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7/25/2019 Verordnung EU Nr 604 2013 http://slidepdf.com/reader/full/verordnung-eu-nr-604-2013 1/29 VERORDNUNG (EU) Nr. 604/2013 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung) DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄI - SCHEN UNION — gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe e, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozial - ausschusses ( 1 ), nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen ( 2 ), gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (  3 ), in Erwägung nachstehender Gründe: (1) Die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Ver - fahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (  4 ), muss in einigen wesentlichen Punkten geändert werden. Aus Gründen der Klarheit empfiehlt sich eine Neufassung der Verordnung. (2) Eine gemeinsame Asylpolitik einschließlich eines Gemein- samen Europäischen Asylsystems (GEAS) ist wesentlicher Bestandteil des Ziels der Europäischen Union, schrittweise einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts aufzubauen, der allen offen steht, die wegen besonderer Umstände rechtmäßig in der Union um Schutz nach- suchen.  (3) Der Europäische Rat ist auf seiner Sondertagung vom 15. und 16. Oktober 1999 in Tampere übereingekommen, auf ein GEAS hinzuwirken, das sich auf die uneinge - schränkte und umfassende Anwendung des Genfer Ab - kommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge in der Fassung des New Yorker Protokolls vom 31. Januar 1967 (im Folgenden „Genfer Abkom- men“) stützt, damit der Grundsatz der Nichtzurückwei- sung gewahrt bleibt und niemand dorthin zurück- geschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist. In dieser Hinsicht gelten unbeschadet der in dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitskriterien die Mitgliedstaaten, die alle den Grundsatz der Nichtzurückweisung achten, als sichere Staaten für Drittstaatsangehörige. (4) Entsprechend den Schlussfolgerungen von Tampere sollte das GEAS auf kurze Sicht eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats umfassen. (5) Eine solche Formel sollte auf objektiven und für die Mit- gliedstaaten und die Betroffenen gerechten Kriterien ba - sieren. Sie sollte insbesondere eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ermöglichen, um den ef - fektiven Zugang zu den Verfahren zur Gewährung des internationalen Schutzes zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationa- len Schutz nicht zu gefährden.  (6) Die erste Phase auf dem Weg zu einem GEAS, das auf längere Sicht zu einem gemeinsamen Verfahren und ei- nem unionsweit geltenden einheitlichen Status für die Personen, denen internationaler Schutz gewährt wird, führen soll, ist nun abgeschlossen. Der Europäische Rat hat auf seiner Tagung vom 4. November 2004 das Haa- ger Programm angenommen, das die Ziele für den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts vorgab, die im Zeitraum 2005–2010 erreicht werden sollten. Im Haager Programm wurde die Europäische Kommission aufgefor - dert, die Bewertung der Rechtsakte aus der ersten Phase abzuschließen und dem Europäischen Parlament und dem Rat die Rechtsakte und Maßnahmen der zweiten Phase so vorzulegen, dass sie vor Ende 2010 angenom- men werden können. (7) Im Programm von Stockholm hat der Europäische Rat sein Ziel bekräftigt, bis spätestens 2012 gemäß Artikel 78 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen DE 29.6.2013 Amtsblatt der Europäischen Union L 180/31 ( 1 ) ABl. C 317 vom 23.12.2009, S. 115. ( 2 ) ABl. C 79 vom 27.3.2010, S. 58. ( 3 ) Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 7. Mai 2009 (ABl. C 212 E vom 5.8.2010, S. 370) und Standpunkt des Rates in erster Lesung vom 6. Juni 2013 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht). Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 10. Juni 2013 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht). ( 4 ) ABl. L 50 vom 25.2.2003, S. 1.

Verordnung EU Nr 604 2013

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    VERORDNUNG (EU) Nr. 604/2013 DES EUROPISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

    vom 26. Juni 2013

    zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der fr die Prfungeines von einem Drittstaatsangehrigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags

    auf internationalen Schutz zustndig ist (Neufassung)

    DAS EUROPISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPI-SCHEN UNION

    gesttzt auf den Vertrag ber die Arbeitsweise der EuropischenUnion, insbesondere auf Artikel 78 Absatz 2 Buchstabe e,

    auf Vorschlag der Europischen Kommission,

    nach Stellungnahme des Europischen Wirtschafts- und Sozial-ausschusses (1),

    nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen (2),

    gem dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren ( 3),

    in Erwgung nachstehender Grnde:

    (1) Die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Ver-fahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der fr diePrfung eines von einem Drittstaatsangehrigen in einemMitgliedstaat gestellten Asylantrags zustndig ist (4), mussin einigen wesentlichen Punkten gendert werden. AusGrnden der Klarheit empfiehlt sich eine Neufassungder Verordnung.

    (2) Eine gemeinsame Asylpolitik einschlielich eines Gemein-samen Europischen Asylsystems (GEAS) ist wesentlicherBestandteil des Ziels der Europischen Union, schrittweiseeinen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechtsaufzubauen, der allen offen steht, die wegen besondererUmstnde rechtmig in der Union um Schutz nach-suchen.

    (3) Der Europische Rat ist auf seiner Sondertagung vom 15.und 16. Oktober 1999 in Tampere bereingekommen,auf ein GEAS hinzuwirken, das sich auf die uneinge-schrnkte und umfassende Anwendung des Genfer Ab-kommens vom 28. Juli 1951 ber die Rechtsstellung derFlchtlinge in der Fassung des New Yorker Protokollsvom 31. Januar 1967 (im Folgenden Genfer Abkom-men) sttzt, damit der Grundsatz der Nichtzurckwei-sung gewahrt bleibt und niemand dorthin zurck-geschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist. In dieserHinsicht gelten unbeschadet der in dieser Verordnungfestgelegten Zustndigkeitskriterien die Mitgliedstaaten,

    die alle den Grundsatz der Nichtzurckweisung achten,als sichere Staaten fr Drittstaatsangehrige.

    (4) Entsprechend den Schlussfolgerungen von Tampere solltedas GEAS auf kurze Sicht eine klare und praktikableFormel fr die Bestimmung des fr die Prfung einesAsylantrags zustndigen Mitgliedstaats umfassen.

    (5) Eine solche Formel sollte auf objektiven und fr die Mit-gliedstaaten und die Betroffenen gerechten Kriterien ba

    -

    sieren. Sie sollte insbesondere eine rasche Bestimmungdes zustndigen Mitgliedstaats ermglichen, um den ef-fektiven Zugang zu den Verfahren zur Gewhrung desinternationalen Schutzes zu gewhrleisten und das Zieleiner zgigen Bearbeitung der Antrge auf internationa-len Schutz nicht zu gefhrden.

    (6) Die erste Phase auf dem Weg zu einem GEAS, das auflngere Sicht zu einem gemeinsamen Verfahren und ei-nem unionsweit geltenden einheitlichen Status fr die

    Personen, denen internationaler Schutz gewhrt wird,fhren soll, ist nun abgeschlossen. Der Europische Rathat auf seiner Tagung vom 4. November 2004 das Haa-ger Programm angenommen, das die Ziele fr den Raumder Freiheit, der Sicherheit und des Rechts vorgab, die imZeitraum 20052010 erreicht werden sollten. Im HaagerProgramm wurde die Europische Kommission aufgefor-dert, die Bewertung der Rechtsakte aus der ersten Phaseabzuschlieen und dem Europischen Parlament unddem Rat die Rechtsakte und Manahmen der zweitenPhase so vorzulegen, dass sie vor Ende 2010 angenom-men werden knnen.

    (7) Im Programm von Stockholm hat der Europische Ratsein Ziel bekrftigt, bis sptestens 2012 gem Artikel 78des Vertrags ber die Arbeitsweise der Europischen

    DE29.6.2013 Amtsblatt der Europischen Union L 180/31

    (1) ABl. C 317 vom 23.12.2009, S. 115.(2) ABl. C 79 vom 27.3.2010, S. 58.(3) Standpunkt des Europischen Parlaments vom 7. Mai 2009 (ABl. C

    212 E vom 5.8.2010, S. 370) und Standpunkt des Rates in ersterLesung vom 6. Juni 2013 (noch nicht im Amtsblatt verffentlicht).Standpunkt des Europischen Parlaments vom 10. Juni 2013 (nochnicht im Amtsblatt verffentlicht).

    (4) ABl. L 50 vom 25.2.2003, S. 1.

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    Union (AEUV) fr Personen, denen internationaler Schutzgewhrt wurde, einen gemeinsamen Raum des Schutzesund der Solidaritt zu errichten. Auerdem betonte er,dass das Dublin-System weiterhin ein zentrales Element

    beim Aufbau des GEAS bildet, da es die Zustndigkeit frdie Prfung von Antrgen auf internationalen Schutz

    zwischen den Mitgliedstaaten eindeutig zuweist.

    (8) Die Mittel des Europischen Untersttzungsbros frAsylfragen (EASO), das durch die Verordnung (EU) Nr.439/2010 des Europischen Parlaments und des Rates ( 1)errichtet wurde, sollten dafr bereitstehen, den einschl-gigen Dienststellen der fr die Durchfhrung dieser Ver-ordnung zustndigen Mitgliedstaaten angemessene Unter-sttzung zu leisten. Insbesondere sollte das EASO frSolidarittsmanahmen wie den AsylEinsatzpool mitAsyl-Untersttzungsteams Sorge tragen, die diejenigenMitgliedstaaten untersttzen, die sich einem besonderenDruck gegenbersehen und den Personen, die internatio-nalen Schutz beantragen (im Folgenden Antragsteller),keine angemessenen Bedingungen insbesondere hinsicht-lich der Aufnahme und des Schutzes bieten knnen.

    (9) Angesichts der Bewertungsergebnisse in Bezug auf dieUmsetzung der Instrumente der ersten Phase empfiehltes sich in dieser Phase, die der Verordnung (EG) Nr.343/2003 zugrunde liegenden Prinzipien zu besttigenund angesichts der bisherigen Erfahrungen gleichzeitigdie notwendigen Verbesserungen mit Hinblick auf dieLeistungsfhigkeit des Dublin-Systems und den auf derGrundlage dieses Systems gewhrten Schutz der Antrag-

    stellener vorzunehmen. Da ein gut funktionierendes Dub-lin-System fr das GEAS von groer Bedeutung ist, soll-

    ten seine Grundlagen und seine Funktionsweise im Zugedes Aufbaus anderer Instrumente des GEAS und der So-lidaritt der Union berprft werden. Es sollte ein um-fassender Eignungstest, d. h. eine faktengesttzte ber-prfung der rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialenAuswirkungen des Dublin-Systems, einschlielich seinerAuswirkungen auf die Grundrechte durchgefhrt werden.

    (10) Zur Wahrung der Gleichbehandlung aller Personen, dieinternationalen Schutz beantragt haben oder genieen,und der bereinstimmung mit dem geltenden Asylrecht

    der Union, insbesondere mit der Richtlinie 2011/95/EUdes Europischen Parlaments und des Rates vom 13. De-zember 2011 ber Normen fr die Anerkennung vonDrittstaatsangehrigen oder Staatenlosen als Personenmit Anspruch auf internationalen Schutz, fr einen ein-heitlichen Status fr Flchtlinge oder fr Personen mitAnrecht auf subsidiren Schutz und fr den Inhalt deszu gewhrenden Schutzes (2) umfasst der Anwendungs-

    bereich dieser Verordnung Personen, mit Anrecht aufsubsidiren Schutz.

    (11) Die Richtlinie 2013/33/EU des Europischen Parlaments

    und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung vonNormen fr die Aufnahme von Personen, die internatio-

    nalen Schutz beantragen (3) sollte vorbehaltlich der Ein-schrnkungen der Anwendung jener Richtlinie auf dasVerfahren zur Bestimmung des zustndigen Mitgliedstaatsnach Magabe dieser Verordnung Anwendung finden.

    (12) Die Richtlinie 2013/32/EU des Europischen Parlamentsund des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Ver-fahren fr die Zuerkennung und Aberkennung des inter-nationalen Schutzes (4) sollte zustzlich und unbeschadetder Bestimmungen ber die in dieser Verordnung ge-regelten Verfahrensgarantien vorbehaltlich der Beschrn-kungen der Anwendung dieser Richtlinie gelten.

    (13) Bei der Anwendung dieser Verordnung sollte das Wohldes Kindes im Einklang mit dem bereinkommen derVereinten Nationen ber die Rechte des Kindes von1989 und mit der Charta der Grundrechte der Europi -

    schen Union eine vorrangige Erwgung der Mitgliedstaa-

    ten sein. Bei der Beurteilung des Wohls des Kindes solltendie Mitgliedstaaten insbesondere das Wohlbefinden unddie soziale Entwicklung des Minderjhrigen, Erwgungender Sicherheit und der Gefahrenabwehr und den Willendes Minderjhrigen unter Bercksichtigung seiner Altersund seiner Reife, einschlielich seines Hintergrunds, be-rcksichtigen. Darber hinaus sollten fr unbegleiteteMinderjhrige aufgrund ihrer besonderen Schutzbedrf-tigkeit spezielle Verfahrensgarantien festgelegt werden.

    (14) Im Einklang mit der Europischen Konvention zumSchutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und

    mit der Charta der Grundrechte der Europischen Union,sollte die Achtung des Familienlebens eine vorrangigeErwgung der Mitgliedstaaten sein, wenn sie diese Ver-ordnung anwenden.

    (15) Mit der gemeinsamen Bearbeitung der von den Mitglie-dern einer Familie gestellten Antrge auf internationalenSchutz durch ein und denselben Mitgliedstaat kann si-chergestellt werden, dass die Antrge sorgfltig geprftwerden, diesbezgliche Entscheidungen kohrent sindund dass die Mitglieder einer Familie nicht voneinandergetrennt werden.

    (16) Um die uneingeschrnkte Achtung des Grundsatzes derEinheit der Familie und des Wohl des Kindes zu gewhr-leisten, sollte ein zwischen einem Antragsteller und sei-nem Kind, einem seiner Geschwister oder einem Eltern-teil bestehendes Abhngigkeitsverhltnis, das durchSchwangerschaft oder Mutterschaft, durch den Gesund-heitszustand oder hohes Alter des Antragstellers begrn-det ist, als ein verbindliches Zustndigkeitskriterium he-rangezogen werden. Handelt es sich bei dem Antragstel-ler um einen unbegleiteten Minderjhrigen, der einen Fa-milienangehrigen oder Verwandten in einem anderenMitgliedstaat hat, der fr ihn sorgen kann, so sollte dieser

    Umstand ebenfalls als ein verbindliches Zustndigkeits-

    kriterium gelten.

    DEL 180/32 Amtsblatt der Europischen Union 29.6.2013

    (1) ABl. L 132 vom 29.5.2010, S. 11.(2) ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9.

    (3) Siehe Seite 96 dieses Amtsblatts.(4) Siehe Seite 60 dieses Amtsblatts.

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    (17) Die Mitgliedstaaten sollten insbesondere aus humnitrenGrnden oder in Hrtefllen von den Zustndigkeitskri-terien abweichen knnen, um Familienangehrige, Ver-wandte oder Personen jeder anderen verwandtschaftli-chen Beziehung zusammenzufhren, und einen bei ihmoder einem anderen Mitgliedstaat gestellten Antrag auf

    internationalen Schutz zu prfen, auch wenn sie freine solche Prfung nach den in dieser Verordnung fest-gelegten verbindlichen Zustndigkeitskriterien nicht zu-stndig sind.

    (18) Um die Bestimmung des fr die Prfung eines Antragsauf internationalen Schutz zustndigen Mitgliedstaats zuerleichtern, sollte ein persnliches Gesprch mit dem An-tragsteller gefhrt werden. Der Antragsteller sollte unmit-telbar bei der Stellung des Antrags auf internationalenSchutz ber die Anwendung dieser Verordnung undber die Mglichkeit informiert werden, bei dem Ge-sprch Angaben ber die Anwesenheit von Familienange-

    hrigen, Verwandten oder Personen jeder anderen ver-

    wandtschaftlichen Beziehung in den Mitgliedstaaten zumachen, um das Verfahren zur Bestimmung des zustn-digen Mitgliedstaats zu erleichtern.

    (19) Um einen wirksamen Schutz der Rechte der Betroffenenzu gewhrleisten, sollten im Einklang insbesondere mitArtikel 47 der Charta der Grundrechte der EuropischenUnion Rechtsgarantien und das Recht auf einen wirk-samen Rechtsbehelf gegen berstellungsentscheidungenfestgeschrieben werden. Um die Einhaltung des Vlker-rechts sicherzustellen, sollte ein wirksamer Rechtsbehelfgegen diese Entscheidungen sowohl die Prfung der An-wendung dieser Verordnung als auch die Prfung derRechts- und Sachlage in dem Mitgliedstaat umfassen, inden der Antragsteller berstellt wird.

    (20) Die Inhaftnahme von Antragstellern sollte nach demGrundsatz erfolgen, wonach eine Person nicht allein des-halb in Haft genommen werden darf, weil sie um interna-tionalen Schutz nachsucht. Die Haft sollte so kurz wiemglich dauern und den Grundstzen der Erforderlich-keit und Verhltnismigkeit entsprechen. Insbesonderemuss die Inhaftnahme von Antragstellern im Einklangmit Artikel 31 der Genfer Konvention stehen. Die indieser Verordnung vorgesehenen Verfahren in Bezugauf eine in Haft genommene Person sollten vorrangig

    schnellstmglich angewandt werden. Hinsichtlich der all-gemeinen Garantien sowie der Bedingungen fr die In-

    haftnahme sollten die Mitgliedstaaten gegebenenfalls dieBestimmungen der Richtlinie 2013/33/EU auch auf Per-sonen anwenden, die aufgrund dieser Verordnung in Haftgenommen wurden.

    (21) Mngel in Asylsystemen oder gar der Zusammenbruchvon Asylsystemen, die hufig dadurch verschlimmertoder mitverursacht werden, dass die Asylsysteme beson-derem Druck ausgesetzt sind, knnen das reibungsloseFunktionieren des mit dieser Verordnung eingefhrtenSystems beeintrchtigen, was dazu fhren knnte, dass

    die im Asylrecht der Union und in der Grundrechtechartader Europischen Union sowie in anderen internationalenMenschenrechts- und Flchtlingsrechtsverpflichtungenniedergelegten Rechte der Antragsteller verletzt werdenknnten.

    (22) Ein Prozess fr Frhwarnung, Vorsorge und Bewltigungvon Asylkrisen, mit dem eine Verschlechterung in oderder Zusammenbruch von Asylsystemen verhindert wer-den sollen, wobei das EASO in Ausbung seiner Befug-nisse aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 439/2010 eineSchlsselrolle spielt, sollte geschaffen werden, um eine

    tragfhige Zusammenarbeit im Rahmen dieser Verord-nung sicherzustellen und das gegenseitige Vertrauen der

    Mitgliedstaaten in Bezug auf die Asylpolitik zu strken.Ein derartiger Prozess sollte gewhrleisten, dass die Unionsobald wie mglich ber Bedenken alarmiert wird, wennAnlass zur Sorge besteht, dass das reibungslose Funktio -nieren des mit dieser Verordnung geschaffenen Systemsinfolge des besonderen Drucks auf ein Asylsystem einesoder mehrerer Mitgliedstaaten und/oder der Mngel, dieAsylsysteme eines oder mehrerer Mitgliedstaaten aufwei-sen, beeintrchtigt ist. Mit einem derartigen Prozessknnte die Union frhzeitig Vorbeugemanahmen fr-dern und derartigen Situationen die entsprechende poli-tische Aufmerksamkeit schenken. Solidaritt, die ein

    Kernelement des GEAS bildet, geht Hand in Hand mitgegenseitigem Vertrauen. Durch die Steigerung diesesVertrauens knnte der Prozess fr Frhwarnung, Vor-sorge und Bewltigung von Asylkrisen die Lenkung kon-kreter Manahmen echter und praktischer Solidaritt ge-genber Mitgliedstaaten verbessern, um den betroffenenMitgliedstaaten im Allgemeinen und den Antragstellernim Besonderen zu helfen. Gem Artikel 80 AEUV soll-ten die Rechtsakte der Union, immer wenn dies erforder-lich ist, entsprechende Manahmen fr die Anwendungdes Solidarittsgrundsatzes enthalten und der Prozesssollte durch derartige Manahmen flankiert werden. Dievom Rat am 8. Mrz 2012 angenommenen Schlussfol-gerungen ber einen gemeinsamen Rahmen fr echte

    und praktische Solidaritt gegenber Mitgliedstaaten, de-ren Asylsysteme besonderem Druck, einschlielich durch

    gemischte Migrationsstrme, ausgesetzt sind, stellen einInstrumentarium aus bereits bestehenden und potenziel-len neuen Manahmen dar, das im Rahmen eines Mecha-nismus fr Frhwarnung, Vorsorge und Bewltigung vonAsylkrisen Beachtung finden sollte.

    (23) Die Mitgliedstaaten sollten mit dem EASO bei der Zu-sammenstellung von Informationen ber ihre Fhigkeit,

    besonderen Druck auf ihre Asyl- und Aufnahmesystemenzu bewltigen, insbesondere im Rahmen der Durchfh-rung dieser Verordnung zusammenarbeiten. Das EASO

    sollte regelmig ber die gem der Verordnung (EU)Nr. 439/2010 gesammelten Informationen Berichterstatten.

    (24) berstellungen in den fr die Prfung eines Antrags aufinternationalen Schutz zustndigen Mitgliedstaat knnenentsprechend der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 derKommission (1) auf freiwilliger Basis, in Form der kon-trollierten Ausreise oder in Begleitung erfolgen. Die Mit-gliedstaaten sollten sich durch entsprechende Informationdes Antragstellers fr berstellungen auf freiwilliger Basiseinsetzen und sicherstellen, dass berstellungen in Formeiner kontrollierten Ausreise oder in Begleitung in huma-ner Weise und in voller bereinstimmung mit denGrundrechten und unter Achtung der Menschenwrdesowie dem Wohl des Kindes und unter weitestgehender

    DE29.6.2013 Amtsblatt der Europischen Union L 180/33

    (1) ABl. L 222 vom 5.9.2003, S. 3.

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    Bercksichtigung der Entwicklung der einschlgigenRechtsprechung, inbesondere hinsichtlich berstellungenaus humanitren Grnden, vorgenommen werden.

    (25) Der schrittweise Aufbau eines Raums ohne Binnengren-

    zen, in dem der freie Personenverkehr gem den Be-stimmungen des AEUV gewhrleistet wird, sowie dieFestsetzung der Unionspolitiken zu den Einreise- undAufenthaltsbedingungen einschlielich allgemeiner An-strengungen zur Verwaltung der Auengrenzen erfordernausgewogene, im Geiste der Solidaritt anzuwendendeZustndigkeitskriterien.

    (26) Fr die Verarbeitung personenbezogener Daten durch dieMitgliedstaaten nach dieser Verordnung gilt die Richtlinie95/46/EG des Europischen Parlaments und des Ratesvom 24. Oktober 1995 zum Schutz natrlicher Personen

    bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zumfreien Datenverkehr (1).

    (27) Der Austausch von personenbezogenen einschlielichsensibler Daten ber die Gesundheit eines Antragstellersvor einer berstellung wird gewhrleisten, dass die zu-stndigen Asylbehrden in der Lage sind, Antragstellerneine angemessene Untersttzung zukommen zu lassenund die Kontinuitt des Schutzes und der ihnen zuste-henden Rechte zu gewhrleisten. Der Schutz der Datenvon Antragstellern, die in einen anderen Mitgliedstaatberstellt werden, sollte nach Magabe der Richtlinie

    95/46/EG geregelt werden.

    (28) Die Anwendung dieser Verordnung kann dadurch er-leichtert und ihre Wirksamkeit erhht werden, dass dieMitgliedstaaten bilaterale Vereinbarungen treffen, die da-rauf abzielen, die Kommunikation zwischen den zustn-digen Dienststellen zu verbessern, die Verfahrensfristenzu verkrzen, die Bearbeitung von Aufnahme- oder Wie-deraufnahmegesuchen zu vereinfachen oder Modalittenfr die Durchfhrung von berstellungen festzulegen.

    (29) Die Kontinuitt zwischen dem in der Verordnung (EG)Nr. 343/2003 festgelegten Verfahren zur Bestimmungdes zustndigen Mitgliedstaats und dem in dieser Verord-nung vorgesehenen Verfahren sollte sichergestellt werden.Auerdem sollte die Kohrenz zwischen dieser Verord-nung und der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 des Euro-pischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013ber die Einrichtung von Eurodac fr den Abgleich vonFingerabdruckdaten zum Zwecke der effektiven Anwen-dung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegungder Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mit-gliedstaats, der fr die Prfung eines von einem Dritt-staatsangehrigen oder Staatenlosen in einem Mitglied-staat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zu-stndig ist und ber der Strafverfolgung dienende An

    -

    trge der Strafverfolgungsbehrden der Mitgliedstaaten

    und Europols auf den Abgleich mit Eurodac-Daten (2)sichergestellt werden.

    (30) Die Anwendung dieser Verordnung soll durch das

    Eurodac-System, das mit Verordnung (EU) Nr. 603/2013eingerichtet worden ist, erleichtert werden.

    (31) Das Visa-Informationssystem, das mit Verordnung (EG)Nr. 767/2008 des Europischen Parlaments und des Ra-tes vom 9. Juli 2008 ber das Visa-Informationssystem(VIS) und den Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaa-ten ber Visa fr einen kurzfristigen Aufenthalt ( 3) einge-richtet worden ist, und insbesondere die Anwendung derArtikel 21 und 22, sollen die Anwendung dieser Verord-nung ebenfalls erleichtern.

    (32) In Bezug auf die Behandlung von Personen, die unterdiese Verordnung fallen, sind die Mitgliedstaaten anihre Verpflichtungen aus den vlkerrechtlichen Instru-menten einschlielich der einschlgigen Rechtsprechungdes Europischen Gerichtshofs fr Menschenrechte ge-

    bunden.

    (33) Um einheitliche Bedingungen fr die Durchfhrung die-ser Verordnung zu gewhrleisten, sollten der KommissionDurchfhrungsbefugnisse bertragen werden. Diese Be-fugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU)

    Nr. 182/2011 des Europischen Parlaments und des Ra-tes vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemei-

    nen Regeln und Grundstze, nach denen die Mitglied-staaten die Wahrnehmung der Durchfhrungsbefugnissedurch die Kommission kontrollieren ( 4), ausgebt werden.

    (34) Das Prfungsverfahren sollte verwendet werden fr dieAnnahme einer gemeinsamen Informationsbroschreber Dublin/Eurodac sowie einer speziellen Informations-

    broschre fr unbegleitete Minderjhrige; eines Standard-formblatts fr den Austausch einschlgiger Informationber unbegleitete Minderjhrige; einheitlicher Bedingun-

    gen fr die Abfrage und den Austausch von Informatio-

    nen ber Minderjhrige und abhngige Personen; einheit-licher Bedingungen fr die Vorbereitung und die ber-mittlung von Aufnahme- und Wiederaufnahmegesuchen;zweier Verzeichnisse mit Beweismitteln und Indizien frein Aufnahmegesuch, und deren regelmiger berpr-fung; eines Laissez-passer; einheitlicher Bedingungen frdie Abfrage und den Austausch von Information berberstellungen; eines Standardformblatts fr den Daten-austausch vor einer berstellung; einer gemeinsamen Ge-sundheitsbescheinigung; einheitlicher Bedingungen undpraktischer Vorkehrungen fr den Austausch von Ge-sundheitsdaten einer Person vor einer berstellung undgesicherter elektronischer bermittlungskanle fr Ge-

    suche.

    DEL 180/34 Amtsblatt der Europischen Union 29.6.2013

    (1) ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.

    (2) Siehe Seite 1 dieses Amtsblatts.(3) ABl. L 218 vom 13.8.2008, S. 60.(4) ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13.

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    (35) Zur Festlegung ergnzender nicht wesentlicher Vorschrif-ten sollten der Kommission nach Artikel 290 AEUV dieBefugnis zum Erlass von Rechtsakten bezglich der Er-mittlung von Familienangehrigen, Geschwistern oderVerwandten eines unbegleiteten Minderjhrigen; der Kri-terien fr die Feststellung des Bestehens einer nachgewie-

    senen familiren Bindung; die Kriterien, die zur Bewer-tung der Fhigkeit zur Sorge fr einen unbegleiteten Min-

    derjhrigen durch einen Verwandten zu bercksichtigensind, einschlielich der Flle, in welchem sich Familien-angehrige, Geschwister oder Verwandte des unbegleite-ten Minderjhrigen in mehr als einem Mitgliedstaat auf-halten; der Elemente fr die Bewertung eines Abhngig-keitsverhltnisses; der Bedingungen zur Bewertung derFhigkeit der Aufnahme einer abhngigen Person durcheine Person sowie der Merkmale die zur Beurteilung einerlngerfristigen Reiseunfhigkeit zu bercksichtigen sind,bertragen werden. Bei der Ausbung ihrer Befugniszum Erlass delegierter Rechtsakte geht die Kommissionnicht ber den in Artikel 6 Absatz 3 dieser Verordnung

    vorgesehenen Umfang des Wohl des Kindes hinaus. Es istvon besonderer Bedeutung, dass die Kommission imZuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultatio-nen, auch auf der Ebene von Sachverstndigen, durch-fhrt. Bei der Vorbereitung und Ausarbeitung der dele-gierten Rechtsakte sollte die Kommission eine gleichzei-tige, zgige und angemessene Weiterleitung einschlgigerDokumente an das Europische Parlament und an denRat gewhrleisten.

    (36) Bei der Anwendung dieser Verordnung, einschlielich derVorbereitung delegierter Rechtsakte, sollte die Kommis-sion Sachverstndige aus unter anderem allen einschlgi-

    gen nationalen Behrden konsultieren

    (37) Detaillierte Bestimmungen zur Anwendung der Verord-nung (EG) Nr. 343/2003 wurden im Wege der Verord-nung (EG) Nr. 1560/2003 festgelegt. Aus Grnden derKlarheit oder weil sie einem allgemeinen Zweck dienenknnen, sollten einige Bestimmungen der Verordnung(EG) Nr. 1560/2003 in diese Verordnung bernommenwerden. Fr die Mitgliedstaaten und die Antragsteller istes gleichermaen wichtig, dass es ein allgemeines Ver-fahren zur Lsung von Fllen gibt, in denen die Mitglied-staaten die Verordnung unterschiedlich anwenden. Es istdaher gerechtfertigt, das in der Verordnung (EG) Nr.

    1560/2003 vorgesehene Verfahren zur Schlichtung vonStreitigkeiten, die die humanitre Klausel betreffen, indiese Verordnung zu bernehmen und auf den Rege-lungsgegenstand dieser Verordnung insgesamt auszudeh-nen.

    (38) Um die Anwendung dieser Verordnung wirksam ber-wachen zu knnen, bedarf es einer regelmigen Bewer-tung.

    (39) Diese Verordnung steht im Einklang mit den Grundrech-ten und Grundstzen, die insbesondere mit der Charta

    der Grundrechte der Europischen Union anerkannt wur-

    den. Diese Verordnung zielt insbesondere darauf ab, so-wohl die uneingeschrnkte Wahrung des in Artikel 18der Charta verankerten Rechts auf Asyl als auch die inihren Artikeln 1, 4, 7, 24 und 47 anerkannten Rechte zu

    gewhrleisten. Diese Verordnung sollte daher in diesemSinne angewandt werden.

    (40) Da das Ziel dieser Verordnung, nmlich die Festlegungvon Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mit-

    gliedstaats, der fr die Prfung eines Antrags auf interna-tionalen Schutz zustndig ist, den ein Drittstaatsangeh-

    riger oder Staatenloser in einem Mitgliedstaat gestellt hat,auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreichtwerden kann und daher wegen des Umfangs und derWirkungen dieser Verordnung besser auf Unionsebenezu erreichen ist, kann die Union im Einklang mit demin Artikel 5 des Vertrags ber die Europische Union(EUV) niedergelegten Subsidiarittsprinzip ttig werden.Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Ver-hltnismigkeitsprinzip geht diese Verordnung nichtber das fr die Erreichung dieses Ziels erforderlicheMa hinaus.

    (41) Gem Artikel 3 und Artikel 4a Absatz 1 des dem EUVund dem AEUV beigefgten Protokolls Nr. 21 ber diePosition des Vereinigten Knigreichs und Irlands hinsicht-lich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und desRechts, haben diese Mitgliedstaaten mitgeteilt, dass siesich an der Annahme und Anwendung dieser Verord-nung beteiligen mchten.

    (42) Gem den Artikeln 1 und 2 des dem EUV und demAEUV beigefgten Protokolls Nr. 22 ber die PositionDnemarks beteiligt sich Dnemark nicht an der An-nahme dieser Verordnung, die fr Dnemark nicht bin-dend oder anwendbar ist

    HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

    KAPITEL I

    GEGENSTAND UND DEFINITIONEN

    Artikel 1

    Gegenstand

    Diese Verordnung legt die Kriterien und Verfahren fest, die bei

    der Bestimmung des Mitgliedstaats, der fr die Prfung einesvon einem Drittstaatsangehrigen oder Staatenlosen in einemMitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zu-stndig ist, zur Anwendung gelangen (im Folgenden zustndi-ger Mitgliedstaat).

    Artikel 2

    Definitionen

    Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

    a) Drittstaatsangehriger jede Person, die nicht Brger derUnion im Sinne von Artikel 20 Absatz 1 des AEUV istund bei der es sich nicht um einen Staatsangehrigen einesStaates handelt, der sich aufgrund eines Abkommens mitder Europischen Union an dieser Verordnung beteiligt;

    DE29.6.2013 Amtsblatt der Europischen Union L 180/35

  • 7/25/2019 Verordnung EU Nr 604 2013

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    b) Antrag auf internationalen Schutz einen Antrag auf inter-nationalen Schutz im Sinne des Artikels 2 Buchstabe h derRichtlinie 2011/95/EU;

    c) Antragsteller einen Drittstaatsangehrigen oder Staatenlo-

    sen, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat,ber den noch nicht endgltig entschieden wurde;

    d) Prfung eines Antrags auf internationalen Schutz die Ge-samtheit der Prfungsvorgnge, der Entscheidungen oderUrteile der zustndigen Behrden in Bezug auf einen Antragauf internationalen Schutz gem der Richtlinie2013/32/EU und der Richtlinie 2011/95/EU mit Ausnahmeder Verfahren zur Bestimmung des zustndigen Mitglied-staats gem dieser Verordnung;

    e) Rcknahme eines Antrags auf internationalen Schutz die

    vom Antragsteller im Einklang mit der Richtlinie2013/32/EU ausdrcklich oder stillschweigend unternom-menen Schritte zur Beendigung des Verfahrens, das auf-grund des von ihm gestellten Antrags auf internationalenSchutz eingeleitet worden ist;

    f) Begnstigter internationalen Schutzes einen Drittstaats-angehrigen oder Staatenlosen, dem internationaler Schutzim Sinne von Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie2011/95/EU zuerkannt wurde,

    g) Familienangehrige die folgenden Mitglieder der Familie

    des Antragstellers, die sich im Hoheitsgebiet der Mitglied-staaten aufhalten, sofern die Familie bereits im Herkunfts-

    land bestanden hat:

    der Ehegatte des Antragstellers oder sein nicht verhei-rateter Partner, der mit ihm eine dauerhafte Beziehungfhrt, soweit nach dem Recht oder nach den Gepflogen-heiten des betreffenden Mitgliedstaats nicht verheiratetePaare auslnderrechtlich vergleichbar behandelt werdenwie verheiratete Paare,

    die minderjhrigen Kinder des im ersten Gedankenstrich

    genannten Paares oder des Antragstellers, sofern diesenicht verheiratet sind, gleichgltig, ob es sich nach na-tionalem Recht um eheliche oder auerehelich geboreneoder adoptierte Kinder handelt,

    bei einem minderjhrigen und unverheirateten Antrag-steller, der Vater, die Mutter oder ein anderer Erwachse-ner, der entweder nach dem Recht oder nach den Ge-pflogenheiten des Mitgliedstaats, in dem der Erwachsenesich aufhlt, fr den Minderjhrigen verantwortlich ist,

    bei einem unverheirateten, minderjhrigen Begnstigten

    internationalen Schutzes, der Vater, die Mutter oder einanderer Erwachsener, der/die entweder nach dem Rechtoder nach den Gepflogenheiten des Mitgliedstaats, indem sich der Begnstigte aufhlt, fr ihn verantwortlichist;

    h) Verwandter: der volljhrige Onkel, die volljhrige Tanteoder ein Groelternteil des Antragstellers, der/die sich imHoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhlt, ungeachtet des-sen, ob es sich gem dem nationalen Recht bei dem An-tragsteller um ein ehelich oder auerehelich geborenes oderadoptiertes Kind handelt;

    i) Minderjhriger einen Drittstaatsangehrigen oder Staatenlo-sen unter 18 Jahren;

    j) unbegleiteter Minderjhriger einen Minderjhrigen, derohne Begleitung eines fr ihn nach dem Recht oder nachden Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats verant-wortlichen Erwachsenen in das Hoheitsgebiet der Mitglied-staaten einreist, solange er sich nicht tatschlich in der Ob-hut eines solchen Erwachsenen befindet; dies schliet einenMinderjhrigen ein, der nach Einreise in das Hoheitsgebiet

    eines Mitgliedstaats dort ohne Begleitung zurckgelassenwird;

    k) Vertreter eine Person oder Organisation, die von den zu-stndigen Behrden zur Untersttzung und Vertretung einesunbegleiteten Minderjhrigen in Verfahren nach Magabedieser Verordnung bestellt wurde, um das Wohl des Kindeszu wahren und fr den Minderjhrigen, soweit erforderlich,Rechtshandlungen vorzunehmen. Wird eine Organisationzum Vertreter bestellt, so bezeichnet der Ausdruck Vertre-ter eine Person, die in Bezug auf den Minderjhrigen ihrePflichten im Einklang mit dieser Verordnung wahrnimmt;

    l) Aufenthaltstitel jede von den Behrden eines Mitgliedstaatserteilte Erlaubnis, mit der der Aufenthalt eines Drittstaats-angehrigen oder Staatenlosen im Hoheitsgebiet dieses Mit-gliedstaats gestattet wird, einschlielich der Dokumente, mitdenen die Genehmigung des Aufenthalts im Hoheitsgebietim Rahmen einer Regelung des vorbergehenden Schutzesoder bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die eine Ausweisungverhindernden Umstnde nicht mehr gegeben sind, nach-gewiesen werden kann; ausgenommen sind Visa und Auf-enthaltstitel, die whrend der zur Bestimmung des zustn-digen Mitgliedstaats entsprechend dieser Verordnung erfor-derlichen Frist oder whrend der Prfung eines Antrags auf

    internationalen Schutz oder eines Antrags auf Gewhrungeines Aufenthaltstitels erteilt wurden;

    m) Visum die Erlaubnis oder Entscheidung eines Mitglied-staats, die im Hinblick auf die Einreise zum Zweck derDurchreise oder die Einreise zum Zweck eines Aufenthaltsin diesem Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaatenverlangt wird. Es werden folgende Arten von Visa unter-schieden:

    Visum fr den lngerfristigen Aufenthalt: eine von ei-

    nem der Mitgliedstaaten im Einklang mit seinem inner-

    staatlichen Recht oder dem Unionsrecht ausgefertigteErlaubnis oder Entscheidung, die im Hinblick auf dieEinreise zum Zweck eines Aufenthalts in diesem Mit-gliedstaat von mehr als drei Monaten verlangt wird;

    DEL 180/36 Amtsblatt der Europischen Union 29.6.2013

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    Visum fr den kurzfristigen Aufenthalt: eine Erlaubnisoder Entscheidung eines Mitgliedstaats im Hinblick aufdie Durchreise durch das Hoheitsgebiet eines oder meh-rerer oder aller Mitgliedstaaten oder einen geplantenAufenthalt in diesem Gebiet von hchstens drei Mona-ten je Sechsmonatszeitraum ab dem Zeitpunkt der ers-

    ten Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten;

    Visum fr den Flughafentransit ein fr die Durchreisedurch die internationalen Transitzonen eines oder meh-rerer Flughfen von Mitgliedstaaten gltiges Visum;

    n) Fluchtgefahr das Vorliegen von Grnden im Einzelfall, dieauf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen undzu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller,ein Drittstaatsangehriger oder Staatenloser, gegen den einberstellungsverfahren luft, diesem Verfahren mglicher-weise durch Flucht entziehen knnte.

    KAPITEL II

    ALLGEMEINE GRUNDSTZE UND SCHUTZGARANTIEN

    Artikel 3

    Verfahren zur Prfung eines Antrags auf internationalenSchutz

    (1) Die Mitgliedstaaten prfen jeden Antrag auf internationa-len Schutz, den ein Drittstaatsangehriger oder Staatenloser imHoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschlielich an der Grenzeoder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einemeinzigen Mitgliedstaat geprft, der nach den Kriterien des Kapi-

    tels III als zustndiger Staat bestimmt wird.

    (2) Lsst sich anhand der Kriterien dieser Verordnung derzustndige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mit -gliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestelltwurde, fr dessen Prfung zustndig.

    Erweist es sich als unmglich, einen Antragsteller an den zu-nchst als zustndig bestimmten Mitgliedstaat zu berstellen, daes wesentliche Grnde fr die Annahme gibt, dass das Asylver -fahren und die Aufnahmebedingungen fr Antragsteller in die-sem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die

    eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwrdigenden Be-handlung im Sinne des Artikels 4 der EUGrundrechtecharta

    mit sich bringen, so setzt der die Zustndigkeit prfende Mit-gliedstaat, die Prfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterienfort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zustndig

    bestimmt werden kann.

    Kann keine berstellung gem diesem Absatz an einen auf-grund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaatoder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestelltwurde, vorgenommen werden, so wird der die Zustndigkeitprfende Mitgliedstaat der zustndige Mitgliedstaat.

    (3) Jeder Mitgliedstaat behlt das Recht, einen Antragstellernach Magabe der Bestimmungen und Schutzgarantien derRichtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurck-oder auszuweisen.

    Artikel 4

    Recht auf Information

    (1) Sobald ein Antrag auf internationalen Schutz im Sinnedes Artikels 20 Absatz 2 in einem Mitgliedstaat gestellt wird,unterrichten seine zustndigen Behrden den Antragsteller ber

    die Anwendung dieser Verordnung und insbesondere ber fol-

    gende Aspekte:

    a) die Ziele dieser Verordnung und die Folgen einer weiterenAntragstellung in einem anderen Mitgliedstaat sowie die Fol-gen eines Umzugs in einen anderen Mitgliedstaat whrenddie Schritte, in welchen der nach dieser Verordnung zustn-dige Mitgliedstaat bestimmt wird und der Antrag auf interna-tionalen Schutz geprft wird;

    b) die Kriterien fr die Bestimmung des zustndigen Mitglied-staats, die Rangfolge derartiger Kriterien in den einzelnen

    Schritten des Verfahrens und ihre Dauer einschlielich derTatsache, dass ein in einem Mitgliedstaat gestellter Antrag aufinternationalen Schutz dazu fhren kann, dass dieser Mit-gliedstaat nach dieser Verordnung zustndig wird, selbstwenn diese Zustndigkeit nicht auf derartigen Kriterien be-ruht;

    c) das persnliche Gesprch gem Artikel 5 und die Mglich-keit, Angaben ber die Anwesenheit von Familienangehri-gen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandt-schaftlichen Beziehung in den Mitgliedstaaten zu machen,einschlielich der Mittel, mit denen der Antragsteller dieseAngaben machen kann;

    d) die Mglichkeit zur Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen eineberstellungsentscheidung und gegebenenfalls zur Beantra-gung einer Aussetzung der berstellung;

    e) den Umstand, dass die zustndigen Behrden der Mitglied-staaten ihn betreffende Daten allein zur Erfllung ihrer Ver-pflichtungen aus dieser Verordnung austauschen drfen;

    f) das Auskunftsrecht bezglich ihn betreffender Daten und dasRecht zu beantragen, dass solche Daten berichtigt werden,sofern sie unrichtig sind, oder gelscht werden, sofern sie

    unrechtmig verarbeitet wurden, sowie die Verfahren zurAusbung dieser Rechte einschlielich der Kontaktangabender Behrden im Sinne des Artikels 35 und der nationalenDatenschutzbehrden, die fr die Entgegennahme von Be-schwerden ber den Schutz personenbezogener Daten zu-stndig sind.

    (2) Die Informationen nach Absatz 1 werden schriftlich ineiner Sprache mitgeteilt, die der Antragsteller versteht oder vonder vernnftigerweise angenommen werden darf, dass der An-tragsteller sie versteht. Die Mitgliedstaaten verwenden hierzu daszu diesem Zweck gem Absatz 3 erstellte gemeinsame Merk-

    blatt.

    Wenn dies fr das richtige Verstndnis des Antragstellers not-wendig ist, werden die Informationen auch mndlich, beispiels-weise bei dem Gesprch nach Artikel 5, erteilt,.

    DE29.6.2013 Amtsblatt der Europischen Union L 180/37

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    (5) Zur Erleichterung geeigneter Manahmen zur Ermittlungder im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats lebenden Fa -milienangehrigen, der Geschwister oder der Verwandten einesunbegleiteten Minderjhrigen gem Absatz 4 dieses Artikelserlsst die Kommission Durchfhrungsrechtsakte, einschlielichder Festlegung eines Standardformblatts fr den Austausch ein-

    schlgiger Informationen zwischen den Mitgliedstaaten. DieseDurchfhrungsrechtsakte werden gem dem in Artikel 44 Ab-satz 2 genannten Prfverfahren erlassen.

    KAPITEL III

    KRITERIEN ZUR BESTIMMUNG DES ZUSTNDIGEN MIT-GLIEDSTAATS

    Artikel 7

    Rangfolge der Kriterien

    (1) Die Kriterien zur Bestimmung des zustndigen Mitglied-

    staats finden in der in diesem Kapitel genannten RangfolgeAnwendung.

    (2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapi-tels zustndigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegan-gen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragstellerseinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal ineinem Mitgliedstaat stellt.

    (3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8,10 und6 genannten Kriterien bercksichtigen die Mitgliedstaa-

    ten alle vorliegenden Indizien fr den Aufenthalt von Familien-

    angehrigen, Verwandten oder Personen jeder anderen ver-wandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheits-gebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt wer-den, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnah-me- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gem denArtikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern ber frhereAntrge des Antragstellers auf internationalen Schutz nochkeine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

    Artikel 8

    Minderjhrige

    (1) Handelt es sich bei dem Antragsteller um einen unbe-

    gleiteten Minderjhrigen, so ist der Mitgliedstaat zustndigerMitgliedstaat, in dem sich ein Familienangehriger oder einesder Geschwister des unbegleiteten Minderjhrigen rechtmigaufhlt, sofern es dem Wohl des Minderjhrigen dient. Ist derAntragsteller ein verheirateter Minderjhriger, dessen Ehepartnersich nicht rechtmig im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auf-hlt, so ist der Mitgliedstaat zustndiger Mitgliedstaat, in demsich der Vater, die Mutter, oder ein anderer Erwachsener derentweder nach dem Recht oder nach den Gepflogenheiten desMitgliedstaats fr den Minderjhrigen zustndig ist oder sicheines seiner Geschwister aufhlt.

    (2) Ist der Antragsteller ein unbegleiteter Minderjhriger, dereinen Verwandten hat, der sich rechtmig in einem anderenMitgliedstaat aufhlt, und wurde anhand einer Einzelfallprfungfestgestellt, dass der Verwandte fr den Antragsteller sorgen

    kann, so fhrt dieser Mitgliedstaat den Minderjhrigen und seineVerwandten zusammen und ist der zustndige Mitgliedstaat,sofern es dem Wohl des Minderjhrigen dient.

    (3) Halten sich Familienangehrige, Geschwister oder Ver-wandte im Sinne der Abstze 1 und 2 in mehr als einem Mit

    -

    gliedstaat auf, wird der zustndige Mitgliedstaat danach be-stimmt, was dem Wohl des unbegleiteten Minderjhrigen dient.

    (4) Bei Abwesenheit eines Familienangehrigen eines seinerGeschwisters oder eines Verwandten im Sinne der Abstze 1und 2, ist der Mitgliedstaat zustndiger Mitgliedstaat, in dem derunbegleitete Minderjhrige seinen Antrag auf internationalenSchutz gestellt hat, sofern es dem Wohl des Minderjhrigendient.

    (5) Der Kommission wird die Befugnis bertragen gemArtikel 45 in Bezug auf die Ermittlung von Familienangehri -gen, Geschwistern oder Verwandten eines unbegleiteten Minder-

    jhrigen; die Kriterien fr die Feststellung des Bestehens einernachgewiesenen familiren Bindung; die Kriterien zur Beurtei-lung der Fhigkeit eines Verwandten, fr den unbegleiteten Min-derjhrigen zu sorgen, einschlielich der Flle, in denen sich dieFamilienangehrigen, Geschwister oder Verwandten des unbe-gleiteten Minderjhrigen in mehr als einem Mitgliedstaat aufhal-ten, delegierte Rechtsakte zu erlassen. Bei der Ausbung ihrerBefugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte geht die Kommissionnicht ber den in Artikel 6 Absatz 3 vorgesehenen Umfang desWohls des Kindes hinaus.

    (6) Die Kommission legt im Wege von Durchfhrungsrechts-akten einheitliche Bedingungen fr Konsultationen und den In-formationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. DieseDurchfhrungsrechtsakte werden gem dem in Artikel 44 Ab-satz 2 genannten Prfverfahren erlassen.

    Artikel 9

    Familienangehrige, die Begnstigte internationalenSchutzes sind

    Hat der Antragsteller einen Familienangehrigen ungeachtet

    der Frage, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestandenhat , der in seiner Eigenschaft als Begnstigter internationalenSchutzes in einem Mitgliedstaat aufenthaltsberechtigt ist, so istdieser Mitgliedstaat fr die Prfung des Antrags auf internatio-nalen Schutz zustndig, sofern die betreffenden Personen diesenWunsch schriftlich kundtun.

    Artikel 10

    Familienangehrige, die internationalen Schutz beantragthaben

    Hat ein Antragsteller in einem Mitgliedstaat einen Familienange-

    hrigen, ber dessen Antrag auf internationalen Schutz nochkeine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, so ist dieserMitgliedstaat fr die Prfung des Antrags auf internationalenSchutz zustndig, sofern die betreffenden Personen diesenWunsch schriftlich kundtun.

    DE29.6.2013 Amtsblatt der Europischen Union L 180/39

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    Artikel 11

    Familienverfahren

    Stellen mehrere Familienangehrige und/oder unverheirateteminderjhrige Geschwister in demselben Mitgliedstaat gleichzei-tig oder in so groer zeitlicher Nhe einen Antrag auf interna-

    tionalen Schutz, dass die Verfahren zur Bestimmung des zustn-

    digen Mitgliedstaats gemeinsam durchgefhrt werden knnen,und knnte die Anwendung der in dieser Verordnung genann-ten Kriterien ihre Trennung zur Folge haben, so gilt fr dieBestimmung des zustndigen Mitgliedstaats Folgendes:

    a) zustndig fr die Prfung der Antrge auf internationalenSchutz smtlicher Familienangehriger und/oder unverhei-rateter minderjhriger Geschwister ist der Mitgliedstaat, dernach den Kriterien fr die Aufnahme des grten Teils vonihnen zustndig ist;

    b) andernfalls ist fr die Prfung der Mitgliedstaat zustndig,der nach den Kriterien fr die Prfung des von dem ltestenvon ihnen gestellten Antrags zustndig ist.

    Artikel 12

    Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa

    (1) Besitzt der Antragsteller einen gltigen Aufenthaltstitel, soist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, frdie Prfung des Antrags auf internationalen Schutz zustndig.

    (2) Besitzt der Antragsteller ein gltiges Visum, so ist derMitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, fr die Prfung desAntrags auf internationalen Schutz zustndig, es sei denn,dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats imRahmen einer Vertretungsvereinbarung gem Artikel 8 derVerordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europischen Parlamentsund des Rates vom 13. Juli 2009 ber einen Visakodex derGemeinschaft (1) erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertreteneMitgliedstaat fr die Prfung des Antrags auf internationalenSchutz zustndig.

    (3) Besitzt der Antragsteller mehrere gltige Aufenthaltstiteloder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitglied-staaten fr die Prfung des Antrags auf internationalen Schutzin folgender Reihenfolge zustndig:

    a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der lngstenGltigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gltigkeitsdauerder Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitelerteilt hat;

    b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilthat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

    c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visummit der lngsten Gltigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicherGltigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufendeVisum erteilt hat.

    (4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufent-haltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder

    ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abge-laufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mit-gliedstaats einreisen konnte, so sind die Abstze 1, 2 und 3anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mit-gliedstaaten nicht verlassen hat.

    Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, diemehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder meh-rere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind,aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ein-reisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten

    nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zustndig, in dem derAntrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

    (5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visumaufgrund einer falschen oder missbruchlich verwendeten Iden-titt oder nach Vorlage von geflschten, falschen oder unglti-gen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mit-gliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zustn-digkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstiteloder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zustndig, wenn nach -gewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oderdes Visums eine betrgerische Handlung vorgenommen wurde.

    Artikel 13

    Einreise und/oder Aufenthalt

    (1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indiziengem den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnunggenannten Verzeichnissen, einschlielich der Daten nach derVerordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragstel-ler aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luft -grenze eines Mitgliedstaats illegal berschritten hat, so ist dieserMitgliedstaat fr die Prfung des Antrags auf internationalenSchutz zustndig. Die Zustndigkeit endet zwlf Monate nachdem Tag des illegalen Grenzbertritts.

    (2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gem Absatz 1 diesesArtikels nicht lnger zustndig und wird auf der Grundlagevon Beweismitteln oder Indizien gem den beiden in Artikel 22Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antrag-steller der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaateneingereist ist oder bei dem die Umstnde der Einreise nichtfestgestellt werden knnen sich vor der Antragstellung wh-rend eines ununter-brochenen Zeitraums von mindestens fnfMonaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieserMitgliedstaat fr die Prfung des Antrags auf internationalenSchutz zustndig.

    Hat sich der Antragsteller fr Zeitrume von mindestens fnfMonaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist derMitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, fr die Prfungdes Antrags auf internationalen Schutz zustndig.

    DEL 180/40 Amtsblatt der Europischen Union 29.6.2013

    (1) ABl. L 243 vom 15.9.2009, S. 1.

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    Artikel 14

    Visafreie Einreise

    (1) Reist ein Drittstaatsangehriger oder Staatenloser in dasHoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ein, in dem fr ihn kein Vi -sumzwang besteht, so ist dieser Mitgliedstaat fr die Prfung des

    Antrags auf internationalen Schutz zustndig.

    (2) Der Grundsatz nach Absatz 1 findet keine Anwendung,wenn der Drittstaatsangehrige oder Staatenlose seinen Antragauf internationalen Schutz in einem anderen Mitgliedstaat stellt,in dem er ebenfalls kein Einreisevisum vorweisen muss. In die-sem Fall ist dieser andere Mitgliedstaat fr die Prfung desAntrags auf internationalen Schutz zustndig.

    Artikel 15Antrag im internationalen Transitbereich eines Flughafens

    Stellt ein Drittstaatsangehriger oder Staatenloser im internatio-nalen Transitbereich eines Flughafens eines Mitgliedstaats einenAntrag auf internationalen Schutz, so ist dieser Mitgliedstaat frdie Prfung des Antrags zustndig.

    KAPITEL IV

    ABHNGIGE PERSONEN UND ERMESSENSKLAUSELN

    Artikel 16

    Abhngige Personen

    (1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neu-geborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderungoder hohen Alters auf die Untersttzung seines Kindes, einesseiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmigin einem Mitgliedstaat aufhlt, angewiesen oder ist sein Kind,eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich recht -mig in einem Mitgliedstaat aufhlt, auf die Untersttzung desAntragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten inder Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Ge -schwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammen-zufhren, sofern die familire Bindung bereits im Herkunftsland

    bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der El-ternteil in der Lage ist, die abhngige Person zu untersttzenund die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kund-getan haben.

    (2) Hlt sich das Kind, eines seiner Geschwister oder einElternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmig in einem anderenMitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, indem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteilrechtmig aufhlt, zustndiger Mitgliedstaat, sofern der Ge-sundheitszustand des Antragstellers diesen nicht lngerfristigdaran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall,

    ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhlt, zu-

    stndiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zumGegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, einesseiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zuverbringen.

    (3) Der Kommission wird die Befugnis bertragen gemArtikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung desAbhngigkeitsverhltnisses zu bercksichtigen sind, in Bezug aufdie Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiese-nen familiren Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beur -teilung der Fhigkeit der betreffenden Person zur Sorge fr die

    abhngige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beur-teilung einer lngerfristigen Reiseunfhigkeit zu bercksichtigen

    sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

    (4) Die Kommission legt im Wege von Durchfhrungsrechts-akten einheitliche Bedingungen fr Konsultationen und den In-formationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. DieseDurchfhrungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Ab-satz 2 genannten Prfverfahren erlassen.

    Artikel 17

    Ermessensklauseln

    (1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitglied-staat beschlieen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehri-gen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalenSchutz zu prfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnungfestgelegten Kriterien nicht fr die Prfung zustndig ist.

    Der Mitgliedstaat, der gem diesem Absatz beschliet, einenAntrag auf internationalen Schutz zu prfen, wird dadurch zum

    zustndigen Mitgliedstaat und bernimmt die mit dieser Zustn-digkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebe-

    nenfalls ber das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet,das gem Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003eingerichtet worden ist, den zuvor zustndigen Mitgliedstaat,den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zu-stndigen Mitgliedstaats durchfhrt, oder den Mitgliedstaat, anden ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtetwurde.

    Der Mitgliedstaat, der nach Magabe dieses Absatzes zustndigwird, teilt diese Tatsache unverzglich ber Eurodac nach Ma-gabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er denZeitpunkt ber die erfolgte Entscheidung zur Prfung des An-trags anfgt.

    (2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalenSchutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestim-mung des zustndigen Mitgliedstaats durchfhrt, oder der zu-stndige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in derSache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat er-suchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitren Grn-den, die sich insbesondere aus dem familiren oder kulturellen

    Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Be-

    ziehung zusammenzufhren, auch wenn der andere Mitglied-staat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nichtzustndig ist. Die betroffenen Personen mssen dem schriftlichzustimmen.

    DE29.6.2013 Amtsblatt der Europischen Union L 180/41

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    Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, ber die der er-suchende Mitgliedstaat verfgt, um dem ersuchten Mitgliedstaatdie Beurteilung des Falles zu ermglichen.

    Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen berpr-

    fungen vor, um zu prfen, dass die angefhrten humanitrenGrnde vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaatber das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das ge-m Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerich-tet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Ge-suchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begrnden.

    Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihmdie Zustndigkeit fr die Antragsprfung bertragen.

    KAPITEL V

    PFLICHTEN DES ZUSTNDIGEN MITGLIEDSTAATS

    Artikel 18

    Pflichten des zustndigen Mitgliedstaats

    (1) Der nach dieser Verordnung zustndige Mitgliedstaat istverpflichtet:

    a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einenAntrag gestellt hat, nach Magabe der Artikel 21, 22 und 29aufzunehmen;

    b) einen Antragsteller, der whrend der Prfung seines Antragsin einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder

    der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohneAufenthaltstitel aufhlt, nach Magabe der Artikel 23, 24, 25und 29 wieder aufzunehmen;

    c) einen Drittstaatsangehrigen oder einen Staatenlosen, derseinen Antrag whrend der Antragsprfung zurckgezogenund in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hatoder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet einesanderen Mitgliedstaats aufhlt, nach Magabe der Artikel 23,24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

    d) einen Drittstaatsangehrigen oder Staatenlosen, dessen An-trag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaateinen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebieteines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhlt,nach Magabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder auf-zunehmen.

    (2) Der zustndige Mitgliedstaat prft in allen dem Anwen-dungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegen-den Fllen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oderschliet seine Prfung ab.

    Hat der zustndige Mitgliedstaat in den in den Anwendungs-bereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fllen die Prfung

    nicht fortgefhrt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurck-

    gezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in ersterInstanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass derAntragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prfungseines Antrags abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag

    auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantragim Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesenFllen gewhrleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prfung desAntrags abgeschlossen wird.

    In den in den Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstabe dfallenden Fllen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abge -lehnt worden ist, stellt der zustndige Mitgliedstaat sicher, dassdie betreffende Person die Mglichkeit hat oder hatte, einenwirksamen Rechtsbehelf gem Artikel 46 der Richtlinie2013/32/EU einzulegen.

    Artikel 19

    bertragung der Zustndigkeit

    (1) Erteilt ein Mitgliedstaat dem Antragsteller einen Aufent-haltstitel, so obliegen diesem Mitgliedstaat die Pflichten nachArtikel 18 Absatz 1.

    (2) Die Pflichten nach Artikel 18 Absatz 1 erlschen, wennder zustndige Mitgliedstaat nachweisen kann, dass der Antrag-steller oder eine andere Person im Sinne von Artikel 18 Absatz1 Buchstabe c oder d, um dessen/deren Aufnahme oder Wieder-aufnahme er ersucht wurde, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaa-ten fr mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn, die

    betreffende Person ist im Besitz eines vom zustndigen Mitglied-staat ausgestellten gltigen Aufenthaltstitels.

    Ein nach der Periode der Abwesenheit im Sinne des Unterabsat-

    zes 1 gestellter Antrag gilt als neuer Antrag, der ein neuesVerfahren zur Bestimmung des zustndigen Mitgliedstaats aus-lst.

    (3) Die Pflichten nach Artikel 18 Absatz 1 Buchstaben c undd erlschen, wenn der zustndige Mitgliedstaat nachweisenkann, dass der Antragsteller oder eine andere Person im Sinnevon Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d, um dessen/derenWiederaufnahme er ersucht wurde, nach Rcknahme oder Ab-lehnung des Antrags das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufder Grundlage eines Rckfhrungsbeschlusses oder einer Ab-schiebungsanordnung verlassen hat.

    Ein nach einer vollzogenen Abschiebung gestellter Antrag giltals neuer Antrag, der ein neues Verfahren zur Bestimmung deszustndigen Mitgliedstaats auslst.

    KAPITEL VI

    AUFNAHME- UND WIEDERAUFNAHMEVERFAHREN

    ABSCHNITT I

    Einleitung des Verfahrens

    Artikel 20

    Einleitung des Verfahrens(1) Das Verfahren zur Bestimmung des zustndigen Mitglied-staats wird eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals einAntrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

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  • 7/25/2019 Verordnung EU Nr 604 2013

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    (2) Ein Antrag auf internationalen Schutz gilt als gestellt,wenn den zustndigen Behrden des betreffenden Mitgliedstaatsein vom Antragsteller eingereichtes Formblatt oder ein behrd-liches Protokoll zugegangen ist. Bei einem nicht in schriftlicherForm gestellten Antrag sollte die Frist zwischen der Abgabe derWillenserklrung und der Erstellung eines Protokolls so kurz

    wie mglich sein.

    (3) Fr die Zwecke dieser Verordnung ist die Situation einesmit dem Antragsteller einreisenden Minderjhrigen, der der De-finition des Familienangehrigen entspricht, untrennbar mit derSituation seines Familienangehrigen verbunden und fllt in dieZustndigkeit des Mitgliedstaats, der fr die Prfung des Antragsauf internationalen Schutz dieses Familienangehrigen zustndigist, auch wenn der Minderjhrige selbst kein Antragsteller ist,sofern dies dem Wohl des Minderjhrigen dient. Ebenso wird

    bei Kindern verfahren, die nach der Ankunft des Antragstellersim Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, ohne dass

    ein neues Zustndigkeitsverfahren fr diese eingeleitet werdenmuss.

    (4) Stellt ein Antragsteller bei den zustndigen Behrden ei-nes Mitgliedstaats einen Antrag auf internationalen Schutz, wh-rend er sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats auf-hlt, obliegt die Bestimmung des zustndigen Mitgliedstaats demMitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Antragsteller auf-hlt. Dieser Mitgliedstaat wird unverzglich von dem mit demAntrag befassten Mitgliedstaat unterrichtet und gilt dann fr dieZwecke dieser Verordnung als der Mitgliedstaat, bei dem derAntrag auf internationalen Schutz gestellt wurde.

    Der Antragsteller wird schriftlich von dieser nderung des dieZustndigkeit prfenden Mitgliedstaats und dem Zeitpunkt, zudem sie erfolgt ist, unterrichtet.

    (5) Der Mitgliedstaat, bei dem der erste Antrag auf interna-tionalen Schutz gestellt wurde, ist gehalten, einen Antragsteller,der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderenMitgliedstaats aufhlt oder dort einen Antrag auf internationalenSchutz gestellt hat, nachdem er seinen ersten Antrag noch wh -rend des Verfahrens zur Bestimmung des zustndigen Mitglied-staats zurckgezogen hat, nach den Bestimmungen der Arti-kel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen, um das Verfahrenzur Bestimmung des zustndigen Mitgliedstaats zum Abschlusszu bringen.

    Diese Pflicht erlischt, wenn der Mitgliedstaat, der das Verfahrenzur Bestimmung des zustndigen Mitgliedstaats abschlieen soll,nachweisen kann, dass der Antragsteller zwischenzeitlich dasHoheitsgebiet der Mitgliedstaaten fr mindestens drei Monateverlassen oder in einem anderen Mitgliedstaat einen Aufenthalts -titel erhalten hat.

    Ein nach einem solchen Abwesenheitszeitraum gestellter Antragim Sinne von Unterabsatz 2 gilt als neuer Antrag, der ein neuesVerfahren zur Bestimmung des zustndigen Mitgliedstaats aus-lst.

    ABSCHNITT II

    Aufnahmeverfahren

    Artikel 21

    Aufnahmegesuch

    (1) Hlt der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internatio-

    nalen Schutz gestellt wurde, einen anderen Mitgliedstaat fr diePrfung des Antrags fr zustndig, so kann er so bald wiemglich, auf jeden Fall aber innerhalb von drei Monaten nachAntragstellung im Sinne von Artikel 20 Absatz 2, diesen ande-ren Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen.

    Abweichend von Unterabsatz 1 wird im Fall einer Eurodac-Treffermeldung im Zusammenhang mit Daten gem Artikel 14der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 dieses Gesuch innerhalbvon zwei Monaten nach Erhalt der Treffermeldung gem Ar-tikel 15 Absatz 2 jener Verordnung gestellt.

    Wird das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht in-

    nerhalb der in Unterabstzen 1 und 2 niedergelegten Frist un -terbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf inter-nationalen Schutz gestellt wurde, fr die Prfung des Antragszustndig.

    (2) Der ersuchende Mitgliedstaat kann in Fllen, in denen derAntrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, nachdem dieEinreise oder der Verbleib verweigert wurde, der Betreffendewegen illegalen Aufenthalts festgenommen wurde oder eine Ab-schiebungsanordnung zugestellt oder vollstreckt wurde, einedringende Antwort anfordern.

    In dem Gesuch werden die Grnde genannt, die eine dringendeAntwort rechtfertigen, und es wird angegeben, innerhalb wel-cher Frist eine Antwort erwartet wird. Diese Frist betrgt min-destens eine Woche.

    (3) In den Fllen im Sinne der Unterabstze 1 und 2 ist frdas Gesuch um Aufnahme durch einen anderen Mitgliedstaatein Formblatt zu verwenden, das Beweismittel oder Indiziengem den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeich-nissen und/oder sachdienliche Angaben aus der Erklrung desAntragstellers enthalten muss, anhand deren die Behrden desersuchten Mitgliedstaats prfen knnen, ob ihr Staat gem denin dieser Verordnung definierten Kriterien zustndig ist.

    Die Kommission legt im Wege von Durchfhrungsrechtsakteneinheitliche Bedingungen fr die Erstellung und bermittlungvon Aufnahmegesuchen fest. Diese Durchfhrungsrechtsaktewerden gem dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prfver-fahren erlassen.

    Artikel 22

    Antwort auf ein Aufnahmegesuch

    (1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen ber-prfungen vor und entscheidet ber das Gesuch um Aufnahmeeines Antragstellers innerhalb von zwei Monaten, nach Erhalt

    des Gesuchs.

    (2) In dem Verfahren zur Bestimmung des zustndigen Mit-gliedstaats werden Beweismittel und Indizien verwendet.

    DE29.6.2013 Amtsblatt der Europischen Union L 180/43

  • 7/25/2019 Verordnung EU Nr 604 2013

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    (3) Die Kommission legt im Wege von Durchfhrungsrechts-akten die Erstellung und regelmige berprfung zweier Ver-zeichnisse, in denen die sachdienlichen Beweismittel und Indi -zien gem den in den Buchstaben a und b dieses Artikelsfestgelegten Kriterien aufgefhrt sind, fest. Diese Durchfhrungs-rechtsakte werden gem dem in Artikel 44 Absatz 2 genann-

    ten Prfverfahren erlassen.

    a) Beweismittel:

    i) Hierunter fallen frmliche Beweismittel, die insoweit berdie Zustndigkeit nach dieser Verordnung entscheiden, alssie nicht durch Gegenbeweise widerlegt werden;

    ii) Die Mitgliedstaaten stellen dem in Artikel 44 vorgesehe-nen Ausschuss nach Magabe der im Verzeichnis derfrmlichen Beweismittel festgelegten Klassifizierung Mus-ter der verschiedenen Arten der von ihren Verwaltungenverwendeten Dokumente zur Verfgung;

    b) Indizien:

    i) Hierunter fallen einzelne Anhaltspunkte, die, obwohl sieanfechtbar sind, in einigen Fllen nach der ihnen zugebil-ligten Beweiskraft ausreichen knnen;

    ii) Ihre Beweiskraft hinsichtlich der Zustndigkeit fr diePrfung des Antrags auf internationalen Schutz wirdvon Fall zu Fall bewertet.

    (4) Das Beweiserfordernis sollte nicht ber das fr die ord-nungsgeme Anwendung dieser Verordnung erforderliche Mahinausgehen.

    (5) Liegen keine frmlichen Beweismittel vor, erkennt der

    ersuchte Mitgliedstaat seine Zustndigkeit an, wenn die Indizienkohrent, nachprfbar und hinreichend detailliert sind, um dieZustndigkeit zu begrnden.

    (6) Beruft sich der ersuchende Mitgliedstaat auf das Dring-lichkeitsverfahren gem Artikel 21 Absatz 2, so unternimmtder ersuchte Mitgliedstaat alle Anstrengungen, um die vorgege-

    bene Frist einzuhalten. In Ausnahmefllen, in denen nachgewie-sen werden kann, dass die Prfung eines Gesuchs um Aufnahmeeines Antragstellers besonders kompliziert ist, kann der ersuchteMitgliedstaat seine Antwort nach Ablauf der vorgegebenen Fristerteilen, auf jeden Fall ist die Antwort jedoch innerhalb einesMonats zu erteilen. In derartigen Fllen muss der ersuchte Mit-gliedstaat seine Entscheidung, die Antwort zu einem spteren

    Zeitpunkt zu erteilen, dem ersuchenden Mitgliedstaat innerhalbder ursprnglich gesetzten Frist mitteilen.

    (7) Wird innerhalb der Frist von zwei Monaten gem Ab-satz 1 bzw. der Frist von einem Monat gem Absatz 6 keineAntwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahme-gesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht,die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen frdie Ankunft zu treffen.

    ABSCHNITT III

    Wiederaufnahmeverfahren

    Artikel 23

    Wiederaufnahmegesuch bei erneuter Antragstellung imersuchenden Mitgliedstaat

    (1) Ist ein Mitgliedstaat, in dem eine Person im Sinne desArtikels 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d einen neuen

    Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Auffassung,dass nach Artikel 20 Absatz 5 und Artikel 18 Absatz 1 Buch -staben b, c oder d ein anderer Mitgliedstaat fr die Prfung desAntrags zustndig ist, so kann er den anderen Mitgliedstaatersuchen, die Person wieder aufzunehmen.

    (2) Ein Wiederaufnahmegesuch ist so bald wie mglich, aufjeden Fall aber innerhalb von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung im Sinne von Artikel 9 Absatz 5 der Verord-nung (EU) Nr. 603/2013 zu stellen.

    Sttzt sich das Wiederaufnahmegesuch auf andere Beweismittelals Angaben aus dem Eurodac-System, ist es innerhalb von dreiMonaten, nachdem der Antrag auf internationalen Schutz imSinne von Artikel 20 Absatz 2 gestellt wurde, an den ersuchtenMitgliedstaat zu richten.

    (3) Erfolgt das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb der inAbsatz 2 festgesetzten Frist, so ist der Mitgliedstaat fr diePrfung des Antrags auf internationalen Schutz zustndig, indem der neue Antrag gestellt wurde.

    (4) Fr ein Wiederaufnahmegesuch ist ein Standardformblattzu verwenden, das Beweismittel oder Indizien im Sinne der

    beiden Verzeichnisse nach Artikel 22 Absatz 3 und/oder sach-dienliche Angaben aus der Erklrung der betroffenen Personenthalten muss, anhand deren die Behrden des ersuchten Mit-

    gliedstaats prfen knnen, ob ihr Staat auf Grundlage der indieser Verordnung festgelegten Kriterien zustndig ist.

    Die Kommission legt im Wege von Durchfhrungsrechtsakteneinheitliche Bedingungen fr die Erstellung und bermittlungvon Wiederaufnahmegesuchen fest. Diese Durchfhrungsrechts-akte werden gem dem in Artikel 44 Absatz 2 gennantenPrfverfahren erlassen.

    Artikel 24

    Wiederaufnahmegesuch, wenn im ersuchendenMitgliedstaat kein neuer Antrag gestellt wurde

    (1) Ist ein Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich einePerson im Sinne des Artikels 18 Absatz 1 Buchstaben b, coder d ohne Aufenthaltstitel aufhlt und bei dem kein neuerAntrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, der Auffas-sung, dass ein anderer Mitgliedstaat gem Artikel 20 Absatz5 und Artikel 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d zustndig ist,so kann er den anderen Mitgliedstaat ersuchen, die Person wie -der aufzunehmen.

    (2) Beschliet ein Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sicheine Person ohne Aufenthaltstitel aufhlt, in Abweichung vonArtikel 6 Absatz 2 der Richtlinie 2008/115/EG des Europi -schen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008ber gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten

    DEL 180/44 Amtsblatt der Europischen Union 29.6.2013

  • 7/25/2019 Verordnung EU Nr 604 2013

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    zur Rckfhrung illegal aufhltiger Drittstaatsangehriger (1)eine Abfrage der Eurodac-System gem Artikel 17 der Verord-nung (EU) Nr. 603/2013, so ist das Gesuch um Wiederauf-nahme einer Person im Sinne des Artikels 18 Absatz 1 Buch-staben b oder c dieser Verordnung oder einer Person im Sinneihres Artikels 18 Absatz 1 Buchstabe d, deren Antrag auf in -

    ternationalen Schutz nicht durch eine endgltige Entscheidungabgelehnt wurde, so bald wie mglich, auf jeden Fall aber inner -halb von zwei Monaten nach der Erhalt der EurodacTreffer -meldung im Sinne von Artikel 17 Absatz 5 der Verordnung(EU) Nr. 603/2013 zu unterbreiten.

    Sttzt sich das Wiederaufnahmegesuch auf andere Beweismittelals Angaben aus dem Eurodac-System, ist es innerhalb von dreiMonaten, nachdem der ersuchende Mitgliedstaat festgestellt hat,dass ein anderer Mitgliedstaat fr die betreffende Person zustn-dig sein knnte, an den ersuchten Mitgliedstaat zu richten.

    (3) Wird das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb der inAbsatz 2 genannten Frist unterbreitet, so gibt der Mitgliedstaat,

    in dessen Hoheitsgebiet sich die betreffende Person ohne Auf-enthaltstitel aufhlt, dieser Person Gelegenheit, einen neuen An-

    trag zu stellen.

    (4) Hlt sich eine Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1Buchstabe d dieser Verordnung, deren Antrag auf internationa-len Schutz in einem Mitgliedstaat durch eine rechtskrftige Ent-scheidung abgelehnt wurde, ohne Aufenthaltstitel im Hoheits-gebiet eines anderen Mitgliedstaats auf, so kann der letzte Mit -gliedstaat den frheren Mitgliedstaat entweder um Wiederauf-nahme der betreffenden Person ersuchen oder ein Rckkehrver-fahren gem der Richtlinie 2008/115/EG durchfhren.

    Beschliet der letzte Mitgliedstaat, den frheren Mitgliedstaat

    um Wiederaufnahme der betreffenden Person zu ersuchen, sofinden die Bestimmungen der Richtlinie 2008/115/EG keineAnwendung.

    (5) Fr das Gesuch um Wiederaufnahme der Person im Sinnedes Artikels 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d ist ein Stan -dardformblatt zu verwenden, das Beweismittel oder Indizien imSinne der beiden Verzeichnisse nach Artikel 22 Absatz 3 und/oder sachdienliche Angaben aus der Erklrung der Person ent -halten muss, anhand deren die Behrden des ersuchten Mitglied-staats prfen knnen, ob ihr Staat auf Grundlage der in dieserVerordnung festgelegten Kriterien zustndig ist.

    Die Kommission erstellt und berprft regelmig im Wege von

    Durchfhrungsrechtsakten die beiden Verzeichnisse, in denensachdienliche Beweiselemente und Indizien nach Magabe derin Artikel 22 Absatz 3 Buchstaben a und b festgelegten Krite-rien angegeben werden, und erlsst einheitliche Bedingungen frdie Erstellung und bermittlung von Wiederaufnahmegesuchen.Diese Durchfhrungsrechtsakte werden gem dem in Artikel 44Absatz 2 genannten Prfverfahren erlassen.

    Artikel 25

    Antwort auf ein Wiederaufnahmegesuch

    (1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen ber-prfungen vor und entscheidet ber das Gesuch um Wieder-aufnahme der betreffenden Person so rasch wie mglich, in

    jedem Fall aber nicht spter als einen Monat, nachdem er mitdem Gesuch befasst wurde. Sttzt sich der Antrag auf Angaben

    aus dem Eurodac-System, verkrzt sich diese Frist auf zweiWochen.

    (2) Wird innerhalb der Frist von einem Monat oder der Fristvon zwei Wochen gem Absatz 1 keine Antwort erteilt, istdavon auszugehen dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgege-

    ben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffendePerson wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungenfr die Ankunft zu treffen.

    ABSCHNITT IV

    Verfahrensgarantien

    Artikel 26

    Zustellung der berstellungsentscheidung

    (1) Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat der Aufnahme oderWiederaufnahme eines Antragstellers oder einer anderen Personim Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d zu, setzt

    der ersuchende Mitgliedstaat die betreffende Person von derEntscheidung in Kenntnis, sie in den zustndigen Mitgliedstaatzu berstellen, sowie gegebenenfalls von der Entscheidung, ih-ren Antrag auf internationalen Schutz nicht zu prfen. Wird die

    betreffende Person durch einen Rechtsbeistand oder einen an-deren Berater vertreten, so knnen die Mitgliedstaaten sich dafrentscheiden, die Entscheidung diesem Rechtsbeistand oder Bera-ter anstelle der betreffenden Person zuzustellen und die Ent-scheidung gegebenenfalls der betroffenen Person mitzuteilen.

    (2) Die Entscheidung nach Absatz 1 enthlt eine Rechts-behelfsbelehrung, einschlielich des Rechts, falls erforderlich,aufschiebende Wirkung zu beantragen, und der Fristen fr dieEinlegung eines Rechtsbehelfs sowie Informationen ber dieFrist fr die Durchfhrung der berstellung mit erforderlichen

    -

    falls Angaben ber den Ort und den Zeitpunkt, an dem oder zudem sich die betreffende Person zu melden hat, wenn diesePerson sich auf eigene Initiative in den zustndigen Mitgliedstaat

    begibt.

    Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die betreffende Personzusammen mit der Entscheidung nach Absatz 1 Angaben zuPersonen oder Einrichtungen erhlt, die sie rechtlich beratenknnen, sofern diese Angaben nicht bereits mitgeteilt wurden.

    (3) Wird die betreffende Person nicht durch einen Rechtsbei-stand oder einen anderen Berater untersttzt oder vertreten, so

    informiert der Mitgliedstaat sie in einer Sprache, die sie verstehtoder bei der vernnftigerweise angenommen werden kann, dasssie sie versteht, ber die wesentlichen Elemente der Entschei-dung, darunter stets ber mgliche Rechtsbehelfe und die Fris -ten zur Einlegung solcher Rechtsbehelfe.

    Artikel 27

    Rechtsmittel

    (1) Der Antragsteller oder eine andere Person im Sinne vonArtikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d hat das Recht auf einwirksames Rechtsmittel gegen eine berstellungsentscheidung inForm einer auf Sach- und Rechtsfragen gerichteten berprfungdurch ein Gericht.

    (2) Die Mitgliedstaaten sehen eine angemessene Frist vor, inder die betreffende Person ihr Recht auf einen wirksamenRechtsbehelf nach Absatz 1 wahrnehmen kann.

    DE29.6.2013 Amtsblatt der Europischen Union L 180/45

    (1) ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 98.

  • 7/25/2019 Verordnung EU Nr 604 2013

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    (3) Zum Zwecke eines Rechtsbehelfs gegen eine berstel-lungsentscheidung oder einer berprfung einer berstellungs-entscheidung sehen die Mitgliedstaaten in ihrem innerstaatlichenRecht Folgendes vor:

    a) dass die betroffene Person aufgrund des Rechtsbehelfs oderder berprfung berechtigt ist, bis zum Abschluss desRechtsbehelfs oder der berprfung im Hoheitsgebiet des

    betreffenden Mitgliedstaats zu bleiben; oder

    b) dass die berstellung automatisch ausgesetzt wird und dieseAussetzung innerhalb einer angemessenen Frist endet, inner-halb der ein Gericht, nach eingehender und grndlicher Pr-fung, darber entschieden hat, ob eine aufschiebende Wir-kung des Rechtsbehelfs oder der berprfung gewhrt wird;oder

    c) die betreffende Person hat die Mglichkeit, bei einem Gericht

    innerhalb einer angemessenen Frist eine Aussetzung derDurchfhrung der berstellungsentscheidung bis zum Ab-schluss des Rechtsbehelfs oder der berprfung zu beantra-gen. Die Mitgliedstaaten sorgen fr einen wirksamen Rechts-

    behelf in der Form, dass die berstellung ausgesetzt wird, bisdie Entscheidung ber den ersten Antrag auf Aussetzungergangen ist. Die Entscheidung, ob die Durchfhrung derberstellungsentscheidung ausgesetzt wird, wird innerhalbeiner angemessenen Frist getroffen, welche gleichwohl eineeingehende und grndliche Prfung des Antrags auf Ausset-zung ermglicht. Die Entscheidung, die Durchfhrung derberstellungsentscheidung nicht auszusetzen, ist zu begrn-den.

    (4) Die Mitgliedstaaten knnen vorsehen, dass die zustndi-

    gen Behrden beschlieen knnen, von Amts wegen ttig zuwerden, um die Durchfhrung der berstellungsentscheidung

    bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der berprfung aus-zusetzen.

    (5) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die betreffendePerson rechtliche Beratung und wenn ntig sprachlicheHilfe in Anspruch nehmen kann.

    (6) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die rechtliche Be-ratung auf Antrag unentgeltlich gewhrt wird, wenn die betref-

    fende Person die Kosten nicht selbst tragen kann. Die Mitglied-

    staaten knnen vorsehen, dass Antragstellern hinsichtlich derGebhren und anderen Kosten keine gnstigere Behandlungzuteil wird, als sie den eigenen Staatsangehrigen in Fragender rechtlichen Beratung im Allgemeinen gewhrt wird.

    Ohne den Zugang zur rechtlichen Beratung willkrlich ein-zuschrnken, knnen die Mitgliedstaaten vorsehen, dass keineunentgeltliche rechtliche Beratung und Vertretung gewhrt wird,wenn die zustndige Behrde oder ein Gericht dem Rechtsbehelfoder der berprfung keine greifbaren Erfolgsaussichten ein-rumt.

    Beschliet eine andere Stelle als ein Gericht, gem diesem Ab-

    satz keine unentgeltliche rechtliche Beratung und Vertretung zugewhren, so sehen die Mitgliedstaaten das Recht vor, bei einemGericht einen wirksamen Rechtsbehelf gegen diesen Beschlusseinzulegen.

    In bereinstimmung mit den Voraussetzungen dieses Absatzesstellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die rechtliche Beratungund Vertretung nicht willkrlich eingeschrnkt werden und derwirksame Zugang des Antragstellers zu den Gerichten nicht

    beeintrchtigt wird.

    Die rechtliche Beratung umfasst zumindest die Vorbereitung dererforderlichen Verfahrensdokumente und die Vertretung vor Ge-richten und kann auf Rechtsbeistand und Berater beschrnktwerden, die nach einzelstaatlichem Recht zur Bereitstellungvon Untersttzung und Vertretung berufen sind.

    Die Verfahren fr die Inanspruchnahme rechtlicher Beratungwerden im einzelstaatlichen Recht festgelegt.

    ABSCHNITT V

    Inhaftnahme zum Zwecke der berstellung

    Artikel 28

    Haft

    (1) Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein des-halb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegtenVerfahren unterliegt.

    (2) Zwecks Sicherstellung von berstellungsverfahren, drfendie Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Verordnung, wenneine erhebliche Fluchtgefahr besteht, nach einer Einzelfallpr-fung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur imFalle dass Haft verhltnismig ist und sich weniger einschnei-

    dende Manahmen nicht wirksam anwenden lassen.

    (3) Die Haft hat so kurz wie mglich zu sein und nichtlnger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendigist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebote-nen Sorgfalt durchzufhren, bis die berstellung gem dieserVerordnung durchgefhrt wird.

    Wird eine Person nach diesem Artikel in Haft genommen, sodarf die Frist fr die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederauf-nahmegesuchs einen Monat ab der Stellung des Antrags nichtberschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Verfahren gem dieser

    Verordnung durchfhrt, ersucht in derartigen Fllen um einedringende Antwort. Diese Antwort erfolgt sptestens zwei Wo-chen nach Eingang des Gesuchs. Wird innerhalb der Frist vonzwei Wochen keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dassdem Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmegesuch stattgegebenwird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person auf-zunehmen und angemessene Vorkehrungen fr die Ankunftzu treffen.

    Befindet sich eine Person nach diesem Artikel in Haft, so erfolgtdie berstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zu-stndigen Mitgliedstaat, sobald diese praktisch durchfhrbar istund sptestens innerhalb von sechs Wochen nach der still-

    schweigenden oder ausdrcklichen Annahme des Gesuchs aufAufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person durcheinen anderen Mitgliedstaat oder von dem Zeitpunkt an, ab demder Rechtsbehelf oder die berprfung gem Artikel 27 Ab-satz 3 keine aufschiebende Wirkung mehr hat.

    DEL 180/46 Amtsblatt der Europischen Union 29.6.2013

  • 7/25/2019 Verordnung EU Nr 604 2013

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    Hlt der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen fr die Stellungeines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs nicht ein oderfindet die berstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechsWochen im Sinne des Unterabsatz 3 statt, wird die Person nichtlnger in Haft gehalten. Die Artikel 21, 23, 24 und 29 geltenweiterhin entsprechend.

    (4) Hinsichtlich der Haftbedingungen und der Garantien frin Haft befindliche Personen gelten zwecks Absicherung derVerfahren fr die berstellung in den zustndigen Mitgliedstaat,die Artikel 9, 10 und 11 der Richtlinie 2013/33/EU.

    ABSCHNITT VI

    berstellung

    Artikel 29

    Modalitten und Fristen

    (1) Die berstellung des Antragstellers oder einer anderenPerson im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c oder daus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zustndigen Mitglied-staat erfolgt gem den innerstaatlichen Rechtsvorschriften desersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligtenMitgliedstaaten, sobald dies praktisch mglich ist und sptestensinnerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme desAufnahme oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen ande-ren Mitgliedstaat oder der endgltigen Entscheidung ber einenRechtsbehelf oder eine berprfung, wenn diese gem Arti-kel 27 Absatz 3 aufschiebende Wirkung hat.

    Wenn berstellungen in den zustndigen Mitgliedstaat in Formeiner kontrollierten Ausreise oder in Begleitung erfolgen, stelltder Mitgliedstaat sicher, dass sie in humaner Weise und unteruneingeschrnkter Wahrung der Grundrechte und der Men-schenwrde durchgefhrt werden.

    Erforderlichenfalls stellt der ersuchende Mitgliedstaat dem An-tragsteller ein Laissez-passer aus. Die Kommission gestaltet imWege von Durchfhrungsrechtsakten das Muster des Laissez-passer. Diese Durchfhrungsrechtsakte werden gem dem inArtikel 44 Absatz 2 genannten Prfverfahren erlassen.

    Der zustndige Mitgliedstaat teilt dem ersuchenden Mitgliedstaatgegebenenfalls mit, dass die betreffende Person eingetroffen istoder dass sie nicht innerhalb der vorgegebenen Frist erschienenist.

    (2) Wird die berstellung nicht innerhalb der Frist von sechsMonaten durchgefhrt, ist der zustndige Mitgliedstaat nichtmehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffendenPerson verpflichtet und die Zustndigkeit geht auf den ersuchen-

    den Mitgliedstaat ber. Diese Frist kann hchstens auf ein Jahrverlngert werden, wenn die berstellung aufgrund der Inhaf-tierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oderhchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Personflchtig ist.

    (3) Wurde eine Person irrtmlich berstellt oder wird einemRechtsbehelf gegen eine berstellungsentscheidung oder derberprfung einer berstellungentscheidung nach Vollzug derberstellung stattgegeben, nimmt der Mitgliedstaat, der dieberstellung durchgefhrt hat, die Person unverzglich wiederauf.

    (4) Die Kommission legt im Wege von Durchfhrungsrechts-akten einheitliche Bedingungen fr Konsultationen und den In-formationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten, insbesonderefr den Fall, dass berstellungen verschoben werden oder nichtfristgerecht erfolgen, fr berstellungen nach stillschweigenderAnnahme, fr berstellungen Minderjhriger oder abhngigerPersonen und fr kontrollierte berstellungen fest. Diese Durch-fhrungsrechtsakte werden gem dem in Artikel 44 Absatz 2genannten Prfverfahren erlassen.

    Artikel 30

    Kosten der berstellung

    (1) Die Kosten fr die berstellung eines Antragstellers odereiner anderen Person im Sinne von Artikel 18 Absatz 1 Buch -stabe c oder d in den zustndigen Mitgliedstaat werden vondem berstellenden Mitgliedstaat getragen.

    (2) Muss die betroffene Person infolge einer irrtmlichenberstellung oder eines erfolgreichen Rechtsbehelfs gegen eineberstellungsentscheidung oder der berprfung einer berstel-lungsentscheidung nach Vollzug der berstellung rckberstellt

    werden, werden die Kosten fr die Rckberstellung von demMitgliedstaat getragen, der die erste berstellung durchgefhrthat.

    (3) Die berstellungskosten werden nicht den nach dieserVerordnung zu berstellenden Personen auferlegt.

    Artikel 31

    Austausch relevanter Informationen vor Durchfhrungeiner berstellung

    (1) Der den Antragsteller oder eine andere Person im Sinnedes Artikels 18 Absatz 1 Buchstabe c oder d berstellende Mit-gliedstaat bermittelt dem zustndigen Mitgliedstaat die per-sonenbezogenen Daten der zu berstellenden Person, soweitdies sachdienlich und relevant ist und nicht ber das erforder -liche Ma hinausgeht, allein zu dem Zweck, um es den zustn -digen Behrden im zustndigen Mitgliedstaat gem dem inner-staatlichen Recht zu ermglichen, diese Person in geeigneterWeise zu untersttzen unter anderem die zum Schutz ihrerlebenswichtigen Interessen unmittelbar notwendige medizi-nische Versorgung zu leisten und um die Kontinuitt desSchutzes und der Rechte sicherzustellen, die diese Verordnungund andere einschlgige Bestimmungen des Asylrechts bieten.

    Diese Daten werden dem zustndigen Mitgliedstaat innerhalbeiner angemessenen Frist vor der berstellung bermittelt, da -mit seine zustndigen Behrden gem dem innerstaatlichenRecht ausreichend Zeit haben, erforderliche Manahmen zu er-greifen.

    DE29.6.2013 Amtsblatt der Europischen Union L 180/47

  • 7/25/2019 Verordnung EU Nr 604 2013

    18/29

    (2) Der berstellende Mitgliedstaat bermittelt dem zustndi-gen Mitgliedstaat smtliche Informationen, die wesentlich frden Schutz der Rechte und der unmittelbaren besonderen Be-drfnisse der zu berstellenden Person sind, soweit der zustn-digen Behrde gem dem innerstaatlichen Recht entsprechendeInformationen vorliegen; hierzu zhlen insbesondere

    a) alle unmittelbaren Manahmen, welche der zustndige Mit-gliedstaat ergreifen muss, um sicherzustellen, dass den be-sonderen Bedrfnissen der zu berstellenden Person an-gemessen Rechnung getragen wird, einschlielich der gege-

    benenfalls unmittelbar notwendigen medizinischen Versor-gung;

    b) Kontaktdaten von Familienangehrigen Verwandten oderPersonen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung imZielstaat, sofern relevant;

    c) bei Minderjhrigen Angaben zur Schulbildung;

    d) eine Bewertung des Alters des Antragstellers.

    (3) Der Informationsaustausch nach Magabe dieses Artikelserfolgt nur zwischen den Behrden, die der Kommission gemArtikel 35 dieser Verordnung unter Verwendung des auf derGrundlage von Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003eingerichteten elektronischen Kommunikationsnetzes DubliNetmitgeteilt worden sind. Die ausgetauschten Informationen wer-den nur fr die in Absatz 1 genannten Zwecke verwendet undwerden nicht weiterverarbeitet.

    (4)