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~9. JANUAR 1927 KLINISCHE WOCHENSCH stand die normale Wirkung vom Hypogastricus nicht zulasse, sondern nur die vom nerv6sen Antagonisten verwerte. Die Behauptung, dab fiberall da, wo eine Sympathicusreizung einen ,,antagonistischen" Effekt hervorruft, der Sympathicus mit anderen Fasern gemischt sei, ist ganz allgemein aufgestellt worden, ohne bis jetzt fiir den einzelnen Fall oder allgemein bewiesen worden zu sein. Ea besteht nun abet im somatischen Nervensystem die Tatsache, dab sehr wohl in einem Nerven ,,Antagonismgs" vorhanden sein kann. Beugen wir n/imlich den Unterarm gegen den Oberarm, so ziehen sich die Oberarm- beuger zusammen, wghrend die Oberarmstreckmnskulatur erschlafft. Wir haben das schon erw/ihnt. Der quergestreiite Skelettmuskel kann also fiber einen Nerven Erregungen er- halten, die ihn ans seiner IRuhelage heraus je nach den BBe- dingungen einmal zur Kontraktion veranlassen, das andere Mal zur Dilatation bringen k6nnen, ohne dab bis jetzt behauptet wurde, dab es sich um Nervenantagonismus handeln miisse. Es ist daher nicht notwendig anzunehmen, daB, wenn fiber den Sympathicus sowohl herzbeschleunigende als herzver- langsamende Nervenerregungen verlaufen, der eine Nerven- impuls nur im Sympathicus verlaufen k6nne und der andere nur an den Parasympathicus (Vagus) gebunden sei. Viel gr6Bere Schwierigkeiten macht abet die Erklgrung der nervenphysiologischen Tatsache, nach der ein Nerv sowohl Hemmung als such Erregung am Organ verursachen kann. Man ist fiber allgemeine Annahmen nicht herausgekommen, und der Phantasie des Forschers sind die Grenzen hier nicht sehr eng gezogen. Soweit Meinungen ge~iuBert wurden, so hat die- jenige das f~bergewicht, die die Nervenerregungsprozesse, die zu Hemmung oder Erregung Ifihren, als qualitativ ein- heitliche Vorggnge annimmt, und es ist m6glich, dab diese sich nur nach der quantitativen Seite hin verschieden ver- halten. Es wfirde hiernach fiir einen Nervenantagonismus kein Raum sein. Hiermit ist aber nicht gemeint, dab die 13ezeichnung ,,Nervenantagonismus" aus dem medizinisehen Wortschatz heraus zu fallen habe. Man mug nur daran denken, dab der Antagonismus im autonomen Nervensystem sich auf die isolierte Tdtigkeit zwe4er Organteile bezieht, die beide yon scheinbar zwei so verschiedenen Nerven wie Sympathicus und Parasympathicus innerviert werden. Fiir die Tgtigkeit des ganzen Organes bedeutet der Antagonismus hgufig Synergismus. Bleiben wir einmal bei dem Beispiel des Depres- sorreflexes am Herzen. Es wird angenommen, dab der Reflex dutch vorfibergehende Blutdruckerh6hung im Aortenbogen aus zustande kommt; die afferente Erregung geht fiber den Depressor zum Vagus -- (und Vasomotoren)-zentrum und bewirkt durch Erregung dieser Zentren eine Herzverlang- samung (und eine allgemeine Gef~iBerweiterung). Eine Blut- drueksenkung ist die Folge. Dadurch nun, dab es zu einer zentral bedingten Mitinnervation des zum Herzen ziehenden Sympathicus kommt, wird die Herzverlangsamung zweifach gew~ihrleistet -- n~imlich durch Vagus und Sympathicus. Letzterer wirkt in diesem Falle aueh als Hemmungsnerv. 13eide Nerven beeinflussen das Herz in synergischem Sinn; genau so, wie auf Nervenwege die Armbewegung dann am gfinstigsten gestaltet wird, wenn die eine Muskelgrnppe sich zusammenzieht, und die andere (antagonistisehe) erschlafft, hat man sich die ,,antagonistische" T~itigkeit yon Sympathieus und Parasympathicus vorzustellen. Ganz ausgesprochen ist RIFT. 6. JAHRGANG. Nr. 5 I95 der ,,funktionelle" Synerffismus nach Reizung des para- sympathischen Nervus pelvicus, der die 131ase versorgt. Seine Reizung bewirkt eine Kontraktion der glatten Blasenmusku- latur, wghrend der Sphincter erschlafft, so dab der Ham in die Urethra treten kann. Hier verursacht der parasympathi- sche Beckennerv sowohl Antagonismus -- er bringt Kon- traktion und Dilatation zweier glatter Muskeln zustande als auch Synergismus mit Bezug auf den Vorgang der Miktion. Gleichzeitig wird durch die Blasenkontraktion die Ureter- 6ffnung geschlossen, so dab es nicht zu einem rfickl~iufigen Harnabflnl3 nach dem Nierenbecken kommen kann. Dieser VerschluB geschieht nnabhgngig yon Nervenerregungspro- zessen, well auch der an eine andere Stelle der Blase ver- pflanzte Harnleiter bei der Blasenkontraktion verschlossen wird, bevor die M6glichkeit besteht, dab yon der Blase aus Nerven in den Ureter wachsen k6nnen*)i Das Zusammen- arbeiten yon autonom innervierten Organen kann also teil- weise ganz unabh~ingig yon Nerven geschehen und trotzdem wird durch die Abh/ingigkeit einer Funktion yon der anderen der Ablauf der normalen Tgtigkeit des ganzen Organismus gew~ihrleistet. Von diesem Standpunkt aus geschehen in einem gesunden Organismus alle zusammengesetzten Funktionen synergisch. Man sollte deshalb solche Funktionen nicht yon ,,antagoni- stischen" Gesichtspunkten aus betraehten, zumal wir gar nicht wissen, ob nur Nerven an solchen Funktionen beteiligt sind. So will man ffir die W/~rmeregulation vorwiegend den Sympathicus in Anspruch nehmen; der Schlaf sei ,,ein pr~- gnantes Beispiel parasympathischer Funktionsrichtung". Die Beobaehtungen an Patienten scheinen solehen MutmaBungen recht geben zu wollen. Ich glaube aber, dab wir uns hiermit wieder ein wenig der wissenschaftliehen Betrachtungsweise des Praktikers n/ihern, yon der wir eingangs sagten, dab seine Analysen deshalb nicht bis an das Ende durchgeffihrt werden k6nnen, well die Krankheit in den seltensten F/illen streng genug lokalisiert werden kann, um daraus Schlfisse mit der Genauigkeit ziehen zu k6nnen, die der Denkweise des Theoretikers eigen ist. Was die Wgrmeregulation und den Schla~ anbetrifft, so scheinen die Analysen mir nicht zu ge- nfigen, um Folgerungen allgemeiner Art ffir das autonome Nervensystem aufstellen zu sollen. Wenn man will, kann man aus dem, was bier fiber Anta- gonismus und Synergismus im autonomen Nervensystem gesagt worden ist, einige Sehlfisse ffir die praktisehe Medizin ziehen. Es geht hervor, daB, wenn man mit Durchsehneidung eines Nerven am autonom innervierten Organ einen Einflul3 auf das Organ erzielen will, ein solcher Eingriff nicht genfigen kann. Es w/~re m6glich, dab das Herz z. t3. nach Durchschnei- dung des Vagus such fiber den Sympathicus herzverlang- samende Erregungen erhalten kann, Dies haben wir oben auseinandergesetzt. Aber selbst, wenn man sgmtliche zum Organ hinziehenden Nerven durchschneidet, so bestimmen 13estandteile, die sich im Blute gel6st vorfinden -- m6gen dies nun Stoffwechselprodukte oder Hormone sein -- den Zustand und die Tgtigkeit autonom innervierter Organe. Diese werden also nicht nur auf dem Nervenwege reguliert. Erkrankungen autonom innervierter Organe dfirften daher auch nach diesen Gesichtspunkten anzusehen sein, wenn man sich yon ihrer Therapie Erfolg versprechen will. ORIGINALIEN. VERSUCHE ZU EINER OPERATIVEN BEHANDLUNG DES DIABETES*). Von Prof. Dr. G. MAXSFELI). Aus dem Pharmakolog. Institut der Universit~tt P~cs (Ungarn). Zweck der Untersuchungen -- fiber die ich im folgenden berichten m6chte -- war zu prfifen, ob es nicht Mittel und *) Vortrag, gehalten auf dem XlI. interImt. PhysiologenkongreB in Stockholm. Wege gibt, die Insulinproduktion des Pankreas zu f6rdern, was flit die Therapie des Diabetes wichtig schien. Die Berechtigung dieser Fragestellung ergab sich aus Ver- suchen, welche zeigten, dab gerade an jenen Drfisen, welche neben ~iul3erer Sekretion such eine inkretorische Funktion haben -- das sind die Keimdrfisen und das Pankreas -- eine Anregung der innersekretorischen T~itigkeit wohl m6glich ist. *) Noch nicht ver6ffentlichteVersuche meines Mitarbeiters W. ISRAEL, der mir gestattete, in diesem Zusammenhange die Resultate seiner Versuchsreihen zu er- w~hnen, 13"

Versuche zu Einer Operativen Behandlung des Diabetes

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~9. JANUAR 1927 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

stand die normale Wirkung vom Hypogastricus nicht zulasse, sondern nur die vom nerv6sen Antagonisten verwerte. Die Behauptung, dab fiberall da, wo eine Sympathicusreizung einen , ,antagonistischen" Effekt hervorruft, der Sympathicus mit anderen Fasern gemischt sei, ist ganz allgemein aufgestellt worden, ohne bis jetzt fiir den einzelnen Fall oder allgemein bewiesen worden zu sein. Ea besteht nun abet im somatischen Nervensystem die Tatsache, dab sehr wohl in einem Nerven , ,Antagonismgs" vorhanden sein kann. Beugen wir n/imlich den Unterarm gegen den Oberarm, so ziehen sich die Oberarm- beuger zusammen, wghrend die Oberarmstreckmnskulatur erschlafft. Wir haben das schon erw/ihnt. Der quergestreiite Skelettmuskel kann also fiber einen Nerven Erregungen er- halten, die ihn ans seiner IRuhelage heraus je nach den BBe- dingungen einmal zur Kontraktion veranlassen, das andere Mal zur Dilatation bringen k6nnen, ohne dab bis jetzt behauptet wurde, dab es sich um Nervenantagonismus handeln miisse. Es ist daher nicht notwendig anzunehmen, daB, wenn fiber den Sympathicus sowohl herzbeschleunigende als herzver- langsamende Nervenerregungen verlaufen, der eine Nerven- impuls nur im Sympathicus verlaufen k6nne und der andere nur an den Parasympathicus (Vagus) gebunden sei.

Viel gr6Bere Schwierigkeiten macht abet die Erklgrung der nervenphysiologischen Tatsache, nach der ein Nerv sowohl Hemmung als such Erregung am Organ verursachen kann. Man ist fiber allgemeine Annahmen nicht herausgekommen, und der Phantasie des Forschers sind die Grenzen hier nicht sehr eng gezogen. Soweit Meinungen ge~iuBert wurden, so hat die- jenige das f~bergewicht, die die Nervenerregungsprozesse, die zu Hemmung oder Erregung Ifihren, als qual i ta t iv ein- heitliche Vorggnge annimmt, und es ist m6glich, dab diese sich nur nach der quant i ta t iven Seite hin verschieden ver- halten. Es wfirde hiernach fiir einen Nervenantagonismus kein Raum sein. Hiermit ist aber nicht gemeint, dab die 13ezeichnung , ,Nervenantagonismus" aus dem medizinisehen Wortschatz heraus zu fallen habe. Man mug nur daran denken, dab der Antagonismus im autonomen Nervensystem sich auf die isolierte Tdtigkeit zwe4er Organteile bezieht, die beide yon scheinbar zwei so verschiedenen Nerven wie Sympathicus und Parasympathicus innerviert werden. Fiir die Tgtigkeit des ganzen Organes bedeutet der Antagonismus hgufig Synergismus. Bleiben wir einmal bei dem Beispiel des Depres- sorreflexes am Herzen. Es wird angenommen, dab der Reflex dutch vorfibergehende Blutdruckerh6hung im Aortenbogen aus zustande kommt; die afferente Erregung geht fiber den Depressor zum Vagus -- (und Vasomotoren)-zentrum und bewirkt durch Erregung dieser Zentren eine Herzverlang- samung (und eine allgemeine Gef~iBerweiterung). Eine Blut- drueksenkung ist die Folge. Dadurch nun, dab es zu einer zentral bedingten Mitinnervation des zum Herzen ziehenden Sympathicus kommt, wird die Herzverlangsamung zweifach gew~ihrleistet -- n~imlich durch Vagus und Sympathicus. Letzterer wirkt in diesem Falle aueh als Hemmungsnerv. 13eide Nerven beeinflussen das Herz in synergischem Sinn; genau so, wie auf Nervenwege die Armbewegung dann am gfinstigsten gestaltet wird, wenn die eine Muskelgrnppe sich zusammenzieht, und die andere (antagonistisehe) erschlafft, hat man sich die , ,antagonistische" T~itigkeit yon Sympathieus und Parasympathicus vorzustellen. Ganz ausgesprochen ist

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der , ,funktionelle" Synerffismus nach Reizung des para- sympathischen Nervus pelvicus, der die 131ase versorgt. Seine Reizung bewirkt eine Kontraktion der glatten Blasenmusku- latur, wghrend der Sphincter erschlafft, so dab der H a m in die Urethra treten kann. Hier verursacht der parasympathi- sche Beckennerv sowohl Antagonismus -- er bringt Kon- traktion und Dilatation zweier glatter Muskeln zustande als auch Synergismus mit Bezug auf den Vorgang der Miktion. Gleichzeitig wird durch die Blasenkontraktion die Ureter- 6ffnung geschlossen, so dab es nicht zu einem rfickl~iufigen Harnabflnl3 nach dem Nierenbecken kommen kann. Dieser VerschluB geschieht nnabhgngig yon Nervenerregungspro- zessen, well auch der an eine andere Stelle der Blase ver- pflanzte Harnleiter bei der Blasenkontraktion verschlossen wird, bevor die M6glichkeit besteht, dab yon der Blase aus Nerven in den Ureter wachsen k6nnen*)i Das Zusammen- arbeiten yon autonom innervierten Organen kann also teil- weise ganz unabh~ingig yon Nerven geschehen und trotzdem wird durch die Abh/ingigkeit einer Funktion yon der anderen der Ablauf der normalen Tgtigkeit des ganzen Organismus gew~ihrleistet.

Von diesem Standpunkt aus geschehen in einem gesunden Organismus alle zusammengesetzten Funktionen synergisch. Man sollte deshalb solche Funktionen nicht yon ,,antagoni- stischen" Gesichtspunkten aus betraehten, zumal wir gar nicht wissen, ob nur Nerven an solchen Funktionen beteiligt sind. So will man ffir die W/~rmeregulation vorwiegend den Sympathicus in Anspruch nehmen; der Schlaf sei ,,ein pr~- gnantes Beispiel parasympathischer Funktionsrichtung". Die Beobaehtungen an Patienten scheinen solehen MutmaBungen recht geben zu wollen. Ich glaube aber, dab wir uns hiermit wieder ein wenig der wissenschaftliehen Betrachtungsweise des Praktikers n/ihern, yon der wir eingangs sagten, dab seine Analysen deshalb nicht bis an das Ende durchgeffihrt werden k6nnen, well die Krankheit in den seltensten F/illen streng genug lokalisiert werden kann, um daraus Schlfisse mit der Genauigkeit ziehen zu k6nnen, die der Denkweise des Theoretikers eigen ist. Was die Wgrmeregulation und den Schla~ anbetrifft, so scheinen die Analysen mir nicht zu ge- nfigen, um Folgerungen allgemeiner Art ffir das autonome Nervensystem aufstellen zu sollen.

Wenn man will, kann man aus dem, was bier fiber Anta- gonismus und Synergismus im autonomen Nervensystem gesagt worden ist, einige Sehlfisse ffir die praktisehe Medizin ziehen. Es geht hervor, daB, wenn man mit Durchsehneidung eines Nerven am autonom innervierten Organ einen Einflul3 auf das Organ erzielen will, ein solcher Eingriff nicht genfigen kann. Es w/~re m6glich, dab das Herz z. t3. nach Durchschnei- dung des Vagus such fiber den Sympathicus herzverlang- samende Erregungen erhalten kann, Dies haben wir oben auseinandergesetzt. Aber selbst, wenn man sgmtliche zum Organ hinziehenden Nerven durchschneidet, so bestimmen 13estandteile, die sich im Blute gel6st vorfinden -- m6gen dies nun Stoffwechselprodukte oder Hormone sein -- den Zustand und die Tgtigkeit autonom innervierter Organe. Diese werden also nicht nur auf dem Nervenwege reguliert. Erkrankungen autonom innervierter Organe dfirften daher auch nach diesen Gesichtspunkten anzusehen sein, wenn man sich yon ihrer Therapie Erfolg versprechen will.

ORIGINALIEN. VERSUCHE ZU EINER OPERATIVEN BEHANDLUNG

DES DIABETES*). Von

Prof. Dr. G. MAXSFELI). Aus dem Pharmakolog. Institut der Universit~tt P~cs (Ungarn).

Zweck der Untersuchungen - - fiber die ich im folgenden berichten m6chte - - war zu prfifen, ob es nicht Mittel und

*) Vortrag, gehalten auf dem XlI. interImt. PhysiologenkongreB in Stockholm.

Wege gibt, die Insulinproduktion des Pankreas zu f6rdern, was flit die Therapie des Diabetes wichtig schien.

Die Berechtigung dieser Fragestellung ergab sich aus Ver- suchen, welche zeigten, dab gerade an jenen Drfisen, welche neben ~iul3erer Sekretion such eine inkretorische Funktion haben - - das sind die Keimdrfisen und das Pankreas - - eine Anregung der innersekretorischen T~itigkeit wohl m6glich ist.

*) Noch nicht ver6ffentlichte Versuche meines Mitarbeiters W. ISRAEL, der mir gestattete, in diesem Zusammenhange die Resultate seiner Versuchsreihen zu er- w~hnen,

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Sowohl die experimentellen Befunde ~on Sa:EINACH und die klinischen Erfolge der Gyn~kol0gen nach Transplantat ion yon Ovarien, als auch die hystologische Feststellnng einer Hyperplasie des Inselsystems am Pankreas nach Gangunter- bindung liegen eine GesetzmXgigkeit vermuten, nach welcher das Erl6schen der /iuBeren Sekretion yon einer Zunahme der Hormonproduktion begleitet ist.

Es sollte also durch die folgenden Untersuchungen, welche ich unter Mitwirkung yon Dr. L. SzlgmZs ausffihrte*), in

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29. JANUAR 1927

zu verzeichnen ist. t~twa in der 4. Woche setzen jedoch tief- greifende Anderungen der Zuckerregulation ein, welche sich allm~hlich steigernd auf eine m~ichtige Oberproduktion yon Insulin schlieBen lassen. Diese Symptome gesteigerter Insu-

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Kurve 5.

erster Reihe die theoretisch wichtige Frage entschieden werden, ob es m6giich sei, die InsulinProduktion des Pankreas dutch Vernichtung der /iuBeren Sekretion zu-i6rdern. Da die Ent- scheidung dieser Frage auch als Grundlage einer operativen Therapie des Diabetes y o n Wichtigkeit ersctfien, so hieB es eine Methode zu linden, nm die Insulinproduktion zu f6rdern, ohne den Organismus seiner wichtigsten Verdauungsfermente zu berauben. Dieses Ziel l~Bt sich nun durch eine hSchst

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I~ll,rve 6.

einfache kleine Operation erreichen: die Bauchspeicheldriise wird durch eine - - die Blutgef~Be schonende Massenligatur, an irgendeinem Punkte in 2 Teile geteilt, deren=.einer seine normale Doppelfunktion beibeMilt nnd seine Fermente nn- gehindert in den Darm ergieBt, w~ihrend der andere Teil der ~nBeren Sekretion beraubt wird - - und da seine Blntversor- gung ungest6rt bleibt - - nunmehr allein seine inkretorische T/ifigkeit zu verrichten vermag. Die Operation am Pankreas ist so einfach, dab sie sieh in einigen Minuten mit Leichtigkeit ausftihren i/iBt.

Wenn wir n u n in dieser, Weise operierte H u n d e auf ihre Zuckerregnlation prfifen, so zeigt sich zun~ichst, dab bis zur 3. W0che post operafi0nem n0ch nichtdiegerings~e Nnderung

*) Die ausffihrliehe Mitteilung emcheint im Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakoi.

linproduktion, welche gleich nSher besprochen werden sollen, t raten bei allen unseren operierten Hunden ausnahmslos ein - - sind auch, wie es ; scheint, leicht/reproduzierbar Ida unsere bereits vor 1 i/8 Jahren vorl~ufig mitgeteilten Beobachtnngen I) yon mehreren Seiten best~itigt werden konnten 8) 8)] und sind auch, wie ich heute schon annehmen darf, dauerhalte Ande- rungen der Zuckerregulation, da sie nach einer Beobachtungs- daner yon fiber 18 Monaten unver~ndert fortbestehen.

Worin bestehen nun die Anderungen der Zuk- kerregulation nach par- tieller Ligatur des Pan- kreas? Um die l~ber- produktion yon Insulin nachzuweisen, schienen 2 Wege zweckmXgig:

Zun~ichst prfiften wir die Zuekertoleranz unse- rer I-Iunde vor nnd nach der Operation, denn yon einem ~berschuB an In- sulin war eine vermin- derte aliment~re Hyper- glyk/imie zn erwarten.

DaB die Toleranz ffir Dextrose im zweiten und drit ten Monat naeh der Operation in der Tat wesentlich gestiegen ist, zeigen die Kurven I und 2.

Ein zweiter Weg ffir Feststellung einer Oberproduktion yon Insulin war die Prfifung der t31ntzuekerkonzentration einmal im nfichternen Zustand, dann nach 2t~giger Karenz. Es muB n~Lmlich - - so dachten wir - - an einem Tier, welches Insulin im OberschuB produziert, der Blutzucker sinken, sobald wir das NachflieBen yon Zucker aus Nahrung und Glykogen verhindern, genau so als wenn wir einem hungernden Tier yon auBen Insulin Zufiihren.

Diese ~Tbertegung erwies sich als richtig und ffihrte zur AMdeckung einer Erscheinung, welche ich als ,,Karenz- hypoglykAmie" bezeiehnen m6chte und die itir dell Zustand unserer operlerten Hunde h6chst charakteristisch ist. Sie

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besteht darin, da6 der Blutzucker nach 2tagiger Karenz elnen ob die Symptome der gesteigerten Insulinproduktion er, Sturz erleidet, welcher Werte his zu 0,04% erreichen kann. 16schen. Diese zweite Qperation iiberlebte leider nur ein Tier, (S. Kurve 3 und 4.)

Wit glauben mit Recht diese ,,Karenzhypo- glyk~imie" als Ausdruck einer gesteigerten Insulin- produktion ansehen zu dfirfen. Niemals finder sie sich an normalen Tieren, auch nicht nach Schilddrfisenexstirpation, obschon an diesen tiefe Blutzuekerwerte und gesteigerte Toleranz be- schrieben wurden*). Dies mut3ten wir n~imlich in besonderen Versuchen prtifen, weft WAGNER und PRIESEL ~) bei der Besprechung meiner Versuche die Vermutung aussprachen, dab vielleicht die gestfrte Pankreasfunktion auf dem Umwege fiber die Schilddriise die Wirkung auf den Zuckerhaus- halt entfaltet. Dies ist abet nicht der Fall, und nach unseren bisherigen Erfahrungen mfissen wir sagen, dab diese ,, Karenzhypoglykamie" eine spezifi- sche Erscheinung ist, welche nur an den nach der beschriebenen Art operierten Hunden zu beob- achten ist. An diesen Hunden war sie aber ohne Ausnahme zu beobachten und stellt, wie sie gleich sehen werden, eine so konstante Erscheinung o/_

dar, dal3 wir sie mit Recht als Folge der ver- ~ ~ o ~nderten Pankreast~itigkeit ansehen mtissen. Ffir die Richtigkeit unserer Annahme, dab es sich in der Tat um eine f3berproduktion yon Insulin ~4,~o handelt, sprechen auch die histol0gischen Bilder ~ 0,09o der ligierten Pankreasteile, welche wit nach ~8 Monaten exstirpierten und fiber die ich noeh ~ o, oaa zu berichten haben werde. 4 o?o

Vorher m6chte ich Ihnen aber die Erscheinung ~ o06o der ,,Karenzhypoglyk~mie" in Kurvenbildern de- monstrieren, wie sie an 5 Hunden, die vor 18 Monaten operiert wurden und seither unter Beobachtung stehen, in die Erscheinung trat.

Sie ersehen daraus nicht nur die Konstanz des Blutzuckersturzes bei allen Tieren, sondern auch, was mit Rficksicht anf die klinische Anwendung besonders wichtig ist, dab dieser Zustand ein dauerhafter ist und nach i~/~ Jahren unvermindert fortbesteht. Besonders hervor- zuheben w~ire noch: wo wir in einigen F/tllen einen ge-

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Kurve 8,

Exstirpation ausffihrten. Die Zeit war zu kurz, um eine funk- tionelle Priifung durchzuftihren, und ich kann dariiber heute noch nicht berichten. Erw~ihnen mGchte ich jedenfalls, dab der Nfichternwert yon 0,078, wie er 2 Tage vor der Exstirpation war, am 6. und 8. Tage nach der Operation auf o, i2o resp.

o, I25% stieg, Werte, die seit fiber einem Jahr an~ diesem Tier niemals beobachtet wurden (vgl. Kurve 9)-

(Self meiner Riickkehr wurde die funk- fionelle Prtifung durchgeftihrt, und es zeigte sich, dab auch die Erscheinung der ,,iKarenz- hypoglyk~mie" nach der zweiten Operation

I vGllig schwand. Am 15 . September 1926 ~3 ~, war der Nfichternblutzuckerwert o, II5~o, i . nach 2 Tagen Karenz am 17. September 1926

: o,112%.) . . . . .

Entscheidend fiir die Bewertung unserer Ergebnisse waren die histologischen Befunde an diesen exstirpierten Panlareasteilen. Die Priiparate, die ich Ihnen jetzt zeigen mfchte,

�9 zeigen eine kolossale Zunahme der Inseln. W&hrend- bekanntlich im rlormalen Hundepanlareas die In- seln recht spiirlich vorkommen und man bei einer Ver- grfBerung yon lOO in etwa :~o Gesichtsfelderli eine Insel finder, sind Bier in jedem Gesichtsfeld mindestens 8--1o Inseln zu sehen. (S. Abb. 1 u. 2, S, 198.)

Ich glaube also, dab es zweifellos mSglich ist; durcli elnen einfachen operativen I~ingriff an Hunden einen Zustand herbeizuffihren, welcher dutch eille Mehrprodukti0n yon Insulin charakterisierf ist, ohne den: 0rganismus seiner Ver- dauungsfermente zu berauben, so '(ikI3 eine nach diesem Prinzip durehgeffihrte Operation alg Therapie des Diabetes -- in erster Reihe des jtivenileli " ;in Betrach~ zu ziehen w&re. Ob diese einen .Erlolg haben wird, h~ngt natfirlidl davon ah; 10b

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ringeren Sturz beobachteten, waren-die Nfichternwerte bis auf eine einzige i u s n a h m e [Kurve 7 (+)] selbst schon recht geringe, dab also schon eine Karenz yon 12 Stunden zu einer Hypoglyk~mie fiihrte. Eine zweite Erscheinung - - welche ebenfalls ffir eine Mehrproduktion yon Insulin zeugt - - ist n/imlich, dab die Nfichternwerte fast bei allen Tieren im Laufe der Monate eine allm~hliche Abnahme erfuhren. (S. Kurve 5--9.)

Wir waren IlUn bestrebt die Ergebnisse dieser funktionellen Prfifung noch in anderer Weise zu erh~irten. Wir versuchten an 3 Hunden durch eine zweite Operat ion das qnterbundene Pankreasfragment zu exstirpieren, um einerseits ~die histo- logischen Ver~nderungen zu priifen, andererseits um zu sel{en,

an we]chem wir nach 18 Monaten, also Anfang J uli 1926, die

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die In su l inp roduk t ion des e rk rank t en Pankreas ebenso, wie die des gesunden ges te iger t werden kann, was ers t die klinische B e o b a c h t u n g zu en t sche iden vermag. Ganz abgesehen aber

Abb. i. Hundel)ankreas (normal). Vergr. 75 x.

yon dieser noch p rob lemat i schen p rak t i s chen Konsequenz schien mi r die Tatsache , dab d u t c h Er l6schen der a u f 3 e r e n Sekre t ion die ho rmona le T~tigkei t der Bauchspeicheldr i i se

Abb. 2. Pankreas yore Hund (seit x8 Monaten unterbnndener Tell). Vergr. 75 x.

ges te iger t werden kann, n i ch t un in t e r e s san t und der Mit- te i lung wef t .

L i t e r a t u r : ~) Klin. Wochenschr. 3, 2378. 1924. -- 2) ALPERN und LEITES, Klin. Woehenschr. 4, 1551. 1925. -- s) NATI~ER, PRI~SEL, WAGNEI~, Klin. Wochenschr. 5, Nr. 21. 1926. - ~) JANNE'Z und ISAACSOX, Arch. of internat, reed. 22, 16o. 1918. - - ~) loc. cit,

W E I T E R E R BEITRAG ZUR FRAGE , ,DYSTROPHIA MUSCULORUM PROGRESSIVA UND EXTRA-

PYRAMIDALER SYMPTOMENKOMPLEX". Won

Prof . A. WESTPHAL. Aus der Psychiatrischen und Nerveuldln:k Bonn.

Vor kurzem habe ich 1) fiber eine Beobach tung voI1 Dys t ro - phia muscu lo rum progress iva ber ich te t , die d u t c h das elekt ive

29. JANUAR I927

Befal lensein der dys t roph i schen Muskeln yon einer ex t ra - py ramida len Bewegungss t6 rung yon chore i fo rm-myoMoni - schem Charak te r b e m e r k e n s w e r t war. Das Gesetz , ,der Dupl iz i ta t tier F~lle" ha t mir bald darauf einen wei te ren Fal l dieser Ar t zugefiihrt , welcher mi t d e m fri iher beschr i ebenen fas t v611ig iden t i sch ist. Zwei weitere, in dieses Gebiet fallende, ffir die Auffassung der Dys t roph i a musc. progr, viel leicht in B e t r a c h t k o m m e n d e Beobach tungen , ebenfal ls j f ingsten D a t u m s sollen im AnschluB an diesen neuen Fal l mi tge te i l t werden, da sie mir ebenfal ls ffir die F rage der zen t ra len LokMisat ion der famili&ren und he redodegenera t iven , in ers ter Linie durch t roph i sche S t6 rungen cha rak te r i s i e r t en E rk ran - kungen yon In teresse zu sein scheinen.

1. Fall: Anneliese K. Aufgenommen 25. X. 1926. Ein Brnder des Vaters soll im Alter yon 6 Jahren gelAhmt ge-

wesen und frtih gestorben sein. NAheres fiber die Art des Leidens ist nicht zu erfahren. Der Vater soll beim MilitAr infolge ,,ErkAltung" an einer ,,SchulterlAhmung" gelitten haben, die sich sparer von selbst zurtickgebildet habe.

Die Mutter des Kindes ist ,,nerv6s". Pat. selbst ist ein gut genAhrtes und im tibrigen wohlentwickeltes

Kind yon 51/2 Jahren. Normale Geburt und Entwicklung, lernte zeitig laufen. Die Bewegungen solleu aber immer etwas plump und schwerfAllig gewesen, das Kind leicht umgefallen sein.

Vor 2 Monaten merkten die Eltern zuerst, dab das Kind die eine Schulter hAngen lie/3, eine St6rnng, die bei yore Arzt ver- ordneten Turn- und Kriechfibungen noch zunahm.

Nach der Klinik fiberfflhrt, finder sich ausgesprochene Lordose der LendenwirbelsAule, fliigelf6rmiges Abstehen der Scapulae, rechts starker als links.

Die SchulterbI~tter stehen welt yon der WirbelsAule ab (rechts starker als links), ausgesprochen lockere Sehultern. Beim Herab- drticken des his zur HorizontMen erhobenen Arms t r i t t die rechte Schulterblattspitze energisch nach auBen. Die M. Supra- nnd Infra- spinati And beiderseits abgeflacht, rechts starker als links. Heben der Arme t~ber die Horizontale gut. Aufrichten aus liegender Stel- lung nicht gest6rt.

Armmuskulatur in Volumen und Funktion intakt. Leichte aber deutliche Hypertrophie der Glut~en und der Wadenmusknlatur.

Es finder sich im Deltoideus, Rhomboideus und Trapezius rechts eine quanti tat ive Herabsetzung der Erregbarkeit, nirgends trAge Zuckungen. Keine IibrillAren Muskelzucknngen. Dagege~ sind in der Muskulatur des Schultergi~rtels, am deutlichsten in den Muskeln, welche Veri~nderungen der elelctrischen ]~rregbarkeit au/weisen, Zuckungen yon kurzem myoklonischem Charalcter sichtbar. Dieselben sind nicht andauernd yon gleicher Intensit~t und Ausdehnung. Bald handelt es sich tlm vereinzelte kurze Zuckungen in einem Muskel, bald um lebhaftere Zuckungen zu gleicher Zeit in mehreren Muskeln, die dann auch einen Bezoegungsef/elct ehorei/ormer Art, Heben der Schulter, RftckwArtsschleudern des Armes usw. zur Folge haben.

Die iibrige K6rpermuskulatur ist frei yon diesen Zuckungen, nur in der leicht hypertrophischen Wadenmuskulatur finder sich ge- Iegentlich eine kurze Zuckung.

Im tibrigen bietet das Nervensystem des Kindes und auch das psychische Verhalten keine Abweichungen yon der Norm.

Die wei tgehende Analogie dieses Falles mi t unsere r f r t iheren B e o b a c h t h n g ist in die Augen fal lend. Die Un te r - schiede s ind nur q u an t i t a t i v e r Natur , und vie l le icht d a d u r c h bedingt , dab es sich damals um einen vo rgesch r i t t ene ren Fal l yon Dys t roph ie hande l te , w/~hrend bei d e m uns beschMt igen- den Kinde Ersche inungen dieses Leidens ers t seit kurzer Zeit aufge t re ten sind. Das Wesentl iche u n d Gharakteristische der Stbrung, das elektive Befal lensein der yon der Dystrophie er- griJJenen M u s k e l n du tch die Bewegungsst6rung, ist i n beiden Fdl len das Gleiche. Nachfor schungen nach einer he redode- genera t iven Grundlage des Leidens, die in dem fr t iheren Fal l nega t iv waren, haben auch in dem vor l i egenden Fal l keinen A n h a l t s p u n k t ergeben, welcher mi t i rgendwelcher Sicherhei t nach dieser R i c h t u n g V e r w e r t u n g f inden kbnnte .

2. Fall*): I5jAhr. idiotischer Knabe Schl. Kopfumfang 56 cm, ahstehende Ohren, fliehende Stirn, Strabismus convergens, Asym- metrie der Gesichtsbildung und Ungleichheit der Facialisinnervatiou. Epileptische AnfAlle mit zeitweisen ErregungszustAnden. An Sehul- tergi~rtel und Oberarmen Muskelatrophie in der ]i~r den scapohumefalen Typus der Dystrophia museutorum progressiva eharakteristisehen Aus-

*) Dieser Fall ist in der Prov. Kinderanstalt fflr seelisch Abnorme in Bonn yon Herrn Prof. LOWENSTEIN ambulant beobachtet und mir yon flxm die betr. Notizen in dankenswerter Weise tiberlassen worden.