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SHIRLEE BUSBEE Verstohlene Leidenschaft

Verst Tit.qxd 22.07.2004 10:15 Seite 1 SHIRLEE BUSBEE ......SHIRLEE BUSBEE Verstohlene Leidenschaft Verst_Tit.qxd 22.07.2004 10:15 Seite 1 Buch Vor siebzehn Jahren verließ Shelly

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  • SHIRLEE BUSBEE

    Verstohlene Leidenschaft

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  • Buch

    Vor siebzehn Jahren verließ Shelly Granger überstürzt und völlig ver-zweifelt ihren Heimatort Oak Valley. Sie schwor sich nie wieder ei-nen Fuß in das Tal zu setzen. Jetzt allerdings ist ihr heiß geliebter Bru-der gestorben, und Shelly muss bei ihrer Heimkehr entdecken, dasssie ihn vielleicht niemals richtig gekannt hat. Die Familiengeschäf-te sind in größter Unordnung, Schulden belasten den Besitz, zwie-lichtige Geschäftspartner fordern Geld. Doch das sind nicht ihreeinzigen Schwierigkeiten. Denn auch wenn die Jahre inzwischenvergangen sind, manche Dinge ändern sich nie in Oak Valley: Deruralte Familienzwist zwischen den Grangers und den Ballingers lo-dert wie eh und je. Schlimmer noch, auch das alte Feuer der Leiden-schaft zwischen Shelly und Sloan Ballinger scheint noch zu brennen.Ihre einzige gemeinsame Nacht damals endete in Betrug und Verrat,nie wieder wollte Shelly ihm vertrauen. Doch mit jeder Woche, dieShelly länger in Oak Valley bleibt, erobert Sloan ihr Herz erneut.Bald muss Shelly sich fragen, wo bloße Leidenschaft endet – und

    die Liebe beginnt …

    Autorin

    Sechzehn Romane, zwölfmal die Spitzenplätze auf der New-York-Times-Bestsellerliste, vielfach preisgekrönt und eine Auflage von ins-gesamt mehr als 11 Millionen Exemplaren: Ohne Zweifel ist ShirleeBusbee eine der erfolgreichsten amerikanischen Unterhaltungsauto-rinnen. Sie lebt mit ihrem Mann auf einer kleinen Pferderanch in

    Kalifornien.

    Von Shirlee Busbee ist bereits erschienen

    Im Sturm der Gefühle (35609) – Mitternachtsspitzen (35267) –SüßeVerheißung (35084) – Umarmung nach Mitternacht (35218) –Wie

    eine Lilie in der Nacht (35326) – Der verruchte Lord (35852)

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  • Shirlee BusbeeVerstohleneLeidenschaft

    Roman

    Aus dem Amerikanischenvon Wolfgang Thon

    BLANVALET

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  • Die Originalausgabe erschien unter dem Titel»Return to Oak Valley« bei Warner Books, Inc.,

    an AOL Time Warner Company, New York.

    Umwelthinweis:Alle bedruckten Materialien dieses Taschenbuches

    sind chlorfrei und umweltschonend.

    Der Blanvalet Verlag ist ein Unternehmender Verlagsgruppe Random House.

    1. AuflageTaschenbuchausgabe Oktober 2004

    Copyright © der Originalausgabe 2002by Shirlee Busbee

    Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2004by Wilhelm Goldmann Verlag, München,

    in der Verlagsgruppe Random House GmbHUmschlaggestaltung: Design Team München

    Umschlagillustration: Schlück/EnnisSatz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

    Druck: GGP Media GmbH, PößneckTitelnummer: 36095

    Lektorat: Maria DürigRedaktion: Regine Kirtschig

    Made in GermanyISBN 3-442-36095-1

    www.blanvalet-verlag.de

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  • Diese Widmung ist längst überfällig, aber ich habe sie mir füreine besondere Gelegenheit aufgespart. Für JAY ACTION,meine treue, leidgeprüfte Agentin, die noch dazu eine der

    besten weit und breit ist.Das Konzept dieses Romans kommt von dir, ohne deine

    Einsicht und Hartnäckigkeit würde es dieses Buch nicht geben.

    Danke. Vielen Dank. Danke!Außerdem widme ich es wie immer HOWARD,

    dem Mann, der den Spaß in mein Leben bringt und auch Abenteuer – selbst wenn ich auf einige

    davon gut verzichten könnte!

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    1. Kapitel

    Shelly parkte am Inspiration Point, von wo aus man dasganze Oak Valley überblicken konnte, und stellte denMotor aus. Um sie herum herrschte plötzlich vollkomme-ne Stille. Den größten Teil ihres Erwachsenenlebens hat-te Shelly in New Orleans mit dem unablässigen Gewühlund Lärm einer Metropole verbracht. Eine solche Ruhehatte sie seit Jahren nicht mehr erlebt. Seit siebzehn Jah-ren, um genau zu sein.

    Sie blieb in ihrem neuen, dunkelgrauen Bronco sitzenund ließ diese Stille auf sich einwirken. Ihre von der lan-gen Fahrt verkrampften Muskeln entspannten sich all-mählich, und ihre strapazierten Nerven kamen zur Ruhe.Außerhalb des Fahrzeugs herrschten Schweigen und Dun-kelheit. Nur das Glitzern der Sterne und das einladendeFlimmern der Lichter unten im Tal waren zu sehen.

    Shelly hatte sich entschieden, in der Nacht zurückzu-kehren, obwohl man sich auf der schmalen, zweispurigenStraße nach St. Galen’s, der einzigen Stadt im Oak Valley,schon tagsüber absolut konzentrieren musste. Nach Ein-bruch der Dunkelheit jedoch verlangten die fast dreißigMeilen Serpentinen und die engen Kurven noch vielmehr Aufmerksamkeit. Dann schienen sie den Fahrer ge-radezu anzuspringen. Außerdem konnten urplötzlich Re-he, Skunks, Waschbären, gelegentlich sogar ein Bär odereine Wildkatze im Scheinwerferlicht auftauchen. Manch-mal lauerten an einigen Stellen auch Felsbrocken eineskleinen oder größeren Steinschlages auf dem schwarzen

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  • Asphalt, was die Fahrt interessant machte. Um nicht zusagen, halsbrecherisch.

    Shelly lächelte und nahm den kirschroten Pullover vomBeifahrersitz. Die Straße nach St. Galen’s war vermutlicheiner der Hauptgründe, warum Oak Valley in den letzteneinhundertfünfzig Jahren, seit sich der erste weiße Mannin das Tal verirrt hatte, nicht wesentlich gewachsen war.Früher einmal hatte Shelly diese Straße geliebt, die sie,wie viele andere im Tal, ihre »lange Auffahrt nach Hause«nannte. Aber während ihrer jahrelangen Abwesenheithatte Shelly vergessen, wie gewunden und schmal sie war.Den Fehler mache ich nicht noch einmal, dachte sie. Vonnun an, Kindchen, wirst du schön brav bei Tageslicht hierherumkurven.

    Shelly stieg aus ihrem warmen Fahrzeug aus und hieltunwillkürlich den Atem an, als die Kälte sie wie einSchlag traf. Sie hatte vergessen, wie eisig es selbst MitteMärz noch in den Bergen Nordkaliforniens sein konnte.

    Sie schlang die Arme um ihre schlanke Gestalt, schlen-derte zum Rand der Parkbucht und blickte in das Tal hi-nab. Sie war auch deshalb in der Nacht zurückgekehrt,weil sie nicht sofort von den Veränderungen überfallenwerden wollte, die anderthalb Jahrzehnte sicherlich mitsich gebracht hatten. Außerdem entging sie so zunächstden neugierigen Blicken der Einwohner. Shelly seufzteund betrachtete die blinkenden Lichter der Stadt. Dienächsten Wochen dürften schwierig werden. Der tragi-sche Tod ihres Bruders lag noch nicht lange zurück, undwenn sich ihre Ankunft erst einmal herumgesprochenhatte, würden viele wohlmeinende Menschen aufkreuzenund Shelly ihr Beileid aussprechen. Allerdings würde ihreRückkehr nach so vielen Jahren auch einige nicht sowohlgesonnene Besucher auf ihre Schwelle locken.

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    In St. Galen’s und einem Umkreis von dreißig bis vier-zig Meilen lebten nur knapp fünftausend Menschen, diesich über diese gewaltige Fläche aus Bergen und Wäldernverteilten. Was durchaus sein Gutes hatte. Denn hier imTal kannte jeder jeden und die meisten waren miteinanderverwandt, wenn auch nur entfernt. War jemand in Notoder steckte in Schwierigkeiten, wurden sehr rasch dieNachbarn zusammengetrommelt. Aufgrund der Abge-schiedenheit von Oak Valley bedeutete das, jeder half hierjedem. Shelly verzog spöttisch die Lippen. Von einigenwenigen, bemerkenswerten Ausnahmen abgesehen. ZumBeispiel von ihrer Familie, den Grangers. Und natürlichden Ballingers. Ihren langjährigen Widersachern, oderFeinden, wenn man die Wahrheit ungeschminkt beim Na-men nennen wollte. Das erinnerte Shelly an die wenigerschöne Seite einer so kleinen und eng verwobenen Ge-meinschaft. Jeder wusste über den anderen Bescheid, mankannte sowohl das Schlechte als auch das Gute, und imTal wurde über jede Kleinigkeit geklatscht und spekuliert.Gab es Feindseligkeiten zwischen zwei Parteien, konnteman sicher sein, dass alsbald alle davon wussten und mitihren Kumpeln genüsslich den jüngsten Zusammenstoßder Kampfhähne durchkauten. Natürlich wurden die Ge-schichten ihres Unterhaltungswertes wegen hier und daein wenig ausgeschmückt. In einer solch kleinen Gemein-schaft führte das dazu, dass Kontroversen reichlich neueNahrung fanden, und manchmal geschah es auch, dassFehden sogar einige Generationen überdauerten, wie imFalle von Shellys Familie und den Ballingers. Und wennman etwas geheim halten wollte … Shelly stieß verächt-lich die Luft durch die Nase. Man konnte nicht einmal amNordende des Tals niesen, ohne dass augenblicklich amSüdende jemand »Gesundheit« wünschte.

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  • Es war nicht leicht, sich daran zu gewöhnen. Natürlichhatte Shelly auch in New Orleans Verwandte und Freun-de gehabt, aber das war etwas anderes gewesen. New Or-leans war eine riesige Metropole, durch die eine unaufhör-liche Flut von Touristen und Durchreisenden strömte.Dort konnte man ohne Probleme in sein Privatleben ab-tauchen. In Oak Valley kannte einen praktisch jeder vonGeburt an, ebenso wie Mutter, Vater und alle anderenVerwandten, und zwar schon seit der Zeit, als Jesus die Ma-sern hatte. Dieser Umstand gestaltete das ganze Zusam-men leben ein wenig intimer. Wenn man dann noch imzarten Alter von sieben Jahren mit dem späteren Feuer-wehrchef, einem der Deputys und dem Besitzer des größ-ten Lebensmittelladens in der Stadt splitterfasernackt imTeich gebadet hatte, dürfte es geradezu unmöglich sein,sich unnahbar zu geben. Shelly lächelte. Ja, es würde be-stimmt schwierig werden, so zu tun, als hätte sie nicht ihrenackten Hintern gesehen. Und da Shelly den Übermut ih-rer Jugendfreunde kannte, konnte sie sich nicht vorstel-len, dass man sie das vergessen lassen würde. Es sei denn,sie hätten sich wirklich sehr verändert.

    Shelly zuckte zusammen, als die Stille von tierischenLauten zerrissen wurde. Markerschütterndes Bellen undJaulen kam aus dem Vorgebirge jenseits des Tales. Sie lä-chelte erfreut, als sie das Geräusch erkannte. Kojoten! Esist ihnen also nicht gelungen, die Tiere alle auszulöschen,dachte sie zufrieden. Obwohl wir ihnen jahrelang mitGift, Fallen und Dynamit auf den Leib gerückt sind. Wäresie Schafzüchterin gewesen oder Besitzerin eines Hühner-hofes, wäre Shelly wohl kaum entzückt gewesen, den Rufder Tiere zu hören. Aber für jemanden, der immer nochden gedämpften Stadtlärm im Ohr hatte, war es eineWohltat, diesen Chor in der ansonsten so friedlichen

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    Nacht zu hören. Es amüsierte sie, dass fast jeder Hund inder Stadt dem Geheul der Kojoten antwortete. Morgenfrüh würde bestimmt eine Menge wütender Hundebesitzerüber die Kojoten herziehen, weil sie ihren Ole Blue, oderJesse oder Traveler, wild gemacht hatten.

    Shelly hatte Bedenken gehabt, ob sie nach ihrer langenAbwesenheit von dem Tal und seiner Lebensweise wiederan ihren Geburtsort zurückkehren sollte. Sie hatte be-fürchtet, dass ihr alles fremd und merkwürdig vorkommenwürde, langweilig und trist, nachdem sie beinahe zweiJahrzehnte in einer der schillerndsten Großstädte derWelt gelebt hatte. Doch als sie jetzt dastand und auf dieflimmernden Lichter blickte, die saubere, kalte Luft an ih-ren Wangen spürte, überraschte es sie, wie gut es sich an-fühlte, wieder hier zu sein. Es drängte sie geradezu, das Talwiederzusehen, ihre alten Lieblingsplätze aufzusuchen undihre Jugendfreunde wieder zu treffen. Sie war neugierig,wie sich ihr Leben während ihrer Abwesenheit veränderthatte. Aber diese Vorfreude wurde von einem quälendenGefühl getrübt. Denn was Shelly veranlasst hatte, NewOrleans den Rücken zu kehren und nach Oak Valley zu-rückzukommen, war der Tod.

    Sie wurde traurig, als sie an den Grund dachte, der sienach all den Jahren wieder nach Hause geführt hatte.Während sie in der kühlen Märzluft stand und über dasnächtliche Tal blickte, empfand sie dieselbe Ungläubig-keit und denselben Schmerz, der sie durchzuckt hatte, alsMike Sawyer sie vor zweieinhalb Wochen angerufen hat-te. Sawyer war der Anwalt ihrer Familie, und er hatte ihrvon Joshs Tod berichtet. Es war Selbstmord gewesen.

    Josh und sie hatten sich so nahe gestanden, wie das beiGeschwistern möglich ist, die fünfzehn Jahre Altersunter-schied trennen. Shelly war eine Nachzüglerin gewesen

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  • und hatte ihre Eltern früh verloren. Ihre Erinnerungen ansie waren recht verschwommen. Stanley Granger war erstfünfundfünfzig gewesen, als er sich bei der Suche nach ver-irrten Rindern mit seinem Jeep überschlagen hatte. Er warauf der Stelle tot gewesen, und Josh war an seine Stelle ge-treten. Shelly war damals erst sieben, und ihr Bruder wur-de zum dominanten Mann in ihrem Leben. CatherineGranger, ihre Mutter, war gestorben, als Shelly in die Pu-bertät kam. So blieb es an Josh hängen, mit all den Stim-mungsschwankungen und galoppierenden Hormonen vonMädchen in diesem Alter fertig zu werden. Shelly lächel-te melancholisch. Er hatte sich wacker geschlagen, ob-wohl er den Launen der Kindfrau, die da vor seinen Augenheranwuchs, meistens ziemlich ratlos gegenübergestandenhatte.

    Erneut überfiel Shelly der Schmerz über ihren Verlust.Ich hätte schon früher herkommen sollen, haderte sie mitsich und merkte, wie ihr die Tränen in die Augen traten.Ich hätte ihn besuchen sollen, statt mich mit Telefonatenund seinen gelegentlichen Besuchen zu begnügen. Ichhätte … Sie atmete zitternd aus. Es würde nichts verän-dern, wenn sie sich mit der Vergangenheit geißelte.

    Wenigstens musste sie keine Beerdigung ertragen undsich nicht den neugierigen Blicken der Bewohner ausset-zen, was eine formale Bestattung mit sich gebracht hätte.Sicher wären ihr einige freundlich begegnet, aber es gabauch andere. Josh hatte jedoch schon vor Jahren alle not-wendigen Schritte für seine Einäscherung festgelegt undverfügt, dass seine Asche vom Pomo Ridge über das Tal ge-streut werden sollte. Es war der höchste Ausläufer des Vor-gebirges, welches das Tal vom Westen her begrenzte. Joshhatte ausdrücklich auf einen öffentlichen Gottesdienst imFalle seines Dahinscheidens verzichtet. Darin ähnelte er

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    ihrem Vater, der sich des Öfteren verächtlich über Beerdi-gungen und Bestattungsinstitute ausgelassen hatte. Zwarhatte etwas in Shelly gegen Joshs letzten Wunsch rebel-liert, aber sie hatte seine beißenden Kommentare über Be-erdigungen oft genug mitbekommen. Es wäre unfair gewe-sen, gegen seinen ausdrücklichen Wunsch zu handeln,jetzt, wo er ihn nicht mehr durchsetzen konnte. SeinenInstruktionen zu folgen, die er beim Rechtsanwalt der Fa-milie hinterlegt hatte, war der letzte Dienst, den sie ihmerweisen konnte.

    Shelly seufzte, und die Einsamkeit überwältigte sieplötzlich. Sie hatte das Bekannte hinter sich gelassen undmusste sich jetzt nicht nur mit dem Tod ihres Bruders aus-einander setzen, sondern auch das Unternehmen derGrangers übernehmen. Das war keine Kleinigkeit, dennder Besitz des Granger-Clans war recht beachtlich. MikeSawyer hatte sie am Telefon bereits in einem Crashkursdarauf vorbereitet, was sie erwartete. Glücklicherweise be-stand der größte Teil des Familienvermögens aus Land undViehbestand, so dass sie sich nicht mit lauter unterschied-lichen Zweigen eines Konzerns auseinander setzen musste.Josh hatte zwar ein Testament hinterlassen, aber das regel-te nur seinen persönlichen Besitz. Sawyer hatte Shelly be-reits mitgeteilt, dass es darin vor allem um Schenkungenan Freunde und die Familie ging.

    Es lebten noch andere Grangers im Tal, Cousinen undCousins zweiten und dritten Grades, doch nach Joshs Todwar Shelly die letzte lebende Angehörige des Hauptzwei-ges der Familie. Dieser Gedanke machte sie traurig, undsie fühlte sich noch isolierter. Sie sehnte sich nach denwarmen, tröstenden Armen ihrer Verwandten aus Louisi-ana zurück. Die waren zwar noch entfernter mit ihr ver-wandt als die Grangers hier aus dem Tal, aber wenigstens

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  • kannte Shelly sie, und es war nicht schon fast siebzehnJahre her, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Fastbedauerte sie es, Romans Vorschlag, sie mit seiner jünge-ren Schwester Angelique zu begleiten, ausgeschlagen zuhaben. Beide hatten es ihr unabhängig voneinander ange-boten, aber Shelly hatte abgelehnt. Ihre Rückkehr nachOak Valley würde gewiss schon genug für Klatsch sorgen,auch ohne dass sie ihren gut aussehenden Cousin und des-sen glutäugige Schwester, eine echte Southern-Belle, mit-brachte. Dann gab es noch Onkel Fritzie, Tante Lulu unddie anderen Geschwister von Roman und Angelique. DieLouisiana-Grangers waren eine große Familie und hattenShelly bereitwillig an ihren Busen oder an ihre Brust ge-drückt, je nachdem.

    Shelly fühlte sich besser, als sie an Roman, Angeliqueund die anderen dachte, und kam sich nicht mehr so alleinvor. Aber ihre Gedanken schweiften ab, sie sollte sich wie-der auf das Tal vor ihr und das, was sie dort erwartenmochte, konzentrieren. Siebzehn Jahre, sinnierte sie. Dasist eine lange Zeit. Sie war achtzehn gewesen, als sie mitgebrochenem Herzen und verletztem Stolz aus dem Tal ge-flohen war und fast alle Brücken hinter sich abgebrochenhatte. Die meisten ihrer Freunde hielten sie damals fürverrückt, nur einige wenige kannten die Umstände undverstanden sie. Shelly hatte begriffen, wie zartfühlend ihreFreunde gewesen waren, weil sie nicht penetranter nachden Gründen für ihre plötzliche Flucht gefragt hatten.Und sie waren ihr noch mehr ans Herz gewachsen, weil sieden Namen Sloan Ballinger nie mehr nannten. Vor allemmit keinem Wort seine Verlobung mit Nancy Blackstoneund die Hochzeit zehn Monate später erwähnten. Shellyschüttelte den Kopf. Was war sie doch für ein Feigling ge-wesen!

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    Das Geräusch eines näher kommenden Wagens rissShelly aus ihren Gedanken. Sie hatte lange genug gezau-dert und ging jetzt zu ihrem Bronco zurück. Sie stieg einund wollte gerade auf die Straße zurückfahren, als das an-dere Fahrzeug um die Kurve bog. Seine aufgeblendetenScheinwerfer nagelten sie förmlich auf ihrem Sitz fest undblendeten sie. Shelly kniff die Augen zusammen, als sievon dem hellen Licht getroffen wurde, und blieb regungs-los sitzen. Dann verlangsamte das andere Fahrzeug seineFahrt und blendete seine Schweinwerfer ab. Shelly gabGas, und einen Moment später glitt der Bronco ruhig diekurvige Straße zur Talsohle hinab. Plötzlich eröffnete sichihr ein wundervolles Panorama. Es war ein wahres Ver-gnügen, nach den dreißig Meilen gewundener, schmalerStraße endlich wieder Gas geben zu können und fast überdas gerade, ebene Asphaltband zu fliegen, das sich vorShelly erstreckte. Rechts und links neben der Straße lagenweite Felder.

    Fünfundvierzig Minuten und zwei verschlossene Gatterspäter stieg die Straße wieder an. Es waren noch drei Mei-len bis zu ihrem alten Heim. Schließlich hielt Shelly vordem Haus, in dem Josh gelebt hatte. Es war nicht mehr dasHaus, in dem sie aufgewachsen war. Das hatte ihr Urgroß-vater noch selbst erbaut, doch es war vor zehn Jahren bisauf die Grundmauern niedergebrannt. Es war ein Wahrzei-chen hier im Tal gewesen, ein großes viktorianischesHaus, dessen makelloses Weiß sich vier Stockwerke hochvom Grün der Bäume ringsum abhob. Alle kannten dasGranger-Haus, und die Talbewohner zeigten es voller Stolzjedem Fremden. Josh hatte Shelly am Tag nach der Tragö-die angerufen. Ursache war ein Kaminbrand gewesen, deraußer Kontrolle geraten war. Da das aus altem Redwooderbaute Haus tief im Vorgebirge lag, hatte die Feuerwehr

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  • nichts mehr ausrichten können, als sie endlich eintraf. Be-vor das Feuer zu heftig wütete, hatten Josh, der bereits dasSchlimmste befürchtet hatte, und einige Helfer, die recht-zeitig eingetroffen waren, in aller Eile die wichtigsten Din-ge aus den Fenstern geworfen, hauptsächlich wertvolleErbstücke. Alles andere war den Flammen zum Opfer ge-fallen. Die Hitze der lodernden Flammen war so groß ge-wesen, dass Josh, die Hälfte der Talbewohner, die zu Hilfegekommen waren, und selbst die Feuerwehr hilflos aus si-cherer Entfernung hatten zusehen müssen, wie fast andert-halb Jahrhunderte Familienhistorie und Geschichte desTals in Flammen aufgingen.

    Josh hatte ein neues Haus gebaut, und zwar gegen deneindringlichen Rat fast aller seiner Freunde exakt an der-selben Stelle. Es war ein schönes, zweistöckiges Blockhausmit einem Metalldach, das ringsum von einer breiten,überdachten Veranda umgeben war. Josh vergaß dennochnicht, warum er neu bauen musste, er installierte einSprinklersystem und montierte überall im Haus Rauch-melder. Er hatte sämtliche Sicherheitsvorkehrungen ge-troffen, wollte aber trotzdem nicht darauf verzichten, aneinem kalten Abend vor einem warmen Kaminfeuer sit-zen zu können. Deshalb befanden sich in einigen Räumenelegante Kamine aus Messing und Keramik, die in eineVerkleidung aus Flusskiesel eingelassen waren. Auf denersten Blick wirkten sie wie einfache Kamine mit einerGlasfront.

    Maria, Joshs mexikanische Haushälterin und ShellysKindermädchen, lebte in einem kleinen Haus eine Vier-telmeile weiter unten an der Schotterstraße. Sie hatte fürShelly eine Lampe auf der Veranda und im Haus brennenlassen, was Shelly dankbar zur Kenntnis nahm, als sie ih-ren Wagen abstellte. Das Haus wirkte anheimelnd, und

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    die Lichter luden sie zum Eintreten ein. Sie konnte sichfast vorstellen, dass Josh die Stufen heruntersprang, um siezu begrüßen.

    Shelly ignorierte den schmerzlichen Stich. Sie nahmnur ihre Handtasche sowie den kleinsten ihrer Koffer ausdem Wagen, schloss den Bronco ab und ging langsam denbreiten, mit Steinen eingefassten Weg zur Vorderseite desHauses hinauf.

    Jetzt endlich gab sie der Erschöpfung nach. Sie hattesich vollkommen ausgelaugt, seit sie von Joshs Tod erfah-ren hatte und ihr klar geworden war, dass sie auf unbe-stimmte Zeit nach Oak Valley zurückkehren würde. Es warso viel zu erledigen gewesen. Sie musste ihren Vermieterbenachrichtigen, Strom abmelden, ihre Sachen packensowie die Möbel und größeren Habseligkeiten verkaufen.Am schwersten fiel es ihr, sich von den Verwandten undFreunden zu verabschieden, die sie in New Orleans zu-rückließ. Nicht zuletzt wegen der Anteilnahme, die sieShelly bei ihrer Trauer um Josh entgegengebracht hatten.Wenigstens die Kündigung bei einem Arbeitgeber bliebihr erspart, da sie als angesehene selbstständige Künstlerinfinanziell sehr gut zurechtkam. Einige ihrer engsten Freun-de hatten sich allerdings gewundert, dass sie ihre Möbelverkaufte und die Wohnung aufgab. »Willst du nicht nachNew Orleans zurückkehren, wenn du Joshs Angelegenhei-ten geregelt hast?«, fragte Roman sie, und seine smaragd-grünen Augen schimmerten besorgt. Shelly konnte daraufnur mit einem Schulterzucken antworten. Später, im Ers-te-Klasse-Abteil des Flugzeuges, starrte sie auf die Roll-bahn, die unter ihr zurückblieb. Da erst gestand sie sichselbst ein, dass sie die Antwort auf Romans Frage gewussthatte. Und zwar von dem Moment an, als sie von JoshsTod erfahren hatte. Nein, sie würde nicht nach New Or-

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  • leans zurückkehren. Ganz gleich, was sie in Oak Valley er-wartete, und ungeachtet, wie schmerzlich diese Rückkehrsein mochte. Shelly holte tief Luft. Sie würde New Or-leans für immer den Rücken kehren und nach siebzehnJahren Abwesenheit für immer nach Oak Valley zurück-kommen. Shelly hätte ihre Beweggründe nicht erklärenkönnen. Sie musste es einfach tun, selbst wenn man siedeswegen für verschroben hielt. Aber mit dem Ruf, ver-schroben zu sein, kann ich gut leben, dachte Shelly, als siejetzt die Tür von Joshs Haus aufstieß und eintrat. Im Au-genblick wollte sie nur eines: ein Bett.

    Sie schloss die schwere Eichentür mit den bunten Glas-fenstern hinter sich und ging zu der breiten Treppe, wel-che die große Eingangshalle beherrschte. Josh hatte ihr dieBaupläne gezeigt und ihr viel über das Haus erzählt. Ob-wohl Shelly bisher keinen Fuß hineingesetzt hatte, wusstesie genau, wie es geschnitten war.

    Erneut durchströmten sie Schuldgefühle und Sehn-sucht, als sie die Tür zu dem größten Gästezimmer im ers-ten Stock öffnete. Josh hatte ihr auch davon erzählt. Sei-ne Begeisterung für das damals brandneue Haus war ihmdeutlich anzumerken gewesen. Wir hätten das zusammenaufbauen können, dachte Shelly und fühlte, wie sich ihrdie Kehle zuschnürte. Tränen stiegen ihr in die Augen,und sie biss sich voller Trauer auf die Lippen. Den Raumvor sich nahm sie kaum noch wahr.

    Was war ich doch für ein selbstsüchtiges kleines Mist-stück, dachte sie. In all den Jahren bin ich nicht ein einzi-ges Mal nach Hause gekommen. Es zählte nicht, dass siejede Woche mit ihrem Bruder lange Telefonate geführthatte oder dass Josh fast jeden Urlaub ihretwegen in NewOrleans verbracht hatte. Wegen mir und seiner Spiellei-denschaft, räumte sie ironisch ein. Josh war ein leiden-

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    schaftlicher Kartenspieler. Bei seiner Liebe für jede Formdes Glücksspiels hätte er auch als Berufsspieler eine groß-artige Figur abgegeben.

    Shelly versank in ihren Erinnerungen an Joshs Lachen,wenn er eine besonders erfolgreiche Nacht erlebt hatte.Und an seine fröhliche Unbekümmertheit, wenn er ver-lor. »Nächstes Mal sieht’s wieder besser aus«, murmelte erdann und seine grünen Augen funkelten. »Warte nur, duwirst schon sehen. Nächstes Mal läuft es ganz anders.«

    Josh war ein Optimist gewesen und hatte sein Leben invollen Zügen genossen. Shelly konnte einfach nicht glau-ben, dass er freiwillig daraus geschieden war. Trübseligdachte sie darüber nach, ob Josh wohl noch am Lebenwäre, wenn sie sich ihren eigenen Dämonen gestellt hätteund früher zurückgekommen wäre. Hätte sie die Anzei-chen seiner Depression wahrgenommen? Oder bemerkt,dass er zum Selbstmord neigte? Und hätte sie ihn davonabhalten können? Diese bitteren Fragen stellte sie sich seitdem Augenblick, als man ihr die Nachricht von Joshs Todüberbracht hatte. Sie hätte keinen besonderen Grund an-führen können, warum sie ihn nicht früher einmal, wennauch nur kurz, besucht hatte. Außer dem Grund, dass dufeige bist, flüsterte eine spöttische Stimme in ihrem Kopf.

    Shelly wischte sich rasch eine Träne von der Wange.Genug jetzt! Sie war zu Hause, und wenn auch Josh nichtmehr an ihrer Seite war, konnte sie sich trotzdem die Freu-de vorstellen, die sein Heim ihm bereitet hatte.

    Das Gästezimmer, in dem sie stand, war einfach großar-tig. Es war geräumig und luftig. Eine Wand war von den of-fenen Deckenbalken bis hinab zum Boden verglast. Durcheine Schiebetür gelangte man auf einen kleinen, teilweiseüberdachten Balkon, auf dem ein schmiedeeiserner Tischund Stühle standen.

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  • Der weizenfarbene Teppich dämpfte ihre Schritte, alsShelly umherging und die Möbel betrachtete, die Josh aus-gewählt hatte. Sie erinnerte sich an seine Aufregung, alssie geliefert wurden, und seine Freude darüber, wie ge-schmackvoll alles in dem Raum aufeinander abgestimmtwar. »Warte nur, bis du es siehst, Kleines. Es wird dir gefal-len«, hatte er ihr bei einem ihrer Endlostelefonate gesagt.»Ich habe sogar ein Himmelbett dafür gefunden.« Joshlachte. »Meine Güte, Honey, ich entwickle mich nochzum Innenarchitekten! Wenn ich anfange, zu affig zu wer-den, dann schlag mich!«

    Seine Worte klangen Shelly noch im Ohr, als sie dasBett an der gegenüberliegenden Wand sah. Der Himmelbestand aus weicher, pfirsichfarbener Gaze, und auf denbeiden zum Bett passenden Nachttischen standen Mes-singlampen. Josh hatte auch sie in dem Telefonat erwähnt,ebenso wie das kleine Sofa neben der Glasschiebetür. Aufdem bedruckten Bezug prangten orangefarbene Mohnblu-men und blaue Lupinen.

    Shelly stellte ihren Koffer an der Tür ab. Erst jetzt fie-len ihr die beiden Türen am anderen Ende des Zimmersauf. Hinter der einen verbarg sich ein begehbarer Kleider-schrank mit eingebauten Regalen und Schubladen, indem ohne weiteres eine ganze Hochzeitsgesellschaft Platzgefunden hätte. Die andere führte in ein Badezimmer, dasfür eine zwölfköpfige Familie gereicht hätte. Shelly lä-chelte.

    Sie war zu müde, um sich gründlich einzurichten, trugihren Koffer in den Schrank und packte nur die notwen-digsten Dinge aus. Den Koffer ließ sie auf dem Boden ste-hen und ging ins Bad. Einige Minuten später hatte sie sichdie Zähne geputzt, das Gesicht gewaschen, ihren kurzen,gelben Pyjama angezogen und kletterte ins Bett.

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    Shelly hatte erwartet, dass sie augenblicklich einschla-fen würde. Aber nach der langen Fahrt und der Aufregungüber ihre endgültige Heimkehr ins Tal war sie rastlos undzu aufgedreht. Du wolltest doch unbedingt allein hierherzurückkehren, dachte sie spöttisch. Und du hast dichdurchgesetzt. Jetzt allerdings wünschte sie sich, sie wärenicht ganz so halsstarrig in diesem Punkt gewesen. Es wärenicht schlecht, jetzt mit jemandem reden zu können.

    Nachdem sie sich einige Minuten lang unruhig herum-gewälzt hatte, gab sie schließlich auf. Hoffentlich hatteMaria so viel Weitblick gehabt, dass sie den Kühlschrankaufgefüllt hatte! Shelly stand auf, ging barfuß die Treppehinunter und schaltete unterwegs die Lichter an.

    Shelly stieß die Schwingtür zur Küche auf. Als das Lichtaufflammte, sah sie sich um. Die Küche war heimelig, großund geräumig. Die braunen, goldgesprenkelten Fliesen aufdem Tresen kontrastierten sehr angenehm mit dem blas-sen Holz der Eichenschränke an der Wand. Die Bodenflie-sen hatten ein buntes mexikanisches Muster, passten je-doch sehr gut zu dem Rest der Küche. Über der Kochinselin der Mitte des Raumes hingen Messingpfannen, dienoch einen weiteren Farbton hinzufügten. Shelly lächeltewehmütig, als sie den kleinen Kamin entdeckte, der in dieRückwand eingelassen war. Josh und seine geliebten Ka-mine! In der Küche im alten Haus war ebenfalls einer ge-wesen. Als Kinder hatten sie davor zur WeihnachtszeitPopcorn über den züngelnden Flammen gebacken.

    Shelly kämpfte gegen die Tränen an, die ihr bei der Er-innerung daran in die Augen schossen, und trat an dengroßen Einbaukühlschrank, der ebenfalls mit einer Ei-chenfront vekleidet war. Wie erhofft, hatte Maria ihn um-sichtig mit dem Nötigsten ausgestattet. Shelly nahm eineMilchtüte heraus und holte ein Glas aus einem der Hän-

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  • geschränke. Einige Minuten später hatte sie sich durch dieBedienungsanleitung der schwarz glänzenden Mikrowellegearbeitet und schlenderte mit einem Glas warmer Milchin der Hand durch das Haus.

    Sie landete in Joshs Arbeitszimmer. Die Täfelung ausknotiger Kieferpaneele und der jagdgrüne Teppich gabendem Raum einen sehr männlichen Anstrich. Schwere, ge-mütliche Sessel mit rostbraunem Leder standen vor einemEinbaukamin mit schwarzer Marmorverkleidung. Untereinem der Fenster kauerte eine lange, karierte Couch, undihr gegenüber thronte ein großer Eichensekretär mit einerRolltür. Bücherregale und Fenster säumten die anderenWände, und Shelly wusste bereits, dass die Glasschiebetürzu einem abgetrennten Patio führte.

    Die Sessel kannte sie. Sie befanden sich im Besitz ihrerFamilie, seit Shelly denken konnte. Die Legende behaup-tete, dass der alte Jeb Granger höchstpersönlich sie mitge-bracht hatte, als er nach dem Ende des Bürgerkriegs NewOrleans den Rücken kehrte. Es hatte Shelly gefreut, alsJosh ihr erzählte, dass sie unter den wenigen Dingen gewe-sen waren, die er beim Brand des alten Hauses aus denFlammen hatte retten können.

    Sie glitt mit den Händen über das weiche Leder. Offen-bar waren die Sessel neu aufgepolstert worden. Shellybückte sich und erkannte die schwachen Brandspuren anden Holzbeinen, welche die Restaurateure nicht hattenausmerzen können. Sie ließ sich in einen der Sessel sinkenund starrte ins Leere.

    Irgendwie konnte Shelly immer noch nicht fassen, dassJosh tot war. Natürlich ließ ihr Verstand keinen Zweifeldaran, aber ihr Herz tat sich immer noch schwer damit, zuakzeptieren, dass er wirklich für immer gegangen war. ImApril wäre er fünfzig geworden, und sie hatte ihn wegen

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