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Veränderung? Aber gern! Viele Unternehmen müssen sich immer wieder neu erfinden, wenn sie dauerhaft erfolgreich sein wollen. Das stellt auch an die Finanzierung große Ansprüche Finanzierung _Veränderung managen 16 Deutsche Bank_results

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Page 1: Veränderung? Aber gern! - Deutsche Bank€¦ · Veränderung? Aber gern! Viele Unternehmen müssen sich immer wieder neu erfi nden, wenn sie dauerhaft erfolgreich sein wollen. Das

Veränderung? Aber gern!Viele Unternehmen müssen sich immer wieder neu erfi nden, wenn sie dauerhaft erfolgreich sein wollen. Das stellt auch an die Finanzierung große Ansprüche

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Page 2: Veränderung? Aber gern! - Deutsche Bank€¦ · Veränderung? Aber gern! Viele Unternehmen müssen sich immer wieder neu erfi nden, wenn sie dauerhaft erfolgreich sein wollen. Das

 Gibt es Menschen, die sich nicht unterkrie-

gen lassen? Aber klar, viele Familienunter-

nehmer zum Beispiel. Etwa der ostdeutsche

Selfmademan Jürgen Ruhland, Chef und Inhaber

von Sachsen Fahnen. Was Ruhland erlebt hat,

reicht für mehr als ein Unternehmerleben. Denn

alle paar Jahre musste dieser Mann seinen Betrieb

einmal komplett von unten nach oben drehen. Die

einzige Konstante: dauernde Veränderung.

Und das kam so: Im Herbst 1990, am Vortag der

deutschen Einheit, gründen Ruhland und ein Inves-

tor aus dem Westen eine Firma und übernehmen ei-

nen kleinen Teil aus dem ehemaligen „VEB Bandtex

Pulsnitz“. In dem sanierungsreifen Gebäude versucht

Ruhland, der als vormaliger Betriebsleiter den Laden

kennt, einen Neuanfang für sich und eine Handvoll

Beschäftigte. Aber schon nach wenigen Monaten

ist klar: Da wird nichts draus. Ruhland und sein

Westinvestor schmeißen die Textilbänder aus dem

Sortiment und kaufen auch noch die kleine Fahnen-

näherei von Bandtex. Die Manufaktur erweist sich

jedoch als wenig wettbewerbsfähig. Ruhland muss

wieder handeln. Er lässt die Fahnen bei den großen

westeuropäischen Fahnenfabriken drucken, seine

Näherinnen in Sachsen übernehmen die fi nale Hand-

arbeit. Ein neues Geschäft muss her. Die Mannschaft

beginnt mit dem Bedrucken von T-Shirts, Wimpeln,

Mützen, Taschen. 1993 entdeckt Ruhland den Ver-

einssektor als Markt, produziert Karnevalskostüme

und gestickte Fahnen. Die vormalige „Textilband-

fabrik Kamenz“ nennt sich nun „Sachsen Fahnen“.

Gerade mal seit drei Jahren kämpft sich der Ost-

deutsche Ruhland durch die wirtschaftlichen Wir-

ren der Nachwendezeit, da beschließt er den Aufbau

einer vollintegrierten Fahnenfabrik. 51 Prozent der

Anteile gehören ihm inzwischen, doch er liegt im

Dauerstreit mit seinem Investor aus dem Westen,

der sich nur sporadisch sehen lässt. Ein Jahr braucht

Ruhland, um für die neue Fabrik die nötigen Fremd-

mittel einzuwerben. Dann, 1996, produziert er im

neuen Gebäude seine Fahnen in 100 Prozent Eigen-

fertigung. Es scheint geschafft.

Tatsächlich geht es jetzt erst richtig los. In vier

Ländern Osteuropas gründet er eigene Vertriebs-

gesellschaften. Es geht aufwärts, scheinbar un-

aufhaltsam. Schon wieder rollen die Bagger für

ein noch größeres Produktionsgebäude an, doch

2007 erreichen der technische Wandel und die

ThesenAnpassen: Märkte und Zielgruppen

verändern sich immer schneller.

Unternehmen müssen sich darauf

einstellen können.

Kommunikation: Wer für schnelle

Veränderungen Geld braucht, muss

Bankpartner überzeugen – das geht

nur mit offener Kommunikation.

Verstehen: Finanzpartner müssen

mehr verstehen als nur Zahlen.

Sie brauchen Experten, die Geschäfts-

modell und Strategie des Kunden-

unternehmens einschätzen können.

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Sachsen Fahnen: Beweglichkeit zähltEin erfolgreiches Unternehmen aus den Resten eines DDR-Kombinats aufzubauen

scheint schwer genug. Doch bei Jürgen Ruhland (Foto) war das erst der Anfang. Der Unter-

nehmer aus Sachsen musste immer wieder sein Geschäftsmodell neu denken und verän-

dern. So entwickelte er aus einer Manufaktur für textile Bänder erst eine Fahnenfabrik und

heute einen der ganz großen digitalen Werbemitteldrucker. Inzwischen liefert Ruhland

nicht nur online im 24-Stunden-Takt, sondern ist mithilfe seiner beiden Söhne sogar in China

und den USA präsent. Da wirkt der Firmenname fast historisch. Denn nach allen Ver-

änderungen beträgt das reine Fahnengeschäft heute nur noch fünf Prozent vom Umsatz.

Verschiebung der weltweiten Fertigungs zen-

tren für große Losgrößen von Fahnen und anderen

Groß werbe textilien auch Sachsen Fahnen. Ruhland

lässt die bereits gesetzten Fundamente zuschüt-

ten. Ein gutes Jahr später, der Markt hat sich erholt,

werden sie wieder ausgegraben und der Bau voll-

endet. Kaum fertig, zieht Ruhland, man ahnt es,

mal wieder ein komplett neues Geschäft aus dem

Boden: einen Werbemittel-Shop im Internet. Unter

www.vispronet.de können über 1000 verschiedene

Produkte individuell konfi guriert und bedruckt wer-

den – vom Schlitten über Werbesonnenschirme bis

zu Liege- und Regiestühlen. Ruhland bedruckt alles,

Holz, Plastik, Textilien, nur noch kein Papier. Das On-

linegeschäft erfordert eine völlig neue fertigungs-

technische und logistische Ausrichtung und damit

die nächste Mutation des Unternehmens: „Wir ge-

hen weg von klassischem Druck und Vertrieb von

Werbetextilien hin zum hochvernetzten, internet-

gestützten Druckdienstleister. Das Ziel ist klar:

individuell bedruckte Qualitätserzeugnisse, preis-

günstig hergestellt und in Hochgeschwindigkeit ge-

liefert, auf Wunsch auch overnight. Druckdienstleis-

ter online“, sagt Ruhland, „das ist unsere Zukunft.“

Digitaldruck bietet inzwischen jeder Copyshop,

und viele große Wettbewerber wie Cewe oder Flyer-

alarm sind im Netz. Doch keiner verfügt über ein so dif-

ferenziertes, marktbestimmtes Sortiment und liefert

auch noch Textilwerbemittel über Nacht. Zwischen-

durch wird zudem eine kleine Software schmiede

entfaltet, denn, so Ruhland, „die Online welt will ja

auch ganz neu verstanden werden“. Inzwischen fährt

Ruhland eine Zwei-Marken-Strategie, hier die alte,

dort die neue Welt: Sachsen Fahnen mit dem bera-

tungsintensiven Projektgeschäft, Vispronet für die

schnelle Onlinewelt des digitalen Werbedrucks. Das

reine Standard-Fahnengeschäft repräsentiert heute

nur noch fünf Prozent vom Umsatz. Der Lohn: Sach-

sen Fahnen ist in Europa heute die größte Druckerei

für textile Werbemittel und Fahnen.

Noch aber soll die alte Welt bleiben, noch besu-

chen rund 15 Außendienstler Marketingabteilun-

gen und Werbeagenturen. Doch auch hier steht der

nächste Wandel an: „Mit Großserienfahnen aus Fern-

ost können wir nicht mithalten.“ Es ist ein Geschäft,

in dem der Preis nur eine Richtung kennt: abwärts.

Andere haben da längst aufgegeben, Jürgen Ruhland

nicht. Inzwischen sind auch die beiden Söhne voll

dabei. Der eine hat in China eine Einkaufs- und Ser-

vicegesellschaft für Entwicklung aufgebaut, der an-

dere in den USA ein zweites Werk mit vergleichbarem

Sortiment und einem Onlineshop für Werbemittel

hochgezogen.

60 wird Jürgen Ruhland in diesem Jahr, viel mag

er davon nicht wissen. Er hat an seinem Unterneh-

men gedreht und geschraubt, bis es passte, hat es

umgedreht von einem kleinen sächsischen Textil-

zulieferer zu einem weltweit tätigen Werbemittel-

versender mit inzwischen an die 300 Mitarbeitern.

Und das Geld? Der Finanzinvestor ist seit einem

Jahr ausbezahlt, Ruhland mit seinen beiden Söhnen

alleiniger Gesellschafter. Sie zusammen bilden das

„magische Dreieck“, wie er es nennt, denn Familie ist

für ihn „einfach das Beste“. Der gelernte Kaufmann

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83 % der Unternehmen, die sich bewusst

und proaktiv mit Change Management auseinandersetzen, erreichen ihre

Ziele – aber nur 39 Prozent der Firmen ohne Change Management.

QUELLE: PRICEWATERHOUSECOOPERS 2013

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SSW Industries: Kaufen und sanierenEin Investor setzt auf Dauer: Dass ausgerechnet Einkäufer großer Autokonzerne fragen,

ob sie einen ihrer insolventen Zulieferer übernehmen können, klingt nicht selbstverständlich.

Für Frank Sandfort (Foto) schon. Denn zusammen mit seinen beiden Kollegen kennt er

kunststoffverarbeitende Autozulieferer und deren Kunden aus jahrelanger Erfahrung als

Geschäftsführer. Vor einigen Jahren haben sich die drei mit einer kleinen Holding selbstän-

dig gemacht. Der Geschäftszweck: kleinere, schlecht geführte Kunststoffzulieferer kaufen,

sanieren – und behalten. „Schnell rein und raus“, sagt Sandfort, „ist nicht unser Ding.“

Das Ziel: ein europäischer Fertigungsverbund aus einer Handvoll Kunststoffzulieferern.

Ruhland mag es einfach und übersichtlich, auch bei

Finanzthemen. Er beschreibt sich als einen „kon-

servativen Finanzierer“, einen, der den einfachen

Kredit einer aufwendigen Zinssicherung vorzieht.

Ruhland: „Ich will das Produkt verstehen.“

Verständnis – das ist auch für die Hausbank ein

zentraler Wert. Denn es geht darum, die vielen Ver-

änderungen, den permanenten Umbau zu verstehen

und zu begleiten. Im Falle des Jürgen Ruhland, der

sich ständig neu erfi ndet, keine Selbstverständlich-

keit. Seit 24 Jahren arbeiten Ruhland und Deutsche

Bank zusammen, und da „erkennt man trotz allem Auf

und Ab einen roten Faden“, sagt der Deutsche Bank

Betreuer Marco Weimann aus Dresden. „Ruhland

erkennt immer wieder neue Marktchancen, kommu-

niziert offen, sieht uns als Sparringspartner, handelt

extrem vorausschauend.“ Und: „Er schreibt Business-

pläne und SWOT-Analysen nicht für die Bank, sondern

für sich selbst.“

Einen Businessplan, den brauchten auch der Un-

ternehmer Frank Sandfort und seine beiden Mit-

gesellschafter. Die drei sind geschäftsführende

Gesellschafter der SSW Industries in Bergisch Glad-

bach. Die erst im Frühjahr 2012 gegründete Holding

hat nur einen Zweck: Kauf und Sanierung ange-

schlagener Auto mobilzulieferer mit Schwerpunkt

Kunststoffproduktion. Klingt nach schnellem Geld,

nach Sanieren und Verkaufen, und genau das ist es

nicht. Alle drei kommen aus der Zulieferindustrie,

kennen das Geschäft von Grund auf, alle drei waren

über Jahre gemeinsam Führungskräfte in demsel-

ben Unter nehmen, welches sie mit Erfolg sanierten.

Mit der Branche und ihren Kunden sind sie fest ver-

wurzelt. „Wir sind kein Private-Equity-Haus“ sagt

Sanierer Sandfort, „wir kommen, um zu bleiben.“

Wachstum kostet Geld

Seitdem geht es rund: Im Frühjahr 2013 übernehmen

die drei einen insolventen Schaumstoffzulieferer in

Thüringen. Als sie loslegen, treffen sie auf ein Un-

ternehmen mit Investitionsstau, hohem Instandhal-

tungsstau und zum Teil demotivierten Mitarbeitern,

darunter auch eine IT, in die seit einem Jahrzehnt

nicht investiert worden war. Ein Maßnahmenplan

mit 60 Einzelpunkten wird entwickelt, der Einkauf

ist bereits vollständig neu aufgesetzt, die Produk-

tion neu und effi zienter aufgestellt. Schon nach

neun Monaten ist die Neuerwerbung, die nun als

SSW PearlFoam fi rmiert, raus aus den roten Zahlen.

„So ein Unternehmen zu drehen“, sagt Finanzmann

Sandfort, „das ist tief befriedigend.“

Doch wie überzeuge ich eine Bank vom Kauf

eines Unternehmens, das zwar die Großen der

Auto industrie beliefert, dabei aber nebenbei in die

Insolvenz gestolpert ist? Mehr noch: Geformte Kunst-

stoffe aus Polypropylen sind ein preissensibles und

austauschbares Massenprodukt, eher schwierig am

teuren Standort Deutschland. Doch die SSW-Macher

hatten in ihren Finanzierungsgesprächen einen

überzeugenden Vorteil: ihre langjährige Erfahrung

und Vernetzung mit der Branche. Eine Vernetzung,

die so weit ging, dass sie gefragt wurden, den

der deutschen Unternehmer glauben, dass ihre Risikobereitschaft höher oder wesentlich höher ist als die ihrer Mitbürger.QUELLE: TÜV RHEINLAND – RISIKOSTUDIE 2013

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86 %der deutschen

Führungskräfte halten Restrukturierung

für eine Daueraufgabe.QUELLE: ROLAND BERGER,

RESTRUKTURIERUNGSSTUDIE 2013

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)

Erdrich: Ständig eine neue FormGlobalisierung ist Wachstumsstrategie: Bleche biegen klingt eigentlich ganz schön

profan. Doch der badische Autozulieferer Erdrich Umformtechnik versteht das als High-

tech-Job. Denn hochstabile Formbleche können erfolgreich teurere Materialien wie

etwa Aluminium ersetzen. In nur fünf Jahren hat das Familienunternehmen (Foto: Geschäfts-

führer Nicolas Erdrich, rechts, und Finanzchef Joachim Schulz) den Sprung von einem

badischen Mittelständler zu einem globalen Fertigungsverbund mit Werken in USA und

China vollzogen, den Umsatz in einem Jahrzehnt mehr als verdoppelt, eine Holding-

struktur eingezogen. Fehlt noch was? Ach ja, die Nachfolge ist gerade auch vollzogen.

insolventen ostdeutschen Zulieferer zu über-

nehmen, um ihn zu sanieren. Denn immer mehr Her-

steller binden sich inzwischen an nur noch wenige

Lieferanten, um durch maximale Stückzahlen noch

günstiger einkaufen zu können. So war das insolven-

te Unternehmen nicht so einfach zu ersetzen. „Wenn

wir nicht liefern“, sagt Sandfort, „stehen bei BMW,

Ford und Volkswagen die Bänder still. Die pünkt-

liche Belieferung ist für uns keine Bürde, sondern

Verpfl ichtung.“

SSW PearlFoam ist fast gedreht, und so halten

Sandfort und Kollegen die Augen auf für neue

Übernahmen in ihrer Branche. Gerade haben die

drei Zuliefer-Entrepreneure zwei Unternehmen in

China gegründet. Der nächste Übernahmekandidat

aus der Kunststoffindustrie wird gesucht, nicht zu

groß, 100 Millionen Euro Umsatz sind das Maximum.

Das Langfristziel ist ein Verbund von drei bis vier

kleineren Kunststoff zulieferern unter dem Dach der

nordrhein-west fälischen SSW Industries, gern auch

europaweit. Und, ganz wichtig: beim Renditeziel

schön auf dem Boden bleiben. Mehr als zwei Pro-

zent Umsatzrendite sind in diesem Geschäft nicht

drin, das weiß Sandfort. Bodenhaftung auch bei der

Finanzierung: Das nötige Fremdkapital holt er sich

„ganz klassisch“ per Kredit. Jede weitere Übernah-

me soll zudem mit eigenem Eigenkapital gestemmt

werden. „Beim Geld“, sagt er, „sind wir konservativ.“

Das klingt nicht verkehrt. Gerade in der Autozulie-

ferindustrie stehen Unternehmen immer wieder vor

extremen Herausforderungen. Denn die meist gro-

ßen und mächtigen Kunden erwarten viel von ihren

Lieferanten: absolute Liefertreue, möglichst niedrige

Preise, Innovationen und dazu immer häufi ger eine

weltweit verteilte Produktion. Ein Thema, dem sich

auch der Stahlblechverarbeiter Erdrich Umformtech-

nik aus dem badischen Renchen stellen musste. Das

Familienunternehmen, das hochinnovativ Bleche

bis an die Grenze der Verformbarkeit zieht und zu

einem Bauteil macht, hat in fünf Jahren den Sprung

vom badischen Mittelständler zu einem globalen

Fertigungsverbund vollzogen, den Umsatz in zehn

Jahren mehr als verdoppelt, ein paar entscheidende

Innovationen mit einem scheinbar so profanen Stoff

wie Stahlblech hingelegt, eine Holdingstruktur ein-

gezogen und die Nachfolge vollzogen.

Und das ging so: Die Vorgabe der Kunden, alles

deutsche Autohersteller oder große Systemzuliefe-

rer wie Continental oder Bosch, war eindeutig – we-

niger Export aus Deutschland oder von dem Erdrich-

Ableger in Tschechien, mehr Produktion direkt vor

Ort in den beiden großen Märkten USA und China.

Nicolas Erdrich: „Die Ansage war: Ihr geht mit, oder

ihr seid draußen.“

Kommunikation überzeugte die Banken

Besser mit. 2011 machten sich Vater Georg und

Sohn Nicolas auf Standortsuche in die USA, ein Jahr

später das gleiche Projekt in China. Und sie waren

schnell: In den USA wird in diesem Sommer die Pro-

duktion gerade hochgefahren, in China Ende 2014.

Eine Abkehr vom Standort Deutschland? „Defi nitiv

nein“, sagt Erdrich.

Aktuell ist Erdrich erst mal gut beschäftigt. Zwei

Werke auf anderen Kontinenten fast zeitgleich zu

bauen und zu fi nanzieren, das stemmt sich auch

nicht einfach nebenher. Ein Kreditvolumen von

rund 60 Millionen Euro und damit fast ein Drittel

des gesamten Umsatzes musste Erdrich-Finanzchef

Joachim Schulz mit einer Handvoll Kernbanken ver-

handeln, der Zweck: Aufbau von USA und China sowie

der weitere Ausbau der Europa-Standorte. Es sollte

die größte Fremdfi nanzierung der Firmengeschichte

werden. Im Frühjahr 2013 war man sich einig, jede

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41 %

Sparringspartner auf AugenhöheWarum bei der Deutschen Bank Expertenteams mitwirken

Die deutsche Automobilindustrie

gehört zu den Schlüsselbranchen.

Große Namen stehen dahinter,

genauso wie viele extrem erfolgreiche

Familien unternehmen. Ihrer Innovations-

kraft verdankt Deutschland seine weltweit

führende Position in diesem Markt.

Eine Bank, die in so einer Branche

umfassend beraten will, muss mehr erfassen

als Bilanzen, Business- und Finanzierungsplä-

ne. Genau dafür arbeiten bei der Deutschen

Bank in mehreren Teams Experten, die schon

vieles gemacht haben, aber nicht unbedingt

eine Bank lehre. Es sind Maschinenbauer,

Molekularbiologen oder Motorenentwickler.

Beim Stuttgarter Expertenteam Automoti-

ve & Engineering hat man den Schwerpunkt

Teilezulieferer und Maschinenbauer für die

Automobil industrie. Das Team sieht sich als

Schnitt stelle zwischen Bank und Kunde. Denn

es transportiert Geschäftsmodell und Strate-

gie des Kunden in die Bank und ist zugleich

Sparringspartner für den Kunden.

Diese Aufgabe übernimmt auch das in Ber-

lin ansässige Expertenteam Greentech, das

sich um Unternehmen aus der Fotovoltaik,

Solarthermie, Wind-, Wasser- oder Bioenergie

oder um Betriebe aus der Abfallwirtschaft

kümmert. Kein leichtes Feld: Zwar zählt

Greentech zu den großen Zukunftsbranchen,

doch sie hängt weltweit am Auf und Ab der

Politik und entsprechender Gesetze und

Förderungen. Und die ändern sich ständig.

Aus einer völlig anderen Welt kommt der

Molekularbiologe Tomas Kahn, Leiter des

Frankfurter Expertenteams Life Sciences.

Kahn, seit 16 Jahren bei der Deutschen

Bank, hatte zuvor eine Biotech-Firma mit

aufgebaut und war 14 Jahre am Deutschen

Krebsforschungszentrum aktiv. Heute

forscht er mit einem anderen Ziel: Es geht um

die Bewertung unternehme rischer Chancen.

Das Team betreut Firmen aus der Pharmain-

dustrie, Bio- und Medizintechnik.

Kahn und sein Kollege Daniel Wienhold,

auch er ein Molekularbiologe, sind keine

Banker – und nehmen dennoch für sich in

Anspruch, den Wert einer Pharma-Übernah-

me oder eines Börsengangs abschätzen zu

können. Denn hier spielen Produktrisiken,

regulatorische Beson der heiten oder die

Werthaltigkeit von Zulassungen wichtige

Rollen. Kahn und Wienhold versuchen

dabei, zukünf tige Marktentwicklungen zu

bewerten. Das ist mitunter mehr wert als die

Lektüre einer Bilanz. Denn die ist ohnehin

immer nur ein Blick zurück.

Neu in diesem Jahr dazu gekommen ist

Magrit Johne, Expertenteam „Hospitals“. Die

Diplom-Ökonomin betreut seit zwei Jahr-

zehnten Krankenhäuser in jeder Trägerschaft

und Größe – immerhin ein Markt mit einem

Umsatzvolumen von rund 90 Milliarden

Euro und rund einer Million Beschäften. Sie

kennt die Branche bis ins Detail, ist bestens

vernetzt und weiss um die Situation vieler

Häuser. Bei Kreditentscheidungen und

Strategiedialogen ist sie daher immer dabei.

Bank übernahm eine Kredittranche, rückzahlbar

binnen acht Jahren.

Sechs Banken zu überzeugen, das ist auch für

einen so erfolgreichen Blechformer keine Selbst-

verständlichkeit. Doch Erdrich hat ein paar Dinge

im Umgang mit seinen Banken ziemlich richtig

gemacht – und hatte damit eine starke Verhand-

lungsposition. „Wir haben offen und zeitnah un-

sere Strategie kommuniziert“, sagt Schulz, der die

Informationsbedürfnisse von Banken aus eigenem

Erleben kennt und versteht. Denn vormals hat der

Finanzchef selbst in einer Bank gearbeitet, sein größ-

ter Kunde: Erdrich. Zur Offenheit gehörte auch, dass

alle Banken die gleiche Laufzeit und den gleichen Til-

gungslauf vereinbarten. Genauso wichtig: Zeit geben.

Neun Monate haben die Verhandlungen gedauert.

Der Wandel bei Erdrich geht über die Internatio-

nalisierung weit hinaus. Es geht um die Frage, inwie-

weit es dem Unternehmen gelingt, etwa mit einem

innovativ geformten Stahlblech ein teures Aluguss-

teil für Fahrwerkteile zu ersetzen. „Erdrich versteht

Stahlblech als Hightech-Job“, sagt der Ingenieur

Ronald Raedeker vom Expertenteam Automotive

der Deutschen Bank, „und das hat uns von Anfang an

überzeugt.“ Mehrere dieser Expertenteams hält die

Deutsche Bank für verschiedene Branchen vor, alle

besetzt mit Ingenieuren und Naturwissenschaftlern

(Kasten rechts). Sie sollen die Geschäftsmodelle nicht

nur aus Bank- und Zahlensicht erfassen, sondern als

Experten auch aus Produkt- und Marktsicht. Und die-

se Story geht bei Erdrich so: weg vom Einzelteil und

hin zum globalen Lieferanten ganzer Baugruppen.

Raedeker: „Die Erdrich-Story hat absolut Sinn.“

Und sie ist nicht zu Ende geschrieben. Gerade hat

Nicolas Erdrich die Führung des Unternehmens mit

seinen weltweit rund 1300 Mitarbeitern vollständig

übernommen, da denkt er schon über die nächsten

Schritte nach. Was ist eigentlich mit Brasilien, Süd-

amerika, Russland? Oder doch lieber ein zweites

Werk in China? Noch sind das nur Ideen und Optio-

nen. Noch. Denn eines ist Erdrich junior auch klar:

Die einzige Konstante bleibt die Veränderung.

STEPHAN SCHLOTE

der Unternehmenschefs haben keine Angst, einen Teil des Firmenvermögens zu verlieren. In Familienunter-nehmen ist die Sorge doppelt so groß. QUELLE: STIFTUNG FAMILIENUNTERNEHMEN 2014

GREENTECH

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