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Mit der Einführung funktionsstabiler, bikortikal verschraubter Osteosynthe- seplatten mit axialer Kompression zur Behandlung von Unterkieferfrakturen wurde eine frühzeitige Belastbarkeit der Frakturen ohne intermaxilläre Fixation möglich [7–9]. In den 70er Jahren empfahlen verschiedene Auto- ren die Verwendung monokortikal ver- schraubter Miniplatten ohne Kompres- sion zur operativen Frakturbehandlung im gesamten Gesichtsschädelbereich einschließlich des Unterkiefers. Es konnte nachgewiesen werden, dass diese so genanntenMiniplatten, die auf der Zugseite des Alveolarfortsatzes von intraoral angebracht werden, übungsstabil sind und somit in aller Regel auf eine langfristige interma- xilläre Fixation verzichtet werden kann [1, 11]. Die Miniplattenosteosynthese, die neben einer einfachen chirurgi- schen Handhabung auch in den mei- sten Fällen eine ausreichende Übungs- stabilität ermöglicht, stellt heute die chirurgische Standardversorgung von Unterkieferfrakturen dar. Die Versorgung von Frakturen stark atrophischer zahnloser Unterkiefer so- wie von Unterkieferdefekt- und Trüm- merfrakturen ist mit Miniplatten aller- dings schwierig oder nur unzureichend möglich. Aus diesen Erfahrungen her- aus werden in unserer Klinik zur Ver- sorgung dieser Fälle häufig monokor- tikal verschraubte Titangitter verwen- det. Diese gewährleisten eine deutlich verbesserte dreidimensionale Stabili- sierung der Frakturen und verhindern somit Bruchspaltinfektionen und Pseud- arthrosen. Von Januar 1996 bis Okto- ber 1999 wurden insgesamt 19 Patien- ten mit komplizierten Unterkieferfrak- turen in unserer Klinik auf diese Weise versorgt. 3 besonders typische Patien- tenfälle werden im Folgenden vorge- stellt und diskutiert. Kasuistik Patient 1 Im Juni 1996 wurde uns ein 73-jähriger Patient, nachdem er mit seinem Mofa gegen ein stehen- des Auto fuhr, notfallmäßig überwiesen. Die kli- nische und röntgenologische Untersuchung er- gab bei dem zahnlosen Patienten eine Unterkie- fertrümmerfraktur rechts Regio 43–46. Diese war nach extraoral über eine tiefe Riss-Platz- Wunde offen (Abb. 1). In Intubationsnarkose er- folgte die Darstellung des gesamten horizonta- len Unterkieferasts rechts. Es zeigte sich ein stark dislozierter und mehrfach zertrümmerter Unterkieferkorpus. Nach exakter Adaptation der Frakturenden und der Knochentrümmer erfolg- te die Osteosynthese mittels eines großen Titan- gitters (Abb. 2). Die Trümmerfraktur konnte mit Hilfe dieses Gitters so gut stabilisiert werden, dass auf das Einbinden von Prothesenschienen verzichten wurde. Die postoperative Heilung der Weichteilwunden und der Frakturen verlief ohne Komplikation. Bereits im Februar 1997 konnte das Titangitter wieder von extraoral ent- fernt werden. Die nach der Metallentfernung durchgeführte Röntgenkontrolle zeigt eine voll- ständige Wiederherstellung der knöchernen Un- terkieferkontinuität (Abb. 3). Mund Kiefer GesichtsChir (2000) 4 : 193–196 © Springer-Verlag 2000 Versorgung von Unterkiefertrümmer- und Defektfrakturen sowie von Frakturen atrophischer Unterkiefer mit Titangittern T. Schug, H. Rodemer, W. Neupert, J. Dumbach Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und Plastische Operationen (Prof. Dr. Dr. J. Dumbach), Klinikum Saarbrücken Dr. T. Schug, Klinik für Mund-, Kiefer- und Ge- sichtschirurgie und Plastische Operationen, Kli- nikum Saarbrücken, Theodor-Heuss-Straße 122, 66119 Saarbrücken, Deutschland e-mail: [email protected], Tel.: 0681-963-2331, Fax: 0681-963-2448 193 Zusammenfassung Als Standardmethode für die chi- rurgische Versorgung von Unter- kieferfrakturen gilt heutzutage die Miniplattenosteosynthese. Diese ermöglicht neben einer einfachen Handhabung in den meisten Fäl- len eine ausreichende Übungssta- bilität der Frakturen. Die Versor- gung von Frakturen stark atrophi- scher Unterkiefer sowie von Un- terkieferdefekt- und Trümmerfrak- turen hingegen ist mit Miniplatten und rigiden funktionsstabilen Plat- ten oftmals schwierig oder nur un- zureichend möglich. Zur Behand- lung dieser Frakturen haben sich Titangitter bewährt. Diese zeich- nen sich gegenüber den herkömm- lichen Miniplatten aufgrund ihrer Geometrie durch eine wesentlich höhere Stabilität aus. Titangitter können im Gegensatz zu Miniplat- ten und funktionsstabilen Osteo- syntheseplatten jeder Situation entsprechend individuell ange- passt und verschraubt werden. Komplikationen wie Bruchspaltin- fektionen und Pseudarthrosen kön- nen damit weitgehend vermieden werden. Schlüsselwörter Unterkieferfraktur · Osteosynthe- se · Titangitter · Miniplatten · Druckkompressionsplatten FALLBERICHT

Versorgung von Unterkiefertrümmer- und Defektfrakturen sowie von Frakturen atrophischer Unterkiefer mit Titangittern

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Page 1: Versorgung von Unterkiefertrümmer- und Defektfrakturen sowie von Frakturen atrophischer Unterkiefer mit Titangittern

Mit der Einführung funktionsstabiler,bikortikal verschraubter Osteosynthe-seplatten mit axialer Kompression zurBehandlung von Unterkieferfrakturenwurde eine frühzeitige Belastbarkeitder Frakturen ohne intermaxilläreFixation möglich [7–9]. In den 70erJahren empfahlen verschiedene Auto-ren die Verwendung monokortikal ver-schraubter Miniplatten ohne Kompres-sion zur operativen Frakturbehandlungim gesamten Gesichtsschädelbereicheinschließlich des Unterkiefers. Eskonnte nachgewiesen werden, dassdiese so genanntenMiniplatten, die aufder Zugseite des Alveolarfortsatzesvon intraoral angebracht werden,übungsstabil sind und somit in allerRegel auf eine langfristige interma-xilläre Fixation verzichtet werden kann[1, 11]. Die Miniplattenosteosynthese,die neben einer einfachen chirurgi-schen Handhabung auch in den mei-sten Fällen eine ausreichende Übungs-stabilität ermöglicht, stellt heute diechirurgische Standardversorgung vonUnterkieferfrakturen dar.

Die Versorgung von Frakturen starkatrophischer zahnloser Unterkiefer so-wie von Unterkieferdefekt- und Trüm-merfrakturen ist mit Miniplatten aller-dings schwierig oder nur unzureichendmöglich. Aus diesen Erfahrungen her-

aus werden in unserer Klinik zur Ver-sorgung dieser Fälle häufig monokor-tikal verschraubte Titangitter verwen-det. Diese gewährleisten eine deutlichverbesserte dreidimensionale Stabili-sierung der Frakturen und verhindernsomit Bruchspaltinfektionen und Pseud-arthrosen. Von Januar 1996 bis Okto-ber 1999 wurden insgesamt 19 Patien-ten mit komplizierten Unterkieferfrak-turen in unserer Klinik auf diese Weiseversorgt. 3 besonders typische Patien-tenfälle werden im Folgenden vorge-stellt und diskutiert.

Kasuistik

Patient 1

Im Juni 1996 wurde uns ein 73-jähriger Patient,nachdem er mit seinem Mofa gegen ein stehen-des Auto fuhr, notfallmäßig überwiesen. Die kli-nische und röntgenologische Untersuchung er-gab bei dem zahnlosen Patienten eine Unterkie-fertrümmerfraktur rechts Regio 43–46. Diesewar nach extraoral über eine tiefe Riss-Platz-Wunde offen (Abb.1). In Intubationsnarkose er-folgte die Darstellung des gesamten horizonta-len Unterkieferasts rechts. Es zeigte sich einstark dislozierter und mehrfach zertrümmerterUnterkieferkorpus. Nach exakter Adaptation derFrakturenden und der Knochentrümmer erfolg-te die Osteosynthese mittels eines großen Titan-gitters (Abb.2). Die Trümmerfraktur konnte mitHilfe dieses Gitters so gut stabilisiert werden,dass auf das Einbinden von Prothesenschienenverzichten wurde. Die postoperative Heilungder Weichteilwunden und der Frakturen verliefohne Komplikation. Bereits im Februar 1997konnte das Titangitter wieder von extraoral ent-fernt werden. Die nach der Metallentfernungdurchgeführte Röntgenkontrolle zeigt eine voll-ständige Wiederherstellung der knöchernen Un-terkieferkontinuität (Abb.3).

Mund Kiefer GesichtsChir (2000) 4 :193–196 © Springer-Verlag 2000

Versorgung von Unterkiefertrümmer- und Defektfrakturen sowie von Frakturen atrophischer Unterkiefer mit Titangittern

T. Schug, H. Rodemer, W. Neupert, J. DumbachKlinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und Plastische Operationen(Prof. Dr. Dr. J. Dumbach), Klinikum Saarbrücken

Dr. T. Schug, Klinik für Mund-, Kiefer- und Ge-sichtschirurgie und Plastische Operationen, Kli-nikum Saarbrücken, Theodor-Heuss-Straße122, 66119 Saarbrücken, Deutschland e-mail: [email protected], Tel.: 0681-963-2331, Fax: 0681-963-2448

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Zusammenfassung

Als Standardmethode für die chi-rurgische Versorgung von Unter-kieferfrakturen gilt heutzutage dieMiniplattenosteosynthese. Dieseermöglicht neben einer einfachenHandhabung in den meisten Fäl-len eine ausreichende Übungssta-bilität der Frakturen. Die Versor-gung von Frakturen stark atrophi-scher Unterkiefer sowie von Un-terkieferdefekt- und Trümmerfrak-turen hingegen ist mit Miniplattenund rigiden funktionsstabilen Plat-ten oftmals schwierig oder nur un-zureichend möglich. Zur Behand-lung dieser Frakturen haben sichTitangitter bewährt. Diese zeich-nen sich gegenüber den herkömm-lichen Miniplatten aufgrund ihrerGeometrie durch eine wesentlichhöhere Stabilität aus. Titangitterkönnen im Gegensatz zu Miniplat-ten und funktionsstabilen Osteo-syntheseplatten jeder Situationentsprechend individuell ange-passt und verschraubt werden.Komplikationen wie Bruchspaltin-fektionen und Pseudarthrosen kön-nen damit weitgehend vermiedenwerden.

Schlüsselwörter

Unterkieferfraktur · Osteosynthe-se · Titangitter · Miniplatten ·Druckkompressionsplatten

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Page 2: Versorgung von Unterkiefertrümmer- und Defektfrakturen sowie von Frakturen atrophischer Unterkiefer mit Titangittern

Patient 2

Im September 1998 stellte sich in unserer Am-bulanz eine 37-jährige Patientin mit Schmerzenim linken Unterkiefer vor, bei der vor Monatenalio loco eine Zahnextraktion mit Zystektomieim linken Unterkiefer durchgeführt worden war.Die klinische und röntgenologische Untersu-chung ergab bei der teilbezahnten Patientin eine

infizierte Unterkieferfraktur mit DefektbildungRegio 35/36. Nach intermaxillärer Fixation wur-den mehrere Knochensequester in Intubations-narkose aus Regio 35–36 entfernt und die Frak-tur mittels einer Drahtnaht provisorisch stabili-siert. Nach Abklingen der akuten Entzündungs-symptomatik konnte die Fraktur 5 Wochen spä-ter revidiert werden. Die Defektpseudarthrosewurde nach Entfernung der Drahtnaht mit einemkorbförmigen Titangitter von extraoral über-brückt. Anschließend wurde der Titankorb mitautogener Beckenkammspongiosa aufgefüllt(Abb.4). Nach 6 Monaten wurde das Osteosyn-thesematerial wieder entfernt. Der Defekt warvollständig knöchern durchbaut, die Unterkie-ferkontinuität damit wieder hergestellt (Abb.5).

Patient 3

Im September 1999 stellte sich ein 44-jähriger Patient mit Schmerzen im Unterkie-fer links in unserer Ambulanz vor. Er gab an,sich bereits im Januar bei einem Treppensturzeine komplizierte Unterkieferfraktur zugezogenzu haben. Diese wurde im Februar und Mai1999 alio loco mittels Drahtnaht und inter-maxillärer Fixation versorgt. Die klinische undröntgenologische Untersuchung ergab einePseudarthrose der nicht ausreichend ruhig ge-stellten 9 Monate alten UnterkieferschrägfrakturRegio 33–35 (Abb.6). Nach Bruchspaltrevisionund Entfernung der Drahtnaht Regio 34 erfolgtein Intubationsnarkose die Versorgung der starkdislozierten Fraktur mit Hilfe eines korbförmigvorgebogenen Titangitters und gleichzeitigerEinlagerung autogener Beckenkammspongiosaüber einen extraoralen Zugang (Abb. 7). Derpostoperative Heilungsverlauf war bisher völligkomplikationsfrei.

Diskussion

Die Titangitter haben sich besondersfür die knöcherne Rekonstruktion vonKontinuitätsdefekten des Unterkiefersbewährt. Die vorgeformten und zudemleicht verformbaren Metallgitter er-möglichen unabhängig von der De-fektgröße und Lokalisation eine funk-tionell und ästhetisch einwandfreieWiederherstellung der knöchernenKontinuität des Unterkiefers [2, 4]. Diephysikalischen bzw. biomechanischenEigenschaften der Gitter sind, bedingtdurch deren geometrische Form unddas verwendete Material, auf die Bie-gebeanspruchung des Unterkiefers ab-gestimmt. Die experimentell festge-stellte obere Belastungsgrenze der Ti-tangitter im Molarenbereich für maxi-male Durchbiegung liegt mit 210 Ndeutlich unterhalb der maximal mögli-chen Kaukräfte von 568–941 N [3].Dennoch kommt es auch ohne inter-

maxilläre Fixation nicht zu einer Über-belastung der Gitter, weil der Unter-kiefer infolge des Wundschmerzes inden ersten Wochen weitgehend reflek-torisch ruhig gestellt wird [5]. Die Ti-tangitter können Unterkieferfrakturendurch ihre zwei- bzw. dreidimensiona-le Form besser stabilisieren als Mini-platten, erreichen jedoch nicht die me-chanische Belastbarkeit von bikortikalverschraubten Plattensystemen, diesich ebenfalls bei der Versorgung vonUnterkieferfrakturen bewährt haben[10]. Ein Vorteil bei der Verwendungder Titangitter liegt jedoch in der imVergleich zu den rigiden Platten be-schleunigteren Knochenheilung. Die-se ist auf die Weiterleitung funktionel-ler Reize in der Phase der Knochenhei-lung zurückzuführen [12, 14]. Ein wei-terer Vorteil der Titangitter liegt darin,dass im Gegensatz zu Druckkompres-sionsplatten keine Gefahr einer Kno-chenatrophie nach der Frakturheilungbesteht. Somit müssen die Titangitternicht unbedingt entfernt werden, wasv. a. älteren Patienten einen Zweitein-griff erspart [6]. Durch die Möglich-keit, die Gitter korbartig zu formen,können zudem Transplantate oderKnochenfragmente einfach und sichereingelagert werden [2, 3].

Aufgrund der Summe dieser positi-ven Eigenschaften ist es nahe liegend,die Titangitter zur operativen Versor-gung von komplizierten Frakturen, wieFrakturen des stark atrophischen Un-terkiefers, aber auch für Unterkiefer-trümmer- und Defektfrakturen zu ver-wenden [13, 15, 16].

Frakturen stark atrophischer Unter-kiefer können erfahrungsgemäß auf-grund der geringen vertikalen Höheder verbleibenden kortikalen Unterkie-ferbasis, die im Querschnitt nahezukreisförmig ist, mit herkömmlichenPlattensystemen oftmals nicht optimalruhig gestellt werden. Bruchspaltin-fekte mit der Ausbildung von Pseudar-throsen sind mögliche Folgen. Es emp-fiehlt sich deshalb, diese Frakturen vonextraoral darzustellen und mit einemTitangitter zu versorgen. Damit wirdeine bessere dreidimensionale Stabili-sierung als mit Miniplatten erzielt undeine im Vergleich zu DC-Platten be-schleunigtere Frakturheilung durch dieWeiterleitung funktioneller Reize zumFrakturspalt ermöglicht.

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Mund Kiefer GesichtsChir (2000) 4 :193–196© Springer-Verlag 2000

Treatment of mandible defects and comminutedfractures and atrophicmandible fractures with titanium mesh

T. Schug, H. Rodemer, W. Neupert, J. Dumbach

Summary

Miniplate osteosynthesis is a stan-dard method for the surgical treat-ment of mandible fractures today.Apart from easy handling, in themajority of cases it also ensuresadequate fracture stability. Thetreatment of fractures of very at-rophic mandibles as well asmandibular defects and commin-uted fractures with miniplates andrigid plates is often difficult or on-ly possible to an inadequate extent.Titanium mesh has proved suc-cessful for the treatment of suchfractures. Compared with conven-tional miniplates this mesh is out-standing for its considerably high-er stability due to its given geome-try. The titanium mesh can beadapted and screwed individuallyin any situation, in contrast tominiplates and rigid plates. As a re-sult, complications such as fracturegap infections and pseudoarthrosiscan be avoided to a great extent.

Key words

Mandibular fracture · Osteosynthe-sis · Titanium mesh · Miniplates ·Rigid plates

Page 3: Versorgung von Unterkiefertrümmer- und Defektfrakturen sowie von Frakturen atrophischer Unterkiefer mit Titangittern

Bei Defekt- und Trümmerfrakturenmuss bei Verwendung herkömmlicherPlattensysteme jedes Knochenfrag-ment aufwendig mit Hilfe einer odermehrerer Osteosyntheseschrauben fi-xiert werden. Im Gegensatz dazu kön-nen Knochentrümmer in zu Körbenvorgebogenen Titangittern schnell und

sicher stabilisiert werden, ohne siedurch eine Vielzahl von Osteosynthe-seschrauben fixieren und damit trau-matisieren zu müssen.

Ein weiterer Vorteil der Titangitterist die Möglichkeit, knöcherne De-fekte, wie sie bei Frakturen des osteo-myelitischen Unterkiefers auftreten,zusätzlich zur Frakturversorgung mitautogener Spongiosa oder Knochener-satzmaterialien aufzufüllen [4].

Im Beobachtungszeitraum von Ja-nuar 1996 bis September 1999 wurdenin unserer Klinik insgesamt 19 kom-plizierte Unterkieferfrakturen mit Hil-fe von Titangittern operativ versorgt.In 7 Fällen handelte es sich dabei umFrakturen atrophischer Unterkiefer, in8 Fällen um Unterkiefertrümmerfrak-turen und in 4 Fällen um Unterkiefer-defektfrakturen. In keinem der Fällekam es zu erwähnenswerten postope-rativen Komplikationen. Die knöcher-ne Kontinuität des Unterkiefers konn-te bei allen Patienten wiederhergestelltwerden. Dabei spielte es keine Rolle,ob die Titangitter von intraoral odervon extraoral eingebracht wurden.

Zusammenfassend kann festgestelltwerden, dass sich die Verwendung vonTitangittern für die Versorgung vonkomplizierten Unterkieferfrakturen be-währt hat. Bei Defekt- oder Trümmer-frakturen v. a. des atrophischen Unter-kiefers stellen die individuell zu-schneidbaren Titangitter neben denMiniplatten und den rigiden Platten-

systemen eine Erfolg versprechendeBehandlungsalternative dar.

Literatur

1. Champy M, Wilk A, Schnebelein JM (1975)Die Behandlung der Mandibularfraktur mit-tels Osteosynthese ohne intermaxilläreRuhigstellung nach der Technik von F. X.Michelet. Zahn Mund Kieferheilkd 63 :339–341

2. Dumbach J (1987) Unterkieferrekonstruk-tion mit einem neuartigen Titanträger, auto-gener Spongiosa und Hydroxylapatit – ErsteErgebnisse. Dtsch Z Mund Kiefer Ge-sichtsChir 11 :52–58

3. Dumbach J (1987) Unterkieferrekonstruk-tion mit Titangitter, autogener Spongiosaund Hydroxylapatit. Biomechanische, tier-experimentell-histologische und klinischeUntersuchung. Hanser, München

4. Dumbach J, Rodemer H, Spitzer WJ, BenderE (1994) Grenzen der knöchernen Rekon-struktion des Unterkiefers mit autogenerSpongiosa, Hydroxylapatitgranula und Ti-tangitter, insbesondere nach Strahlenthera-pie. Fortschr Kiefer Gesichtchir 39 :93–95

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7. Luhr HG (1968) Zur stabilen Osteosynthesebei Unterkieferfrakturen. Dtsch Zahnärztl Z23 :754

8. Luhr HG (1972) Die Kompressionsosteo-synthese bei Unterkieferfrakturen. Hanser,München

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Abb. 1. Seitliche Schädelaufnahme der starkdislozierten Unterkiefertrümmerfraktur

Abb.2. Panoramaschichtaufnahme nach Stabi-lisierung der Frakturenden und der Knochen-trümmer mit Hilfe eines korbförmigen Titangit-ters

Abb. 3. Panoramaschichtaufnahme nach Me-tallentfernung

Abb.4. Panoramaschichtaufnahme nach Frak-turversorgung mit Hilfe eines Titangitters undEinlagerung autogener Beckenkammspongiosa

Abb. 5. Panoramaschichtaufnahme nach Me-tallentfernung. Vollständige Wiederherstellungder Unterkieferkontinuität

Abb.6. Unterkieferaufbissaufnahme der starkdislozierten Unterkieferschrägfraktur

Abb.7. Panoramaschichtaufnahme nach Frak-turversorgung mittels Titangitter und Einlage-rung von Beckenkammspongiosa

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Page 4: Versorgung von Unterkiefertrümmer- und Defektfrakturen sowie von Frakturen atrophischer Unterkiefer mit Titangittern

9. Luhr HG (1972) Die Kompressions-Osteo-synthese zur Behandlung von Unter-kieferfrakturen – Experimentelle Grundla-gen und klinische Erfahrungen. Dtsch Zahn-ärztl Z 27 :29–37

10. Luhr HG, Hausmann DF (1996) Results ofcompression osteosynthesis with intraoralapproach in 922 mandibular fractures.Fortschr Kiefer Gesichtschir 41 :77–80

11. Michelet FX, Deymes J, Dessus B (1973)Osteosynthesis with miniaturized screwedplates in maxillofacial surgery. J Cranio-maxillofac Surg 1 :79–84

12. Rehn E (1924) Über die Muskelzustände beiKnochenbrüchen und ihre Bedeutung für dieFrakturheilung. Langenbecks Arch KlinChir 133 :140–144

13. Spitzer WJ, Dumbach J (1988) Eine neueMethode zur Versorgung von Frakturen deszahnlosen atrophischen Unterkiefers. 9thCongress of the European Association forCranio-Maxillo-Facial Surgery, Athen,Griechenland, 5.9.1988

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16. Zallen RD, Fitzgerald BE (1976) Treatmentof mandibular fractures with use of mal-leable titanium mesh: report of 56 cases. J Oral Maxillofac Surg 34 :748–754

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