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konnten. Heinrich von Kleist gehiirt heute zu den beliebten Autoren in Ungarn, seine Werke erscheinen jetzt beim Jelenkor Verlag in einer Gesamtausgabe auf Ungarisch. Auch Rilke erlebt eine erneute Renais- sance und endlich wird auch eine frinfbendige Auswahl aus seinen Briefen herausgegeben. Der Erste Teil von Goethes Fausl wurde in einigen Jahren in zwei neuen libersetzungenss gedruckt. Die dritte Schicht der literarischen Wirkung ist jene, bei der eine Dichtung oder mehrere Werke eines Schriftstellers einen anderen Schriftsteller zu iihnlichen Werken anregen. In der ersten Hdlfte des 19. Jahrhunderts erfolgte die grdBte Anderung in der ungarischen Lite- ratur auf dieser Ebene. Uber eine iihnliche Wirkung wie die des Wer- thers am Ende des 18. Jahrhunderts kann nicht mehr gesprochen werden. Die ungarische Literatur ist erwachsen und selbsttindig gewor- den, die Wirkung fremder Literaturen gestaltete sie nach ihrem eigenen Charakter um. Heine, Lenau oder Gerhart Hauptmann hatten natiirlich auch in Ungarn Epigonen, aber diese gehbrten nicht zu dem Hauptstrom der Entwicklung. Die bedeutenden Autoren schufen ihre Dichtungen nicht unter dem Einfluf3 eines Werkes oder eines Verfas- sers, sondern sie haben die fremden Einfliisse ihrer eigenstiindigen Weltsicht angepaBt. In der Tragddie d,es Menschen von Imre Mad6ch (1823-1864) kann die Wirkung von Fouriers utopistischem Sozialismus ebenso nachgewiesen werden, wie die der Philosophie von Hegel oder des Faust von Goethe. Dieses dramatische Gedicht ist jedoch eine vdllig eigenstdndige und tiefgreifende literarische Schiipfung. Die Spuren von Nietzsches Philosophie sind bei fastjedem Autor zu entdecken, der am Anfang des 20. Jahrhunderts an der literarischen Revolution d,er Zeit- schrift Nyugat (Westen) beteiligt war. Diese Bewegung setzte jedoch viel mehr jene humanistische Tradition fort, die vielleicht Goethe am eindeutigsten repriisentiert. Aus der Literatur der deutschsprachigen Ltinder des 19. und 20. Jahrhunderts wirkten von Ludwig Uhland bis Peter Handke zahlreiche Schriftsteller auf die ungarische Dichtung ein, aber diese Einfliisse mischten sich mit denen von anderen Natio- nen und bauten sich organisch in die ungarische Literatur ein, die 1827, als Goethe den Begriffder Weltliteratur priigte, gerade heranreif- te, in die Weltliteratur einzutreten. 35 In der Ubersetzungvon L6szl6 Mrirton (1994, Ikon) und von Csaba B6thori (1998, Uj Mand6tum ). 32 2. Ungarn und die unga.rische Dichtung in den d.e ut s c h s p r a c hig e n Lii n d.er n36 Die ungleichmiiBige und langsamere Entwicklung der wirtschaftli- chen, sozialen und politischen lerh?iltnisse Ungarns, auf die bereits hingewiesen wurde, fiihrte auch in den deutsch-ungarischen literari- schen Beziehungen zu einer Ungleichheit: Die neuen Ideen und Formen stammten meistens von dem westlichen Nachbarn, die ungari- sche Literatur war eher die aufnehmende. Es kam zwal vor, daB die Schiiler, die bei mehreren Lehrern in die Schule gegangen waren, aus dem Erlernten und aus dem Eigenen eine Synthese zustandebrachten, die in ihren besten Schiipfungen iiber die Leistungen der Meister hin- ausragten, aber diese waren meistens Lyriker wie D6niel Berzsenyi (1776-1836), Mihdly V0rdsmarty (1800-1855), S6ndor Pet6fi (1823- 1849), J6nos Arany (1817-1882), Endre Ady (1877-1919), Mih6ly Babits (1883-1941), Attila J6zsef (1905-l-937) und hatten so tiefe Wurzeln in Sprache und Geschichte ihres Volkes, daB sie kaum iibersetzbar und ohne Kommentare kaum verstdndlich sind.31 P.t6f, hatte zwar durch deutsche Vermittlung in den Jahren nach der Revolution L848 eine gewisse Popularitrit in Westeuropa, aber deren Grtinde lagen eher in der Nostalgie nach einer Zeit, in der die Revolution noch mtiglich schien, als in der Absicht, seine Ideen zu verwirklichen. Karl Kurt Klein, der Mitte der ftinfziger Jahre unseres Jahrhunderts fiir das von Wolfgang Stammler herausgegebene Nachschlagewerk Deutsche Philo- logie im Aufrif den Artikel [Ingarn in d.er d.eutschen Dichtungss verfaB- 36 Dieser zweite Teil des Uberblicks wird eher den Charakter eines For- schungsberichtes haben als den einer Aufziihlung der ins Deutsche iiber- setzten ungarischen Werke. 37 Vgl. dazu Wilhelm Drostes Kommentare zu den deutschen Ubersetzungen des Gedichtes G6g 6s Mag6g fia uagyoh dn llch bin der Sohn von Gog und Magogl von Endre Ady in: Droste, Wilhelm: Poetische Ortwechsel bei Ady und Rilke. - In: Rilke, die Donaumonarchie und ihre Nachfolgestaaten. Vor- trd,ge d,er Jahrestagung der Rilhe-Gesellschaft 1993'in Budapest. Hrsg. v. Ferenc Sz6sz. - Budapest: Germanistisches Institut der Lor6nd-Edtv0s-Uni- versitiit 1994, S.91-108, bes. S. 100-108. 38 Klein, Karl Kurt: Ungarn in der deutschen Dichtung. - In: Stammler, Wolf- gang (Hrsg.): Deutsche Philologie im AufriB. 2., tiberarbeitete Aufl. Unveriin- derter Nachdruck. Bd. 3. - Berlin: Erich Schmidt 1967, Sp. 551-563. Die 1. Auflage ist 1957 erschienen. 33

Vielfalt und Beständigkeit

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Szász Ferenc

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Page 1: Vielfalt und Beständigkeit

konnten. Heinrich von Kleist gehiirt heute zu den beliebten Autoren inUngarn, seine Werke erscheinen jetzt beim Jelenkor Verlag in einerGesamtausgabe auf Ungarisch. Auch Rilke erlebt eine erneute Renais-sance und endlich wird auch eine frinfbendige Auswahl aus seinenBriefen herausgegeben. Der Erste Teil von Goethes Fausl wurde ineinigen Jahren in zwei neuen libersetzungenss gedruckt.

Die dritte Schicht der literarischen Wirkung ist jene, bei der eineDichtung oder mehrere Werke eines Schriftstellers einen anderenSchriftsteller zu iihnlichen Werken anregen. In der ersten Hdlfte des19. Jahrhunderts erfolgte die grdBte Anderung in der ungarischen Lite-ratur auf dieser Ebene. Uber eine iihnliche Wirkung wie die des Wer-thers am Ende des 18. Jahrhunderts kann nicht mehr gesprochenwerden. Die ungarische Literatur ist erwachsen und selbsttindig gewor-den, die Wirkung fremder Literaturen gestaltete sie nach ihremeigenen Charakter um. Heine, Lenau oder Gerhart Hauptmann hattennatiirlich auch in Ungarn Epigonen, aber diese gehbrten nicht zu demHauptstrom der Entwicklung. Die bedeutenden Autoren schufen ihreDichtungen nicht unter dem Einfluf3 eines Werkes oder eines Verfas-sers, sondern sie haben die fremden Einfliisse ihrer eigenstiindigenWeltsicht angepaBt. In der Tragddie d,es Menschen von Imre Mad6ch(1823-1864) kann die Wirkung von Fouriers utopistischem Sozialismusebenso nachgewiesen werden, wie die der Philosophie von Hegel oderdes Faust von Goethe. Dieses dramatische Gedicht ist jedoch eine vdlligeigenstdndige und tiefgreifende literarische Schiipfung. Die Spuren vonNietzsches Philosophie sind bei fastjedem Autor zu entdecken, der amAnfang des 20. Jahrhunderts an der literarischen Revolution d,er Zeit-schrift Nyugat (Westen) beteiligt war. Diese Bewegung setzte jedochviel mehr jene humanistische Tradition fort, die vielleicht Goethe ameindeutigsten repriisentiert. Aus der Literatur der deutschsprachigenLtinder des 19. und 20. Jahrhunderts wirkten von Ludwig Uhland bisPeter Handke zahlreiche Schriftsteller auf die ungarische Dichtungein, aber diese Einfliisse mischten sich mit denen von anderen Natio-nen und bauten sich organisch in die ungarische Literatur ein, die1827, als Goethe den Begriffder Weltliteratur priigte, gerade heranreif-te, in die Weltliteratur einzutreten.

35 In der Ubersetzungvon L6szl6 Mrirton (1994, Ikon) und von Csaba B6thori(1998, Uj Mand6tum ).

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2. Ungarn und die unga.rische Dichtung in dend.e ut s c h s p r a c hig e n Lii n d.er n36

Die ungleichmiiBige und langsamere Entwicklung der wirtschaftli-chen, sozialen und politischen lerh?iltnisse Ungarns, auf die bereitshingewiesen wurde, fiihrte auch in den deutsch-ungarischen literari-schen Beziehungen zu einer Ungleichheit: Die neuen Ideen undFormen stammten meistens von dem westlichen Nachbarn, die ungari-sche Literatur war eher die aufnehmende. Es kam zwal vor, daB dieSchiiler, die bei mehreren Lehrern in die Schule gegangen waren, ausdem Erlernten und aus dem Eigenen eine Synthese zustandebrachten,die in ihren besten Schiipfungen iiber die Leistungen der Meister hin-ausragten, aber diese waren meistens Lyriker wie D6niel Berzsenyi(1776-1836), Mihdly V0rdsmarty (1800-1855), S6ndor Pet6fi (1823-

1849), J6nos Arany (1817-1882), Endre Ady (1877-1919), Mih6ly Babits(1883-1941), Attila J6zsef (1905-l-937) und hatten so tiefe Wurzeln inSprache und Geschichte ihres Volkes, daB sie kaum iibersetzbar undohne Kommentare kaum verstdndlich sind.31 P.t6f, hatte zwar durchdeutsche Vermittlung in den Jahren nach der Revolution L848 einegewisse Popularitrit in Westeuropa, aber deren Grtinde lagen eher inder Nostalgie nach einer Zeit, in der die Revolution noch mtiglichschien, als in der Absicht, seine Ideen zu verwirklichen. Karl KurtKlein, der Mitte der ftinfziger Jahre unseres Jahrhunderts fiir das vonWolfgang Stammler herausgegebene Nachschlagewerk Deutsche Philo-logie im Aufrif den Artikel [Ingarn in d.er d.eutschen Dichtungss verfaB-

36 Dieser zweite Teil des Uberblicks wird eher den Charakter eines For-schungsberichtes haben als den einer Aufziihlung der ins Deutsche iiber-setzten ungarischen Werke.

37 Vgl. dazu Wilhelm Drostes Kommentare zu den deutschen Ubersetzungendes Gedichtes G6g 6s Mag6g fia uagyoh dn llch bin der Sohn von Gog undMagogl von Endre Ady in: Droste, Wilhelm: Poetische Ortwechsel bei Adyund Rilke. - In: Rilke, die Donaumonarchie und ihre Nachfolgestaaten. Vor-trd,ge d,er Jahrestagung der Rilhe-Gesellschaft 1993'in Budapest. Hrsg. v.Ferenc Sz6sz. - Budapest: Germanistisches Institut der Lor6nd-Edtv0s-Uni-versitiit 1994, S.91-108, bes. S. 100-108.

38 Klein, Karl Kurt: Ungarn in der deutschen Dichtung. - In: Stammler, Wolf-gang (Hrsg.): Deutsche Philologie im AufriB. 2., tiberarbeitete Aufl. Unveriin-derter Nachdruck. Bd. 3. - Berlin: Erich Schmidt 1967, Sp. 551-563. Die 1.

Auflage ist 1957 erschienen.

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te und damit die einzige umfassende Darstellung dieses Themas bot,irrte sich leider, als er schrieb:

Gemessen an solcher Volkstiimlichkeit, hat der lyrischeSeher und Schicksalsdeuter des Ungartums im 20. Jh. Endre v.Ady (gest. 1919) mit seiner sinnbildtrdchtigen, schweren Spra-che im dt. Literaturraum nur langsam FuB gefa8t. Indessenwurde ihm ein Gltick zuteil, das Petdfi versagt war. Er fand gutetibersetzer ( Horvdth [sic!], Frany6). Die zuniichst von ihren ung.Voraussetzungen her versttindliche nationale und ethisch-reli-giiise Problematik seines Werkes hat damit Aussicht, gleich derDichtung Petdfis iiber den deutschen Echoraum in die Weltlite-ratur einzudringen.se

Ady fand nach dem Erscheinen von Kleins Artikel noch besserefibersetzer als Heinrich Horv6t (L877-1947) und Zolt6n Frany6 (1887-

1978), 1965 gaben der Budapester Corvina-Verlag und der OstberlinerVerlag Volk und Welt eine Auswahl aus seinen Gedichten in den Nach-dichtungen von Franz Fiihmann und Heinz Kahlau heraus, aber dochblieb dieser Bandao ohne nennenswerte Wirkung. Klein hebt in seinersonst sehr schtinen Studie die groBe Wirkung hervor, die das dramati-sche Gedicht Die Tlagtidie des Menschen von Imre Mad6ch (1823-1864)

auf deutschen Biihnen gemacht hiitte,ar aber auch dieser Erfolg ist sehrrelativ, denn die Aufflihrungen, die zahlenmiiBig sowieso nicht be-tr5chtlich sind, bedeuten noch keine Auswirkung auf den Lauf derWeltliteratur. Das Thema Ungarn und di.e ungarische Dichtung in dendeutschsprachigen Liindern erschdpft sich in zrvei Bereichen: 1. Ungarnund ungarische Geschichte als Stoff in deutschsprachigen literarischenWerken, 2. Die Aufnahme der ungarischen Literatur in den deutsch-sprachigen Ldndern.

a. a. O. Sp. 560.Ady, Endre: Gedfuhte. Ausgew. u. eingel. v. L6szl6 B6ka. Nachdichtungenvon Franz Ftihmann und Heinz Kahlau. - Budapest: Corvina; Berlin (DDR):Volk und Welt 1965, 126 S. DerBand wurde mehrmals erweitert und neu-aufgelegt.a. a. O. Sp. 562-563.

2.1 [Jngarn als Stoffquelle d'eutscher Dichtungaz

Bei der Darstellung dieses Themas ziihlt Klein alle wichtigenEpochen und Stoffe auf: von derm Nibelungenlicd angefangen tiber die

deutschen Siinger (Heinrich von Mi.igeln, Michael Beheim, Heinrich derTeichner, Oswald von Wolkenstein) des 14. und 15. Jahrhunderts, die

sich am ungarischen Kiinigshof aufhielten, iiber den Widerhall derVer-teidigungskriege Ungarns gegen das osmanische Reich im 16. und 17.

Jahrhundertna bis zu den aufgekl?irten Wissenschaftlern (Matthias 86l,David Czwittinger /1 675- 17 43 l, P eter Bod I L7 12-17 69/, Michael Rotari-des /?-1747/) des 18. Jahrhunderts, die mit ihren grtiBtenteils lateinischgeschriebenen Werken Kenntnisse iiber Ungarn verbreiteten. In der Li-teratur des 19. Jahrhunderts weist Klein aufTheodor Kdrnets Zriny,Grillparzers Ein treuer Diener seines Herrn, Kotzebues Kdnig Stefan,

auf die Dramen und Heldenepen von Ladislaus Pyrker hin, sowie aufdie Zigeunerromatik und die literarische Entdeckung der UngarischenTiefebene in den Werken der aus Ungarn stammenden deutschsprachi-gen Dichter Nikolaus Lenau und Karl Beck. Er sieht, wie frtiher allge-

mein angenommen wurde, den wirksamsten Hiihepunkt dieser roman-tisch verkliirten Ungarndarstellung in der iisterreichisch-ungarischenOperette um die Wende des 19. und des 20. Jahrhunderts. Erst vorkurzem lenkten die Forschungen von Moritz Csrikyaa die Aufmerksam-

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Diesen Untertitel verwendet auch Karl Kurt Klein, a. a. O. Sp. 553.

Einige wichtige Veriiffentlichungen zu ungarischen Stoffen in der deutschenLiteratur des 16. und 17. Jahrhunderts: Kertbeny, Kdroly: A rnagyar irod.a-

Iorn a uildgirodalomban lDie ungarische Literatur in der Weltliteratur'lBi'bliographie und Lexikon der Ubersetzer und Herausgeber.l - Budapest1876, t8l, 75 S.; Bleyer, Jakab: A tnagyar uonatkozdsti ndmet tdrtittcti nip6-neheh 1551-ig. Doktori 6rtekez6s fDeutsche historische Gesiin'ge mit ungari'schen Bezilgen bis 1551. Dissertationl. Sonderdruck aus der Zeitschifl Egye'ternes Philologiai Kdzldny. Budapest 1897,77 S.; Leffler, B6la: Magyar vo'natkozdsri ndmet ndpdnekek L556-1697 [Deutsche historische Gestinge mitungarischen Bezi.igen 1556-16971. - Budapest: Athenaeum 1910, 92 S., auchin der Zeitschrift Szd.zadok, Jg. 1911; TYostler, Josef: Ungarischc Stoffe inder deutschen Literatur des 17. Jahrhunderfs. - In: Ungarische Rundschau,Jg.4,H. 1, (1915), S. 157-179.

3940

44 Csdky, Moritz: Ideologie der Operette und Wiener Modern'e. Ein hulturhisto'rischer Essay zur iisterreichischen ldentitd't. - Wien, Kiiln, Weimar: Biihlau1996, 328 s.

4l35

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keit auf die ideologische Widerspriichlichkeit dieser Gattung und aufihren Zusammenhang mit der Literatur der Moderne.

Die wissenschaft,lichen Forschungen, die Ungarn als Stoffquelledeutscher Dichtung untersuchten,4s sind meistens vor Kleins Studie er-schienen. Nach dem Tod von J6zsefTur6czi-Trostler (1888-1962) wurdeauf diesem Gebiet verhiiltnismd.Big wenig geleistet. Istvrin FriedacbefaBte sich mit Franz Kafkas und Adalbert Stifters Beziehungen zuUngarn sowie mit Johann Nepomuk Vogls Gedichten iiber die Ungarn,Arp6d BerczikaT mit Enst Moritz Arndts Bericht riber seine Ungarnreise.Lajos N6medi gab in seiner Zur Entstehung des romantischen (Jngarn-bildes in d,er deutschen Dichtungas betitelten, umfassenden Studie einentiberblick iiber die Ungarnkenntnisse und -darstellungen der Deut-schen von der Aufldiirung bis Theodor Fontane. Antal M6dl ging demEinfluB von Thomas Manns Ungarnbesuchen auf den Dohtor Faustusasnach. In der letzten Zeit ist dieses Thema im Zeiehen der Imagologiewieder aktuell geworden: Andr6s F. Balogh schrieb iiber das Ungarnbildder siebenbtirgisch-stichsischen Literatur,so G6bor Kerekes tiber dassel-

45 Z. B. Heinrich, Guszt6v: Magyar elemeh a ndmet hijlteszeilben [UngarischeStoffe in der deutschen Dichtungl. - Budapest: Franklin 1909, 60 S. (= Olcs6Kdnyvtrir 1513-1514); Trostler, J6zsef: Magyar elemeh a XVII. szdzad n6metirodalmdban / Erasmus Francisci / [Ungarische Stoffe in der deutschen Li-teratur des 17. Jahrhundertsl. - In: A Temesud,ri Allarni F6gimruiziutn 1g1S-1916. iui Ertusit1je Uahresbericht des Temesvarer Staatl. Obergymnasiumsfrir das Jahr l-915-19161. Temesv6r 1916, S. 3-22, dort auch weitere Litera-tur; Dukony, M6na: Az Alf(ild a ndntet irodalornban lDie Ungarische Tief-ebene in der deutschen Literaturl - L937 (= Minerva-Konyvtdr 109);Horv6th, Magda: A tcjrrih ueszedelent a ndmet hijzudlemdnyben lUngarns Trir-kengefahr in der deutschen dffentlichen Meinung des 16. Jahrhundertsl. -1938 (= Minerva-KbnlwtAr 1L2)

46 Fried, lstv6n: Franz Kafha und die Ungarn. - In: Arbeiten zur deutschen phi-lologie, Bd. 6, (1972), S. 123-129; Adalbert Stifters Beziehungen zu (Jngarn. -Ebenda Bd. 7, (1973), S.5l-59;An der Wiege der PuBtaromantik. Die Gedichteuon J. N. Vogl ilber die Ungarn. - Ebenda, Bd. 15, (1981), S. 51-20.

47 Berczlk, Arpid: Ernst Moritz Arndts tlngarnbild - In: Arbeiten zur deut-schen Philologie, Debrecen, Bd. 14, (1980), S. 33-44.

48 N6medi, Lajos: Zur Entstehung des romantischen Ungarnbildes in d.er deut-schcn Dichtung. -Irr: Arbeiten zur dcutschen Philologie, Debrecen, Bd. lb,(1981), S. 35-50.

49 MAdI, Antal: Zwei donauld,nd,ische Kapitel in Thomas Manns ,,DohtorFaustus". - In:, Lenau-Forurn, Jg.3, H. 3-4, (1971), S. 82-46.

50 Balogh, F. Andr6s: Az erddlyi szdsz irodalom magyarsdghd.pe [Das Ungarn-bild der siebenbiirgisch-siichsischen Literaturl. - Budapest: Littera Nova1996, 172 S.

be in der dsterreichischen Literatur 1890-194551 und L6szl6 Tarn6i iiberdas Ungarnbild der Deutschen um 1800.52

2.2 Die Aufnahme der ungarischen Literatur in dendeut schs p r ac hig e rL Liindern

Aufnahme bedeutet Kenntnisnahme, Ubersetzungen, Kritikenund Rezensionen sowie die Anregungen zu eigenen Werken. Solche

Inspirationen erhielten die deutschsprachigen Schriftsteller aus

Ungarn hiichstens mit thematischem Charakter.s3 Was die Kenntnis-nahme betrifft,, zeig!,en die deutschen Zeitschriften ziemlich lliih In-teresse fiir Ungarns Geschichte, Wirtschaft und Gesellschaft,5a aberdie ungarische Dichtung war am Ausgang des 18. Jahrhunderts au-Berhalb Ungarns so unbekannt, daB sich Herder 1791 zu dem bereitszitierten Spruchss iiber das baldige Aussterben der Ungarn berechtigtftihlte.

Paradoxerweise war der heute auch den ungarischen Lesern fastvtillig unbekannte Dichter Sdndor Kisfaludy mit dem PseudonymHimfy (7772-1844) wahrscheinlich der erste, der den deutschen

Kerekes, G6bor: Das Ungarnbild in dcr iisterreichischen Literatur 1890-1945. Dissertation zur Erlangung der PhD-Doktorwiirde. - Budapest 1997,246 S. Maschinenschrift. Einige Kapitel sind an verschiedenen Orten bereitspublibziert.Tarn6i, Ldszl6: Das Ungarn-Image um 1800 [behandelt: 1. Ungarnbild derDeutschen, 2. Das Ungarnbild der deutschsprachigen Ungarnl. - In: Tarn6i,L6szl6: Parallelen, Kontahte und Kontraste. Die deutsche Lyrih um 1800 undihre Beziehungen zur ungarischen Dichtung in den ersten Jahrzehnten des 79.

Jahrhunderts. - Budapest: ELTE Germanisztikai Int6zet 1998, S. 297-322.Siehe das vorangehende Teilkapitel.Vgl. dazu die diesbeziiglichen Studien: Futaky, Istvdn und Kristin, Schwamm:Die Ungarn betreffenden Beitrtige in den Gdttingischen gelehrten Araeigen1739-1839. - Budapest: Magyar Tudom6nyos Akad6mia Kiinywt6ra 1987, 309S.; Jiigelt, Karl-Heinz: Die Lage der ungarischen Bauern und der ungarischenLandwirtschaft irn Spiegel der ,,,4llgemeinen Literatur-Zeitung" (1785- 1803). -In: Berliner Beitriige zur Hungarologie.Bd.1, (1986), S- 17-33.; Tarn6i,Liszl6:,Der Neue Teutsche Merhur" als Quelle historisch-hungarologischer Untersu-chung en fiir de n Z eitraum 1 802 - 1 80 8. - Ebenda S. 123- 15 1.

Siehe Anm. 27.

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Lesern vorgestellt wurde. Andreas Halitzky (1ZbB-1890, ITgZ-lgZ7Professor ftir die deutsche Sprache und Literatur an der pester Uni-versitiit) wiirdigte den Gedichtband A keserg6 szeretent. (Die klagendeLiebe, Erstausgabe 1801) Anfang 1803 im Neuen Teutschen Merhursdund verOffentlichte eine Strophe aufUngarisch und in der deutschenUbersetzung. 1809 war das Jahr, in dem die ungarische Dichtungbeieinem bedeutenden deutschen Dichter Widerhall fand. Dieser Dichterwar Friedrich Schlegel, der mit dem kaiserlichen Hof vor Napoleonnach Ofen floh und hier bei dem damals jungen Gelehrten Istv6nHorv6t (L784-L846) ungarische Sprachstunden nahm. Sie lasen undtibersetzten auch Gedichte von S6ndor Kisfaludy. Schlegels Aufent-halt in Ungarn ltiste nicht nur bei den jungen Literaten, sondernauch bei Ferenc Kazinczy, der weit von Pest in Sz6phalom (Nordost-Ungarn) lebenden fiihrenden Persijnlichkeit der damaligen ungari-schen Literatur aufgeregtes Interesse aus,57 obwohl sie damals nochgar nicht wuBten, wie die Anschauungen des deutschen Dichters undGelehrten mit ihren eigenen Bestrebungen auf dem Gebiet der Er-neuerung der ungarischen Sprache und Dichtung zusammenfielen. Inseinen Vorlesungen, die Schlegel zwischen dem27. Februar und dem30. April 1812 im Wiener Gasthof ,,Zum rijmischen Kaiser" hielt, unddie 1815 u. d. T. Geschichte der alten und neuen Literatur erschien,maB er dem historischen Bewu8tsein sowie der Sprache und Dich-tung eines Volkes einen hohen Wert und eine die Zukunft bestim-mende Bedeutung bei:

56 Siehe Tarn6i, Ldszl6 op. cit. Anm. 52, S. 148-148.57 Jakob Bleyer veriiffentlichte mehrere Briefe deutscher Dichter und Gelehr-

ten an ungarische Zeitgenossen in: Bleyer, Jakab: Hazdnh d.s a nimet philo_logia, a XIX. szdzad elejd.n. Kiad,atlan leuelek alapjdn [Ungarn und die deut_sche Philologie am Anfang des 19. Jahrhunderts. Aufgrund von unvertiffent-lichten Briefenl. - Budapest: Magyar Tudomdnyos Akad6mia 1910, 100 S. (=lirtekez6sek a nyelv- 6s sz6ptudom6nyok ktir6t61, Bd. 21, H. g.) Die Ver6f-fentlichung enthiilt 7 Briefe von Fr. Schlegel, 6 von J. G. G. Biisching, 1 vonW Grimm, 6 von J. Grimm und l von Fr. H. von der Hagen. Ilona Schmidtstellte in ihrer Dissertatign (A ndrnet romnntika magyar kritikdja [Kritik derdeutschen Romantik in der ungarischen Literaturl. - Budapest 1986, auchin Irodalomtudomrinyi Evkonyv, bzw. Minerva-kdnyvt6r Bd. 108) eine dies-beztigliche Zitatensammlung aus der Korrespondenz von Ferenc Kazinczyzusammen. Kazinczy schrieb z. B. am 2g. Oktober 1g09 an Karl GeorgRumy: ,"Paul Szemere schreibt mir, Schlegel, der iiber die Sprache der Inderschrieb, nehme Lectionen in der ungarischen sprache von Horv6t Istv6n, se-kretiir beim Judex Curiae." S.44.

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Je mehr die vaterlEndischen Erinnerungen und Gefnhlewieder angeregt wurden, je mehr erwachte auch die Liebe zuder Muttersprache. Die dem Gelehrten und dem Gebildetennotwendige Kenntnis der fremden, alten oder noch lebendenSprachen war nicht mehr mit der Vernachldssigung der Mut-tersprache verbunden. [...] Wichtig vor allen Dingen fiir dieganze fernere Entwicklung, ja fiir das ganze geistige Daseineiner Nation erscheint es auf diesem historischen, die Viilkernach ihrem Wert vergleichenden Standpunkte, daB ein VolkgroBe alte National-Erinnerungen hat, welche sich meistensnoch in die dunkeln Zeiten seines ersten Ursprungs verlieren,und welche zu erhalten und zu verherrlichen das vorziiglichsteGeschiift der Dichtkunst ist. Solche National-Erinnerungen,das herrlichste Erbteil, das ein Volk haben kann, sind einVorzug, der durch nichts anders ersetzt werden kann; undwenn ein Volk dadurch, daB es eine groBe Vergangenheit, daB

es solche Erinnerungen aus uralter Vorzeit, daB es mit einemWort eine Poesie hat, sich selbst in seinem eigenen Geftihleerhoben und gleichsam geadelt findet, so wird es eben dadurchauch in unserem Auge und Urteil auf eine hiihere Stufe ge-

stellt.58Da How6t an der Pester Universitiit ein Schiiler von Mik]6s

R6vai, einem Vorkiimpfer der historischen Sprachbetrachtung warund mit Schlegel auch die barocken Epen von Istv6n Gyiingytisi(1629?-1704) las, ist es kein Wunder, da8 die Ungarn und die ungari-sche Literatur in der Geschichte der alten und neuen Literatur einegute Bewertung erhielten:

GewiB ist es, daB die Ungarn in ihrer Stammesprache eine ei-gentiimliche Heldenpoesie auch schon in sehr alten Zeiten beses-

sen haben. Der nEichste Gegenstand derselben war wohl die Ein-wanderung und Eroberung des Landes selbst unter den siebenHeerfiihrern. DaB diese Sagen aus der heidnischen Zeit auchnach Einfiihrung des Christentums nicht ganz verloren gegan-

gen, sieht man aus den Chronikschreibern, die mehrere Liedervon solchem Inhalt bezeugen. Ja es hat sogar ein ungarischerGelehrter, Rev4j [sic!I, eines der Art, welches die Ankunft der

58 Schlegel, Friedrich: Geschichte der alten und neuen Literatur. Hrsg. u.eingel. v. Hans Eichner. - MiiLnchen, Padeborn, Wien: Schdningh 1961, S. 10

u. 15-16. (= Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, Bd. 6)

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Page 5: Vielfalt und Beständigkeit

Magyaren nach Ungarn, zum Gegenstande hat, noch aufgefun-den und der Vergessenheit entzogen.se

Nach dem Hinweis auf die Verwandtschaft zwischen den ungari-schen Sagen iiber Attila und dem Nibelungenlied stellte Schlegel -wahrscheinlich unter dem EinfluB von Martin Schwartners Theorie -den Untergang der ungarischen Sprache unter Matthias Corvinus, ,,derseine Ungarn mit einem Male ganz lateinisch und italidnisch verwan-deln wollte", sowie unter der Tiirkenherrschaft dar. Aber zum SchluBkam er zu einer optimistischen Zukunftserwartung:

Indessen hat sich doch die Neigung zum historischen Helden-gedichte bei den lJngarn auch in den folgendenZeiten erhalten,und im sechzehnten wie im siebzehnten Jahrhundert beriihmteMeister und Werke in der epischen Gattung hervorgebracht, bisendlich auch in der jetzigen Zeit ein gefiihlvoller Dichter, Kisfa-ludy, den Gesang, den er zuerst der Liebe geweiht hatte, deralten Nationalsage zugewandt.oo

Kurz nach dieser Kenntnisnahme der ungarischen Dichtungsetzte auch die Ubersetzungstiitigkeit ein. Karl Kurt Klein verbindetdiese Bestrebung mit der Folge des Josefinismus und der iisterreichi-schen Staatsidee:

Im lGeis um HORMAYR pflegte man das gesamtdsterreichischeStaatsgefuhl auch in der Dichtung. Man bezog natiirlich auchUngarn mit ein. [...] Dem guten Kaiser Franz wird in einer Apo-theose gehuldigt: ,,Dankbar beschwijren wir aufs neue Die alteungarische Treue." Ungarische Magnaten verijffentlichen in dt.Sprache die volkstiimlichen Uberlieferungen ihres Volkes: GrafJohann naatlAtH (1855), durch die Verriffentlichung des KalocsaerKodex und als Herausgeber der'Iris'im dt. Geistesleben bekann-ter als im ung., Miirehen, Sagen und Gedichte; Baron Alois MED-NYANSZKY (1844), in Hormaps vaterliindisch-romantischer IJm-gebung beheimatet, 'Erziihlungen, Sagen und Legenden ausUngarns Vorzeit'; der PreBburger Kleinadelige und lit. BeraterKisfaludys Georg v. GeAr, der Reihe nach 'Theater der Madjaren'(1820),'Mdrchen der Madjaren' (1822), 'Sagen und Novellen derMadjaren'(1834).61

DaB das gegenseitige Kennenlernen der einzelnen Vtilker innerhalb

a. a. O. S. 236.a. a. O. S. 237.a. a. O. Sp. 557.

des Vielvijlkerstaates der Habsburgermonarchie eine von dem kaiserli-chen Hof begtinstigte Angelegenheit war, ist anzunehmen,62 aber beidieser regen Vermittlungstetigkeit spielte auch Herders Prophezei-hung, bzw. die Absicht, durch das Aufzeigen unserer Kulturgoter derWelt unsere Existenz zu beweisen, eine mindestens so groBe Rolle. Inden zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts sind in kurzem Abstandauch zwei umfangreiche deutschsprachige Anthologien ungarischerDichtung erschienen: Magyarisclrc Gedichte in der Ubersetzung vonJohann Graf Mail6th (Tiibingen: Cotta 1825) und das zweibAndigeHandbuch der ungarischen Poesie oder Auswahl interessanter, chronolo-gisch geordneter Stilche aus den uortrffiichsten ungarischen Dichtern inder Zusamenstellung von Franz (Ferenc) Toldy (mit dem urspriinglichenNamen Schedel 1805-1875) gleichzeitig in Pest (Verlag Kilian) und WienCVerlag Gerold) im Jahre 1828. Dieses Handbuch von Toldy las auchJohann Wolfgang Goethe. Uber Goethes diesbeziigliche Tagebuchauf-zeichnungen und iiberhaupt iber die Anftinge der deutschsprachigenRezeption ungarischer Dichtung in Deutschland berichtete J6zsefTur6czi-Trostler ausfthrlich in seiner Studie Pet6fis Eintritt in dieWelt-literatur.Bs Neuerdings befaBte sich mit diesem Thema Norbert Lossauund er fiigte seiner Studie auch eine ausfiihrliche Bibliographie bei.6a

Von den vierziger Jahren an wurden auch die Romane von Mikl6sJ6sika (1794-1865), J6zsef Edtvcis, M6r J6kai (1825-1904) und I{rilm6n

Gydrgy Mih6ly Vajda schreibt in seiner wichtigen Studie dariiber Folgendes:

,sartoris Werk [Historisch-ethnographische t]bersicht der wissenschaftli-chen Cultur, Geistesthdtigkeit und Literatur des dsterreichischen Kaiser-thurns nach seinen mannigfaltigen Sprachen und d.eren Bildungsstufen.Wien 18301 stand selbstverstiindlich im Dienste aktueller politischer Ziel-setzungen, der der Gesamtmonarchie, die Kaiser Franz I. mit paternalisti-schen Methoden zu verwirklichen versuchte. Seine Bestrebung fand eineideologische Unterstiitzung in Josef von Hormayrs'patriotischer Romantik',zu deren Fiirderer auch Sartori gehitrte." - Vajda, Gydrgy Mih6ly: Anstitzeder uergleichenden Literaturgeschichte in der einstigen Donaumonarchie. -In: Lauter Einzelfiille. Behanntes und. Unbehanntes zur neueren iisterreichi-schen Literatur. Hrsg. v. Karlheinz F. Auckenthaler. - Bern, Berlin u. a.:

Peter Lang 1995, S. 87.Vgl. Anm.3.Lossau, Norbert: Die Anfiinge der ilbersetzerischen Vermittlung ungarischerLiteratur im deutschen Sprachraum. -In: Weltliteratur in deutschen Versan-thologi.en des 19. Jahrhunderts. Hrsg. v. Helga EBmann u. Udo Schiining. -Berlin: Erich Schmidt 1996, S. 122-150, Bibliogr. S. 147-150. (= GiittingerBeitrtige zur Internationalen Ubersetzungsforschung, Bd. 11.)

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40 4L

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IMiksz6th (1847-1910) kttze Zeit nach ihrem Erscheinen ins Deutscheiibersetzt. Die Vermittler waren Ungarndeutsche wie Gustav Steinak-ker (1809-1877), Adolf Dux (1822-1881), Karl Maria Kertbeny (L824-

1882), Max Falk (1828-1908) u. a. m.65

Eine Bltitezeit der deutschen Rezeption erlebte die ungarische Li-teratur um die Wende des 19. und des 20. Jahrhunderts: Der Leipzi-ger Reclam Verlag nahm in die Uniuersal-Bibliothek eine Reihe unga-rischer Romane und Erziihlungen auf,66 und die Romane von M6rJ6kai geno8en auch bei breiten Publikumsschichten eine groBe Be-liebtheit. Auf eine besondere Wirkung J6kais im deutschen Sprach-raum wies vor kurzem Ldszl6 Sziir6nyi6T hin, der philologisch belegt,daB Theodor Herzl J6kai und seine Werke gekannt hat und in seinerTheorie iiber den Judenstaat und seinem Roman Altneuland dieSpuren von J6kais Roman des kornmenden Jahrhunderts zu entdek-ken sind. Ungarische Gedichte wurden auch in Versanthologien derWeltliteratur veriiffentlicht,6s und die damals neuen ungarischenDichter, die sich um die Zeitschrift Nyugat gruppierten, erschienenbereits sehr friih in deutschen Zeitschriften wie Pan6e oder Der Ruf.70Der Zeitungsredakteur J6zsef V6szi (1858-1940) gab 1906-1911 in

65 Siehe Anm. 30.66 Es gibt einige zertsreute Bibliographien der deutschen tJbersetzungen un-

garischer Literatur, wie z. B. in Bibliographie Hungariae. tBd.l 3, Philolo-gica. Periodica. Verzeichnis der 1861-1921 erschienenen, Ungarn betreffen-den Schriften in nichtungarischer Sprache. Zusammengestellt vom Ungari-schen Institut an der Universitiit Berlin. - Berlin, Leipzig: Walter deGruyter 1928, Sp. 752-791, und Hofmann , L{szl6: Schrifttum i)ber Ungarn.

- ln: Ungarn. Dg.s Antlitz einer Nation. Hrsg. v. Zolt{nBaranyai. - Buda-pest: Ungarische Universitiitsdruckerei 1940, S. 821-838, die Ubersetzun-gen S. 828-834.

6? Szdr6nyi, L6szl6: Herzl is J6kai [Herz] und J6kail. - In: Uj Holnap, Miskolc,Jg. 42, (November 1997), S. 19-27 und in: 100 6ues a cionista mozgalom 1700Jahre zionistische Bewegung. Hrsg. v. Gyula B6dog.l - (Budapest): BethlenT6ri Oneg S6bb6t Klub (1998), S. 113-121.

68 Vgl. dazu: Schlosser, Christine: Zwischen ,PuBta-Romantik" und Moderne.Zur Rezeption ungarischer Versdichtung in deutschsprachigen multilatera-Ien Anthologien / 1848-1915 / . - In: Weltliteratur in deutschpn Versantholo-giez. Siehe Anm. 64 S. 311-334.

69 Ady, Erdto. Weil du mich llebsr. [Gedicht] iibers. v. Heinrich Horv6t. - In:Pan, Jg.1 (1910/11) S. 129.

70 Ady, Endre: Dos schwarze Klauier. [In der Nachdichtung von HeinrichHorv6tl. Jg. 1, H. 5 (1912J13) S. 47.

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Berlin unter dem Tfiel Jung-Ungarn eine Zeitschrift heraus, in derauch zahlreiche Gedichtiibertragungen erschienen sind. HeinrichHorv6t konnte 1918 beim Miinchener Georg Miiller Verlag einenganzen Band Nachdichtungen Neue ungarische Lyrik herausbringen.1921 ist auch die erste deutschsprachige Auswahl aus den Gedichtenvon Endre Ady erschienen, und ihr folgten in den zwanziger Jahrennoch zwei weitere.Tl 1922 wurde der ungarischen Dichtung die Ehrezuteil, daB sie neben der hebriiischen, franziisischen, italienischenund russischen Dichtung als einzige der kleinen Literaturen eineAufnahme in die repriisentatvive Serie Bibliotheca Mundi des Insel-Verlages fand; den Band,?z der die Texte in Originalsprache brachte,hatte Robert Gragger redigiert. Die Aufnahme der ungarischen Lite-ratur in Deutschland wiihrend der Kriegsjahre und in der Zeit derWeimarer Republik bearbeitete Mikl6s Saly6mosy.73 Im Mittelpunktseiner lJntersuchung stand die iibersetzerische Tiitigkeit von StefanIsidor Klein (1889-1960), der die Romane von Mih6ly Babits (Der

Storchkalif, L920; Der Sohn des Virgilius Tim,d.r t923; Das Karten'haus, L926) und Dezs6 Kosztol6nyi (1885-1936, Der blutige Dichter,1924; Lerche, 1924; Anna rtdes, 1929) ins Deutsche iibersetzte.

Nach dem Zweiten Weltkriegund der Spaltung Deutschlands in zweiStaaten verlief auch die Rezeption der ungarischen Literatur auf zweigetrennten Wegen. Wiihrend die Kulturpolitik der DDR, 2ihnlich wieauch die ungarische, bestrebt war, das sogenannte kulturelle Erbe, d. h.jene literarische Tradition, die der marxistischen Geschichtsauffassungentsprach, den breiten Beviilkerungsschichten (hier spielte der stiindigePapiermangel eine einschrdnkende Rolle) vorzustellen, und zahlreiche

7 1 Ady, Andreas: Auf neuen Gewiissern. Eine Auswahl. Die Ubersetzung besorg-tenZolt{n Frany6 und Heinrich Gerhold [Nachwort von Ludwig Hatvany]. -Leipzig, Wien, Ztirich: TaI 1921, 169, 7 S. - Ady, Andreas: Von der E, zumOzean. IJbeftt v. Hugo Matzner. - Wien, Leipzig: Perles l-925, 62 S. - Ady,Andreas: Auf dem Flamrnenwagen der Lieder. Eine Auslese. Ins Deutschei.ibertr. v. Albert Het6nyi-Heidelberg. Budapest: Pollak 1926, 124 S.

72 Anthologia Hungarica [Hrsg. von Robert Graggerl. - Leipzig: Insel 1923, 323S. (= Bibliotheca Mundi)

73 Salydmosy, Mikl6s: Magyar irodalom Ndmetorszd.gban 1913-1933 [Ungari-sche Literatur in Deutschland 1913-19331. - Budapest: Akad6miai 1973, 183

S. (= Modern Filol6giai Fiizetek 17). Ein Teil dieser Arbeit ist auch aufDeutsch erschienen: Ungarische Literatur in der ,,Frankfurter Zeitung" zurZeit der Weimarer Republik -ln: Studien zur Geschichte dcr deutsch-ungari-schen literarisehcn Bezizhungen. Siehe Anm. 2, S. 397-418.

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Klassikerausgaben7a frnanzierte, wurden in der Bundesrepublik einer-seits leichtere Lekttiren, Romane von Zsolt Hars6nyi (1887-1943), G6borYaszary (1897-1985), Ldszl6 Passuth (1900-1979) und andererseitsRomane und Essays von Gegenwartsautoren herausgegeben, die in Op-position gegen den existierenden Sozialismus standen wie fibor D6ry(7894-1977), L6szl6 N6meth (1901-1975), Mikl6s M6sztily (geb. 1921)oder Gydrg"y Konr6d (geb. 1933). Eine Ausnahme war die SchriftstellerinMagda Szab6 (geb. 1917), deren Romane sowohl in Ungarn wie auch inder Bundesrepublik in den sechziger und siebziger Jahren groBe Publi-kumserfolge erzielten. Die in Heidelberg tiitige ungarische GermanistinKatalin Frank-Schneider hat in ihren ArbeitenTs die Aufnahme der un-garischen Literatur in der Bundesrepublik Deutschland bis 1980 aus-ftihrlich dargestellt. Eine rihnliche Arbeit riber die Rezeption in der DDRwurde leider noch nicht durchgefiihrt, obwohl sie in vieler Hinsicht auf-schluBreich sein kiinnte. Die im Vergleich mit der DDR wesentlich locke-rere Atmosphdre Ungarns zog auch solche bedeutenden Dichter an wieFranz Fiihmann, der mehrmals l2ingere Zeit in Ungarn verbrachte (einErgebnis dieser Aufbnthalte war sein 1973 erschienenes Buch Zweiund,-zwanzig Tage oder die Hrilfte des Lebens) und zahlreiche Gedichte sowieauch das romantische Miirchenspiel Csongor und. Tiinde von Mih6ly V6-rdsmarty deutsch nachdichtete. Eine besondere Leistung Fi.ihmannswar der schiine Band in der Leipziger Insel-Biicherei, der eine Auswahlaus den Gedichten der hervorragenden Dichterin und UbersetzerinAgnes Nemes Nagy (1922-1ggD76 enthtilt. Im Laufe der Jahre bildetesich eine ganze Gruppe (neben Fiihmann und Stefan Hermlin auchGiinter Kunert, Peter Hacks, Heinz Kahlau, Giinther Deicke, MartinReman6 u. a. m.) heraus, die in Zusammenarbeit mit ungarischen Kolle-gen und dem in Berlin unermiidlich tiitigen Hungarologen Paul K6rp6ti(geb. 1933) nicht nur Gedichtbiinde einzelner Dichter wie Pet6fi, Ady,

Romane von M6r J6kai, K6lm6n Miksz6th, Gedichte von Sdndor Pet6fi,Endre Ady, Attila J6zsef, Mikl6s Radn6ti u. a. m.Frank, Katalin: Die Aufnahme der ungarischen Literatur in der BRD 1g4S-1970. - Budapest: Lehrstuhl ftir deutsche Sprache und Literatur derLor6nd-Eotvds-Universitlit 1977,187 S. (= Budapester Beitrrige zur Germa-nistik 2); Frank-Schneider, Katalin: A magyar irodalom fogadtatasa aNdmet Sz6uetsdgi Kdztdrsasdgbon [Die Aufnahme der ungarischen Literaturin der Bundesrepublik Deutschland 1945-19801 - Budapest: o. Verl. 1985,196 S. dt. Resum6 S. 191-194. (= Studia Philologica Moderna vol. 2)Nemes Nagy, Agnes: Dennoch schauen. Gedichte. Nachgedichtet v. FranzFiihmann. Leipzig: Insel 1986, 97 S. (= Insel-Biicherei 1068).

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Attila J6zsef herausgaben,T? sondern auch umfangreiche Anthologienungarischer Lyrik.78

In den sechziger und siebziger Jahren erwachte auch in Oster-reich das Interesse fiir die ungarische Literatur. Die Zeitschrift, Lite-ratur und Kritih, aber auch andere Kulturmagazine wie die nieder-dsterreichische Vierteljahrsschrift Podium brachten immer wiederGedichte und Erzdhlungen ungarischer Autoren. Der 1956 aus Buda-pest nach Wien geflohene Gyiirgy Sebesty6n (1930-1990) schuf eineausgezeichnete Ubersetzung von Gyula Krridys (1878-1933) RotePosthutsche,Te einem der besten unqarischen Romane vom Beginn des

20. Jahrhunderts. Barbara Frischmuth und Robert Stauffer iibersetz-ten ftir den Frankfurter Suhrkamp Verlag ein Bdndchenso aus denGedichten von Sendor Wedres (1913-1989), der einer der grd8tenSprachkiinstler der ungarischen Literatur war und 1975 auch denOsterreichischen Staatspreis fiir EuropAische Literatur erhielt. DieInternationale Lenau-Gesellschaft verijffentlichte in Nachdichtungentjsterreichischer Dichter zwei bibliophil ausgestattete Hefte mit Ge-

77 Z. B.:, Pet6fr, Srindor: Gedichte. Ubertragen v. Martin Reman6. - Budapest:Corvina 1970, 319 S. Ady siehe Anm. 36; J6zsef, Attila: Gedichte. Auswahl.Nachdichtungen v. Annemarie Bostroem, Giinther Deicke, G6za EngI, u. a. -3., verm. Aufl. - Budapest: Corvina 1978, 210 S.

78 Ungarische Dichtung aus fiinf Jahrhunderten. 'Hrsg. v. Stefan Hermlin u.Gydrry Mih6ly Vajda. Nachdichtungen v. Annemarie Bostroem, GrintherDeicke, Franz Ftihmann u. a. m. - Budapest: Corvina; Berlin, Weimar: Aufbau1970,346 S.; Moderne Lyrik aus Ungarn Hrsg. v. Paul I(irpdti. Nachdichtun-gen v. Martin Bischoff, Annemarie Bostroem, Uwe Gre8mann u. a. m. -Leipzig: Reclarn 1982,217 S. (= Reclams Universal-Bibliothek 970); Ungari-sche Lyrih des zwanzigsten Jahrhunderfs. Hrsg. vom Verband UngarischerSchriftsteller in Zusammenarbeit mit Paul K5rp6ti. Aus dem Ungarischennachgedichtet v. Martin Bischoff, Annemarie Bostroem, Grinther Deickeu.a.m. - Berlin, Weimar: Aufbau 1987, 366 S.; Der Tod des Snobismus. Unga-rische Essays. Hrsg. v. Csaba Sik. Aus dem Ungarischen von Martin Bischoff,Stefan Haidekker, Paul l(4rp6ti u. a. m. - Berlin: Volk und WeIt 1980, 350 S.;

,,Nyugat" und seinKreis 1908-1941. Anhang:,,Magyar Csillag" 1942-1944. lAn-thologie.l Hrsg. v. Aranka Ugrin u. Iillm6n Vargha. Ubertragung von MartinBischoff, Jiirg Buschmann u. a. m. - Leipzig: Reclam 1989,479 S. (= ReclamsUniversal-Bibliothek 1 290).

79 Knidy, Gyula: Die rote Postkutsche. Herbstliche Reise in d.er roten Posthut-scDe. Ubers. v. Gyiirry Sebesty6n. - Wien, Hamburg: Zsolnay 1966, 459 S.

80 Weiires, S6ndor: der uon ungern. Gedichte. Aus dem Ungarischen iibersetztvon Barbara Frischmuth und Robert Stauffer. - Frankfurt a. M.: Suhrkamp1969, 103 S.

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dichten von S6ndor Pet6fi.81 Der Salzburger Otto Mtiller Verlag gabzwei Biinde Gegenwartslyriks2 heraus, der zweite enthielt Gedichtevon ungarischen Dichtern aus Siebenbtirgen. Der Residenz Verlagentdeckte noch Anfang der achtziger Jahre ftir das deutschsprachigePublikum den damals jungen experimentellen Erzdhler P6ter Ester-h6zy83 (geb. 1950), der seitdem auch in Deutschlandsa mehrereErfolge hatte.

Im letzten Jahrzehnt erlebte die ungarische Prosa in Deutschlandeine besondere Beliebtheit. P6ter N6das (geb. 1942) wurde ziemlichfriih entdeckt, sein auf Ungarisch 7977 erschienenes Wetk Ende einesFarnilienrornans konnte bereits zwei Jahre spiiter auch auf Deutschssgelesen werden, sein zweiter, umfangreicher Roman Buch der Erinne-rungen (1986) wurde 1991 in deutscher Ubersetzungso verOffentlichtund stand mehrere Wochen lang auf der Liste der meistgekauftenBiicher. Nridas gehiirt nicht zu den Vielschreibern, vielleicht sind seineBiicher eben deshalb besondere kiinstlerische Leistungen, die auch

8l SdndorPetSfi zum 150. Geburtstag. Nachdichtungen. Hrsg. v. der Internatio-nalen Lenau-Gesellschaft. Wien 1972-1973, 41 u. 42 S.

82 Neue ungarische Lyrik ausgewiihlt uon Gerhard Fritsch. Vorwort vonGydrgy R6nay. Nachdichtungen von Barbara Frischmuth, Franz Ftihmann,Gerhard Fritsch u. a. m. - Salzburg: Otto MUller ISTL; Neue siebenbiir-gisch-ungarische Lyrik ausgewiihlt uon Istud,n Szdpfalusi. Vorwort vonAndr6s Siit6. Nachdichtungen von 6va und Roman Czjzek, Jeannie Ebner,Eva Haldimann u. a. m. - Salzburg: Otto Miiller 1974.

83 Die letzten erschienenen Titel sind: Esterhdzy, P6tet: Das Buch Hrabals.Ubers. v. Zsuzsanna Gahse. 1991, Lg4 S.; Donauabwiirts. Roman. Aus demUngarischen von Hans Skirecki. 1992; Eine Fral. Aus dem Ungarischen vonZsuzsanna Gahse. 1996,1"92 S.Beim Fischer Taschenbuch Verlag sind von Esterh6zy folgende Titel erschie-nen'. Die Hilfsuerben des Herzens (Bd. 9I7I),Wer haftet fiir die Sicherheit derLad.y? (B,d.. 9231), Kleine ungarische Pornographie (Bd. 10563), Das BuchHrabals (Bd. 11603), Donauabwd.rts (Bd. 12.299), EineFrau(Bd. 13715).Nddas, P6ter'. Ende eines Farnilienrotnans. Ubers. v. Hans-Hennig Paetzke.- Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1979, 204 S.N6das, Pdte;i Buch der Erinnerung. Roman. Deutsch v. Hildegard Grosche.

- Berlin: Rowohlt l99I; Von der himmlischen und d.er irdischen Liebe.Deutsch von Magda Berg und Dirk Wiilfer. - Ebenda, 1993, 208 S.; Der Le-bensliiufer. Ein Jahrbuc h Neunzehnhundert sieb enundac htzig. Deutsch vonHildegard Grosche. - Ebenda 1995, 400 S; Liebe. Eine Erziihlung, Deutschvon Christina Viragh. - Ebenda 1996, 128 S; Minotaurus. Erziihlungen.Deutsch von Hildegard Grosche, Agrres Relle, Christian Polzin u. a. m. -ebenda 1997, 304 S.

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beim deutschen Publikum beliebt sind. Neben ihm ist aber noch minde-

stens ein halbes Dutzend ungarischer Schriftsteller aufdem deutschen

Buchmarkt zu finden: M6sztily,87 Konr6d88 und Esterh6zy werden wei-

terhin iibersetzt, und neuerdings finden auch Istv6n Eiirsi (geb. 1931),

Imre Kert6sz (geb. 1929),8e L6szl6 Krasznahorkai (geb. 1954),e0 L6szl6F. Fiild6nyi,et iaszlO Garaczi(geb. 1956),e2 Ldszl6 Darvasi (geb. 1962)eB

M6szdly, Mikl6s: Gefliigelte Pferde. Geschichten aus Mitteleuropa. Aus demUngarischen von Hans Skirecki, Hildegard Grosche, Eva Haldimann. -Mtinchen: Carl Hanser 1991, 296 S.; Farnilienfluf' Mit einem Nachwort vonP6ter N6das. Aus dem Ungarischen von Hans Skirecki. - Mi.inchen: Babel19S8, r59$.Konrdd, Gyiirry: Antipolitik. Mitteleuropdische Meditationen. Aus dem Un-garischen von Hans-Henning Paetzke. * Frankfurt am Main: Suhrkamp1.985, (edition suhrkamp 1293,224 S.); Geisterfest Roman. Aus dem Unga-rischen von Hans-Ilenning Paetzke. - Ebenda 1.986, 358 S.; Stimmungsbe-richt. Atts dem Ungarischen von Hans-Henning Paetzke. - Ebenda 1988,

3I4 S.; Melind.a und Dragornon. Roman. Aus dem Ungarischen von Hans-Henning Paetzke. - Ebenda 1991, 384 S.; Die Melancholie der Wiederge-

6urt. - Ebenda L992, Heinthehr. Aus dem Ungarischen von Hans-HenningPaetzke, - Ebenda 1995, 70 S.; Id.entitiit und Hysterie Aus dem Ungari-schen von Hans-Henning Paetzke. - Ebenda 1995, 252 S.; Steinuhr.Roman. Aus dem Ungarischen von Hans-Henning Paetzke. - Ebenda 1996,

439 S. Vor den Toren des Reiches. - Ebenda 1997 (es 2015).Kert6sz,Imre: Galeerentogebuch. Deutsch von Kirstin Schwamm. - Berlin:Rowohlt 1993, 320 S.; Kaddisch fiir ein nicht geborenes Kind. - Ebenda 1992,

156 S.; Meine Rede iiber das Jahrhunderf. - Hamburg: Hamburger Edition1995, 24 S. Roman eirtes Schicksallosez. Deutsch von Christina Viragh' -Berlin: Rowohlt 1996, 286 S.: Ich - ein anderer. Deutsch von IIma Rakusa. -Ebenda 1998, 128 S. Kert6sz, Imre; Esterh6zy,Pdter Eine Geschichte. ZweiGeschichten. Aus dem Ungarischen von Kirstin Schwamm und Hans Ski-recki. - Salzburg: Residenz 1994, 80 S.

Krasznahorkai, L6szI6: Melancholie des Widerstands. Aus dem Ungari-schen von Hans Skirecki. - Ziirich: Ammann 1992, 451 S. Der Gefangene

uon Urga. Aus dem Ungarischen von Hans Skirecki. - Zi.irich: Ammann1993, 232 S.

91 Fitld6nyi, F. L6szl6: Melancholie. Aus dem Ungarischen von Nora Tahy undGerd Bergfleth. - Miitrchen: Matthes & Seitz 1988, 372 S.i Abgrund derSeele. Goyas Saturn. Aus dem Ungarischen von Hans Skirecki. - Ebenda1994, 188 S.; Ein Foto aus Berlin. Essays 1997'1994. Aus dem Ungarischenvon'Hans Skirecki. - Ebenda 1996, 308 S.

92 Garaczi,Lilszl6: Plastih. Aus dem Ungarischen von Andrea Seidler. - Gtaz"Droschl 1990,106 S.

93 Darvasi, L{szl6: Das traurigste Orchester der Welt. Erziihlungen. Aus demUngarischen von Agnes Relle. - Berlin: Rowohlt 1995, 250 S.

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viel Aufrnerksamkeit bei den deutschsprachigen Lesern. Die fiihrendenTages- und Wochenzeitungen (Frankfurter Allgemeine Zeitung, NeueZi)rcher Zeitung, Die Zeit u. a. m.) bringen regelmii8ig Rezensionene4i.iber ihre Werke und Interviewses mit ihnen, Eva Haldimann schreibtin der Neuen Ziircher Zeitung von Zeit zu Zeit Berichte auch iiber dieNeuerscheinungeneo in ungarischer Sprache. Diese Priisenz ist sostark, da8 Die Zeit im Dezember L997 zum 200. Geburtstag Heines alsGedenkartikel einen Aufsatz von Istv6n E<irsi brachte;e7 und im selben

94 Z. B. Haldimann, Eva:- EndgilItige Entwi,irfe. Zurn 70. Geburtstag uon Mikl1sMdszdly am 19. Januar. - In:. Neue Ziircher Zeitung, Nr. 15, (19./20. Januar1991) S. 23; - Isenschmid, Andreas: Melancholiker im Paradiesgarten. Derdiesjiihrige Friedenspreistriiger und, sein Roman ,Melinda und Dragoman" Ausdem Ungarischen von Hans-Henning Paetzke. Frankfurt a. M.: Suhrkamp1991, 350 S. - Eine Begegnung in Budapest. -ln: Die Zeit, Nr. 42, (LL. Oktober1991), Literaturbeilage, S. 14-15; - Endler, Adolf: Grinsend, rnit rasselnderKette. Erinnerungen und Bagatell.en des Ungarn Istud,nEorsi. [iiber die Biinde:Eiirsi, Istv6n: Erinnerung an die schiinen alten Zeiten. Aus dem Ungarischenvon Hans Skirecki. - Reinbek: Rowohlt Taschenbuch 1991, 320 S. und E0rsi,Istvdn: Ich fing eine Fliege beirn Minister. Bagatellen. Aus dem Ungarischenvon Zsuzsanna Gahse und Hans Skirecki. - Klagenfurt: Wieser 1991, 169 S.l -In; Die Zeit, Nr. 9, (21. Februar 1992), S. 74; -I{relzen,Fiedeike: Eine Reisein zwei Geschichten Hin- und Hergeschrieben: Irnre Kertdsz und Pd.ter Esterhd-zy untertDegs uon (Jngarn nach dsterreicft. - In: Basler Zeitung. Nr. 35, (10.Februar 1995), S.37.;-Esterhdzy,Peter:DieEinsarnheitdes PdterNddas. EineLobrede. Aus dem Ungarischen von Hans Skirecki. -In: Neue Zi)rcher Zeitung,Nr.77,(I./2. April 1995), S. 69.; Liiffler, Sigrid: DerName der Fremdheit. DerUngar Imre Kertdsz erfindet sich neu - als,Ich- ein and,erer'-ln: Die Zeit,Nt.15, (2. April 1998), S. 65; - Fdld6nyi ,F.Ldsz16:, Itn Labyrinth Farnilie. Der un-garische Romancier Mikl1s Mdsziily. Aus dem Ungarischen v. Akos Doma.liiberM6szoly, M1k16s:Familienflut.l -In:DieZeit,Nr.20, (7. Mai 1998), S.51.

95 Z. B. Ldszl6 Krasznahorkai - schreibender Weltenbwnmler. - In: NeueZilrcher Zeitung, Nr. 37, (15. Februar 1993), S. 23; Din Maulwiirfe komtnenendlich ans Licht. Ein Gespriich mit dem Schrift,steller P6ter Nddas. - !n:Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 90, (19. April 1994) S. B3.

96 Z. B. Haldimann, Eva: Gedffnete Schleusen. (Jngarische Literatur int. Zeichender Pressefreiheit. -ln: Neue Zi.ircher Zeitung, Nr. 281, (2./3. Dezember 1989),S. 65.; Sie schreiben wied.er. Aber wer liest sie? Literarische Neuerscheinungenin Ungarn. -Ebenda Nr. 36, (13./14. Februar 1993) S. $4.;Wertschaffende Kon-tinuitiit. Literarische Neuerscheinungen in Ungarn. - Ebenda Nr. 66, (19./20.Merz 1994), S.69.

97 Eiirsi, Istv6n: Der Ratten Danh. Eine Begegnung mit Heine in Paris. A:usdem Ungarischen von Gregor Mayer. - Inl' Die Zeit, Nr. 5I, (I2. Dezember1997), S. 49-50.

48

Jahr wAhlte die Akademie der Kiinste Berlin-Brandenburg GyiirgyKonr6d zum Presidenten, dessen erstes Jahr in diesem Amt erfolgreichgewesen zu seines scheint.

3. Literaturwis senschaftliche For schungund die ungarische Germanistih

Im Laufe des 19. Jahrhunderts trennten und verselbstiindigten sichdie einzelnen geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Disziplinenwie die Geschichtswissenschaft, die ungarische Sprachwissenschaftund Literaturgeschichte, die Klassische Philologie, die Germanistikund innerhalb der Germanistik die deutsche Sprach- und Literaturwis-senschaft u. a. m. In der Wissenschaftsgeschichte Ungarns bedeutetendie siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts einen gewissen Wendepunkt.Bis dahin waren Dichtung und Wissenschaft, bzw. die einzelnen Wis-senschaftsgebiete vielseitig in der Tiitigkeit einer Person miteinanderverkniip{t: Der Dichter Mih6ly Viiriismarty nahm an der Regelung derungarischen Rechtsschreibung teil und schrieb auch eine ungarischeGrammatik.ee Ferenc Toldy hielt an der Pester Universitdt Anfang dersechziger Jahre zeitweilig auch noch Vorlesungen iiber die deutsche Li-teratur. Von den siebziger Jahren an wurden die Universitdtslehrstiih-le immer mit Wissenschaftlern besetzt, die grtiBtenteils nur eine, gutumrissene Disziplin vertraten. Eine Ausnahme bildete eben die Erfor-schung der deutsch-ungarischen Literaturbeziehungen, denn dieserAufgabe widmeten sich auch weiterhin Vertreter der verschiedenstenWissenschaftszweige: Germanisten, Hungarologen, Historiker undEthnologen.

Die ungarische Germanistik, so widerspruchsvoll ihre Geschichteauch ist, spielte in der Verbreitung der deutschen Kultur in Ungarneine wichtige Rolle und stellt fiir die vergleichende Literaturwissen-

Vgl. Gwalter, Maja E.: Der Blick uon aussen. Gyiirgy Konrdd und dic Berli-ncr Ahademie. -In: Neue Ziircher Zeitung, 12. Juni 1.998.

Viir0smarty, Mih6ly: Kurzgefasste ungarischc Sprachlehre, nebst einerAuswahl deutsch-ungarisch.er Ubungsstilcke. Aus der ungarischen Hand-schrift von M. Vdriismarty. - Pest: C. A. Hartleben 1832, 267 S.

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