffverar-beitung, Gummiverarbeitung) über-durchschnittlich. Relativ rasch setzteaber dann gerade hier ein massiverUmstrukturierungsprozess ein, dermit starkem Beschäftigungsabbaueinherging. Belastet wurde der Ar-beitsmarkt in dieser Phase auchdurch weltweit krisenhafte Ent-wicklungen sowie erste Anpassun-gen an durch die Wiedervereini-gung geschaffene Überkapazitätenin der Eisen- und Stahlindustrie, inder Nicht-Eisen-Metallindustrie, imSchiffbau und im Bergbau (insbe-sondere Kaliindustrie). Auch in an-deren Verliererbranchen des Struk-turwandels wie der Textil- und Be-kleidungsindustrie konnte ein wei-teres Abschmelzen von Beschäfti-gung nicht verhindert werden.

Seit 1992 ist auch in Niedersach-sen die Beschäftigung im Produzie-renden Gewerbe stark rückläufig.Von 1992 bis 1997 sind rund 140.000Arbeitsplätze verloren gegangen.Allerdings war dieser Rückgangzunächst (bis etwa 1995) weit weni-ger stark als im Bundestrend. In denletzten Jahren liegt der Beschäftig-tenabbau ungefähr im Trend.

Innerhalb von Niedersachsen ver-loren in den 80er-Jahren die Agglo-merationsräume, und hier vor allem

130 Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe

die Kernstädte in besonderer Weisean Arbeitsplätzen im Produzieren-den Gewerbe. Darüber hinaus zeig-te sich eine ausgesprochene Ent-wicklungsschwäche des Küstenrau-mes. Weitaus günstiger als die übri-gen Landesteile entwickelten sichdemgegenüber die ländlichen Räu-me des Landes. Besonders positivwar die industrielle Entwicklung imwestlichen Niedersachsen.

In der ersten Phase nach der Öff-nung der innerdeutschen Grenzeund der Wiedervereinigung hatten

dann alle niedersächsischen Regio-nen mehr oder weniger starke Be-schäftigungsgewinne. An der Spitzestanden aber weiterhin die ländli-chen Regionen, und auch das ehe-malige Zonenrandgebiet konnteerstmals seit längerem wieder über-durchschnittlich profitieren. In denVerdichtungsräumen und vor allemin den vom Straßenfahrzeugbau ge-prägten Regionen setzte allerdingsrelativ rasch ein intensiver Umstruk-turierungs- und Anpassungsprozessein, sodass sie insgesamt am wenigs-

Beschäftigtenentwicklung im Produzierenden Gewerbe 1992 bis 1997

N I W Niedersächsisches Insti-tut für Wirtschafsfor-

Gemeinden bzw. Samtgemein-den(Verwaltungseinheiten)in Niedersachsensowie Hamburg und Bremen

Anteil an den Beschäftigteninsgesamt in %

Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe 131

ten von dem Nachfrageschub ausden neuen Bundesländern profitier-ten. Die Kernstädte der Verdich-tungsräume konnten nur geringeArbeitsplatzgewinne realisieren,während das Umland im Zuge desweiterhin intensiven Suburbanisie-rungsprozesses vergleichsweise star-ke Beschäftigungsgewinne aufwies.Auch in einigen weiteren Industrie-regionen des Landes (Wesermarsch,Grafschaft Bentheim) überwogendie Anpassungsprozesse, und dieBeschäftigung wuchs nur schwach.

Nach 1992 wirkten sich Rezessionund Strukturkrise in allen Regionendes Landes aus. Einen extrem star-ken Einbruch verzeichnete das ehe-malige Zonenrandgebiet. In denAgglomerationsräumen hingegenwar der industrielle Beschäftigungs-abbau nicht ganz so stark wie imBundestrend. Vergleichsweise gün-stig blieb die Entwicklung der Rand-bereiche. Am besten schnitten auchweiterhin die ländlichen Regionenab. Zumindest bis 1995 konnten siein den meisten Fällen sogar ihrenBeschäftigungsstand halten, erstseit 1995 überwogen auch hier dieArbeitsplatzverluste.

Die günstigste Entwicklung desProduzierenden Gewerbes hatten1992 bis 1997 die überwiegendländlich geprägten Regionen Clop-penburg, Vechta, Emsland sowieRotenburg, Lüneburg und Stade.Anders als in den 80er-Jahren blie-ben die Verluste in den Wirtschafts-

räumen Hamburg, Bremen undauch Hannover und Braunschweigvergleichsweise moderat. Zu dengrößten Verlierern zählten hinge-gen die industriell geprägten Regio-nen, allen voran die Automobilre-gion Wolfsburg. Aber auch die In-dustrieräume Wesermasch, Ostero-de, Salzgitter, Hildesheim oder Bre-merhaven/Cuxhaven hatten massiveArbeitsplatzverluste im Produzie-renden Gewerbe.

Die aktuelle Entwicklung zeigt,dass die Umstrukturierungs- undAnpassungsprozesse weitgehendabgeschlossen sein dürften. In eini-gen Regionen, so z. B. den Standor-ten des Straßenfahrzeugbaus steigtdie Beschäftigung sogar wiederleicht. Allerdings werden auch inZukunft neue Arbeitsplätze nicht im industriellen Sektor, sondern in den Dienstleistungen entstehen.Eine besondere Rolle spielen hierbeidie stark wachsenden unterneh-mensorientierten Dienstleistungen(Rechts-, Wirtschafts- und Finanzbe-ratung, Technische Beratung undPlanung, Wirtschaftswerbung, sons-tige unternehmensbezogene Dien-ste). Von 1980 bis 1997 hat die Be-schäftigung in diesem Sektor in Nie-dersachsen um fast 80.000 zuge-nommen und sich damit mehr alsverdoppelt. Die Entwicklungsdyna-mik entsprach damit in etwa demBundestrend. Die räumliche Vertei-lung der unternehmensorientiertenDienstleistungen zeigt nach wie vor

132 Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe

eine besondere Konzentration inden großstädtischen Zentren und inihrem unmittelbaren Umfeld. Insge-samt ist aber die Dynamik der unter-nehmensorientierten Dienstleistun-gen vor allem in den Regionen be-sonders stark, in denen auch dieEntwicklung des ProduzierendenGewerbes günstiger ist. Das bedeu-tet, dass die unternehmensbezoge-nen Dienste in den ländlichen Re-gionen stärker wachsen und dieräumliche Verteilung der Industrieund der mit ihr verbundenen

Dienstleistungen tendenziell gleich-mäßiger wird.

Unter den veränderten Wettbe-werbsbedingungen und der beson-deren Bedeutung von Innovations-aktivitäten für die Weiter- und Neu-entwicklung von Produkten sowiefür die effiziente Gestaltung vonProduktions- und Arbeitsprozessenkommt den Anstrengungen der Un-ternehmen in Forschung und Ent-wicklung eine strategisch Rolle zu.Die Erfassung von Innovations- so-wie Forschungs- und Entwicklungs-

Standorte der unternehmensorientierten Dienstleistungen 1997

N I W Niedersächsisches Insti-tut für Wirtschafsfor-

Kreise bzw. kreisfreie Städtein Niedersachsen sowie Hamburg und Bre-men

Anteil an den Beschäftigteninsgesamt in %

Wirtschaft – Verarbeitendes Gewerbe 133

aktivitäten auf regionaler Ebene istschwierig. Wichtige Hinweise lassensich aus der Funktionalstruktur, d. h.den beruflichen Tätigkeiten der Be-schäftigten ableiten. So kann derAnteil der Ingenieure und Wissen-schaftler in technischen Diensten(Ingenieure, Chemiker, Naturwis-senschaftler) an den Beschäftigtendes Verarbeitenden Gewerbes alsIndikator für das Innovationspoten-tial der gewerblichen Wirtschaft ei-ner Region gelten. Dieser auch alsWissenschaftlerintensität bezeich-nete Indikator gibt an, wie stark be-stimmte Schlüsselqualifikationenfür technische Innovationsprozesseverfügbar sind.

Insgesamt liegt die Wissenschaft-lerintensität für das ProduzierendeGewerbe in Niedersachsen etwa umein Fünftel unter dem Bundesdurch-schnitt. Insgesamt bestätigen sichdamit auch andere Untersuchun-gen, nach denen sich die For-schungs- und Entwicklungsaktivitä-ten in Deutschland in besondererWeise in den süddeutschen Ver-dichtungsräumen konzentrieren (H.Legler/B. Gehrke). Innerhalb vonNiedersachsen finden sich die indu-striellen Forschungs- und Entwick-lungsaktivitäten offensichtlich in

besonderer Weise in den Stand-orten Wolfsburg, Hannover undBraunschweig sowie in den Regio-nen Stade und Celle. Mit deutlichemAbstand folgen die Städte Salzgitterund Osnabrück sowie die RegionenHildesheim, Hameln-Pyrmont, We-sermarsch und Verden. In den übri-gen Regionen liegen die For-schungs- und Entwicklungsaktivitä-ten deutlich niedriger. Fast alle nie-dersächsische Regionen sind seitEnde der 80er-Jahre in der Beschäf-tigung von Wissenschaftlern imProduzierenden Gewerbe vorange-kommen. Dies gilt vor allem fürWolfsburg und Hannover, die mitt-lerweile sogar Hamburg überflügelthaben. Rückläufig war die Beschäf-tigung des industriellen wissen-schaftlichen Personals in den Räu-men Wilhelmshaven und Wolfen-büttel sowie in Bremerhaven. Insge-samt haben die niedersächsischenRegionen damit zwar im innova-tionsorientierten Strukturwandelüberwiegend mithalten können,den Rückstand zum Bundestrendund insbesondere zu den süddeut-schen Regionen aber nur in weni-gen Fällen deutlich verringern kön-nen.

Hans-Ulrich Jung

Erzeugnis Produktionswert in %in Mill. DM

Tierische Produkte 8.860,4 68,1

Milch 3.076,3 23,7

Schweine 2.780,4 21,4

Rinder und Kälber 1.545,4 11,9

Geflügel 745,8 5,7

Eier 646,9 5,0

Pflanzliche Produkte 4.127,3 31,7

Hackfrüchte 1.491,9 11,5

Getreide 918,1 7,1

Baumschulerzeugnisse 513,7 4,0

Frischobst 395,0 3,0

Frischgemüse 241,9 1,9

Produktionswert insgesamt 13.001,5 100,0

Wirtschaftliche Bedeutung

Der Wirtschaftsbereich „Land-und Forstwirtschaft, Fischerei“ hatauch in Niedersachsen in den ver-gangenen Jahrzehnten beträchtlichan relativer Bedeutung verloren. ImJahr 1970 trug er noch zu 6,3 % zurBruttowertschöpfung des Bundes-landes bei, im Jahr 1996 lag derWert bei nur noch 2,7 %. Dabei istaber zu bedenken, dass die in die-sem Sektor erzeugten Produkte un-verzichtbar für die gesamte weiter-verarbeitende Nahrungsmittelwirt-schaft sind. Außerdem werden vonder Land- und Forstwirtschaft Roh-stoffe für Nicht-Nahrungszwecke(Holz, Faserpflanzen) bereitgestellt.Die Bedeutung dieses Wirtschafts-sektors ist auch regional sehr unter-schiedlich groß. In agrarisch intensivgenutzten Gebieten oder in wald-reichen Regionen ist der primäreWirtschaftssektor zumeist über-durchschnittlich bedeutend undauch wegen seiner Arbeitsplatz-funktion unverzichtbar.

Die Landwirtschaft

In der niedersächsischen Land-wirtschaft hat sich in den vergange-nen Jahrzehnten ein gravierenderStrukturwandel vollzogen. Die An-zahl der Betriebe (ab 1 ha landwirt-schaftlicher Nutzfläche) verringertesich von 213.112 im Jahr 1960 auf

75.188 im Jahr 1997, dabei ist diedurchschnittliche Fläche der Betrie-be von 9,9 ha auf 35,7 ha angestie-gen. Damit liegt Niedersachsen umetwa ein Drittel über dem Durch-schnitt der Alten Bundesländer undwird nur von Schleswig-Holsteinübertroffen. Mehr als zwei Drittelder Wertschöpfung der niedersäch-sischen Landwirtschaft entfallen auf

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

Quelle: Niedersächsisches Ministerium fürErnährung, Landwirtschaft und Forsten: Dieniedersächsische Landwirtschaft in Zahlen1997.

Produktionswert der Landwirtschaftin Niedersachsen 1995

Wirtschaft – Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 135

tierische Erzeugnisse, weniger alsein Drittel auf die Pflanzenproduk-tion.

Das mit großem Abstand wich-tigste Produkt ist die Milch, dieannähernd ein Viertel der Wert-schöpfung ausmacht. Dass die tieri-sche Produktion in Niedersachseneine überproportional große Be-deutung erlangt hat, zeigt sich inden hohen Anteilen, die in vielenSparten der Tierhaltung auf diesesBundesland entfallen. Obwohl Nie-dersachsen nur 14 % der landwirt-schaftlichen Betriebe und 16 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche

Deutschlands umfasst, werden dortmehr als die Hälfte aller deutschenMasthühner und Truthühner, einDrittel aller Legehennen undannähernd ein Drittel aller Mast-schweine gehalten. Auch über 45 %der deutschen Kartoffelernte wer-den in Niedersachsen eingebracht .

Unter Einbeziehung der Betriebedes Gartenbaus und der Forstwirt-schaft wird anhand der vorherr-schenden Betriebssysteme die regio-nale Gliederung der Landwirtschafterkennbar.

Die küstennahen Bereiche sowiedie Moorniederungen werden als

Deutschland Niedersachsen in %

Landwirtschaftliche Betriebe 1997 (Anzahl) 525.121 75.188 14,3

Landwirtschaftliche Nutzfläche 1997 (1.000 ha) 17.200,8 2.682,2 15,6

Schweine 1997 (in 1.000) 24.795,2 7.120,5 28,7

Mastschweine 1997 (in 1.000) 9.362,6 2.877,4 30,7

Zuchtsauen 1996 (in 1.000) 2.613,5 654,8 25,1

Rinder 1997 (in 1.000) 15.227,2 2.884,6 18,9

Milchkühe 1997 (in 1.000) 5.026,2 827,3 16,5

Legehennen 1996 (in 1.000) 42.381,5 14.153,3 33,4

Masthüher 1996 (in 1.000) 43.357,0 22.091,1 51,0

Truthühner 1996 (in 1.000) 7.075,2 3.599,1 50,9

Kartoffelernte 1997 (1.000 t) 11.659,3 5.334,4 45,8

Zuckerrübenernte 1997 (1.000 t) 25.768,9 6.574,8 25,5

Anteile Niedersachsens an der landwirtschaftlichen Produktion in Deutschland

Quelle: berechnet nach amtl. Statistik

136 Wirtschaft – Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

traditionelle Grünlandstandortevorwiegend von Futterbaubetrie-ben eingenommen. Auf diesen Be-reich entfällt mit annähernd 40 %der größte Anteil der Betriebe. Indiesem Betriebszweig, der vor allemdie Milchkuhhaltung umfasst, sindfast ausschließlich bäuerliche Famili-enbetriebe anzutreffen. Die Milch-kuhhalter verfügen im Durchschnittüber 31 Milchkühe, der Durch-

schnitt der Alten Bundesländer liegtbei nur 23 Tieren. Im östlichen Lan-desteil dominieren Marktfruchtbe-triebe (Erzeugung von Kartoffeln,Getreide, Zuckerrüben), die in derAnzahl der Betriebe an zweiter Stel-le stehen. Hier wird die noch weit-gehende Abhängigkeit des Pflan-zenbaus von den natürlichen Stand-ortbedingungen deutlich. Auf densandigen Böden der Geest wird sehr

Quelle: Agrarbericht der Bundesregierung 1994, S. 11.

Vorherrschende Betriebssysteme in Niedersachsen

Wirtschaft – Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 137

Betriebssystem Anzahl der in % Durchschnittl. landw. Betriebe Nutzfläche je Betrieb

Marktfrucht 21.882 22,9 45,0

Futterbau 38.198 39,9 32,2

Veredlung 11.965 12,5 20,4

Dauerkultur 1.233 1,3 11,0

Gemischt 4.272 4,5 41,3

Landwirtschaft insges. 77.550 81,1 34,3

Gartenbau 2.156 2,3 4,6

Forstwirtschaft 13.788 14,4 0,7

Kombiniert 2.136 2,2 12,1

Landw. Betriebe und Forstbetriebe insges. 95.630 100,0 28,3

viel Kartoffelanbau betrieben, aberauch in der Lössbörde werdenzunehmend Kartoffelsorten ange-baut, die für Veredlungszwecke (z. B. Kartoffel-Chips) erzeugt wer-den und schwerere Böden benö-tigen. In der Lössbörde zwischendem Steinhuder Meer und Helm-stedt, aber auch im Uelzener Bek-ken mit seinen Sandlössböden, sindflächengroße Betriebe zu finden,die Getreide (vor allem Weizen)oder Zuckerrüben anbauen. ImRaum Hannover/Hildesheim sindauch die Verarbeitungsbetriebe fürdie Zuckerrüben konzentriert.

Veredlungsbetriebe, die aufSchweinemast oder die Geflügelhal-tung spezialisiert sind, finden sichvor allem im Süden des Regierungs-

bezirkes Weser-Ems, wobei die Re-gion „Südoldenburg“, die Landkrei-se Vechta und Cloppenburg, vonüberregionaler Bedeutung ist. Siebildet, gemeinsam mit den benach-barten Landkreisen, das Zentrumder Tierhaltung in Niedersachsen.

Die Schweinehaltung ist traditio-nell in sehr kleinstrukturierten undeher flächenarmen Betrieben zu fin-den, dies gilt sowohl für den Süd-westen als auch für Ostniedersach-sen. Viele niedersächsische Mastbe-triebe müssen jährlich von außer-halb große Mengen an Ferkeln zu-kaufen, die insbesondere von spe-zialisierten Betrieben aus Baden-Württemberg, aber auch aus Bay-ern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern

Quelle: amtl. Statistik

Betriebssysteme in der niedersächsischen Landwirtschaft, im Gartenbauund in der Fortstwirtschaft 1995

138 Wirtschaft – Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

und den Niederlanden bezogenwerden. In der Mastschweinehal-tung sind regional sehr unterschied-liche Bestandsgrößen anzutreffen.Während in Ostniedersachsen imDurchschnitt weniger als 100 Mast-schweine pro Betrieb gezählt wer-den (im Südosten sogar unter 50),sind es in den Hochburgen inWestniedersachsen weitaus mehr,wobei der Landkreis Vechta mit

annähernd 400 Tieren den Spitzen-platz einnimmt.

Die Legehennenhaltung ist fastgänzlich aus den bäuerlichen Be-trieben verschwunden und erfolgtheute zum größten Teil in großenagrarindustriellen Unternehmen. ImLandkreis Vechta ist das größteeierproduzierende UnternehmenDeutschlands ansässig und betreibtdort auch ein modernes Eiproduk-

Quelle: amtl. Statistik

Die Schweinebestände in Niedersachsen nach Landkreisen 1996

Wirtschaft – Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 139

tenwerk. So erklärt sich die großesektorale Konzentration, bei der einGroßteil der Gesamtproduktion anEiern von nur wenigen Unterneh-men erbracht wird. Daraus wieder-um resultiert eine starke regionaleKonzentration in den Standräumender betreffenden Unternehmen

Die Erzeugung von Masthühnernerfolgt zum größten Teil in Ver-bundsystemen, in denen bäuerliche

Vertragsmäster für vertikal inte-grierte agrarindustrielle Unterneh-men produzieren, die eine eigeneBrüterei, Mischfutterwerke und Ge-flügelschlachtereien betreiben. Der-artige komplexe Unternehmen, dieteilweise international tätig sindund auf dem deutschen Markt hoheMarktanteile erreichen, haben sichvor allem in Westniedersachsen aus-gebildet. Eine besonders dynami-

Quelle: amtl. Statistik

Die Hühnerbestände in Niedersachsen nach Landkreisen 1996

140 Wirtschaft – Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

sche Entwicklung hat die Trut-hühnerhaltung im Regierungsbe-zirk Weser-Ems genommen. Einesder bedeutendsten UnternehmenDeutschlands in der Zucht und Ver-mehrung von Truthühnern ist imLandkreis Cloppenburg ansässigund hat diese Expansion maßgeb-lich beeinflusst.

Aus der Abbildung Vorherrschen-de Betriebssysteme in Niedersach-sen ist außerdem zu sehen, dass ander Niederelbe bei Hamburg, im sogenannten „Alten Land“, speziali-sierte Dauerkulturbetriebe (Obst-bau) zu finden sind, in der Nähegrößerer Städte sowie im RaumWiesmoor und Papenburg habenGartenbaubetriebe große Bedeu-tung erlangt. In den Gebirgslagenvon Harz und Solling, aber auch inTeilen der waldreichen LüneburgerHeide, verfügen die Betriebe häufigüber größere Waldflächen, sofernnicht ohnehin die Forstwirtschaftdominiert.

Die Zukunftsperspektiven für dieniedersächsische Landwirtschaftsind eher skeptisch zu beurteilen.Die Futterbaubetriebe in der feuch-ten Marsch werden bei einer mögli-chen Abschaffung der Milchquoten-regelung ab 2006 oder weiterenPreissenkungen für Milch großeProbleme bekommen. Landwirt-schaftliche Alternativen sind dortkaum vorhanden, lediglich in Teil-bereichen kann der Fremdenver-kehr zusätzliche Einkommen bieten.

Auch für die Getreidebaubetriebein Ostniedersachsen werden die ab-zusehenden Preissenkungen für Ge-treide beträchtliche Einkommens-rückgänge bescheren. In den Vered-lungsregionen, die bislang eine sehrdynamische Entwicklung genom-men haben und über eine gute In-frastruktur verfügen, stehen durchdie erreichte Viehdichte Problemein der Seuchenhygiene (z. B. Gefahrder Schweinepest) und durch Um-weltauflagen (z. B. Beseitigung dertierischen Exkremente) einer Wei-terentwicklung im Wege. Auch fürdie Betriebe in der Mittelgebirgs-region sind die Perspektiven eherdüster, sofern sie sich nicht zusätzli-che Einkommen durch den Frem-denverkehr erschließen können.Weitere drastische Strukturverände-rungen stehen der niedersächsi-schen Landwirtschaft somit bevor.

Die Forstwirtschaft

Mit knapp 1,1 Mill. ha Waldflächeweist Niedersachsen einen Bewal-dungsgrad von 23 % auf und liegtdamit, wie die anderen norddeut-schen Länder auch, unter dem Bun-desdurchschnitt von 30 %. Inner-halb des Landes ist die Waldvertei-lung sehr unterschiedlich. Ostnie-dersachsen ist sehr viel waldreicherals der Westen, wobei größere ge-schlossene Waldgebiete insbeson-dere in den Mittelgebirgen und inder Lüneburger Heide anzutreffen

Wirtschaft – Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 141

sind. Annähernd die Hälfte derWaldfläche (49 %) ist Privatwald, 36 % sind Staatswald und 14 % be-finden sich im Eigentum von Kom-munen und Körperschaften. Dasjährliche potentielle Rohholzauf-kommen beträgt 4,3 Mill. m3, in denvergangenen Jahren (Durchschnittder Jahre 1989-1996) wurden je-doch nur jeweils 3,2 Mill. m3 einge-schlagen. Die Holzvorräte in denniedersächsischen Wäldern wachsensomit weiter an, auch die Wald-flächenentwicklung verläuft seit et-lichen Jahren durch Neuaufforstun-gen positiv. Die Bewirtschaftung er-folgt, wie auch im Landeswaldge-setz verbindlich vorgeschrieben,nach dem Prinzip der Nachhaltig-keit. Demnach wird der Wald so be-wirtschaftet, dass alle Waldfunktio-nen langfristig in Qualität undQuantität möglichst optimal er-bracht werden können.

Problematisch ist die Ertragssitua-tion in der Forstwirtschaft, da u.a.durch billige Importe aus Osteuropadie Holzpreise, vor allem fürSchwachholz, seit mehreren Jahrenso niedrig sind, dass ein kosten-deckendes Wirtschaften häufignicht möglich ist. Den Rationalisie-rungsmaßnahmen der Privatforst-betriebe folgend, wurde auch in derniedersächsischen Landesforstver-waltung eine Forstverwaltungsre-form initiiert. So werden statt 80nur noch 45 Forstämter mit jeweilsgrößerer Zuständigkeitsfläche ver-

bleiben, auch die Zahl der ihnen zu-gehörigen Revierförstereien wirdum 20 % verringert.

Durch jahrhundertelange Ein-flussnahme des Menschen wurdedie natürliche Baumartenzusam-mensetzung zugunsten von Nadel-bäumen verändert. Gegenwärtigsind 37 % der Waldfläche mit Laub-bäumen bestanden, 63 % mit Na-delbäumen. Vor Eingriff des Men-schen war das Verhältnis umge-kehrt. Vom Wirtschaftswald werdenüber 99 % als Altersklassenwald be-wirtschaftet, d.h. es stehen jeweilsBäume gleicher Altersstufe auf ei-ner Fläche. Nur sehr geringeFlächenanteile werden als Plenter-wald geführt, bei dem Bäume un-terschiedlichen Alters auf der glei-chen Fläche stehen. Aufgrund sei-nes stufigen Aufbaues und seinergrößeren Naturnähe soll der Auf-bau von Plenterwaldflächen in Zu-kunft gezielt vorangetrieben wer-den. In den niedersächsischen Lan-desforsten wird ein Programm zurlangfristigen ökologischen Wald-entwicklung (LÖWE) umgesetzt, mitdem eine Bewirtschaftung nachökologischen Gesichtspunkten ver-folgt wird. Dabei sollen die natürli-chen Waldgesellschaften geschütztund wiederhergestellt werden. DerFlächenanteil der Laubbaumartensoll von 37 % auf 65 % erhöht undein Netz von Waldschutzgebietenaufgebaut werden. Diese und wei-tere mit dem Programm verbunde-

142 Wirtschaft – Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

ne Maßnahmen sollen wieder zueiner „naturnahen Waldwirtschaft“führen.

Die FischereiDie Entwicklung und gegenwärti-

ge Situation der niedersächsischenSeefischerei ist eng an die seerecht-lichen Entwicklungen der vergange-nen Jahrzehnte geknüpft. Nachdem Zweiten Weltkrieg erfolgte einrascher Wiederaufbau der deut-schen Hochseefischerei zwecks Be-hebung der Nahrungsmittelknapp-heit. In der Folgezeit weiteten meh-rere Staaten, vor deren Küsten nie-dersächsische Schiffe fischten, ihreHoheitsgrenzen zur See aus. Norwe-gen und Island begannen 1951/52mit der Ausweitung auf 4 Seemei-len, 1958/59 erfolgte die Proklama-tion einer 12-Seemeilen-Fischerei-zone von Seiten Islands, Norwe-gens und Dänemarks (einschließlichGrönlands und der Faröer-Inseln),England, Kanada und die USA zo-gen wenig später nach. Schließlich(1975 Island, 1977 EG, 1982 gene-rell) erfolgte die Erweiterung zu200-Seemeilen-Fischereizonen.

Von der Einführung dieser natio-nalen Fischereizonen war die deut-sche Fischerei in besonderem Maßebetroffen. So fiel das einst bedeu-

tende Fanggebiet um Island gänz-lich weg, und die im Rahmen derEG-Fischereipolitik den deutschenFischern zugeteilten Fangquotenwaren so knapp bemessen, dass dieRentabilität vieler Betriebe nichtmehr gegeben war. Dementspre-chend reduzierte sich die Fangflottebis auf kleine Reste und die Anlan-dungen aus der „Großen Hochseefi-scherei“ sind beträchtlich zurückge-gangen. Wurden im Jahr 1976 nochgut 118.000 t Fisch aus der „GroßenHochseefischerei“ in niedersächsi-schen Häfen angelandet, waren es1995 nur noch knapp 23.000 t. Auchdie „Kleine Hochsee- und Küstenfi-scherei“ hat Einbußen hinnehmenmüssen, ihre Anlandungen in nie-dersächsischen Häfen gingen vonetwa 56.000 t im Jahr 1976 auf gut23.000 t im Jahr 1995 zurück. AlsFolge der geringeren Fangmengeneinheimischer Fischer müssen vonder Fisch verarbeitenden Industrie,die in Niedersachsen nach wie vorvon erheblicher Bedeutung ist,größere Mengen an Fisch einge-führt werden. Die berufliche Bin-nenfischerei wird in Niedersachsennur noch in sehr geringem Umfangbetrieben und ist kaum von wirt-schaftlicher Bedeutung.

Werner Klohn

Einleitung Obwohl Endverbraucher in ihrem

täglichen Leben ständig die Laden-geschäfte des Einzelhandels und dieEinrichtungen des dienstleistendenGewerbes nutzen, wird die Bedeu-tung dieser Sektoren häufig unter-schätzt. Sie verfügen über eingroßes wirtschaftliches Gewicht; soentfielen allein auf den Handels-bereich im Jahr 1996 in der Bun-desrepublik Deutschland 13,6 % der Erwerbstätigen und 9,6 % desBruttoinlandsproduktes (Statisti-sches Bundesamt 1997). Auch besit-zen kundenorientierte Dienstlei-stungsbetriebe prägende Bedeu-tung für das Siedlungssystem unddie räumlichen Verkehrsverflech-tungen. Darüber hinaus wird dieWohnzufriedenheit der Bevölke-rung in entscheidendem Maßedurch die lokale Versorgungssitua-tion mit Betrieben des konsumen-tenorientierten Dienstleistungsbe-reichs geprägt. Strukturelle undräumliche Merkmale des Einzelhan-dels und konsumentenorientierterDienstleistungen sowie die aktuel-len Entwicklungstrends dieser Be-reiche werden im Folgenden vorge-stellt.

Strukturelle und räumlicheMerkmale

Auf jeden Einwohner Niedersach-sens entfallen ca. 1,1 qm Verkaufs-

fläche im Einzelhandel. Die ver-schiedenen Branchen des Non-food-Bereichs besitzen mit etwa dreiVierteln des Umsatzes den größtenAnteil. Das Warenangebot wirdüberwiegend in drei Formen vonBetrieben verkauft (vgl. Kulke1996): in flächengroßen Kauf-/Wa-renhäusern mit einem breiten Sor-timent (viele verschiedene Artikel),in auf einen Artikelbereich speziali-sierten Fach-/Spezialgeschäften miteinem tiefen Sortiment (Auswahl-möglichkeiten) und in großflächi-gen selbstbedienungsorientiertenFachmärkten. Der Lebensmittelbe-reich besitzt ein breites Spektruman Betriebsformen, von kleinenBedienungsläden („Tante-Emma-Läden“) über SB-Läden (bis etwa400 qm Verkaufsfläche), Super-märkten (bis ca. 1500 qm Verkaufs-fläche) bis zu großflächigen (über1500 qm) Verbrauchermärkten/SB-Warenhäusern. Innerhalb dieserGrößenklassen besitzen Discountereine besondere Niedrigpreis-Orien-tierung.

Abhängig von ihrem Angebotund ihrer Flächengröße weisenkonsumentenorientierte Dienstlei-stungsbetriebe unterschiedlicheStandortsysteme auf (vgl. Kulke1996). Kleinere Ladengeschäfte, dietäglich nachgefragte Grundbedarfs-güter (vor allem Lebensmittel) ver-kaufen, und Betriebe, die häufig ge-nutzte einfachere Dienstleistungen

Handel und dienstleistendes Gewerbe

144 Wirtschaft – Handel- und dienstleistendes Gewerbe

erbringen (z. B. Bäckerei, Frisör, Ver-sicherungsvertretung, Bankfiliale),besitzen ein relativ dichtes Versor-gungsnetz in den ländlichen Sied-lungen und in den Wohngebietender Städte. Geichartige Geschäftemeiden dabei die Nähe zueinander,dagegen besteht bei Betrieben mitbranchenungleichem Angebot dieTendenz zur Bildung von Clustern(z. B. Bäckerei, Fleischerei, Gemüse-laden, Frisör).

Bei Betrieben, die Güter des mit-tel- und langfristigen Bedarfs anbie-ten, liegt ein hierarchisches Zen-trensystem vor. Die Citybereiche derGroßstädte stellen die höchstran-gigsten Zentren dar; sie verfügenüber Waren-/Kaufhäuser, Spezial-/Fachgeschäfte, hochwertige Dienst-leistungen (z. B. Bank, Fachanwalt,Facharzt) und Gastronomieeinrich-tungen. In innerstädtischen Subzen-tren und den Geschäftszentren mit-telgroßer Städte konzentrieren sichFachgeschäfte, einzelne Kaufhäu-ser, Lebensmittelgeschäfte undDienstleister (z. B. Ärzte, Anwälte,Bankfilialen, Restaurants). KleinereVersorgungszentren in Wohngebie-ten von Großstädten oder in Grund-zentren des ländlichen Raumes be-sitzen zumeist Supermärkte, einzel-ne Fachgeschäfte (z. B. Elektroarti-kel, Bekleidung) und Dienstleistun-gen des Allgemeinbedarfs (z. B. Rei-nigung, Frisör, Imbiss). Seit densiebziger Jahren sind zusätzlich zudiesem klassischen Standortsystem

neue, am Stadtrand gelegene Ver-sorgungsagglomerationen enstan-den; dort befinden sich eine be-grenzte Zahl sehr großflächiger Ver-braucher- und Fachmärkte sowiespezielle Dienstleister (Fast-Food-Restaurants, KFZ-Handel). Entspre-chend dieser räumlichen Verteilung(vgl. Abb. Flächengröße der Arbeits-stätten des Einzelhandels in Nieder-sachsen) besitzen in Niedersachsendie Großstädte überdurchschnittlichgroße Ladengeschäfte (z. B. Braun-schweig, Osnabrück), während inländlichen Regionen (z. B. Gifhorn,Osterode) kleine Einheiten domi-nieren.

Strukturelle und räumlicheEntwicklungsdynamik

In den letzten Jahrzehntenverzeichneten kundenorientierteDienstleistungsbetriebe erheblichestrukturelle und standörtliche Ver-änderungen (vgl. Daniels 1993, Kul-ke 1995, Staudacher 1995). Sie erga-ben sich durch Wandlungen im Kon-sumentenverhalten, durch die Ent-stehung neuer Angebotsformenund durch raumplanerischen Ein-fluss.

Prägend für die Entwicklungender Verbraucherseite waren der Ein-kommensanstieg, die damit verbun-dene Verfügbarkeit von Individual-verkehrsmitteln (Autos) und Verhal-tensänderungen. Im Einzelhandelwerden bei höherem Einkommen

Wirtschaft – Handel- und dienstleistendes Gewerbe 145

mehr Güter und ein höherer Anteilvon Non-food-Artikeln nachge-fragt. Zugleich reduziert das Vor-handensein von PKWs die Bindungan Ladengeschäfte in der unmittel-baren Umgebung des Wohnstand-ortes. Auch begünstigt ein höhe-resEinkommen Verhaltensänderun-gen; der Erlebniseinkauf in Zentrenmit einem ergänzenden Dienstlei-stungsangebot gewinnt immermehr an Bedeutung. Durch dieseEntwicklungen erfahren höherran-gige Versorgungszentren mit einemvielfältigen Angebot einen Nachfra-gezuwachs, während sich das Ein-kaufen in kleinen Läden des Nahbe-reichs auf den Vergesslichkeitsbe-darf beschränkt.

Auf der Angebotsseite erhöhtesich die Vielfalt sowohl bezogen aufdas Sortiment des Einzelhandels alsauch auf das Spektrum kundenori-entierter Dienstleistungen wesent-lich. Gleichzeitig versuchten die Be-triebe durch interne Veränderun-gen der Betriebsformen Kostenre-duzierungen zu realisieren; per-sonalkostenintensive Kleinbetriebewurden aufgegeben und es ent-standen neue kosteneffizienteregroßflächige Einheiten (z. B. Ver-brauchermärkte, Fachmärkte). Zu-erst wurden im Lebensmitteleinzel-handel umsatzschwache Bedie-nungsläden („Tante-Emma-Läden“)geschlossen und durch Supermärkteund später Verbrauchermärkte (per-

Flächengröße der Arbeitsstätten des Einzelhandels in Niedersachsen

146 Wirtschaft – Handel- und dienstleistendes Gewerbe

sonal-kostengünstiges SB-System)mit vielfältigerem Angebot ersetzt.Seit den siebziger Jahren verdrän-gen auch im Non-food-Sektorgroßflächige Fachmärkte die Fach-geschäfte und die Kaufhäuser. Inden neuen Betriebsformen findenmoderne technische Geräte zur Ver-besserung der Personalprodukti-vität Verwendung (z. B. Scannerkas-sen), sie gehören überwiegend zuMehrbetriebsunternehmen (Ko-stenvorteile beim Wareneinkauf)und sind in EDV-gestützte Zuliefer-systeme eingebunden.

Die Tabelle zeigt für den Zeit-raum 1985-1993 den überproportio-nalen Bedeutungsgewinn flächen-großer Arbeitsstätten (+15,1% Zu-wachs der durchschnittlichen Ge-schäftsfläche) und den Produk-tivitätszuwachs pro Beschäftigten (+ 24,8%). Dieser Wandel der Be-triebsformen hat räumliche Konse-

quenzen, da in Abhängigkeit vonder Flächengröße und Produktivitätunterschiedliche Standortpräferen-zen vorliegen. Die neuen groß-flächigen Betriebsformen bevorzu-gen preisgünstige Flächen am Stadt-rand mit günstiger Straßenanbin-dung; dort sind sie auch für diedurch PKW-Besitz räumlich flexiblenVerbraucher gut zu erreichen.

Die Entwicklungen der Angebots-und Nachfrageseite führten zu ei-ner Ausdünnung des Versorgungs-netzes in kleinen Siedlungen undWohngebieten, zu einem Zuwachsin Stadtzentren mittelgroßer Städteund zur Entstehung neuer nicht-in-tegrierter Versorgungsstandorte amStadtrand.

Die Abbildung Flächenentwick-lung im Einzelhandel Niedersach-sens zeigt diese Veränderungendurch ein unterdurchschnittlichesWachstum in ländlichen Kreisen

1985 1993 Veränderung in %

Arbeitsstätten 43.386 45.991 + 6,0

Umsatz (Vorjahr in Mio. DM) 44.179 66.669 + 50,9

Geschäftsfläche (in 1000 m2) 12.935 15.765 + 21,9

Geschäftsfläche pro Arbeitsstätte (in 1000 m2) 298 343 + 15,1

Umsatz pro Arbeitsstätte (in 1000 DM) 1.018 1.450 + 42,4

Umsatz pro m§ Geschäftsfläche (in DM) 3.415 4.330 + 23,9

Umsatz je Beschäftigten (in DM) 189.248 236.233 + 24,8

Datengrundlage: Handels- und Gaststättenzählung 1985 und 1993

Merkmale des Einzelhandels Niedersachsens

Wirtschaft – Handel- und dienstleistendes Gewerbe 147

(z. B. Soltau-Fallingbostel, Uelzen)und durch einen überproportiona-len Zuwachs der Geschäftsflächenim Großstadtumland (z. B. Verden)und in Landkreisen mit starken mit-telgroßen Zentren (z. B. Leer, Sta-de). Die hochrangigen Citybereicheversuchen durch interne qualitativeAufwertungen („trading up“), wiedie Spezialisierung auf hochwertigeArtikel und die Attraktivitätssteige-rung durch Passagen mit einem er-gänzenden Dienstleistungsangebot,ihre Konkurrenzfähigkeit gegen-über den neuen Zentren am Stadt-rand zu sichern. Die räumliche Pla-nung nahm zuerst nur wenig Ein-

fluss auf diesen Standortstruktur-wandel. Erst in jüngerer Zeit versu-chen Planer/Politiker die Suburba-nisierung des Einzelhandels auf-grund der negativen Effekte, wieFlächenverbrauch und Anstieg desFahrzeugverkehres, zu begrenzen(durch § 11.3 der Baunutzungsver-ordnung).

Im Dienstleistungsbereich (vgl.Staudacher 1995) führte der Ein-kommensanstieg zum Ersetzen ein-facher extern nachgefragter Dien-ste (z. B. Taxitransport, Wäscherei,Putzhilfe) durch langlebige Kon-sumgüter (z. B. Auto, Waschmaschi-ne, Staubsauger). Zugleich ergab

Flächenentwicklung im Einzelhandel Niedersachsens

148 Wirtschaft – Handel- und dienstleistendes Gewerbe

sich in Verbindung mit der Erlebnis-orientierung eine verstärkte Nach-frage nach höher bewerteten Diens-ten im Freizeitbereich (z. B. Fitness-Studio, Video-Shop, Restaurants)und bei Fremdenverkehrseinrich-tungen. Innerhalb des Angebots-bereichs kam es dadurch zur Aufga-be und kostenorientierten Reduzie-

rung in traditionellen Bereichenund zur Neuentwicklung höher-wertiger Dienstleistungen. Stand-örtlich orientieren sich konsumen-tenorientierte Dienstleistungen andem hierarchischen Zentrensystemdes Einzelhandels.

Elmar Kulke

Niedersachsen bietet dem Erho-lungssuchenden mit den Wattenund Inseln, den Marschen, Hoch-mooren, der Geest und den Löss-börden, sowie dem Berg- undHügelland und dem Harz als nörd-lichstem deutschen Mittelgebirgeein sehr mannigfaltiges Angebot.

Der Fremdenverkehr hat in den17 Reisegebieten (vgl. Abb. Die 17Reisegebiete Niedersachsens), in diedas Land flächendeckend eingeteiltist, eine sehr unterschiedliche Be-deutung. Die einzelnen Reisegebie-

te sind nicht nach administrativenRaumeinheiten gegliedert, sonderngeben die Zuständigkeitsbereicheder regionalen Fremdenverkehrs-verbände wieder. In die Fremden-verkehrsstatistiken gehen in Nieder-sachsen, wie auch im restlichen Bun-desgebiet, nur Beherbergungsbe-triebe mit mehr als achtGästebetten ein. Diese Betriebemeldeten 1997 für Niedersachsenknapp 32 Mio. Gästeübernachtun-gen. Besonderer Beliebheit erfeuensich bei den Reisenden die Inseln

Erholung und Fremdenverkehr

Quelle: Barbara Hahn

Die 17 Reisegebiete Niedersachsens

150 Wirtschaft – Erholung und Fremdenverkehr

und die Küstenregionen, die in dieReisegebiete „Ostfriesische Küste“und „Cuxhavener Küste-Unterelbe“untergliedert sind, der „Harz“ unddas Reisegebiet „Weserbergland-Solling“ und die Lüneburger Heide,die wiederum in zwei Reisegebieteunterteilt ist. Von den knapp 32Mio. gemeldeten Übernachtungenentfielen 35,5 Prozent auf die Inselnund Küstenregionen, knapp 20 Pro-zent auf die Berglandschaften„Harz“ und „Weserbergland-Sol-ling“ und 15 Prozent auf die Lüne-burger Heide.

Die Inseln und die Küstenland-schaften zeichnen sich durch eingesundes Reizklima aus. Insbeson-dere die sieben ostfriesischen InselnBorkum, Juist, Norderney, Baltrum,Langeoog, Spiekeroog und Wange-rooge mit ihren breiten Sandsträn-den werden im Sommer gerne vonFamilien für längere Urlaubsreisenaufgesucht. Bemerkenswert ist, dassdie mittlere Aufenthaltsdauer aufden Inseln bei 8,6 Tagen liegt,während im niedersächsischenDurchschnitt nur 3,6 Tage erreichtwerden.

Der Harz liegt nur zu einem Drit-tel in Niedersachsen. Er gehört mitseinen tief eingeschnittenen Tälern,den vermoorten Hochflächen undden umfangreichen Waldbeständenzu den meistbesuchten deutschenUrlaubslandschaften. Da dieses Rei-segebiet über eine große Zahl vonKurorten, wie z. B. das Moorheilbad

Bad Grund und das KneippheilbadBad Lauterberg verfügt und außer-dem häufiger Schneefall die Aus-übung von Wintersport ermöglicht,sind die Übernachtungen sehr vielgleichmäßiger über das ganze Jahrverteilt als in den Küstenregionen.Die Zahl der gemeldeten Übernach-tungen vermittelt allerdings nur einunvollständiges Bild von der Bedeu-tung des Fremdenverkehrs für denHarz, der ein beliebtes Tagesaus-flugsziel für die Menschen in denangrenzenden Regionen darstellt.Das Reisegebiet „Weserbergland-Solling“ erreicht zwar nicht sogroßen Höhen wie der Harz, ist abergleichwohl ein sehr ausgeprägtesBergland. Es erstreckt sich vom We-sergebirge, Süntel und Deister überOsterwald, Ith, Hils, Vogler, Pyrmon-ter Bergland und OttensteinerHochfläche bis zum Südfuß des Sol-ling. Der Naturpark Solling-Voglerumfasst nach dem Harz den zweit-größten Höhenzug Niedersachsens.

Ganz anders lassen sich in der Lü-neburger Heide unberührte Heide-landschaften insbesondere im Na-turschutzpark Lüneburger Heide,der den 169m hohen Wilseder Bergin der nördlichen Lüneburger Heideeinschließt, aber auch im NaturparkSüdheide finden. Das Reisegebiet„Nördliche Lüneburger Heide“zieht darüber hinaus mit einer Füllevon Attraktionen, wie z. B. demVergnügungspark Heidepark Soltauoder dem Wildpark Lüneburger

Wirtschaft – Erholung und Fremdenverkehr 151

Heide viele Menschen an. Besondersan den Wochenenden besuchen vie-le Hannoveraner und Hamburgerdie überwiegend in Autobahnnähegelegenen Freizeit- und Erholungs-einrichtungen im Rahmen von Ta-gesausflügen.

Von den bislang noch nicht er-wähnten Regionen sind die Reisege-biete „Harzvorland-Elm-Lappland“und „Südniedersachsen“ als Berg-und Hügelländer zu bezeichnen. Inden Reisegebieten „Ems-Hümm-ling“, „Emsland-Grafschaft Bent-

Reiseverkehrsgebiet Übernachtungen Veränderungen durchschnittl.in 1.000 in % Aufenthaltsdauer

in Tagen

1984 1997 1984 – 1997 1997

Ostfriesische Inseln 4.410 5.453 24 8,6

Ostfriesische Küste 1.448 3.557 146 5,0

Cuxhavener Küste-Unterelbe 1.022 2.332 128 4,8

Elbufer-Drawehn 237 372 57 3,4

Ems-Hümmling 534 1.011 89 3,4

Emsland-Grafschaft Bentheim 257 567 121 2,6

Oldenburger Land 771 1.150 49 2,5

Bremer Umland 411 610 48 2,0

Nördl. Lüneburger Heide 1.632 3.507 115 3,4

Südl. Lüneburger Heide 801 1.169 46 2,6

Steinhuder Meer 172 205 19 2,4

Hannover-Hildesheim-Braunschweig 1.525 2.813 85 1,8

Harzvorland-Elm-Lappland 797 808 1 2,9

Osnabrücker Land-Dümmer 1.218 1.543 27 3,7

Weserbergland-Solling 2.187 2.092 – 4 4,1

Südniedersachsen 445 554 25 1,7

Harz 4.549 4.210 – 8 4,4

Niedersachsen 22.415 31.960 43 3,8

Der Reiseverkehr in den Reiseverkehrsgebieten 1984 und 1997*

*nur Beherbergungsbetriebe mit neun und mehr Betten

152 Wirtschaft – Erholung und Fremdenverkehr

heim“ und „Elbufer-Drawehn“ sindinsbesondere die Flusslandschaftenprägend, während „SteinhuderMeer“ und „Osnabrücker Land-Dümmer“ Binnenseeregionen dar-stellen. Das „Oldenburger Land“und das „Bremer Umland“ sind Teildes niedersächsischen Tieflandes.Marsch, Moor und Geest sind dieprägenden Elemente der Land-schaft.

Das Reisegebiet „Hannover-Hil-desheim-Braunschweig“ hat 1997knapp 9 Prozent aller Übernachtun-gen auf sich vereinen können. Hierstehen allerdings der Städtetouris-mus und der Geschäftsreiseverkehran erster Stelle. In der Städten die-ser Region ziehen eine größere Zahlvon Museen und anderer kulturellerGüter, wie z. B. der HildesheimerDom zahlreiche Touristen, die anKultur und Bildung interessiert sind,an. Darüber hinaus hat die Landes-hauptstadt Hannover aufgrund ih-rer Messefunktion einen hohen An-teil an Geschäftsreisenden. Alleindie beiden wichtigsten Messen Ce-bit und Hannover-Messe wurden1997 von ca. 900.000 Menschen be-sucht. Die große Attraktivität derMessen wirkt sich positiv auf dieZahl der Gästeübernachtungen aus.1997 übernachteten 1,051 Mio. Gä-ste in Hannovers Beherbergungsbe-trieben. Das waren knapp 39 Pro-zent mehr als zehn Jahre zuvor. Aufdas Jahr gerechnet ist die Ausla-stungsquote bezogen auf die ange-

botenen Fremdenbetten mit ca. 35Prozent (1995) jedoch sehr gering.Die Beherbergungsbetriebe Hanno-vers verfügen über ein großes Bet-tenangebot und die Gäste verwei-len durchschnittlich nur 2,1 Tage inder Stadt.

Detaillierte Daten liegen auch fürdie Campingplätze in Niedersachsenvor. 1997 stellten 276 Campingplät-ze im Land insgesamt 23.659 Stell-pätze für Urlaubscamping zur Ver-fügung. Die Urlauber bleibendurchschnittlich 4,6 Tage an einemStellplatz und übernachteten ca.drei Mio. mal auf Campingplätzen.

Der Fremdenverkehr konkurriertin Niedersachen mit anderen Zielge-bieten innerhalb der Bundesrepu-blik Deutschland und im Ausland.Veränderungen bei der Zahl derÜbernachtungen und Gästeankünf-te ergeben sich von Jahr zu Jahr u. a. in Abhängigkeit von der Wirt-schaftskraft der Haushalte, der stetswechselnden Beliebtheit der einzel-nen Regionen bei den Touristen undauch vom Wetter. In Niedersachsenhaben seit Mitte der 1980er-Jahredie Reisegebiete „OstfriesischeKüste“, „Cuxhavener Küste-Unter-elbe“, „Emsland-Grafschaft Bent-heim“ und „Nördliche LüneburgerHeide“ gemessen an der Zahl derÜbernachtungen Zuwächse vonmehr als 100 Prozent verzeichnenkönnen. Der Harz ist zwar immernoch eines der beliebtesten Reise-gebiete Niedersachsens, hat aber im

Wirtschaft – Erholung und Fremdenverkehr 153

gleichen Zeitraum sogar einen ge-ringfügigen Rückgang der Über-nachtungszahlen erlebt. Im Ver-gleich zu den anderen Bundeslän-dern hatte Niedersachsen in den1990er-Jahren nach Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-West-falen die meisten Gästeübernach-tungen. Erfreulich ist, dass in Nie-dersachsen zwischen 1992 und 1997die Zahl der Übernachtungen mit2,6 Prozent nur relativ wenig gesun-ken ist, während die drei anderenführenden Bundesländer im glei-chen Zeitraum einen Rückgang vonca. 11 Prozent erlitten haben.

Größere Beherbergungsbetriebesind im Allgemeinen in der Lage, einbesseres Angebot, sei es in der Formvon Restaurants, Sportmöglichkei-ten oder Kinderspielplätzen bereit-zuhalten, als kleinere Betriebe. Die-se Dienstleistungen werden auch inNiedersachsen in zunehmendemMaße von den Gästen gewünscht.Von 1984 bis 1997 ist der Anteil derÜbernachtungen in Hotels von 17,1Prozent auf 25,5 Prozent gestiegen.Die Zahl der zur Verfügung stehen-den Hotels wurde nicht nur durchden Bau von neuen Einrichtungendieser Art, sondern auch durch eineVeränderung der Betriebsart, d. h.z. B. durch die Umgestaltung eineseinfacheren Gasthofes zu einembesser ausgestatteten Hotel ausge-weitet. Das Angebot wurde so derveränderten Nachfrage angepasst.Gemessen an der Zahl der Über-

nachtungen haben gleichzeitig nurFerienhäuser, Ferienwohnungenund Ferienzentren eine ähnliche po-sitive Entwicklung erlebt. In den Fe-rienhäusern und -wohnungenschätzen die Gäste die ungezwun-gene Atmosphäre und die Möglich-keit, Mahlzeiten selbst vorbereitenzu können. Die Ferienzentren stel-len darüber hinaus noch weitereAnnehmlichkeiten, wie z. B. großzü-gige Freizeit- und Sportanlagen,Animation und Einkaufsmöglichkei-ten zur Verfügung.

Die durchschnittliche Aufent-haltsdauer ist mit nur 3,8 Übernach-tungen in den einzelnen Beherber-gungsbetrieben gering. In Hotelsund Gasthäusern verbringt der Gastnur 2,1 Nächte, während die durch-schnittliche Aufenthaltsdauer er-wartungsgemäß in Sanatorien undKurkrankenhäusern mit 23,0 Näch-ten am längsten ist. Gerade der Kur-tourismus hat allerdings in den ver-gangenen Jahren empfindliche Ein-bußen hinnehmen müssen. Die Ein-schneidungen im Gesundheitswe-sen haben sich negativ auf die Zahlder Kuranmeldungen und auf dieDauer der Kuraufenthalte ausge-wirkt. Während 1994 noch ca.165.000 Kurgäste durchschnittlich28 Tage in den Sanatorien und Kur-krankenhäusern Niedersachsensverweilten, suchten 1997 nur nochca. 152.000 Gäste diese Einrichtun-gen für durchschnittlich 23 Tageauf. Die negative Entwicklung im

154 Wirtschaft – Erholung und Fremdenverkehr

Kurwesen ist der wichtigste Grundfür einen leichten Rückgang derÜbernachtungen im Fremdenver-kehrswesen Niedersachsens in neue-ster Zeit. Reisegebiete, die übereine größere Zahl von Kurorten, wie z. B. „Weserbergland-Solling“,„Harzvorland-Elm-Lappwald“ und„Emsland-Grafschaft Bentheim“,verfügen, haben besonders hoheEinbußen hinnehmen müssen. Ob-wohl der Kurtourismus in den ver-gangenen Jahren rückläufig war,gab es in den niedersächsischenHeilbädern (Mineral- und Moorbä-der, heilklimatische Kurorte undKneippkurorte) 1997 noch knapp 24 Prozent aller Gästeübernachtun-gen. Von noch größerer Bedeutungfür den niedersächsischen Fremden-verkehr sind nur die Seebäder mitknapp 30 Prozent aller Übernach-tungen.

Nur knapp 6 Prozent aller Über-nachtungen in den niedersächsi-schen Beherbergungsbetriebenwerden von Ausländern gebucht.Mehr als 80 Prozent dieser Über-nachtungen erfolgen durch An-gehörige eines europäischen Lan-des. Besucher aus den Niederlandenbelegten hier mit weitem Abstandden ersten Rang. Gäste aus anderen

Erdteilen spielten bislang nur eineuntergeordnete Rolle, verbuchtenin den vergangenen Jahren aber ho-he Zuwachsraten.

Obwohl Niedersachsen derzeitknapp 32 Mio. Übernachtungen imFremdenverkehr verzeichnet, darfdie wirtschaftliche Bedeutung desSektors für das Land nicht über-schätzt werden. Im niedersächsi-schen Fremdenverkehr sind nur ca. 4Prozent aller Beschäftigten tätig.Diese erwirtschaften rd. 4,3 Prozentdes Volkseinkommens. Etwa 2,2 %des niedersächsischen Bruttosozial-produkts werden aus dem Tagesaus-flugsverkehr, 1,4 Prozent aus demFremdenverkehr mit Übernachtungund 0,6 Prozent aus dem Tagege-schäftsverkehr gewonnen. Aller-dings ist zu bedenken, dass sich derFremdenverkehr auch positiv aufandere Wirtschaftszweige, wie z. B.auf den Einzelhandel in den betrof-fenen Regionen auswirkt. In denRegionen, die nur über wenige Ar-beitsplätze im industriellen Sektoroder in anderen Dienstleistungenverfügen, bietet der Fremdenver-kehr darüber hinaus dringendbenötigte Arbeitsplätze.

Barbara Hahn

Die Verkehrsinfrastrukturausstat-tung von Regionen stellt einen zen-tralen Faktor für die Partizipations-möglichkeiten und -bedingungender Bevölkerung an den Grundda-seinsfunktionen dar. Gerade dieQualität der Erreichbarkeitsbedin-gungen führt hierbei zu regionaldifferenzierten Strukturen.

Das auf räumliche Arbeitsteilungund Spezialisierung ausgerichteteWirtschaftssystem ist für das Vor-handensein qualitativ hochwerti-ger unternehmensorientierter Ver-kehrsinfrastruktur zur Gewährlei-stung der Mobilität von Güter- undPersonenströmen unabdingbar. DieGlobalisierung der Wirtschaft be-deutet eine zunehmende arbeitstei-lige Herstellung von Gütern übermehrere Fertigungsstufen an ver-schiedenen Standorten, wodurchsich die Verflechtungsbeziehungender Wirtschaftssubjekte sowie dieAnforderungen an die Verkehrsin-frastruktur ändern. Marktliche Be-dingungen wie der Wandel vomVerkäufer- zum Käufermarkt sowiesteigende Markttransparenz gewin-nen an Einfluss. Politisch-ökonomi-sche Veränderungen, wie vor allemdie vertikalen und horizontalenIntegrationsprozesse der Europäi-schen Union, ergeben neue Wirt-schaftsbeziehungen und Spezialisie-rungsstrukturen.

Unter den Potentialfaktoren,welche die regionale Wirtschafts-

entwicklung nachhaltig beeinflus-sen und von denen bei unzureichen-der Ausstattung limitierende Effek-te ausgehen, spielt die Verkehrsin-frastruktur als notwendiger, wennauch nicht hinreichender Faktor, ei-ne zentrale Rolle. Die Standortgunsteines Raumes für Wirtschaftsunter-nehmen und private Haushalte wirddurch die Verkehrsinfrastrukturaus-stattung mitbestimmt. Auf der an-deren Seite können Engpässe imVerkehrsinfrastrukturbereich im in-terregionalen und internationalenWettbewerb zu erheblichen Stand-ortnachteilen führen.

Die großräumige Verkehrsinfra-strukturausstattung Niedersachsenswird durch das Vorhandensein be-deutender Verkehrsachsen von Bun-desfernstraßen und Eisenbahnensowohl in Nord-Süd- als auch West-Ost-Richtung geprägt. Im Zuge derWiedervereinigung, der zunehmen-den europäischen Integration undder wirtschaftlichen Öffnung Osteu-ropas hat dabei die Zentralität in-nerhalb Europas einen neuen Stel-lenwert erhalten.

Straßenverkehr

Mit den Bundesautobahnen A2sowie A30 verläuft eine der großenWest-Ost Verkehrsachsen durch Nie-dersachsen (vgl. Abb. Fernstra-ßennetz und regionales Güterver-kehrsaufkommen), durch die eine

Verkehrsinfrastruktur

156 Verkehrsinfrastruktur

direkte Verbindung der RäumeBraunschweig, Hannover, Osna-brück mit den Benelux-Ländern,dem Ruhrgebiet sowie Berlin undden ostdeutschen Bundesländernund Osteuropa besteht. Die zentra-le Achse im Nord-Süd-Verkehr bil-den die Bundesautobahnen A1 undA7. Insbesondere die Verkehrs-ströme mit Skandinavien, Schles-wig-Holstein, den norddeutschenZentren Hamburg und Bremen, der Rhein-Ruhr-Agglomeration, densüddeutschen Agglomerationsräu-men und den südlichen und westli-chen Nachbarländern werden überdiese Bundesautobahnen abge-wickelt. Als weitere wichtige Ele-mente des Bundesautobahnnetzessind vor allem die Anbindungen derHafen- und Industriestandorte undzentralen Orte Nord-West-Nieder-sachsens wie Cuxhaven (A27), Wil-helmshaven (A29), Emden, Leer, Pa-penburg (A31) sowie über die A29Oldenburg und Delmenhorst zunennen. Über das Bundesstraßen-netz erfolgten die innere überregio-nale Erschließung sowie die Anbin-dung an das BAB-Netz. Zwischenden Regionen zeigen sich jedochdeutliche Unterschiede in der Ein-bindung in das Bundesstraßennetz,wobei gerade der südniedersächsi-sche Raum durch eine relativ hoheDichte geprägt wird (vgl. Abb. Fern-straßennetz und regionales Güter-verkehrsaufkommen). Als Maß fürQualität der Straßenverkehrsinfra-

struktur kann die Erreichbarkeit dernächsten Autobahnauffahrt heran-gezogen werden . Gerade entlangder großen Verkehrsachsen, aberauch entlang der übrigen Autobah-nen ergeben sich aufgrund dergünstigen Erreichbarkeitsbedingun-gen anderer Wirtschaftsräume guteStandortvoraussetzungen für Un-ternehmen. Überaus günstigeStandortbedingungen bieten dabeibesonders die Schnittpunkte dergroßen Nord-Süd- und West-Ost-Achsen, also die Räume Hannover-Braunschweig-Hildesheim, Achim-Verden und Hamburg einschließlichdes südlichen Umlandes.

Demgegenüber weisen einigeniedersächsische Regionen relativhohe Entfernungen zu Autobahn-anschlussstellen auf. In dieser Hin-sicht periphere Regionen sind vorallem das nordöstliche Niedersach-sen (insbesondere die LandkreiseLüchow-Dannenberg und Uelzen),der Oberweserraum (vor allem derLandkreis Holzminden), der mittlereWeserraum (Landkreise Diepholzund Nienburg), die Wesermarsch,Teile des Unterelberaums und dasnördliche Ostfriesland. Relativ un-günstige Erreichbarkeitsbedingun-gen weisen auch das östliche Ems-land und der westliche Teil Cloppen-burgs auf. Hingegen hat sich dieSituation im westlichen Emsland imZuge des Baus der Autobahn A31deutlich verbessert. Allerdings fehltauch weiterhin das Teilstück der

Verkehrsinfrastruktur 157

A31 bis Ochtrup kurz hinter dernordrhein-westfälischen Landes-grenze, sodass die überregionaleErreichbarkeitsqualität noch deutli-che Mängel aufweist. Analysiertman die Erreichbarkeitsbedingun-gen zum nächsten Oberzentrum alsein konkretes Ziel, so resultierendaraus weitgehend vergleichbareAussagen.

Die konkreten Zahlen zum Ver-kehrsgeschehen zeigen die beson-dere Bedeutung der großen Ver-kehrsachsen. Das Verkehrsaufkom-men weist dabei langfristig erhebli-

che Zunahmen auf, die sowohl denprivaten als auch den Wirtschafts-verkehr betreffen. Wichtige Gründeliegen u. a. in einem verändertenMobilitätsverhalten der Bevölke-rung und dem wirtschaftlichenStrukturwandel mit einer Auswei-tung der internationalen Arbeitstei-lung, veränderten Güterstrukturenund neuen Anforderungen an dieLeistungsfähigkeit der Verkehrsin-frastruktur (Beispiel: Just in Time).Zuwächse und Verlagerungen erga-ben sich dabei insbesondere zugun-sten des Straßenverkehrs. Besonders

Fernstraßennetz und regionales Güterverkehrsaufkommen

158 Verkehrsinfrastruktur

hohe Belastungen weisen die Auto-bahnen A7 und A1 auf. Infolge dergeänderten politischen Rahmen-bedingungen stieg in den letztenJahren vor allem das Ost-West-Verkehrsaufkommen wesentlich an,womit entsprechende Überlas-tungseffekte, die sich vor allem beider A2 zeigen, einhergehen. Beigegenwärtigen Verkehrsstärken bisüber 100.000 Kfz/Tag in einzelnenTeilstücken, wird sich auch nach Fer-tigstellung der 6-streifigen Ausbau-maßnahme eine hohe Belastung er-geben. Eine deutliche Verbesserungder Anbindungsqualitäten Südnie-dersachsens an die thüringischenund sächsischen Wirtschaftsregio-nen würde der geplante Bau der

Autobahn A38 bringen. Hiermitwären auch entsprechende Entlas-tungseffekte für das dortige Bun-desstraßennetz verbunden.

Das Güteraufkommen im Stra-ßengüterfernverkehr konzentriertsich in Niedersachsen (ca. 13 vH des bundesdeutschen Aufkommens)schwerpunktmäßig auf die RäumeHannover und Braunschweig (insg.29 Mill. t im Jahr 1993, das sind 30 vH des niedersächsischen Auf-kommens), d. h. die wirtschaftlichenKernräume des Landes (vgl. Abb.Fernstraßennetz und regionales Gü-terverkehrsaufkommen). Danebengehören die Räume Osnabrück undOldenburg (22 Mill. t / 22 vH) zu denaufkommensstärksten Regionen.

Normierte Indikatoren zur Verkehrsinfrastruktur

N I W Niedersächsisches Insti-tut für Wirtschafsfor-

Verkehrsinfrastruktur 159

Die Nutzungschancen des Kom-binierten Verkehrs, der die System-vorteile der verschiedenen Ver-kehrsträger vereint, zeigt die Abbil-dung Normierte Indikatoren zurVerkehrsinfrastruktur. Die aufkom-mensstärksten Regionen bietenauch ein entsprechendes Angebots-potential. Andererseits ist die Er-schließung der übrigen Regionenmit zusammen ca. 50 vH des Güter-verkehrsaufkommens äußerst un-günstig.

Schienenverkehr

Die Entwicklung der Schienenver-kehrsinfrastruktur ist geprägt durcheinen Rückzug der Bahn aus derFläche, dessen Schwerpunkt insbe-sondere in den 70er-Jahren lag,durch eine zunehmende Hinwen-dung zu Knotenpunktverkehrenund durch grundlegende Verbesse-rungen der Qualitätsstandards. Sokam es zu einer Vertaktung der Ver-kehre; neue Zugsysteme wie ICE, ICund IR wurden eingeführt und diewichtigsten Hauptstrecken auf Ge-schwindigkeiten bis 200 km/h aus-gebaut. Ein schnellerer Güterver-kehr u. a. auch durch eine Trennungder Güter- und Personenverkehrs-netze wurde angestrebt und der In-terCargoVerkehr, der bundesdeut-sche Wirtschaftsräume im Nacht-sprung verbindet, aufgebaut.

Gerade die Anbindungsqualitä-ten im Personenverkehr sind durch

wesentliche Reduzierungen derFahrzeiten und Verringerungen derÜberlastungen im Hauptstrecken-netz durch die Neubaustrecken ge-prägt. So stellen vor allem die ICE-Verbindungen, die zu einer deutli-chen Verringerung der „ökonomi-schen Distanz“ zwischen Wirt-schaftsräumen beigetragen haben,einen regionalwirtschaftlich wichti-gen Standortfaktor dar. Neben demZeitfaktor spielen sowohl die Häu-figkeit der Verkehre als auch dieVerbindungssituation zu Tagesrand-zeiten eine wesentliche Rolle beider Beurteilung der Angebotsqua-lität. Der Standort Hannover hat alszentraler norddeutscher Knoten-punkt mit insgesamt 236 Fernver-kehrszugpaaren pro Tag, davon 131im ICE-Verkehr, ein herausragendesQualitätsprofil in Norddeutschland ,aber auch im Vergleich mit anderenbundesdeutschen Verdichtungsräu-men (vgl. Karte Hauptstreckennetzund Fernverkehrsangebot der Ein-senbahn). Neben Hamburg (insg.152 Zugpaare) und Bremen (92)kommen im Nord-Süd-Verkehr demStandort Göttingen (121) sowie imWest-Ost-Verkehr Braunschweig(71) und Wolfsburg (45) besonderebedeutung zu. Wichtige Standortedes Fernverkehrs sind zudem Osna-brück und Hildesheim. Demgegen-über sind große Teile Niedersach-sens vom schnellen, qualitativ hoch-wertigen Schienenverkehr weitge-hend abgekoppelt. Dies betrifft ins-

160 Verkehrsinfrastruktur

besondere das gesamte westlicheNiedersachsen; jedoch lassen dieAnkündigungen der DeutschenBahn AG eine weitere Verringerungdes IR-Angebotes peripherer Regio-nen erwarten.

Der Schienenverkehr hat in denvergangenen Jahren nahezu durch-gängig Anteile am Gesamtverkehrs-aufkommen verloren, wobei die re-lativen Rückgänge im Güterverkehrbesonders hoch ausfallen. Betrach-tet man das Güteraufkommen (Ver-sand + Empfang) im Eisenbahn-verkehr Niedersachsens, so fällt die

weitaus stärkere regionale Un-gleichverteilung im Vergleich zumStraßengüterfernverkehrsaufkom-men auf. Am gesamten bundes-deutschen Güteraufkommen imSchienenverkehr hat Niedersachseneinen Anteil von ca. 8,5 vH, Ham-burg und Bremen haben zusammenca. 7 vH. Damit liegt die Bedeutungdes Schienengüterverkehrs in Nie-dersachsen gegenüber dem Stra-ßengüterverkehr weitaus niedrigerals im Durchschnitt der Bundesrepu-blik. 54 vH des niedersächsischenSchienengüterverkehrs haben im

Hauptstreckennetz und Fernverkehrsangebot der Eisenbahn

Verkehrsinfrastruktur 161

Verkehrsbezirk Braunschweig ihrenAusgang oder ihr Ziel. Weitere 11 vHentfallen auf den VerkehrsbezirkOldenburg und 10 vH auf Hannover.

Mit hohen Anteilen der Montan-industrie weist gerade die RegionBraunschweig eine relativ hohe Ei-senbahnaffinität im Güterverkehrauf. Die Dichte des Eisenbahnnetzesder DB AG in der Region sowie dieVielzahl an sonstigen Strecken, vorallem Werksbahnen, spiegeln diesespezifischen Bedingungen wider.Als wirtschaftlicher Kernraum weistBraunschweig zusammen mit Han-nover sowie Osnabrück und Olden-burg bezüglich der Eisenbahninfra-struktur weitere differenzierte An-gebotsbedingungen auf. So sindBraunschweig, Wolfsburg, Hanno-ver, Göttingen, Osnabrück und zu-künftig Salzgitter sowie Bremenund Hamburg Standorte des Kombi-nierten Ladungsverkehrs. Gleichzei-tig sind diese Regionen (einschließ-lich des direkten Hamburger Umlan-des) auch in das InterCargo Systemeingebunden, welches alle wichti-gen Wirtschaftsräume im Nacht-sprung verbindet.

Binnen- undSeeschiffgüterverkehr

Von den ca. 65 niedersächsischenSeehäfen (ohne reine Schutzhäfenund Anleger im reinen Werkver-kehr) haben 6 Häfen (Wilhelmsha-ven, Brake, Bützfleth, Nordenham,

Emden und Cuxhaven) mit einemAnteil von knapp 95 vH des Güter-umschlags eine größere regional-wirtschaftliche Bedeutung. Wil-helmshaven vereinigt dabei deut-lich über die Hälfte dieses Güterauf-kommens von ca. 28 Mill. Tonnen.Allerdings liegen diese Größenord-nungen weit unterhalb derjenigender bremischen Häfen, deren Güter-umschlag auf dem Niveau allerniedersächsischen Häfen insgesamtliegt, und des Hamburger Hafens,der einen fast doppelt so hohenUmschlag aufweist.

Neben der Seeschifffahrt ist auchdie Binnenschifffahrt in Niedersach-sen bedeutsam, wobei insbesondereder Mittellandkanal, die Weser unddie Ems bzw. der Ems-Kanal aufzu-führen sind. Der Anteil von 7,5 vHam bundesdeutschen Binnenschiffs-aufkommen zeigt jedoch die imVergleich zu den großen Schiff-fahrtsstraßen Rhein und Main deut-lich untergeordnete Rolle. Aller-dings erscheinen die Potentiale derBinnenschiffstraßen noch nicht aus-genutzt. Einerseits bestehen erheb-liche Kapazitätsreserven, die zu ei-ner Entlastung des Schienen- undStraßenverkehrs beitragen können.Anderseits können innovative Kon-zepte kürzere Transportzeiten undbetriebswirtschaftlich sinnvolle hö-herwertige Angebotsprodukte (z. B.Containerverkehr) neben dem tradi-tionellen Massenguttransporten er-möglichen.

162 Verkehrsinfrastruktur

Luftverkehr

Das Vorhandensein bzw. dieNähe eines leistungsfähigen Ver-kehrsflughafens gelten als wichti-ger Standortfaktor. Ähnlich wiebeim ICE-Verkehr ergeben sich po-tentiell positive Effekte aufgrundvon Zeit- und Kostenersparnissen im Geschäftsreiseverkehr. Ebenfalls,wenn auch vermutlich mit einemnoch höheren Gewicht als im Schie-nenschnellverkehr, ist eine allge-meine Steigerung der Attraktivitätfür die Ansiedlung moderner Pro-

duktions- und Dienstleistungsbe-triebe mit überregionalen und vorallem internationalen Geschäftsbe-ziehungen, die auf schnelle Ver-kehrsverbindungen im Geschäftsrei-se- und Güterverkehr angewiesensind, zu erwarten.

Der überwiegende Teil des Luft-verkehrs wird über die 14 Standorteinternationaler Verkehrsflughäfen(Berlin: 3 Flughäfen) abgewickelt,von denen Frankfurt mit über ei-nem Drittel aller beförderten Flug-gäste mit weitem Abstand domi-niert. Auf niedersächsischem Gebiet

Gesamtindikator Verkehrsinfrastruktur

N I W Niedersächsisches Insti-tut für Wirtschafsfor-

Verkehrsinfrastruktur 163

liegen die Verkehrsflughäfen Han-nover und Münster/Osnabrück, wo-bei Hannover, bezogen auf dieFluggastzahlen, mit einem Anteilvon 3,9 vH (4,3 Mill. Personen) imJahre 1996 den 8. Rang einnimmt,Münster/Osnabrück mit 0,9 vH und1 Mill. Fluggästen den vorletztenPlatz. Darüber hinaus strahlen dieErreichbarkeitseffekte der Flughä-fen Bremen (12. Rang) und Ham-burg (5. Rang) in das niedersächsi-sche Umland aus. Dementsprechendzeigt sich das Muster der Erreichbar-keit europäischer Zentren im Joint-Use, also der Fahrzeiten mit PKWund Flugverkehr (vgl. Abb. Normier-te Indikatoren zur Verkehrsinfra-struktur). Die relativ ungünstigenFahrzeitbedingungen der RegionOsnabrück lassen sich u.a. durch diehohe Bedeutung der innerdeut-schen Flugrelationen bei kleinerenund randlicheren Flughäfen er-klären. So liegt dieser Anteil inMünster/Osnabrück bei 83 vH imVergleich zu durchschnittlich 44 vH.

Im Luftfrachtverkehr zeigt sich ei-ne noch deutlich stärkere Ungleich-verteilung zwischen den deutschenFlughäfen. Frankfurt dominiert miteinem Anteil von 70 vH am Ge-samtaufkommen gefolgt vonKöln/Bonn mit 16 vH. Die nieder-sächsischen Flughäfen sowie Bre-

men und Hamburg kommen auf ins-gesamt 2,5 vH.

Eine zusammenfassende Bewer-tung der Verkehrsinfrastruktur Nie-dersachsens zeigt die Abbildung Ge-samtindikator Verkehrsinfrastruk-tur. Sie beruht auf Daten der Bun-desforschungsanstalt für Landes-kunde und Raumordnung und be-rücksichtigt neben den in Abb. Nor-mierte Indikatoren zur Verkehrsin-frastruktur dargestellten Indikato-ren zudem die durchschnittlichePKW-Fahrzeit sowie die Fahrzeit imSchienenverkehr jeweils zu dennächsten drei nationalen oder eu-ropäischen Agglomerationsräumen.Sehr günstige Bedingungen – auchim nationalen Vergleich – weisendie Großstadt- und Umlandregio-nen Hannover, Hamburg und Bre-men auf. Auch in den wirtschaftlichbedeutenden Standorten Braun-schweig und Osnabrück liefert dieVerkehrsinfrastruktur überdurch-schnittlich günstige Standortvoraus-setzungen. Demgegenüber sind-große Teile des westlichen Nieder-sachsens, des nordöstlichen Nieder-sachsen und des südlichen Nieder-sachsen auch bezüglich der Ver-kehrsinfrastruktur durch periphereBedingungen gekennzeichnet.

Frank Wagner

Niedersachsen hat eine vielfälti-ge, naturbetonte Landschaft mitWäldern, Feldern, Weiden, Wiesenund Heiden, Flüssen, Bächen undAuen, weiten Watten und grünenMarschen, leicht gewellten Geestenund baumlosen Mooren, Dünen,Nordseeinseln, sanften Hügeln undsteilen Bergen, Vielfalt an Pflanzenund Tieren, entsprechenden Bioto-pen, Habitaten, Lebensräumen. DasLandschaftsmosaik verbindet sichmit ausgeräumten, intensiv genutz-ten Agrar- und Industrielandschaf-ten zu einer ausgeprägten Kultur-landschaft.

Allgemeines

Die Lage und Größe des zweit-größten Bundeslandes Niedersach-sen, seine naturräumliche und land-schaftliche Ausstattung, die dar-gestellte Bevölkerungs- und Sied-lungs-, Wirtschafts- und Verkehrs-struktur weisen bereits auf einegroße Vielfalt der Umwelt diesesLandes zwischen Küste und Mittel-gebirgen hin.

Die natürlichen Gegebenheitender Umwelt haben den Menschendieses Landes von je her die unter-schiedlichsten Lebensbedingungengeboten. Die Entwicklung zeigt ein-drucksvoll die Anpassung der Men-schen an die jeweils gegebenen undveränderten natürlichen Gegeben-heiten.

Insofern wird in Niedersachsensehr unmittelbar deutlich, wie dienatürliche Umwelt die Menschenselbst und ihr Handeln geprägt hatund wie sie dabei gleichzeitig überdie Jahrhunderte die Umwelt als Le-bensraum zur Kulturlandschaft ge-formt haben, sodass nur noch weni-ge, weitgehend unbeeinflusste na-turbetonte Landschaftsteile erhal-ten geblieben sind.

Die Bewertung solcher Entwick-lung ist, wenn überhaupt nur unterBerücksichtigung der Zusammen-hänge der jeweiligen Zeit möglich.Dabei ist nachdrücklich darauf hin-zuweisen, dass es in Folge vonKlimaschwankungen, also langfri-stig und unabhängig vom Men-schen schon immer einen dauern-den Wandel gab: Menschen, Pflan-zen, Tiere, Lebensräume und Le-bensgemeinschaften waren davonbetroffen.

Hinzu kam die wachsende Gestal-tungskraft des Menschen, der seineUmwelt für sich nutzbar machte, siedabei veränderte und umgestaltete.Beispiel historischer Landschaftsver-änderung in Niedersachsen ist dieLüneburger Heide, die durch Abhol-zung der dortigen früheren Wälderfür die Salzgewinnung entstandenist, als Heide landwirtschaftlich ge-nutzt wurde und heute als einzigar-tige Naturlandschaft das älteste Na-turschutzgebiet Deutschlands und

Umwelt, Natur und Landschaft

Umwelt, Natur und Landschaft 165

mit beinahe 8500 Hektar größtesHeide-Naturschutzgebiet Mitteleu-ropas ist.

Im Folgenden soll ohne strengeBegründung oder Abgrenzung desBegriffes Umwelt mehr die natürli-che Umwelt beschrieben werden;also das, was mit Natur und Land-schaft im Allgemeinen gemeint ist.

Bei den Begriffen Natur odernatürlich ist zu differenzieren. Sche-matisierend kann man die Na-turnähe der Lebensräume nach demGrad ihrer Beeinflussung durch denMenschen in vier Kategorien eintei-len.

Die Natürlichkeitsstufen „natür-lich“, „naturnah“, und „halbnatür-

lich“ werden unter dem Begriff„naturbetont“ zusammengefasst.

Auch wenn die (ur)natürlichenZustände nicht mehr zu finden sind,und nur etwa 5 % der Landesflächevon naturbetonten Ökosystemenbelegt werden, hat Niedersachseneine überaus reichhaltige noch sehrnatürlich bestimmte, also naturbe-tonte Vielfalt. Sie stellt Verbindun-gen zu vergangenen Zeiten undZuständen her, die noch wenig un-mittelbarer menschlicher Einfluss-nahme entsprachen, und heute alsNatur bezeichnet wird. Diese „Na-tur aus zweiter Hand“ sind Schätzeder Natur, Beweise der Vielfalt desLebens und der Arten, die zu be-wundern und zu bewahren sind.

Kategorie Charakterisierung

natürlich Unbeeinflusst; in Niedersachsen nicht mehr vorhan-den. Teile des Wattenmeeres kommen dieser Stufeam nächsten.

naturnah Nur wenig beeinflusst; die Tier- und Pflanzenwelt istdem natürlichen Zustand sehr ähnlich; sie besteht ausArten, die dort von Natur aus vorkommen.

halbnatürlich Durch Nutzung beeinflusst; jedoch ohne wesentlicheVeränderung von Wasser und Boden; die Tier- und Pflanzenwelt enthält überwiegend heimische Arten.

naturfern Intensiv genutzt; die Tier und Pflanzenwelt enthälthauptsächlich Arten, die von Natur aus nichtvorkommen.

Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Niedersächsisches Landschaftsprogramm,1989.

166 Umwelt, Natur und Landschaft

Landschaften

Geomorphologisch lassen sichzunächst grob drei sehr unter-schiedliche Landesbereiche be-schreiben. Im Norden die Küsten-region mit dem Wattenmeer, denDüneninseln, den See- und Fluss-marschen. Nach Süden schließensich die Geestlandschaften aus san-digen Eiszeitablagerungen mit ein-gelagerten Mooren an, gefolgt vomHügel- und Bergland.

Die im Kapitel Landesnatur – Na-turräumliche und landschaftlicheAusstattung beschriebenen Groß-landschaften Niedersachsens bildendie Grundlage für naturräumlicheRegionen, die insbesondere im Geestbereich weiter differenziertwerden. Jede dieser Landschaftenverfügt einerseits über unverwech-selbare Eigenschaften ihrer natürli-chen und historisch gewachsenenStrukturen, andererseits gibt es inallen naturräumlichen Regionenähnliche und wiederkehrende Land-schaftsbestandteile, die zu-gleich typisch für Nieder-sachsen sind.Einige sollen im Folgendendargestellt werden:

Bevor in den letzten Jahr-hunderten der Mensch ein-griff, waren große BereicheNiedersachsens durch weitebaumlose Moore gekenn-zeichnet. Aber auch heutenoch sind sie durch ihre lan-

desweite Streuung eine typischeLandschaftsform. Von den Gipfel-mooren im Harz bis zu den großenMooren zwischen Geest und Marschim Nordwesten des Landes prägeneine Vielzahl verschiedener Hoch-und Niederungsmoore die Land-schaft.

Torfabbau hat in den vergange-nen Jahrhunderten in vielen Lan-desteilen die Menschen geformtund Wirtschaftstrukturen bestimmt.Torf war lange bedeutende Ener-gieressource, Moorkultivierung warVoraussetzung für die Gewinnungwertvoller Agrarflächen für einewachsende Bevölkerung. So bliebenvon ursprünglich 3.300 km2 Hoch-moor noch etwa 250 km2 übrig, vondenen wiederum nur ein kleiner Teilnoch als natürlich oder naturnah zubezeichnen ist. Durch Maßnahmendes Moorschutzprogramms sollennoch vorhandene Moore geschützt,erhalten oder wiederhergestelltwerden. Diese Moore faszinierendurch ihre Einzigartigkeit und ge-

Quelle: Niedersächsische Landesamt für Ökologie.

Diepholzer Moorniederung

Umwelt, Natur und Landschaft 167

ben einen Eindruck von der Ur-sprünglichkeit dieser Landschaftund des Lebens darin.

Aber auch in den überwiegenddurch Entwässerung und Abtorfungund zu landwirtschaftlichen Nutz-flächen veränderten Mooren exis-tieren noch Reste sehr ursprüngli-cher Moore. Zu den Besterhaltenengehört das im Zentrum des Bissen-dorfer Moores nahezu unberührteMoor (1,1 km2) mit typischer subat-lantischer Hochmooreigenschaft.

Die niedersächsische Landschaftwird immer wieder durch Wald ge-prägt. Auch wenn der Anteil derWaldfläche unter dem Bundes-durchschnitt liegt, hat Niedersach-sen in Deutschland mit über 10.000km2 die drittgrößte Waldfläche. VorEinflussnahme des Menschen waren80 % der Landesfläche bewaldet.Heute sind noch 22% mit Wald be-deckt. Insbesondere die LüneburgerHeide und die Mittelgebirge wer-den von Wäldern geprägt.

Wälder und Baumarten sind heu-te das Ergebnis Jahrhunderte alterWaldbewirtschaftung, die je nachNutzungszielen und Zeitgeist regio-nal auch zu sehr monotonen Struk-turen geführt hat. Hauptbaumartist die Kiefer, im Berg- und Hügel-land wechseln regional unterschied-lich Buchen und Fichten. Reliktetraditioneller Waldnutzungsformenwie z. B. Eiche-Hainbuchenwälderoder Hutewälder sind im Hügellandund auf der Geest noch anzutref-

fen. Der Charakterbaum Nieder-sachsens ist die Eiche, die im ganzenLand in mächtigen bis zu 1000 Jah-ren alten Exemplaren anzutreffenist.

Typisch für die niedersächsischenGeestlandschaften sind die Wall-hecken, die überwiegend vor an-derthalb bis zwei Jahrhundertenentstanden und noch heute Merk-male dieser Landschaft sind.

Heiden, Sand- und Magerrasensind häufig durch extensive land-wirtschaftliche Nutzung entstandenund waren noch vor hundert Jahrenlandschaftsbestimmend. Heute sinddavon nur noch rund 110 km2 vor-handen. Die Lüneburger Heidezeigt diesen Landschaftstyp des Ne-beneinander von historischer Kul-turlandschaft mit Elementen derNaturlandschaft in großartiger Wei-se. Ähnlich sind die montanen Wie-sen im Bergland eindrucksvolle Be-standteile der Landschaft.

Niedersachsen ist mit rund 11.000 km2 ein Land des Grünlands,der Wiesen und Weiden. Grünlandund insbesondere das Feuchtgrün-land bestimmen seit Jahrhundertendie norddeutsche Tiefebene bis indie Geest hinein. Es ist Lebensraumvieler Tiere und Pflanzen. Aber Ent-wässerung, Dränierung und Inten-sivierung der Nutzung haben dasVorkommen des artenreichen na-türlichen Grünlands stark reduziert.

Wasser ist Leben. Wasser prägtMensch und Umwelt, ist feindliche

168 Umwelt, Natur und Landschaft

Urgewalt und Lebenseli-xier zugleich. Mit einerdurchschnittlichen Nieder-schlagsmenge von 750 mm,im Harz bis zu 1500 mm, istNiedersachsen reich anWasser.

18.000 Kilometer Bächeund Flüsse durchziehendas Land und prägen esdurch Verlauf, Uferfor-men, Auen und Landschaf-ten, die sie entwässern. Diedrei großen Flusssysteme von Elbe,Weser und Ems führen das Ober-flächenwasser der Nordsee zu.

Wie in allen Umweltbereichensind auch die ehemals natürlichenWassersysteme im Binnenlanddurch den Menschen über- und um-geformt worden. Natürliche Bach-und Flusssysteme sind kaum zu fin-den. Nur noch etwa 2,3% derfließenden Gewässer werden als na-turnah bezeichnet. Deutlich sicht-bar werden die Bemühungen, unse-re Bäche und Flüsse wieder natürli-cher werden zu lassen, ihnen, womöglich, freien Lauf zu lassen, dieAuen sich selbst zu überlassen. Dieswird in einer Kulturlandschaft Nie-dersachsens wie auch anderswo sei-ne engen Grenzen behalten, abergleich wohl nicht nur Eindrücke,sondern durchaus räumlich be-grenzte wertvolle Natursysteme inNiedersachsen wiederherstellen. EinBeispiel hierfür ist die Hunte.

Nicht nur die Nordsee mit demKüstenland, sondern auch die vielenGewässer im Binnenland prägen dieVielfalt der Landschaft. Häufigschwer zu unterscheiden ist der Ur-sprung und die Entstehung, ob alsRekultivierungsergebnis, als wasser-bauliche Rückhalteeinrichtung odergar als Kiesteich entstanden. Her-ausragend sind die großen Binnen-seen, zum Teil auch Meere genannt,die als Flachseen in einem ständigenProzess der Verlandung begriffensind. Sie sind deshalb buchtenreichund schilfumkränzt und werdendurch überdeckende oder angren-zende Naturschutzgebiete ergänzt.Sowohl als Refugien und Regenera-tionsräume für Wat- und Wasservö-gel als auch als Ausflugs- Ferien-und Erholungsziel für die Menschensind sie von großer Bedeutung.

Das Steinhuder Meer, mit etwa 30 km2 Wasserfläche größter Bin-nensee Niedersachsens, liegt einge-

Quelle: Niedersächsische Landesamt für Ökologie.

Steinhuder Meer

Umwelt, Natur und Landschaft 169

bettet zwischen Geestrücken undMooren und wird durch einen Zu-fluss und aus ungezählten Quellenam Seeboden gespeist. Es ist Teil ei-nes bedeutsamen Feuchtgebietesund mit dem Umland als Natur-schutzgebiet und Naturpark ausge-wiesen. Die Insel Wilhelmstein istvor knapp 240 Jahren als Festungkünstlich angelegt worden.

Der Dümmer See, mit etwa 15 km2 zweitgrößter Binnensee Nie-dersachsens, liegt in einem etwa300 km2 großen Becken nördlich desWiehengebirges. Mit einer Tiefevon maximal 1,5 m und dem an-grenzenden Feuchtgebiet ist erBrutgebiet für viele heimische Vo-gelarten, Rast- und Nahrungsbiotopfür durchziehende Vögel und Feri-en- und Erholungsgebiet für dieMenschen zugleich.

Das Zwischenahner Meer (5,25km2) im Ammerland ist in Vorzeitendurch Ablaugungen tieferer Salz-formationen entstanden. Schilfgür-tel umsäumen auch dieses sehr be-liebte und mit dem Kurort BadZwischenahn eng verbundene Bin-nengewässer.

Erwähnt werden sollen noch diein ihrer Art sehr eindrucksvollenBinnengewässer des Großen Meeres(4,2 km2, Flachsee bis 1,5 m tief) ineinem Niederungsmoorgebiet inOstfriesland, das dort nahe EwigeMeer und der Bederkesaer See (2,2km2) im Niederungsgebiet zwischenElbe und Weser.

Eine Besonderheit ist auch dieThülsfelder Talsperre, die einzigeTalsperre im NiedersächsischenFlachland, mit der seit 1927 Über-schwemmungen im dortigen Gebietgebannt wurden. Je nach Wasser-stand kann die Wasserfläche zwi-schen 1,5 und 4,5 km2 betragen.

Die Klimavielfalt von dem mariti-men Klima der Küstenregion biszum deutlich kontinental beeinflus-sten Hoch- und Berglandklima istwesentliche Ursache der Vielfalt desLandes insgesamt. Frische Luftzeugt von gut durchlüfteter Land-schaft. Während der windgetriebe-ne Wechsel der Wolkenbilder an derKüste vorherrscht, scheint sich dasWettergeschehen zu beruhigen, jeweiter man ins Binnenland kommt.

Entwicklung undBewahrung von Natur undLandschaft

Die Weiterentwicklung der Ge-sellschaft, der Ausbau ihrer Infra-struktur und ihrer wirtschaftlichenAktivitäten ist in Niedersachsen wiein jedem westlichen Industrielanddurch den Natur- und Umweltge-brauch mit den Zielkonflikten hin-sichtlich der Veränderung der Le-bensräume für die Menschen undseine Mitgeschöpfe, für belebte undunbelebte Natur verbunden. Schutzder Umwelt als Lebensgrundlagedes Menschen, Schutz der belebtenund unbelebten Umwelt als Respekt

170 Umwelt, Natur und Landschaft

vor den Mitgeschöpfen und derSchöpfung insgesamt, Schutz vonLuft, Wasser, Natur und Landschaftmit Interessenabwägung zu denkonkurrierenden Aspekten ist unab-dingbar.

Unter den Schutzmaßnahmensind die der Natur und Landschaftzugeordneten besonders hervorzu-heben, die auch in der Landschaftdeutlich erkennbar sind. In Nieder-sachsen sind Landschaftsplanung,Eingriffe in die Natur und Land-schaft, Schutz,Pflege und Entwick-lung bestimmter Teilevon Natur und Land-schaft sowie der wild le-benden Tier- und Pflan-zenarten im niedersächsi-schen Naturschutzgesetz ge-regelt. Unterschieden werdenkann zwischen Flächenschutz undArtenschutz.

Im Flächenschutz gibt es inNiedersachsen zahlreiche geschütz-te Bereiche. Im Vordergrund der Schutzüberlegungen stehenFlächen, die aufgrund fehlenderoder vergleichsweise extensiverNutzung durch den Menschen alsrestliche Lebensräume oder Lebens-stätten eines Großteils der heimi-schen Pflanzen- und Tierarten undihrer Lebensgemeinschaften be-deutend sind oder sich durch einvielfältiges, eigenartiges oder schö-nes Landschaftsbild auszeichnen.Flächenschutz ist unmittelbar auch

Pflanzen- und Tierartenschutz. Ins-besondere die Pflanzengesellschaf-ten bestimmen die Vielfalt, Eigenartund Schönheit der Landschaft.15.000 Pflanzenarten werden als inNiedersachsen vorkommend ge-schätzt. Im untrennbaren biologi-schen Zusammenhang damit stehendie geschätzten 30.000 Tierarten.

Die Intensivierung der landwirt-schaftlichen, industriellen und son-stigen Land- und Ressourcennut-zung verändern die Landschaft und

bedrohen vielePflanzen- und

Tierarten, was sichdeutlich in den ro-

ten Listen zeigt.Flächen- und Arten-

schutz ist deshalb auch inNiedersachsen erforder-

lich.Naturschutzgebiete sind

rechtsverbindlich festgesetzteGebiete, in denen ein besonderer

Schutz von Natur und Landschaft inihrer Ganzheit oder in einzelnenTeilen zur Erhaltung von Lebensge-meinschaften oder Lebensstättenbestimmter wild wachsender Pflan-zen oder wild lebender Tierarten er-forderlich ist, und zwar aus wissen-schaftlichen, naturgeschichtlichenoder landeskundlichen Gründenoder wegen ihrer Seltenheit, beson-deren Eigenart oder hervorragen-den Schönheit. Damit unterliegendie Naturschutzgebiete rechtlichdem strengsten Schutz.

Umwelt, Natur und Landschaft 171

Dabei geht es wie auchbei Nationalparken und Na-turdenkmalen als naturbe-tonten Umweltbereichenum Lebensstätten nicht nurschutzbedürftiger, sondernaller Tier- und Pflanzenar-ten oder ihrer Lebensge-meinschaften. Der Schutzder Natur hat Vorrang. AlleHandlungen, die sie verän-dern könnten, sind verbo-ten.

In Niedersachsen gibt esetwa 700 Naturschutzge-biete mit insgesamt knapp1.400 km2, also über 2,8 % der Ge-samtfläche. Größenmäßig gehörenetwa 29% zu Gebieten mit 0,2 bis 1 km2, gefolgt von 26% mit einerFlächengröße zwischen 0,05 und 0,2 km2.

Nationalparke sind großräumige,geschützte Gebiete von besondererEigenart und Schönheit, in denensich die Natur weitgehend vomMenschen nicht oder wenig beein-flusst entwickeln soll. Nationalparkebezwecken mehr als nur den klassi-schen Schutz der Natur. Der Schutzunbeeinflusster natürlicher Abläu-fe, das Recht der Natur auf sichselbst soll weiterentwickelt werden.Mit den unten beschriebenen Natio-nalparken Niedersächsisches Wat-tenmeer und Harz hat Niedersach-sen zwei sehr unterschiedliche undeinzigartige Lebensräume ge-schützt.

Geschützte großräumige Land-schaften, die mit ihrer reichen Naturausstattung zugleich als Bei-spiel einer landschaftsverträglichenLandnutzung überregionale undinternationale Bedeutung haben,können von der UNESCO als Bio-sphärereservat ausgewiesen wer-den. Diese bilden inzwischen ein in-ternationales Netz, in dem nebenNatur- auch Kulturlandschaften an-erkannt sind.

Naturdenkmale sind als reine Na-turschöpfungen oder auch gestalte-te, mit der Natur eng verbundeneEinzelschöpfungen geschützt. Zu ih-nen gehören beispielsweise beson-dere Bäume, Alleen, Gebüsche,Findlinge, Felsen, Höhlen, Quellen,Bäche, Altwässer, Kleinstmoore,Sümpfe, Tümpel, Teiche etc., die auswissenschaftlichen oder landes-kundlichen Gründen oder wegen ih-

Quelle: Niedersächsische Landesamt für Ökologie.

Feuchtgrünland

172 Umwelt, Natur und Landschaft

rer Seltenheit, Eigenartigkeit oderSchönheit geschützt sind. Etwa4.500 Naturdenkmale gibt es in Nie-dersachsen.

Wallhecken werden nicht nur we-gen ihrer besonderen Bedeutungfür die Natur und Kulturlandschaftsondern auch als typisches Merkmalniedersächsischer Landschaft ge-schützt.

Ebenso werden durch den Schutzbestimmter Lebensräume besonderswertvolle Biotope wie Moore,Sümpfe, Quellen, Seeufer und Dü-nen für Mensch und Umwelt erhal-ten. Mit dem Feuchtgebietsschutzwerden in Niedersachsen auch weitüber die Landesgrenzen internatio-nal bedeutsame Feuchtgebiete ge-schützt. Außer den beschriebenenGebieten des Wattenmeeres, derElbtalaue, des Dümmers und desSteinhuder Meeres gehören dazuein Teil der Niederelbe und dieDiepholzer Moorniederung.

Landschaftsschutzgebiete sindrechtsverbindlich festgesetzte Ge-biete. In ihnen wird ein besondererSchutz von Natur und Landschaftzur Erhaltung oder Wiederherstel-lung der Leistungsfähigkeit des Na-turhaushaltes oder der Nutzungs-fähigkeit der Naturgüter ange-strebt, und zwar wegen der Vielfalt,Eigenart und Schönheit des Land-schaftsbildes oder wegen ihrer be-sonderen Bedeutung für die Erho-lung. Gegenüber den Naturschutz-gebieten handelt es sich hierbei in

der Regel um großflächige Gebietemit weniger starken Einschränkun-gen für andere Nutzungen. Verän-derungsverbote beziehen sich nurdarauf, den Charakter des Gebieteszu erhalten. Land- und Forstwirt-schaft können eingeschränkt wer-den, sofern sie den Charakter desGebietes verändern oder demSchutzzweck zuwiderlaufen. Rund21 % der Landesfläche sind alsLandschaftsschutzgebiete ausge-wiesen.

Naturparke sind als solche keinegeschützten Gebiete, sondern Erho-lungsgebiete von landesweiter Be-deutung, bestehen aber meistens inZusammenhang mit Landschafts-und Naturschutzgebieten. In Natur-parken sollen große Landschaftsein-heiten in ihrer Vielfalt, Schönheitund Eigenart für den Naturgenussund für die Erholung des Menschengesichert, entwickelt und zur Verfü-gung gestellt werden. Entsprechendgibt es inzwischen in allen Na-turräumen des Landes insgesamt 12Naturparke mit zusammen 8.000km2, die etwa 17 % der Landes-fläche ausmachen. Auch diesbezüg-lich ist die Lüneburger Heide als äl-tester Naturpark Vorbild gewesen.

Die Flusslandschaft Elbe

Das Elbetal zwischen Sachsen-An-halt und Niedersachsen bildet einein Mitteleuropa nahezu einmaligeStromlandschaft, die noch stark von

Umwelt, Natur und Landschaft 173

einem natürlichen Flussgeschehenbestimmt ist. Der mit diesem Fluss-bereich verbundene Raum ist durcheinen hohen Struktur-, Biotopty-pen- und Artenreichtum gekenn-zeichnet. Der Flächenanteil der na-turschutzmäßig wertvollen Beson-derheiten ist hoch. Der hohe Wertergibt sich aus dem noch unbegra-digten Hauptstrom, aus den wech-selnassen, grünlandgeprägten Vor-deichsflächen, durch die Nebenge-wässerniederungen mit auentypi-schen Altgewässern sowie durch dieSandablagerungen und Binnendü-nen, die insgesamt vielfältige ange-passte Lebensräume beinhalten. Inden noch landwirtschaftlich vorwie-gend extensiv genutzten Niederun-gen gibt es zahlreiche ansonsten ge-fährdete Gefäßpflanzenarten. DieBedeutung für den Tierartenschutzzeigt sich besonders in dem Vor-kommen seltener Brutvögel. Das El-betal ist wichtiger Rast- und Nah-rungsplatz für die Zugvögel.

Der im März 1998 ge-gründete niedersächsi-sche Nationalpark Elb-talaue wurde im Febru-ar 1999 gerichtlich auf-gehoben. Er sollte sichmit einer Fläche vonbeinahe 110 km2 ent-lang 85 Stromkilome-tern erstrecken und Teileines konzeptionell in-tegrierten Gesamt-schutzgebietes sein, das

einerseits über die Landesgrenzenstromauf und stromab in Schutzge-biete der Nachbarländer reicht undandererseits Naturschutzgebiete inder Elbmarsch und in den elbferne-ren Niederungen Niedersachsens zueinem System von Schutzgebietenvereint.

Die niedersächsische Elbtalaueliegt in einem von der UNESCO an-erkannten Biosphärenreservat, dassich etwa von Wittenberg bis nachLauenburg mit einer Fläche vonbeinahe 375 Tausend Hektar über 5 Bundesländer erstreckt.

Die niedersächsischen Nationalparke

Die zwei Nationalparke „Watten-meer“und „Harz“ beschreiben dieunterschiedlichen Naturräume derKüste und des Mittelgebirges inNiedersachsen. Sie haben eine Ge-samtgröße von 2.600 km2. IhreRandlage bedeutet zugleich län-

Quelle: Nationalpark Elbtalaue.

Flusslandschaft Elbe

174 Umwelt, Natur und Landschaft

derübergreifende Integration mitangrenzenden und fortsetzendenSchutzgebieten.

Die Zielkonflikte mit bisherigenund zukünftigen Nutzungen bedür-fen des dauernden Ausgleichs imgegenseitigen Respekt der Interes-sen. Die Nationalparke unterstehendeshalb eigenen Verwaltungen aufoberbehördlicher Ebene vor Ort, indenen das Miteinander der Interes-senkonflikte geregelt wird. Zur Un-terstützung von Verständnis undAkzeptanz der betroffenen Bevöl-kerung und der Besucher kommenden Informations- und Bildungsein-richtungen im Nationalpark großeBedeutung zu.

Der NiedersächsischeNationalpark Wattenmeer

Obwohl etwa70% der Erdober-fläche mit Ozeanenbedeckt werden und die Küsten-längen entsprechend groß sind, istdas Wattenmeer des Küstenstrei-fens zwischen Den Helder in denNiederlanden und Esbjerg in Däne-mark einmalig auf der Welt.

Seit 10000 Jahren haben die Na-turkräfte diese einzigartige Gezei-tenküste geformt. Trotz allermenschlichen Eingriffe insbesonde-re der Landgewinnung und des In-sel- und Küstenschutzes bleibt dasWattenmeer durch die natürlichen

Kräfte des Windes, der Gezeitenund der daraus resultierenden Strö-mungen ein dynamischer Lebens-raum wie kaum ein anderer.

Der Meeresboden fällt in Rich-tung offene See nur leicht ab, des-halb kann sich sehr feines Materialaus dem Meer und aus den Flüssenleicht absetzen. Gezeiten mit einemin der deutschen Bucht erhöhtenTidenhub von 2 Metern und mehrlegen periodisch weite Bereiche desWattenmeers trocken. Der land-wärts gerichtete Wind verweht dieoberen Sandschichten zu Dünen.Diese dem Küstenbereich vorgela-gerten Sandbänke, Strandwälle undInseln wirken wiederum als natürli-che Wellenbrecher, sodass das vonSee und aus dem Binnenland an-transportierte Material sich dahin-ter absetzen kann. Das gemäßigteKlima begünstigt die Entwicklungder Tier- und Pflanzenwelt.

Wichtiger Lebensraum im Wat-tenmeer ist zunächst das Watt, dasim Wechsel der Gezeiten regel-mäßig überflutet wird und wiedertrocken fällt. Dadurch ist er Sedi-mentationsbereich für aus demMeer und aus den Flüssen zu-fließenden Nähr- und auch Schad-stoffen. Auf und unter der Watto-berfläche gibt es vielfältiges Leben,das selbst wieder ein reiches Nah-rungsangebot für Fische und Vögelbildet.

Charakteristisch und von beson-derer Bedeutung für das Gesamtsy-

Umwelt, Natur und Landschaft 175

stem sind die Salzwiesen mit ihrenspezialisierten Lebensgemeinschaf-ten. Sie entstehen dort, wo vor denDeichen die Flächen langsam durchMaterialzuwachs so hoch werden,dass sie quasi verlanden und nichtmehr regelmäßig durch die Gezei-ten überflutet werden.

Dünen wachsen aus heran ge-wehtem Sand heran und bilden denUrsprung der Inseln. TiefwurzelnderPflanzenbewuchs stabilisiert Dünenund Inseln auch gegen Überflutun-gen. Nach wie vor unterliegen Dü-nen und Inseln den dynamischenKräften der Küste. An sich natürli-che Wanderungen, Abbrüche undZuwächse stehen im Konflikt mitdem Bedürfnis nach stabilen Ver-hältnissen auf den Inseln. Daraus er-

gibt sich die Frage nachentsprechenden Schutz-maßnahmen und natur-belassenen Vorgängen.

Das Wattenmeer bie-tet Millionen von Zugvö-geln unersetzliche Rast-und Nahrungsplätze aufihren jährlichen Flügenzwischen Überwinte-rungs- und Brutplätzen.Zahlreiche Nordseefi-sche finden im Watten-meer ideale Lebensbe-dingungen, um heran-zuwachsen. Von der Ge-samtfläche des Watten-meeres entfallen etwa10% auf Dänemark und

30% auf die Niederlande. 60%gehören zu Deutschland, wovonwiederum etwa die Hälfte in Nie-dersachsen liegt.

Im Jahr 1986 wurde der Nieder-sächsische Nationalpark Watten-meer durch Verordnung der Landes-regierung gegründet. Die Gesamt-fläche beträgt 2400 Quadratkilome-ter. Diese ist in Schutzzonenkatego-rien von 54% Ruhezone, 45% Zwi-schenzone und 1% Erholungszoneaufgeteilt. Der Nationalpark weist36% der Ruhezone als Vogelschutz-gebiete und 25% als Robbenschutz-gebiete aus. Er ist Feuchtgebiet voninternationaler Bedeutung nach der Ramsar-Konvention, EU-Vogel-schutzgebiet und seit 1993 interna-tionales Biosphärenreservat.

Quelle: Studio B, Bremen.

Wattenmeer bei Ebbe

176 Umwelt, Natur und Landschaft

Die Nationalparkverwaltung um-fasst auch zahlreiche Bildungs- undInformationseinrichtungen beteilig-ter Naturschutzverbände an der Kü-ste und auf den Inseln .

Nationalparkverwaltung Wattenmeer, Virchowstr.1, 26382 Wilhelmshaven, Telefon (0 44 21 / 9 11-0)

Nationalpark Harz

Der Harz ist das höchste und ein-drucksvollste norddeutsche Mittel-gebirge. Der Übergang vom mariti-men zum kontinentalen Klima sowieHochmoore, Bergwiesen, Wälder,die rd. 80% der Landschaft be-decken, Bäche, Seen und Talsperren,Felsen und Blockhalden bestimmendie Landschaft und die Ökosysteme.Seit Jahrhunderten haben die Men-schen die Landschaft landwirt-schaftlich und bergbaulich, damitzusammenhängend forstlich undwasserbaulich geprägt.Der Holzhunger der Erz-verhüttung und derBrennholzbedarf führ-ten zur zeitweiligen Ent-waldung großer Berei-che, die dann durchnicht heimische Fichten-rassen besetzt wurden.Ebenso wurde für denBergbau tief in den Was-serhaushalt der HarzerFließgewässer, Wälderund Moore eingegrif-

fen. Inzwischen hat sich daraus einegroßartige naturnahe Kulturland-schaft entwickelt, in der sich beientsprechendem Schutz die Naturund eine artenreiche Tier- undPflanzenwelt in großen Teilen wie-der ungestört entwickeln können.

Der Nationalpark Harz wurde alselfter deutscher Nationalpark am 1. 1 .1994 gegründet. Der 158 km2

große Nationalpark Harz, der fastausschließlich aus landeseigenenFlächen besteht, schließt direkt anden bereits seit 1990 bestehendenund 59 km2 großen NationalparkHochharz im Bundesland Sachsen-Anhalt an. Von der Gesamtflächedes Harzes stehen damit 217 km2

(8,7%) unter dem Schutzstatus „Nationalpark“. Beide Nationalpar-ke bilden eine naturräumliche Ein-heit.

Sie steigen von den Randzonenbei ca. 230 m ü. NN im Norden bzw.270 m ü. NN im Süden bis zum

Quelle: Nationalpark Harz.

Nationalpark Harz

Umwelt, Natur und Landschaft 177

Brocken im Hochharz auf 1142 m ü.NN kontinuierlich an und umfassensomit insgesamt sechs verschiedeneVegetationszonen. Einbezogen sindaußerdem alle charakteristischenLebensraumtypen, alle Expositionenund die wichtigsten Gesteine, um sodie besondere Vielfalt einer der fas-zinierendsten Mittelgebirgsland-schaften Europas unter Schutz zustellen und zu erhalten.

Der Nationalpark Harz ist einWald-Nationalpark, denn 95 % seiner Fläche sind bewaldet. Typischfür den Nationalpark sind außer-dem Hochmoore, Fließgewässerund Felsbiotope. Sie sind Lebens-räume, die sich noch heute in einem

für mitteleuropäische Verhältnisserelativ naturnahen, d.h. vom Men-schen wenig beeinflussten Zustandbefinden. Als nördlichstes deutschesMittelgebirge war und ist der Harzaufgrund seiner landschaftlichenSchönheit und seiner zentralen La-ge sowohl in Deutschland als auchin Europa eines der bedeutendstenFremdenverkehrsgebiete Mitteleu-ropas. Bis zu 10 Mio. Besucher fin-den hier jährlich Erholung und Ent-spannung.

Nationalparkverwaltung Harz,Oderhaus, 37444 St. Andreasberg, Telefon (0 55 82 / 91 89-0)

Horst W. zur Horst

Die Verfassung

Das Land Niedersachsen wurde1946 aus den früheren LändernHannover, Oldenburg, Braun-schweig und Schaumburg-Lippe ge-bildet. Von 1951 an hatte es eine„vorläufige“ Verfassung, weil etwanotwendige Änderungen nach derWiedervereinigung Deutschlandsoffen gehalten werden sollten. Siewurde 1993 durch die jetzt geltendeVerfassung ersetzt. In 78 Artikelnregelt sie Grundlagen der Staatsge-walt, Grundrechte und Staatsziele,den Landtag, die Landesregierung,die Gesetzgebung, Rechtsprechungund Verwaltung, Möglichkeiten di-rekter Initiativen des Volkes und dasFinanzwesen. Sie konstituiert dasLand als freiheitlichen, republikani-schen, demokratischen, sozialenund dem Schutz der natürlichenLebensgrundlagen verpflichtetenRechtsstaat in der BundesrepublikDeutschland und der europäischenVölkergemeinschaft.

Das Wap-pen Nieder-sachsens, einnach linksspringendesweißes Rossin rotem Fel-de, wurdevon den Wel-fen 1361 alsWappen übernommen. Es gehtnach der Überlieferung auf dasWappen des alten Stammesherzog-tums Sachsen zurück und soll der Le-gende nach schon im 8. Jahrhundertvon dem noch heute als National-held geltenden Herzog Widukindgeführt worden sein.

In der Flagge steht es auf den Far-ben Schwarz-Rot-Gold der Bundes-republik. In offiziellen Veröffentli-chungen und im amtlichen Schrift-verkehr wird es meist durch ein mo-dernes Signet ersetzt, das den Kopfdes Wappenrosses symbolisiert.Grundprinzipien der Verfassungsind die Volkssouveränität, die klas-sische Gewaltenteilung zwischenGesetzgebung, Rechtsprechung undvollziehender Gewalt (Exekutive)sowie die Bindung aller an Gesetzund Recht. Die Bürgerinnen undBürger haben die im Grundgesetzfür die Bundesrepublik normiertenGrundrechte und staatsbürgerli-chen Rechte (z. B. Schutz der Men-schenwürde, des Lebens, der Frei-heit und körperlichen Unversehrt-

Politisches System

Landeswappen

Landesflagge

Politisches System 179

heit, Gleichheit vor dem Gesetz,Glaubens- und Meinungsfreiheit).Zusätzlich gewährt die Landesver-fassung ein Recht auf Bildung undverpflichtet das Land zur Förderungund zum Schutz von Wissenschaft,Kunst, Kultur und Sport, zurSchaffung von Arbeitsplätzen undWohnraum sowie zum Tierschutz.Die kulturellen und historischenBelange der vier Ursprungsländerund ihre traditionellen Einrichtun-gen sind zu bewahren und zu för-dern.

In unserem System der „repräsen-tativen“ Demokratie kann norma-lerweise nur der gewählte LandtagGesetze beschließen. Die Bürgerin-nen und Bürger haben aber Mittel,um ihn in Bewegung zu setzen: Ermuss ihre Bitten und Beschwerden(Petitionen) anhören und behan-deln. 70.000 Wahlberechtigte kön-nen mit einer schriftlichen „Volks-initiative“ verlangen, dass sich derLandtag mit bestimmten Gegen-ständen der politischen Willensbil-dung befasst und sie dazu anhört.10% der Wahlberechtigten (derzeitca. 593 000) können mit einem„Volksbegehren“ einen Gesetzent-wurf vorlegen, den die Landesregie-rung mit ihrer Stellungnahme un-verzüglich dem Landtag zuleitenmuss (an diesem hohen „Quorum“sind allerdings bis jetzt alle Volksbe-gehren gescheitert, weshalb übereine Verringerung diskutiert wird).Wird das Gesetz nicht innerhalb von

6 Monaten im wesentlichen unver-ändert angenommen, findet ein„Volksentscheid“ darüber statt.Wenn die Mehrheit der abgegebe-nen Stimmen (aber mindestens einViertel der Wahlberechtigten) fürdas Gesetz stimmt, ist es so beschlos-sen.

Die Verfassung schreibt nicht nurdie formale Gleichberechtigung vonMännern und Frauen vor, sondernverpflichtet auch das Land, die Ge-meinden und Landkreise zur prakti-schen Verwirklichung. So wurdeschon vor einigen Jahren die reinmännliche Bezeichung der Ministe-rien (z. B. „Der Niedersächsische Mi-nister des Innern“) geschlechtsneu-tral gefaßt (z. B. „Das Niedersächsi-sche Innenministerium“). Ein Gesetzbestimmt, dass auch in der Rechts-und Verwaltungssprache die Gleich-berechtigung zu beachten ist. Wo in älteren Vorschriften noch reinmännliche Bezeichnungen stehen(z. B. im Landeswahlgesetz „derLandeswahlleiter“), sind sie gegebe-nenfalls in der weiblichen Form zuverwenden (z. B. „die Landeswahl-leiterin“, wenn eine Frau diese Posi-tion innehat). Das „Niedersächsi-sche Gleichberechtigungsgesetz“schützt Frauen in der öffentlichenVerwaltung vor Benachteiligungenund gewährt ihnen gleiche Berufs-chancen (Hauptregel: Frauen sindbei gleicher Eignung und Befähi-gung grundsätzlich so lange vorran-gig einzustellen und zu befördern,

180 Politisches System

bis sie auf jeder Ebene der Dienststelle zu 50%vertreten sind). AlleDienststellen bis hinunterzu den Gemeindeverwal-tungen müssen Frauenbe-auftragte haben, die fürdie Durchsetzung dieserRechtsgrundsätze sorgen.

Der LandtagDie Volksvertretung

wird seit 1998 alle 5 (vor-her 4) Jahre in allgemei-ner, unmittelbarer, freier, gleicherund geheimer Wahl gewählt. Wahl-berechtigt sind alle Deutschen, diemindestens 18 Jahre alt sind, seitmindestens 3 Monaten im Landewohnen und nicht durch Richter-spruch von den Wahlen ausge-schlossen sind. Gewählt werdenkönnen alle, die seit mindestens ei-nem Jahr Deutsche und mindestens18 Jahre alt sind, seit mindestens 6Monaten im Lande wohnen undnicht durch Richterspruch von denWahlen oder von öffentlichen Äm-tern ausgeschlossen sind.

Der Landtag hat mindestens 155Abgeordnete. 100 von ihnen wer-den mit der „Erststimme“ in den100 Wahlkreisen direkt und mit ein-facher Stimmenmehrheit gewählt,55 mit der „Zweitstimmme“ aufLandeslisten der Parteien nach demPrinzip der Verhältniswahl (Systemd’Hondt). Die Sitze im Landtag wer-den auf die Parteien, die mindes-

tens 5% der Zweitstimmen bekom-men haben, verteilt. Hat eine Parteimit den Erststimmen mehr Mandategewonnen, als ihr nach dem Ver-hältnis der Zweitstimmen zustehenwürden, behält sie diese als „Über-hangmandate“. Um den Proporz zuwahren, wird aber (anders als beider Bundestagswahl) eine gleicheAnzahl von „Ausgleichsmandaten“zugeschlagen. So hat der 1998 ge-wählte Landtag zwei solcher zusätz-lichen Sitze, also 157 Abgeordnete.Dadurch kommt die Sozialdemo-kratische Partei Deutschlands (SPD)auf 83, die Christlich-DemokratischeUnion (CDU) auf 62 und BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN (GRÜNE) auf 11Sitze, ein Abgeordneter ist frakti-onslos. Es wird immer wieder einmaldarüber diskutiert, ob dieses Par-lament vielleicht für das Land zugroß ist und z. B. durch Verringe-rung der Wahlkreise verkleinertwerden sollte.

Landtagsgebäude (Portikus)

Politisches System 181

Als oberstes Verfassungsorgandes Landes ist der Landtag und je-des seiner Mitglieder Vertreter desgesamten Volkes. Er ist der Gesetz-geber des Landes (in der Bundesre-publik bedürfen alle allgemein ver-bindlichen Vorschriften des Staates,durch die Rechteoder Pflichten be-gründet, geändertoder aufgehobenwerden und dienicht unwesent-lich in die Rechteder Bürgerinnenund Bürger ein-greifen, der Formeines Gesetzes).Vor allem hat erden Landeshaus-halt zu beschlie-ßen. Ferner kon-trolliert der Land-tag die Regierung, die Verwaltungund die der Aufsicht des Landes un-terstehenden öffentlich-rechtlichenKörperschaften, Anstalten und Stif-tungen, natürlich auch die der Auf-sicht der Ministerien unterstehen-den und ihnen nachgeordnetenLandesbehörden (z. B. Landesamtfür Bezüge und Versorgung der An-gehörigen des öffentlichen Diens-tes; Landesamt für Verfassungs-schutz). Dafür hat er umfassendeAuskunfts-, Zutritts- und Aktenein-sichtsrechte. Er wählt in geheimerAbstimmung die Ministerpräsiden-tin oder den Ministerpräsidenten.

Die von ihr oder ihm gebildete Re-gierung muss vom Landtag be-stätigt werden. Er wählt die Mitglie-der des Staatsgerichtshofes und be-ruft für jeweils 8 Jahre eine Landes-beauftragte oder einen Landesbe-auftragten für den Datenschutz.

Wenn die Land-tagswahl ange-fochten wird, ent-scheidet der Land-tag zunächst selbstüber ihre Gültig-keit, in zweiterund letzter Instanzdann der Staatsge-richtshof. Auchseine Auflösungkann der Landtag(unter bestimmtenBedingungen) nurselbst beschließen.Die Verhandlun-

gen sind, wenn nicht mit Zweidrit-telmehrheit anders beschlossenwird, öffentlich.

Die Abgeordneten haben einfreies Mandat, d. h. sie sind nur ih-rem Gewissen unterworfen und anAufträge oder Weisungen nicht ge-bunden; „imperative Mandate“oder bindende Verpflichtungenzum Rücktritt sind also unzulässig.In der Praxis wird oft durch „Frak-tionsdisziplin“ auf einheitliche Ab-stimmung hingewirkt, wirklicherZwang darf aber nicht ausgeübtwerden. Die Abgeordneten dürfenwegen ihrer Abstimmungen oder

Marowsky

182 Politisches System

Äußerungen im Landtag nicht ge-richtlich oder dienstlich verfolgtoder zur Verantwortung gezogenwerden (Indemnität). Strafrechtlichdürfen sie grundsätzlich nur mit Ge-nehmigung des Landtags belangtwerden (Immunität). Ihre Tätigkeitgilt als volle Berufausübung, so dassz. B. die Rechte und Pflichten vonBeamtinnen und Beamten währendder Legislaturperiode ruhen. Dafürerhalten die Abgeordneten eine ih-re Unabhängigkeit sichernde Ent-schädigung (Diäten), über derenHöhe ebenfalls der Landtag ent-scheidet.

Die Landesregierung

An der Spitze der Landesregie-rung, die die vollziehende Gewalt(Exekutive) ausübt, steht die Mini-sterpräsidentin oder der Minister-präsident. Sie oder er beruft dieübrigen Mitglieder der Landesregie-rung (Ministerinnen und Minister).Dem Schutz der Unabhängigkeitdient die Verfassungsvorschrift, dassMitglieder des Bundestages, des Eu-ropäischen Parlaments oder der Par-lamente anderer Länder nicht Re-gierungsmitglieder werden dürfen.Die SPD stellt seit 1990 den Minister-präsidenten (nach Gerhard Schrö-der, der jetzt Bundeskanzler ist, denbisherigen Innenminister GerhardGlogowski) und ist seit 1994 alleini-ge Regierungspartei (vorher Koaliti-on mit den GRÜNEN). Von 1976 bis1990 stellte die CDU den Minister-präsidenten (Dr. Ernst Albrecht),1986 bis 1990 in Koalition mit derFreien Demokratischen Partei(F.D.P.), die z.Zt. nicht im Landtagvertreten ist. Ministerpräsidentenvon der SPD amtierten schon von1946 bis 1955 und 1959 bis 1976. Inder Zwischenzeit von 1955 bis 1959besetzte die (nicht mehr bestehen-de) Deutschen Partei (DP) diesesAmt.

Die Ministerpräsidentin oder derMinisterpräsident wird vom Land-tag zunächst ohne Aussprache ingeheimer Abstimmung mit der ge-setzlichen (absoluten) Mehrheit ge-

1) evtl. mehr durch Überhang- oder Ausgleichsmandate

2) erstmalig 1998

Politisches System 183

wählt. Sie oder er bestimmt ein Re-gierungsmitglied, das sie oder ihnvertritt (z.Zt. die Ministerin für Frau-en, Arbeit und Soziales). Der Regie-rungsbildung gehen üblicherweiseVerhandlungen auf der Parteiebenevoraus, bei denen das Regierungs-programm und die Personalfragengeklärt werden. Wenn Koalitionenzu bilden sind, werden die Verhand-lungen entsprechend komplizierterund enden mit einer schriftlichenKoalitionsvereinbarung (so z. B.1990 bei der Bildung des ersten Ka-binetts Schröder). Wenn nun die Re-gierungsbildung und die Bestäti-gung durch den Landtag nicht in-nerhalb einer bestimmten Frist er-folgen, kann entweder der Landtagseine Auflösung beschließen, oderes findet unverzüglich eine neueWahl der Ministerpräsidentin oderdes Ministerpräsidenten statt. Ge-wählt ist, wer die meisten Stimmen(relative Mehrheit) erhält. Die danngebildete Regierung bedarf nichtmehr der Bestätigung durch denLandtag. Auf diesem Wege wurde1976 das erste Kabinett Dr. Albrechtgebildet, weil die SPD wider Erwar-ten keine Mehrheiten für zwei vonihr vorgeschlagene Nachfolger desvorzeitig ausscheidenden Minister-präsidenten Kubel bekam.

Der Landtag kann der Minister-präsidentin oder dem Ministerpräsi-denten auf Antrag von mindestenseinem Drittel der Abgeordneten dasVertrauen entziehen, aber nur da-

durch, dass er mit absoluter Mehr-heit eine Nachfolgerin oder einenNachfolger wählt. Dieses „konstruk-tive Misstrauensvotum“ findet sichauch im Grundgesetz und wurdewegen der unguten Erfahrungenmit manchmal rein destruktivenMehrheiten im Reichstag der Wei-marer Republik und der dadurch be-dingten Instabilität der Regierun-gen eingeführt.

Die Ministerpräsidentin oder derMinisterpräsident hat auch einigeFunktionen eines Staatsoberhaup-tes, z. B. die Vertretung des Landesnach außen und das Begnadigungs-recht. Vor allem aber bestimmt undverantwortet sie oder er die Richtli-nien der Politik. In ihrem Rahmenleitet jedes Regierungsmitglied seinMinisterium selbständig. Derzeithat das Land 9 Ministerien: Inneres;Justiz; Finanzen; Kultus (Schulwe-sen); Frauen, Arbeit und Soziales;Wirtschaft, Technologie und Ver-kehr; Ernährung, Landwirtschaftund Forsten; Wissenschaft und Kul-tur; Umwelt. Sie werden von 2 Mini-sterinnen und 7 Ministern geleitet.Die Dienststelle des Ministerpräsi-denten ist die Staatskanzlei. Sie unddie Ministerien sind nach Aufgaben-gebieten in Abteilungen mit jeweilsmehreren Referaten gegliedert. DieMinisterinnen und Minister werdendurch Staatssekretärinnen undStaatssekretäre vertreten. In denSitzungen des Kabinetts kann dieBeratung und Meinungsbildung in

184 Politisches System

vielen Fällen formlos erfolgen. Fürbesonders wichtige Angelegenhei-ten muss aber nach der Verfassung„die Landesregierung“ (in derfrüheren Verfassung „das Landes-ministerium“ genannt) förmlich mitMehrheit entscheiden, wobei sichniemand der Stimme enthaltendarf; bei Stimmengleichheit ent-scheidet die Stimme der Minister-präsidentin oder des Ministerpräsi-denten. Das gilt z. B. für die Bestel-lung von Vertreterinnen oder Ver-tretern im Bundesrat und derenStimmabgabe, die Abgrenzung derGeschäftsbereiche (Ressorts) der Mi-nisterien, die Entscheidung vonStreitfragen zwischen mehrerenRessorts, die Einbringung von Ge-setzentwürfen in den Landtag, Er-nennung und Entlassung der Richte-rinnen und Richter, Beamtinnenund Beamten und die Organisationder Landesverwaltung. Dazu gibtsich die Landesregierung eine Ge-schäftsordnung, die veröffentlichtwerden muss. Im übrigen muss siejederzeit im Landtag und seinenAusschüssen Rede und Antwort ste-hen, hat aber auch selbst dort jeder-zeit Zutritt und das Recht auf An-hörung.

Niedersachsen und dieBundesrepublik

Die Bundesrepublik Deutschlandbesteht nach der Wiedervereini-gung Deutschlands aus 16 „Bundes-

ländern“ ( so die inoffizielle, abereingebürgerte Bezeichnung) mit ei-genen Parlamenten und Regierun-gen, ist also kein zentralistischerEinheitsstaat, aber auch kein loserStaatenbund, sondern ein Bundes-staat mit föderaler Struktur. DasGrundgesetz verteilt die Befugnissezwischen Bund und Ländern. DieHauptregeln lauten: „Die Ausübungder staatlichen Befugnisse und dieErfüllung der staatlichen Aufgabenist Sache der Länder, soweit diesesGrundgesetz keine andere Rege-lung trifft oder zuläßt“ (Art. 30);und: „Durch den Bundesrat wirkendie Länder bei der Gesetzgebungund Verwaltung des Bundes und inAngelegenheiten der EuropäischenUnion mit“ (Art. 50). Die Vertretungdes Landes im Bundesrat, die durchRegierungsmitglieder erfolgenmuss, ist also eine der wichtigstenAufgaben der Landesregierung. DieBundesländer haben im Bundesratje nach Einwohnerzahl 3 bis 6 Stim-men, die aber nur einheitlich abge-geben werden können. Niedersach-sen hat mit z. Zt. 7,8 Mio. Einwoh-nern neben Nordrhein-Westfalen,Bayern und Baden-Württemberg 6Stimmen. Das Land unterhält wiealle Bundesländer zur Wahrung sei-ner Interessen die „Vertretung desLandes Niedersachsen beim Bund“in Bonn (künftig Berlin), die z. Zt.von einem Staatssekretär geleitetwird. Sie unterstützt die Landesre-gierung bei der Wahrnehmung ih-

Politisches System 185

rer Aufgaben im Bundesrat undBundestag, vertritt die Interessendes Landes gegenüber den Bundes-behörden, hält ständigen Kontaktzu den Bundestagsabgeordnetenaus Niedersachsen (z. Zt. 68), denVertretungen der anderen Bundes-länder und leistet umfangreiche Öf-fentlichkeitsarbeit, z. B. durch Infor-mationsveranstaltungen, Ausstel-lungen und Empfänge.

Die Gesetzgebungs- und Verwal-tungsaufgaben sind in teilweisekomplizierter Weise zwischen Bundund Ländern aufgeteilt. Auf vielenGebieten hat der Bund die aus-schließliche Gesetzgebung (z. B.Auswärtiges, Verteidigung, Wäh-rung, Post und Telekommunikation,Zusammenarbeit der Staatsschutz-behörden von Bund und Ländern).Auf anderen Gebieten gibt es einekonkurrierende Gesetzgebung, so-weit sie zur Herstellung gleicharti-ger Lebensverhältnisse oder zurWahrung der Rechts- und Wirt-schaftseinheit erforderlich ist (z. B.Zivil- und Strafrecht, Schiffahrt,Bank- und Börsenwesen). Hier kön-nen die Länder Gesetze nur erlas-sen, solange und soweit der Bundnicht handelt. Deshalb gilt z. B. inganz Deutschland ein einheitlichesZivil-, Straf- und Prozeßrecht. Fernerkann der Bund Rahmenvorschriftenfür die Gesetzgebung der Länder er-lassen (z. B. Recht des öffentlichenDienstes, Grundsätze des Hoch-schulwesens, Melde- und Ausweis-

wesen, Presserecht). Die Ländermüssen sie durch eigene Gesetzeausfüllen. So gelten in Niedersach-sen z. B. das Beamtenrechts-Rah-mengesetz des Bundes und das Nie-dersächsische Beamtengesetz. Allesin allem liegt der Hauptanteil an derGesetzgebung also beim Bund. DenLändern bleiben aber wichtige Ge-biete wie z. B. die Kommunalord-nung (s. u.), die Polizei, das Schul-wesen und der Rundfunk. MancheBundesgesetze bedürfen der Zu-stimmung des Bundesrates, weil sieauch die Interessen der Länderberühren. Gegen andere kann erEinspruch erheben mit der Folge,dass der Bundestag erneut beratenmuss. Ein Vermittlungsausschuss ausMitgliedern des Bundestages unddes Bundesrates kann zur Schlich-tung von Streitigkeiten angerufenwerden. Auch die Verwaltungsauf-gaben einschließlich des Vollzugsder Bundesgesetze sind geteilt. Ne-ben den rein landeseigenen Verwal-tungen (z. B. Schulen, Polizei, Kom-munalverwaltungen) gibt es bun-deseigene Verwaltungen mit Aus-senstellen in allen Ländern (z. B.Finanz-, Bundeswehr-, Bundeseisen-bahnen-, Luftverkehrsverwaltung),Vollzug von Bundesgesetzen in ei-gener Verwaltung der Länder (un-ter Aufsicht des Bundes) oder imAuftrag des Bundes (z. B. Bundes-autobahnen- und -straßenverwal-tung). Im Verwaltungsbereich liegtalso das Schwergewicht (ebenso wie

186 Politisches System

bei der Gerichtsorganisation) beiden Ländern.

Die vielschichtige Kompetenzver-teilung kann ungeachtet der gegen-seitigen Pflicht zu „bundesfreundli-chem Verhalten“ mitunter zuSchwierigkeiten führen. Man ver-sucht, ihnen durch ständige Konfe-renzen von Bund und Ländern aufder Ebene des Bundeskanzleramtsund der Spitzen der Landesregie-rungen, der Leiterinnen und Leiterder Staatskanzleien und der Fachmi-nisterien zu begegnen. Das giltnicht zuletzt für die kompliziertenfinanziellen Beziehungen zwischenBund und Ländern (vgl. dazu DasFinanzsystem).

Das föderale System ist also kom-pliziert, es wahrt aber am besten dieEigenbelange und gewachsenenStrukturen der Bundesländer, ver-tritt deren Interessen wirkungsvollauch in der Europäischen Gemein-schaft und ermöglicht überschauba-re, bürgernahe staatliche und politi-sche Institutionen.

Die Landkreise, Städte undGemeinden

Solche überschaubaren Verwal-tungseinheiten, die auch als Teil derengeren Heimat akzeptiert werdenkönnen, sind in erster Linie dieLandkreise, Städte und Gemeinden(Kommunen). Sie sind in ihrem Ge-biet die ausschließlichen Träger dergesamten öffentlichen Aufgaben,

soweit die Gesetze nicht ausdrück-lich etwas anderes bestimmen. DasGrundgesetz und die Landesverfas-sung garantieren ihnen das Recht,ihre Angelegenheiten im Rahmender Gesetze in eigener Verantwor-tung zu regeln. Ihre Verfassung undihre Aufgaben ergeben sich im ein-zelnen aus der NiedersächsischenGemeindeordnung und der Nieder-sächsischen Landkreisordnung. Die-ses (in ganz Deutschland geltende)Recht der „kommunalen Selbstver-waltung“, das auf die (auch an briti-schen Vorbildern orientierten) Re-formen des preußischen Staatsmini-sters Reichsfreiherr vom und zumStein Anfang des vorigen Jahrhun-derts zurückgeht, fördert Dezentra-lisation, Bürgernähe und Flexibilitätder Verwaltung, ist aber auch einerder tragenden Pfeiler des freiheitli-chen demokratischen Staates ge-worden, seitdem gewählte Volks-vertretungen auf allen diesen kom-munalen Ebenen bestehen. DasGrundprinzip lautet: Die örtlichenAngelegenheiten werden in ersterLinie von der Gemeinde erledigt,der Landkreis übernimmt die Auf-gaben, die überörtlich bedeutsamsind oder die Kräfte der einzelnenGemeinde übersteigen. Deshalbsind die meisten der 1029 Städteund Gemeinden in 38 Landkreiseeingegliedert (zusätzlich sind 744kleinere Gemeinden zur Stärkungder Verwaltungskraft in 142 „Samt-gemeinden“ zusammengefaßt,

Politisches System 187

während 285 größere Gemeindenals selbständige „Einheitsgemein-den“ bestehen). Ausgenommensind bedeutende Städte, deren ei-gene Finanz- und Verwaltungskraftfür alle Aufgaben ausreicht, näm-lich die 9 „kreisfreien Städte“Braunschweig, Delmenhorst, Em-den, Hannover (Landeshauptstadt),Oldenburg, Osnabrück, Salzgitter,Wilhelmshaven und Wolfsburg unddie 7 „großen selbständigen Städ-te“ Celle, Cuxhaven, Goslar, Ha-meln, Hildesheim, Lingen (Ems) undLüneburg. Sie übernehmen zusätz-lich alle Aufgaben, die sonst dieLandkreise erfüllen, und zwar diekreisfreien Städte immer, diegroßen selbständigen soweit nichtsanderes bestimmt ist.

Dem Selbstverwaltungsprinzipentsprechend, haben die Kommu-nen also einen „eigenen Wirkungs-kreis“, zu dem alle freiwillig über-nommenen Aufgaben (z. B. Rat-hausbau, örtlicher Straßenbau,Wirtschaftsförderung) und etlichegesetzlich zugewiesene (z. B. Bauund Unterhaltung der Grundschul-gebäude) gehören. Hier übt dasLand nur „Rechtsaufsicht“ aus, d. h.es überwacht die Rechtmäßigkeit,aber nicht die Zweckmäßigkeit desHandelns. Den Kommunen werdenaber auch staatliche Aufgabenübertragen, vor allem bei der Aus-führung von Bundesgesetzen durchdas Land im Auftrag des Bundes(s.o.; z. B. Sozialhilfe, Einwohner-

meldewesen, Zulassung von Kraft-fahrzeugen). In diesem „übertra-genen Wirkungskreis“ sind sienatürlich an die staatlichen Weisun-gen gebunden, unterliegen also der „Rechts- und Fachaufsicht“. DieÜbertragung solcher Aufgaben istnach der Verfassung nur möglich,„wenn gleichzeitig Bestimmungenüber die Deckung der Kosten ge-troffen werden“.

Aufsichtsbehörden sind die Land-kreise (für die kreisangehörigen Ge-meinden), die Bezirksregierungen(für die Landkreise, kreisfreien undgroßen selbständigen Städte) unddas Innenministerium als oberste In-stanz.

Oberste Organe aller Kommunensind die alle 5 Jahre (zuletzt im Sep-tember 1996) gewählten Stadträte,Samtgemeinderäte, Gemeinderäteund Kreistage, in Hannover undBraunschweig zusätzlich Stadtbe-zirksräte, in größeren Gemeindennoch Ortsräte für einzelne Gemein-deteile. Ihre Größen sind nach Ein-wohnerzahl gestaffelt. Insgesamtsind das jeweils rund 31.000 Perso-nen für über 2.200 kommunaleVertretungen. Das dafür geltendeWahlsystem unterscheidet sich er-heblich von dem für die Landtags-wahl. Das wahlfähige Alter beginnthier schon mit dem vollendeten 16. Lebensjahr. Ferner können seit1996 auch Staatsangehörige vonMitgliedstaaten der EuropäischenUnion unter den gleichen Voraus-

188 Politisches System

setzungen wie Deutsche wählenoder gewählt werden. Für jede zuwählende Vertretung gibt es einenbesonderen Stimmzettel. (z. B. inEinheitsgemeinden für die Kreis-tags-, Gemeinderats- und evtl. noch Ortsratswahl),auf dem Vorschlägevon Parteien, Wähl-ergruppen und Ein-zelpersonen ste-hen. Man kann ent-weder einen Wahl-vorschlag als Ge-samtliste pauschaloder einzelne Per-sonen wählen.Dafür hat man 3Stimmen. Diesekann man auf ver-schiedene Listenoder Personen ver-teilen („panaschieren“) oder aucheiner Liste oder Person bis zu 3 Stim-men geben („kumulieren“). Ausge-zählt wird auch hier nach dem Prin-zip der Verhältniswahl (Systemd’Hondt). Im Unterschied zur Land-tagswahl werden auch Wahlvor-schläge berücksichtigt, die wenigerals 5% der Stimmen erhalten haben.

Auch auf der kommunalen Ebenehat die Bevölkerung Möglichkeiten,direkt auf die gewählten Vertretun-gen einzuwirken. Wer mindestens14 Jahre alt und seit mindestens 3Monaten in der Gemeinde gemel-det ist, kann mit einem schriftlichen„Einwohnerantrag“ verlangen, dass

der Rat bestimmte Angelegenhei-ten des eigenen Wirkungskreisesberät und entscheidet. Ferner kön-nen die Wahlberechtigten mit ei-nem „Bürgerbegehren“ beantra-gen, dass ihnen der Rat bestimmte

Angelegenheitendes eigenen Wir-kungskreises zurdirekten Entschei-dung („Bürgerent-scheid“) überlässt.Für alle diese Ini-tiativen sind Min-destzahlen für Un-terschriften bzw.Stimmen, gestaffeltnach Gemeindegrö-ßen, vorgeschrie-ben.

1996 ist noch ei-ne weitere demo-

kratische Komponente in die Kom-munalverfassung eingeführt wor-den: Die bisher ehrenamtlich täti-gen Vorsitzenden der Räte (alsoBürgermeisterinnen und -meister,Landrätinnen und -räte) werdennicht mehr vom Rat, sondern direktvon den Wahlberechtigten gewählt.Sie werden dann hauptamtlich tätigund übernehmen die Leitung dergesamten kommunalen Verwal-tung. Die lag bisher bei einembesonderen kommunalen Spitzen-amt (z. B. Oberstadtdirektorin oder -direktor), das nun entfällt. Diese„eingleisige“ Form der kommuna-len Leitung gilt in den meisten Bun-

Politisches System 189

desländern. Die Wahl erfolgt hiermit einer Stimme. Gewählt ist, wermehr als die Hälfte der gültigenStimmen erhalten hat (gab es nureinen Wahlvorschlag, ist diese Per-son gewählt, wenn mindestens 25 % der Wahlberechtigten für siegestimmt haben und sie die Mehr-heit der abgegebenen Stimmen er-hält). Anderenfalls findet 2 Wochenspäter eine Stichwahl zwischen denbeiden Bewerberinnen oder Bewer-bern mit der höchsten Stimmenzahlstatt. Dabei entscheidet die relativeMehrheit, bei Stimmengleichheitdas Los.

Das FinanzsystemDas Geld kommt auf vielen We-

gen in die öffentlichen Kassen. Ne-ben Gebühren für Verwaltungsakte,Beiträgen zu Verwaltungsmaßnah-men (z. B. Anliegerbeiträgen zumStraßenbau), Abgaben, Erträgenvon Unternehmen und Beteiligun-gen des Fiskus, Zinsgewinnen derBundesbank und der Landesban-ken, Spielbankabgaben usw. sindSteuern die bei weitem größte Ein-nahmequelle des Bundes und derLänder; nur einige der häufigstenkönnen hier genannt werden. Amwichtigsten sind die direkt vomEinkommen oder Vermögen erho-benen Steuern, wie Lohn- undEinkommensteuer, Erbschafts- undSchenkungssteuer, Vermögenssteu-er (z.Zt. auslaufend), Grunderwerbs-steuer. Unternehmen zahlen Ge-

werbe- und Körperschaftssteuer.Auf Versicherungsbeiträge wirdeine Steuer von 15% erhoben, aufWertpapiere fällt Kapitalertrags-und Börsenumsatzsteuer an. Denzweiten großen Einnahmeblock bil-den die indirekt, vor allem auf denVerbrauch erhobenen Steuern. Aufjeder Ware und Dienstleistung liegtUmsatz- oder Mehrwertsteuer (z.Zt.7 bis 16% des Preises), auf einigenWarenarten noch eine zusätzlicheSteuer (z. B. Tabak- und Brannt-weinsteuer). Autobesitzer zahlenKraftfahrzeug- und Mineralölsteu-er. Die Gemeinden erheben eigeneSteuern, z. B. Grundsteuer fürGrundstücke, Hunde- und Vergnü-gungssteuer. Bund und Länder be-streiten fast 90%, die Kommunenreichlich ein Drittel ihrer Einnahmenaus Steuern.

Die bedarfsgerechte Verteilungdieser Einnahmen zwischen Bund,Ländern und Gemeinden erfordertein mehrstufiges Finanzausgleichs-system, das im Grundgesetz festge-legt ist. Die Hauptregel lautet, dassBund und Länder gesondert dieAusgaben tragen, die sich aus ihrenAufgaben ergeben. Für die Ländersind dabei Schwerpunkte das Schul-und Hochschulwesen, Polizei undJustiz, Sozial- und Gesundheitswe-sen und die allgemeinen Personal-ausgaben. Die jährlichen Haushaltein Niedersachsen schließen durch-schnittlich mit ca. 39 Mrd. DM Ein-nahmen und Ausgaben für das Land

190 Politisches System

und 27 Mrd. für die Kommunen ab.Über 23 Mrd. sind Personalausga-ben, rd. 7 Mrd. werden für Schulenund Hochschulen, rd. 7,5 Mrd. fürSozialhilfe (Tendenz z.Zt steigend),Mietzuschüsse für Minderbemittel-te (Wohngeld) und Kindergeld, rd.1,5 Mrd. für die öffentliche Sicher-heit ausgegeben. Übrigens herrschtin Bund und Ländern eine seit Jah-ren ständig steigende Verschuldung(in Niedersachsen rd. 10.000 DM proEinwohnerin und Einwohner) mitentsprechend hohen, die laufendenHaushalte belastenden Zins- undTilgungsleistungen.

ausgaben bei. Überregional bedeut-same „Gemeinschaftsaufgaben“(Hochschulbau, Küstenschutz, Ver-besserung der regionalen Wirt-schafts- und der Agrarstruktur) wer-den gemeinsam (meist je zur Hälfte)von Bund und Ländern finanziert.Sie sind oft notwendig, aber poli-tisch nicht unproblematisch, da siedie Kompetenzen vermischen unddie beiderseitige Entscheidungsfrei-heit beeinträchtigen. Lohn-, Ein-kommen-, Körperschafts- und Um-satzsteuer werden zwischen Bundund Ländern etwa hälftig, zwischenden Ländern nach festgelegten

Schlüsseln aufgeteilt.Andere Steuern wie Ver-mögens-, Erbschafts-,Schenkungs- und Kraft-fahrzeugsteuer, ebensodie Spielbankabgabenstehen den Ländern al-lein zu. Das Grundge-setz verpflichtet aberauch die Länder unter-einander zu einem teil-weisen Ausgleich ihrerunterschiedlichen Fi-nanzkraft. Bundeslän-der mit überdurch-schnittlich hoher Steu-erkraft zahlen Aus-

gleichbeträge an die weniger fi-nanzkräftigen („Länderfinanzaus-gleich“), der Bund gibt „Ergän-zungszuweisungen“ hinzu. Nieder-sachsen gewinnt durch diesen Aus-gleich. Im Landeshaushalt 1998

Der im Grundgesetz geregelteFinanzausgleich zwischen Bund undLändern erfolgt nun auf verschiede-nen Wegen. Wo die Länder Verwal-tung im Auftrag des Bundes leisten,steuert der Bund Mittel für die Sach-

Quelle: Statistisches Taschenbuch Niedersachsen. 1998, S. 152.

Ausgaben 1) des Landes nach Arten– Haushaltsansatz 1998 –

Politisches System 191

(NachtragshaushaltMai 1998) waren28,4 Mrd. DM ausSteuerverteilung,Länderfinanzaus-gleich und Ergän-zungszuweisungeneingestellt. Überdiese Transfers mußvon Zeit zu Zeit neuverhandelt werden,was nicht ohne po-litische Brisanz istund deshalb z. Zt.auch wieder dasBundesverfassungs-gericht beschäftigt.

Die Länder ihrer-seits führen nunden Finanzaus-gleich mit ihrenKommunen durch.Er ist in Niedersachsen durch einFinanzausgleichsgesetz geregelt, daszunächst die verteilbare Ausgleichs-masse festlegt (1998: 4,5 Mrd. 1999voraussichtlich 4,6 Mrd; dazu 1,2Mrd. Zuschüsse für Jugendheime,Kindergärten und Seniorenhilfe). DieKommunen erhalten Zuweisungen,die nach festgelegten Schlüsseln (u.a. Einwohnerzahl, Steuerkraft, So-zialhilfeausgaben) berechnet wer-den, ferner einen bestimmten Pro-zentsatz für Aufgaben des übertra-genen Wirkungskreises und für Inves-titionen. Finanziell besonders bela-stete Gemeinden erhalten im Einzel-fall noch Zuwendungen nach Bedarf.

Religionsgemeinschaften,Parteien undInteressenvertretungen

Das Grundgesetz garantiert dengesellschaftlichen Kräften mannig-fache Entfaltungs- und Mitwir-kungsmöglichkeiten. Glaubens-, Ge-wissens- und Bekenntnisfreiheit sindgeschützt.

Ungestörte Religionsausübungwird gewährleistet, Religionsunter-richt ermöglicht. Vereinigungen al-ler Art, besonders zur Wahrung undFörderung der Arbeits- und Wirt-schaftsbedingungen können ge-gründet werden. Die Gründung po-

Niedersachsens Haushalt 1999 (in Mio)(Veränderungen gegenüber 1998 in %)

Gesamthaushalt: 40,1 Milliarden Mark (+ 2,0 %)

Sonstiges 496,4 (+ 1,1

Wirtschaft 2704,4 (+ 2,9 %)

Umwelt 759,1 (-2,3 %)

Justiz 1639,9 (+6,5 %)

Landwirtschaft 976,8 (+1,1 %)

Schule 7016,1 (-2,2 %)

Wissenschaft 4044,1 (+ 4,6

Soziales 5041,1 (+5,7

Finanzen 1504,5 (+6,0 %)

Inneres 3105,9 (-0,3 %)

Staatskanzlei 67,2 (83,6 %)

Pensionen, Zin-sen,

KommunalerFinanzausgleich

192 Politisches System

litischer Parteien ist frei. Sie habendas Recht, bei der politischen Wil-lensbildung des Volkes mitzuwirken.

Die Bestimmungen der Reichsver-fassung von 1919 über die Rechteund Freiheiten der Kirchen, religiö-sen und weltanschaulichen Gemein-schaften gelten weiter. Sie habenden Status von „Körperschaften desöffentlichen Rechts“ oder könnenihn erlangen und sind damit u.a. be-rechtigt, Steuern zu erheben. DieKirchensteuern werden von denstaatlichen Finanzämtern gegenKostenerstattung eingezogen. InNiedersachsen, dessen Bevölkerungin den Landkreisen Emsland, Clop-penburg, Vechta und Osnabrücküberwiegend römisch-katholisch,sonst überwiegend evangelisch ist,bestehen die evangelisch-lutheri-schen Landeskirchen von Braun-schweig, Hannover, Oldenburg undSchaumburg-Lippe sowie die Evan-gelisch-Reformierte Kirche in Nord-westdeutschland (insgesamt ca. 4,7Mio. Mitglieder), die in derKonföderation Evangelischer Kir-chen in Niedersachsen zusammen-geschlossen und alle auch Gliedkir-chen der Evangelischen Kirche inDeutschland (EKD) sind, deren Zen-trale, das Kirchenamt, übrigens inder Landeshauptstadt residiert. Dierömisch-katholischen Kirchenmit-glieder (ca. 1,4 Mio.) gehören zuden Bistümern Hildesheim, Münsterund Osnabrück, in Grenzbereichenauch Fulda und Paderborn. Die Be-

ziehungen des Landes zu den evan-gelischen Kirchen sind durch den„Loccumer Vertrag“ (1955, ergänzt1965; benannt nach dem evangeli-schen Kloster Loccum, dessen Abtimmer der Landesbischof von Han-nover ist), zur römisch-katholischenKirche durch ein Konkordat (1965)geregelt. Die Kirchen entfalten um-fangreiche soziale Aktivitäten u. a.in den Bereichen Diakonie und Cari-tas. Sie sind die größten Kindergar-tenträger, beteiligen sich in Diako-nie- und Sozialstationen an der am-bulanten und pflegerischen Betreu-ung der Bevölkerung, unterhaltenhunderte von Alten- und Pflegehei-men und tausende von Kranken-hausplätzen.

Neben den beiden großen Kir-chen sind weitere Religionsgemein-schaften als Körperschaften desöffentlichen Rechts anerkannt, u. a.evangelische Freikirchen und sonsti-ge Religionsgemeinschaften, derLandesverband der Jüdischen Ge-meinden und die Griechisch-Ortho-doxe Metropolie in Deutschland.

Die bereits erwähnten, auch imBundestag vertretenen politischenParteien (SPD, CDU, GRÜNE, F.D.P.)haben in Niedersachsen ihre Landes-verbände. Eine besondere Landes-partei existiert seit Jahrzehntennicht mehr. Es gibt aber auch in Nie-dersachsen einige Parteien, derenBestrebungen sich nach amtlicherBeurteilung gegen die freiheitliche-demokratische Grundordnung rich-

Politisches System 193

ten und die deshalb unter der ge-setzlich geregelten Beobachtungder Verfassungsschutzbehörden desBundes und der Länder stehen. Dassind die extrem rechten Parteien„Deutsche Volksunion“ (DVU), „DieRepublikaner“ (REP) und „National-demokratische Partei Deutschlands“(NPD) sowie die extrem linke „Deut-sche Kommunistische Partei“ (DKP)und ein Teil (die „KommunistischePlattform“) der „Partei des De-mokratischen Sozialismus“ (PDS,hervorgegangen aus der totalitä-ren „Sozialistischen EinheitsparteiDeutschlands“ der ehemaligenDDR). Auch sie haben das „Parteien-privileg“ (Art. 21 des Grundgeset-zes), d. h. sie können nur durch Ent-scheidung des Bundesverfassungs-gerichts verboten werden (andereverfassungsfeindliche Organisatio-nen werden durch die Verwaltungs-behörden nach dem Vereinsgesetzaufgelöst). Sie werden aber von derBevölkerung kaum angenommen:Ihre Mitgliederzahlen sind gering (z.Zt. zwischen 20 und 1800), ihr Stim-menanteil bei den Wahlen liegt imLandesdurchschnitt seit 30 Jahrenkonstant unter 5% (allerdings höherin einigen Problemgebieten). Sie er-langen nur hin und wieder einzelneMandate auf kommunaler Ebene.

Eine bedeutende Rolle spielenschließlich die wirtschaftlichen undsozialen Verbände und Interessen-vertretungen. Der Deutsche Ge-werkschaftsbund (DGB) und alle

seine Einzelgewerkschaften sind imLande ebenso vertreten wie dieDeutsche Angestelltengewerkschaft(DAG) und der Deutsche Beamten-bund (DBB) mit zahlreichen Fachver-bänden für einzelne Sparten desöffentlichen Dienstes. Ihnen stehen,v. a. in ihrer Funktion als Tarif-partner, die „UnternehmerverbändeNiedersachsen“ mit über 40 Fachver-bänden gegenüber, die meist auchMitglieder der Bundesvereinigungder Deutschen Arbeitgeberverbän-de (BDA) und des Bundesverbandesder Deutschen Industrie (BDI) sind.Sie sind privatrechtliche Vereinigun-gen mit freiwilliger Mitgliedschaft.Als Körperschaften mit obligatori-scher Mitgliedschaft gibt es abernoch die Industrie- und Handels-kammern, Handwerkskammern undLandwirtschaftskammern sowie dieKammern der Rechtsanwälte, Ärzte,Zahnärzte, Apotheker und Architek-ten. Diese „Kammern“ haben öf-fentlich-rechtliche Befugnisse wie z. B. die Abnahme vorgeschriebenerFachprüfungen oder die Überwa-chung von gesetzlichen Zulassungs-bedingungen zu bestimmten Beru-fen.

Europäische und weltweiteBeziehungen

Nach der Unterzeichnung desVertrages von Maastricht (1993), derden Weg zur Entwicklung der Eu-ropäischen Union geöffnet hat, sinddie Mitwirkungsrechte der Bundes-

194 Politisches System

länder über den Bundesrat in eu-ropäischen Angelegenheiten durchArt. 23 des Grundgesetzes und einAusführungsgesetz dazu erweitertund neu geordnet worden: Wennim Bereich ausschließlicher Zustän-digkeiten des Bundes Interessen derLänder berührt werden, muss dieBundesregierung eine Stellungnah-me des Bundesrates einholen und„berücksichtigen“. Wenn schwer-punktmäßig Gesetzgebungsbefug-nisse der Länder, die Einrichtung ih-rer Behörden oder ihre Verwal-tungsverfahren betroffen sind, istdie Auffassung des Bundesrates un-ter Wahrung der gesamtstaatlichenVerantwortung des Bundes „maß-geblich zu berücksichtigen“. Wennder Schwerpunkt auf ausschließ-lichen Gesetzgebungsbefugnissender Länder liegt, soll die Wahrneh-mung der deutschen Rechte in deneuropäischen Gremien einem vomBundesrat benannten Landesminis-ter übertragen werden. Um dieseMöglichkeiten effektiv nutzen zukönnen, müssen die Länder auchselbst auf der europäischen Ebenepräsent sein. Niedersachsen unter-hält daher, wie alle anderen Bundes-länder, ein Verbindungsbüro desLandes in Brüssel. Es soll die Landes-regierung unterrichten, die Positio-nen und Interessen des Landes in al-le europäischen Gremien und Insti-tutionen hinein vermitteln, eine an-gemessene Beteiligung des Landesan den zahlreichen Förderprogram-

men der Gemeinschaft vorbereitenund sichern, Angehörige nieder-sächsischer Dienststellen für die Eu-ropaarbeit aus- und fortbilden, Kon-takte zu den Europaabgeordneten(z. Zt. 9 aus Niedersachsen), den an-deren Länderbüros und sonstigenwichtigen Stellen pflegen.

Aber auch weltweite internatio-nale Partnerschaft und Zusammen-arbeit wird in Niedersachsen großgeschrieben. Viele niedersächsischeStädte und Gemeinden haben seitlangem Partnerschaften mit auslän-dischen Kommunen. (Neben demNeuen Rathaus der Landeshaupt-stadt liegt ein schöner Park, dessenzahlreiche Wege nach Partnerstäd-ten Hannovers benannt sind). DasLand leistet Beratungs- und Aufbau-hilfen (u. a. zum Aufbau kommuna-ler Selbstverwaltung und neuerlandwirtschaftlicher Strukturen) inmehreren polnischen Woiwodschaf-ten und russischen Gebieten, istaber auch an zahlreichen Hilfspro-jekten in Afrika, Asien und Lateina-merika beteiligt, besonders an hu-manitären Hilfsaktionen und bei derEntwicklung elementarer Infra-strukturen, z. B. der Wasserversor-gung. Der „Verein zur Förderungentwicklungspolitischer Initiativenund Entwicklungszusammenarbeitin Niedersachsen“ (VEN) ist Koordi-nator vieler Initiativen und An-sprechpartner der Regierung.

Hansjürgen Knoche

Vorbemerkung

Dem Bundesland Niedersachsenkommt im Verfassungsgefüge derBundesrepublik Deutschland eineeigene, nicht vom Bund abgeleiteteStaatsqualität mit hieraus erwach-sender Verfassungsautonomie zu.Es steht damit gleichberechtigt ne-ben den weiteren 15 Gliedstaatenunseres bundesstaatlich verfasstenGemeinwesens. Die Bürgerinnenund Bürger erfahren diesen föderalstrukturierten Staat in unterschied-licher Weise. Medien unterrichtenüber das Handeln der Verfassungs-organe auf Länder- und Bundesebe-ne sowie über das dieses vorberei-tende und begleitende politischeGeschehen. Diese Vorgänge sind in-des nur eine Erscheinungsform desStaatlichen. Viel unmittelbarer istdessen Wahrnehmbarkeit im Um-gang und Kontakt des Einzelnenmit staatlichen Verwaltungsbehör-den sowie den Institutionen derRechtspflege.

Verwaltungsbehörden dienender laufenden Erfüllung öffentli-cher Aufgaben, die im Rahmen ihrerjeweiligen Zuständigkeiten demBund, den Ländern oder den Kom-munen obliegen. Wegen des lau-fenden Vollzuges der vielfältigenstaatlichen Pflichten wurde die Ver-waltung in der Rechtslehre auch als„tätig werdende Verfassung“ cha-rakterisiert, wodurch zu Recht die

besondere Bedeutung dieses Teilsder Exekutive für die Ausgestaltungunserer Verfassungswirklichkeithervorgehoben wird. Auch dieRechtspflege nimmt dort, wo sienicht Rechtsprechung im eigentli-chen Sinne ist, Aufgaben der Ver-waltung wahr. Sie umfasst im weite-ren Sinne alles Handeln des Staatesoder staatlich anerkannter Organe,das dem Rechtsschutz, der Rechts-ausübung sowie der Rechtsvorsorgedient.

Das Grundgesetz für die Bundes-republik Deutschland unterscheidetzwischen Bundes- und Länderver-waltung und sieht vor, dass die Aus-übung staatlicher Befugnisse unddie Erfüllung staatlicher Aufgabengrundsätzlich eine Angelegenheitder Länder ist. Diese Kompetenzzu-weisung ist nur dort zugunsten desBundes durchbrochen, wo dasGrundgesetz eine „andere Rege-lung trifft oder zuläßt“ (Art. 30 GG).Hieraus folgt, dass der Großteilstaatlicher Aufgaben von unmittel-baren oder mittelbaren Landes-behörden wahrgenommen wird. Inentsprechender Weise und gleich-falls am Bundesstaatsprinzip orien-tiert, legt das Grundgesetz auchfest, dass die rechtsprechende Ge-walt – abgesehen von den verfas-sungsrechtlich vorgesehenen Bun-desgerichten – durch die Gerichteder Länder ausgeübt wird (Art. 92GG).

Verwaltung und Rechtspflege

196 Verwaltung und Rechtspflege

Vor diesem Hintergrund wirddeutlich, dass sich unser Staat sei-nen Bürgerinnen und Bürgern vorallem vermittels der Verwaltungund Rechtspflege der Länder mit-teilt und diese Bereiche daher auchin Niedersachsen einen wichtigenBestandteil der Lebenswirklichkeitseiner Bewohner ausmachen.

Art. 1 Abs. 1 der Niedersächsi-schen Verfassung vom 19. Mai 1993läßt erkennen, dass das Land Nie-dersachsen ein regional und histo-risch heterogenes Gebilde ist: „DasLand Niedersachsen ist hervorge-gangen aus den Ländern Hannover,Oldenburg, Braunschweig undSchaumburg-Lippe.“

Die damit in ihren Umrissen skiz-zierte Entstehung des Landes Nie-dersachsen vollzog sich unter denBedingungen alliierter Besatzungs-hoheit und hat ihren Ursprung inder Tätigkeit des im Februar 1946errichteten Zonenbeirats für die bri-tische Zone. Dieser sollte auf Auf-forderung der Britischen Kontroll-kommission für Deutschland unteranderem Vorschläge für eine Neu-bildung der Länder in der britischenZone unterbreiten. Den Arbeitser-gebnissen dieser Kommission fol-gend, errichtete die britische Besat-zungsmacht das Land Niedersach-sen durch ihre rückwirkend zum 1. November 1946 in Kraft getrete-ne Verordnung Nr. 55 vom 8. No-vember 1946. Durch diesen Rechts-akt der Besatzungsmacht wurden

die ihrer Selbständigkeit entkleide-ten Länder Braunschweig, Olden-burg und Schaumburg-Lippe sowiedie ehemalige preußische ProvinzHannover in das neu geschaffeneLand eingegliedert. In der Situationder unmittelbaren Nachkriegszeitgelang es auf diese Weise, die veral-teten, auf historisch-dynastischenGrundlagen entstandenen inner-deutschen Grenzen und Verwal-tungsgliederungen im Sinne einernaturräumlich orientierten, wirt-schaftlich sachgerechten und zeit-gemäßen Lösung zu überwinden.

Wenn die Regionen Niedersach-sens damit ihre verwaltungsmäßigeSelbständigkeit eingebüßt hattenund in ein größeres gliedstaatlichesGebilde eingeordnet waren, so be-wahrten sie doch ihre sich aus denhistorischen Wurzeln nährende Be-deutung bis auf den heutigen Tag.Die regionale Gliederung und Struk-tur der Verwaltung und Rechtspfle-ge in Niedersachsen erschließt sichnur vor dem Hintergrund dieserhistorischen Ursprünge.

Unmittelbare Staatsverwaltung durch staatliche Verwaltungsbehörden

Die Spitze der Verwaltung desLandes Niedersachsens wird von derLandesregierung gebildet, die sichaus dem Ministerpräsidenten sowieden Fachministerinnen- und -minis-

Verwaltung und Rechtspflege 197

tern zusammensetzt. Die Landes-regierung ist zugleich Verfassungs-organ und oberste Verwaltungs-behörde. Unterhalb dieser Ebeneerfolgt die unmittelbare Staatsver-waltung durch eine dreistufige Ver-waltungsgliederung in Ober-, Mit-tel- und Unterbehörden.

Die Fachministerien sind in ihrerFunktion als Verwaltungsgliederun-gen Oberbehörden, denen in ihremGeschäftsbereich die oberste Sach-leitung zukommt. Diese wird durchden Erlass allgemeiner Weisungen,organisatorischer und personellerMaßnahmen sowie die Ausübungeiner Aufsichtsfunktion wahrge-nommen, während die Entschei-dung von Einzelfällen grundsätzlichnicht zu ihrem Aufgabenkanonzählt.

Im Bereich der allgemeinen Ver-waltung wird die niedersächsischeVerwaltungsmittelinstanz von denvier Bezirksregierungen gebildet(vgl. Abschnitt Die administrativeGliederung Niedersachsens im Kapi-tel Lage und Größe). Die Bezirksre-gierungen unterstehen der Dienst-aufsicht des Innenministeriums so-wie der Fachaufsicht der sachlich je-weils zuständigen Ministerien. IhrLeiter, der Regierungspräsident,bzw. die Regierungspräsidentin istder allgemeine Vertreter der Lan-desregierung im Regierungsbezirk.Zu den Aufgaben der Verwaltungs-mittelinstanzen gehören die Aus-übung der Rechts- und Fachaufsicht

über die unterstellten Unterbehör-den sowie die Aufsicht über dieLandkreise und kreisfreien Städte.

Die Unterbehörden der allgemei-nen Landesverwaltung bewältigendie Hauptlast der vollziehendenVerwaltung. Sie treten den Bürge-rinnen- und Bürgern bei der Wahr-nehmung ihrer Aufgaben unmittel-bar gegenüber und werden inihrem Verwaltungshandeln dahervorrangig als Institutionen unseresGemeinwesens erlebt und erfahren.Die untere Instanz der staatlichenVerwaltung wird einerseits durchspezialisierte Sonderbehörden ge-bildet. Diese dienen der Bewälti-gung staatlicher Sonderaufgabenwie beispielsweise der polizeilichenGefahrenabwehr (Polizeidirektio-nen / Polizeiinspektionen), dem Ver-messungs- und Katasterwesen (Ver-messungs- und Katasterbehörden)oder sonstigen Spezialbereichen (z. B. Insel- und Küstenschutz, Was-ser- und Abfallwesen, Agrarstruk-tur, Studienseminare für Lehramts-kandidaten, Domänenwesen, Forst-und Hafenämter, staatliche Museenund Theater etc.).

Daneben obliegt die Vielzahl derAufgaben der allgemeinen unterenVerwaltungsbehörden im Rahmender sog. mittelbaren Staatsverwal-tung den kommunalen Gemein-wesen und wird von diesen als sog. übertragener (staatlicher) Wir-kungskreis neben den eigenen, als„Selbstverwaltungsangelegenhei-

198 Verwaltung und Rechtspflege

ten“ bezeichneten Aufgaben be-wältigt (vgl. Abschnitt Die Landkrei-se, Städte und Gemeinden im Kapi-tel Politisches System).

Rechtspflege in Niedersachsen

Zu den Kernaufgaben jedesstaatlichen Gemeinwesens gehörtdie Schaffung von Institutionen undStrukturen, die dem Einzelnen dieAusübung und Durchsetzung seinergegenüber dem Staat oder Priva-ten bestehenden gesetzlich ver-bürgten Rechte gewährleisten. Ge-genstand dieser öffentlichen Aufga-be ist die Rechtspflege, deren inte-graler Bestandteil die Rechtspre-chung ist.

Die Rechtsprechung (Judikative)ist in dem Verfassungsgefüge desGrundgesetzes neben der Gesetzge-bung (Legislative) und der vollzie-henden Gewalt (Exekutive) die drit-te Erscheinungsform der vom Volkeausgehenden Staatsgewalt und un-terliegt in ihrem Handeln der strik-ten Bindung an Recht und Gesetz(Art. 20 Abs. 2 GG). Das Grundge-setz hat die Ausübung der recht-sprechenden Gewalt ausschließlichden Richtern anvertraut und diesezur Erfüllung ihrer Pflichten mitsachlicher und persönlicher Unab-hängigkeit versehen (Art. 92 und 97Abs. 1 GG). Das Handeln der recht-sprechenden Gewalt vollzieht sichdurch die Gerichte, deren Einrich-

tung und Unterhaltung grundsätz-lich den Ländern obliegt.

Das Land Niedersachsen ent-spricht dieser Verpflichtung durchdie Tätigkeit eines Gerichtsystems,welches sich in Gerichte der sog.ordentlichen sowie in solche derVerwaltungs-, Sozial-, Finanz- undArbeitsgerichtsbarkeit gliedert. Un-ter den niedersächsischen Gerichtennimmt der daneben bestehendeStaatsgerichtshof mit Sitz in Bücke-burg eine Sonderrolle ein. Er istniedersächsisches Verfassungsorganund entscheidet über verfassungs-rechtliche Streitigkeiten in Nieder-sachsen.

NNiieeddeerrssääcchhssiisscchheerr SSttaaaattssggeerriicchhttsshhooff

(Bückeburg)

11 PPrräässiiddeenntt//iinn

22 rriicchhtteerrlliicchhee MMiittgglliieeddeerr((ssoowwiiee 33 SStteellllvveerrttrreetteerr//iinnnneenn))– vom Landtag für die Dauer ihres

richterlichen Hauptamtes gewählt –

66 wweeiitteerree MMiittgglliieeddeerr((ssoowwiiee 66 SStteellllvveerrttrreetteerr//iinnnneenn))

– vom Landtag für eine Amtszeit von sieben Jahren gewählt –

Die ordentliche Gerichtsbarkeit inNiedersachsen, die die Bereiche derZivil- bzw. Strafjustiz umfaßt, ist in

Verwaltung und Rechtspflege 199

drei Oberlandesgerichtsbe-zirke untergliedert. DemOberlandesgericht Braun-schweig gehören die Land-gerichte Braunschweig undGöttingen sowie 16 Amts-gerichte an. Dem Oberlan-desgericht Celle sind sechsLandgerichte (Bückeburg,Hannover, Hildesheim, Lü-neburg, Stade, Verden)und deren 41 Amtsgerichtezugeordnet. Der Oberlan-desgerichtsbezirk Olden-burg schließlich umfaßt dieLandgerichte Oldenburg,Osnabrück und Aurich so-wie 23 Amtsgerichte.

Die Amtsgerichte sindfür bürgerliche Rechtsstrei-tigkeiten mit einem Streit-wert von bis zu 10.000,–DM sowie ohne Rücksichtauf den Gegenstandswertfür Mietstreitigkeiten zuständig.Auch die Familiengerichte sind denAmtsgerichten angegliedert. Dieamtsgerichtliche Zuständigkeit er-streckt sich des weiteren auf Straf-verfahren mit einer Straferwartungbis zu vier Jahren Freiheitsstrafe.Weitere bedeutsame Zuständigkei-ten der Amtsgerichte sind das Buß-geldverfahren, das Mahnverfahren,das Vormundschafts- und Nachlass-wesen sowie die Landwirtschafts-gerichtsbarkeit. In Niedersachsensind zudem 33 der insgesamt 80Amtsgerichte mit den zentralen

Zuständigkeiten eines Insolvenzge-richts betraut.

Die Landgerichte treffen ihre Ent-scheidungen durch die bei ihnen ge-bildeten Zivil- und Strafkammern. Inbürgerlichen Rechtsstreitigkeitenerstreckt sich die Zuständigkeit derLandgerichte auf Streitigkeiten miteinem Gegenstandswert von mehrals 10.000,– DM. Zweitinstanzlichentscheiden sie über Berufungenund Beschwerden gegen Entschei-dungen der Amtsgerichte in zivil-wie strafrechtlichen Verfahren. Dieerstinstanzliche Zuständigkeit der

7Verwaltungs-

gerichte

BraunschweigGöttingenHannoverLüneburgOldenburgOsnabrück

Stade

200 Verwaltung und Rechtspflege

Landgerichte besteht im übrigen fürStrafverfahren mit einer Straferwar-tung von mehr als vier Jahren Frei-heitsstrafe sowie generell hinsicht-lich einer gesetzlich festgelegtenAuswahl besonders gravierenderVerbrechen.

Die Spruchkörper der Oberlan-desgerichte sind die Senate. Sie sindunter anderem für Berufungen undBeschwerden gegen erstinstanzli-che zivilrechtliche Entscheidungender Landgerichte, für Berufungengegen Urteile der Familiengerichtesowie Revisionen gegen strafrechtli-che Urteile der Amtsgerichte sowieBerufungsurteile der Landgerichtein Strafsachen zuständig.

Die in Braunschweig, Göttingen,Hannover, Lüneburg, Oldenburg,Osnabrück und Stade eingerichte-ten Verwaltungsgerichte eröffnenden Bürgerinnen und Bürgern dieMöglichkeit, Entscheidungen deröffentlichen Verwaltung einer ge-richtlichen Kontrolle zuzuführen.Ihre Berufungs- bzw. Beschwerdein-stanz ist das Niedersächsische Ober-verwaltungsgericht mit Sitz in Lüne-burg.

Die ordentliche und die Verwal-tungsgerichtsbarkeit unterstehen

ebenso wie die Sozial- und Finanz-gerichtsbarkeit (nicht aber der Ar-beitsgerichtsbarkeit, die dem Sozial-ministerium zugeordnet ist) organi-satorisch und dienstrechtlich demNiedersächsischen Ministerium derJustiz und für Europaangelegenhei-ten. Dies gilt ebenso für die Behör-denstruktur der Staatsanwaltschaf-ten. Deren Mittelinstanz, die dreiGeneralstaatsanwaltschaften, ha-ben ihren Sitz am Ort der Oberlan-desgerichte. Ihnen sind die Staats-anwaltschaften nachgeordnet, diesich ihrerseits an den Orten derLandgerichte befinden.

Neben den skizzierten Gerichtenund Justizbehörden sind auch dieBerufsgruppen der Rechtsanwälteund Notare dem Bereich der Rechts-pflege zuzuordnen. Im Land Nieder-sachsen sind rund 6.100 Rechtsan-wälte zur Ausübung des Rechtsan-waltsberufs zugelassen. 2.100 vonihnen sind von der Landesjustizver-waltung zu Notaren bestellt undinsbesondere durch ihre Arbeit beider Beurkundung von Rechtsvor-gängen im Sinne einer vorsorgen-den Rechtspflege tätig.

Hartwin Kramer

Behutsame Reformen von Anfang an

Im Flächenland Niedersachsenwird die Entwicklung und der Aus-bau eines zeitgemäßen Schul- undAusbildungsangebotes schon immerals wesentlicher Bestandteil der In-frastruktur des Landes gesehen. Ty-pisch niedersächsisch, also eher be-dächtig als grundstürzend, jedochauch innovative Impulse setzend,hat Niedersachsen zusammen mitseinen kommunalen Gebietskörper-schaften heute ein differenziertesund hochmodernes Schul- und Aus-bildungssystem geschaffen.

Schon unter Niedersachsens er-stem Kultusminister Adolf Grimme(SPD) entscheidet sich das Land fürdie vierjährige Grundschule und dasdreigliedrige Schulsystem mit derdamaligen Volksschule, der Real-schule und dem Gymnasium. Dieswird in den 50er-Jahren ergänztdurch eine Reihe innovativer Schul-versuche („differenzierter Mittel-bau“), um die drei Schulformenstärker miteinander zu verzahnen.Strukturbildend wirkt die Ende der50er-Jahre beginnende Landschul-reform. Die vielen, teilweise nur ein-klassigen oder wenig gegliedertenVolksschulen („Zwergschulen“),werden in einem beispiellosen bil-dungspolitischen Kraftakt zu neuenMittelpunktschulen zusammenge-fasst und modernisiert. In dieser Zeit

gelingt es auch, nach zehnjährigemheftigen Ringen mit der katho-lischen Kirche, die Schule als „christ-liche Gemeinschaftsschule“, näm-lich für Kinder aller Bekenntnisse,gegenüber der konfessionsgebun-denen Schule als Regeltyp durchzu-setzen. Erfolgreich wird in dieserZeit auch an der Verkleinerung deranfangs mit 50 bis 60 Kindern über-vollen Schulklassen und der Ab-schaffung von Schulgeld gearbeitet.

Bildungsboom ab Mitte der 60er-Jahre

Bis in die heutige Zeit prägendwirkt sich der Mitte der 60er-Jahrebundesweit einsetzende Reform-schub im Bildungswesen aus.

Zwei Grundfragen bewegen dieBildungsreformer Mitte der 60er-Jahre, die übrigens bis heute aktuellund brisant geblieben sind:1. Erzeugt das Bildungssystem aus-

reichend viele und hoch quali-fizierte Menschen, um im Wett-bewerb mit anderen politischenSystemen und wirtschaftlich be-stehen zu können?

2. Ist das Bildungssystem auchsozial gerecht oder verteilt esseine Chancen bevorzugt an dieAngehörigen der gehobenenSchichten?

Georg Picht wendet sich mitseinem Slogan von der „DeutschenBildungskatastrophe“ vor allem der

Bildung und Ausbildung

202 Bildung und Ausbildung

ersten Frage, Ralf Dahrendorf mitseiner Suche nach „Deutschen Ar-beiterkindern an den Universitä-ten“ der zweiten Frage zu und kriti-siert mangelnde Chancengleichheitan deutschen Schulen.

Das Land Niedersachsen stellt sichdieser Herausforderung. Bereits1967 fordert der damalige Minister-präsident Georg Diederichs (SPD) inseiner Regierungserklärung u. a.den Abbau des Bildungsgefälleszwischen Stadt und Land, mehrDurchlässigkeit zwischen den Schul-formen, eine besondere Förderstufefür Kinder im fünften und sechstenSchuljahr und mehr Mitwirkung derEltern in Fragen von Bildung und Er-ziehung. Der Kultusminister RichardLangeheine (CDU) greift dies aufund legt 1969 ein bundesweit be-achtetes Konzept einer Schulreformunter dem Titel „Schule heute –Schule morgen“ vor. Typisch nieder-sächsisch ist dieser Vorschlag ge-prägt durch eine umsichtige, behut-same Öffnung zu Reformen unterbreiter Beteiligung von Verbändenund Elternvertretungen.

Als die SPD 1970 erstmals in Nie-dersachsen die Alleinregierung ge-winnt, beginnt mit ihrem Kultus-minister Peter von Oertzen eineNeuorientierung der Schul- undAusbildungspolitik. Der damaligeDeutsche Bildungsrat (1970) und dieBund-Länder-Kommission für Bil-dungsplanung (1973) legen Em-pfehlungen für eine durchgreifende

Schulreform mit einer Stufengliede-rung des Schulwesens und einerdeutlichen Empfehlung für Gesamt-schulen (Schule für alle Kinder derJahrgangsstufe 5 bis 10) vor. Nieder-sachsen greift diese Vorschläge auf.Nach leidenschaftlich geführten De-batten zwischen Regierung und Op-position und heftigen Kontroversenauch der Verbände untereinanderkommt es im Schulgesetz von 1974zu grundlegenden inhaltlichen undstrukturellen Entscheidungen imSchul- und Ausbildungssystem. Die-se Entscheidungen haben bis heuteim Großen und Ganzen den Rah-men für Schule und den staatlichenTeil der Berufsbildung bestimmt.

Das Schulgesetz übernimmt dasstufenbezogene Gliederungsprinzipmit Primarstufe (Grundschule),Sekundarstufe I (alle Schulformender Klassen 5 bis 10) und der Se-kundarstufe II (alle Schularten abKlasse 11 bzw. der berufsbildendenSchulen).

Gleichzeitig führt das Gesetz dieeinzelnen Schulformen an. Das sindim Sekundarbereich I die schulfor-munabhängige – also für alle Kindervorgesehene – Orientierungsstufemit den Jahrgängen 5 und 6 und diedarauf aufbauenden SchulformenHauptschule, Realschule, Gymnasi-en, Sonderschulen und die Gesamt-schule. Letztere kann in zwei For-men verwirklicht werden. Als Inte-grierte Gesamtschule (IGS) oderKooperative Gesamtschule (KGS).

Bildung und Ausbildung 203

Die Integrierte Gesamtschule för-dert die Kinder in einem gemein-samen Bildungsgang, dabei inNiveaugruppen getrennt in be-stimmten Fächern (z. B. Mathema-tik, Fremdsprachen, Physik), imÜbrigen aber in gemeinsamen bin-nendifferenzierten Lerngruppen. Inden Kooperativen Gesamtschulenbestehen die Schulformen Haupt-schule, Realschule und Gymnasiumals Schulzüge weiter und sind mehroder minder miteinander verzahnt.Gymnasien und Gesamtschulenführen in der Regel im Sekundarbe-reich II eine gymnasiale Oberstufe,die von der jeweiligen Schule ausden direkten Durchgang zum Abi-tur ermöglichen soll.

Strukturwandel im Schulsystem

Dieses plurale Grundmuster derniedersächsischen Schulstruktur hatsich bis heute unabhängig von derFarbe der Landesregierung erhal-ten, obwohl es keineswegs unum-

stritten ist. Deutlich hat sich seit den60er-Jahren der Anteil der Schüler-schaft an den einzelnen Schulfor-men verschoben, und zwar weg von der Hauptschule hin zu den an-deren Schulformen des Sekundar-bereichs I. Die nachfolgende Tabelleveranschaulicht dies.

Freie Waldorfschulen besuchenim Jahr 1997 0,6 %, Kooperative Ge-samtschulen – oben eingerechnet indie drei erstgenannten Schulformen– 5,6 % des entsprechenden Jahr-ganges. Interessant ist, dass der Re-gierungsbezirk Hannover (1997) mit21,6 % den niedrigsten Haupt-schulanteil, zugleich mit 33,1 % dengrößten Gymnasial- und mit 16,5 %den höchsten Gesamtschulanteil(IGS und KGS) aufweist. Die Regionder Landesmetropole zeigt sich hierals Trendsetter der schulpolitischenEntwicklung. Im Übrigen liegen dieentsprechenden Zahlen für die dreianderen Regierungsbezirke Braun-schweig, Lüneburg und Weser-Emsrelativ nah beieinander. Abgesehen

Jahr Hauptschule Realschule Gymnasium IGS

1960 69,3 16,0 14,8 –

1970 55,7 24,0 20,3 –

1980 34,1 35,7 27,6 2,4

1990 29,3 36,1 31,0 2,9

1997 26,4 38,3 30,4 4,3Quelle: Nieders. allgemeinbildende Schulen in Zahlen 1997/98, Tab. 4.1, S. 29.

Verteilung der Schülerinnen und Schüler im 7. Schuljahrgang auf die Schulformen (ohne Sonderschulen – in Prozent)

204 Bildung und Ausbildung

von der Wirkung bundesweiterTrends macht sich hier auch daskommunale Engagement im Schul-wesen bemerkbar.

Ergänzt wird das staatlicheSchulangebot durch private Schulen(insgesamt 114 mit 41.384 Schüle-rinnen und Schülern). Die wichtig-sten Schulträger sind hier Kirchen,Wohlfahrtsverbände und der Ver-band der Freien Waldorfschulen.Der Schwerpunkt liegt im Bereichder Sonderschulen (41), den Gymna-sien (29) und den Freien Waldorf-schulen (14).

Landkreise, Städte und Gemeinden engagieren sich

Drei Faktoren haben das Landund seine Kommunen in den ver-gangenen drei Jahrzehnten beson-ders herausgefordert: die starkschwankende Zahl von Schülerin-nen und Schülern, der Strukturwan-del im Verhältnis der drei Schulfor-men Hauptschule, Realschule undGymnasium und der starke Ausbaudes berufsbildenden Schulwesens.

Allein im allgemein bildendenSchulbereich klettert die Zahl derBeschulten von etwas über 800.000Anfang der 60er-Jahre auf den Spit-zenwert von rund 1,25 Mio. im Jah-re 1975, um dann bis 1989 wiederauf 800.000 abzusinken. Seitdemsteigen die Zahlen wieder und wer-den mit etwas über einer Mio. im

Jahr 2003/2004 ihren neuen Gipfelerklimmen, mit erneutem Absinkenbis auf wiederum etwas über800.000 im Jahr 2015. DieseSchwankungen wirken sich starkauf den Bedarf an Lehrkräften undSchulräumen aus. Kleinere Klas-senstärken, die Abwahl der Haupt-schule und die zunehmende Bevor-zugung des Angebotes von Real-schulen, Gymnasien und Gesamt-schulen lösen weiteren Raumbedarfan den entsprechenden Schulenbzw. Neubauten aus.

So geht die Zahl der Hauptschul-standorte im Lande seit 1975 von955 auf 521 (1997) zurück. DieGrundschulen bleiben seit 1980 sta-bil bei 1875 (nur minus 2). Realschu-len bzw. Realschulangebote boo-men von 335 im Jahre 1975 auf 409im Jahr 1998, desgleichen die Orien-tierungsstufen, die sich aufgrundder Vorgaben des Landesgesetzge-bers in der kurzen Zeit zwischen1975 und 1989 von 310 auf 544 stei-gern. Auch Kooperative und Inte-grierte Gesamtschulen nehmennach einer Phase der Stagnationzwischen 1976 und 1990 wieder zu,und zwar bei den KGS von 10 (1975)auf 30 (1997) und bei den IGS imentsprechenden Zeitraum von 13auf 30. Die Zahl der Gymnasien hin-gegen bleibt mit rund 230 (1997:234) über die letzten beiden Jahr-zehnte konstant. Jedoch auch siemüssen stark schwankende Schüler-zahlen verkraften.

Bildung und Ausbildung 205

Die Sonderschulen werden in die-ser Zeit landesweit modernisiert,teilweise konzentriert (Schule fürLernhilfe), zum Teil auch erheblichausgebaut, so die Schulen für gei-stig Behinderte von ehemals 17(1975) auf 54 (1997).

Alle diese Entwicklungen, ver-bunden mit verbesserten Standardsin den Grund- und vor allem auchSonderschulen, lösen bei den Kom-munen als Schulträgern erheblicheInvestitionen im Schulbau aus. Vieleniedersächsische Gemeinden, Städ-te und Kreise haben den Ehrgeizentwickelt, mit ihren Grundschulenoder Schulzentren mit verschiede-nen Schulangeboten vorzeigbareund gut ausgestattete Einrichtun-gen zu schaffen, mit z. T. vorbildli-chen Außen- und Sportanlagen.Diese Schulen bilden vielfach mitihren Räumen, Sporthallen undSportplätzen den Anziehungspunktauch für außerschulische Aktivitä-ten, z. B. für Volkshochschularbeit,sportliche Nutzung durch örtlicheVereine und anderes mehr.

Großes Engagement beweisenvor allem auch die Landkreise undkreisfreien Städte beim Ausbau desberufsbildenden Schulwesens.

Berufsbildung: Gemeinschaftsaufgabe vonBund, Land und Kommunen

Ohne auf eine so weitreichendestil- und strukturprägende Tradition

wie im allgemein bildenden Schul-wesen zurückgreifen zu können,entwickelt sich das berufsbildendeSchulwesen stärker an abnehmer-orientierten, betrieblichen Interes-sen. Anknüpfungspunkte bildennach 1945 die in den 20er- und 30er-Jahren entwickelten Formen des be-rufsbildenden Schulwesens, vor al-lem mit den Pflichtberufsschulen inden kaufmännischen, gewerblichenund hauswirtschaftlichen Berei-chen. Am Anfang steht auch hierRaumnot, Lehrermangel, Schichtun-terricht, hohe Klassenfrequenzenund ein reduzierter Stundenplan.Für die damals große Zahl von Lehr-lingen – wie es damals heißt – in denlandwirtschaftlichen Berufen müs-sen die räumlichen und personellenVoraussetzungen in weiten Teilendes Landes erst geschaffen und spä-ter – mit dem dramatischen Rück-gang der landwirtschaftlichen Be-triebe und der dort Beschäftigten –wieder abgebaut werden. Der fürNiedersachsen durchaus bedeutsa-me Sektor Landwirtschaft zeigt da-mit beispielhaft, wie Strukturwan-del und Modernisierung unmittel-bar Wirkungen auf Struktur und In-halt des berufsbildenden Schulwe-sens ausüben.

Im Übrigen kommt es zu dem fürdeutschsprachige Länder typischenAusbildungssystem mit einer be-trieblichen praxisnahen Ausbildung,die vom Berufsschulunterricht be-gleitet wird. Daneben bieten schon

206 Bildung und Ausbildung

in den 50er-Jahren BerufsschulenAufbauklassen, einjährig in Vollzeit-form oder dreijährig in Teilzeitforman, mit der Möglichkeit, als allge-mein bildenden Abschluss die Fach-schulreife zu erwerben.

Land, Kommunen und Wirtschaft arbeitenzusammen

Das Land Niedersachsen hat alsFlächenland ein besonderes Pro-blem zu lösen. Eigentlich müsstenan möglichst vielen Standorten fürjeden Ausbildungsberuf getrennte,nach Ausbildungsjahren geglieder-te Fachklassen angeboten werden.Das macht für den mit knapp 10.000am stärksten besetzten Ausbil-dungsberuf zum Kraftfahrzeugme-chaniker wenig Schwierigkeiten.Wenn sich aber für den Beruf desGerbers nur ein Auszubildender imLande findet, ist dies nicht möglich.Die Bundesländer haben 1984 eineRahmenvereinbarung über die Bil-dung länderübergreifender Fach-klassen getroffen, um für die soge-nannten „Splitterberufe“ (damals28) Berufsschulfachklassen anzubie-ten. Aber auch innerhalb des LandesNiedersachsen kann dieser Fachun-terricht für eine Reihe von Berufennur zentral oder regional zusam-mengefasst angeboten werden. Diezehn am häufigsten gewählten Aus-bildungsberufe stellen knapp 40 %der Schülerinnen und Schüler in den

Berufsschulen bzw. im kooperativenBerufsgrundbildungsjahr, die übri-gen gut 60 % verteilen sich auf 265Ausbildungsberufe (Weete, 1997, S.290).

Zur niedersächsischen Besonder-heit wird in den Folgejahren derstarke Ausbau des Berufsgrundbil-dungsjahres (BGJ). Es soll die Auszu-bildenden ein Jahr lang in die Breiteeines Berufsfeldes (z. B. Metall- oderElektrotechnik, Landwirtschaft u.a.)mit einem schulischen Vollzeitange-bot mit Theorie- und Praxisanteileneinführen. Die Kommunen und dasLand engagieren sich mit rund 1,5Mrd. DM (Weete, 1997, S. 295) fürSchulräume und Werkstätten. Auchwenn später die Pflicht zum Besuchdes BGJ wieder zurückgenommenwird, das BGJ hilft über einen lan-gen Zeitraum, den seit Mitte der70er-Jahre aufbrechenden Mangelan betrieblichen Ausbildungsplät-zen zu überbrücken.

Die zunehmende Spezialisierungder Betriebe macht es ihnen immerschwieriger, ihre Auszubildendenmit der gesamten Breite eines Lehr-berufes zu konfrontieren. Unter en-gagierter Trägerschaft der zuständi-gen Kammerorganisationen entste-hen überall in Niedersachsen über-betriebliche Ausbildungsstätten. Sieverbreitern das Wissen und Könnender Auszubildenden, sodass auchBetriebe, die sich spezialisieren, imAusbildungsprozess verbleiben kön-nen.

Bildung und Ausbildung 207

Für die früheren „Ungelernten“oder „Jungarbeiter ohne Ausbil-dungsvertrag“ entwickelt das Landdas Berufsvorbereitungsjahr. Diessoll dazu beitragen, die Berufsreifezu fördern, um die jungen Men-schen doch noch für ein beruflichesAusbildungsverhältnis zu qualifizie-ren.

Berufsanforderungenändern sich – das Berufsbildungssystemreagiert

Wirtschaft und Berufsanforde-rungen entwickeln sich seit den70er-Jahren in zunehmendem Tem-po weiter. Das Berufsbildungs-system antwortet mit wachsenderDifferenzierung. Die Folge ist eineselbst für Fachleute nur noch schwerzu überschauende, aber gleichwohlnötige Vielfalt von Ausbildungsgän-gen im berufsbildenden System.

So bilden in Niedersachsen „Fach-schulen“ nach einer beruflichenVorbildung in 32 verschiedenenFachrichtungen zu vertieftem be-ruflichen Können aus. Dazu kom-men noch die Fachschulen „See-fahrt“ mit 8 verschiedenen Fachrich-tungen. Davon zu unterscheidensind „Berufsfachschulen“, die mitunterschiedlichen schulischen Ein-gangsvoraussetzungen in ein- oderzweijährigen Bildungsgängen in ei-nen oder mehrere Berufe einführenoder einen Berufsabschluss vermit-

teln. In wachsendem Maße werdenim Berufsbildungssystem neben denberuflichen Qualifikationen auchallgemein bildende Abschlüsse(Hauptschul-, Realschul- oder Hoch-schulreife) vermittelt.

Einige Schulformen unter demDach des Berufsbildungssystemsvermitteln neben beruflichen Quali-fikationen in besonderem Maße all-gemein bildende Fähigkeiten, dieden Weg zu einem Hochschulstudi-um eröffnen. Das sind neben denFachgymnasien die 1996 neu ge-schaffenen Berufsoberschulen, dienach einer beruflichen Erstausbil-dung besucht werden können, so-wie Fachoberschulen und – anschei-nend auslaufend – Berufsaufbau-schulen.

Entsprechend dem Wandel derWirtschaftsstruktur, der Qualifikati-onsanforderungen und der Jahr-gangsstärke schwankt die Zahl derSchülerinnen und Schüler im Berufs-bildungssystem deutlich. Die fol-gende Tabelle zeigt die Entwicklungin Niedersachsen über 40 Jahre hin-weg auf.

Das Land und die Landkreise bzw.kreisfreien Städte haben enormeMittel eingesetzt, um in Niedersach-sen ein modernes differenziertesBerufsbildungssystem zu schaffen.Die Zahl der hauptamtlichen Lehr-kräfte wurde kräftig um das zwei-einhalbfache gesteigert.

Das ganze System wird noch er-gänzt durch Angebote einer Viel-

208 Bildung und Ausbildung

zahl privater freier Träger von Be-rufsbildungsangeboten und demFort- und Weiterbildungssystem derNiedersächsischen Volkshochschu-len, die überwiegend von den Kom-munen getragen werden. Heim-volkshochschulen in freier Träger-schaft runden das Angebot ab. In-itiativen zur Verbesserung der Ko-operation von Wirtschaft und Schu-le, verstärkte Werbung um Ausbil-dungsplätze durch die Landesre-

gierung („Ausbildungsoffensive“),kommunale „runde Tische“ zur Ver-besserung des Angebotes an beruf-lichen Ausbildungsplätzen charak-terisieren Initiative und guten Wil-len, um möglichst allen Jugendli-chen den Einstieg in die Berufsbil-dung zu sichern. Das Ziel aller Betei-ligten ist: wer sich bilden will, dersoll auch seine Chance bekommen.

Jens-Rainer Ahrens

1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995

Teilzeit-berufsschule 285.591 202.487 194.197 192.548 184.558 211.447 224.086 189.836 155.992

davon Ungelernte 83.241 34.446 32.278 25.687 21.774 7.922 2.284 1.906 1.705

Berufs-vorbereitungsjahr 7.929 5.911 3.532 5.038

Berufsgrund-bildungsjahr 3.740 21.071 26.842 14.854 15.185

Berufsfachschulen 20.612 19.063 16.737 19.619 36.423 38.008 48.855 29.604 35.166

Berufsaufbau-schulen 4.204 4.718 4.177 2.390 1.544 595 320 78

Fachoberschulen 2.129 7.599 7.557 8.081 8.910 7.054

Fachgymnasien erst seit 1970 erfasst 3.467 6.581 8.696 11.033 11.335 12.400

Fachschulen 17.186 15.952 12.412 14.553 14.704 16.421 9.323 12.386 15.752

BerufsbildendeSchulen insgesamt 323.389 241.706 228.064 236.493 255.995 312.673 334.726 270.777 246.665

Zahl derhauptamtlichenLehrkräfte 4.363 4.902 4.563 5.203 6.247 8.822 11.247 11.826 12.107

Quelle: Heinz Weete: 50 Jahre Schulentwicklung in Niedersachsen, 1997, S. 295/296.

Schülerinnen und Schüler im berufsbildenden System von 1955 bis 1995und hauptamtliche Lehrkräfte

Einleitung

Niedersachsen befindet sich der-zeit in einem dynamischen Umfeld.Weltweit vollzieht sich ein wirt-schaftlicher Strukturwandel mit er-heblichen Auswirkungen auf Politikund Gesellschaft. Globalisierung derWirtschaftsaktivitäten, beschleunig-te Produktlebenszyklen und der Be-deutungsgewinn von Informations-und Kommunikationstechniken sinddie treibenden Kräfte des Wandels.Mit diesen Prozessen geht ein Um-bau der industriellen Organisationeinher, der sich als Entwicklung vonder Massenproduktion zu einer fle-xiblen Produktion charakterisierenlässt (Schätzl 1998). Im Zuge dieserEntwicklung gewinnt die Fähigkeitvon Unternehmen, sich schnell aufveränderte Konsumentenwünscheund Produktionsbedingungen ein-zustellen, entscheidende Bedeu-tung für wirtschaftlichen Erfolg.Wissenschaft und Forschung kom-men dabei die Aufgabe zu, die re-gionale Wirtschaft mit flexiblen,hoch qualifizierten Arbeitskräftensowie Ergebnissen der Grundlagen-und angewandten Forschung zuversorgen.

Diese Leistungen ermöglichen In-novationen und Wandlungsfähig-keit. Sie tragen daher wesentlichzum wirtschaftlichen Strukturwan-del und langfristigen Erhalt derWettbewerbsfähigkeit bei. Auch in

allen anderen gesellschaftlichen Be-reichen erfüllen Wissenschaft undForschung derartige Funktionen.Immer steht die Rolle als Impulsge-ber für Neuerungen und zur Lösungwirtschaftlicher, sozialer und ökolo-gischer Probleme im Vordergrund.

Eine weitere Erklärung für denBedeutungsgewinn wissens- undtechnologieintensiver Industrie-zweige und den verstärkten Einsatzvon technischem und organisatori-schem Wissen im Produktionspro-zess liefert das Konzept der wissens-basierten Entwicklung (z. B. Forayund Lundvall 1996). In diesem Mo-dell gilt die Tatsache als grundle-gend, dass durch moderne Techni-ken der Datenverarbeitung Wissenin großem Umfang kodifiziert undsomit schnell und kostengünstigverbreitet werden kann.

Mit dem Ausbreitungsprozessgeht die Ausdehnung internationa-ler Produktion und internationalenWettbewerbs einher. Aber nicht alleFormen des Wissens sind kodifizier-bar und somit weltweit verfügbar.Geht es z. B. um komplexe Sachver-halte, handwerkliche Fähigkeitenoder soziale Interaktionen, sind zurNutzbarmachung und Weitergabedes Wissens persönliche Kontaktenötig. Neben dem Trend zur Globa-lisierung von Produktion und Wett-bewerb steigt daher auch die Be-deutung regionaler Verflechtungen

Wissenschaft und Forschung

210 Wissenschaft und Forschung

zwischen Wissenschaft und Wirt-schaft.

Aus beiden Theorieansätzen istabzuleiten, dass die Leistungen wis-senschaftlicher Einrichtungen unddie Kooperation von Wissenschaftund Wirtschaft für regionalen wirt-schaftlichen Erfolg entscheidendsind. Gemäß dieser theoretischenVorstellungen ist dieses Kapitel denFragen gewidmet, welche inhaltli-chen und regionalen Schwerpunktedas Wissenschaftssystem Nieder-sachsens auszeichnen und inwiefernregionale Kooperationen von Wis-senschaft und Wirtschaft zustandekommen.

Hochschulen

Die Grundmittel der Länder undGemeinden für Wissenschaft kön-nen als Maß für die Ausstattung desHochschulsektors dienen. 1995 be-trugen diese Ausgaben in Nieder-sachsen knapp 2,7 Mrd. DM (Bun-desministerium für Bildung, Wissen-schaft, Forschung und Technologie,BMBF 1996). Dies entspricht 7,7 %der Ausgaben aller Länder und istgemessen am BevölkerungsanteilNiedersachsens von 9,5 % relativniedrig. Im Zentrum des niedersäch-sischen Wissenschaftssystems stehen27 Hochschulen, davon 14 Fach-hochschulen sowie 13 Universitätenund medizinische, tierärztliche oderkünstlerische Hochschulen (Nieder-sächsisches Ministerium für Wissen-

schaft und Kultur, MWK 1998). Siesind bis auf wenige Ausnahmen al-lein verantwortlich für wissen-schaftliche Bildung und Ausbildungund tragen wesentlich zu den For-schungsleistungen des Landes bei.Die niedersächsischen Fachhoch-schulen teilen sich jeweils zur Hälfteauf den Südosten des Landes (Regi-on Hannover – Braunschweig – Göt-tingen) und die übrigen Landesteileauf und ermöglichen somit den Zu-gang zu hoch qualifizierter Bildungauch in peripheren Regionen. DieHauptaufgabe der Fachhochschulenist die Ausbildung Studierender.Demgegenüber konzentrieren sichUniversitäten gleichermaßen aufLehre und Forschung und sind da-her im Folgenden näher zu beleuch-ten.

Die Universitäten des Landes wei-sen in Bezug auf Fächerstruktur,Ausrichtung, Größe und Leistungerhebliche Unterschiede auf. Die im18. Jahrhundert gegründete Uni-versität Göttingen ist die einzigeUniversität Niedersachsens, die aus dem klassischen Universitätsideal –verbunden mit Ansätzen der Auf-klärung – hervorgegangen ist. Dasheutige Fächerspektrum umfasstNatur-, Geistes- und Sozialwissen-schaften sowie Medizin. Das zweiteStandbein des niedersächsischenUniversitätssystems stellen die dreiaus technischen Hochschulen her-vorgegangenen Universitäten TUBraunschweig, TU Clausthal und

Wissenschaft und Forschung 211

Universität Hannover dar. Im Ausbil-dungsspektrum der 1745 gegründe-ten TU Braunschweig stehen die In-genieurdisziplinen neben zahlrei-chen anderen Studiengängen imVordergrund. Im Kontrast zur rela-tiv kleinen Technischen UniversitätClausthal weist die Universität Han-nover heute neben ingenieurwis-senschaftlichen Schwerpunkten ei-ne große Bandbreite akademischerDisziplinen auf und ist die größteniedersächsische Hochschule. Dieweiteren Universitäten des Landes(Universität Hildesheim, UniversitätLüneburg, Carl von Ossietzky Uni-versität Oldenburg, Universität Os-nabrück, Hochschule Vechta) sind

Gründungen des 20. Jahrhunderts.Ihr Aufschwung ist direkt mit denErfordernissen des Hochschulaus-baus und regionalpolitischen Über-legungen der 70er- und 80er-Jahreverknüpft. Sie weisen unterschied-lich breite Fächerspektren aus Na-tur-, Geistes- und Sozialwissenschaf-ten auf. Hinzu kommen weitere,stark spezialisierte Einrichtungen(Medizinische Hochschule, Tierärzt-liche Hochschule und Hochschulefür Musik und Theater in Hannover;Hochschule für Bildende Künste inBraunschweig), auf die im Folgen-den nicht weiter eingegangen wird.

Die Karte zeigt die niedersächsi-schen Universitäten. Die Kreisgröße

Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur, eigene Darstellung

Universitäten in Niedersachsen

212 Wissenschaft und Forschung

entspricht der Zahl der Studieren-den. Die Universität Hannover mitmehr als 30.000 Studierenden liegtvor Göttingen mit ca. 27.000 Studie-renden. Es folgen Braunschweig (ca.14.500), Osnabrück (ca. 12.000) undOldenburg (ca. 12.000). Die übrigenHochschulen sind mit 2.000 bis 7.000Studierenden deutlich kleiner. DasAngebot universitärer Leistungen in Niedersachsen wird dabei vonden benachbarten Universitäten inHamburg und Bremen mitgeprägt.

Die Zahl der Studierenden an deneinzelnen Hochschulen hängt vonder Ausstattung der Universitäten –d.h. den zur Verfügung stehendenStudienplätzen, der Fächerstrukturund der Nachfrage der Studieren-den nach einzelnen Studienfächernab. In den letzten Jahren ist nebeneinem Rückgang der Gesamtzahlenein überdurchschnittlich starkerRückgang des Interesses an Ingeni-eurwissenschaften zu verzeichnen.Demgegenüber erfreuen sich z. B.Wirtschafts- und Rechtswissenschaf-ten anhaltend großer Beliebtheit.

Der zweite große Aufgabenbe-reich der Universitäten ist dieGrundlagenforschung. Die Beurtei-lung von Qualität und Quantitätdieser Aktivitäten ist problematisch,da die Messung von Forschungsleis-tungen mit erheblichen methodi-schen Schwierigkeiten behaftet ist.Ein statistisch gut verfügbarer Indi-kator zur Beurteilung der Forschung

sind Drittmittelaktivitäten. Als Dritt-mittel werden öffentliche oderprivate Projektmittel zur For-schungsfinanzierung bezeichnet.Wichtigste Drittmittelgeber sind dieDeutsche Forschungsgemeinschaft(DFG), Bundesministerien, die Eu-ropäische Union, Stiftungen – z. B.VW-Stiftung – sowie die Privatwirt-schaft. Da Drittmittel in der Regelwettbewerblich, d.h. durch begut-achtete Antragsverfahren, einge-worben werden, können sie als Maßfür Forschungsleistungen der Hoch-schulen dienen. Die Raster in derKarte Universitäten in Niedersach-sen zeigen die Relation von Perso-nal (Vollzeitäquivalent) zu Dritt-mittelbeschäftigten. Größenunter-schiede der Hochschulen spielen da-her keine Rolle, wohl aber die un-terschiedliche Ausrichtung der Dis-ziplinen auf fremdfinanzierte For-schung. Die Raster zeigen vier Klas-sen: An der Spitze stehen die techni-schen Universitäten. Ein Drittmittel-beschäftigter kommt an der TUClausthal auf 2,4 Personalstellenund an der TU Braunschweig auf 2,6Personalstellen. Es folgen die Uni-versitäten Göttingen und Hannovermit entsprechenden Relationen von3:1 bzw. 3,5:1, was den hohen Stel-lenwert der Forschung auch für die-se Hochschulen untermauert. DieUniversitäten Oldenburg (4,4:1) undOsnabrück (5,2:1) folgen mit eini-gem Abstand. Eine untergeordneteRolle spielen Drittmittelbeschäftig-

Wissenschaft und Forschung 213

te in Vechta (13,9:1) und Lüneburg(14,1:1).

Als Ergebnis lässt sich festhalten,dass die südostniedersächsischenUniversitäten im niedersächsischenHochschulsystem dominieren. Diegrößten und forschungsstärkstenUniversitäten befinden sich im„Forschungsdreieck“ Hannover –Braunschweig – Göttingen.

AußeruniversitäreForschung

Die Universitäten haben im Be-reich der Lehre zusammen mit denFachhochschulen quasi eine Mono-polstellung. Für die Forschung trifftdas nicht zu. Insgesamt 83 außeruni-versitäre Forschungseinrichtungenin Niedersachsen befassen sich so-wohl mit Grundlagenforschung alsauch mit angewandter Forschungund Entwicklung (Jung 1997). DieseEinrichtungen arbeiten zumeist aufeng umrissenen Teilgebieten der In-genieur-, Natur-, Geistes- oder So-zialwissenschaften. Ihre Finanzie-rung wird zu unterschiedlichen An-teilen von Bund und Land bereitge-stellt. Der auf Niedersachsen entfal-lende Anteil an den bundesweitenAusgaben ist mit 10,5 % leicht über-durchschnittlich (BMBF 1996). Wiedie Hochschulen weisen auch dieweiteren Forschungseinrichtungeneine starke räumliche Konzentrati-on auf: Achtzig Prozent befindensich im Raum Südostniedersachsen,

davon 27 in Hannover, 19 in Göttin-gen und 18 in Braunschweig. DieZahl der Forschungseinrichtungenallein ist allerdings nicht besondersaussagekräftig, da das Personal dereinzelnen Institutionen enorm vari-iert. Aus der Karte Außeruniver-sitäre Forschungseinrichtungen inNiedersachsen ist zu entnehmen,wie sich das Personal in außeruni-versitären Forschungseinrichtungenin Niedersachsen verteilt.

Die Karte zeigt, welche Art vonForschungseinrichtungen mit wel-chem Personalbestand an den ein-zelnen Orten vorhanden sind (BMBF1996). Explizit unterschieden wer-den 1. Großforschungseinrichtun-gen, die sich komplexen wissen-schaftlich-technischen Fragen unddem Betrieb wissenschaftlicher undtechnischer Großgeräte widmen, 2. Bundesforschungseinrichtungen,die Forschung für ihre Ressorts mit häufig anwendungsorientiertenSchwerpunkten betreiben, 3. dieauf Grundlagenforschung aus-gerichteten Max-Planck-Institute, 4. Fraunhofer-Institute mit demSchwerpunkt angewandter For-schung, 5. Institute der Blauen Listeund 6. die nicht weiter differenzier-ten übrigen Einrichtungen.

Auf Braunschweig entfällt mit ca.5.570 Beschäftigten etwa die Hälftedes Personals außeruniversitärerForschungseinrichtungen Nieder-sachsens. Quantitativ dominierendeInstitutionen sind zum einen die

214 Wissenschaft und Forschung

Bundesforschungsanstalten. Dazugehören die Physikalisch-TechnischeBundesanstalt als größte außeruni-versitäre Forschungseinrichtung inNiedersachsen mit 1.696 Beschäftig-ten, die Bundesforschungsanstaltfür Landwirtschaft und die Biologi-sche Bundesanstalt für Land- undForstwirtschaft. Großforschung inz.T. enger Kooperation mit derTechnischen Universität betreibendas Forschungszentrum Braun-schweig der Deutsche Forschungs-anstalt für Luft- u. Raumfahrt e.V.und die Gesellschaft für Biotechno-logische Forschung mbH. Zwei Insti-tute der Fraunhofer-Gesellschaftbefassen sich mit Holzforschung

und Schicht- und Oberflächentech-nik.

Der zweitgrößte Standort außer-universitärer Forschung ist Hanno-ver mit knapp 2.500 Beschäftigten.Am quantitativ bedeutendsten sindhier die Bundesanstalt für Geowis-senschaften und Rohstoffe und dasNiedersächsische Landesamt für Bo-denforschung. Unter den zahlrei-chen weiteren Forschungseinrich-tungen befinden sich das Max-Planck-Institut für experimentelleEndokrinologie und das Fraunho-fer-Institut für Toxikologie und Ae-rosolforschung.

Göttingen gilt als Zentrum derGrundlagenforschung. Dazu tragen

Quelle: Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsforschung, eigene Darstellung

Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in Niedersachsen

Wissenschaft und Forschung 215

vor allem vier Max-Planck-Institute,unter denen das MPI für Biophysika-lische Chemie eine herausragendeStellung einnimmt, bei. Die perso-nalstärkste Einzeleinrichtung ist al-lerdings das ForschungszentrumGöttingen der Deutschen For-schungsanstalt für Luft- und Raum-fahrt (Jung 1997).

Die Karte Außeruniversitäre For-schungseinrichtungen in Nieder-sachsen verdeutlicht, dass derSchwerpunkt in Braunschweig aufRessortforschung und Großfor-schung liegt. Göttingen weist eineauch im internationalen Vergleichstarke Position in der Grundlagen-forschung auf. Verglichen mit die-sen Standorten sind die außeruni-versitären ForschungseinrichtungenHannovers strukturell und inhaltlichstärker diversifiziert.

Außeruniversitäre Forschungsein-richtungen sind nicht nur wichtigeAkteure in einer wissensbasiertenGesellschaft, sondern potentielleKooperationspartner für Hochschu-len und Privatwirtschaft. Die Zusam-menarbeit zwischen Hochschulenund außeruniversitären Forschungs-einrichtungen findet z. B. im Rah-men von Sonderforschungsberei-chen (SFB) der DFG statt. Die derzeitin Niedersachsen bestehenden SFBsind hauptsächlich an den bereitsmehrfach hervorgehobenen Hoch-schulen Südostniedersachsens (Göt-tingen 10, Hannover – Universität,Medizinische und Tierärztliche

Hochschule – 8, Braunschweig 2;Clausthal 2, Osnabrück 2) angesie-delt und unterstreichen das wissen-schaftliche Potential dieser Standor-te (MWK 1998). In zunehmendemMaße werden die Stärken der For-schungseinrichtungen auch in über-greifenden SFB, z. B. Hannover undBraunschweig oder Hannover undClausthal, genutzt. Sie tragen damitzur intraregionalen Vernetzung derWissenschaft in Südostniedersach-sen bei.

Forschung und Entwicklungin der Privatwirtschaft

Die Kooperation der wissen-schaftlichen Einrichtungen mit derPrivatwirtschaft kann Antrieb für ei-ne Beschleunigung und verbesserteGenerierung von Innovationen sein.Voraussetzung hierfür ist allerdingsdas Bestehen von Forschungs- undEntwicklungs(FuE)-Aktivitäten aufUnternehmensebene, damit Anre-gungen aus der Forschung verarbei-tet werden können.

Die privatwirtschaftlichen For-schungsaktivitäten in Niedersachsenerreichen, gemessen am FuE-Perso-nal, nur etwa 75 % des Bundes-durchschnitts (Gehrke et al. 1997).Ihre sektorale und regionale Vertei-lung weist ein markantes Profil auf.Allgemein besonders forschungsin-tensive Industriezweige, z. B. Phar-mazeutische Industrie und Teile derElektrotechnik, haben in Nieder-

216 Wissenschaft und Forschung

sachsen ein relativ geringes wirt-schaftliches Gewicht. Demgegenü-ber sind einige Branchen der höher-wertigen Technik, z. B. der Fahr-zeugbau, stark vertreten und domi-nieren daher die Forschungsakti-vitäten der Privatwirtschaft. Als In-dikator für die regionale Verteilungder betrieblichen Forschung eignensich die Anteile des FuE-Personals anden sozialversicherungspflichtig Be-schäftigten. In den westlichen Lan-desteilen ist dieser Anteil extremniedrig. Das östliche Niedersachsen,vor allem der Raum Braunschweig,weist merklich höhere Anteile auf.Spitzenreiter ist der Kreis Wolfsburg(Gehrke et al. 1997). Hier spielen dieFuE-Aktivitäten der Volkswagen AGeine entscheidende Rolle.

Netzwerke und Innovationspotentiale

Die ähnliche regionale Strukturprivater und öffentlicher For-schungsaktivitäten führt nicht auto-matisch zu erfolgreichen Kontaktenvon Wissenschaft und Wirtschaft.Neben Hemmnissen, wie z. B. Vorur-teilen oder Inflexibilität auf beidenSeiten, ist die teilweise fehlendefachliche Übereinstimmung der Ar-beitsfelder von Nachteil. Ein Beispieldafür sind die modernen Biowis-senschaften. Einer hochwertigenGrundlagenforschung in diesemSektor stehen bislang nur geringeunternehmerische Aktivitäten ge-

genüber. Es ist zu erwarten, dass dasVorhandensein der Forschungsin-frastruktur stimulierend auf diezukünftige Entwicklung des Bio-technologiebereichs wirkt und so-mit zum Strukturwandel und Auf-bau wettbewerbsfähiger Arbeits-plätze in diesem Feld beiträgt.

Gute Kooperationsmöglichkeitenbieten sich in den Bereichen Fahr-zeugbau, Maschinenbau und Elek-trotechnik. Hier stimmen inhaltlicheSchwerpunkte von Wissenschaftund Wirtschaft überein und könnenz. B. über Absolventen, Forschungs-kooperationen oder Auftragsfor-schung genutzt werden. Eine Unter-suchung über das durch Koopera-tionen erwachsende Innovationspo-tential liefert weitergehende Er-kenntnisse über die Formen der Ko-operation von Wissenschaft undWirtschaft im ForschungsdreieckHannover – Braunschweig – Göttin-gen (Backhaus und Seidel 1997). DerAnteil der Forschungseinrichtun-gen, die mit Unternehmen koope-rieren, beträgt bei Universitätsinsti-tuten 74 %, bei außeruniversitärenEinrichtungen sogar 93 %. Als For-men der Zusammenarbeit stehenInformation, Beratung, gemeinsa-me Forschungsarbeiten und Auf-tragsforschung gleichermaßen imVordergrund, aber auch For-schungsdienstleistungen werdenvon den Wissenschaftseinrichtun-gen erbracht. Innerhalb des Unter-suchungsraumes konzentriert sich

Wissenschaft und Forschung 217

die Zusammenarbeit auf Unterneh-men der Branchen Chemische Indu-strie sowie Stahl-, Maschinen- undFahrzeugbau. Darin spiegelt sich dieÜbereinstimmung inhaltlicher undregionaler Schwerpunkte der Ak-teure wider.

Abschließend lässt sich festhalten:

Das niedersächsische Wissen-schaftssystem weist deutliche in-haltliche und vor allem regionaleSchwerpunkte auf. Dominieren-de Fachrichtungen sind Ingeni-eurwissenschaften, Naturwissen-schaften und Medizin. Regionalkonzentriert sich das wissen-schaftliche Leistungspotential auf

die Region Hannover – Braun-schweig – Göttingen.

Unter den gegebenen wirtschaft-lichen und gesellschaftlichenRahmenbedingungen kommt derWissenschaft entscheidende Be-deutung für den Erhalt der Wett-bewerbsfähigkeit Niedersachsensund die Lösung drängender öko-nomischer, ökologischer und so-zialer Probleme zu. Dazu erfor-derlich sind eine leistungsfähigeForschungsinfrastruktur und diestärkere Vernetzung von Wissen-schaft und Wirtschaft.

Ingo Liefner

Marowsky
Marowsky

In seiner kulturellen Vielfalt lässtdas Bundesland Niedersachsen nochheute erkennen, dass es aus denLändern Hannover, Oldenburg,Braunschweig und Schaumburg-Lip-pe hervorgegangen ist. Viele dergroßen und traditionsreichen Kul-turinstitutionen sind eng mit derKulturgeschichte dieser ehemaligenLänder verknüpft, denn sie entstan-den als deren Einrichtungen odergehen auf landesherrliche Grün-dungen zurück. Dazu gehören dieniedersächsischen StaatstheaterHannover, Oldenburg und Braun-schweig, die Niedersächsische Lan-desbibliothek Hannover, die Lan-desbibliothek Oldenburg, die Her-zog August Bibliothek Wolfenbüt-tel sowie Staatsarchive und Landes-museen. Diese Kultureinrichtungenwurden vom Land Niedersachsenübernommen und fortgeführt. Zu-sammen mit anderen überkomme-nen Institutionen stehen sie unterdem besonderen Schutz der Nieder-sächsischen Verfassung, deren Arti-kel 72 bestimmt:

„(1) Die kulturellen und histori-schen Belange der ehemaligen Län-der Hannover, Oldenburg, Braun-schweig und Schaumburg Lippe sinddurch Gesetzgebung und Verwal-tung zu wahren und zu fördern. (2)Die überkommenen heimatgebun-denen Einrichtungen dieser Ländersind weiterhin dem heimatlichenInteresse dienstbar zu machen und

zu erhalten, soweit ihre Änderungoder Aufhebung nicht im Verfolgorganisatorischer Maßnahmen, diesich auf das gesamte Land Nieder-sachsen erstrecken, notwendigwird.“

Vereine und Gesellschaften

Wesentlich für die Förderung deskulturellen Lebens war seit der Mit-te des 19. Jahrhunderts auch undbesonders das Wirken von enga-gierten Einzelpersönlichkeiten zu-sammen mit der Gründung von Ver-einen und Gesellschaften. Denkmal-pflege, Archäologische Forschung,Geschichte, das Sammeln von Sagenund Märchen, Dokumentation vonalten Sprachständen und seit etwa1900 vermehrt volkskundliche Fra-gestellungen waren bevorzugteThemen, deren Behandlung nichtnur literarischen Niederschlag fand.Viele der vor 1900 gegründeten Mu-seen gehen auf solche kulturellenBestrebungen zurück. Bürger stell-ten hierzu ihre Sammlungen der Öf-fentlichkeit zur Verfügung. Gele-gentlich kauften Vereine wichtigeBau- und Bodendenkmäler, um fürderen Erhaltung zu sorgen. Die um1900 bedeutsam werdende Heimat-schutzbewegung ließ zahlreicheHeimatmuseen entstehen, führtezur Gründung von niederdeutschenTheatergruppen und machte Volks-

Kulturelle Einrichtungen

Kulturelle Einrichtungen 219

tanz und andere Formen derBrauchtumspflege populär.

Die Tradition bürgerlichen Eintre-tens für die örtliche Entwicklungvon Kunst und Kultur wird von Ver-einen fortgeführt, deren Anzahl mitweit über 1.000 sicher nicht zu hochgeschätzt ist. Ohne deren Wirkenwäre die Fülle und Vitalität des kul-turellen Lebens in Niedersachsenundenkbar. Dabei ist in Stadt undLand gleichermaßen eine stärkereDifferenzierung des Vereinswesenszu beobachten. Während in derVergangenheit die überkommenenAltertums-, Heimat- oder Verschö-nerungsvereine eine gewisse Allzu-ständigkeit am Ort inne hatten,geht die Entwicklung gegenwärtighin zur Ausbildung von fest umrisse-nen Aufgabengebieten. Hier sindvor allem Kunstvereine, Vortragsge-sellschaften, Museums- und Musik-vereine sowie Vereinsbühnen undTheatergruppen zu nennen. Sozio-kulturelle Initiativen erweitern dasSpektrum um freie Kulturarbeit.Hierbei sind die Grenzen zwischen„Soziokultur“ und überkommenerVereinsorganisation insbesonderein ländlichen Gebieten erfreulichfließend.

Fachverbände

Zur Wahrnehmung gemeinsamerInteressen haben sich eine Reihevon landesweit tätigen Fachverbän-den gebildet, z. B. für den Bereich

Theater: Landesverband FreierTheater in Niedersachsen e.V., Nie-derdeutscher Bühnenbund Nieder-sachsen-Bremen, Landesverband fürSpiel und Theater Niedersachsene.V., Landesverband Nieder-sächsischer Amateurbühnen e.V. Fürdie Bereiche Musik und Tanz seienals Beispiele genannt: Landesmusi-krat Niedersachsen e.V. (LMR), Chor-verband Niedersachsen-Bremene.V., Landesarbeitsgemeinschaft Ja-zz Nds. e.V., Landesarbeitsgemein-schaft Rock e.V., LandesverbandRhythmik Niedersachsen-Bremen,Landesarbeitsgemeinschaft TanzNiedersachsen e.V. Andere Spartensind vertreten im LiteraturratNiedersachsen e.V., im Landestrach-tenverband Niedersachsen e.V., inder LandesarbeitsgemeinschaftFoto oder in der Landesarbeitsge-meinschaft Jugend und Film Nieder-sachsen e.V. Für die Heimatvereinebildet der Niedersächsische Heimat-bund (NHB) eine Dachorganisation.

Die zahlreichen Museen Nieder-sachsens sind unabhängig von ihrerGröße und Trägerschaft im Mu-seumsverband für Niedersachsenund Bremen e.V. zusammenge-schlossen. Die Landesarbeitsge-meinschaft soziokultureller Zentrenin Niedersachsen e.V. (LAGS) hat alsbeliehener Unternehmer des LandesNiedersachsens auch Aufgaben derMittelverteilung für soziokulturelleProjekte übernommen.

220 Kulturelle Einrichtungen

Zu den besonders breitenwirksa-men Einrichtungen gehören dieVolkshochschulen aller Art. In die-sem Zusammenhang sind aufzu-führen: der Landesverband derVolkshochschulen Niedersachsene.V., der Niedersächsische Landes-verband der Heimvolkshochschulen

und die Ländliche Erwachsenenbil-dung in Niedersachsen e.V. (LEB).

Für die Jugendarbeit schließlichstehen ein die LandesvereinigungKulturelle Jugendbildung Nieder-sachsen e.V., der Landesverbandniedersächsischer Musikschulen e.V.und die Landesarbeitsgemeinschaft

Landschaften und Landschaftsverbände in Niedersachsen

Quelle: Arbeitsgemeinschaft der Landschaften und Landschaftsverbände in Niedersachsen

Kulturelle Einrichtungen 221

der Kunstschulen in Niedersachsen.Die in den genannten Dachverbän-den zusammengefassten Bildungs-einrichtungen gehen in ihren Lei-stungen und in ihrer örtlichen Be-deutung oft über einfache Kursan-gebote hinaus und nehmen dieFunktion von allgemeinen Kultur-einrichtungen wahr.

Landschaften undLandschaftsverbände

Eine niedersächsische Besonder-heit sind die Landschaften undLandschaftsverbände, die sich zu ei-ner Arbeitsgemeinschaft zusam-mengeschlossen haben. Währenddie Landesfachverbände, berufs-ständische Organisationen wie z. B.der Bund Bildender Künstler e.V.(bbk) und Dachverbände wie derNiedersächsische Heimatbund(NHB)oder die Landesarbeitsgemeinschaftsoziokultureller Zentren (LAGS) lan-desweite Verbandsarbeit betreiben,haben die Landschaften und Land-schaftsverbände regionale Quer-schnittsaufgaben. Mit Ausnahmeder Landeshauptstadt Hannoverund ihrer engeren Umgebung istNiedersachsen flächendeckend mitdiesen Einrichtungen für regionaleKulturarbeit versorgt.

Der für viele rätselhafte Name„Landschaft“ leitet sich her aus dermittelalterlichen Vertretung derLandstände (Adel, Klerus und Stadt-bürgertum) gegenüber dem Lan-

desherrn. In einigen niedersächsi-schen Gebieten haben sich traditio-nell solche historischen Landschaf-ten erhalten. Trotz „Namensgleich-heit“ sollten diese mit den moder-nen Landschaften und Landschafts-verbänden nicht verwechselt wer-den. Bei letzteren handelt es sichum Zusammenschlüsse, in denenKommunen, Vereine, Körperschaf-ten und ggf. auch natürliche Perso-nen Mitglied sein können. Zweckdieser Einrichtungen ist die Wahr-nehmung kultureller Arbeit im brei-testen Sinne innerhalb eines histo-risch-geographisch und durch diebeteiligten Gebietskörperschaftenklar umrissenen Wirkungsgebietes.

Bis auf die Ostfriesische Land-schaft, die sich aus ihrer historischenLandschaft herleitet, sind alle Land-schaften und Landschaftsverbändein Niedersachsen in der zweitenHälfte dieses Jahrhunderts als Kul-turorganisationen gegründet wor-den: Ostfriesische Landschaft 1949,Oldenburgische Landschaft 1961,Landschaftsverband Stade e.V.1963,Landschaftsverband Hildesheim e.V.1971, Emsländische Landschaft fürdie Landkreise Emsland und Graf-schaft Bentheim e.V. 1979, Land-schaftsverband Osnabrücker Lande.V. 1985, Lüneburgischer Land-schaftsverband 1989, Landschafts-verband Südniedersachsen e.V.1989, Braunschweigische Land-schaft e.V. 1990, Landschaftsver-band Weser-Hunte e.V. 1990, Regio-

222 Kulturelle Einrichtungen

nalverband Harz e.V. 1992, Schaum-burger Landschaft (1992), Land-schaftsverband Hameln-Pyrmonte.V. 1996. Dabei sind die Ostfriesi-sche und die Oldenburgische Land-schaft Körperschaften des öffentli-chen Rechts.

Als regionale Fachstellen für Kul-tur arbeiten die Landschaften undLandschaftsverbände basisnah inden Bereichen Beratung, Fortbil-dung und Förderung von Vereinen,Initiativen, Kulturschaffenden undkleinen Kultureinrichtungen. Sie or-ganisieren regionale Kulturereignis-se, führen Qualifizierungsmaßnah-men durch, helfen Netzwerke zuknüpfen und engagieren sich in Kul-turfördermaßnahmen.

Manche Landschaften und Land-schaftsverbände unterhalten aucheigene Einrichtungen wie z. B. dasKPZ (Ostfriesisches Landschaft) oder das Theaterpädagogische Zentrum(Emsländische Landschaft). For-schung, Dokumentation, Präsentati-on und Veröffentlichungstätigkeitsind weitere Schwerpunkte land-schaftlicher Arbeit. So führt dieOldenburgische Landschaft u. a. In-ventarisationsprogramme zu Bau-denkmalgruppen und anderen Kul-turgütern durch, und der Land-schaftsverband Osnabrücker Land e. V. übernahm die Trägerschaft desGrabungs- und Ausstellungsprojek-tes „Kalkriese“ („Die Varusschlacht– eine Legende wird ausgegraben“).

Museen

Die Differenziertheit des kultu-rellen Lebens in Niedersachsen zeigtsich nicht nur in ihren regions-spezifisch arbeitenden Landschaf-ten und Landschaftsverbänden, son-dern auch innerhalb der einzelnenSparten. Vergleichsweise gut lässtsich das Museumswesen in Nieder-sachsen überblicken. Ohne den Be-griff Museum inflationär zu ver-wenden, kann man gegenwärtigvon etwa 440 musealen Einrichtun-gen ausgehen. Nach Untersuchun-gen des Museumsverbandes Nieder-sachsen und Bremen ist die Hälftedieser Museen nach 1975 entstan-den. Bis 1900 gab es demnach 30Museen im Gebiet des heutigenNiedersachsen. Für die erste Hälfte

Jan Vermeer van Delft: Das Mädchen mit dem Weinglas Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig

Kulturelle Einrichtungen 223

des 20. Jahrhunderts wurden 88Neugründungen gezählt und zwi-schen 1950 und 1974 kam noch ein-mal dieselbe Anzahl hinzu.

Die Museumsgründungswelle derletzten 25 Jahre stieß bei den Fach-leuten auf nicht unerhebliche Vor-behalte. Sie warnten vor dem Ent-stehen sehr ähnlicher Sammlungenund machten auf die personellenund sächlichen Mindeststandardsfür Museen aufmerksam. Man darfheute sagen, dass diese fachlichenEinwände meist Gehör gefundenhaben. Das Bemühen um Professio-nalität und die Entwicklung vonsehr speziellen Sammlungsstrategi-en zeichnet die meisten der Neu-gründungen aus und wirkt auch aufältere Einrichtungen positiv zurück.Dies ist deshalb von großer Bedeu-tung, weil mehr als die Hälfte derMuseen und Sammlungen in Nie-dersachsen ehrenamtlich geführtwird.

Anders verteilt sichdie Trägerschaft. Eingutes Drittel der Einrich-tungen wird von Städ-ten und Gemeinden ge-tragen und etwa 7% vonLandkreisen. Noch etwasgrößer als der Anteil derKommunen ist der derVereine. Privatpersonen,Firmen, Stiftungen, Kir-chen und andere Kör-perschaften unterhaltenzusammen knapp 20%

der Museen. Das Land Niedersach-sen kommt für etwa 6% Häuser auf.Hier sind vor allem zu nennen: Nie-dersächsisches Landesmuseum Han-nover, Braunschweigisches Landes-museum, Herzog Anton Ulrich-Mu-seum Braunschweig, Landesmuse-um für Kunst und KulturgeschichteOldenburg sowie Staatliches Muse-um für Naturkunde und Vorge-schichte Oldenburg. Das Sprengel-Museum Hannover wird von derLandeshauptstadt und dem Landgemeinsam getragen. Für das Mu-seumsdorf Cloppenburg/Nieder-sächsisches Freilichtmuseum über-nimmt das Land Personalkosten.

Fragt man nach der inhaltlichenAusrichtung der Museen in Nieder-sachsen, dann fällt auf, dass dieHälfte Heimatmuseen, Freilichtmu-seen oder Bauernhausmuseen sind.Vergleichsweise zahlreich sind auchHäuser, die technische oder kultur-

Sprengelmuseum Hannover Foto: Peter Hoffmann

224 Kulturelle Einrichtungen

geschichtliche Spezialgebiete prä-sentieren. Archäologische, histori-sche und naturkundliche Museensowie Kunstgewerbe- und Kunst-museen sind demgegenüber weni-ger häufig vertreten.

Theater

Theater in Niedersachsen findetin ganz verschiedenen Organisati-onsformen und an ganz unter-schiedlichen Spielstätten statt. Anerster Stelle sind die drei nieder-sächsischen Staatstheater Hannover,Oldenburg und Braunschweig zunennen. Für Braunschweig und Ol-denburg ist das Land Niedersachsenalleiniger Träger, Hannover mit demOpernhaus, dem neuen Schauspiel-haus, dem Ballhof und dem Theateram Aegidientorplatz wird als Nie-dersächsische Staatstheater Hanno-

ver GmbH geführt. Die Niedersäch-sischen Staatstheater bieten Musik-und Sprechtheater, Konzerte undBallettaufführungen.

Unter den fünf kommunalenTheatern Niedersachsens (Schloss-theater Celle, Deutsches TheaterGöttingen, Stadttheater Hildes-heim, Theater Lüneburg und Städti-sche Bühnen Osnabrück) sindSprechbühnen und Drei-Sparten-Theater zu finden. Überwiegendblicken sie auf eine lange Theater-tradition am Ort zurück. So bespieltdas Celler Ensemble das 1674 erbau-te Schlosstheater. Zur Versorgungder Fläche wurden die Landesbüh-nen Hannover und Wilhelmshavenins Leben gerufen. Wenngleich sieüber feste Häuser verfügen, ist ihreHauptaufgabe doch der regelmäßi-ge Gastspielbetrieb. Breites Inter-esse finden auch kommerzielle

Tourneetheater, die ins-besondere von Stadthal-len und vergleichbarenEinrichtungen verpflich-tet werden.

Daneben haben sichPrivattheater und so ge-nannte Freie Theateretabliert. Zum Teil ga-stieren sie an verschiede-nen Spielstätten, zuneh-mend gelingt es aberauch, feste Häuser ein-zurichten. Breiten Raumnehmen dabei Figuren-theater und Kinderthea-Oldenburgisches Staatstheater Foto: Ursula Maria Schute

Kulturelle Einrichtungen 225

ter ein. Die Anzahl dieser Bühnen,zu denen auch Kleinkunst in allenSpielformen gerechnet werden soll-te, ist schwer zu schätzen. Der Lan-desverband Freier Theater geht vonmehr als 80 Empfängern öffentli-cher Förderung in Niedersachsenaus.

Großer Popularität erfreuen sichvor allem im Norden Niedersachsensdie niederdeutschen Amateurthea-ter. Im Niederdeutschen Bühnen-bund Niedersachsen-Bremen sinddie semiprofessionellen Bühnen die-ser Sparte organisiert (Aurich, Bra-ke, Braunschweig, Buxtehude, Cux-haven, Delmenhorst, Emden, Jever,Neuenburg, Norden, Nordenham,Oldenburg, Osterholz-Scharmbeck,Varel, Wiesmoor, Wilhelmshaven).Sie verfügen in der Regel über per-manente, wenn nicht sogar eigeneSpielstätten und realisieren um-fangreiche Spielpläne im Abonne-mentsbetrieb. Dazu kommen zahl-reiche Spielgruppen und Vereinsab-teilungen, die regelmäßig nieder-deutsche Stücke geben.

An vielen Orten werden im Som-mer traditionell Freilichtbühnen be-spielt oder an historischen OrtenFestspiele durchgeführt. Das Spek-trum reicht von der barocken Szenein den Herrenhäuser Gärten (Han-nover) über die Bad GandersheimerSchlossfestspiele, die Rattenfänger-spiele in Hameln bis zum Stra-ßentheaterfestival Holzminden. Seit

einigen Jahren ist ein steigendes In-teresse an besonders aufwendigenFreilichtaufführungen zu beobach-ten. Hierzu werden eigens Stückemit Bezug auf die regionale oderörtliche Geschichte in Auftrag gege-ben. Häufig in niederdeutscherSprache werden diese vor histori-schen Kulissen zur Aufführung ge-bracht, wobei oft mehr als hundertTheaterbegeisterte ehrenamtlich anden Produktionen mitwirken.

Musikleben

Auch das Musikleben in Nieder-sachsen wird in großem Umfangevon ehrenamtlichem Einsatz getra-gen. Vereine, Gesellschaften undauch Einzelpersonen organisierenKonzerte in Stadt und Land. Alteund neuere Musik kommt dabeigleichermaßen zur Aufführung bishin zu Veranstaltungen einer Initia-tive wie o ton – Verein zur Förde-rung aktueller Musik e.V. (Olden-burg). Im weiten Bereich der Laien-musik werden Chöre und Orchestermeist in freiwilliger Arbeit geleitet,wobei sich häufig ausgebildeteKräfte zur Verfügung stellen. Kir-chenmusik und Musik in Kirchen ha-ben ihren festen Platz im Kulturle-ben. Dabei finden die historischenOrgeln immer mehr Freunde. DasOrganeum in Weener widmet sichdiesem Thema ganz speziell. Immerzahlreicher werden hochrangigeKonzerte als Sponsoringveranstal-

226 Kulturelle Einrichtungen

tungen. Daneben behaupten sichdie eingeführten Festspiele wie die„Sommerlichen Musiktage Hitz-acker“ oder die Händelfestspiele inGöttingen allerdings weiterhin gut.

Die reiche Vielfalt des Musikle-bens macht eine Übersicht schwer,zumal die Fluktuation namentlichder Popularmusikgruppen ganz be-sonders groß ist. Deshalb soll sicheine Aufzählung auf die Sympho-

nieorchester in Niedersachsen be-schränken. Hier sind zu nennen dieStaatsorchester der StaatstheaterHannover, Braunschweig und Ol-denburg, die Orchester der städti-schen Theater Hildesheim, Lüne-burg und Osnabrück, das GöttingerSymphonieorchester sowie dasRundfunkorchester des NDR in Han-nover.

Ursula Maria Schute

Das Land Niedersachsen vereinigtsehr unterschiedliche Regionen undLandschaften. So vielgestaltig wiedas Landschaftsbild zwischen demReinhardswald und den ostfriesi-schen Inseln ist auch die Kunstland-schaft Niedersachsens. Aus allenEpochen zwischen dem frühen Mit-telalter und der Gegenwart sindhier bedeutende Zeugnisse der Ar-chitektur vorhanden, deren wichtig-ste im Folgenden kurz vorgestelltwerden sollen.

Im südlichen Niedersachsen sindes vor allem Bauwerke aus früh- und

hochromanischer Zeit, die zu denbemerkenswertesten Zeugnissender mittelalterlichen Architektur inNorddeutschland zählen.

Ein bedeutender Sakralbau des 9. Jahrhunderts war der Altfried-Dom in Hildesheim, der in Teilen imheutigen hochromanischen Dom er-halten ist. Die ehemalige Benedikti-nerklosterkirche St. Michael in Hil-desheim, die durch Bischof Bern-ward von Hildesheim im frühen 11. Jahrhundert gegründet wurde,stellt trotz späterer Veränderungenund Rekonstruktionen eine beson-

Die Denkmalwelt in Niedersachsen unterarchitektur- und baugeschichtlichen Aspekten

Ehem. Benediktinerklosterkirche St. Michael, Hildesheim

Quelle: Niedersächsiches Landesamt für Denkmalpflege

228 Die Denkmalwelt in Niedersachsen

dere Leistung der ottonischen Sa-kralarchitektur dar und ist von eu-ropäischer Bedeutung. Es handeltsich um eine monumentale Basilikamit zwei mächtigen Vierungstür-men, eine der größten Kirchen ihrerZeit überhaupt. Besonderes Interes-se verdient die bemalte Holzdeckevon St. Michael, die im ersten Vier-tel des 13. Jahrhunderts entstand.

Noch aus ottonischer Zeit stam-men im Kern die Westbauten derStiftskirchen in Bad Gandersheimund Möllenbeck. Auch in Wunstorfist das aus dem 10. Jahrhundertstammende Westwerk noch gros-senteils erhalten. Der salische Um-bau des Hildesheimer Domes unterBischof Hezilo konnte nach derschweren Zerstörung im ZweitenWeltkrieg wiederhergestellt wer-den. Neben Hildesheim zählte dersalische Neubau des OsnabrückerDomes, der in seiner heutigen Formaus der Spätromanik stammt, zuden markantesten Leistungen derArchitektur dieser Epoche. Auch dieheutige Gandersheimer Stiftskirche,der Kernbau der Stiftskirche inBücken und zwei Doppelkapellen –eine in der Kaiserpfalz in Goslar, dieandere im Paßhof in Helmstedt –sind bemerkenswerte salische Sa-kralbauten.

Zu Beginn des 12. Jahrhundertsentstanden das Langhaus der Klo-sterkirche Bursfelde und zwischen1120 – 1129 die Kirche in Wunstorf-Idensen, die auch wegen ihrer Aus-

malung aus der Bauzeit beachtens-wert ist. Idensen gehört zu den be-deutendsten romanischen Kleinkir-chen Deutschlands; das einschiffigeLanghaus besteht nur aus zweiJochen, an das sich eine Vierung mitQuerhaus und Halbkreisapsis an-schließen. Neben der sächsischenArchitekturtradition verbinden sichhier byzantinische und französischeFormen.

Der älteste einheitlich gewölbteKirchenbau des Landes ist der sog.Dom Kaiser Lothars in Königslutter.Diese Klosterkirche zeichnet sichauch durch eine vorzügliche Baupla-stik aus, die aus Oberitalien beein-flusst ist. Es handelt sich um einedreischiffige Querhausbasilika mitebenfalls dreischiffigem Chor. DasÄußere wird durch den für Nieder-sachsen typischen Westriegel mitzwei Turmaufsätzen und den ausdem 13. Jahrhundert stammendenVierungsturm bestimmt.

Französische Anlagen waren da-gegen offenbar bei der Godehardi-kirche in Hildesheim für den Um-gangschor und dessen Plastik vor-bildlich.

In Niedersachsen haben sich nichtnur wichtige Zeugnisse mittelalterli-cher Bauplastik erhalten; ein Denk-mal von europäischem Rang stelltder von Heinrich d. Löwen gestifte-te Bronzelöwe in Braunschweig dar,die älteste erhaltene FreiplastikDeutschlands. Auch Heinrichs Grab-mal im Braunschweiger Dom gehört

Die Denkmalwelt in Niedersachsen 229

zu den berühmtesten Werken derPlastik des hohen Mittelalters.

Nicht unerwähnt dürfen dieBronzetaufen bleiben, die sich invielen niedersächsischen Kirchen er-halten haben.

Während im südlichen Nieder-sachsen bei Kirchenbauten desHochmittelalters der Westquerbau –häufig mit zwei Turmaufsätzen –und der doppelte Stützenwechselder Langhausarkaden bestimmendwaren, handelt es sich bei den Sa-kralbauten der Küstenregion nahe-zu ausschließlich um einfache Saal-kirchen, z. T. mit Querhausarmenwie in Pilsum. Charakteristisch für

diese auf Warften aus der Zeit vorder Eindeichung stehenden Kirchenan der Küste sind die isoliertenGlockentürme, deren Satteldachnur selten den First des Kirchenbausüberragt. Die frühen Kirchen dieserRegion bestanden aus Granitqua-dern, besonders in Ostfriesland tau-chen Außenwände aus rheinischemTuffstein auf, der auf dem Wasser-weg transportiert worden war. Vorallem auch der bemerkenswerteUmgangschor der Ludgerikirche inNorden, erst im 15. Jahrhundertvollendet, ist ein Zeugnis dieserTuffsteinarchitektur. Der Backsteinsetzte sich in Ostfriesland und im

Langhaus und Glockenturm der ev.-ref. Pfarrkirche in Grimmersum, Gemeinde Krummhörn, Landkreis Aurich

Quelle: Niedersächsiches Landesamt für Denkmalpflege

230 Die Denkmalwelt in Niedersachsen

Gebiet zwischen Elbe und Weser im12. und 13. Jahrhundert als haupt-sächliches Baumaterial durch.

In den kleinen Dörfern derKrummhörn bei Emden häufen sichdie großen Kirchenbauten aus demMittelalter und prägen das Bild derhistorischen Kulturlandschaft in dervöllig ebenen Küstenregion. Zu ih-nen gehört, als eine für Ostfrieslandtypische mittelalterliche Dorfkircheauf einer Warft, die in der Zeit um1250 erbaute ev.-ref. Pfarrkirche imOrtsteil Grimmersum der GemeindeKrummhörn, deren Glockenturmvon 1641 stammt.

Im südlichen Niedersachsen kom-men mehrere dreischiffige Chor-anlagen der Reformarchitektur derHirsauer Bauschule vor. Mit denKlosterkirchen in Loccum, Braun-schweig-Riddagshausen, Amelungs-born und Walkenried sind nebender auch für die Geschichte derBacksteingotik zwischen Weser undEms bemerkenswerten Ruine desKlosters Hude bedeutende Beispieleder Zisterzienserbaukunst zu nen-nen. Vor allem in Loccum, einem deram besten erhaltenen mittelalterli-chen Zisterzienserklöster Deutsch-lands, wird ein starker Einfluss ausWestfalen deutlich, wie auch dasheutige Osnabrücker Land westfä-lisch geprägt ist.

In Niedersachsen ist eine bedeu-tende Anzahl mittelalterlicher Frau-enklöster erhalten geblieben. Durchfrühzeitige Umwandlung in bis heu-

te existierende Damenstifte wurde,wie sonst nur selten, der Eindruckeines vorreformatorischen Klostersin Baubestand und Ausstattung be-wahrt.

Unter den zahlreichen Frauen-klöstern des Zisterzienserordens imLand ist Wienhausen bei Celle be-sonders durch seine fast vollständigerhaltene Ausstattung hervorzuhe-ben. Die einschiffige Klosterkirchein Wienhausen besitzt eine um 1335entstandene großzügige Ausma-lung. Zum reichen Klosterschatzgehören bemerkenswerte Holzplas-tiken und Bildteppiche von europäi-schem Rang. Kreuzgang, Konvent-und Nebengebäude des in ein adeli-ges Damenstift umgewandeltenKlosters sind nahezu unverändert.Auch das Frauenkloster Lüne in Lü-neburg mit gut erhaltenen Bautendes 14. Jahrhunderts ist besondershervorzuheben, seit 1711 ebenfallsDamenstift. Die mittelalterlichenTextilien in Lüne zählen zu den be-kanntesten in Norddeutschland.

Mitte des 13. Jahrhunderts undvor allem im 14. Jahrhundert ent-standen im südlichen Niedersachsen– häufig durch Umbauten ältererBasiliken – Hallenkirchen, die denenim benachbarten Westfalen eben-bürtig sind, so in Goslar und Braun-schweig. Eine der bedeutendstenHallenkirchen der frühen Hochgotikstellt die doppeltürmige Johannis-kirche in der Osnabrücker Neustadtdar. Auch die Johanniskirche in Lü-

Die Denkmalwelt in Niedersachsen 231

neburg, der Dom in Bardowick, dieMarktkirche in Hannover und dieCyriakuskirche in Duderstadt sindbemerkenswerte Hallenbauten.Den ältesten HallenumgangschorDeutschlands besitzt der VerdenerDom, eine ähnliche Chorlösungzeichnet die Marienkirche in Osna-brück aus. Unter dem Einfluss derLübecker Marienkirche entstand dieLüneburger Nikolaikirche mit basili-kalem Langhaus, ebenso die Petri-kirche in Buxtehude.

Mittelalterliche Profangebäudefinden sich vor allem in den Städten.Besonders die Rathäuser in Braun-schweig, Göttingen und Goslar do-kumentieren den Wohlstand dersüdniedersächsischen Städte im Mit-telalter. Auch das mit Backsteinfas-saden und Treppengiebeln versehe-ne alte Rathaus in Hannover zähltzu den herausragenden Profanbau-ten der Epoche.

Lüneburg ist eine der bekanntenmittelalterlichen BacksteinstädteDeutschlands. Zahlreiche spätmit-telalterliche Bürger- und Kauf-mannshäuser zeigen den durch denSalzhandel erworbenen Reichtumder Stadt. Das aus drei allmählichzusammengewachsenen Siedlungs-kernen entstandene Lüneburg istein Musterbeispiel mittelalterlicherStadtgestalt in Norddeutschland.

Die Bischofstadt Osnabrück be-stand bis zum Zusammenschluss1306 aus zwei eigenständigen Sied-lungskernen, aus der Altstadt nahe

der Domburg und der um das Kano-nikerstift St. Johann entstandenenNeustadt. Zusammen bildeten diebeiden Siedlungen eine mittelalter-liche Großstadt, die trotz schwererZerstörungen im 2. Weltkrieg inihren Ausmaßen noch ablesbar ist.Bis ins 19. Jahrhundert hatten diebeiden Stadtteile einen eigenenMagistrat, auch heute noch zeich-net sich die frühere Grenze zwi-schen ihnen im Stadtgrundriss ab.

Ganz anders verlief die städte-bauliche Entwicklung beispielsweisein Göttingen und Celle; hier enstandoffenbar im Hochmittelalter einplanmäßig angelegter Stadtkernaus rechtwinklig sich kreuzendenStraßen.

Das 16. Jahrhundert und frühe17. Jahrhundert wird im südlichenLandesteil von der Weser-Renais-sance bestimmt, der eine Beeinflus-sung durch oberitalienische Formenwie am Schloss in Stadthagen vor-ausging. Meisterwerke der Weser-Renaissance sind das Rathaus inHannoversch Münden, SchlossSchwöbber, das Rattenfängerhausund das zwischen 1610 und 1617 alsFestsaalbau der Hamelner Bürger-schaft errichtete Hochzeitshaus inHameln, Schloss Hehlen, Schloss Be-vern und die Hämelschenburg. Dernördliche Landesteil stand mehr un-ter niederländischem Einfluss; bei-spielsweise geben das Pelsterhaus inEmden und Bürgerhäuser in Stadehiervon Zeugnis. Wichtige Renais-

232 Die Denkmalwelt in Niedersachsen

sancebauten sind auch das Juleumin Helmstedt, das im 18. Jahrhun-dert umgebaute Residenzschloss in Wolfenbüttel und der Anton-Günther-Bau des OldenburgerSchlosses.

Besonders Wolfenbüttel – nebenCelle, Einbeck, Duderstadt und Gos-lar eine der großen Fachwerkstädtedes Landes – dokumentiert den Cha-rakter der frühabsolutistischen Resi-denz.

Auch zwei vorzügliche frühe pro-testantische Kirchenbauten stehenin Niedersachsen: die Marienkirchein Wolfenbüttel (1608 von PaulFrancke begonnen) und die Stadt-kirche in Bückeburg (1611 begon-nen); beides Meisterwerke der Re-

naissancebaukunst. Bemerkenswertist das monumentale Grabmal fürEdo Wiemken in der Stadtkirche inJever, das 1561 – 64 durch die Werk-statt von Cornelius Floris in Antwer-pen errichtet wurde.

Eines der Hauptwerke des deut-schen Frühbarock stellt das Mauso-leum in Stadthagen dar, eine Grab-kapelle von 1609-25 mit Plastikenvon Adriaen de Vries. Auch die Um-bauten des Celler Schlosses und dasOsnabrücker Schloss von 1667/75zeigen barocke Formen. Ein Unikatist die große Holzkirche der HarzerBergleute in Clausthal-Zellerfeldvon 1634 – 42.

Wesentliche Zeugnisse des nord-deutschen Barocks sind die Trinita-

Quelle: Niedersächsiches Landesamt für Denkmalpflege

Sog. Hochzeitshaus, Hameln

Die Denkmalwelt in Niedersachsen 233

tiskirche in Wolfenbüttel, die reicheAusstattung der Kirche in Lamsprin-ge, die Stadtkirche in Celle und dieehemalige Jesuitenkirche in Mep-pen mit ihrer bemerkenswert ge-schlossenen Einrichtung.

In Meppen an der Ems sind derfast vollständig erhaltene äußereWall und der Graben der im 17.Jahrhundert nach niederländischenVorbildern entstandenen Barock-festung auch heute noch prägendeElemente der Stadtgestalt. In Wol-fenbüttel sind Reste der Stadtbe-festigung des 17. Jahrhunderts nachder Entfestigung in einem Grüngür-tel aufgegangen, ähnlich wie bei-spielweise zum Teil in Oldenburgund Osnabrück.

Unter den Schlössern des späten17. und 18. Jahrhunderts ist vor al-lem das 1736 – 1745 nach Plänenvon J. C. Schlaun für Kurfürst Cle-mens von Köln erbaute JagdschlossClemenswerth im Emsland von her-ausragender Bedeutung. Es handeltsich um ein Meisterwerk westfäli-scher Barockbaukunst im heutigenNiedersachsen. Bemerkenswert isthier auch der Landschaftspark, derüber einem Jagdstern mit radialenAlleen entstand, dessen Mittel-punkt der Zentralpavillon desSchlosses bildet.

Der Garten von Haus Altenkamp,ebenso ein wichtiges Zeugnis ba-rocker Gartenarchitekur, liegt nurwenig nördlich von Clemenswerth

Quelle: Niedersächsiches Landesamt für Denkmalpflege

Jagdschloss Clemenswerth, Ansicht des Corps des logis mit drei der Nebenpavillons

234 Die Denkmalwelt in Niedersachsen

in der Nähe der städtebaulich inter-essanten, planmäßig angelegtenFehnsiedlung Papenburg. Auch derOldenburger Schlossgarten und derPark von Schloss Lütetsburg in Ost-friesland sind bemerkenswerteSchöpfungen der Gartenkunst. Voneuropäischem Rang ist die barockeGartenanlage in Hannover-Herren-hausen, das dortige Galeriegebäudestellt neben Schloss Richmond inBraunschweig und dem Schloss inBad Pyrmont auch ein wesentlichesDenkmal barocker Schlossarchitek-tur dar.

Nicht unerwähnt bleiben soll,dass mit Ludwig Münstermann einbedeutender Bildhauer des Barockim Land zwischen Weser und Emstätig war. Besonders die eindrucks-vollen Altäre in Varel und Rodenkir-chen sind herausragende Werke derprotestantischen Sakralkunst Nord-deutschlands.

Neben bemerkenswerten Zeug-nissen höfischen Lebens und sakra-ler Kunst besitzt Niedersachsenauch eine sehr vielfältige und be-deutende Bauernhauskultur. DieHaus – und Siedlungsformen sind,den landschaftlichen Gegebenhei-ten entsprechend, sehr unterschied-lich (s. Kapitel Siedlungsstrukturen).

Der Klassizismus der ersten Hälftedes 19. Jahrhunderts ist in den ein-zelnen Landesteilen durch mehrerebekannte Architekten und deren lo-kale Bauschulen geprägt. Währenddie Pläne für das Braunschweiger

Verlagshaus Vieweg durch DavidGilly in Berlin entworfen wurden,erfolgte die Ausführung 1802 – 05durch den braunschweigischen Ar-chitekten Peter Joseph Krahe, demwir noch weitere klassizistische Bau-ten verdanken. Im Königreich Han-nover war es Georg Ludwig Laves,der die Architektur dieser Epocheprägte. Mit der Oper und dem PalaisWangenheim, aber auch mit der Er-weiterung des Leineschlosses ent-standen durch Laves in Hannoverwesentliche Gebäude. Im Großher-zogtum Oldenburg sind vor allemHeinrich Strack d. Ä. und Carl Hein-rich Slevogt zu nennen, die das Bildder klasszistischen Residenzstadtdes Landes bestimmten. Erwähnens-wert sind vor allem Slevogts AltesPalais und das auch medizinge-schichtlich bedeutende Peter-Frie-drich-Ludwig-Hospital von Strack.Der arenbergische Baumeister JosefNiehaus prägte im Emsland die klas-sizistische Architektur.

Einer der bedeutendsten Bau-meister des 19. Jahrhunderts warConrad Wilhelm Hase, der als Be-gründer der hannoverschen Bau-schule des 19. Jahrhunderts angese-hen werden muss. Anfänglich nochunter dem Einfluss Friedrich vonGärtners in München, entwickeltesich in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts eine für Hannoverspezifische Variante des Rundbo-genstils bzw. des Historismus. Mitder nach Plänen von Conrad Wil-

Die Denkmalwelt in Niedersachsen 235

helm Hase 1859 – 1864als Hallenkirche erbau-ten Christuskirche inHannover entstand dererste konsequent inneugotischen Formengehaltene Kirchenbauim Land.

Von besonderem In-teresse für die Archi-tekturgeschichte des19. Jahrhunderts istauch das Welfenschlossin Hannover, 1858 – 66in Formen des spätenRundbogenstils ent-standen und heuteUniversität. Neben demStaatstheater in Braun-schweig (1856 – 61)stellen auch das Gebäude der Her-zog August Bibliothek in Wolfen-büttel (1882 – 86), das Augusteum(1870 – 80) und das Staatstheater inOldenburg (nach Brand 1893 erneu-ert) wesentliche Kulturbauten des19. Jahrhunderts dar.

Die Oldenburger Lambertikirche,im Inneren von einem klassizisti-schen Umbau geprägt, erhielt 1873-87 nach Plänen von Klingenberg ei-nen bemerkenswerten neugoti-schen Außenbau. Besonders im Sü-den des Großherzogtums Olden-burg entstanden Ende des 19. Jahr-hunderts zahlreiche neugotischeBacksteinkirchen von oft beträchtli-chen Ausmaßen und architektoni-scher Qualität.

Baugeschichtlich und städtebau-lich interessant ist das Dobbenvier-tel in Oldenburg aus der zweitenHälfte des 19. Jahrhunderts. Wiesonst nur selten, entwickelte sichhier ein ausgedehntes Villengebietmit nach-klassizistischen Häusern,das seinen Charakter bis heute nochweitgehend bewahren konnte.

Aus dem 19. Jahrhundert sindmehrere wichtige Bauten der Ver-kehrsgeschichte zu erwähnen, soder älteste erhaltene deutscheBahnhof in Vienenburg (um 1838)und der Hauptbahnhof in Hannovervon Hubert Stier (1877 – 79). Die Ge-staltung des halbkreisförmigenErnst-August-Platzes vor dem Bahn-hof mit z.T. erhaltenen Bauten des

Christuskirche am Klagesmarkt, Hannover

Quelle: Niedersächsiches Landesamt für Denkmalpflege

236 Die Denkmalwelt in Niedersachsen

späten Rundbogenstils ist, wie auchder Opernplatz in Hannover, alsanspruchsvolle städtebauliche Leis-tung des 19. Jahrhunderts zu wer-ten.

Ein monumentaler Großbau desspäten Historismus ist das Neue Rat-haus in Hannover von 1903 – 08 mitseiner stadtbildprägenden Kuppel-laterne. Die Pläne lieferte der Berli-ner Architekt Hermann Eggert.

Ein bekanntes Denkmal aus demfrühen 20. Jahrhundert ist die einzi-

ge Stabholzkirche Deutschlands inGoslar-Hahnenklee, die 1908 durchden Architekten T.K. Mohrmannnach dem Vorbild der Kirche inBorgund in Norwegen errichtetwurde.

Unter Jugendstileinfluss entstand1913/15 der neue OldenburgerBahnhof aus Bockhorner Klinkernnach Plänen von Friedrich Mette-gang, während sich beim Bahnhofin Quakenbrück eine andere Varian-te des Jugendstils offenbart. Der

Klinkerexpressionis-mus der 1920er-Jahrewird besonders durchdie Bauten von FritzHöger und BernhardHoetger bestimmt.Högers Anzeigerhoch-haus in Hannover, seinWilhelmshavener Rat-haus, Hoetgers Nie-dersachsenstein undsein Café in Worps-wede sind markanteBeispiele der Architek-tur an der Schwellezur Moderne.

Mit der 1911 – 1918nach Plänen von Wal-ter Gropius errichte-ten Schuhleisten- undStanzmesserfabrik Fa-guswerk in Alfeld ent-stand ein frühes undbahnbrechendes Kon-zept konsequent mo-derner Architektur.

Faguswerk in Alfeld

Quelle: Niedersächsiches Landesamt für Denkmalpflege

Die Denkmalwelt in Niedersachsen 237

Die 20er-Jahre sind von Reform-und Heimatschutzarchitektur ge-prägt. Besonders in Hannover ent-standen damals ausgedehnte Sied-lungen von architektonischer Qua-lität. Bemerkenswert ist die städte-bauliche Entwicklung Celles in den1920er-Jahren, verbunden mit demNamen Otto Haesler, einem der be-kanntesten Vertreter der Stilrich-tung des „Neuen Bauens“ in derZwischenkriegszeit. In Celle ist seineStilentwicklung an zahlreichen Bau-komplexen, so vor allem in denSiedlungen Italienischer Garten undBlumlägerfeld ablesbar.

Wolfsburg und Salzgitter sind da-gegen Zeugnisse des Städtebaus der30er- und 40er-Jahre, in denen je-doch ein wesentlicher Teil der Be-bauung aus der Nachkriegszeit

stammt. Einen bemerkenswerten In-dustriebau der NS-Zeit stellt dasVW-Werk in Wolfsburg mit seiner1,5 km langen stereotypen Frontzum Mittellandkanal dar.

Der Wiederaufbau des starkkriegszerstörten Hannovers galt inden 50er-Jahren als richtungswei-send; zahlreiche Denkmale derNachkriegszeit prägen das heutigeBild der Landeshauptstadt. In Wolfs-burg, erst 1938 gegründet, wurdenin der Nachkriegszeit architekturge-schichtlich besonders wertvolle Bau-ten errichtet, darunter das Kultur-zentrum von Alvar Aalto (1959 – 63)und das Stadttheater, ein SpätwerkHans Scharouns aus den 70er-Jah-ren.

Martin Wenz

Allgemeines

Die Medien haben in einer demo-kratischen Gesellschaft die Aufga-be, Kritik und Kontrolle gegenüberden Regierenden zu üben und denEinzelnen in seiner politischen Mei-nungs- und Willensbildung zu un-terstützen, ihn zu informieren undzu unterrichten.

Diese publizistische Grundversor-gung wird vor allem von den Tages-zeitungen und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk geleistet. Deröffentlich-rechtliche Rundfunk istlaut Programmauftrag dazu ver-pflichtet. Private Rundfunkanbieterhaben aufgrund ihrer Werbefinan-zierung ein breiter gefächertes Kon-zept zu vertreten.

Die niedersächsische Medien-landschaft ist geprägt von einerVielzahl an Tageszeitungen, Hör-funkprogrammen sowie 3 regionalberichtenden Fernsehprogrammen.Hinzu kommen die Internet-Ange-bote der Tageszeitungen und Rund-funkanbieter. Erwähnt, wenn auchnicht im Folgenden beschrieben,seien die vielen Anzeigenblätter,Szene-Zeitungen, Stadt-Magazineetc. Seit 1.4.1997 läuft zudem unterder Ägide der NiedersächsischenLandesmedienanstalt für privatenRundfunk (NLM) ein fünfjährigerModellversuch zum nichtkommer-ziellen Lokalfunk und zu den Of-fenen Kanälen.

Die Tageszeitungen

Die älteste nachweisbare Zeitungist die Straßburger Relation von1605. Die zweitälteste Zeitung ent-stammt niedersächsischem Gebiet.Es ist der Wolfenbütteler Aviso von1609. Für 1617 ist in Hildesheim dieHildesheimer Relation belegt. Vonden heute noch existierenden nie-dersächsischen Tageszeitungen kön-nen 5 auf eine über 200-jährigeTradition zurückblicken: Hildeshei-mer Allgemeine Zeitung (1705),Schaumburger Zeitung (1762), Täg-licher Anzeiger, Holzminden 1777),Goslarsche Zeitung (1783) und dasJeversche Wochenblatt (1791). DerGroßteil der niedersächsischen Zei-tungen entstand in der zweitenHälfte des 19. Jahrhunderts.

Eine Zeitungsstatistik aus demJahr 1932 verzeichnet für das Gebietdes heutigen Niedersachsen 278 Zei-tungen mit 335 redaktionellen Aus-gaben. Von diesen 278 Zeitungenmachten 149 Angaben über ihreAuflagen. 86% (128 Ztg.) hatten ei-ne Auflage unter 10.000 Ex., 11%(17 Ztg.) lagen mit ihrer Auflagezwischen 10.000 – 20.000 Ex. undnur 1,3% (2 Ztg.) fanden sich im Be-reich zwischen 20.000 – 50.000 Ex.Jeweils 0,6% (1 Ztg.) lagen mit ihrerAuflage zwischen 50.000 – 100.000und über 100.000 Ex. Letztere wa-ren die Hannoverschen Anzeigen,die heute noch als Hannoversche

Medien

Medien 239

Allgemeine Zeitung auflagenstärk-ste Zeitung in Niedersachsen ist. Diein ihrer lokalen, kleinräumigen Aus-differenzierung dem Lebensschwer-punkt der Leser angepasste Zei-tungsmarktstruktur, die fürDeutschland charakteristisch war,hat sich mutatismutandis bis heu-te erhalten.

Durch verschie-dene politischeMaßnahmen inden ökonomi-schen, rechtlichen,institutionellenund inhaltlichenBereichen brach-ten die National-sozialisten die Presse unter ihreKontrolle und machten sie gefügig,um sie neben Rundfunk und Film alsPropagandamaschinerie zur Len-kung der Bevölkerung einzusetzen,wie es dem Credo ihrer medienpoli-tischen Zielvorstellung entsprach.Während die KPD- und SPD-Pressegleich 1933 verboten und enteignetwurde, wurden die bürgerlichenVerleger gezwungen, ihr Unterneh-men an die Nationalsozialisten zuverkaufen oder wurden Opfer derStilllegungsaktionen gegen Endedes Krieges. 1944 existierten in Nie-dersachsen noch 65 Zeitungen mitinsgesamt 93 Ausgaben.

Nach der Kapitulation verbotendie Alliierten alle deutsche Publizi-stik. Es erschienen nach einem kur-

zen publizistischen „blackout“zunächst nur von den Militärbehör-den herausgegebene Mitteilungs-blätter, um die Bevölkerung überdie Verordnungen und Erlasse derBehörden zu informieren. KurzeZeit später erhielten vom National-

sozialismus unbe-lastete deutschePersönlichkeitenLizenzen zur Her-ausgabe einer Zei-tung. Die Heimat-presse mit ihrenZwergauflagenwar gegen Endeder 20er-Jahre im-mer stärker in diepublizistische und

wirtschaftliche Abhängigkeit vonKorrespondenzbüros und Matern-diensten wie z. B. dem Hugenberg-konzern geraten, der die NS-Ideolo-gie stark propagierte. Eine derarti-ge Abhängigkeit und Konzernbil-dung sollte nach den Vorstellungender Alliierten unter allen Umstän-den vermieden werden. Zugleichmussten sie in ihrer Konzeptionaber auch die gewachsenen Leser-Blatt-Bindungen berücksichtigen.Die Lösung sahen sie in mittel-großen Zeitungsverlagen (100.000Ex. Auflage), die einerseits groß ge-nug waren, um wirtschaftlich undpublizistisch unabhängig am Marktbestehen zu können und anderer-seits durch ein System von Bezirks-und Lokalausgaben den Leser-Blatt-

240 Medien

Bindungen entsprach. Am 8.1.1946erschien als erste Lizenzzeitung inNiedersachsen die BraunschweigerZeitung. Weitere Lizenzzeitungenwaren z. B. die Lüneburger Landes-zeitung, Nordwest-Zeitung, Hanno-versche Presse und als Letzte dieHannoversche Allgemeine Zeitung,die ihre Lizenz am 23.8.1949, weni-ge Wochen vor der Erteilung derGenerallizenz, erhalten hatte. MitErteilung der Generallizenz am21.9.1949, die den Wegfall des Li-zenzzwanges bedeutete, erschie-nen wieder die sog. Altverleger, diewährend der Lizenzzeit keine Li-zenz erhalten hatten, mit ihren Zei-tungen auf dem Markt.

Gegenwärtig gibt es in Nieder-sachsen 13 Vollredaktionen oderauch „Publizistische Einheiten“ (Re-daktionen, die den allgemeinpoliti-schen und wirtschaftlichen Teil, inder Regel die Seiten 1 + 2 vollstän-dig selbst erstellen). Alle diejenigenZeitungen, die den Mantel von ei-ner Vollredaktion übernehmen,werden zu der entsprechenden Pu-blizistischen Einheit gezählt. In Nie-dersachsen gibt es derzeit 55 Verla-ge, die insgesamt 133 redaktionelleAusgaben (Zeitungen, die sich im Ti-tel und/oder in lokalen Wechselsei-ten unterscheiden) herausgeben.Davon übernehmen 10 Verlage mit12 redaktionellen Ausgaben denMantel von Vollredaktionen mit Sitzaußerhalb Niedersachsens (Kassel,Bremerhaven). 5 Verlage mit Sitz

außerhalb Niedersachsens geben 17Ausgaben in Niedersachsen heraus.Dazu kommt noch als Straßenver-kaufszeitung die BILD-Zeitung, so-wie eine Zeitung, die wöchentlich(Elbmarsch Post, Bleckede) und ei-ne, die drei mal in der Woche er-scheint (Bleckeder Zeitung).

Zu den derzeit auflagenstärkstenPublizistischen Einheiten in Nieder-sachsen zählen die drei ehemaligenLizenzzeitungen Hannoversche All-gemeine Zeitung (495.566 Ex. Auf-lage inkl. Neue Presse), Nordwest-Zeitung (223.446 Ex.) und Braun-schweiger Zeitung (198.052 Ex.). Diekleinste Publizistische Einheit ist dieEmder Zeitung mit einer Auflagevon 11.237 Ex. Die jüngste Publizisti-sche Einheit Niedersachsens sind dieGrafschafter Nachrichten (seit De-zember 1997). Ein Indiz dafür, dassauf dem niedersächsischen Zei-tungsmarkt noch Bewegungen inRichtung auf eine größere Vielfaltmöglich sind (alle Angaben II. Quar-tal 1998).

Die niedersächsischen Tageszei-tungen erscheinen mit einer tägli-chen verkauften Gesamtauflagevon 1.886.051 Exemplaren (II. Quar-tal 1998). Davon haben über dreiviertel der Verlage eine Auflage un-ter 30.000 Exemplaren.

Ein wesentliches Kennzeichen derNachkriegstagespresse gegenüberder Epoche der Weimarer Republikwar die Entpolitisierung. Der Leserwollte sich nicht mehr dozieren las-

Medien 241

sen. Deutlich wurde dies insbeson-dere am Niedergang der sozialde-mokratischen Hannoverschen Pres-se. Eine Parteizeitung gibt es in Nie-dersachsen nicht mehr.

Keineswegs übersehen die Zei-tungsverleger die Möglichkeiten,die in neuen Techniken für ihre Pro-dukte liegen. Das gilt auch für dasStichwort Internet. Derzeit sind be-

Publizistische Einheit Anzahl kooperierender Anzahl redaktioneller mit Sitz in Niedersachsen Verlage in „PE“ Ausgaben der „PE“

Braunschweiger Zeitung 2 14

Cellesche Zeitung 1 1

Deister- und Weserzeitung 6 8

Emder Zeitung 1 1

Grafschafter Nachrichten 1 1

Hannoversche Allgemeine Zeitung 12 30

Kreiszeitung, Syke 3 15

Neue Osnabrücker Zeitung 1 9

Neue Presse 1 11

Niedersächsisches Tageblatt 5 7

Nordwest-Zeitung (I) 4 14

Nordwest-Zeitung (II) 7 8

Oldenburgische Volkszeitung 2 2

Publizistische Einheitmit Sitz außerhalb Niedersachsens

Bremer Nachrichten 1 13

Harburger Anzeigen und Nachrichten 1 1

Hessische/Niedersächsische Allgemeine 2 8

Nordsee-Zeitung 7 10

Weser-Kurier 1 13

Gesamt 58 166

zuzüglich 62 171BILD (2 Ausgaben)/taz/Elbmarsch Post/ Bleckeder Zeitung

242 Medien

reits weit über 20 niedersächsischeTageszeitungen online, d.h. überdas Internet mit ihren Angebotenabrufbar. Die Angebote reichen voneiner 1:1 Kopie des Printproduktesüber Zusatzdienste wie z. B. Ser-vicedienste, Zeitungsarchiv bis zuganzen regionalen/lokalen Informa-tionsdiensten mit elektronischenFahrplanauskünften und umfang-reichem Kleinanzeigenmarkt. Wäh-rend einige Verlage sich darauf be-schränken, ein Internetangebot zupräsentieren, gehen andere Verlageso weit, ihren Abonnenten einen In-ternetzugang zu günstigen Kondi-tionen zu ermöglichen und so dieBindung auch an das Printproduktzu verstärken.

Hörfunk

Am 29.10.1923 startete der Rund-funk in Deutschland mit der Über-tragung eines Konzertprogrammsvon 20:00 Uhr bis 21:00 Uhr aus demVox-Haus in Berlin. Die für Nord-deutschland zuständige regionaleRundfunkgesellschaft NordischeRundfunk AG (NORAG) wurde am16.1.1924 mit Sitz in Hamburg ge-gründet. Sendebeginn war der2.5.1924. Bereits am 4.5.1945 über-nahmen die einmarschierenden Bri-ten den noch intakten Sender desFunkhauses Radio Hamburg und be-gannen um 19:00 Uhr mit ihrer er-sten Übertragung. Die durch denKrieg zerstörte Infrastruktur und

die noch ca. 7 Millionen funk-tionsfähigen Rundfunkempfangs-geräte machten im Nachkriegs-deutschland den Rundfunk zumwichtigsten Medium.

Aufgrund der Erfahrungen desDritten Reiches, in dem der Rund-funk als Propagandainstrumentmissbraucht worden war, stand fürdie Besatzungsmächte fest, dass derneue deutsche Rundfunk dezentralund staatsfern zu organisieren war.Ein werbefinanzierter Rundfunknach amerikanischem Muster warangesichts einer zerstörten Wirt-schaft in einem Land, in dem esnichts zu kaufen gab, unmöglich.Ebenso schied ein zentralistisch or-ganisierter Rundfunk nach französi-schem Vorbild aus. So wurde die bri-tische BBC zum Vorbild für dendeutschen Rundfunk. Öffentlich-rechtlich organisiert mit pluralisti-schen internen Verwaltungs- undKontrollgremien.

Am 1.5.1948 trat das Statut des Nordwestdeutschen Rundfunks(NWDR) in Kraft. Er war zuständigfür die Länder Schleswig-Holstein,Hamburg, Niedersachsen, Nord-rhein-Westfalen und Berlin. Die Ar-beitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten derBundesrepublik Deutschland (ARD)– der Zusammenschluss aller west-deutschen Rundfunkanstalten –,wird am 10.6.1950 vollzogen. DerNWDR beginnt als erster Sender mitFernsehversuchsprogrammen. Die

Medien 243

bundesrepublikanische Bevölke-rung kann seit dem 25.12.1952 amFernsehzeitalter partizipieren. DerNWDR sendete täglich ein 2-stündi-ges Abend- und ein halbstündigesNachmittagsprogramm.

Mit der Gründung des SendersFreies Berlin (SFB) am 5.11.1953 ver-liert der NWDR seine Zuständigkeitfür Berlin. Am 12.5.1954 wurde dasGesetz über den WestdeutschenRundfunk (WDR) verabschiedet. PerStaatsvertrag gründen die LänderSchleswig-Holstein, Niedersachsenund Hamburg den NorddeutschenRundfunk (NDR) am 16.2.1955. Seitdem 1.1.1956 gibt es den NDR undden WDR. Mit Staatsvertrag vom17./18.12.1991 ist der NDR nach derWiedervereinigung für die LänderHamburg, Mecklenburg-Vorpom-mern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zuständig.

Die öffentlich-rechtlichen Hör-funkprogramme für Niedersachsenwerden von der MehrländeranstaltNDR produziert In die seiner Zustän-digkeit zugehörigen Bundesländerstrahlt der NDR einheitlich die Pro-gramme NDR 2, NDR 3, NDR 4 undN-Joy Radio aus. Das ProgrammNDR 1 wird in die vier Landespro-gramme Hamburg Welle, Radio Nie-dersachsen, Radio Mecklenburg-Vorpommern und Welle Nord ge-splittet.

In den 80er-Jahren etablierte sichin der Bundesrepublik das „dualeRundfunksystem“, d.h. das Neben-

einander von öffentlich-rechtlichemund privatem (kommerziellem)Fernsehen und Hörfunk: Währendder öffentlich-rechtliche Rundfunksich zum überwiegenden Teil ausden Rundfunkgebühren finanziert,ist der private Rundfunk vollständigauf Werbeeinnahmen angewiesen.

Mit radio ffn wurde 1986 daserste private Hörfunkprogramm inNiedersachsen lizenziert. Die auf 10Jahre befristete Lizenz wurde 1996verlängert. 1990 kam als zweitesprivates Hörfunkprogramm Hit Ra-dio Antenne hinzu. Beide Senderstrahlen ein landesweites Vollpro-gramm aus.

Die rechtlichen Grundlagen fürdie Betreibung von Rundfunk in derBundesrepublik Deutschland sowieim Speziellen in Niedersachsen sindniedergelegt im Rundfunkstaatsver-trag von 1991, dem Staatsvertragüber den NDR vom 17./18.12.1991sowie dem Niedersächsischen Lan-desrundfunkgesetz (NLRG) in seinerFassung vom 9.11.1993. Währendder öffentlich-rechtliche Rundfunkeiner internen Kontrolle durch denVerwaltungs- und Rundfunkrat un-terliegt, werden die privaten Hör-funk- und Rundfunkanbieter durchdie Niedersächsische Landesmedien-anstalt für privaten Rundfunk aufdie Einhaltung der gesetzlichenVorschriften hin kontrolliert. DieNLM ist für die bundesweiten TV-Sender RTL Television und SAT 1, diein Hannover lizenziert sind, die nie-

244 Medien

dersächsischen landesweiten priva-ten Hörfunksender sowie für dienichtkommerziellen Lokalfunkpro-jekte und Offenen Kanäle zustän-dig.

Die einzelnen Rundfunkprogram-me unterscheiden sich mehr oderweniger in ihrem Profil. NDR 3bringt ausschließlich klassische Mu-sik, während NDR 4 den Schwer-punkt auf politischer Berichterstat-tung, Information, Analyse sowieSchul- und Bildungsprogrammelegt. NDR 1 – Radio Niedersachsendefiniert sich als „Heimatsender“dessen Musikprogramm aus deut-schem Schlager und volkstümlicherMusik sowie heimischer Folklore be-steht. Anvisiert wird das Publikumzwischen 40 und 60 Jahren. In direk-ter Konkurrenz stehen NDR 2, radioffn und Hit Radio Antenne. Alle dreiProgramme visieren mit geringenAbweichungen die gleiche Hörer-gruppe an (Hit Radio Antenne: 20-49jährigen; radio ffn: 20-29jähri-gen; NDR 2: 25-49jährigen). radioffn bringt ein Musikprogramm be-stehend aus den Hits der 80er und90er-Jahre sowie den aktuellenCharts, Hit Radio Antenne mischtdie Hits der 80er und 90er-Jahre mitden jeweils aktuellen Hits und denKlassikern der 70er-Jahre, währendNDR 2 sein Musikprogramm aus denHits der 60er-80er-Jahre zusammen-stellt. Das Musikprogramm von N-Joy Radio ist auf die 14-20jähri-gen ausgerichtet. Es bringt die neu-

esten und aktuellsten Hits aus denCharts (Top 40), was in Deutschlandden 60-80 meist verkauften Titelnentspricht.

Das Wortangebot der beidenkommerziellen Sender ist pro-grammstrukturell schwächer veran-kert. Neben Wortunterhaltungs-elementen kommen stündliche/halbstündliche Nachrichtenblöckevor. radio ffn bietet neben denstündlichen Nachrichtenblöcken mitWetterinformationen viertelstünd-liche Schlagzeilen in der „PrimeTime“. Beide kommerziellen Rund-funkprogramme schalten mehrmalsam Tag in ihre sechs Regionalfens-ter. Als besonderes Charakteristi-kum bei radio ffn sind die Comedy-Beiträge zu werten. NDR 2 weist ge-genüber den beiden privaten Pro-grammen einen höheren Informati-onsanteil auf. Dazu gehört vor al-lem eine feste Verankerung desSports im Programmschema. Hier istinsbesondere die Bundesligaüber-tragung mit ihrer Konferenzschal-tung aus den Fußballstadien zu er-wähnen. N-Joy Radio bringt wenig„klassische“ Information. Es orien-tiert sich in den Wortbeiträgen undin der Moderationsart an seinerZielgruppe. Die Hörer werden ge-duzt. Themen sind Lifestyle, Schu-le/Ausbildung, Musik und Promi-nentenklatsch. Im Programm vonNDR 1 finden Informationssendun-gen die weitestreichende pro-grammstrukturelle Verankerung im

Medien 245

Programmschema. Es werden aus-führliche Hintergundberichte undInformationsangebote ausgestrahlt.Auffallend ist der starke regionaleBezug – mehrmals täglich wird in 5Regionalfenster geschaltet –, dersich auch in der zeitweisen Verwen-dung der niederdeutschen Sprachezeigt.

Fernsehen

Die niedersächsischen Bürgerin-nen und Bürger können unter dreiFernsehprogrammen wählen, dieaus und über Niedersachsen berich-ten. Das sind 30 minütige Fenster-programme, die jeweils werktagsbei den privaten Sendern um 17:30Uhr (SAT 1) bzw. 18:00 Uhr (RTLTelevision) ausgestrahlt werden, so-wie beim öffentlich-rechtlichen N3in der Zeit zwischen 19:00 Uhr und20:00 Uhr.

Offene Kanäle (OK) / nichtkomerzieller Lokalfunk(NKL)

Die niedersächsische Koalitions-regierung von SPD und Bündnis90/Die Grünen einigte sich im Som-mer 1990 im Koalitionsvertrag dar-auf, das NLRG zur Durchführungvon Modellprojekten zum nicht-kommerziellen, privaten Lokalfunkzu ändern. Nach langwierigen Ver-handlungen startete der Modellver-such am 1.4.1997. Er dauert nun-

mehr über 5 Jahre und wird durchmehrere Gutachten wissenschaftlichbegleitet. Nichtkommerzielle Lokal-funkprojekte wurden von der NLMan den Versuchsgebieten Hameln,Göttingen, Braunschweig, Uelzen/Lüneburg, Hannover und Wilhelms-haven für die Dauer des Versuchs li-zenziert. Offene Kanäle wurden inWolfsburg/Braunschweig (Fernse-hen), im Umland der Stadt Bremen(TV+Hörfunk), in Nordenham (TV+Hörfunk), Hannover (TV+Hörfunk),Osnabrück (Hörfunk), Oldenburg(TV+Hörfunk), Cloppenburg (Hör-funk) und im Gebiet Emsland/Graf-schaft Bentheim (Hörfunk) für dieDauer des Modellversuchs lizen-ziert.

Eine einheitliche Definition des„Offenen Kanal“ gibt es nicht. EinOffener Kanal ist ein lokales/regio-nales Medium, das allen Bürgern of-fen steht und den gleichberechtig-ten Zugang gestattet. Hier könnendie Bürger Hörfunk und Fernsehenselber machen. Die Offenen Kanälestellen nur die technische Ausrü-stung und das Know-how zur Verfü-gung. Sie sind nichtkommerziellund werbefrei. Offene Kanäle sindein Drittes zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rund-funk, das keine größere Bedeutungim Orchester der Massenmedien er-reichen wird.

Nichtkommerzieller Lokalfunk(NKL) ist ein werbefreies Programmmit lokaler Verbreitung. Die kon-

246 Medien

zeptionellen Vorstellungen über diejeweilige Umsetzung eines nicht-kommerziellen Radios sind verschie-den.

Allgemein lässt sich nichtkom-merzieller Hörfunk über die Merk-male Offenheit und Partizipation,Gemeinnützigkeit, Transparenz,Werbefreiheit und den Lokalbezugbeschreiben. Der wesentliche Unter-schied zum Offenen Kanal bestehtdarin, dass der Trägerverein bzw.die Trägergesellschaft beim NKLselber Programmveranstalter ist.

Der Modellversuch geht auf eineInitiative der Fraktion Bündnis90/Die Grünen im NiedersächsischenLandtag zurück, die eine Unterver-sorgung bestimmter sozio-kulturel-ler Gruppen im öffentlich-rechtli-chen Rundfunkprogramm sah unddie Chance einer stärkeren media-len Präsenz dieser Gruppen durchnichtkommerziellen Lokalfunk undOffenen Kanal vermutete.

Wettbewerb und Akzeptanz

Die niedersächsische Medien-landschaft hat in ihrer Vielfältigkeitfür jeden etwas zu bieten. Wennauch nur noch ein eingeschränkterWettbewerb unter den Tageszei-tungen existiert, droht dennoch kei-ne Gefahr für die Informiertheit derBürger. Denn der intermediäreWettbewerb, der Wettbewerb un-ter den Mediengattungen, nimmtimmer stärker zu und sorgt dafür,dass einseitige Informationen sofortals solche entlarvt werden. Vielmehrbesteht die Gefahr für die demokra-tische Gesellschaft in der stagnie-renden Akzeptanz der Tageszeitun-gen. Maßnahmen im redaktionellenManagement und Marketing sindhier erforderlich – und sie werdenvon den Verlagen auch durchge-führt –, um insbesondere die jungenNicht-Leser für das Medium zu ge-winnen.

Victor Lis

Pingelhus, ehemaliges HafenwärterhausFoto: Verkehrsverein Aurich

Städte in Niedersachsen – Kurzporträts

Aurich – Im Zentrum Ostfrieslands

Zentrum von Ostfriesland, ihreStadtmitte ist rund 30 km von derNordseeküste entfernt. Über denEms-Jade-Kanal ist Aurich direkt mitden Nordseehäfen Emden (25 km)und Wilhelmshaven (47 km) verbun-den.

Wirtschaftlich gesehen ist Aurichübergeordneter Schwerpunkt undMittelzentrum mit rund 41.000 Ein-wohnern. Aurich ist Sitz weltbe-kannter Unternehmen der Elektro-industrie und namhafter Betriebeverschiedenster Branchen. Aufstadteigenem, voll erschlossenemGelände bieten sich beste Voraus-setzungen und Förderungsmöglich-keiten für weitere Gewerbe- undInustrieansiedlungen.

Verschiedene Einrichtungen, wiez. B. die Kulturgemeinschaft, das Ju-gend-Sinfonieorchester u. a., för-dern ein reges kulturelles Leben.Die Stadthalle mit ihren 800 Plätzenbietet hierfür den geeigneten Ort.

Auch verfügt Aurich über eineganze Reihe von Sehenswürdigkei-ten. Zu nennen wären hier zum Bei-spiel:

! Schlossplatz mit Schloss und Marstall

! Gebäude der OstfriesischenLandschaft

! Lambertikirche und Glockenturm(Wahrzeichen)

Die Geschichte Aurichs lässt sichbis ins 13. Jahrhundert zurückverfol-gen. Der Marktort und das Wahrzei-chen von Aurich, die Lambertikirchemit dem Lambertiturm, wurden um1200 durch Graf Moritz I. von Ol-denburg gegründet. 1276 gab esdann die erstmalige urkundliche Er-wähnung im Bromkerbrief. DieStadtrechte wurden 1539 durchGraf Enno II. bestätigt. Durch dieGemeindereform im Jahr 1972 kames zur Zusammenlegung der 21 Ge-meinden und damit zur neuen StadtAurich.

Die Kreisstadt Aurich liegt mit ei-ner Gesamtfläche von 197,25 km2 im

248 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts

! Upstalsboom (alte ostfriesischeVersammlungsstätte)

! Sous-Turm auf dem Marktplatz! Ewiges Meer

(Naturschutzgebiet – Deutsch-lands größter Hochmoorsee)

Burg Dankwarderode. Das Wahrzei-chen seiner Macht – der berühmteBurglöwe aus Bronze – ist auf demBurgplatz zu sehen. Der Burgplatzbildet zusammen mit dem Dom undder Burg rund um den Burglöweneine der historischen Traditionsin-seln.

Heute hat sich Braunschweig zueiner modernen Großstadt ent-wickelt, die als ein Zentrum für For-schung und Entwicklung gilt. Vonherausragender Bedeutung für denWirtschaftsstandort Braunschweigist die älteste Technische UniversitätDeutschlands, die Carolo Wilhelmi-na. Sie ist bereits über 250 Jahre alt.Hier werden nicht nur Technik undNaturwissenschaften, sondern auchSprachen, Wirtschaftswissenschaf-ten und Philosophie gelehrt. DieHochschule für Bildende Künstegehört zu den wichtigsten deut-schen Kunstakademien unserer Zeit.Anerkannte Künstler von heute wir-ken als Professoren an der Ausbil-dung der Avantgarde von morgenmit.

Neben bedeutenden Unterneh-men, wie z. B. Siemens und VW, sind

Braunschweig – Stadt Heinrichs des Löwen

Braunschweig, die Stadt Hein-richs des Löwen, ist mit rund250.000 Einwohnerinnen und Ein-wohnern die zweitgrößte Stadt Nie-dersachsens. Sie liegt internationalbetrachtet in verkehrsräumlich gün-stiger Lage mitten in Europa, imnationalen Bereich ist die Verbin-dung Ruhrgebiet-Hannover-Braun-schweig-Magdeburg-Berlin bedeut-sam.

Begonnen hat Braunschweigs Ge-schichte vor etwa 1000 Jahren, alssich der Rast- und Stapelplatz(„Wik“) zu einem wichtigen Kreuz-weg mittelalterlichen Fernhandelsentwickelte. Von hier ab wurde dieOker schiffbar und wies dem vonSüden kommenden Verkehr überAller und Weser den Weg über Bre-men zur Nordsee. Dies trug Braun-schweig seit dem 13. Jahrhundertbis zu deren Auflösung im 17. Jahr-hundert eine Mitgliedschaft in derHanse ein und ließ die Stadt zu ei-ner der mächtigsten Städte jenerEpoche erstarken.

Im 12. Jahrhundert wählte Hein-rich der Löwe Braunschweig zu sei-ner Residenz und errichtete seine

Stadt AurichBgm.-Hippen-Platz 126587 AurichTelefon 0 49 41 / 12-0Fax 0 49 41 / 1 22 14

Städte in Niedersachsen – Kurzporträts 249

zahlreiche renommierte wirtschafts-nahe Forschungseinrichtungen inBraunschweig vertreten, z. B. diePhysikalisch-Technische Bundesan-stalt (PTB), der Standort der Atom-uhr. Sie bekräftigt die Behauptung:„In Braunschweig wird die Zeit ge-macht“.

Hohe Wohnqualität und einereizvolle natürliche Umgebungkommen als attraktive Standortvor-teile hinzu. Auch für Tagungen undKongresse hat sich Braunschweig alshervorragender Standort qualifi-ziert, wovon sich bereits unzähligeWissenschaftlerinnen und Wissen-schaftler überzeugt haben.

Braunschweig verfügt über einelebendige, interessante und ab-wechslungsreiche Innenstadt, diemit ihren ausgedehnten Fußgänger-zonen, gesäumt von attraktiven Ge-schäften, Kaufhäusern und neuenarchitektonisch gelungenen City-Passagen, Cafés und Lokalen zu ei-nem Einkaufsbummel einlädt.

Die Stadt ist über die Autobahnen2, 7 und 39, per IC und ICE und so-gar mit einigen Flugverbindungenschnell und bequem zu erreichen.

Weitere ausführliche Informa-tionen über Braunschweig erhaltenSie im Internet unter der Adresse„http://www.braunschweig.de“.

Stadt BraunschweigAmt für Stadtentwicklung undStadtmarketingBohlweg 3038100 BraunschweigTelefon 05 31 / 4 70-21 69Fax 05 31 / 4 70-44 45

Burglöwe Foto: Stadt Braunschweig

Celle – Zwischen Historie und Moderne

Die Stadt Celle hat rund 73.500Einwohner und 220.000 weitere imnäheren Einzugsgebiet. Das Stadt-gebiet erstreckt sich auf einer Flächevon 17.496 Hektar, davon werden

6.551 landwirtschaftlich genutzt,5.826 Hektar sind Waldflächen.

Celles Geschichte beginnt um 990 n. Chr.. Unter dem Namen Kellu(Siedlung am Fluss) wurde die Stadt

250 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts

Niedersächsischen Land-gestüt ebenso wie dasBomann-Museum mitseinem Spektrum vonHeimatkunde bis zur Ge-genwartskunst, ein Kon-gress- und Tagungszen-trum und eines dergrößten JugendzentrenDeutschlands in der ehe-maligen Cambridge-Dra-goner-Kaserne.

Das Schulsystem glie-dert sich in Celle in 16Grundschulen, fünf Ori-

entierungsstufen, drei Sonderschu-len, sechs Haupt-, drei Realschulenund vier allgemein bildende Gym-nasien. Daneben gibt es zwei Fach-gymnasien mit den SchwerpunktenWirtschaft und Technik. Alternati-ven bieten die vier BerufsbildendenSchulen der Fachrichtungen Wirt-schaft und Verwaltung, Technik, So-zialwesen und Gesundheitspflege,Landwirtschaft und Ernährung. Umdie Erwachsenenbildung kümmernsich Volkshochschule und Familien-bildungsstätte. Führungskräfte ausOsteuropa erhalten in der Deut-schen Management Akademie dasnötige Rüstzeug in Sachen Markt-wirtschaft.

In den rund 3.400 Celler Gewer-bebetrieben sind etwa 30.000 Ar-beitnehmer beschäftigt. Da das„schwarze Gold“ die Region einstberühmt machte, ist es kein Wun-der, dass sich zahlreiche Unterneh-

erstmals urkundlich erwähnt. Heuteist dort der Ortsteil Altencelle be-heimatet. 1292 wurde die Stadt dreiKilometer flussabwärts neu gegrün-det – Gründungsvater: Herzog Ottoder Strenge. Celle wird Residenz derbraunschweig-lüneburgischen Her-zöge, kann sich somit bis heute Her-zog- oder Residenzstadt nennen –mittlerweile 706 Jahre jung.

Die Stadt, geprägt von ihren rund450 denkmalgeschützten Fachwerk-häusern, verdankt den Herzögen ei-nige ihrer Hauptsehenswürdigkei-ten. Angefangen beim Schloss überdie Stadtkirche (1308) mit Fürsten-gruft und Fürstenstuhl bis hin zumbarocken Schlosstheater (1674), zu-gleich das älteste bespielte deutscheTheater mit festem Ensemble.

Das kulturelle Leben in Celle istgeprägt vom Miteinander von His-torie und Moderne. So findet mandie traditionelle Hengstparade im

Schloss Foto: Peter Hoffmann

Städte in Niedersachsen – Kurzporträts 251

men der Erdölzulieferindustrie inder Stadt ein deutsches Standbeingeschaffen haben. Deshalb ist Cellein Fachkreisen auch als das „Hou-ston Europas“ bekannt. Ein nicht zuunterschätzender Wirtschaftsfaktorist der Tourismus. Davon zeugenjährlich 650.000 Besucher aus allenKontinenten.

Stadt CelleInformations- und PressedienstRathaus29201 CelleTelefon 0 51 41 / 1 25 77Fax 0 51 41 / 1 27 55 77

Göttingen – Universitätsstadt

Altes Rathaus mit Marktplatz undGänselieselbrunnen Foto: Helmut Scheiter

Stadt einen neuen Aufschwung. DerRuf der Universität zieht Lernendeund Lehrende aus allen Ländern indie Stadt – ein Zeichen der Interna-tionalität, die die Stadt bis heuteprägt. 1964 wird Göttingen durchden Zusammenschluss mit den Um-

Die Universitätsstadt Göttingenliegt im Süden Niedersachsens, zwi-schen Harz und Weser im oberen Talder Leine, an der Kreuzung der Bun-desstraßen 3 und 27. Mit der BAB 7und der Nord-Süd-Strecke der Deut-schen Bahn ist die Stadt an überre-gionale Verkehrsnetze angebun-den. Mit seinen 132.000 Einwoh-nern ist Göttingen das Oberzentrumder Region.

Erstmalige urkundliche Erwäh-nung findet Göttingen 935 als „Gut-ingi“, um 1210 erhält der Ort dieStadtrechte. Eine frühe wirtschaftli-che und politische Blütezeit erlebtdie günstig an einer Leinefurt undzwei bedeutenden Handelswegenliegende Stadt im Hochmittelalter,auch durch die Mitgliedschaft in derHanse in den Jahren 1351 bis 1572belegt. Durch die Reformationskrie-ge im 16. Jahrhundert und im Zugedes 30-jährigen Krieges wird Göttin-gen zum bedeutungslosen Land-städtchen. Erst mit der Gründungder Universität 1734 nimmt die

252 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts

landgemeinden Großstadt und er-reicht damit seine heutige Größe.

Göttingen ist Wirtschaftsmittel-punkt des südniedersächsischenRaumes. Die Wirtschaft der Stadt istgeprägt durch einen expandieren-den Dienstleistungssektor, Verlage,Mess- und Regeltechnik, Laser-Tech-nik, Anlagenbau, feinmechanisch-optische Betriebe sowie Aluminium-und Holz verarbeitende Industrie.Die Gothaer Lebensversicherung, äl-testes deutsches Lebensversiche-rungsunternehmen, befindet sichseit 1945 in der Stadt.

Neben der Universität, mit ihrenrund 28.000 Studenten größte Bil-dungseinrichtung der Stadt, hat sicheine Vielzahl weiterer Forschungs-und Bildungsinstitute in Göttingenangesiedelt. So ist die Stadt u. a. Sitz der Niedersächsischen Staats-und Universitätsbibliothek mit über 5 Millionen Bänden, von Fachhoch-schulen, mehrerer Institute derMax-Planck-Gesellschaft und ande-rer international bekannter For-schungseinrichtungen, unter ihnendas Institut für den wissenschaftli-chen Film (IWF), das Deutsche Pri-

matenzentrum und die DeutscheForschungsanstalt für Luft- undRaumfahrt (DLR) sowie das neu ge-schaffene Otto-Hahn-Zentrum.

Das kulturelle Leben der Stadt istvon einer ausgesprochenen Vielfaltgeprägt. Zwei Sprechbühnen, dasGöttinger Symphonieorchester, Mu-seen, Galerien wecken ebenso Inter-esse wie regelmäßig wiederkehren-de kulturelle Großveranstaltungenwie die Händel-Festspiele, das gro-ße Altstadtfest und der GöttingerLiteraturherbst.

Sehenswert ist für den auswärti-gen Besucher vor allem die von denehemaligen Wallanlagen umgebe-ne historische Innenstadt mit AltemRathaus, dem berühmten Gänselie-selbrunnen, mehreren bedeuten-den Kirchen, zahlreichen Fachwer-kensembles aus Gotik, Renaissanceund Barock und den historischenUniversitätsgebäuden aus der Grün-derzeit.

Stadt Göttingen,Hiroshimaplatz 1-437083 GöttingenTelefon 05 51 / 4 00-0Fax 05 51 / 4 00-70 00

Goslar – UNESCO-Weltkulturerbe und EXPO-Stadt

Die alte Kaiserstadt Goslar liegt inSüdost-Niedersachsen und ist mit rd.50.000 Einwohnern mit einem Ein-zugsgebiet von ca. 250.000 Einwoh-nern das wirtschaftliche, kulturelle

und touristische Zentrum der Harz-Region. Sie wurde 922 von KönigHeinrich I. als Kaufmannsniederlas-sung gegründet. Ihre Geschichte istuntrennbar mit der des Rammels-

Städte in Niedersachsen – Kurzporträts 253

bergs verbunden, indem seit 968 Erze abge-baut wurden. Die auf-grund der reichen Sil-berfunde von KaiserHeinrich II. Anfang des11. Jahrhunderts ange-legte Kaiserpfalz wur-de unter den salischenKaisern Heinrich III.und Heinrich IV. sowieunter dem Staufer Frie-drich I. Barbarossa zum„clarissimum regni do-micilium“ – zur Haupt-residenz im Heiligen RömischenReich. Über 100 glanzvolle Reichsta-ge fanden hier statt, 200 Jahre langwurde hier deutsche und europäi-sche Geschichte gemacht.

Der kaiserlichen Epoche folgtedie Blütezeit Goslars als reichsfreieStadt (seit 1290). Seit 1267 gehörteGoslar der Hanse an. Die aus Gosla-rer Silber geprägten Sachsen-Pfen-nige und Otto-Adelheid-Pfennigegalten zur damaligen Zeit als dasbeliebteste Zahlungsmittel im Nor-den und Osten Europas. Die Kaiser-pfalz, die alten Kirchen, Klöster undStifte, das historische Rathaus mitdem Huldigungssaal sowie zahlrei-che Bürger- und Gildehäuser wiedas Brusttuch, das Bäckergildehausund die Kaiserworth – 1000 Bürger-und Gildehäuser stammen aus derZeit von vor 1850, davon allein 158aus der Zeit vor 1550 – sind sichtba-re Zeichen für den Wohlstand jener

Zeit und bieten heute das ein-drucksvolle Bild einer in dieserGröße und Geschlossenheit inDeutschland nur noch selten anzu-treffende mittelalterlichen Stadt.Die gesamte Altstadt Goslars unddas ehemalige Erzbergwerk Ram-melsberg sind 1992 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes auf-genommen worden. Beide sindBestandteil des dezentralen Pro-gramms der EXPO 2000 in Hanno-ver.

Nach der Schließung des Berg-werkes 1988 weist Goslar heute ei-ne breit gefächerte mittelständischeWirtschaftsstruktur – u. a. Papier-und Glasindustrie, Chemieindustrie,Metall- und Kunststoffverarbei-tung, Elektrotechnik, Textilbetriebe– auf. Zahlreiche Dienstleistungsun-ternehmen, ein ausgeprägter Ein-zelhandel und ein starker Fremden-und Tagungsverkehr runden dieses

Kaiserpfalz Foto: Stadt Goslar

Hameln – Rattenfängerstadt

254 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts

Bild ab. Goslar hat jährlich 1,5 bis 2 Millionen Touristen in derKernstadt und im heilklimatischenKurort Hahnenklee.

Seit 1975 vergibt die Stadt einender weltweit renommiertesten Prei-se für moderne Kunst, den Kaiser-ring, den u. a. Henry Moore, MaxErnst, Victor Vasarély, Joseph Beuys,Richard Serra und Christo erhaltenhaben. Alle zwei Jahre verleiht dieStadt einen Preis zur Förderung der

deutschen Unterhaltungsmusik, denPaul-Lincke Ring, so genannt nachdem Schöpfer der Berliner Operet-te, der 1946 auf dem Waldfriedhofin Hahnenklee seine letzte Ruhe-stätte gefunden hat.

Stadt GoslarRathaus38615 GoslarTelefon 053 21 / 7 04-2 26Fax 0 53 21 / 7 04-2 19

Der Beiname „Rattenfänger-stadt“ ist untrennbar mit Hamelnverknüpft. Nicht zu Unrecht hat dertschechische Dramatiker und PoetPavel Kohout einmal gesagt, Ha-meln sei „eine Stadt der Poesie, dieaus der Phantasie lebt und zu lebenweiß“.

Bis heute ist die Rattenfängersa-ge ein Mysterium geblieben. DerRattenfänger ist zweifellos die inder Welt bekannteste Sagengestalt.Der Ursprung der Sage läßt sich aufein genaues Datum zurückführen.In einer in Lüneburg entdecktenHandschrift aus der Zeit um 1430wird dokumentiert, dass am 26. Juni1284 130 Kinder aus Hameln einemseltsamen Pfeifer durch das Stadttorfolgten und verschwanden. Heute lockt der Rattenfänger Touri-sten in die Stadt. Etwa zwei Millio-nen Tagesgäste kommen jährlich.Besonderer Anziehungspunkt: die

prächtigen Fachwerk- und Weser-renaissancegebäude im Herzen derAltstadt. Diese Gebäude zu erhal-ten, war eine der Hauptzielsetzun-gen der Altstadtsanierung. Hamelngilt hier bundesweit als Modellfall.Die Altstadt ist ein Kulturdenkmalvon internationalem Rang gewor-den, aber sie ist zugleich der leben-dige Mittelpunkt der Stadt geblie-ben.

Die ältesten Siedlungskerne Ha-melns liegen an der Weser, wo eineFurt eine historische Römerstraßedurch den Fluss führte. Hier muss esein Fischerdorf Namens „Hamela“gegeben haben, dessen genaue La-ge nicht bekannt ist. Durch Ausgra-bungen und Funde unter der Kryptades heutigen Münsters Sankt Boni-fatius wissen wir von der Gründungeines Klosters durch Mönche ausFulda im Jahr 800, also zur Zeit Karldes Großen. Schon um 1100 war Ha-

Städte in Niedersachsen – Kurzporträts 255

meln in das bundesweite Tagungs-geschäft eingestiegen.

Gute Chancen sieht die Stadtauch in der Entwicklung von Zu-kunftstechnologien. Eine Fachmessefür Solartechnik hat sich fest in Ha-meln etabliert und inzwischen einbeachtliches Renommee erworben.Durch das SolarforschungsinstitutHameln/Emmerthal ist diese Tech-nologie ständig in Hameln präsent.Und das ist – da ist Pavel KohoutsZitat zurechtzurücken – nicht nurPhantasie, sondern konkrete Rea-lität.

Stadt HamelnRathausplatz 1, 31785 HamelnTelefon 0 51 51 / 2 02-0Fax 0 51 51 / 2 02-5 69

meln ein bedeutender Marktortund Handelsplatz, um 1200 erfolgtedie erste urkundliche ErwähnungHamelns als Stadt. Eine wirtschaftli-che Hochblüte erlebte die Stadt im16. und 17. Jahrhundert. In dieserZeit wurden die meisten der präch-tigen Altstadtbauten für die reichenZunft- und Handelsherren gebaut.

Von ihrer Geschichte allein kanndie 60.000-Einwohner-Stadt im We-serbergland, 45 Kilometer südwest-lich von Hannover gelegen, natür-lich nicht leben. Größter Arbeitge-ber ist die BHW-Gruppe; Hamelngilt als bedeutender Bankenplatzund wichtiges Einkaufszentrum fürdie gesamte Region. Mit dem neuen„Weserbergland-Zentrum“ ist Ha-

Rattenfänger-Freilichtspiel Foto: Stadt Hameln

Landeshauptstadt Hannover – Stadt der EXPO 2000

256 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts

Hannover, seit 1946 dieHauptstadt Niedersa-chens, ist nicht nur wirt-schaftlicher, wissenschaft-licher und kultureller Mit-telpunkt des Landes, son-dern auch die Stadt, inder die erste Weltausstel-lung, die EXPO 2000, inDeutschland stattfindenwird.

Die Stadt ist der Kerneiner Region von derGröße des Saarlandes, inder über 1,1 MillionenEinwohner leben. Frühereher in einer Randlagegelegen, ist sie nach den immensen politischenVeränderungen des letz-ten Jahrzehnts ins Zen-trum Europas gerückt. Hannoverliegt im Schnittpunkt der wichtigs-ten europäischen Straßen- und Ei-senbahnverbindungen, ist über Bin-nenwasserwege mit Berlin, Ham-burg und den Industriezentren anRhein und Ruhr verbunden und hateinen leistungsfähigen Flughafen.

In der Region Hannover werden20 Prozent der Bruttowertschöp-fung des Landes Niedersachsen er-wirtschaftet. Fahrzeug- und Maschi-nenbau, Bürobedarf und Unterhal-tungselektronik, Nahrungs- und Ge-nussmittel sind die Eckpfeiler derWirtschaft. Hannover hat sich aber

Königliche Gärten Herrenhausen Foto: Klaus Hoffmann

auch mehr und mehr zu einemDienstleistungszentrum vor allemim Banken- und Versicherungswe-sen und dem zukunftsträchtigenBereich der Telekommunikationentwickelt. Als bedeutendes Zen-trum der Wissenschaft verfügt Han-nover über Forschungs- und Ausbil-dungskapazitäten sowie Entwick-lungspotential wie kaum eine ande-re bundesdeutsche Großstadt: Über300 private und öffentliche wissen-schaftliche Einrichtungen sind hierangesiedelt.

Kunst und Kultur sind in Hanno-ver vielfältig erlebbar. Mit dem

Städte in Niedersachsen – Kurzporträts 257

Ein Kulturdenkmal anderer Art,das weit über Hannovers Grenzenbekannt ist, sind die HerrenhäuserGärten. Der Große Garten, der Berg-garten und der Georgengarten zie-hen in jedem Jahr zigtausende Be-sucherinnen und Besucher aus derganzen Welt an. Nicht nur diesehistorischen Gärten haben zum RufHannovers als Großstadt im Grünenbeigetragen. Immerhin die Hälftedes Stadtgebietes sind Grünanlagenund Forsten, landwirtschaftlich odergärtnerisch genutzte Flächen undGewässer.

Eine Herausforderung, aber aucheine große Chance für Hannover istdie EXPO 2000. Unter dem Motto„Mensch-Natur-Technik“ wird hiervom 1. Juni bis 31. Oktober des Jah-res 2000 die erste Weltausstellungin Deutschland stattfinden. Sie sollBeiträge für die Lösung der vielfälti-gen Probleme und Anforderungenzeigen, denen sich die Welt an derSchwelle zum dritten Jahrtausendgegenüber sieht. Darüber hinauswird sie Unterhaltung und Themenanbieten, die ein sehr breites Publi-kum ansprechen und nach Hanno-ver bringen werden.

Landeshauptstadt HannoverPresse- und InformationsamtTrammplatz 230159 HannoverTelefon 05 11 / 1 68-4 26 50Fax 05 11 / 1 68-4 53 51

„Straßenkunstprogramm“ hat dieStadt schon Anfang der siebzigerJahre Schlagzeilen gemacht. Dieseinerzeit heiß umstrittenen Nanasder Niki de Saint Phalle am HohenUfer sind aus dem Stadtbild nichtmehr wegzudenken. Über zweihun-dert weitere Skulpturen und Kunst-objekte stehen heute in HannoversStraßenraum. Beachtenswert sindauch die in den neunziger Jahrengeschaffenen „Busstops“.

Mit dem Sprengel Museum, demKestner Museum, dem HistorischenMuseum, dem NiedersächsischenLandesmuseum, dem Wilhelm-Busch-Museum / Deutsches Museumfür Karikatur und kritische Grafikund vielen Spezialmuseen gilt Han-nover als Mekka für Museumsfreun-de. Dazu kommen zahlreiche Galeri-en. Opernhaus, Ballhof, das Schau-spielhaus und rund vierzig kleinereTheater bieten ein hervorragendesAngebot.

In der Musikszene reicht die Aus-wahl von der Klassik bis zum Tech-no. Das Niedersächsische Staatsor-chester und das NDR-Rundfunkor-chester bieten Konzerte auf hohemNiveau, Mädchen- und Knabenchorsind international bekannt. Aller-erste Adresse für Jazzfans ist derJazzclub auf dem Lindener Berg. Dieweltberühmten „Scorpions“ kom-men aus Hannover, ebenso wie„Fury In The Slaughterhouse“ und„Scooter“.

258 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts

Hildesheim, eine moderne Groß-stadt mit 110.000 Einwohnern, ist20 Kilometer südlich des EXPO2000-Geländes gelegen.

Die Stadt wird geprägt einerseitsdurch die Universität und Fachhoch-schulen, andererseits durch ihreberühmten kulturhistorischen Kost-barkeiten.

Der Hildesheimer Marktplatz istnach seiner originalgetreuen Re-konstruktion wieder zu einem be-liebten Anziehungspunkt für Besu-cher und Einheimische geworden.Das Knochenhaueramtshaus (1529),als schönstes Fachwerkhaus derWelt gerühmt und ein Juwel bür-gerlicher Baukunst, sowie dasBäckeramtshaus (1800), wurden von1987 bis 1989 wieder aufgebaut. In den oberen Geschossen des

Knochenhaueramtshauses befindetsich das Stadtmuseum.

Der Dom (872), Um- und Erweite-rungsbauten im 11., 12. und 14.Jahrhundert, wurde von 1950 –1960 wieder aufgebaut. An seinerApsis befindet sich der weltberühm-te Tausendjährige Rosenstock. DieBernwardinischen Bronzegüsse –doppelflügige Bronzetür (1015) undChristussäule (1020) – sind UNESCO-Weltkulturgüter.

St. Michael (1010 – 1033) wurdevon 1950 – 1957 wieder aufgebaut.Sie ist eine der schönsten frühroma-nischen Kirchen Deutschlands undUNESCO-Weltkulturgut.

In Hildesheim werden Kultur-und Freizeitangebote groß ge-schrieben: Das Roemer- und Pelizae-us-Museum beherbergt Sammlun-gen von Weltrang zu Altägyptenund Alt-Peru. Die seit 1976 alljähr-lich veranstalteten spektakulärenSonderausstellungen sahen dreiMillionen Besucherinnen und Besu-cher. Das Dom-Museum präsentiertausgewählte Kostbarkeiten aus derGeschichte des Doms und den be-deutenden Domschatz mit wertvol-len mittelalterlichen Kunstwerken.

Das Stadttheater mit Oper, Ope-rette, Musical, Schauspiel, Ballettund Konzert erregt durch außer-gewöhnliche Aufführungen immerwieder überregionales Interesse.

Hildesheim – Tor zur EXPO 2000

Dom Foto: Andreas Hartmann

Städte in Niedersachsen – Kurzporträts 259

Intensive Pflege erfahren das zeit-genössische Schauspiel sowie dasKinder- und Jugendtheater. „VierLinden“, „Bischofmühle“, „Kultur-Fabrik“ und zahlreiche weitere Ein-richtungen sorgen für eine leben-dige kulturelle Szene.

Wirtschaftliche Prägung erfährtdie Stadt durch den größten nord-deutschen Standort von Bosch unddie Entwicklungsmöglichkeiten aufeinem der größten niedersächsi-schen Industrie- und Gewerbeareale

im Süden Hannovers, der Messe undder Weltausstellung EXPO 2000.

Attraktiv gestaltete Fußgänger-zonen und Geschäftsstraßen, einevielfältige Hotellerie und Gastrono-mie sowie zahlreiche Wald-, Grün-,Sport- und Wasserflächen schaffeneine hohe Lebensqualität.

Stadt HildesheimPresse- und ÖffentlichkeitsarbeitMarkt 1, Postfach 10 12 55Telefon 0 51 21 / 3 01-7 49Fax 0 51 21 / 3 01-1 49

Lüneburg – Eine aufstrebende Hochschulstadt

Junges Leben in historischenGemäuern – das ist Lüneburg. DasOberzentrum Nordostniedersach-sens, südöstlich von Hamburg gele-gen, hat sich im zurückliegendenJahrzehnt erheblich gewandelt, istvielfältiger und interessanter ge-worden. Zahlreiche Verwaltungenund Gerichte sind geblieben, aber:Aus der ehemaligen Garnisonsstadtist eine Stadt der Hochschulen ge-worden. An Universität und Fach-hochschule studieren mittlerweileüber 10.000 junge Menschen. Ten-denz steigend. Dementsprechendwächst die Einwohnerzahl Lüne-burgs stetig, liegt mittlerweile(Stand 1. September 1998) bei über68.000.

Was kommt nach den Soldatenund ihren Familien? Diese Frageschwebte Anfang der 90er Jahre

wie ein Damoklesschwert über Lü-neburg. Den Ost-West-Konflikt gabes nicht mehr, zwei der drei Kaser-nen in der Stadt wurden geschlos-sen. Ein in Deutschland einmaligesProjekt war die Antwort. Aus einerBundeswehrkaserne wurde ein Uni-versitätscampus. Diese sog. Konver-sion ist ein großer Erfolg. Studierenin Lüneburg ist angesagt.

Wie das Projekt Konversion abge-laufen und wie erfolgreich es ist,sollen die Menschen aus aller Welterfahren. Die Region Lüneburg istdamit und dem Thema „Wende-punkte – Flusslandschaft Elbe“Außenstandort der WeltausstellungEXPO 2000 in Hannover.

Außergewöhnliche Studiengän-ge – praxisnah und an aktuellen Er-fordernissen orientiert – machen ei-nen zusätzlichen Reiz aus. Die Uni

260 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts

und die ebenfalls um-fangreich ausgebau-te Fachhochschulebieten beispielsweiseAngewandte Kultur-wissenschaften, Um-weltwissenschaften,Wirtschaftsrecht undAngewandte Auto-matisierungstechnikan. Klassische Studi-engänge im BereichWirtschaftswissen-schaften, Informatiksowie Sozial- und Er-ziehungswissenschaf-ten fehlen aber auch nicht.

Ziel der Stadt Lüneburg ist es, diejungen Hochschulabsolventen auchnach dem Studium zu halten. Des-halb arbeitet sie daran, ein noch at-traktiverer Wirtschaftsstandort mithochwertigen Arbeitsplätzen zuwerden. Die geographische Lageund die Verkehrsanbindung sind fürWirtschaftsunternehmen bestens.Der Hamburger Hafen und die In-nenstadt sind über die A 250 in ei-ner guten halben Stunde zu errei-chen. Hannover (1,5 Stunden perAuto, 1 Stunde per Bahn) und Berlin(jeweils 2,5 Stunden) sind ebenfallsnicht weit. Der Elbeseitenkanalführt an Lüneburg vorbei.

Die Innenstadt Lüneburgs bietetzahlreiche Reize, vor allem histori-sche Gebäude. Die Stadt ist erstmals956 urkundlich erwähnt. Im Mittel-alter waren es die Solevorkommen,

die sie zu einem der reichsten Mit-glieder der Hanse machten. Das„weiße Gold“ Salz ließ es der Stadtgut gehen. Im 17. Jahrhundert wares damit allerdings vorbei – anders-wo wurde das preiswerte Meersalzgewonnen, Lüneburg verlor seineBedeutung als Produktionsstandort.

Die alte Hansestadt bietet zahl-reiche touristische Highlights: histo-rische Innenstadt mit Rathaus,Brauerei-Museum, Deutsches Salz-museum, Museum für das Fürsten-tum Lüneburg, Naturmuseum, Ost-preußisches Landesmuseum, KlosterLüne, Freizeitbad SaLü.

Stadt LüneburgPresse- und InformationsstelleScharnhorststr. 1, 21332 LüneburgTelefon 0 41 31 / 78-10 07 Fax 0 41 31 / 78-10 97

Rathaus Foto: Stadt Lüneburg

Städte in Niedersachsen – Kurzporträts 261

Als ehemalige Residenz derGroßherzöge und Landeshaupt-stadt bildet die BezirkshauptstadtOldenburg heute den wirtschaftli-chen und kulturellen Mittelpunktder Region zwischen Weser undEms. Mit rund 153.000 Einwohnern(Tendenz: steigend!) ist sie die viert-größte Stadt in Niedersachsen. DasStadtgebiet ist mit 103 Quadratkilo-metern vergleichsweise groß, wasan dem hohen Anteil von Ein- undZweifamilienhäusern liegt, die Ol-denburg zugleich den Charakter ei-ner „Gartenstadt“ verleihen.

Die Stadt entstand im Mittelalter,bedingt durch die günstige Lage aneiner Furt über die Hunte, einerBurg, der „Aldenburg“, die 1108erstmals urkundlich erwähnt wurde.1345 erhielt der Ort Stadtrecht.Durch geschickte Di-plomatie blieb Olden-burg von den Wirrendes DreißigjährigenKrieges verschont,aber durch die Pest(1667) und den gro-ßen Stadtbrand (1676)wurde es zurückge-worfen. Erst im 19.Jahrhundert entwik-kelte sich die Stadtwieder, jetzt als Resi-denzstadt der Groß-herzöge von Olden-burg, ab 1919 als

Hauptstadt des Freistaates Olden-burg und nach dem Zweiten Welt-krieg als Sitz des Präsidenten desVerwaltungsbezirkes Oldenburg.Seit 1978 ist die Stadt Sitz der Be-zirksregierung Weser-Ems.

Die wirtschaftliche Struktur Ol-denburgs ist geprägt von wenigenIndustrie-, aber zahlreichen Dienst-leistungsbetrieben. Banken, Versi-cherungen, Unternehmensberatun-gen sowie große Handelsunterneh-men haben ihren Sitz in der Stadt.Bedingt durch das große Einzugsge-biet spielt auch der Einzelhandel,besonders die seit 1967 bestehendeFußgängerzone, eine wesentlicheRolle. An der Verbindung von Hun-te und Küstenkanal hat Oldenburgzudem den umschlagstärksten Bin-nenhafen Niedersachsens.

Oldenburg – Mittelpunkt zwischen Weser und Ems

Schloss und Schlossplatz Foto: Stadt Oldenburg

Nordrhein-Westfalen) und Teile derNiederlande berührt, hat Osnabrückvon jeher eine führende Rolle ge-spielt. Ihre Existenz verdankt die

drittgrößte Stadt Nie-dersachsens einer weitblickenden Standort-entscheidung Karls desGroßen vor mehr als1200 Jahren. Er gründe-te 780 einen Bischofs-sitz an einem Kno-tenpunkt alter Han-delsstraßen. Einen Platzin der europäischen Ge-schichte erhielt Osna-brück als Verhand-lungsort des Westfäli-schen Friedens (1648).

Als Zentrum einer Wirtschaftsre-gion mit rund 1,2 Millionen Einwoh-nern, die grenzüberschreitend zweiBundesländer (Niedersachsen und

262 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts

Neben der Carl von Ossietzky Uni-versität (13.000 Studenten) und derFachhochschule (2.000 Studenten)sowie dem Niedersächsischen Studi-eninstitut für Kommunale Verwal-tung haben das Bundesinstitut fürOstdeutsche Geschichte und Kultursowie das Staatsarchiv ihren Sitz inOldenburg. Das Staatliche Museumfür Naturkunde und Vorgeschichte,das Landesmuseum für Kunst undKulturgeschichte und das Stadtmu-seum unterstreichen neben demStaatstheater, der Kulturetage unddem Figurentheater Laboratoriumden Rang Oldenburgs als kulturellesOberzentrum der Region.

Zu den besonderen Sehenswür-digkeiten zählen neben dem Schlossund der Lambertikirche zahlreicheweitere Baudenkmäler aus fünfJahrhunderten Geschichte. Zahlrei-che historische Parkanlagen, so derSchlossgarten, die wiederhergestell-ten Wallanlagen oder das EverstenHolz gaben Oldenburg den Beina-men der „Großstadt im Grünen“.

Stadt OldenburgPresseamtWallstr. 1426122 OldenburgTelefon 04 41 / 2 35-21 27Fax 04 41 / 2 35-28 80

Osnabrück – Stadt des Westfälischen Friedens

Rathaus Foto: Peter Hoffmann

Städte in Niedersachsen – Kurzporträts 263

Mit rund 158.000 Einwohnern istOsnabrück wirtschaftliches und kul-turelles Oberzentrum im westlichenNiedersachsen und Herzstück desOsnabrücker Landes. Sein Freizeit-wert profitiert von der reizvollen La-ge zwischen Teutoburger Wald undWiehengebirge mit zahlreichenHeilbädern in unmittelbarer Nach-barschaft. Den Eindruck einer altenStadt mit Tradition vermitteln goti-scher Dom und Barockschloss sowiedie als Besucherziel sehr beliebtehistorische Altstadt mit mittelalter-lichen Wehranlagen und Fachwerk-häusern.

Auch wenn die Stadt es auf denersten Blick nicht zu erkennen gibt,ist sie eine bedeutende Industrie-stadt. Die Palette der in Osnabrückproduzierten Industriegüter umfasstnahezu alle Sparten. Jedoch mehrals die Hälfte aller Industriearbeits-plätze werden auf dem Metall verar-beitenden Sektor angeboten. DerFahrzeugbau, die Kupferverarbei-tung und der Maschinenbau domi-nieren. Dazu ist die Papierindustrieein weiteres kräftiges Standbein.Das überproportional vertreteneVerkehrsgewerbe stärkt OsnabrücksPosition als herausragendes Logis-tik- und Dienstleistungszentrum.

Die zur Spitzengruppe der Hoch-schulneugründungen gehörendeUniversität, die Fachhochschule mitihren stark gefragten internationa-len Studiengängen sowie die inOsnabrück ansässige Deutsche Bun-

desstiftung Umwelt sind wichtigePotentiale zur Erzeugung eines in-novativen Klimas.

Im kulturellen und stadtgestalte-rischen-ästhetischen Bereich kannOsnabrück mit einem ganzen Bün-del attraktiver Angebote aufwarten,das vom Theater bis zum Botani-schen Garten reicht.

Das alljährliche europäische Me-dienkunstfestival und die Ausstel-lungen in der Kunsthalle Dominika-nerkirche finden bundesweit und in-ternational Beachtung. In der reichgegliederten Museumslandschaft istdas Felix-Nussbaum-Haus die jüng-ste und zugleich spektakulärste Ein-richtung. Das von dem amerikani-schen Stararchitekten Daniel Libes-kind im dekonstruktivistischen Stilkonzipierte Haus für die Bilder desjüdischen Malers Felix Nussbaum er-regt weltweit Aufsehen.

Nicht zuletzt wird OsnabrücksProfil durch ein intensives friedens-politisches Engagement bestimmt.So verleiht die Stadt alle zwei Jahreden Erich Maria Remarque-Friedens-preis zur Erinnerung an das von tie-fem Humanismus geprägte Lebens-werk des aus Osnabrück stammen-den Schriftstellers und fördert dasRemarque-Friedenszentrum.

Stadt OsnabrückPresseamt, Rathaus49034 OsnabrückTelefon 0541/ 323-0Fax 0541/ 323-4353

Salzgitter – Stadt der Kontraste

264 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts

Salzgitter mit seinen 115.000 Ein-wohnern ist der drittgrößte Wirt-schaftsstandort in Niedersachsenund wurde am 1. April 1942 durchden Zusammenschluss von 21 Ge-meinden des Landkreises Wolfen-büttel und 8 des Landkreises Goslargegründet.

Der Name der Stadt geht auf diebis 1942 selbständige Stadt Salzgit-ter, das heutige Salzgitter-Bad,zurück. Ihr Gebiet umfasst 31 Stadt-teile auf 224 Quadratkilometern.Damit ist Salzgitter flächenmäßigeine der größten Städte der Bundes-republik.

Salzgitter bietet 50.000 Arbeits-plätze. Weltweite Bedeutung habendie Salzgitter AG – Stahl und Tech-nologie, die Fahrzeugproduktionfür Schiene durch Alstom (ehemals

LHB) und Straße durchVolkswagen und MANsowie die Herstellungelektronischer Steuer-geräte für die Kraftfahr-zeugindustrie (Bosch).Doch die Großunterneh-men sind nur eine Seiteder breit gefächertenWirtschaftsstruktur. Mit-telständische Firmen derPharmazie, Kunststoff-und Papierverarbeitung,Verpackungs- und Nah-rungsmittelindustrie,Handel, Handwerk und

Landwirtschaft runden das Bild ab.Salzgitter ist Sitz des Bundesamtesfür Strahlenschutz und Standort desFachbereiches Transport- und Ver-kehrswesen der FachhochschuleBraunschweig/Wolfenbüttel.

Salzgitter ist aber auch ein aner-kanntes Solbad mit einer der stärks-ten Solequellen Deutschlands. DieStadt verfügt über ein modernesKurmittelhaus mit einem Thermal-Solewellenbad. Ausgedehnte Wäl-der bieten Ruhe und Erholung. DerSalzgittersee mit seinen 75 HektarWasserfläche ist zum Freizeitzen-trum Südostniedersachsens für denWassersport geworden. Salzgitterverfügt über eine moderne Eissport-halle und ein insbesondere beiLeichtathleten beliebtes Stadion amSalzgittersee.

Traditionsinsel in Salzgitter-BadFoto: Werbefotoarchiv der Stadt Salzgitter

Städte in Niedersachsen – Kurzporträts 265

Zeugen einer lebendigen Ge-schichte sind das der Weserrenais-sance entstammende StädtischeMuseum Schloss Salder, Schloss Rin-gelheim mit einer 1694 erbautenBarockkirche und wertvoller Orgel,die fast 1000-jährige WasserburgGebhardshagen, die Kapelle Enge-rode mit gotischen Fresken, eine derältesten Wallfahrtskirchen in Nord-deutschland, die malerische AltstadtSalzgitter-Bad mit der Traditionsin-sel und dem Rosengarten, das GutFlachstöckheim mit einem engli-schen Park, die Ruine der einst vonHeinrich dem Löwen erbautenmächtigen Burg Lichtenberg oderStift Steterburg.

Seit 1995 hat Salzgitter ein Wahr-zeichen – das Monument zur Stadt-geschichte vom Bildhauer ProfessorJürgen Weber. Es erzählt vom Lei-

den der Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge beim Aufbau der Indus-trie im Nationalsozialismus, von derFlucht aus der Heimat jenseits derOder und Neiße, vom Kampf gegendie Demontage des Stahlwerkesund dem Lebens- und Aufbauwillender Menschen. Die Stadt steht alsMusterbeispiel für die deutscheZeitgeschichte.

Kunst im öffentlichen Raum, Bür-gerfeste und Open-Air-Konzerteauf der Insel im Salzgittersee zeigenein weiteres Gesicht. Salzgitter stehtfür ein Kontrastprogramm.

Stadt SalzgitterReferat für ÖffentlichkeitsarbeitJoachim-Campe-Str. 6 – 838226 SalzgitterTelefon 0 53 41 / 8 39-0Fax 0 53 41 / 8 39-49 01

Stade – Historische Stadt mit moderner Industrie

Bereits im 8. Jahrhundert war Sta-de ein günstiger Hafen und Anlege-platz. Hier an der Schwinge, nur we-nige Kilometer von der Elbe ent-fernt, entwickelte sich schnell eineKaufmanns- und Handwerkersied-lung, die 994 erstmals schriftlich er-wähnt wurde, als die Askomannendie Stadt eroberten. In den folgen-den Jahrhunderten war Stade, Resi-denz eines bedeutsamen Grafenge-schlechts, der bedeutendste Hafenan der Unterelbe.

1209 erhielt Stade Stadtrecht undgehörte seit dem 13. Jahrhundertauch der Hanse an. Der Hafen wur-de aber bald zu klein, sodass Ham-burg seit dem 15. Jahrhundert denElbhandel weitgehend an sich zie-hen konnte. Stade blieb jedoch Mit-telpunkt des Elbe-Weser-Raumes.Als die Schweden 1645 das Land be-setzten, wurde die Stadt Verwal-tungszentrum, eine bedeutendeLandesfestung und Standort einerGarnison.

266 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts

Ein verheerenderStadtbrand zerstörte1659 zwei Drittel derHäuser und öffentli-chen Gebäude, dieaber schnell wiederher-gestellt wurden. DieFachwerkbauten des17. Jahrhunderts prä-gen seitdem das Bildder Stadt. Nach der dä-nischen Eroberung unddem Abzug der Schwe-den 1712 blieb Stadeauch unter hannoverscher Herr-schaft eine Festung, deren Anlagenim 18. und 19. Jahrhundert fast jedegewerbliche Entwicklung verhin-derten.

Erst 1867, unter preußischer Herr-schaft, wurde die Festung offiziellaufgegeben, die Garnison blieb je-doch erhalten. 1880 wurde ein neu-er Hafen angelegt, 1881 die Eisen-bahnlinie Harburg-Stade-Cuxhaveneröffnet. Damit begann eine ersteverspätete Industrialisierung.

Bis 1939 wuchs die Bevölkerungauf knapp 18.000, zu denen ab 1944als Folge des zweiten Weltkriegesnoch 12.000 Flüchtlinge und Ver-triebene kamen. Die wirtschaftlicheStrukturkrise nach dem ZweitenWeltkrieg verhinderte zunächst dieerforderliche Stadtsanierung. Einezweite Industrialisierung setzte1967/1968 ein, als das Land Nieder-sachsen ein über 600 Hektar großesIndustriegelände an der Unterelbe

zu erschließen begann. Das 1972ans Netz gehende Kernkraftwerklieferte preiswerte Energie für eingroßes Werk der Dow Chemical, das Produkte der Grundstoff- undSpezialitätenchemie herstellt, undzwei Aluminiumwerke der VAW/AOS, die 1972/73 ihren Betrieb auf-nahmen. Bereits 1962-64 hatte dieAkzo an der Elbe eine der größtendeutschen Salinen errichtet. Ins-gesamt wurden in dieser Zeit, zu-sammen mit einem Zweigwerk derMBB (heute DASA), die das Sei-tenleitwerk des Airbus herstellt,5.000 moderne Arbeitsplätze ge-schaffen.

Die 1973 einsetzende Wachs-tumsphase der Stadt war die ent-scheidende Voraussetzung für eineumfassende planvolle Stadterneue-rung. Die Altstadt wurde durchgrei-fend und gleichzeitig historischrücksichtsvoll saniert. Darüber hin-aus wurden neue kulturelle Schwer-

Der alte Hafen Foto: Stadtarchiv der Stadt Stade

Städte in Niedersachsen – Kurzporträts 267

Wilhelmshaven setzt Zeichen

punkte gesetzt mit der Restaurie-rung des schwedischen Proviant-hauses, seit 1977 Regionalmuseum,und dem Bau des 1989 eröffnetenKultur- und Tagungszentrums STA-DEUM. Die Verlegung des Regie-rungssitzes nach Lüneburg 1978und die vollständige Auflösung derGarnison 1993 waren allerdings tie-fe ökonomische Einschnitte.

Auch wenn Stade von den ver-schärften wirtschaftlichen Rahmen-

bedingungen nicht unberührt ge-blieben ist, so hat die Stadt, mitheute gut 45.000 Einwohnern, dochals Standort moderner ressourcen-schonender Industrie weiterhingute Wachstumschancen.

Stadt StadeJohannisstraße 521677 StadeTelefon 0 41 41 / 4 01-0Fax 0 41 41 / 4 01-1 02

Wilhelmshaven wurde 1869durch König Wilhelm I. von Preußengegründet. Auch heute noch ist dieStadt Deutschlands größter Marine-stützpunkt.

Das richtungsweisende Ziel fürdie Zukunft ist für die gesamte Re-gion die „EXPO AM MEER“ im Jahr2000, denn Wilhelmshaven ist seitOktober 1996 dezentrales, regis-triertes Projekt derWeltausstellung EXPO2000 in Hannover.

Beliebter Anzie-hungspunkt ist, nebenden vielen großflächigangelegten Grünanla-gen, der Wilhelmshave-ner Südstrand. Er istder einzige Südstrandan der deutschen Nord-seeküste. Mit seinersüdländisch anmuten-den Promenade lädt er

zu langen Spaziergängen am Meerein. Seewasseraquarium, National-parkzentrum „Das Wattenmeer-haus“, die Dauerausstellung „DerPottwal von Baltrum“ sowie das„Deutsche Marinemuseum“ sind at-traktive Anlaufpunkte.

Nur einen „Katzensprung“ vomSüdstrand entfernt, direkt nebender 1908/1909 erbauten Kaiser-Wil-

Hafen Foto: Stadt Wilhelmshaven

268 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts

helm-Brücke, liegen die Museums-schiffe „Kapitän Meyer“, ein alterTonnenleger, und das Weserfeuer-schiff „Norderney“. Der sich an-schließende Bontekai verbindetSüdstrand und Hafen mit der neuenmaritimen Mitte, der Nordseepas-sage.

Dieses neue Highlight in der Cityist von dem bekannten HamburgerArchitekten Meinhard von Gerk-hahn (Bahnhöfe Leipzig und Stutt-gart) entworfen und mit einemInvestionsvolumen von 150 Millio-nen Mark realisiert worden. AnfangSeptember 1997 wurde die „Nord-seepassage“ mit 60 Geschäften,Cafés und einem neuen, modernenBahnhof eröffnet.

Kulturell bietet die Nordseestadtmehr als nur Mittelmaß. Das Stadt-theater mit dem Sitz der Landes-bühne Niedersachsen Nord, Kunst-halle, Küstenmuseum, Stadthalle,private Galerien, und vor allem das

Kulturzentrum Pumpwerk, dessenRuf überregional ausstrahlt, sindEckpfeiler der Kulturszene in Wil-helmshaven.

Golfplatz, Freibäder, Tennis- undSquashcenter sowie eine großeFuncartbahn ergänzen das breit-gefächerte „Outdoor“-Freizeitan-gebot.

Weitere Sehenswürdigkeiten sinddas 1929 erbaute Rathaus mit sei-nem 49 Meter hohen Aussichtsturm,das 1906 im Stil der Neu-Renais-sance erbaute „Robert-Koch-Haus“und die historische preußische Ach-se von der Garnisonskirche über dieDenkmale König Wilhems I. und desPrinzen Adalbert bis zum Adalbert-platz.

Stadt WilhelmshavenPressereferat, Rathaus26380 WilhelmshavenTelefon 0 44 21 / 16-0Fax 0 44 21 / 16-12 22

Wolfsburg – Forschung und Innovation

Im Zentrum Deutschlands, karto-graphisch gesehen exakt 10Þ 47’östlicher Länge und 52Þ 25’ nördli-cher Breite, 60 m über dem Meeres-spiegel, erstreckt sich Wolfsburg –mit 20,4 Hektar fast so groß wie dieLandeshauptstadt. Die Stadt liegtverkehrsgünstig an der ICE-StreckeHannover-Berlin, am Mittellandka-nal und ist über die A 39 an die A 2angebunden.

Im Jahr 1938 ist Wolfsburg, da-mals noch „Stadt des KdF-Wagens“,auf grüner Wiese entstanden. Erstnach dem 2. Weltkrieg erhielt dieStadt ihren endgültigen Namen.Der Name „Wolfsburg“ ist aller-dings schon in einer Urkunde ausdem Jahr 1302 erwähnt. Dort wirddie Wolfsburg (ein Schloss an derAller, Namensgeber der Stadt) alsSitz eines Adelsgeschlechts ge-

Städte in Niedersachsen – Kurzporträts 269

lungen setzt darüber hinaus viel be-achtete bundesweite Akzente in derKunstszene.

Wer über Wolfsburg spricht,kommt nicht an der Volkswagen AGvorbei. Dass dort innovative Produk-te entwickelt und gebaut werden,ist bekannt. Nicht nur die Beleg-schaft, auch die Stadt hat von der 4-Tage-Woche profitiert.

Aber auch das Auto-MuseumVolkswagen und die im Entstehenbegriffene Neue Autostadt mitzahlreichen audio-visuellen Attrak-tionen, die es zum Vergnügen ma-chen werden, seinen neuen fahrba-ren Untersatz abzuholen, sowie dasvon VW der Stadt geschenkte Plane-tarium, das einzige Großplanetari-um in Niedersachsen, bereichern diekulturell-technischen Angebote derStadt.

nannt. Nach demKrieg nahm dieStadt eine stürmi-sche Entwicklung.Die Einwohner-zahl wuchs raschund erreichte1981 den Höchst-stand von über130.000 Einwoh-nern.

In jedem Jahr-zehnt entstandwenigstens einneuer Stadtteil,sodass sich inWolfsburg die Ar-chitektur der Bundesrepublik wider-spiegelt. Berühmte Architekten ha-ben Wolfsburg geprägt: Alvar Aaltoentwarf das Kulturhaus und zweiKirchen, Hans Scharoun plante dasTheater, das Kunstmuseum vonSchweger und Partner setzt einenbesonderen städtebaulichen Akzentam südlichen Stadteingang.

Generell gilt, dass Innovation undMut zum Neuen diese Stadt kenn-zeichnen. Das zeigt sich in besonde-rem Maße in der Kulturlandschaft.Schon früh begann die StädtischeGalerie mit viel Ideenreichtum undInitiative zeitgenössische Kunst zusammeln. Inzwischen umfasst dieseSammlung über 5.000 Gemälde, Pla-stiken, Skulpturen, Kunstwerke allerStilarten. Das Kunstmuseum Wolfs-burg der Kunststiftung Volkswagenmit seinen herausragenden Ausstel-

Kunstmuseum Foto: Jochen Fritzsche

270 Städte in Niedersachsen – Kurzporträts

Wolfsburg hat sich inzwischen zueinem wichtigen Standort der Fach-hochschule Braunschweig-Wolfen-büttel entwickelt. Zahlreiche Studi-engänge in den Fachbereichen Pro-duktions- und Verfahrenstechnik,Wirtschaft und Gesundheitswesenwerden hier angeboten. Inzwischensind hier 1.000 Studenten einge-schrieben.

Innovativ ist auch das EXPO 2000-Projekt „Nachwachsende Rohstof-fe“. Die Idee, Produkte statt aus

Kunststoffen auf Erdölbasis aus Na-turprodukten wie Raps zu konkur-renzfähigen Preisen herzustellen,hat im wahrsten Sinne des WortesZukunft für Mensch, Natur undTechnik.

Stadt WolfsburgPresse- und InformationsreferatRathaus38409 WolfsburgTelefon 05361/ 28-0Fax 05361/ 28-2100

Niedersachsen in Zahlen

Allgemeines

Einwohner Fläche Einwohner je km2

Niedersachsen 7 859 505 47 613,4 164,8Bez.-Reg Braunschweig 1 670 013 48 097,5 206,7Bez.-Reg Hannover 2 148 812 49 045,6 237,7Bez.-Reg Lüneburg 1 641 848 15 505,1 105,2Bez.-Reg Weser-Ems 2 398 832 14 965,1 159,7

Städte über 100 000 Einwohner

Hannover 520 670Braunschweig 248 944Osnabrück 166 653Oldenburg 153 531Göttingen 127 366Wolfsburg 122 798Salzgitter 115 453Hildesheim 105 405

Berge über 500 Meter Höhe

Wurmberg Harz 971 mBruchberg Harz 927 mAchtermann Harz 925 mGroße Blöße Solling 528 m

Tiefste Punkte

Ort Gemeinde Höhe in m unter NN

Freepsumer Meer Krummhörn – 2,5Wynhamster Kolk Dollart – 2,5Althemmoor Hemmoor – 1,5

Statistische und historische DatenNiedersachsens

272 Statistische und historische Daten Niedersachsens

Wichtige Flüsse (km-Länge in Niedersachsen)

Weser 353 kmLeine 247 kmEms 241 kmElbe 238 kmAller 205 km

Binnenseen

Steinhuder Meer 27 km2

Dümmer 13 km2

Zwischenahner Meer 5,5 km2

Großes Meer 2,6 km2

Bederkesaer See 1,7 km2

Talsperren

Speicherraum Max.Wasserfläche in Mill. m3 in ha

Okertalsperre 47,4 230Granetalsperre 46,4 220Odertalsperre 30,6 136Sösetalsperre 25,5 121Innerstetalsperre 20,0 150

Nordseeinseln

Borkum 31 km2

Norderney 25 km2

Langeoog 20 km2

Spiekeroog 17 km2

Juist 12 km2

Wangerooge 8 km2

Baltrum 7 km2

Statistische und historische Daten Niedersachsens 273

GrenzlängeNiedersachsen hat zu folgenden Bundesländern und mit den Niederlanden gemeinsame Grenzen

Nordrhein-Westfalen 583 kmSachsen-Anhalt 343 kmBremen 197 kmNiederlande (nur Festland) 180 kmHessen 167 kmSchleswig-Holstein ca. 114 kmThüringen 112 kmMecklenburg-Vorpommern 79 kmHamburg 79 kmBrandenburg 30 km

Kanäle

Kanal Kilometerlänge in Niedersachsen

Mittellandkanal 195Dortmund-Ems-Kanal 147Elbe-Seitenkanal 115Ems-Jade-Kanal 72Küstenkanal 70

Ergebnisse der Lantagswahlen

SPD CDU GRÜNE FDP Nichtwähler(in v.H.) (in v.H.) (in v.H.) (in v.H.) (in v.H.)

1947 43,4 19,9 8,8 34,91951 33,7 23,8 8,4 24,21955 35,2 26,6 7,9 22,51959 39,5 30,8 5,2 22,01963 44,9 37,7 8,8 23,11967 43,1 41,7 6,9 24,21970 46,3 45,7 4,4 23,31974 43,1 48,8 7,0 15,61978 42,2 48,7 3,9 4,2 21,51982 36,5 50,7 6,5 5,9 22,31986 42,1 44,3 7,1 6,0 22,71990 44,2 42,0 5,5 6,0 25,41994 44,3 36,4 7,4 4,4 26,21998 47,9 35,9 7,0 4,9 26,2

274 Statistische und historische Daten Niedersachsens

Landesregierungen und Ministerpräsidenten

Regierungsbildung Regierungspartei(-en) Ministerpräsident

1946 SPD/CDU/NLP/FDP/KPD Hinrich Wilhelm Kopf (SPD)

1947 SPD/CDU/DP/KPD/DZP/FDP Hinrich Wilhelm Kopf (SPD)

1948 SPD/CDU/DZP Hinrich Wilhelm Kopf (SPD)

1951 SPD/BHE/DZP Hinrich Wilhelm Kopf (SPD)

1955 DP/CDU/FDP/GB-BHE Heinrich Hellwege (DP)

1957 DP/CDU/SPD Heinrich Hellwege (DP)

1959 SPD/FDP/GB-BHE Hinrich Wilhelm Kopf (SPD)

1961 SPD/FDP/GB-BHE Georg Diederichs (SPD)

1963 SPD/FDP Georg Diederichs (SPD)

1965 SPD/CDU Georg Diederichs (SPD)

1967 SPD/CDU Georg Diederichs (SPD)

1970 SPD Alfred Kubel (SPD)

1974 SPD/FDP Alfred Kubel (SPD)

1976 CDU Ernst Albrecht (CDU)

1976 CDU/FDP Ernst Albrecht (CDU)

1978 CDU Ernst Albrecht (CDU)

1982 CDU Ernst Albrecht (CDU)

1986 CDU/FDP Ernst Albrecht (CDU)

1990 SPD/Grüne Gerhard Schröder (SPD)

1994 SPD Gerhard Schröder (SPD)

1998 SPD Gerhard Schröder (SPD)

1998 SPD Gerhard Glogowski (SPD)

Statistische und historische Daten Niedersachsens 275

Zeittafel

150 nach Erstmalige Erwähnung der in Holstein und auf einigen Christi Geburt Inseln vor der Elbmündung lebenden Sachsen (Ptolemäus)

In den folgenden drei Jahrhunderten Ausdehnung derSachsen über ganz Norddeutschland und Beteiligung ander Landnahme in England

772 bis 804 Die Sachsenkriege Karls des Großen. Eingliederung derSachsen in das Frankenreich. Christianisierung

850 Entstehung des jüngeren Stammesherzogtums unter denLiudolfingern

919 Wahl Herzog Heinrichs v. Sachsen zum Deutschen König;für 100 Jahre führende Rolle Sachsens im Reich

966 Hermann Billung von Otto d. Großen zum Herzog in Sachsen ernannt

993 – 1022 Bernward, Bischof von Hildesheim; Bau der Michaeliskirche, Bronzetüren des Domes und derChristussäule; kulturelle Blütezeit in Niederdeutschland

1073 Sachsenaufstand gegen Kaiser Heinrich IV.; an der SpitzeOtto von Northeim, der die Billunger aus der Führung desSachsenstammes verdrängt

um 1100 Erstes Auftreten des Grafen von Oldenburg

1106 Heirat Herzog Heinrichs des Schwarzen mit derbillungischen Erbtochter Wulfhild, erstes Auftreten derWelfen in Sachsen

um 1140 Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen, Ausbau einer königsgleichen Machtstellung

1180 Prozess von Gelnhausen; Absetzung Heinrichs des Löwenund Teilung des Herzogtums Sachsen

Im Laufe des späten Mittelalters Entstehung von etwa 40kleinen Territorien im Gebiet des heutigen Niedersachsen

1218 Tod Kaiser Ottos IV.; Rückzug der Welfen aus dermittelalterlichen Weltgeschichte

276 Statistische und historische Daten Niedersachsens

1220 – 1230 Aufzeichnung des sächsischen Stammesrechtes durch Eike von Repgow im „Sachsen-Spiegel“

1235 Belehnung Ottos des Kindes mit dem aus den Eigengütern Heinrichs des Löwen gebildeten HerzogtumBraunschweig-Lüneburg

1252 Beginn zahlloser die Macht und das Ansehen desWelfenhauses schwächender Erbteilungen (die letzte Teilung 1635)

1354 Erste urkundliche Erwähnung des Namens »Niedersachsen«

1361 Erstes Auftreten des »Sachsenrosses« als heraldischesZeichen im Siegel der Herzöge von Braunschweig-Grubenhagen

1464 Entstehung der Reichsgrafschaft Ostfriesland unter denCirksena

1494/1575 Die Oldenburger Grafen erweitern ihr Territorium durch Erwerb des Stadlandes und Butjadingen und derHerrschaft Jever

1512 Einrichtung eines »Niedersächsischen Reichskreises«

Der Name Niedersachsen erlangt zum ersten Male in derGeschichte staatsrechtliche Bedeutung

1521 – 1546 Herzog Ernst „der Bekenner“ von Lüneburg, Einführung der Reformation

1576 Gründung der Universität Helmstedt durch Herzog Juliusvon Braunschweig-Wolfenbüttel (von König Jérômegeschlossen im Jahre 1809)

1582/99 Aussterben der Grafen von Hoya, Diepholz, Hohnsteinund Blankenburg-Regenstein; ihre Territorien fallen andie Welfen

1597/1601 Landtagsabschiede von Salzdahlum (für Wolfenbüttel)und Gandersheim (für Calenberg) festigen das Meierrechtund verhindern Gutsuntertänigkeit der Bauern

1621 Gründung der Universität Rinteln durch Graf (Fürst) Ernstvon Schaumburg (von König Jérôme geschlossen 1809)

Statistische und historische Daten Niedersachsens 277

1626 Niederlage Christians IV. von Dänemark, Oberst des nieders. Reichskreises und Vorkämpfer desProtestantismus, bei Lutter am Barenberge

1633 Sieg Herzog Georgs von Lüneburg bei Hess. Oldendorf;Wende des 30jähr. Krieges für Niedersachsen

1634/35 Aussterben der Linie Wolfenbüttel; Verzicht auf diemögliche Zusammenfassung aller welfischen Besitzungen, erneute Teilung in die Fürstentümer:Lüneburg, Wolfenbüttel und Calenberg

1634 – 1666 Herzog August d. Jüngere, Begründer der BibliothecaAugusta in Wolfenbüttel

1636 Hannover Residenzstadt des Fürstentums Calenberg

1648 Westfälischer Frieden: Herzogtümer Bremen und Verdenan Schweden; Wiederherstellung des großen Stiftes Hildesheim, wechselnde Regierung des BistumsOsnabrück durch kath. Bischöfe und welf. Herzöge; Bistümer Magdeburg, Halberstadt und Minden anBrandenburg, das damit die welfischen Lande in dieZange nimmt

1666 – 1714 Anlegung des Großen Gartens in Herrenhausen durch Herzog Johann Friedrich und Kurfürstin Sophie: Musenhof von Herrenhausen (Leibniz ist seit 1676,Händel von 1710 bis 1712 in Hannover)

1667 Tod des Grafen Anton Günther – dänische Statthalterverwalten Oldenburg (bis 1773)

1692 Herzog Ernst August von Calenberg wird neunterKurfürst d. Reiches: Kurfürstentum Hannover

1701 Beschluss des britischen Parlaments („Act of Settlement“):Sophie, Kurfürstinwitwe von Hannover, Erbin derenglischen Krone

1714 – 1837 Personalunion des Kurfürstentums Hannover mit dembritischen Königreich

278 Statistische und historische Daten Niedersachsens

1714 Georg Ludwig, Kurfürst von Hannover, als Georg I. Königvon Großbritannien; Personalunion bis 1837

1715/20 Herzogtümer Bremen und Verden kommen vonSchweden an das Kurfürstentum Hannover

1737 Gründung der Universität Göttingen (durch Premier-minister Gerlach Adolph von Münchhausen)

1744 Aussterben des Hauses Cirksena, Ostfriesland preußisch

1745 Gründung des „Collegium Carolinum“ in Braunschweig,erste technische Hochschule Deutschlands

1753 Braunschweig Hauptstadt des Herzogtums Braunschweig(-Wolfenbüttel)

1757 Kapitulation der hann. Armee bei Hastenbeck und Zeven:Hannover im 7-jährigen Krieg wie später in dennapoleonischen Kriegen infolge der Personalunion mitGroßbritannien Angriffsziel der Franzosen

1764 – 1786 „Kurhannoversche Landesaufnahme“; Vermessung desKurfürstentums zu militärischen und wirtschaftlichenZwecken

1767/73 Grafschaft Oldenburg wieder selbständig, 1774: Herzogtum

1776 – 1781 Gotthold Ephraim Lessing Bibliothekar in Wolfenbüttel

1803 Hann. Armee unterliegt den Franzosen bei Sulingen; tritt größtenteils in London in die „Königlich DeutscheLegion“ ein und kämpft in den napoleonischen Kriegenauf allen Schlachtfeldern Europas

1807/10 Niedersachsen südlich d. Linie Minden-Lauenburg kommt zum Königreich Westphalen, nördlich davon zumKaiserreich Frankreich

1814 Erhebung Hannovers zum Königreich; erste AllgemeineStändeversammlung im Leineschloss; Fortbestehen derProvinziallandschaften; ständischer Dualismus bis 1866

Statistische und historische Daten Niedersachsens 279

1815 Wiener Kongress: Gebietsgewinne für Hannover und Oldenburg (jetzt Großherzogtum); auf dem Gebiet desheutigen Niedersachsen nur noch vier Staaten: Königreich Hannover, Großherzogtum Oldenburg,Herzogtum Braunschweig, Fürstentum Schaumburg-Lippe

1820 Erneuerte Landschaftsordnung, gemäßigt liberaleVerfassung für Braunschweig

1830 Braunschweiger Aufruhr. Herzog Karl II. gestürzt

1831 Bauernbefreiung in Hannover durch Ablösungsgesetz (J. C. B. Stüve)

1832 „Neue Landschaftsordnung“ für das HerzogtumBraunschweig

1833 Staatsgrundgesetz in Hannover: Zweikammersystem, inder II. Kammer Bürger und Bauern, beschränkteMinisterverantwortlichkeit, Vereinigung der ständischenmit der kgl. Kasse zu einer dem Haushaltsrecht der Ständeunterliegenden Staatskasse (König Wilhelm IV)

1835 Gründung eines »Historischen Vereins« für Niedersachsen

1837 »Steuerverein« der Länder Braunschweig, Oldenburg,Schaumburg-Lippe und Hannover

1837 Ende der Personalunion mit England, Ernst August König v. Hannover. Aufhebung des Staatsgrundgesetztes,Entlassung der dagegen protestierenden „GöttingerSieben“

1848 März-Revolution; in Hannover Berufung des Oppositionsführers Stüve in das Kabinett; liberaleVerfassung, teilweise durch die Reaktion im Jahre 1855zurückgenommen

1849 Das Großherzogtum Oldenburg erhält einStaatsgrundgesetz

1854 Beitritt Hannovers zum Zollverein

1866 Annexion des Königreichs Hannover durch Preußen

280 Statistische und historische Daten Niedersachsens

1867 Einführung der Provinzialverwaltung für Hannover, die zum Vorbild auch für andere preuß. Provinzen wird

1868 Das Fürstentum Schaumburg-Lippe erhält eine Verfassung

1905 – 1938 Bau des Mittellandkanals

1913 Vermählung Herzog Ernst Augusts, des Enkels Georgs V.,mit Viktoria Luise, Tochter Wilhelms II., Thronbesteigungin Braunschweig

1914 – 1918 Der Erste Weltkrieg legt auch der Bevölkerung aufniedersächsischem Boden viele Opfer auf.

1918/22 Nach der Revolution Rücktritt der regierenden Fürsten;Verfassungen für Oldenburg (1919), Braunschweig(1921), Schaumburg-Lippe (1922), G. Noske Oberpräsident der Provinz Hannover (1920/1933)

1919/1930 Reichsreformpläne sehen die Gründung eines »Reichsgebiets Niedersachsen« vor, sind jedoch politischnicht durchsetzbar

1924 Gescheiterter Versuch der Deutsch-Hannoverschen Partei,durch eine Volksabstimmung das Land Hannover(Loslösung Hannovers von Preußen) wiederherzustellen

1931 Bildung der Harzburger Front (NSDAP, Deutschnationale und „Stahlhelm“)

1932 Absolute Mehrheit der NSDAP in Oldenburg; legale Machtübernahme durch Gauleiter Röver

1933/34 Beseitigung der Länderhoheit im Zuge derGleichschaltungspolitik des Nationalsozialismus.Reichsstatthalter werden eingesetzt, und die Länderwerden im Rahmen der Gaueinteilung der NSDAP zu Verwaltungsbezirken des Reiches

1934 Gesetz über den Neuaufbau des Reiches führt zurGleichschaltung der Länder

1938 Gründung von Volkswagenwerk und Stadt Wolfsburg

Statistische und historische Daten Niedersachsens 281

1939 – 1945 Zweiter Weltkrieg. Schwere Luftangriffe richtenbesonders in Emden, Wilhelmshaven, Osnabrück,Hannover, Braunschweig und Hildesheim große Schädenan. Zahlreiche Menschen finden dabei den Tod.Unersetzliche Kulturwerte werden vernichtet

1943/45 Konzentrationslager in Bergen-Belsen; mehr als 50 000 Tote, darunter Anne Frank

15. April1945 KZ Bergen-Belsen von britischen Truppen befreit

1945 Kapitulation der Deutschen Wehrmacht an der britischenFront („Victory Hill“ bei Lüneburg); der nieders. Raumgehört zur britischen Besatzungszone; Teilkapitulation 4. Mai 1945 deutscher Truppen gegenüber dem britischenFeldmarschall Montgomery bei Lüneburg

August 1945 Ernennung von Landesregierungen in Braunschweig,Oldenburg und Schleswig-Holstein durch die britischeBesatzungsmacht

15. 9. 1945 Verordnung Nr. 12 der britischen Militärregierung überdie Zulassung von Parteien

1945/46 Historisch bedeutsame Ablehnung einer Fusion der SPDmit der KPD durch Kurt Schumacher

1945 Bildung d. Landes Niedersachsen aus den ehemaligenLändern Hannover, Braunschweig, Oldenburg,Schaumburg-Lippe; Min.-Präs. H. W. Kopf

1945 – 1962 Registrierung von mehr als 4,68 Mill. Flüchtlingen in dennds. Lagern; Ansteigen der Bevölkerung des Landes ummehr als 50 Prozent

1946 Erste Export-Messe in Hannover

21. 1. 1946 Konstituierung des ernannten Oldenburgischen Landtags(1. Parlament in der britischen Zone)

15. 2. 1946 Konstituierung des Zonenbeirates in der britischenBesatzungszone

21. 2. 1946 Konstituierung des ernannten BraunschweigischenLandtages

282 Statistische und historische Daten Niedersachsens

1. 4. 1946 Einführung der Gemeindeverfassung nach britischemVorbild: Gewaltenteilung zwischen Bürgermeister- undGemeindedirektorenamt

20. 5. 1946 Eingliederung von Schaumburg-Lippe in den Regierungs-bezirk Hannover

30. 6. 1946 Aufhebung der Freizügigkeit zwischen dem Gebiet derWestalliierten und der sowjetischen Besatzungszone

23. 8. 1946 Umwandlung der Provinz Hannover in ein selbständigesLand; Verordnung Nr. 46. Eröffnung des (ernannten)Landtags in Hannover; Ernennung von Hinrich WilhelmKopf zum Ministerpräsidenten

15. 9. 1946 Gemeindewahlen in der britischen Zone

13. 10. 1946 Kreistagswahlen in der britischen Zone

1. 11. 1946 Rückwirkendes In-Kraft-Treten der Verordnung Nr. 55 derbritischen Militärregierung über die Bildung des LandesNiedersachsen (ausgegeben am 8. November) aus denLändern Braunschweig, Hannover, Oldenburg undSchaumburg-Lippe

23. 11. 1946 Ernennung von Hinrich Wilhelm Kopf (SPD) zum erstenMinisterpräsidenten des Landes Niedersachsen

9. 12. 1946 Konstituierende Sitzung des (ernannten)Niedersächsischen Landtages in Hannover.Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Kopf

1.1. 1947 Zusammenschluss der britischen und der amerikanischenBesatzungszone zur Bizone

25. 2. 1947 Auflösung Preußens durch Gesetz des Alliierten Kontrollrats

26. 2. 1947 Gesetz über die „vorläufige Ordnung derniedersächsischen Landesgewalt“ (Notverfassung)

20. 4. 1947 Wahl der Abgeordneten zum 1. Niedersächsischen Landtag

18. 8. 1947 Eröffnung der ersten Hannover-Messe

Statistische und historische Daten Niedersachsens 283

1947 Die Arbeitslosenquote in Niedersachsen beträgt 22,4 Prozent

20. 5. 1949 Billigung des Grundgesetzes für die BundesrepublikDeutschland durch den Niedersächsischen Landtag

23. 5. 1949 In-Kraft-Treten des Grundgesetzes für die BundesrepublikDeutschland

14. 8. 1949 Wahlen zum 1. Deutschen Bundestag

7. 10. 1949 Gründung der Deutschen Demokratischen Republik

13. 4. 1951 Annahme der Vorläufigen Niedersächsischen Verfassungim Niedersächsischen Landtag

19. 3. 1955 Loccumer Vertrag zwischen dem Land Niedersachsen undder evangelischen Kirche. Loccumer Vertrag: Regelungder rechtlichen Beziehungen zwischen dem Land Nieder-sachsen und den evangelischen Landeskirchen

24. 4. 1955 Errichtung des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes mitSitz in Bückeburg

1956 Volksbegehren in Oldenburg und Schaumburg-Lippe zurWiederherstellung der ehemaligen Länder

16. 2. – Große Sturmflut (schwere Schäden) an der 17. 2. 1962 niedersächsischen Nordseeküste. Erweiteter Küstenplan

zum Schutz der Deiche

27. 2. 1965 Konkordat zwischen dem Land Niedersachsen und derkatholischen Kirche

19. 3. 1969 Gutachten zur Gebiets- und Verwaltungsreform (Weber-Gutachten)

Februar bis Auseinanderbrechen der Großen Koalition in HannoverApril 1970 und Selbstauflösung des Niedersächsischen Landtages

1971/1972 Einführung schulformunabhängiger Orientierungsstufenund Gründung von Gesamtschulen

19. 1. 1975 Volksentscheid in Oldenburg und Schaumburg-Lippe zurWiederherstellung der ehemaligen Länder

284 Statistische und historische Daten Niedersachsens

1977 Abschluss der Gebiets- und Verwaltungsreform: 4 Bezirksregierungen, 38 Landkreise, 9 kreisfreie Städte

1977 Niedersächsisches Hochschulgesetz, erlassen für diewissenschaftlichen, künstlerisch-wissenschaftlichenHochschulen und Fachhochschulen des Landes

1980 NDR-Staatsvertrag zwischen Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg; u.a. stärkere Regionalisierung:„Radio Niedersachsen“ und „Niedersachsen-Fernsehen“

1984 Landesrundfunkgesetz: Zulassung privater Hörfunk- undFernsehanstalten

9. 11. 1989 Fall der Mauer in Berlin, später Öffnung der deutsch-deutschen Grenze

Juni 1990 Hannover erhält den Zuschlag für die EXPO 2000

3. 10. 1990 Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlandsam 3. Oktober; Beginn der Hilfe Niedersachsens zum Aufbau einer Landesverwaltung im Partnerland Sachsen-Anhalt

13. 5. 1993 Annahme der Niedersächsischen Verfassung imNiedersächsischen Landtag (in Kraft getreten am 1. Juni)

29. 6. 1993 Rückgliederung des Amtes Neuhaus nach Niedersachsen

1. 6. 1994 In-Kraft-Treten des Niedersächsischen Gleichberechti-gungsgesetzes zur Erhöhung des Frauenanteils in Politik,Wirtschaft und Gesellschaft

8. 11. 1995 Beschluss des Niedersächsischen Landtags über dieHerabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre beiKommunalwahlen

6. 3. 1996 Wiedereinführung der eingleisigen Kommunal-verfassung: Direktwahl von Bürgermeisterinnen undBürgermeistern sowie von Landrätinnen und Landräten

Quellen- und Literaturverzeichnis

Allgemeines

Hans-Ulrich Jung/Ludwig Schätzl: Atlas zurWirtschaftsgeographie von Niedersach-sen. Ökonomische, soziale und ökologi-sche Aspekte räumlicher Strukturen undEntwicklungen, Hannover 1993.

Hans-Ulrich Jung: Regionalbericht 1995/96/97. NIW, Hannover 1997.

Niedersächsisches Landesamt für Statistik(Hg.): Niedersachsen in Zahlen. Ausgabe1998, Hannover 1998.

Niedersächsisches Landesamt für Statistik(Hg.): Statistische Monatshefte Nieder-sachsen. versch. Jahrgänge, Hannover.

Niedersächsisches Landesamt für Statistik(Hg.): Statistisches Taschenbuch Nieder-sachsen 1998, Hannover 1998.

Niedersächsische Landeszentrale für politi-sche Bildung (Hg.): Niedersachsen, Politi-sche Landeskunde, 3. Auflage, Hannover1993.

Hans-Heinrich Seedorf/ Hans-Heinrich Meyer:Landeskunde Niedersachsen. Natur- undKulturgeschichte eines Bundeslandes.Band 1: Historische Grundlagen und na-turräumliche Ausstattung, Neumünster1992.

Hans-Heinrich Seedorf/ Hans-Heinrich Meyer:Landeskunde Niedersachsen. Natur- undKulturgeschichte eines Bundeslandes.Band 2: Niedersachsen als Wirtschafts- undKulturraum, Neumünster 1996.

Hans-Heinrich Seedorf: Topographischer At-las Niedersachsen und Bremen, Neumüns-ter 1977.

Statistisches Bundesamt (Hg.) : StatistischesJahrbuch der Bundesrepublik Deutsch-land. versch. Jahrgänge, Wiesbaden.

Landesnatur – Naturräumliche undlandschaftliche Ausstattung

Herbert Liedtke/Joachim Marcinek (Hg.): Phy-sische Geographie Deutschlands, Gotha1994.

Geschichte des Landes Niedersachsen

Dieter Brosius: Niedersachsen. Geschichte imÜberblick, Hannover 1983.

Carl-Hans Hauptmeyer: NiedersächsischeWirtschafts- und Sozialgeschichte im ho-hen und späten Mittelalter. In: GeschichteNiedersachsens 2,1, Hannover 1997, S.1039 – 1319.

Manfred Hamann: Überlieferung, Erfor-schung und Darstellung der Landesge-schichte in Niedersachsen. In: GeschichteNiedersachsens 1, 2. Auflage, Hildesheim1985, S. 1 – 95.

Christiane van der Heuvel, Manfred von Boet-ticher (Hg.): Politik, Wirtschaft und Gesell-schaft von der Reformation bis zum Be-ginn des 19. Jahrhunderts (= GeschichteNiedersachsens 3,1), Hannover 1998.

Karl Heinrich Kaufhold: Historische Grundla-gen der niedersächsischen Wirtschaft. In:Niedersächsisches Jahrbuch für Landesge-schichte 57, 1985, S. 69 – 105.

Horst Kuss, Bernd Mütter (Hg.): GeschichteNiedersachsens – neu entdeckt, Braun-schweig 1996.

Georg Schnath: Vom Sachsenstamm zum Lan-de Niedersachsen. In: Land Niedersachsen– Tradition und Gegenwart, 2. Auflage,Hannover 1976, S. 11 – 89.

Ernst Schubert: Geschichte Niedersachsensvom 9. bis zum ausgehenden 15. Jahrhun-dert. In: Geschichte Niedersachsens 2,1,Hannover 1997, S. 1 – 904.

Bevölkerung und Siedlung

Johannes Arndt: Salzgitter und Wolfsburg.Großstadtgründungen im 20. Jahrhun-dert. In: Berichte zur deutschen Landes-kunde (18) 1957, H. 2, S. 137 – 162.

Stephen Barbour/Patrick Stevenson: Variationim Deutschen: Soziolinguistische Perspek-tiven, Berlin/New York 1998.

Richard Blohm: Die Hagenhufendörfer inSchaumburg-Lippe. (= Schriften des Nie-dersächsischen Heimatbundes, Neue Fol-ge, Band 10), Oldenburg 1943.

Walter Born: Kleine Sprachlehre des Münster-länder Platt, 2. Aufl. Münster 1983.

Jürgen Bünstorf: Die ostfriesische Fehnsied-lung als regionaler Siedlungsform-Typusund Träger sozial-funktionaler Berufstra-dition. (= Göttinger Geographische Ab-handlungen, Heft 37), Göttingen 1966.

Heinz Ellenberg: Bauernhaus und Landschaft:in ökologischer und historischer Sicht.Stuttgart 1990.

Marron Fort: Deutsch-Ostfriesisch. In: P. Nel-de, Hans Goebl et al. (Hg.) Kontaktlingui-stik, Berlin/New York 1997, S.1786-1790.

Jan Goossens (Hg.): Niederdeutsch: Spracheund Literatur, Bd. 1., Neumünster 1973.

286 Quellen- und Literaturverzeichnis

Hans-Ulrich Jung: Arbeitsmarkt. In: Jung,Hans-Ulrich / Ludwig Schätzl (Hg.): Atlaszur Wirtschaftsgeographie von Nieder-sachsen. Landeszentrale für Politische Bil-dung, Braunschweig 1993, S. 200 – 225.

Hermann Kaiser/Helmut Ottenjann: Mu-seumsführer: Museumsdorf Cloppenburg.Niedersächsisches Freilichtmuseum, Clop-penburg 1997.

Landesraumordnungsprogramm Niedersach-sen 1994, Hannover o.J.

Wolfgang Meibeyer: Die Verbreitung und dasProblem der Entstehung von Rundlingenund Sackgassendörfern im östlichen Nie-dersachsen, Braunschweig 1964.

Museumsführer: Museumsdorf Cloppenburg.Cloppenburg 1995.

Hans-Jürgen Nitz: Die mittelalterliche undfrühneuzeitliche Besiedlung von Marschund Moor zwischen Ems und Weser. In: Siedlungsforschung. Archäologie-Ge-schichte-Geographie 2, 1984, S. 43 – 76.

Willy Sanders: Sachsensprache, Hansesprache,Plattdeutsch, Göttingen 1982.

Ulrich Scheuermann: Sprachliche Grundlagen.In: H. Patze (Hg.): Geschichte Niedersach-sens, 1. Bd., Hans-Ulrich Jung: Arbeits-markt. In: Jung, Hans-Ulrich / LudwigSchätzl (Hg.): Atlas zur Wirtschaftsgeogra-phie von Niedersachsen. Landeszentralefür Politische Bildung, Braunschweig 1993,S. 200-225.Hildesheim 1977, S. 167 – 258.

Manfred Schrader: Bevölkerung und Haushal-te. In: Hans-Ulrich Jung / Ludwig Schätzl(Hg.): Atlas zur Wirtschaftsgeographie vonNiedersachsen. Landeszentrale für Politi-sche Bildung, Braunschweig 1993, S. 52 –67.

Karl Heinz Schröder/Gabriele Schwarz: Dieländlichen Siedlungsformen in Mitteleuro-pa. Grundzüge und Probleme ihrer Ent-wicklung. (= Forschungen zur DeutschenLandeskunde, Band 175), Bad Godesberg1969.

Willi Schulz: Strukturwandel der Runddörferdes hannoverschen Wendlandes. In: Lüne-burger Blätter Band 13 (1962), S. 85 – 118.

Dieter Stellmacher: Niederdeutsche Sprache,Bern 1990.

Dieter Stellmacher: Niedersächsisch, Düssel-dorf 1981.

Marijke van der Wal/Cor van Bree: Geschiede-nis van het Nederlandsm, Utrecht 1992.

Ekkehard Wassermann: Aufstrecksiedlungen

in Ostfriesland. Ein Beitrag zur Erfor-schung der mittelalterlichen Moorkoloni-sation. (= Göttinger Geographische Ab-handlungen, H. 80), Göttingen 1985.

Peter Wiesinger: Die Einteilung der deut-schen Dialekte, In: Klaus Mattheier/PeterWiesinger (Hg.): Dialektologie des Deut-schen, 2. Halbband, Tübingen 1994, S. 807 – 899.

Wirtschaft

Karin Beckmann / Arno Brandt / Hans-UlrichJung: Wirtschaftsreport Hannover Region1998. Der Wirtschaftsraum Hannover imüberregionalen Wettbewerb. Kommunal-verband Großraum Hannover, Beiträgezur Regionalen Entwicklung, Heft 60, Han-nover 1998.

Marian Beise / Birgit Gehrke: Zur regionalenKonzentration von Inovationspotentialenin Deutschland. Niedersächsisches Institutfür Wirtschaftsforschung e.V., Hannover,Zentrum für Europäische Wirtschafts-forschung, Mannheim, Dokumentation98-09, Mannheim 1998.

Marian Beise / Harald Legler / Georg Licht / Ul-rich Schasse: Zum Verhalten innovierenderUnternehmen in Niedersachsen. Nieder-sächsisches Institut für Wirtschaftsfor-schung e.V., NIW-Forschungsberichte, 24,Hannover 1997.

Bundesministerium für Ernährung, Landwirt-schaft und Forsten: Bundeswaldinventur1986 – 1990. (2 Bände), Bonn 1992.

Bundesministerium für Ernährung, Landwirt-schaft und Forsten: Waldbericht der Bun-desregierung, Bonn 1997.

Bundesministerium für Ernährung, Landwirt-schaft und Forsten: Agrarbericht der Bun-desregierung, Bonn, jährlich.

Peter W. Daniels: Service Industries in theWorld Economie. Oxford 1993.

Dietmar Edler / Bernd Görzig / Dieter Schuma-cher u. a.: Analyse der strukturellen Ent-wicklung der deutschen Wirtschaft, Struk-turberichterstattung 1997. Deutsches Insti-tut für Wirtschaftsforschung, Berlin 1997.

Lothar Eichhorn: Zunehmende Attraktivitätdes Standortes Niedersachsen. In: Statisti-sche Monatshefte, 9/97, Hannover, S. 572 –576.

Quellen- und Literaturverzeichnis 287

Birgit Gehrke, Harald Legler u. a.: Außenwirt-schaftliche Verflechtung Niedersachsens.In: Forschungsberichte des NIW 23, Hanno-ver 1997.

Birgit Gehrke, Harald Legler, ManfredSteincke: Auslandsengagement der nie-dersächsischen Wirtschaft: Gesamtwirt-schaftliche Orientierungsdaten. In: NIW-Workshop, Hannover 1996, S. 1 – 32.

Martin Gornig / Bernhard Seidel / Dieter Ves-per u. a.: Regionale Strukturpolitik unterden veränderten Rahmenbedingungender 90er Jahre. Deutsches Institut für Wirt-schaftsforschung, Sonderheft 157, Berlin1996.

Hans-Ulrich Jung: Wirtschaft und Arbeits-markt in Niedersachen. In: Neues Archivfür Niedersachsen, 1989, Heft 2, S. 12 – 34.

Hans-Ulrich Jung: Standortstrukturen der In-dustrie in Niedersachsen (mit einer Karteim Maßstab 1:400.000 als Beilage). In:Neues Archiv für Niedersachsen, Band 13,Heft 4, 1984, S. 370-399.

Hans-Ulrich Jung: Produzierendes Gewerbe.In: Hans-Ulrich Jung / Ludwig Schätzl (Hg.):Atlas zur Wirtschaftsgeographie von Nie-dersachsen. Landeszentrale für PolitischeBildung, Braunschweig 1993, S. 112 – 143.

Ralf Köddermann/Markus Wilhelm: Umfangund Bestimmungsgründe einfließenderund ausfließender Direktinvestitionenausgewählter Industrieländer – Entwick-lungen, Perspektiven, Gutachten des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung im Auf-trag des Bundesministeriums für Wirt-schaft, München 1996.

Elmar Kulke: Tendenzen des strukturellenund räumlichen Wandels im Dienstleis-tungsektor. In: Praxis Geographie, 12/1995,S. 4 – 11.

Elmar Kulke: Räumliche Strukturen und Ent-wicklungen im deutschen Einzelhandel. In:Praxis Geographie, 5/1996, S. 4 – 11.

Alfred Langer & Peter Steffens: Die Entwick-lung der niedersächsischen Torfindustriewährend der letzten 15 Jahre; TELMA,Band 28, Hannover 1998, S. 157 – 164.

Harald Legler (Hg.): Industrielle Forschung,Entwicklung, Invention und Innovation,Regionale und sektorale Strukturen in Nie-dersachsen. Niedersächsisches Institut fürWirtschaftsforschung e.V., Strukturbericht-erstattung Niedersachsen, Hannover 1991.

Harald Legler: Regionale Verteilung industri-eller Forschungskapazitäten in West-deutschland. In: zentrum für EuropäischeWirtschaftsforschung, ZEW-Wirtschafts-analysen, Mannheim 1994, S. 415 – 434.

Niedersächsische Akademie der Geowissen-schaften (Hg.): Steine und Erden in Nieder-sachsen; Nds. Akad. Geowiss., Veröfftl.,Heft 9, Hannover 1994, 64 S.

Niedersächsische Akademie der Geowissen-schaften (Hg.): Die niedersächsische Erdöl-und Erdgasindustrie im Umbruch; Nds.Akad. Geowiss., Veröfftl., Heft 13, Hanno-ver 1997, 112 S.

Niedersächsisches Institut für Wirtschaftsfor-schung e.V. (Hg.): Neue Produkte – NeueMärkte – Neue Strategien. Unternehmen-serfolg der niedersächsischen Industrie1994 bis 1997. NIW-Workshop 1998, Han-nover 1998.

Niedersächsisches Landesamt für Bodenfor-schung: Rohstoffsicherungsbericht Nieder-sachsen 1998; Hannover 1999, 62 S.

Niedersächsisches Ministerium für Ernährung,Landwirtschaft und Forsten: Die nieder-sächsische Landwirtschaft in Zahlen, Han-nover, jährlich.

Niedersächsisches Ministerium für Ernährung,Landwirtschaft und Forsten: Jahresberichtder Niedersächsischen Landesforstverwal-tung, Hannover, jährlich.

Niedersächsisches Ministerium für Ernährung,Landwirtschaft und Forsten: Langfristigeökologische Waldentwicklung in den Lan-desforsten, Hannover 1992.

Christian Staudacher.: Dienstleistungen alsGegenstand der Wirtschaftsgeographie.In: Die Erde, 3/1995, S. 139 – 153.

M. Pasternak, M. Kosinowski, J. Lösch, H.-J.Meyer, H. Porth & R. Sedlacek: Erdöl undErdgas in der Bundesrepublik Deutschland1997; Niedersächsisches Landesamt für Bo-denforschung, Hannover 1998, 45 S.

Statistisches Bundesamt (Hg.): Handels- undGaststättenzählung 1985 und 1993, Wies-baden 1997.

Verkehrsinfrastruktur

Bundesforschungsanstalt für Landeskundeund Raumordnung (BfLR): Berechnung desInfrastrukturindikators zur Neuabgren-zung des Fördergebietes der Gemein-schaftsaufgabe „Verbesserung der regio-

288 Quellen- und Literaturverzeichnis

nalen Wirtschaftsstruktur“. Gutachten imAuftrag des Untersuchungsausschussesder Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserungder regionalen Wirtschaftsstruktur“.Bonn, 1996.

Frank Wagner: Die Region Hannover als Ver-kehrsregion – Strukturen und Bedingun-gen eines intermediären Potentialfaktors;veröffentlicht in: Hans-Ulrich Jung, KarinBeckmann, Arno Brandt: Wirtschaftsre-port Hannover Region. Der Wirtschafts-raum Hannover im überregionalen Wett-bewerb. Eine Studie im Auftrag des Kom-munalverband Großraum Hannover, Han-nover 1998.

Umwelt, Natur und Landschaft

Niedersächsisches Ministerium für Ernährung,Landwirtschaft und Forsten: Niedersächsi-sches Landschaftsprogramm, 1989.

Ernst-Andreas Friedrich: Gestaltete Natur-denkmale, Hannover 1982.

Ernst-Andreas Friedrich: Naturdenkmale, 2.Auflage, Hannover 1981.

Ernst-Andreas Friedrich: Niedersachsen,Schatzkammer der Natur, Hannover 1987.

Das politische System – Verwaltung undRechtspflege

Präsident des Niedersächsischen Landtages:Taschenbuch des Niedersächsischen Land-tages, Hannover 1998.

Niedersächsisches Innenministerium (Hg.):Die Wahlen – Lebensgrundlagen der De-mokratie, Hannover 1998.

Niedersächsisches Innenministerium (Hg.):Verfassungsschutzbericht 1997, Hannover1998.

Heinrich Korte/Bernd Rebe: Verfassung undVerwaltung des Landes Niedersachsen,Göttingen 1986.

Willi Waike (Hg.): Die BundesrepublikDeutschland, Staatshandbuch: AusgabeNiedersachsen, Verzeichnis der Behördenund Gemeinden mit Aufgabenbeschrei-bungen und Adressen, Köln 1998.

Heiko Faber/Hans-Peter Schneider: Nieder-sächsisches Staats- und Verwaltungsrecht,Frankfurt a.M. 1985.

Bildung und Ausbildung

Jens-Rainer Ahrens: 50 Jahre Schulentwick-lung in Niedersachsen – Zur Entwicklung

im allgemeinbildenden Schulwesen 1946 –1996, in: Schulverwaltungsblatt in Nieder-sachsen, Heft 12/96, S. 472 ff.

Niedersächsisches Kultusministerium (Hg.):Die niedersächsischen allgemeinbildendenSchulen in Zahlen, Stand: Schuljahr1997/98.

Niedersächsisches Kultusministerium (Hg.):Statistik der berufsbildenden Schulen inNiedersachsen, Stand: Schuljahr 1996/97.

Heinz Weete: 50 Jahre Schulentwicklung inNiedersachsen – Zur Entwicklung im be-rufsbildenden Schulwesen 1946 – 1996, in:Schulverwaltungsblatt in Niedersachsen,Heft 7/97, S. 288 ff.

Wissenschaft und Forschung

Angela Backhaus/Olof Seidel: Innovationenund Kooperationsbeziehungen von Indus-triebetrieben, Forschungseinrichtungenund unternehmensnahen Dienstleistern:Die Region Hannover-Braunschweig-Göt-tingen im interregionalen Vergleich. =Hannoversche Geographische Arbeitsma-terialien Nr. 19, Hannover 1997.

Bundesministerium für Bildung, Wissen-schaft, Forschung und Technologie (BMBF)(Hg.): Bundesbericht Forschung 1996,Bonn 1996.

Dominique Foray/Bengt-Åke Lundvall: TheKnowledge-based Economy: From the Eco-nomics of Knowledge to the Learning Eco-nomy. In: OECD (Hg.): Employment andGrowth in the Knowledge-based Eco-nomy, Paris, 1996.

Birgit Gehrke, et al.: Forschung, Entwicklungund Qualifikation in der niedersächsischenIndustrie. =Forschungsberichte des NIW26. NIW 1997b, Hannover 1997.

Niedersächsisches Ministerium für Wissen-schaft und Kultur (MWK) (Hg.): Hochschu-len in Niedersachsen 1998: Zahlen, Daten,Fakten, Hannover 1998.

Ludwig Schätzl: Wirtschaftsgeographie 1Theorie. 7. Auflage, Paderborn 1998.

Kulturelle Einrichtungen

Museumsverband für Niedersachsen und Bre-men e.V. / Niedersächsische Sparkassenstif-tung (Hg): Museumsführer Niedersachsenund Bremen, 6. neu bearb. Auflage, Bre-men 1995.

Quellen- und Literaturverzeichnis 289

Die Denkmalwelt in Niedersachsen unter ar-chitektur- und baugeschichtlichen Aspek-ten

Georg Dehio: Handbuch der DeutschenKunstdenkmäler. Bremen und Niedersach-sen. Neu bearbeitet von Georg Weiß unterMitarbeit von Karl Eichwalder, Peter Hahn,Hans Christoph Hoffmann u. a., München1992.

Walter Holz (Hg.): Deutsche Kunstdenkmäler.Ein Bildhandbuch. Bremen und Nieder-sachsen. 2., neu bearbeitete Auflage,München 1994.

Medien

Jörg Aufermann/Victor Lis: Zeitungen inNiedersachsen und Bremen. In: Handbuch1997. Hannover 1997.

Deutsches Institut für Zeitungskunde (Hg.):Handbuch der deutschen Tagespresse, 4.Auflage, Berlin 1932.

Victor Lis: Die Entstehung der freien Pressenach 1945. In: Jörg Aufermann/Victor Lis:Zeitungen in Niedersachsen und Bremen.Handbuch 1997, Hannover 1997, S. 50 – 57.

Niedersächsische Landesmedienanstalt fürprivaten Rundfunk (Hg.): Offene Kanäleund nichtkommerzielle Lokalradios in Nie-dersachsen. Ein erster Projektbericht, Han-nover 1998.

Volkhard Schuster: Zeitungen in Niedersach-sen und Bremen von den Anfängen bis1945. In: Jörg Aufermann/Victor Lis: Zei-tungen in Niedersachsen und Bremen.Handbuch 1997, Hannover 1997, S. 10 – 49.

Helmut Volpers: Hörfunklandschaft Nieder-sachsen. Eine vergleichende Analyse deröffentlich-rechtlichen und privaten Radio-sender. Eine Studie im Auftrag der Nieder-sächsischen Landesmedienanstalt für pri-vaten Rundfunk. Schriftenreihe der Nie-dersächsischen Landesmedienanstalt fürprivaten Rundfunk, Band 1. Berlin 1995.

Verfasser

Prof. Dr. Jens-Rainer Ahrens, Studium der Be-triebswirtschaftslehre und der Soziologiean der Universität Hamburg, Diplomkauf-mann 1966, Promotion 1972; seit 1976 Pro-fessor für Soziologie an der Universität derBundeswehr. Arbeitsschwerpunkte: Orga-nisationssoziologie, Sozialisation, Soziolo-gie des Bildungswesens und der Bildungs-politik. MdL in Niedersachsen von 1970 bis1990, 1978 – 1990 Vorsitzender des Kultus-ausschusses; seit 1996 Landrat (ehren-amtl.) des Landkreises Harburg.

Dr. Marron Fort, Akademischer Oberrat undFachreferent für Sprachwissenschaft imBibliotheks- und Informationssystem derUniversität Oldenburg. Als Leiter der Ar-beitsstelle Niederdeutsch und Saterfrie-sisch erforscht er die auf friesischem Sub-strat entstandenen niederdeutsch-nieder-sächsischen Mundarten im Küstenraumzwischen dem niederländischen. Lauwers-meer und der Weser und bereitet die 2. Auflage des Saterfriesichen Wörter-buchs vor.

Prof. Dr. Barbara Hahn, Studium und Promo-tion an der Ruhr-Universität Bochum, 1983bis 1994 Wiss. Mitarbeiterin am Geogra-phischen Institut der Universität Mann-heim. Seit 1995 Professur für Wirtschafts-geographie an der Universität Lüneburg.Arbeitsschwerpunkte: Stadtgeographieund -planung, Wirtschaftsgeographie, in-bes. Geographie des Einzelhandels, Ba-den-Württemberg, Niedersachsen, Norda-merika und Zypern.

Univ.-Prof. Dr. Carl-Hans Hauptmeyer, 1972Staatsexamen für das Lehramt an Gymna-sien, 1975 Promotion, 1978 Habilitation,seit 1983 Professor für „Geschichte desspäten Mittelalters und der frühen Neu-zeit unter Einschluss der Regional- und Lo-kalgeschichte“ am Historischen Seminarder Universität Hannover. Arbeitsschwer-punkte: Theorie und Anwendung der Re-gionalgeschichte, Wirtschafts- und Sozial-geschichte Niedersachsens, Stadtgeschich-te, Geschichte ländlicher Räume.

Prof. Dr. Hans-Ulrich Jung, von 1975 bis 1978Wiss. Assistent an der Freien UniversitätBerlin. Von 1978 bis 1982 Wiss. Assistentam Geographischen Institut der Univer-sität Hannover. Seit 1982 Wiss. Mitarbeiter

am Niedersächsischen Institut für Wirt-schaftsforschung e. V. in Hannover sowieLehrbeauftragter für Angewandte Wirt-schaftsgeographie am Geographischen In-stitut der Universität Hannover. Arbeits-schwerpunkte: Regionale Informationssy-steme, regionale Strukturanalysen, Regio-nale Strukturpolitik, Kommunale Wirt-schaftsförderung.

Prof. Dr. Werner Klohn, Promotion 1985, Ha-bilitation 1990. Tätig im Institut für Struk-turforschung und Planung in agrarischenIntensivgebieten der Hochschule Vechta.Arbeitsschwerpunkte: Land- und Forst-wirtschaft, ländliche Siedlungen, Deutsch-land, USA.

Dr. jur. utr. Hansjürgen Knoche, Ministerial-dirigent und Präsident a. D., 1. und 2. juris-tisches Staatsexamen 1954 und 1957, Pro-motion 1957. Nach Tätigkeit als Rechtsan-walt und in der Wirtschaft 1972 Eintritt inden niedersächsischen Staatsdienst. 1981bis 1990 Referatsleiter im Innenministeri-um und Landeswahlleiter. 1991 bis zurPensionierung 1993 Abteilungsleiter undPräsident des Landesamtes für Verfas-sungsschutz.

Dr. Michael Kosinowski, Leiter des Referates„Kohlenwasserstoffgeologie“ beim Nie-dersächsischen Landesamt für Bodenfor-schung (NLfB) in Hannover.

Hartwin Kramer, Richter, seit 1992 Präsidentdes Oberlandesgerichts Oldenburg. Mit-glied des Niedersächsichen Staatsgerichts-hofs, Mitglied und Prüfungsausschussvor-sitzender beim Niedersächsischen Landes-justizprüfungsamt, seit 1994 Vorsitzenderdes Niedersächsischen Richterbundes undMitglied des Vorstandes des DeutschenRichterbundes.

Prof. Dr.Elmar Kulke, Univ.-Prof. für Wirt-schaftsgeographie am Geographischen In-stitut der Humboldt-Universität zu Berlin.Arbeitsschwerpunkte: allgemeine Wirt-schaftsgeographie (vor allem Einzelhan-del/Dienstleistungen); regionale Wirt-schaftsgeographie Deutschlands und Süd-ostasiens.

Dr. Alfred Langer, Leiter des Referates „Lan-desaufnahme Rohstoffe“ beim Nieder-sächsischen Landesamt für Bodenfor-schung (NLfB) in Hannover.

Verfasser 291

Ingo Liefner, Diplom-Geograph, Studium ander Universität Hannover und der Wirt-schaftsuniversität Wien. Seit 1996 wissen-schaftlicher Mitarbeiter an der AbteilungWirtschaftsgeographie des Geographi-schen Instituts der Universität Hannover.Arbeitsschwerpunkte: Angewandte Wirt-schaftsgeographie, Statistik, Hochschul-forschung.

Victor Lis, seit 1971 Geschäftsführer des Ver-bandes Nordwestdeutscher Zeitungsverle-ger. Studium der Rechtswissenschaften anden Universitäten Berlin, Kiel und Göttin-gen. Studium der Publizistik an der FreienUniversität Berlin. Verschiedene Tätigkei-ten als Justitiar und Verlagsleiter in Zei-tungs- und Buchverlagen. Geschäftsführerin touristischen Unternehmen. Veröffentli-chungen über medienpolitische Fragen.1996 Verleihung des Verdienstordens 1. Klasse des niedersächsischen Verdienst-ordens.

Prof. Dr. Ingo Mose, Promotion 1987, Habili-tation 1993. Seit 1998 Professor für Regio-nalwissenschaften im Institut für Umwelt-wissenschaften der Hochschule Vechta. Ar-beitsschwerpunkte: Ländliche Räume, Re-gionalentwicklung, Deutschland, EU.

Dr. Javier Revilla Diez, Studium und Promo-tion an der Universität Hannover, seit 1992wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geogra-phischen Institut, Abteilung Wirtschafts-geographie der Universität Hannover. Ar-beitsschwerpunkte: Wirtschafts- und In-dustriegeographie, insbesondere System-transformation, technologischer Wandelund Regionalentwicklung, Entwicklungs-länderforschung, empirische Regionalfor-schung.

Ursula Maria Schute, 1973 Erste Künstlerisch-Wissenschaftliche Staatsprüfung, 1976Studienrätin, 1981 Oberstudienrätin, seit1988 Direktorin der OldenburgischenLandschaft. Veröffentlichungsschwer-

punkte: Regionale Kulturpflege, Architek-tur und Baudenkmalpflege. Seit 1995 auchLehrbeauftragte für Baugeschichte an derFachhochschule Oldenburg.

Frank Wagner, Dipl.-Geograph, von 1994 bis1996 Wiss. Mitarbeiter am Niedersächsi-schen Institut für Wirtschaftsforschunge.V. Von 1996 bis 1998 Wiss. Mitarbeiteram Geographischen Institut der Univer-sität Hannover. Seit 1999 Mitarbeiter derIHK Hannover-Hildesheim. Arbeitsschwer-punkte: regionalwirtschaftlicher Struktur-wandel, Verkehrswirtschaft.

Dr. Martin Wenz, von 1995 bis 1997 beimfrüheren Niedersächsischen Landesverwal-tungsamt, Institut für Denkmalpflege inder Außenstelle Oldenburg als Bezirkskon-servator tätig. Seit 1998 Konservator amneugegründeten Niedersächsischen Lan-desamt für Denkmalpflege.

Ingo Werner, 2. juristisches Staatsexamen1989. Danach Justiziar bei einem Verbandder gesetzlichen Krankenversicherung, ab1991 Tätigkeit in der niedersächsischenMinisterialverwaltung, zuletzt als Leiterdes Referates „Sozialversicherung, Kran-ken-, Renten- und Unfallversicherung“ imMinisterium für Frauen, Arbeit und Sozia-les. Seit Februar 1999 Vorstandsvorsitzen-der des Landesverbandes der Betriebs-krankenkassen Niedersachsen. Arbeits-schwerpunkte: Weiterentwicklung der So-zialversicherung, speziell der Krankenver-sicherung; Vernetzung, Verzahnung undKooperation der verschiedenen Bereichedes Gesundheitswesens.

Prof. Dr. Hans-Wilhelm Windhorst, Promotion1969, Habilitation 1977. Direktor des Insti-tuts für Strukturforschung und Planung inagrarischen Intensivgebieten der Hoch-schule Vechta. Arbeitsschwerpunkte:Land- und Forstwirtschaft, vergleichendeStrukturforschung, Deutschland, EU, USA.

Stichwortregister

AAalto, Alvar, 237Abgeordnete, 180Administrative Gliederung, 197Albrecht, Dr. Ernst, 182Alfeld, 236Aller, 19Altersaufbau, 57Altsiedelland, 81Amelungsborn, 230Amsterdam, 37Amtsgerichte, 199Anthrazit, 106Antwerpen, 37Apotheken, 98Arbeitsförderung, 94A R D, 242Arbeits.losengeld, 94~losenhilfe, 94~losigkeit, 62, 64Arzneimittel, 97ärztliche Behandlung, 97Askanier, 42Asphalt, 110Aufsichtsbehörden, 187Aufstrecksiedlungen, 84Aurich, 38Ausbildungs.beruf, 206~system, 205Ausgleichsmandate, 180Auszubildende, 206

BBad Gandersheim, 228Bad Grund, 150Bad Lauterberg, 150Bad Pyrmont, 234Baltrum, 150Bardowick, 231Basalt, 108Behindertenbeauftragte, 96Berg- und Hügelland, 25, 33, 41, 149Bergen-Belsen, 47Berufsaufbauschulen, 207berufsbildendes Schulwesen, 204,

205Berufs.bildung, 202~bildungssystem, 207~fachschulen, 207~genossenschaften, gewerbliche, 93~grundbildungsjahr (BGJ), 206~oberschulen, 207~schulen, 206~vorbereitungsjahr, 207Besatzungshoheit, 196Betriebe, Formen 143Betriebssysteme, 135, 140

Bevern, 231Bevölkerungs.dichte, 51~entwicklung, 52, 56Bezirksregierungen, 197Bezirksregierung Weser-Ems, 261Bildungskatastrophe, deutsche, 201BILD-Zeitung, 240Binnen.fischerei, 142~schifffahrt, 161Biosphärenreservat

Flusslandschaft, 20Bischof Bernward, 227Bischof Hezilo, 228Blähton, 110Bleckeder Zeitung, 240Blei, 110Bode, Wilhelm, 21Borkum, 150Bötersen, 105Bourtanger Moor, 23Bramberge, 103Braunkohle, 106Braunschweig, 31, 33, 35, 37, 47, 48,

196, 218, 228, 230, 231, 234, 235-Riddagshausen, 230Braunschweiger Zeitung, 240Braunschweigischer Klosterfond, 43Bremen, 7, 36, 37, 41Brocken, 27Brüning, Kurt, 47Bückeburg, 38, 232Bürger.begehren, 188~entscheid, 188bürgerliche Rechtsstreitigkeiten,199Bundes.anstalt für Arbeit, 94~länder, 184~rat, 184~staatsprinzip, 195~versicherungsanstalt für

Angestellte, 92~versorgungsgesetz, 94Bursfelde, 228Butjadingen, 16Buxtehude, 231

C

Campingplätze, 152Celle, 231, 232, 233, 237Chancengleichheit, 202Chausseen, 38Cirksena, 41Clausthal-Zellerfeld, 232Clemenswerth, 233Cuxhavener Küste-Unterelbe, 150,

152

DDammer Berge, 18Finanzsystem, 189Dahrendorf, Ralf, 202DDR, 32, 49Öffnung der Grenze zur

ehemaligen DDR, 122Deister, 41DMP, 47Diabas, 108Diederichs, Georg, 202Dienstleistungen,

unternehmensorientierte, 131Direktinvestition, ausländische, 113,

118~sbilanz, ausländische, 117Dolomit, 10730-jähriger-Krieg, 251Drubbel, 82Duderstadt, 231, 232Dümmer See, 169Dünen, 13, 175~inseln, 13

EEggert, Hermann, 236Eichsfeld, 43Eigenunfallversicherungsträger der

öffentlichen Hand, 93Einbeck, 38, 232Einwohner.antrag, 188~zahl, 8Einzelhandel, 143Flächenentwicklung, 146Flächengröße der Arbeitsstätten,

144Eisenbahnbau, 38Eisenerze, 110Eiszeiten, 17Elbe, 19~-Weser-Raum, 265Elbmarsch Post, 240Elektrotechnik, 127Emden, 36, 231Emder Zeitung, 240Emlichheim, 103Emslauf, 20Engern, 32Entwicklung, wissensbasierte, 209Entwicklungsachsen, 7Erdgas, 103~produktion, 105~reserven, 103Erdöl, 103Erlebniseinkauf, 145Ernährungsgewerbe, 126Erreichbarkeits.bedingungen, 156

Stichwortregister 293

~effekte, 163Erster Weltkrieg, 46, 47Erststimme, 180Erwerbs.beteiligung, 62~lose, 62~tätigkeit, 62Erzbergwerk Rammelsberg, 253Esch, 82Europäischer Binnenmarkt, 6Exekutive, 198Existenzgründungen, 124EXPO 2000, 253, 257, 258, 259, 267 Export.aktivitäten, 113~quote, 114

FFach.gymnasien, 207~oberschulen, 207~schulen, 207Familiengerichte, 199Fehnsiedlungen, 84Fernstraßennetz und regionales -

Güterverkehrsaufkommen, 155,156, 158

Feuchtgebietsschutz, 172Finanz.ausgleichsgesetz, 191~system, 189Finanzierung, paritätische, 91Finanzwesen, 178Flächen.größe, 8~schutz, 170Flagge, 178Flüchtlinge, 32, 49Flussmarschen, 166Förder.stufe, 202~zins, 106Forschung und Entwicklung, 132,

215„Forschungsdreieck“ Hannover-

Braunschweig-Göttingen, 213, 216Forschungseinrichtungen,

außeruniversitäre, 213Freie Waldorfschulen, 203, 204Fremdenverkehr, 149Friedrich I. Barbarossa, 253Friesen, 32Futterbaubetriebe, 140

GGabbro, 108Geest, 17, 33, 36, 41, 149~landschaften, 166Geflügelhaltung, 137Gemeinde, 186, 198Einheitsgemeinde, 187Samtgemeinde, 186~ordnung, 186

~reform, 87Gemeinschaftsschule, christliche,

201Generalstaatsanwaltschaften, 200Georgsdorf, 103Gerichte, 195, 198Gerichtsbarkeit, 198Gesamtschulen, 202, 204Geschäftszentren, 144Gesetzgebung, 185Gesundheitsförderung, 96Getreidebaubetriebe, 140Gewaltenteilung, 178Gezeiten, 13Gipsstein, 107Gilly, David, 234Glaziale Serien, 18Gleichberechtigung, 179Glogowski, Gerhard, 182Goldenstedt/Oythe, 105Goslar, 36, 38, 228, 230, 231, 232, ~-Hahnenklee, 236Goslarsche Zeitung, 238Göttingen, 231Göttinger Sieben, 45Grafen, 43Grafschafter Nachrichten, 240Grimme, Adolf, 201Groden, 17Gropius, Walter, 236Großes Meer, 169Groß-Lessen, 103Großschutzgebiete, 15, 20, 22, 26, 29Grund.gesetz, 195, 198~lagenforschung, 212~schulen, 201, 204, 205~zentren, 88Grünland, 167Gulfhaus, 86Güteraufkommen, 160, 161Gymnasien, 201, 202, 203, 204

HHaesler, Otto, 237Halbperipherie, 36, 38Hamburg, 7, 37- Welle, 243Hameln, 231Hämelschenburg, 231Hankensbüttel, 103Hannover, 6, 37, 41, 47, 48, 231, 234,

235, 236, 237 -Herrenhausen, 234Hannoversch Münden, 231Hannoversche. Allgemeine Zeitung,

239, 240- Anzeigen, 238

- Klosterkammer, 43- Presse, 240, 241Hanse, 35, 248, 251, 253, 260, 265Harz, 149, 150, 152~raum, 35~-Region, 252Hase, Conrad Wilhelm, 234Haufendörfer, 82Hauptstreckennetz und Fern-

verkehrsangebot der Eisenbahn,159

Hauptschule, 202, 203, 204Haushalte, 189Hebammen, 97Hehlen, 231Heide, 20, 167Heil-.und Hilfsmittelerbringung, 97~bäder, 102~mittelversorgung, 98Heimat.bewegung, 46~vertriebene, 32, 49Heimvolkshochschulen, 208Heinrich d. Löwe, 42, 228, 248, 265Helmstedt, 106, 232Hemmelte, 105Hemsbünde, 105Hengstlage, 105Herrenhäuser Gärten, 257Herzog August Bibliothek

Wolfenbüttel, 218Herzogtum Braunschweig, 45- Braunschweig-Lüneburg, 43- Oldenburg, 45Hildesheim, 36, 41, 43, 45, 227, 228Hildesheimer. Börde, 23- Allgemeine Zeitung, 238Hilfe. in besonderen Lebenslagen,

95- zum Lebensunterhalt, 95Hilfsmittelbereich, 98Historischer Verein für

Niedersachsen, 42Hit Radio Antenne, 243, 244Hoch.land, 16~moore, 22, 149Höger, Fritz, 236Hoetger, Bernhard, 236Hollandgängerei, 37Hoya, 43Hude, 230Hügelland, 149Hugenotten, 32Hümmling, 18

IImmunität, 182Indemnität, 182Inseln, 149, 150, 175

294 Stichwortregister

Insel Spiekeroog, 14InterCargo, 161Internationalsierung, 113Internet, 241

JJever, 232Jeversches Wochenblatt, 238Jüdische Bevölkerung, 32Juist, 150

KKaiser Heinrich II., 253Kali- und Steinsalzbergbau, 110Kalk, 107Kammern, 193Kapitalverflechtungen, 117Karl der Große, 41Kassenzahnärztliche Vereinigung,98Kiese, 107Kieselgur, 110Kies- und Sandlagerstätten in

Niedersachsen, Verbreitung der,107

Kinder- und Jugendhilfe, 96Kirchen, 192Klima, 11~vielfalt, 169Klosterseelte/Kirchseelte, 105Koalitionen, 183Kohle, 103kommunale Leitung, „eingleisige“

Form der, 188kommunale Selbstverwaltung, 186Kompost, 111König Heinrich I., 252König Ernst August, 45Königreich Hannover, 45Königslutter, 228konstruktives Misstrauensvotum,

183Konzentration auf Kernkompeten-

zen, schlankere Produktion, 123Konzentrationslager, 47Kooperative Gesamtschule, 202, 203Kopf, Hinrich Wilhelm, 48Krahe, Peter Joseph, 234Kranken.häuser, 98~hausplan, 100~kassen, 93~transport, 97~versicherung, 93Krankheits.verhütung, 96~vorsorge, 96Kreistage, 187Krummhörn, 230kumulieren, 188

Kupfer, 110Kurorte, 102, 154

LLadengeschäfte, 143Lage Niedersachsens in Europa, 6Lage und Größe, 31, 197Lagegunst, 6Lagerstätten, 103Lamspringe, 233Länderfinanzausgleich, 190Land. Braunschweig, 178, 218- Hannover, 178, 218- Oldenburg, 31, 178, 218- Schaumburg-Lippe, 178, 218Landes.arbeitsgemeinschaft

soziokultureller Zentren in Niedersachsen e.V., 219

~beauftragter für den Datenschutz,181

~behörden, 195~bibliothek Oldenburg, 218~musikrat Niedersachsen, 219~natur, 8, 166~regierung, 178, 184, 196~verband Freier Theater in

Niedersachsen e.V., 219- verband für Spiel und Theater

Niedersachsen e.V., 219~versicherungsanstalten, 92Landeswaldgesetz, 141Landgerichte, 199Landkreise, 186, 197, 198Landkreisordnung, 186Landschaftsschutzgebiete, 172Landschulreform, 201Landtag, 178Landtagsauflösung, 183Landwirtschaft, 205, 206Langeheine, Richard, 202Langeoog, 150Langzeitarbeitslosigkeit, 68Laves, Georg Ludwig, 234Legehennenhaltung, 138Legislative, 198Leistungen zur Eingliederung

Behinderter, 95Linden, 41Liudolfinger-Ottonen, 35Lippe-Detmold, 47Literaturrat Niedersachsen e.V., 219Loccum, 230London, 37Löss, 26~börde, 23, 33, 81, 149~bördengürtel, 39Lübeck, 35Lüchow-Dannenberg, 49

Luftfrachtverkehr, 163Lüne, 230Lüneburg, 36, 38, 230, 231Lüneburger, 231- Heide, 20, 21, 150, 152, 164, - Landeszeitung, 240

MMäander, 20Marsch, 13, 33, 149~hufendörfer, 83Maschinenbau, 127Max-Planck-Gesellschaft, 252Meißen, Markgraf von, 42Meppen, 103, 233Mergelsteine, 107Messen, 6, 152Mettegang, Friedrich, 236Mietstreitigkeiten, 199Milchquotenregelung, 140Minister, Ministerinnen, 182, 196Ministerien, 183Ministerpräsidenten, 181, 196Mitteldeutsches Gehöft, 86~gebirge, 27~landkanal, 23~punktschulen, 201~zentren, 88Möllenbeck, 228Moore, 166~hufendörfer, 83~kultivierungen, 41Münstermann, Ludwig, 234Mulmshorn/Borchel, 105

NN3 (TV-Sender), 245Nationalpark, 30, 171- Niedersächsisches Wattenmeer, 15Natur.denkmale, 171~räume, 11Natürlichkeitsstufen, 165Naturpark, 172- Solling-Vogler, 150- Südheide, 150Natur.potential Niedersachsen, 33~schutzgebiete, 170~steine, 107~werksteine, 108NDR, 243NDR 1 – Radio Niedersachsen, 244NDR 2, 243, 244NDR 3, 243, 244NDR 4, 243, 244Neue Presse, 240Neuwerk, 14Niederdeutscher Bühnenbund

Niedersachsen-Bremen, 219

Stichwortregister 295

Niedersachsenhaus, 85Niedersächsische. Landesbibliothek

Hannover, 218- Landesmedienanstalt für privaten

Rundfunk (NLM), 238, 243, 245Niedersächsischer Heimatbund, 219- Reichskreis, 42Niedersächsisches. Ministerium der

Justiz und für Europaangelegenheiten, 200- Moorschutzprogramm, 23Niehaus, Josef, 234N-Joy Radio, 243, 244Nichtkommerzieller Lokalfunk

(NKL), 245Norddeutscher Rundfunk, 243Norddeutsches Tiefland, 18Norden, 229Norderney, 150Nordische Rundfunk AG, 242Nordseeküste, 13, 247Nordwestdeutscher Rundfunk

(NWDR), 242, 243Nordwest-Zeitung, 240Notare, 200NSDAP, 47

OOberharz, 37Ober.behörden, 197~landesgericht, 199~verwaltungsgericht, 200Oberzentren, 88Oertzen, Peter von, 202Oldenburg, 31, 48, 196, 233, 235-, Großherzöge von, 261Oldenburger Münsterland, 22, 43Ölheim-Süd, 103Ölschiefer, 103Orientierungsstufe, 202, 204Orte, zentrale, 88Osnabrück, 36, 38, 41, 43, 230, 231,

233osteuropäische Volkswirtschaften,

(Integration), 122Ostexpansion, 35Ostfalen, 32Ostfriesenhaus, 86Ostfriesische. Inseln, 13- Küste, 150, 152Ostfriesland, 41, 45, 229, 234, 247Otto das Kind, 43Outsourcing, 123

Ppanaschieren, 188Papenburg, 85, 234Parteien, 192

Partnerschaft, 194Personalunion, 44Petitionen, 179Pflanzen- und Tierartenschutz, 170Pflegeversicherung, 94Picht, Georg, 201Pilsum, 229Polder, 17Politisches System, 198Präventionssektor, 97Preuß, Hugo, 47Preußische Provinz Hannover, 31,

196Primarstufe, 202Produktion, flexible, 209-, schlankere, 123Produzierendes Gewerbe, 124Beschäftigtenentwicklung, 128Branchenstruktur, 124Psychotherapeutische Versorgung,

98

QQuakenbrück, 236Quartäre Haupteisrandlagen in

Nordwestdeutschland, 17

RRadio.ffn, 243, 244- Hamburg, 242- Mecklenburg-Vorpommern, 243- Niedersachsen, 243Rammelsberg, 34Rattenfänger, 254Realschule, 201, 202, 203, 204Rechts.anwälte, 200~pflege, 195, 198, 200Rechtsprechung, 195, 198Regierungsbezirk. Braunschweig,

203- Hannover, 203- Lüneburg, 203- Weser-Ems, 203Regierungsbezirke, 10Reihensiedlungen, 83Reisegebiete, 149, 151, 152, 154Remarque, Erich Maria, 263Renten.empfänger, 93~versicherung, gesetzliche, 92~zahlbetrag, 93Rettungsdienst, 97Richter, 198Rodenkirchen, 234Roh.holzaufkommen, 141~stoffe, 103RTL Television, 243, 245Rühle, 103

SSachsen, 32Salier, 35Salzgitter, 41, 47, 88, 237Salz.lagerstätten, 111~wiesen, 14, 175Sande, 107Sand- und Magerrasen, 167~strände, 13SAT 1, 243, 245Scharoun, Hans, 237Schaumburg, 33, 42, 43, 47Schaumburg-Lippe, 31, 45, 48, 178,

218Schaumburger Zeitung, 238Scheerhorn, 103Schichtkämme, 25Schienenverkehr, 159Schröder, Gerhard, 182Schul.formen, 201, 202, 203, 204~gesetz, 202~reform, 202~träger, 204, 205~versuche, 201~zentren, 205Schwefel, 105Schweinehaltung, 137Schwerbehindertengesetz, 95Schwer.mineralsande, 110~spat, 110Schwöbber, 231Sedimentgestein, 25See.fischerei, 142~häfen, 161sektoraler Strukturwandel, 121Sekundar.bereich II, 203~stufe I, 202~stufe II, 202Selbstverwaltungs.angelegen-

heiten, 197~prinzip, 187Sender Freies Berlin, 243Siedenburg/Staffhorst, 105Siedlungs.formen, traditionelle

ländliche, 82~strukturen, 234Sietland, 16Signet, 178Slevogt, Carl Heinrich, 234Söhlingen, 105Solidarprinzip, 91Solling, 34Sonder.forschungsbereich, 215~schulen, 204, 205Sozialstaatsprinzip, 90SPD, 47Spezialgipse, 109

296 Stichwortregister

Spiekeroog, 150Splitterberufe, 206Staats.gerichtshof, 181, 198~kanzlei, 183~sekretäre, 183~verwaltung, mittelbare, 197~ziele, 178Staatstheater. Hannover, 218- Oldenburg, 218Stade, 36, 231 Stadthagen, 231, 232 Stadträte, 187Städte, 186, 198

(Großstädte), 52(große, selbständige), 187(kreisfreie), 187, 197

Standortfaktoren, 124Steine und Erden-Rohstoffe, 106Steinhuder Meer, 168Stein.kohle, 106~salz, 111Steuern, 189Stier, Hubert, 235Strack d.Ä., Heinrich, 234Straf.justiz, 198~verfahren, 199Straßburger Relation, 238Straßenfahrzeugbau, 124Streusiedlungen, 82Struktur.krise, 123~wandel, 70, 134Suburbanisierungsprozesse, 61Sulingen-Valendis, 103

TTäglicher Anzeiger, 238Territorialstaaten, 36Teufelsmoor, 23Teutoburger Wald, 25, 263Thülsfelder Talsperre, 169Tierhaltung, 135Tone, 107Tongesteine, 109Torf- und Humuswirtschaft, 111Truthühnerhaltung, 140

UÜbernachtungen, 153Umwelt, Natur und Landschaft, 20UNESCO-Weltkulturerbe, 253UNESCO-Weltkulturgüter, 258Unfallversicherung, 93Universitäten, 210, 212Unterbehörden, 197Unternehmens- und Konzernstruk-

turen, Neuordnung der, 123Ursprungsländer, 179

VVarel, 234Verbände, 193Verbindungsbüro des Landes in

Brüssel, 194Verden, 41Verdener Dom, 231Verfassung, 178

(vorläufige Niedersächsische), 49~sautonomie, 195~sorgan, 197, 198Verhältniswahl, 180Verkehr, kombinierter, 159Verkehrs.achsen, 155~aufkommen, 157~flughäfen, 162~infrastruktur, normierte

Indikatoren zur, 159, 163~infrastruktur, Gesamtindikator,

163~infrastrukturausstattung, 155Versicherte, 91Versorgungs.agglomerationen, 144~ämter, 94~zentren, 144Vertretung des Landes Niedersach-

sen beim Bund, 184Verwaltungen, 185Verwaltungs-,.Sozial-, Finanz- und

Arbeitsgerichtsbarkeit, 198~behörden, 195~mittelinstanz, 197Vienenburg, 235Visbeck, 105Völkersen, 105Volks.begehren, 179~hochschularbeit, 205~hochschulen, 208~initiative, 179~schule, 201~souveränität, 178Volkswagen AG, 269VW, 49~-Werk, 237

WWahl, 180Wald, 167~fläche, 140~hufendörfer, 83~schadensuntersuchung, 29~sterben, 29~verteilung, 140Walkenried, 230Wallhecken, 167, 172Wanderungs.überschüsse, 52~verluste, 52

Wangerooge, 150Wappen, 178Warften, 229Währungsreform 1948, 48Währungs- und Finanzkrise,

asiatische, 120Wasser, 167Watt, 13, 149, 174~enmeer, 14, 15, 166, 174WDR, 243Weizenanbau, 39Welfen, 37, 42, 44~anhänger, 47Welle Nord, 243Welthandelsanteil, 114Wendland, 83Wertschöpfung, 134Weser, 20Weserbergland, 25Westdeutschen Rundfunk, 243Westfalen, 32Westfälischer Frieden, 262Wettbewerb der Regionen und

Standorte, 124Wettbewersfähigkeit,

internationale, 117Wettiner, 42Wiehengebirge, 263Wiener Kongress, 45Wienhausen, 230Wilhelmshaven, 88, 236Wilseder Berg, 18Wirkungskreis, übertragener, 197Wittenberge, 42Wolfenbüttel, 232, 233, 235Wolfenbütteler Aviso, 238Wolfsburg, 41, 47, 49, 88, 237Worpswede, 236Wunstorf, 228~-Idensen, 228Wurten, 17~dörfer, 82

Z

zahnärztliche Behandlung, 97Zahntechniker, 97Zement, 109Zentrensystem, 144Ziegel.industrie, 109~tone, 109Zink, 110Ziviljustiz, 198Zuckerrüben, 39Zweiter Weltkrieg, 47, 266Zweitstimme, 180Zwischenahner Meer, 169