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politik 28 DFZ 12 · 2013 KOMMENTAR Viel hilft nix Der Rahmen in der Zahnärzteschaft steht gewöhnlich für: Groß ist gut, und viel bringt viel. Auch auf dem Deutschen Zahn- ärztetag wurden diese Größenordnungen deutlich. Die feier- liche Eröffnung der Tagung durch Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) ist in der Frankfurter Paulskirche anberaumt. Dort ist schon viel passiert; etwa traf sich hier im Zuge der März- revolution 1848 das erste demokratisch gewählte Parlament. So sind auch die Reden von Prof. Henning Schliephake (DGZMK), Dr. Peter Engel (BZÄK) sowie Dr. Wolfgang Eßer (KZBV) mit Bedacht gewählt, und ein salbungsvolles Schnar- chen aus der letzten Reihe gibt der Veranstaltung den letz- ten Schliff. Zwar hatte man sich mit Festredner Udo Di Fabio, bis 2011 Richter am Bundesverfassungsgericht, einen bekannten Kopf ergattert, doch die Teilnahme der örtlichen Kommunalpoli- tik lässt auf sich warten. Vergeblich sucht man den Namen des Oberbürgermeisters auf der mehr als ansehnlich lay- outeten Karte. Stattdessen sagt sich die Zahnärzteschaft gegenseitig „Hallo!“. Di Fabio spricht von der Unverlässlichkeit der Märkte, der Moral im Westen und der Freiheit im Allgemeinen sowie dem verfassungsrechtlichen Speziellen. Prima. Da passt, dass am nächsten Tag Bundeszahnärztekammer- präsident Engel über die Nichtannahme der Verfassungsbe- schwerde gegen die GOZ-Punktwert-Nichtanhebung jam- mert. Dass schon zum Zeitpunkt der verfassungsrechtlichen Prüfung selbst Laien mit juristischem Basiswissen den Erfolg einer solchen Klage als „realitätsfern“ einordneten, hilft da auch nicht weiter. Dass unter so viel Tamtam die gute und patientenorien- tierte Arbeit von deutschen Zahnärzten da manchmal ein bisschen in Vergessenheit geraten muss, ist klar. Denn außer der Fachpresse verirren sich höchst selten Vertreter aus Film, Funk und Fernsehen auf den Zahnärztetag, um über Wissen- schaft und Berufspolitik zu berichten. Vielleicht im nächsten Jahr. Eva Britsch Blick auf den demografischen Wandel, „für weitere zahnmedi- zinische Risikogruppen spezifische Lösungen zu entwickeln.“ Die KZBV sucht daher – so Vorsitzender Eßer – „verstärkt den Dialog mit Akteuren, die nah an den Lebenswelten der Risikogruppen“ sind. Diskutiert wurde bei der KZBV weiter das ema „Daten- schutz“. Um das zahnärztliche Abrechnungs- und Leistungsge- schehen – beispielsweise „Parodontalbehandlung“ oder „Kie- ferorthopädie“ – darzustellen, liegen der KZBV kumulierte Daten aus den Praxen vor. Dies erlaube, so die Einrichtung, zum Beispiel Angaben über die Zahl der Abrechnungsfälle und Abrechnungshäufigkeit einer bestimmten Leistung zu machen. Innerhalb des Versorgungsstrukturgesetzes wurde nun aber eine „morbiditätsorientierte oder versorgungspolitisch tiefer gehende Analyse“ notwendig und so eine Neuordnung der Daten fällig – es bedürfe „der Analyse einzelfallbezogener Daten auf Ebene der Versicherten“, so die KZBV. Ein „Min- deststandard“, der diese Analyse erlaubt, besteht bereits: Es werden die relevanten Datenfelder, die über die Datenübertra- gung im Zuge der Leistungsabrechnung zwischen Zahnarzt- praxis und KZV angesiedelten Datenschnittstelle extrahiert. Die KZBV-Delegierten verabschiedeten dazu einen Antrag, der den Datenkranz in dieser Form koordiniert: In Bezug auf die Schaffung des Datenkranzes sei insbesondere eine stärke- re „Routinisierung und Standardisierung der Datenlieferun- gen durch die KZVen“ zu gewährleisten. Tempo ins Studium Handlungsbedarf gibt es weiterhin – auch das wurde auf dem Zahnärztetag deutlich – bei der Überarbeitung der denta- len Approbationsordnung. Diese ist seit den 50er Jahren des vergangen Jahrhunderts nicht mehr angerührt worden. Eine Reihe von Verbänden und Funktionären drängt im Moment darauf, dass den veränderten Rahmenbedingungen Rechnung getragen wird. Die Zahnärzteschaſt mahnt, dass, „die den Bun- desländern abschließend vorgelegte Approbationsordnung endlich umzusetzen“ sei. Dies scheint schon im Hinblick auf eine angestrebte Auf- wertung der zahnärztlichen Hilfsberufe durch deren Vertre- ter und die Novellierung der ärztlichen Approbationsordnung angebracht zu sein. Eva Britsch

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Der Rahmen in der Zahnärzteschaft steht gewöhnlich für: Groß ist gut, und viel bringt viel. Auch auf dem Deutschen Zahn-ärztetag wurden diese Größenordnungen deutlich. Die feier-liche Eröff nung der Tagung durch Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) ist in der Frankfurter Paulskirche anberaumt. Dort ist schon viel passiert; etwa traf sich hier im Zuge der März-revolution 1848 das erste demokratisch gewählte Parlament.

So sind auch die Reden von Prof. Henning Schliephake (DGZMK), Dr. Peter Engel (BZÄK) sowie Dr. Wolfgang Eßer (KZBV) mit Bedacht gewählt, und ein salbungsvolles Schnar-chen aus der letzten Reihe gibt der Veranstaltung den letz-ten Schliff .

Zwar hatte man sich mit Festredner Udo Di Fabio, bis 2011 Richter am Bundesverfassungsgericht, einen bekannten Kopf ergattert, doch die Teilnahme der örtlichen Kommunalpoli-tik lässt auf sich warten. Vergeblich sucht man den Namen des Oberbürgermeisters auf der mehr als ansehnlich lay-outeten Karte. Stattdessen sagt sich die Zahnärzteschaft gegenseitig „Hallo!“.

Di Fabio spricht von der Unverlässlichkeit der Märkte, der Moral im Westen und der Freiheit im Allgemeinen sowie dem verfassungsrechtlichen Speziellen. Prima.

Da passt, dass am nächsten Tag Bundeszahnärztekammer-präsident Engel über die Nichtannahme der Verfassungsbe-schwerde gegen die GOZ-Punktwert-Nichtanhebung jam-mert. Dass schon zum Zeitpunkt der verfassungsrechtlichen Prüfung selbst Laien mit juristischem Basiswissen den Erfolg einer solchen Klage als „realitätsfern“ einordneten, hilft da auch nicht weiter.

Dass unter so viel Tamtam die gute und patientenorien-tierte Arbeit von deutschen Zahnärzten da manchmal ein bisschen in Vergessenheit geraten muss, ist klar. Denn außer der Fachpresse verirren sich höchst selten Vertreter aus Film, Funk und Fernsehen auf den Zahnärztetag, um über Wissen-schaft und Berufspolitik zu berichten.Vielleicht im nächsten Jahr.

Eva Britsch

Blick auf den demografi schen Wandel, „für weitere zahnmedi-zinische Risikogruppen spezifi sche Lösungen zu entwickeln.“ Die KZBV sucht daher – so Vorsitzender Eßer – „verstärkt den Dialog mit Akteuren, die nah an den Lebenswelten der Risikogruppen“ sind.

Diskutiert wurde bei der KZBV weiter das Th ema „Daten-schutz“. Um das zahnärztliche Abrechnungs- und Leistungsge-schehen – beispielsweise „Parodontalbehandlung“ oder „Kie-ferorthopädie“ – darzustellen, liegen der KZBV kumulierte Daten aus den Praxen vor. Dies erlaube, so die Einrichtung, zum Beispiel Angaben über die Zahl der Abrechnungsfälle und Abrechnungshäufi gkeit einer bestimmten Leistung zu machen. Innerhalb des Versorgungsstrukturgesetzes wurde nun aber eine „morbiditätsorientierte oder versorgungspolitisch tiefer gehende Analyse“ notwendig und so eine Neuordnung der Daten fällig – es bedürfe „der Analyse einzelfallbezogener Daten auf Ebene der Versicherten“, so die KZBV. Ein „Min-deststandard“, der diese Analyse erlaubt, besteht bereits: Es werden die relevanten Datenfelder, die über die Datenübertra-gung im Zuge der Leistungsabrechnung zwischen Zahnarzt-praxis und KZV angesiedelten Datenschnittstelle extrahiert. Die KZBV-Delegierten verabschiedeten dazu einen Antrag, der den Datenkranz in dieser Form koordiniert: In Bezug auf die Schaff ung des Datenkranzes sei insbesondere eine stärke-re „Routinisierung und Standardisierung der Datenlieferun-gen durch die KZVen“ zu gewährleisten.

Tempo ins StudiumHandlungsbedarf gibt es weiterhin – auch das wurde auf dem Zahnärztetag deutlich – bei der Überarbeitung der denta-len Approbationsordnung. Diese ist seit den 50er Jahren des vergangen Jahrhunderts nicht mehr angerührt worden. Eine Reihe von Verbänden und Funktionären drängt im Moment darauf, dass den veränderten Rahmenbedingungen Rechnung getragen wird. Die Zahnärzteschaft mahnt, dass, „die den Bun-desländern abschließend vorgelegte Approbationsordnung endlich umzusetzen“ sei.

Dies scheint schon im Hinblick auf eine angestrebte Auf-wertung der zahnärztlichen Hilfsberufe durch deren Vertre-ter und die Novellierung der ärztlichen Approbationsordnung angebracht zu sein.

Eva Britsch