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776 der Krankheitszeichen, ihr innerer Zusammenhang mit der pathogenen spezifischen Noxe einerseits, den unspezifischen Gestaltungseinflfissen andererseits diagnostisch ausschlag- gebend. Daher sind selbst /iuBerlich gleiche IKrankheits- symptome : Depressionszust/~nde, Wahnbildungen u. dgl. je nach dieseli Zusammenh/ingen diagnostisch verschieden zu bewerteli und zwar um s.o h6her, je einwandfreier sie pathogene- tisch festgelegt sind, um so geringer, je mehr sie pathopla- stisch bedingt sind. Nur auf diesem Wege kann man jenen diagnostischen Irrtfimern und Fehlgriffen aus dem Wege gehen, delieli man gerade in der Psychiatrie so leicht ver- f/Lllt, wenn man sich vorwiegend an die /tuBeren Krankheits- zeichen h~lt. -- In /~hnlicher Weise wie die Diagnostik wird auch die Prognostik yon dieser strukturanalytisehen Auf- fassung beeinfluBt. Galt es bisher beinahe als ein psych- iatrisches Dogma, dab die Zukunftsgestattung der Psychose ausschliel31ich an den Krankheitstyp gebunden, also allein pathogenetisch festgelegt ist, so lehrt die Aufbaubetrachtung, dab bet den verschiedensten Krankheitsformen auch patho- plastische Momente k6rperlicher wie psychischer Art: Non- stitution, Alter, somatischer Zustand, Milieueinfliisse usw. verlalifsgestaltend mitsprechen und daher prognostisch heran- zuziehen sind. In bedeutsamer Weise spricht schliel31ich dieser ver/inderte klinische Standpunkt in der psychiatrischen Nosologie, der tdinischen Systematik mit. An Stelle der bisher Ifir die Krank- heitsaufstellung und -gruppierung verwerteten /iuBeren Ge- samtkrankheitsbilder, ix denen klinisch Ungleichwertiges: Wesentliches und Unwesentliches, Spezifisches und Un- spezifisches ohne genfigend scharfe und sichere Trennung zu- sammengefaBt wurde, sind nunmehr lediglich die patho- genetischen t3estandteile der St6rung heranzuziehen, wie sie nach Ausschaltung der nebens/~chlichen pathoplastischen ulid sonstigen Einschl/ige flbrigbleiben. Geben doch gerade diese pathogenetisehen Grund/ormen, die die urspri~ngliehsten und letzten Gegebenheiten der Kranl~heitsprozesse darstellen, die nati~rliche Grundlage ]iir eehte Krankheitseinheiten und damit ]iir ein klinisch reines, natiirliehes nosologisches System ab. Innerhalb dieser einzelnen pathogenetisch zusammengefaBten klinischen Formenkreise werden dann auch die Spielarten in einer gegenfiber der bisher fiblichen natflrlicheren, kli- nisch tiefer dringenden Weise differenziert, je nachdem sie pathogenetisch otter pathoplastisch bedingt stud. So scheiden wit etwa im Formenkreis der Paralyse einfach dementive oder agitierte Spielarteli als pathogenetische (weft auf Be- sonderheiten des destruierenden Hirnprozesses zurfick- zuffihren) yon manischen depressiven, paranoiden Spielarten als pathoplastischen (weft auf konstitutiven u. a. Sonder- einschl/igen beruhend). Bet dieser Art des ktinischen System- aufbaues gelingt es dann auch den atypischen F/illen, den Misch- und IYbergangsformen zwisehen den einzelnen Gruppen, wie sie durch besondere fremdartige pathoplastische Ein- schl/tge yon seiteli der biologischeli Konstitution, der charak- terologischen Eigenart u. dgl. bedingt sind (atypische Psy- chosen der Ostjuden oder der geistig Hochdifferenzierten: KLINISCHE "VVOCHENSCHRIFT. 2. JAHRGANG. Nr. 17 23. APRIL 1923 Nietzsches Paralyse, Strindbergs Schizophrenie u. dgl.) die richtige klinische Stellung anzuweisen, ohne dab es erst kfinstlicher Aufsplitterungen in kleine und kleinste Krank- heitsgruppen bedarf. Wie dieses System der psychotisehen Eormenkreise au/ rein pathogenetischer Grundlage sich im ein- zelnen gestaltet und wie es sich yon dem bisherigen vorwie- gend yon den /~uBeren Krankheitsmerkmaleli her abgeleite- ten unterscheidet, braucht hier um so weliiger ausgefiihrt zu werden, als dies an anderer Stelle geschehen ist'). Jedenfalls er6ffliet sich im Lichte dieser Auffassung vom Aufbau der Psychose ein weites Feld klinischer Arbeit, die, well lediglich auf empirischem Boden erwachsend, fruchtbare Erg/inzungen, Erweiterungen und Vertiefungen der bisherigen kli~aischen Resultate zumal in der psychiatrischen Symptomatologie, Nosologie und Systematik erhoffen lgBt. Die ldinische Psychiatrie findet sich zur Zeit in einem gewissen Unruhestadium, sie macht eine Krisis durch.~ Der bisher so erf0igreiche empirische Klinizismus ist mit seiner Registrierarbeit zu einem gewissen AbschluB gekommen und neue Forschungsbestrebungen machen sich geltend, biolo- gische wie psychologische, die, verscbieden gerichtet, tells der iKonstitution, tells dem Charakter, tells den psychodyna- mischen, den biodynamischen, den phylogenetischen usw. Zusammenh/ingen im klinischen Bereiche nachgehen und deren Aiiteil an Entstehung, Gestaltung und Verlauf der Psychose sicher zu stellen suchen. Es spricht stark zugunsten der strukturanalytischen Forschungsrichtung, dab alle diese auseinandergehenden Bestrebungen, denen eine klinische Berechtigung nicht abzusprechen ist, restlos in die hier ver- tretene Auffassung vom vielgestaltigen Aufbau der 'Psychose eingeheli und dabei yon ihr zudem zusammengefaBt und in innere Ordnungsbeziehungen gebracht werdeli. So gibt die psychiatrische Strukturanalyse zugleich genfigende Ge- w/ihr fiir eine einheitliche geschlossene Weiterbildung der Psychiatrie im Zusammenhang mit den sonstigen yon den verschiedensten Seiten her zustr6menden klinisch-psychia- trisehen Forschungsbestrebungen. Blicken wir zum Schlul3 noch fiber das psychiatrische Forschungsgebiet hinaus auf andere naturwissenschaftliche Disziplinen, so stoBen wir auf Feststellnngen, zu denen die bier vertretene Auffassung vom Wesen der Psychose in eine gewisse Parallele gebracht werden kann. ~rir seheli in dem biologischen Spezialgebiet der Botanik, dab nach den Klebs- schen Forschungen die Gestaltung der Pflanzenarten in der freien Natur nut zum Tell Niederschlag des eigentlichen We- sens des Typus (also in unserem Sinne: des,,pathogenetischen" Faktors) sind, sondern dab dalieben allerhand Umwelts- einflfisse (also ,,pathoplastische") die Gestalt bestimmen; und wir linden vor allem in der klinischen Medizir~ die grog- zfigigen biologischen Anschauungen yon KRAUS, in denen das inner e Zusammenspiel und die inneren Beziehungen der verschiedenen Komponenten und Funktionstendenzen der Pers61itichkeit zum Krankheitsvorgang in ihrer Bedeutung ffir das Wesen der k6rperlichen Erkrankung scharf herausgestellt stud. ORIGINALIEN. VERSUCHE AN OBERLEBENDEM CARCINOM- GEWEBE. Von OTTO WARBURG und SEIGO MINAMI. Aus dem Kaiser-Wilhelm-Insfituf f/iv Biologie, Berlin-Dahlem. Bet Versuchen mit fiberlebendem Carcinomgewebe sind wir auf eine Tatsache gestoBen, die uns yon Bedeutung zu sein scheint, und fiber die wir deshalb berichten. Als Versnchsmaterial diente das Flexnersche Ratten- carcinom, dessen Stamm wit Frgulein Dr. t~HODA ERDMANN verdanker~.Vqog der Impftumor einige Gramm, so tSteten wir das Tier dutch Nackenschlag, prfiparierten den Tumor heraus, stcllten mit dem Rasiermesser Schnitte (nicht Gefrierschnitte!) von etwa 5~ qmm Flgche und o, 3 mm Dicke her und brachten sie in 0, 5 ccm Ringersche L6sung. Die Ringerl6suug hatte die bekannte Zusammensetznng, ioo ccm NaCI + 2 ccm KC1 + 2 ccm CaC12 + i ccm NaHCO 8, alle L6sungen dem Rattenserum isoton. Enthielt nun die Ringerl6sung Traubenzucker in physio- logischer Konzentration -- etwa 2, 5 g pro Liter --, so wurde sis, wenn zler Tumor kurze Zeit bei 38 ~ in ihr qehalten war, sauer, erkennbar mittels I',Teutralrot oder anderer Indica- toren. Diese S/iuerung trat nicht auf, wenn der Ringer- 1) BIRNBAUM, Der Aufbau der Psychose. Beitr;ige zur psychiatrischen Struklur- analyse. Berlin, Springer 1923.

Versuche an Überlebendem Carcinom-gewebe

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776 der Krankheitszeichen, ihr innerer Zusammenhang mit der pathogenen spezifischen Noxe einerseits, den unspezifischen Gestaltungseinflfissen andererseits diagnostisch ausschlag- gebend. Daher sind selbst /iuBerlich gleiche IKrankheits- symptome : Depressionszust/~nde, Wahnbildungen u. dgl. je nach dieseli Zusammenh/ingen diagnostisch verschieden zu bewerteli und zwar um s.o h6her, je einwandfreier sie pathogene- tisch festgelegt sind, um so geringer, je mehr sie pathopla- stisch bedingt sind. Nur auf diesem Wege kann man jenen diagnostischen Irrtfimern und Fehlgriffen aus dem Wege gehen, delieli man gerade in der Psychiatrie so leicht ver- f/Lllt, wenn man sich vorwiegend an die /tuBeren Krankheits- zeichen h~lt. -- In /~hnlicher Weise wie die Diagnostik wird auch die Prognostik yon dieser strukturanalytisehen Auf- fassung beeinfluBt. Galt es bisher beinahe als ein psych- iatrisches Dogma, dab die Zukunftsgestattung der Psychose ausschliel31ich an den Krankheitstyp gebunden, also allein pathogenetisch festgelegt ist, so lehrt die Aufbaubetrachtung, dab bet den verschiedensten Krankheitsformen auch patho- plastische Momente k6rperlicher wie psychischer Art : Non- stitution, Alter, somatischer Zustand, Milieueinfliisse usw. verlalifsgestaltend mitsprechen und daher prognostisch heran- zuziehen sind.

In bedeutsamer Weise spricht schliel31ich dieser ver/inderte klinische S tandpunkt in der psychiatrischen Nosologie, der tdinischen Systematik mit. An Stelle der bisher Ifir die Krank- heitsaufstellung und -gruppierung verwerteten /iuBeren Ge- samtkrankheitsbilder, ix denen klinisch Ungleichwertiges: Wesentliches und Unwesentliches, Spezifisches und Un- spezifisches ohne genfigend scharfe und sichere Trennung zu- sammengefaBt wurde, sind nunmehr lediglich die patho- genetischen t3estandteile der St6rung heranzuziehen, wie sie nach Ausschaltung der nebens/~chlichen pathoplastischen ulid sonstigen Einschl/ige flbrigbleiben. Geben doch gerade diese pathogenetisehen Grund/ormen, die die urspri~ngliehsten und letzten Gegebenheiten der Kranl~heitsprozesse darstellen, die nati~rliche Grundlage ]iir eehte Krankheitseinheiten und damit ]iir ein klinisch reines, natiirliehes nosologisches System ab. Innerhalb dieser einzelnen pathogenetisch zusammengefaBten klinischen Formenkreise werden dann auch die Spielarten in einer gegenfiber der bisher fiblichen natflrlicheren, kli- nisch tiefer dringenden Weise differenziert, je nachdem sie pathogenetisch otter pathoplastisch bedingt stud. So scheiden wit etwa im Formenkreis der Paralyse einfach dementive oder agitierte Spielarteli als pathogenetische (weft auf Be- sonderheiten des destruierenden Hirnprozesses zurfick- zuffihren) yon manischen depressiven, paranoiden Spielarten a l s pathoplastischen (weft auf konsti tut iven u. a. Sonder- einschl/igen beruhend). Bet dieser Art des ktinischen System- aufbaues gelingt es dann auch den atypischen F/illen, den Misch- und IYbergangsformen zwisehen den einzelnen Gruppen, wie sie durch besondere fremdartige pathoplastische Ein- schl/tge yon seiteli der biologischeli Konstitution, der charak- terologischen Eigenart u. dgl. bedingt sind (atypische Psy- chosen der Ostjuden oder der geistig Hochdifferenzierten:

K L I N I S C H E " V V O C H E N S C H R I F T . 2. J A H R G A N G . Nr. 17 23. APRIL 1923

Nietzsches Paralyse, Strindbergs Schizophrenie u. dgl.) die richtige klinische Stellung anzuweisen, ohne dab es erst kfinstlicher Aufsplitterungen in kleine und kleinste Krank- heitsgruppen bedarf. Wie dieses System der psychotisehen Eormenkreise au/ rein pathogenetischer Grundlage sich im ein- zelnen gestaltet und wie es sich yon dem bisherigen vorwie- gend yon den /~uBeren Krankheitsmerkmaleli her abgeleite- ten unterscheidet, braucht hier um so weliiger ausgefiihrt zu werden, als dies an anderer Stelle geschehen ist '). Jedenfalls er6ffliet sich im Lichte dieser Auffassung vom Aufbau der Psychose ein weites Feld klinischer Arbeit, die, well lediglich auf empirischem Boden erwachsend, fruchtbare Erg/inzungen, Erweiterungen und Vertiefungen der bisherigen kli~aischen Resultate zumal in der psychiatrischen Symptomatologie, Nosologie und Systematik erhoffen lgBt.

Die ldinische Psychiatrie findet sich zur Zeit in einem gewissen Unruhestadium, sie macht eine Krisis durch.~ Der bisher so erf0igreiche empirische Klinizismus ist mit seiner Registrierarbeit zu einem gewissen AbschluB gekommen und neue Forschungsbestrebungen machen sich geltend, biolo- gische wie psychologische, die, verscbieden gerichtet, tells der iKonstitution, tells dem Charakter, tells den psychodyna- mischen, den biodynamischen, den phylogenetischen usw. Zusammenh/ingen im klinischen Bereiche nachgehen und deren Aiiteil an Entstehung, Gestaltung und Verlauf der Psychose sicher zu stellen suchen. Es spricht stark zugunsten der strukturanalytischen Forschungsrichtung, dab alle diese auseinandergehenden Bestrebungen, denen eine klinische Berechtigung nicht abzusprechen ist, restlos in die hier ver- tretene Auffassung vom vielgestaltigen Aufbau der 'Psychose eingeheli und dabei yon ihr zudem zusammengefaBt und in innere Ordnungsbeziehungen gebracht werdeli. So gibt die psychiatrische Strukturanalyse zugleich genfigende Ge- w/ihr fiir eine einheitliche geschlossene Weiterbildung der Psychiatrie im Zusammenhang mit den sonstigen yon den verschiedensten Seiten her zustr6menden klinisch-psychia- trisehen Forschungsbestrebungen.

Blicken wir zum Schlul3 noch fiber das psychiatrische Forschungsgebiet hinaus auf andere naturwissenschaftliche Disziplinen, so stoBen wir auf Feststellnngen, zu denen die bier vertretene Auffassung vom Wesen der Psychose in eine gewisse Parallele gebracht werden kann. ~rir seheli in dem biologischen Spezialgebiet der Botanik, dab nach den Klebs- schen Forschungen die Gestaltung der Pflanzenarten in der freien Natur nu t zum Tell Niederschlag des eigentlichen We- sens des Typus (also in unserem Sinne: des,,pathogenetischen" Faktors) sind, sondern dab dalieben allerhand Umwelts- einflfisse (also ,,pathoplastische") die Gestalt best immen; und wir l inden vor allem in der klinischen Medizir~ die grog- zfigigen biologischen Anschauungen yon KRAUS, in denen das inner e Zusammenspiel und die inneren Beziehungen der verschiedenen Komponenten und Funktionstendenzen der Pers61itichkeit zum Krankheitsvorgang in ihrer Bedeutung ffir das Wesen der k6rperlichen Erkrankung scharf herausgestellt stud.

ORIGINALIEN. VERSUCHE AN OBERLEBENDEM CARCINOM-

GEWEBE. V o n

O T T O W A R B U R G u n d S E I G O M I N A M I .

Aus dem Kaiser-Wilhelm-Insfituf f/iv Biologie, Berlin-Dahlem.

Bet Versuchen mit fiberlebendem Carcinomgewebe sind wir auf eine Tatsache gestoBen, die uns yon Bedeutung zu sein scheint, und fiber die wir deshalb berichten.

Als Versnchsmaterial diente das Flexnersche Ratten- carcinom, dessen Stamm wit Frgulein Dr. t~HODA ERDMANN verdanker~.Vqog der Impftumor einige Gramm, so tSteten wir das Tier dutch Nackenschlag, prfiparierten den Tumor

heraus, stcllten mit dem Rasiermesser Schnitte (nicht Gefrierschnitte!) von etwa 5 ~ qmm Flgche und o, 3 mm Dicke her und brachten sie in 0, 5 ccm Ringersche L6sung. Die Ringerl6suug hatte die bekannte Zusammensetznng, ioo ccm NaCI + 2 ccm KC1 + 2 ccm CaC12 + i ccm NaHCO 8, alle L6sungen dem Rattenserum isoton.

Enthiel t nun die Ringerl6sung Traubenzucker in physio- logischer Konzentrat ion -- etwa 2, 5 g pro Liter --, so wurde sis, wenn zler Tumor kurze Zeit bei 38 ~ in ihr qehalten war, sauer, erkennbar mittels I',Teutralrot oder anderer Indica- toren. Diese S/iuerung t rat nicht auf, wenn der Ringer-

1) BIRNBAUM, Der Aufbau der Psychose. Beitr;ige zur psychiatrischen Struklur- analyse. Berlin, Springer 1923.

23. A P R I L I923 K L I N I S C H E W O C H E N S C

16sung kein Zucker zugese tz t war. Der Tumor bi ldete also aus Zucker S/iure, and zwar, sowei t wir bisher festgestel l t haben, Milchs~iure. Denn mi t der S/iuerung t r a t die }top; k ins-Fle tchersehe Milchsgurereakt ion auf und die Ringer- 16sung gab bei der Des t i l la t ion nach v. Fi~I~Ttt-CHARNASS ebensoviel Aldehydmoleki i le , als S/iuremolekii le gebi ldet worden waren (Ifir die Desti l lat ionsversuck;e benu tz ten wir an s t a t t eines Schni t tes und 0,5 ccm Ringer l6sung 50 Schni t te und 28 ccm RingerlSsung). Offenbar also ha t t en wir es mi t der yon EMBDEN en tdeck ten Eigensehaf t t ier ischer Zellen zu tun, Zncker in Milchs/iure zu spalten, doch schien die g lykolyt ische F/ ih igkei t des Tumorgewebes diejenige normalen Ra t t engewebes in augero rden t l i chem Mage zu i ibertreffen.

Urd die Ersche inung q u a n t i t a t i v zu untersuchen, b rach ten wit einen Schni t t in ein kleines durch Schliff verschlieBbares Glasgef/iB yon e twa 4 ccm Rauminha l t , auf dessen Boden eine feine Glasnadel aufgeschmotzen war. Auf der Glas- nadel wurde der Schni t t aufgespieBt und mi t o, 5 ccm zucker- hal t iger Ringerl6sung, deren Bica rbona tgeha l t ve rzehnfach t war, fibergossen. Die Gef/iBe w u r d e n dann durch Schliff geschlossen, mi t e inem Barcrof t schen Manomete r ve rbunden und bei 37,5 ~ in e inem Wasse r the rmos t an t en vors icht ig ein bis zwei S tunden lang bewegt . Hierbe i t r ieb die ents tehende S/iure Kohlens/inre aus dem t3icarbonat, in den Gasraum and es ersehien am Manomete r ein pos i t iver Druck, aus dessen Gr6Be sich die Menge der en t s t andenen S/fare berechnen iiel3. W a r d e n die Schni t te schlieBlich bei ioo ~ bis zur Kon- s tanz getrocknet , so konn ten d ie -Messungen auf die Ge- wichtse inhei t Gewebesubs tanz reduz ie r t werden.

Zur I l lus t ra t ion der Ergebnisse diene die folgende kleine Tabelle. Wir e rkennen aus ihr, dab eine S/ iurebildung aus

Tabelle. Die Gewichte der Schnitte sind in Milligramm Trocken-

substanz angegeben. 37,5 ~ .

H R I F T . 2. J A H R G A N G . Nr . 17 777

die Glykolyse wie die energielie/ernden Spaltungsrealctionen niederer Organismen, etwa wie die alkoholische Gdirung der He/ezelle.

Diese Ubere ins t immung ffihrt auf die wicht ige Frage, ob die Glykolyse fiir die Carcinomzelle eine /ihnliche Rolle spielt, wie die alkoholische G/irung ffir die Hefezelle, ob mi t andern Wor ten die Glykolyse neben der Sauers to f fa tmung eine energiel iefernde Reak t ion der Carcinomzelle ist. Ver- gleichen wir yon diesem Ges ich tspunkt aus die Energie , die der Tumor aus der gemessenen Zuckerspa l tung gewinnen kann, mi t der Energie, die der Tumor aus der Sauerstoff- a tmung gewinnt, so ergibt sich folgendes:

i mg T u m o r bi ldet pro S tunde e twa o,o75 mg Milch- s/iure und zersetz t -- wenn wir die Embdensehe Gieichung der Glykolyse zugrunde legen o,o75 mg Zucker. (Es heifit das, daft de; Tumor ;n etwa 13 Stunden ebensoviel Zucker zersetzt, als sein eigenes Troekengewicht betrgigt!) Die Verbrennungswgrme des Zuckers ist pro G r a m m 3734 cal, die Verbrennungsw/ i rme der Milchs/iure pro G r a m m nach ME'ZnRHOF 3601 cal. Die Spa l tung eines G r a m m s Trauben- zucker in Milehs/iure l iefert also rund 13o eal, die Spal tung von o,o75 mg Zucker fund o ,oi cal. Was die Sauerstoff- a t m u n g anbetr i ff t , so Ianden wit -- i ndem wir mi t einer den Glykolyseversuchen ganz entsprechenden Anordnung arbe i te ten - - , dab I m g Tumor pro Stunde und bei 37,5 ~ e twa 5 c m m Sauerstoff v e r a t m e t , was energet isch e twa 0,024 ca1 bedeute t . Die Energie, die bei der Zuckerspaltung fl'ei wird, ist also yon derselben GrS/3enordnung wie die Energie, die bei tier Sauerstogatmung ]rei wird, n(imlich ~2% der letzteren.

Hiernach ist die M6gl ichkei t gegeben, dab der Tumor zu e inem betr / icht l iehen Teil auf Kos ten eines G/irungs- vorgangs lebt -- womi t sein Verha l ten im Organismus erkl/ ir t w/ire. Unsere n/ichste Aufgabe ist es nunmehr , andere Tumoren , insbesondere menschl iche Spon tan tumoren , nach dem gleichen Verfahren zu untersuchen.

Ohne Zucke r Mit Zucker (2,5 g : IOOO ccm) I Pro Mi l l i g r amm

A r t INach 6o Min . iNach 6o Min. i und S tunde Nr. des G e w c h t , ~ - * "" , , Deooacntete Gewmht beobach te t e I aus Z u c k e r g e b i l d e t e

Gewebes ' des I Druek- des [ Druck - ] Schmt tes ~inderung ! i Schn i t t e s i inderung IvliIchsfiure

mg. m m m g mm m g

Tumor t I 4, ~ -- 44 4,5 I74 0,069 2 2,6 20 2,3 I2I 0,078 3 i 2, 4 16 2,3 @@ 124 0,078 4 4, I 38 3,9 196 o,o75 6 3,3 3I 3,0 q- I62 o,o8I

Leber 3,2 13 4'0 i 12 weniger als o,ooi 7 , , 2 , 6 8 3,3 7 8 4,6 2i 4,4 I9 9 4,8 I9 3,7 I7 ,,

io Niere 2,o -- 6i 2,o 62 ,,

i i I Herz 2,i + 3 1,9 3 ,,

Zucker durch normales Ra t t engewebe bei unserm Verfahren k a u m nachweisbar ist, dab dagegen Careinomgewebe sehr bedeutende posi t ive Drucke erzeugt and miragestens 70real soviel Siiure aus Zueker bildet, als die gepri~/ten normalen Gewebe.

Die g lyko ly t i s ehe -E igenscha f t des Carcinomgewebes ist auf die n ichtnekrot i schen Geweb~teile beschr/inkt. Denn stel l t man sich yon gesunden und nekrot ischen Teilen des- selben Tumors Sehni t te her and prfift sie in der geschilderten V~reise, so ist die g tykolyt ische "Wirkung der nekrot ischen Teile viel schwS~cher, oft nicht m e h r nachweisbar .

Sauers tof fa tmung und Glykolyse s tehen in ke inem Zu- samme~hang. Denn ve rh inder t man die Sauers toffa tmung, indem man in die Gef/ige St ickstoff einffillt, so finder man die S/ iurebi ldung aus Zucker ebenso groB wie bei normaler Atmung .

Gegen Narko t i ca ist die Glykolyse ebenso empfindlicla wie die Sauers toffa tmung, gegen Blaus~ure jedoch wenig empfindlich. Gegen Narkot@a und Blausdiure also verl~gilt sieh

DIE OPERATIVE BEHANDLUNG DER ANGINA PECTORIS DURCH EXSTIRPATION DES HALS- BRUSTSYMPATHICUS UND BEMERKUNGEN OBER DIE OPERATIVE BEHANDLUNG DER ABNORMEN

BLUTDRUCKSTEIGERUNG*).

V o n

Prof . Dr. FRITZ BRONING, Ber l in .

Der Gedanke, be iAngina pectoris die Ref lex- bzw. Schmerz- bahnen zwischen Herz und groBen Gef/iBen einerseits und Gehirn- und Rf ickenmark anderersei ts durch ~xs i i rpa t i on des Hals -Brus tabschni t tes des Sympath icus zu unterbreehen, s t a m m t yon FRANCOIS FRANK (I899 }.

Die erste Ausif ihrung der Opera t ion gesehah du tch JON- x ~ s c u a m 2. IV. 1916. E inen zweiten Fal l ha t er a m 12. VI. 1921 operiert . In mehreren Arbei ten h a t er fiber diese F/ilte ber ichtet .

In einer Diskuss ionsbemerkung zu e inem Vor t rag JoN- NESCUS maeh t TUFFIER I 9 2 2 die Mittei lung, dab e r eben- falls die Operat ion erfolgreich ausgeffihrt hal~e.

Weder in der deutschen noch in der ausl/ indischen Lite- ra tur babe ich weitere Mit te i lungen fiber die AusEihrung dieser Opera t ion auff inden k6nnen.

Ledigl ich KAPPIS hat auf dem ChirurgenkongreB 1922 das Verfahren als theore t i sch gu t begrf indet empfohlen, ber ich te t aber nieht fiber eigene Erfahrungen.

]Die guten E rfolge, die ich mi t der per iar ter ie l len Sym- pa thek tomie nach LERICHE in der Behandlung angiospasti- scher Zust/inde an den Ex t r emi t / i t en beobach te t hat te , ver- an.laBten reich in dem gleich zu besehreibenden Fall, in dem

*) Aus e inem Vor t r ag auf dem Chirurgen-Kongrel~ i923 .