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Physikalisch-Chemisches Praktikum für Fortgeschrittene V 13 X-rays Röntgenbeugung Überarbeitetes Versuchsskript, Mai 2008

Versuch 13: X-Rays - Uni Ulm Aktuelles · Für Röntgenbeugungsuntersuchungen wird vor allem die K-Serie herangezogen, insbesondere Kα-Strahlung (da diese die höchste Intensität

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Physikalisch-Chemisches Praktikum für Fortgeschrittene

V 13

X-rays

Röntgenbeugung

Überarbeitetes Versuchsskript, Mai 2008

Stichwörter zum Kolloquium Röntgenstrahlung und ihre Wechselwirkung mit Materie

• Wellen (Amplitude, Wellenlänge, Phase) und Photonen

• Streuung von Röntgenstrahlen durch Elektronen

• Beugung von Röntgenstrahlen an 3-dimensionalen Kristallen

• Absorption (Abhängigkeiten von Schichtdicke, Wellenlänge, Ordnungszahl):

Lambert-Beer, Moseley

• Photoelektrische Absorption, Röntgenfluoreszenz, Auger-Effekt, Paarbildungseffekt

• Nachweis von Röntgenstrahlen: Film, Zählrohr, Szintillationszähler, Geiger-Müller-Zähler

Erzeugung von Röntgenstrahlung

• Röntgenröhre

• Duane-Hunt-Gesetz

• kontinuierliches und charakteristisches Spektrum

• Synchrotron Strahlung

Kristallographie

• Kristall, Basis, Gitter, Kristallstruktur, Elementarzelle, Kristallsysteme, Bravaisgitter,

Millersche Indizes, Netzebenenabstand

• Beugung und reziprokes Gitter, Ewald-Kugel

• Bragg-/Laue-Bedingung

Röntgenstrukturanalyse

• experimentelle Methoden (Laue-, Drehkristall- und Debye-Scherrer-Verfahren)

• Intensitäten von Reflexen, Strukturfaktor, Phasenproblem, Patterson-Methode

• Andere Strukturuntersuchungsmethoden:

NMR, Elektronenbeugung, Elektronenmikroskopie, Neutronenbeugung

• Oberflächensensitive Methoden

XPS, UPS

Literatur Lehrbücher der Optik, Atomphysik, Kristallographie und Röntgenstrukturanalyse

2

Aufgabenstellung und Versuchsdurchführung 1. Schwächung von Röntgenstrahlung in Abhängigkeit von Material und Dicke des Absorbermaterials/Abschwächers

• Messung der Zählraten bei Al-Plättchen unterschiedlicher Dicke

(Röhrenspannung: Stellung 3, Anodenstrom: 1 mA, Zr-Folie)

• Messung der Zählraten bei unterschiedlichen Elementen

(Röhrenspannung: Stellung 6, Anodenstrom: 1 mA, Zr-Folie)

• Graphische Darstellung der Schwächung durch Absorption

• Bestätigung des Schwächungsgesetzes nach Lambert und Bestimmung des

Absorptionskoeffizienten von Aluminium

• Bestimmung des Massenschwächungskoeffizienten von Aluminium

• Auftragung der Absorptionskoeffizienten gegen die Ordnungszahl der Absorbermaterialien

• Qualitative Beschreibung der Schwächung als Funktion der Ordnungszahl

2. Bragg-Reflexion Beugung von Röntgenstrahlung an einem NaCl- oder LiF-Einkristall

• Messung der Zählraten in Schritten von 1°, um Maxima in Schritten von 0,25° (2° ≤ θ ≤ 34°)

(Röhrenspannung: Stellung 8, Anodenstrom: 1 mA, Zr-Folie, θ-Kopplung)

• Auftragung der Zählrate gegen Winkel θ, Bestimmung der Intensitätsmaxima,

Bestätigung der Wellennatur der Röntgenstrahlung

• Bestätigung des Braggschen Reflexionsgesetzes:

Bestimmung der Wellenlänge der charakteristischen Röntgenstrahlung von Molybdän

(gegeben: aNaCl = 564,9 pm; aLiF = 402,8 pm; Reflexion an (200)-Ebenen),

Bestimmung der Gitterkonstanten von NaCl bzw. LiF (λKα-Mo = 71,1 pm)

3. Bestimmung der lonendosisleistung der Röntgenröhre mit Molybdän-Anode durch Messung des lonisationsstroms in

einem luftgefüllten Plattenkondensator

• Messung der Ionisationsströme in Abhängigkeit der Röhrenspannung: Stellung 1 bis 8

(Kondensatorspannung: 250 V, Anodenstrom: 1 mA)

• Messung der Ionisationsströme in Abhängigkeit der Kondensatorspannung

(0 V ≤ UK ≤ 250 V, Röhrenspannung: Stellung 8, Anodenstrom: 1 mA)

• Bestimmung der Dichte ρ der Luft (T = 298 K, p = 96000 Pa)

• Berechnung der Masse m der durchstrahlten Luft (durchstrahltes Luftvolumen V=150 cm3)

• Bestimmung der mittleren Ionendosisleistungen

3

4. Debye-Scherrer-Aufnahme von NaCl-Pulver

• Vermessung von Abstand Film-Präparat (etwa 3 cm)

• Belichtung für etwa 12 h

(Röhrenspannung: Stellung 8, Anodenstrom: 1 mA, Zr-Folie)

• Filmentwicklung

• Vermessung der Radien der Beugungsringe

• Ermittlung der Beugungswinkel, Indizierung

4

Theoretische Grundlagen 1. Entstehung von Röntgenstrahlen Röntgenstrahlen entstehen, wenn hoch beschleunigte Elektronen auf Materie treffen. Dabei

müssen zwei verschiedene Mechanismen unterschieden werden.

1.1 Das kontinuierliche Röntgenspektrum (Bremsstrahlung) Wird ein rasch fliegendes Elektron beim Auftreffen auf das Anodenmaterial abgebremst

(durch das elektrische Feld der Elektronen), so kann ein Teil seiner Energie in Form von

Röntgenstrahlung abgegeben werden. Die maximale Energie der entstehenden

Röntgenstrahlung kann nicht größer sein als die kinetische Energie der beschleunigten

Elektronen (welche durch die angelegte Hochspannung bedingt ist). Unter der

Voraussetzung, dass die gesamte Energie des Elektrons abgegeben wird, gilt für die

minimale Wellenlänge der Röntgenstrahlung:

eUhc

min =λ Duane, Hunt (1915)

Da viel häufiger der Fall eintritt, dass sich die Energie beim Bremsen eines Elektrons in

verschiedenen Teilschritten vermindert, entsteht Röntgenstrahlung mit einer großen Anzahl

verschiedener Wellenlängen, deren Intensitätsverteilung statistischen Gesetzen gehorcht.

Das Intensitätsmaximum liegt bei ca. 1,5 λmin. Sowohl das Strahlungsmaximum als auch die

kürzest mögliche Wellenlänge verschieben sich mit steigender Spannung gegen kürzere

Wellenlängen (Abb. 1).

Abbildung 1

Die Intensität der Röntgenstrahlung nimmt (bei gleicher Hochspannung) mit der

Ordnungszahl des verwendeten Anodenmaterials zu. Die Wellenlänge der entstehenden

Strahlung ist aber unabhängig von der Natur des Anodenmaterials.

5

1.2 Das charakteristische Röntgenspektrum Wird die Beschleunigungsspannung soweit erhöht, dass die Energie der Elektronen

ausreicht, um ein kernnahes Elektron aus einem Atom des Anodenmaterials

herauszuschießen, so überlagert sich dem kontinuierlichen Röntgenspektrum eine

Linienstrahlung (Abb. 2).

Abbildung 2

Die Wellenlängen dieser Strahlung sind charakteristisch für jedes Element und werden daher

als charakteristische Röntgenstrahlung bezeichnet.

Stammt das herausgeschlagene Elektron aus der K-Schale, so gelangt das Atom in einen

sog. K-Quantenzustand. Dieser ist nicht stabil, sondern das fehlende Elektron in der K-

Schale wird durch ein Elektron aus der L- oder der M-Schale ersetzt. Dabei wird die oben

genannte charakteristische Strahlung frei.

Die charakteristischen Röntgenstrahlen werden in Serien eingeteilt, und innerhalb der Serie

mit griechischen Buchstaben bezeichnet. Ein Ersatz eines fehlenden K-Elektrons aus der L-

Schale ergibt Kα-Strahlung, ein Ersatz aus der M-Schale ergibt Kβ-Strahlung.

Abbildung 3

Bei genauerer Betrachtung sind die einzelnen Übergänge (durch unterschiedliche

Bahndrehimpulse) weiter aufgespalten.

6

Für Röntgenbeugungsuntersuchungen wird vor allem die K-Serie herangezogen,

insbesondere Kα-Strahlung (da diese die höchste Intensität aufweist). Da das

charakteristische Röntgenspektrum für jedes Element verschieden ist, kann man daher

durch geeignete Wahl des Anodenmaterials verschiedene Wellenlängen erhalten. In der

Praxis finden hauptsächlich die Metalle der 1. und 2. Übergangsreihe Anwendung (in

unserem Praktikumsversuch Mo-Kα-Strahlung).

2. Eigenschaften der Röntgenstrahlen 2.1 Absorption von Röntgenstrahlen Die Fähigkeit, Materie zu durchdringen, ist eine der auffälligsten Eigenschaften von

Röntgenstrahlen. Die Röntgenstrahlen werden dabei geschwächt. Die Absorption wird durch

folgendes Gesetz beschrieben:

deII 0⋅μ−⋅= Lambertsches Schwächungsgesetz

I austretende Intensität

I0 eingestrahlte Intensität

d Schichtdicke des absorbierenden Materials

μ linearer Absorptionskoeffizient

Da die Schwächung der Strahlungsintensität von der Menge des durchstrahlten Materials

abhängt, wird μ oft durch die Dichte p des Materials dividiert, wobei der

Massenschwächungskoeffizient (Massenabsorptionskoeffizient) μM = μ/ρ erhalten wird (der

eine vom chemischen und physikalischen Zustand des Absorbers unabhängige Größe

darstellt).

Trägt man für ein gegebenes Element μ gegen λ auf, erhält man keine stetige Kurve,

sondern verschieden stark ausgeprägte Sprungstellen, die als Absorptionskanten bezeichnet

werden (Abb. 4).

Der sprunghafte Anstieg von μ wird immer dann erreicht, wenn die Energie der

Röntgenstrahlen gerade ausreicht, um ein Elektron aus einer bestimmten inneren Schale

eines Atoms herauszuschießen.

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Zwischen den Absorptionskanten lässt sich der Verlauf der Kurve durch folgende Gleichung

gut abschätzen:

4Z3cM ⋅λ⋅=μ c = konst.

Abbildung 4

2.1.1 Erzeugung monochromatischer Röntgenstrahlung

Um monochromatische Röntgenstrahlung zu erhalten (z.B. Kα-Strahlung), schickt man den

Röntgenstrahl durch eine Folie eines geeigneten Absorbers (Filter), der z. B. im Bereich der

Kβ-Strahlung absorbiert. Man erhält dann eine Intensitätsverteilung, wie sie Abb. 5 zeigt.

Abbildung 5

Als Filter dient ein Element, dessen Absorptionskante gerade zwischen den Wellenlängen

der Kα- und der Kβ-Linien des Anodenmaterials liegt.

Zwischen Emission und Absorption der Röntgenstrahlung besteht die gesetzmäßige

Beziehung, dass die gesamte Strahlung eines Elements mit der Ordnungszahl Z, die

kurzwelliger ist als Kα, von einem Element der Ordnungszahl Z-2 oder Z-1 fast vollständig

absorbiert wird.

8

Man mache sich dies am Gesetz von Moseley deutlich:

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛−σ−=

λ ∞ 21

22

2

n1

n1)Z(R1

Gesetz von Moseley

σ: Abschirmungskonstante

n1, n2: Hauptquantenzahlen (n2 = innere Schale, n1 = äußere Schale)

λ: Wellenlänge der beim Elektronenübergang emittierten bzw. absorbierten

charakteristischen Röntgenstrahlung

2.2 Wechselwirkung zwischen Röntgenstrahlung und Materie Die Wechselwirkung zwischen Röntgenstrahlung und Materie kann auf drei prinzipielle

Prozesse zurückgeführt werden (Absorption, Streuung, Paarbildung).

a) Hat die auftreffende Strahlung genügend Energie, um ein Elektron aus einer Schale

eines Atoms herauszuschießen (vgl. XPS), so wird das Atom in einen energiereichen

Zustand versetzt. Beim Zurückkehren in einen energieärmeren Zustand wird

charakteristische Röntgenstrahlung (vgl. RFA) oder ein weiteres Elektron (vgl. Auger-

Prozess) ausgesandt.

b) Wird beim Zusammenstoß zwischen Strahlung und Elektron die Energie und das

Moment beider Stoßpartner verändert (Compton-Effekt, inelastischer Stoß), so entsteht

eine Streustrahlung mit einer gegenüber der ursprünglichen Strahlung veränderten

Wellenlänge. Dieser Prozess, der als inkohärente Streuung bezeichnet wird, spielt bei

der Verwendung energiearmer Röntgenstrahlung nur eine untergeordnete Rolle.

c) Wird ein Elektron von Röntgenstrahlung getroffen, so kann es zum Schwingen angeregt

werden und wird dadurch selbst wieder zu einer Strahlungsquelle, deren Wellenlänge

identisch ist mit jener der einfallenden Strahlung (elastischer Stoß, kohärente Streuung).

Die hierbei abgestrahlten Elementarwellen bilden die Voraussetzung für die Beugung

von Röntgenstrahlen an Kristallen.

d) Hat die Röntgenstrahlung ausreichend hohe Energie, so kann ein Photon im Coulomb-

Feld eines Atomkerns in ein Elektron und ein Positron zerfallen (Paarbildung,

Umkehrreaktion der gegenseitigen Vernichtung von Materie und Antimaterie).

Um die Beugung von Röntgenstrahlen an Kristallen zu verstehen, müssen im Folgenden

zuerst einige kristallographische Grundbegriffe erklärt werden.

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3. Kristallographische Grundbegriffe Das Charakteristikum aller Kristalle ist die Periodizität ihres Aufbaus: in jeder beliebig

gewählten Richtung wiederholt sich (nach einer bestimmten Entfernung) die Anordnung der

Bausteine.

Kristallstrukturen sind alle mehr oder weniger symmetrisch, wobei verschiedene Arten von

Symmetrien wichtig sind. Wegen des dreidimensional-unendlichen Aufbaus von Kristallen

unterscheiden sich die verwendeten Symmetrieelemente von denen der Moleküle.

a) Translationssymmetrie: Durch Verschiebung (um geeignete Verschiebungsvektoren)

wird die Kristallstruktur mit sich selbst wieder zur Deckung gebracht.

b) Punktsymmetrie: Inversion, Spiegelung, Rotation. Bei Anwendung dieser

Symmetrieoperationen bleibt mindestens ein Punkt fest.

c) Gleitspiegelung (Translation + Spiegelung), Schraubung (Translation + Drehung).

Betrachtet man in einer Kristallstruktur nur die translatorisch äquivalenten Punkte (Atome),

so bilden diese das zu der Struktur gehörende Raumgitter (Translationsgitter). Das

Raumgitter wird durch die Angabe von drei sog. Gittervektoren charakterisiert. Die drei

Vektoren stellen im Sinne der analytischen Geometrie eine Basis dar.

Eng verknüpft mit dem Begriff Gitter ist der Begriff Elementarzelle (EZ). Dies ist ein

Parallelepiped, das von drei Gittervektoren aufgespannt wird. Zu ihrer Beschreibung gibt

man die Längen ihrer Kantenvektoren und die Winkel zwischen ihnen an.

x-Achse

y-Achse

z-Achse

a

b

cβ α

γ

Abbildung 6

10

Die so definierte Elementarzelle (EZ) ist ein Bereich des Kristalls, durch dessen periodische

Wiederholung der Gesamtkristall aufgebaut werden kann.

Um Eindeutigkeit zu erreichen, fordert man, dass das Volumen der EZ möglichst klein, die

Kanten (Gittervektoren) möglichst kurz und die Winkel nahe 90° sein sollen.

Entsprechend der Zahl an Gitterpunkten pro Zelle, nennt man diese n-fach primitiv.

Entgegen der Definition der EZ benutzt man mehrfach primitive Zellen, wenn diese eine

höhere Symmetrie als die 1-fach-primitiven Zellen besitzen.

Wie erwähnt, weisen Gitter notwendigerweise Translationssymmetrie auf. Sie können aber

auch Punktsymmetrien aufweisen (davon mindestens Inversion). Es liegt nun nahe, die

Menge der denkbaren Gitter gemäß ihrer Punktsymmetrie einzuteilen, und zu jedem Typ die

(entsprechend den o.g. Kriterien) optimale EZ anzugeben.

Führt man diese Überlegungen systematisch durch, so gelangt man zu den 14 Bravais-

Gittern.

Diese gehören zu sieben verschiedenen Achsensystemen, den sog. kristallographischen

Achsensystemen.

Eine weitere Möglichkeit, Kristalle zu charakterisieren, besteht in der Beschreibung der

Ebenen, die an ihnen auftreten.

Dazu ist die mathematische Darstellung von Ebenen in einem allgemeinen Achsensystem

notwendig. Diese lautet für die Achsenabschnitte (m,0,0), (0,n,0) und (0,0,p):

1=++pz

ny

mx

(Ebenengleichung)

Multipliziert man beide Seiten der Gleichung mit einem solchen Faktor N, dass die

Koeffizienten auf der linken Seite ganzzahlig und teilerfremd sind, so erhält man eine

Gleichung der Form

hx + ky + lz = N (h, k, l, N ganze Zahlen) (1)

Durch das Zahlentripel h, k, l wird die Lage einer Ebene zum Koordinatensystem vollständig

charakterisiert. hkl werden als die Millerschen Indizes der betrachteten Ebene (hkl)

bezeichnet.

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Die durch Gleichung (1) dargestellte Ebene ist gemäß ihrer Konstruktion mit Gitterpunkten

belegt. Eine solche Ebene bezeichnet man als Netzebene. Jede Ebene, die parallel hierzu

liegt und die durch mindestens einen Gitterpunkt verläuft, weist die genau gleiche Belegung

mit Gitterpunkten auf wie die Ebene der Gleichung (1). Es handelt sich um kongruente

Netzebenen, die eine sog. Netzebenschar bilden. Die Abstände zwischen ihnen sind gleich

groß (pro Netzebenschar existiert genau ein Netzebenscharabstand d).

Um die Beugung von Röntgenstrahlen besser beschreiben zu können, hat es sich als

nützlich erwiesen, das sog. reziproke Gitter einzuführen. Es stellt ein rein mathematisches

Gebilde dar, dem man keine physikalische Bedeutung beimessen kann.

Gegeben seien drei Vektoren cba ,, , die die Elementarzelle aufspannen. Dann definiert man

das reziproke Vektortripel ∗∗∗ cba ,, durch die Forderungen:

bac

cab

cba

,

,

,

und

11

1

=⋅

=⋅

=⋅

ccbb

aa

∗∗∗ cba ,, spannen das reziproke Gitter auf. Ihre Bedeutung wird ersichtlich, wenn man

bedenkt, dass das erhaltene Beugungsbild eines Kristalls das reziproke Gegenstück zum

realen Kristall darstellt.

Mithilfe von ∗∗∗ cba ,, lassen sich folgende Probleme lösen, die später bei der Beugung von

Röntgenstrahlen von Wichtigkeit sein werden:

a) Gesucht ist ein Vektor, der senkrecht zur Ebene (hkl) steht:

∗∗∗ ++= clbkahG .

b) Gesucht ist der Abstand d benachbarter Ebenen (der zu den Indizes hkl gehörenden

Ebenenschar):

G1d = .

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4. Beugung von Röntgenstrahlen Werden Elektronen (regelmäßig angeordneter Atome) innerhalb eines Kristalls durch

Röntgenstrahlen zu periodischen Schwingungen angeregt, so entsteht eine Vielzahl von

Strahlungsquellen mit derselben Wellenlänge wie die der einfallenden Strahlung (analog

einem Hertzschen Dipol). Von jedem schwingenden Elektron breiten sich kugelförmig

Wellenfronten (Elementarwellen) aus, die sich überlagern. In bestimmten Raumrichtungen

verstärken sich die Wellen, in anderen löschen sie sich aus. Damit bei der Beugung von

Wellen an einem Gitter Verstärkung auftreten kann, müssen ganz bestimmte geometrische

Bedingungen erfüllt sein, die entweder mit Hilfe der drei Laue-Gleichungen oder der

Braggschen Reflexionsbedingung beschrieben werden können.

a) Laue-Gleichungen

a

Abbildung 7:

Zweidimensionale

Darstellung zur Erklärung

der Laue-Gleichungen

Der Kristall wird als ein aus drei Scharen eindimensionaler äquidistanter Punktreihen

aufgebautes Gitter betrachtet. Treffen parallele Röntgenstrahlen auf eine Punktreihe, so

kann Verstärkung der gebeugten Strahlen nur dann auftreten, wenn der Gangunterschied

(Δ1 - Δ2) ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge λ ist. Sind 1s und Einheitsvektoren

(in Richtung der ankommenden bzw. der gebeugten Strahlung, Abb. 8), dann gilt:

2s

111 sacosaΔ ⋅=α⋅= und 222 sacosaΔ ⋅=α⋅=

Gangunterschied: )ss(aΔΔ 2121 −⋅=−

( )2121 coscosa)ss(an α−α⋅=−⋅=λ⋅

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Geht man vom eindimensionalen Fall in den dreidimensionalen über, so müssen folgende

drei Gleichungen (für jede Dimension) gleichzeitig erfüllt sein, damit Interferenzmaxima

auftreten:

λ⋅=⋅−

λ⋅=⋅−

λ⋅=⋅−

321

221

121

nc)ss(nb)ss(

na)ss(

Laue-Gleichungen

cba ,, : Basisgittervektoren

n1, n2, n3: ganze Zahlen

Der Vektor enthält die Information über die Richtung der gebeugten Strahlen. Er

steht senkrecht auf der Ebene S, an der der Röntgenstrahl „reflektiert“ wird. (Wird das

Röntgenlicht als korpuskular aufgefasst, ist

)ss(g 21 −=

)ss( 0− der Umlenkimpuls des Röntgenphotons

beim Stoß mit der Ebene.)

Abbildung 8:

Geometrischer

Zusammenhang zwischen

den Einheitsvektoren und g

Es gilt: ϑ⋅=− sin2ss 21

)ss( 21 − lässt sich mit Hilfe des reziproken Gitters ausdrücken:

∗∗∗ ⋅π+⋅ϑ+⋅μ=− cba)ss( 21 (2)

Multipliziert man (2) nacheinander mit cba ,, so erhält man:

π=⋅−

ϑ=⋅−

μ=⋅−

c)ss(b)ss(

a)ss(

21

21

21

14

Mit Hilfe der Laue-Gleichungen und (2) ergibt sich:

∗∗∗ ⋅+⋅+⋅==λ− clbkahGss 21

h, k, l: Millersche Indizes

G: Vektor des reziproken Gitters

b) Braggsche ReflexionsbedingungDie Beugung von Röntgenstrahlen wird nach Bragg als eine Reflexion an Netzebenen

aufgefasst. Allerdings unterscheidet sich diese Art von Reflexion wesentlich von der des

sichtbaren Lichts. Der Röntgenstrahl durchdringt im allgemeinen einige Millionen

Netzebenen, bis er gänzlich absorbiert wird. An jeder einzelnen Netzebene wird dabei ein

Teil der Strahlung reflektiert. Es tritt dabei eine Überlagerung von Wellen auf, wobei sich

Wellen in ganz bestimmten Richtungen verstärken (während in allen anderen Richtungen

Auslöschung erfolgt).

dΦ Φ

G G

Reflexion tritt nur bei solchen Winkeln Φ auf, für die der Gangunterschied (2G) ein

ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge λ ist.

Es gilt:

Φ⋅=λ sind2n Braggsche Gleichung

Aus Beugungsuntersuchungen erhält man also Interferenzen, deren Beugungswinkel Φ

durch die Wellenlänge der verwendeten Röntgenstrahlung sowie die Art des Materials

bestimmt sind. Aus den gemessenen Beugungswinkeln lassen sich die Netzabstände d

berechnen.

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Daraus kann man Aussagen über die Größe und Symmetrie der Elementarzelle machen,

durch die Breite der Signale auch über die Größe der Kristallite in der Probe.

Berücksichtigt man außer den Beugungswinkeln auch noch die Intensitäten der Reflexe, so

lässt sich unter bestimmten Voraussetzungen die genaue Anordnung der Atome innerhalb

der Elementarzelle bestimmen (Röntgenstrukturanalyse).

5. Strukturfaktor (Formfaktor) der Elementarzelle Man kann sich jede Kristallstruktur (Elementarzelle) aufgebaut denken aus einem oder

mehreren primitiven Bravais-Gittern, die ineinandergestellt sind (dadurch entstehen n-fach

primitive Gitter). Für jedes strukturmäßig verschiedene Atom ist ein solches Teilgitter

vorhanden. Die an den einzelnen Teilgittern gebeugten Röntgenstrahlen sind untereinander

nicht in Phase, d. h. es tritt zwischen den an unterschiedlichen Teilgittern gebeugten Wellen

eine Phasendifferenz auf (für jedes Teilgitter wird Erfüllung der Braggschen Gleichung

vorrausgesetzt). Die resultierende Welle entsteht also durch Überlagerung verschiedener

Teilwellen, sich aber in ihrer Amplitude (verschiedenes Streuvermögen der einzelnen Atome)

sowie in der Phasenbeziehung (verschiedenes ineinanderstellen der Teilgitter)

unterscheiden.

Beispiel: Bei der Herleitung der Laue-Gleichungen und der Braggschen Gleichung gingen wir

davon aus, dass die Lage der einzelnen Atome nur durch ganzzahlige Vielfache der

Basisgittervektoren beschrieben wird (wir gingen also im Endeffekt von primitiven

Gittern aus). Um nun auch andere Gitter beschreiben zu können, müssen die restlichen

Atomlagen durch weitere Teilgitter beschrieben werden. Wollen wir also ein innenzentriertes

Gitter beschreiben, haben wir ein Teilgitter mit x=0, y=0 und z=0 (die anderen Ecken des

primitiven Gitters werden bereits durch die Translation entlang der Basisgittervektoren

beschrieben), und ein weiteres mit x=½, y=½ und z=½.

cba ,,

Die Beziehung zwischen der Anordnung der Atome in einem Kristall und der Intensität der

gebeugten Röntgenstrahlen wird durch den Strukturfaktor Fhkl ausgedrückt:

2

hklFI ∝

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Fhkl stellt eine Summation über alle Atome i der Zelle (unter Berücksichtigung ihrer

Streugewichte fi und deren Phasendifferenz) dar. Letztere ist eine Funktion der

Atomkoordinaten und der Millerschen Indizes. Es gilt:

∑ ++π⋅=i

)lzkyhx(i2ihkl

iiiefF

Der Streufaktor fi hängt von der Ordnungszahl des streuenden Elements sowie dem

Streuwinkel ab.

Für ein kubisch flächenzentriertes Gitter, wie es etwa das Cu darstellt, verwendet man die

vier nachfolgenden Atomkoordinaten (Ursprünge primitiver Teilgitter):

(xi, yi, zi) = (0,0,0); (½,½,0); (½,0,½); (0,½,½).

setzt man diese Wert in ein, so ergibt sich, dass für kfz-Gitter alle hkl

gerade oder ungerade sind. Nur dann ist F

∑ ++π⋅=i

)lzkyhx(i2ihkl

iiiefF

hkl maximal (und es tritt Verstärkung auf).

Untersucht man diese Beziehungen zwischen Struktur und h, k und l systematisch, so zeigt

sich, dass daraus die bereits behandelten Symmetrieelemente des Kristalls erhalten werden.

Beispiele:

Reflexe Bedingung Kristallsymmetrie

hkl

h+k = 2n, h+l = 2n, k+l = 2n

h+k+l = 2n

h+k+l = beliebig

Flächenzentriert

Innenzentriert

Primitiv

h00 h = 2n 21 Schraubung (entlang a )

0k0 h = 2n 21 Schraubung (entlang b )

h0k h+k = 2n

h = 2n, k = beliebig

diagonale Gleitspiegelung (entlang b )

axiale Gleitspiegelung (entlang b )

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6. Beugungsuntersuchungen Es gibt zwei große Gruppen von Beugungsuntersuchungen:

Kristallpulveraufnahmen (z.B. Debye-Scherrer-Verfahren) und Einkristallverfahren (z.B.

Laue-Methode).

Wir beschränken uns in diesem Versuch auf das Pulververfahren, insbesondere auf Debye-

Scherrer-Aufnahmen mit planarem Film.

Werden feinkörnige kristalline Pulver von einem monochromatischen Röntgenstrahl

getroffen, so werden sie an allen Netzebenen, für die die Braggsche Gleichung erfüllt, ist

gebeugt (vorausgesetzt, die Kristallite sind statistisch im Pulver verteilt). Die gebeugten

Strahlen bilden Kegel mit dem halben Öffnungswinkel 2Φ.

Primärstrahl

Netzebene (hkl)

Probe

Film

Φ

Φ

R

r

Auf dem Röntgenfilm erhält man also ein System konzentrischer Kreise.

Die Gitterkonstante der Probe lässt sich nun folgendermaßen bestimmen:

Es gilt:

Rr2tan =Φ ⇒

Rrarctan

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Für ein einfaches kubisches System beträgt der Netzebenenabstand (Satz des Pythagoras):

222hkllkh

ad++

=

a: Gitterkonstante

Mit Hilfe der Braggschen Gleichung ergibt sich (für n = 1):

Φ⋅++λ

=sin2

lkha222

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Bestimmung der hkl-Werte

Um die Gitterkonstanten zu bestimmen, müssen zuvor die hkl Werte bestimmt werden

(Indizierung).

Man arbeitet dabei zweckmäßigerweise mit der Gleichung ( )2222

22 lkh

a4sin ++

λ=Φ .

a) bei bekannter Gitterkonstante a

Man teilt alle experimentell ermittelten sin2Φ durch den berechneten Wert sin2Φ100 (Für

Reflektion an der (100)-Ebene).

Für Cu-Kα-Strahlung ergibt sich: sin2Φ100 = 0,04547. Dadurch erhält man die ganzzahligen

Werte Σ = h2+k2+l2, die nach hkl aufgelöst werden können.

sin2Φ Σ h k l

0,13641 3 1 1 1

0,18196 4 2 0 0

0,36386 8 2 2 0

0,50000 11 3 1 1

0,54575 12 2 2 2

0,72738 16 4 0 0

0,86269 19

0,86686 19 3 3 1

0,90807 20

0,91256 20 4 2 0

b) bei unbekannter Gitterkonstante a Auch bei unbekannter Gitterkonstante können kubische Systeme leicht indiziert werden.

Dazu teilt man alle ermittelten sin2Φ durch verschiedene ganze Zahlen (=Σ).

Dann werden alle dadurch erhaltenen Werte auf eine übereinstimmende Größe (= 2

2

a4λ

) hin

untersucht.

sin2Φ/Σ; Σ = sin2Φ 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 0,016 0,0165 0,0082 0,0055 0,0041 0,0033 0,0027 0,0024 0,0021 0,0018 0,0016 0,0015 0,00140,022 0,0219 0,0109 0,0073 0,0055 0,0044 0,0036 0,0031 0,0027 0,0024 0,0022 0,0020 0,00180,044 0,0442 0,0221 0,0147 0,0110 0,0088 0,0074 0,0063 0,0055 0,0049 0,0044 0,0040 0,00370,066 0,0656 0,0328 0,0219 0,0164 0,0131 0,0109 0,0094 0,0082 0,0073 0,0066 0,0060 0,0055

Hier ist also 2

2

a4λ =0,0055.

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Treten nicht indizierbare Reflexe auf, so ist zu prüfen ob

• die gewählte Gitterkonstante / übereinstimmende Größe nicht richtig ist

• es sich um eine einheitliche Substanz handelt (Für Mischungen muss die Indizierung für

jede einzelne Verbindung durchgeführt werden)

• ein nicht kubisches Gitter vorliegt

• neben Reflexen durch Kα- auch Reflexe etwa durch Kβ-Strahlung bedingt sind.

Bei der Wahl der übereinstimmenden Größe ist zu beachten:

• die übereinstimmenden Größe muss kleiner/gleich dem kleinsten sin2Φ sein

• kleine sin2Φ entsprechen großen Gitternetzabständen und damit einer kleinen Zahl Σ.

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Ergebnisblatt

Datum: Namen:

Gruppe Nr.:

Assistent/in:

Messwerte

Absorptionskoeffizient von Al: ±

Massenschwächungskoeffizient: ±

Absorbtionskoeff. (in Abh. von Z): ±

Ionendosisleistung (bei St. 8): ±

Wellenlänge Mo-Kα: ±

Gitterkonstante von LiF: ±

Gitterkonstante von NaCl: ±

Literaturwerte

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