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Das Prinzip der Vielseitigkeit im Nach- wuchstraining zählt nach Hoffmann (2008) „wahrscheinlich zu den am häu- figsten erörterten trainingsmethodischen Problemen in Theorie und Praxis“ und stellt gegenwärtig einen zentralen Gegen- stand intensiver Forschungsbemühun- gen dar. Die Vielseitigkeit des sportlichen Trainings wird v. a. im Kontext des kon- zeptionellen und trainingspraktischen Wechselverhältnisses von diversifizieren- den und spezifizierenden Maßnahmen innerhalb des Nachwuchstrainings disku- tiert und besitzt aus trainingsanalytischer Perspektive den Status einer von mehre- ren relevanten Gestaltungsstrategien in- nerhalb eines systematisch aufgebauten Trainingsprozesses. Ausgehend von der Leistungsstruktur der jeweiligen Ziel- sportart umfasst die Diversifizierung des Trainings dabei traditionell neben der weit über den Kanon der eigenen Zielsportart bzw. -disziplin hinausgehenden Übungs- auswahl, -gestaltung und -variation auch den Einsatz geeigneter Ergänzungssport- arten im Rahmen des langfristigen Aus- bildungsprozesses. Spezifizierende Maß- nahmen hingegen fokussieren auf die Ele- mente und unmittelbaren Voraussetzun- gen der Zielsportart. Aus einer allgemei- neren Perspektive zielt das vielseitigkeits- bezogene Erkenntnisinteresse der Exper- tiseforschung zusätzlich auf die Identifi- kation von idealtypischen Konfiguratio- nen aller bewegungsbezogenen Aktivitä- ten, welche die Wahrscheinlichkeit eines langfristigen und nachhaltigen spitzen- sportlichen Erfolgs im Hochleistungsal- ter erhöhen. Die Trainingswissenschaft hat bereits in den 1970er Jahren versucht, das Prob- lem der Vielseitigkeit im Nachwuchstrai- ning mithilfe einer kategorialen Differen- zierung der verschiedenen Trainingsinhal- te in allgemeine, vielseitig-zielgerichtete, spezielle und wettkampfspezifische Aus- führungsformen (Letzelter, 1978, in An- lehnung an Kusnezow, 1974) zu analy- sieren und zusätzlich die Beziehung die- ser Inhalte zueinander über den Zeitver- lauf zu konkretisieren (z. B. Martin, Nico- laus, Ostrowski, & Rost, 1999). Im Ergeb- nis dieser Konkretisierung verschiebt sich das Verhältnis von allgemeinen zu spe- ziellen Inhalten über das Kindes- und Ju- gendalter hinweg kontinuierlich zuguns- ten der speziellen Ausbildungsinhalte und wurde daher zuletzt als „Prinzip der rechtzeitigen und zunehmenden Spezia- lisierung“ (Müller, 1988) ausformuliert. Die so bezeichnete Kopplung der sukzes- siven Spezialisierung an die fortschreiten- de Leistungsentwicklung (Martin, 1991) entspricht jedoch eher einer grundsätz- lichen Orientierung. Insbesondere wur- den weder die Notwendigkeit noch der Zeitpunkt oder das Ausmaß der Speziali- sierung in den Etappen der allgemeinen Grundausbildung sowie des Grundlagen- und Aufbautrainings explizit begründet Lenard Voigt · Ajit Singh · Andreas Hohmann Institut für Sportwissenschaft, Universität Bayreuth, Bayreuth, Deutschland Vielseitigkeit als Ausbildungs- strategie im leistungssport- lichen Nachwuchstraining Die Perspektive erfolgreicher Nachwuchstrainer Sportwiss 2014 DOI 10.1007/s12662-014-0333-0 Eingegangen: 9. August 2012 Angenommen: 2. Mai 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 oder umfassend empirisch belegt. 1 Fer- ner wurde nur abstrakt und allenfalls dif- fus definiert, was „allgemeine“, „vielseitig- zielgerichtete“ und „spezielle“ Trainings- inhalte im Kontext einzelner Sportarten konkret beinhalten. Im Unterschied zu dieser trainings- analytischen Vorgehensweise wählt Cô- té (1999) einen entwicklungspsycholo- gischen Ansatz (Côté, Lidor, & Hack- fort, 2009) und zeigt unter Rückgriff auf die Expertiseforschung in seinem „De- velopmental model of sports participa- tion“ (DMSP) zwei alternative Wege in den Spitzensport auf, die jeweils bewusst an einem der beiden Pole der Frühspe- zialisierung („early specialisation“) einer- seits oder der Vielseitigkeit („early diver- sification“) andererseits ausgerichtet sind. Letzterer Weg ist gekennzeichnet durch eine initiale Phase – meist bis zum 12. Le- bensjahr – des vielfältigen Experimentie- 1 Zur Begründung einer möglichst frühen Spe- zialisierung werden in erster Linie allgemeine Überlegungen, wie zu begrenzten Anpassungs- reserven (z. B. Werchoschanski, 1988), und den Erfordernissen und Restriktionen bestimmter Sportarten (z. B. Höchstleistungsalter, Komple- xität der Wettkampfstruktur und Ausführungs- niveau der sporttechnischen Fertigkeiten) her- angezogen. Hauptbeiträge 1 Sportwissenschaft X · 2014 | Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird, mit Ausnahme der Belegzitate, bei geschlechts- spezifischen Begriffen die maskuline Form ver- wendet. Diese Form versteht sich explizit als geschlechtsneutral. Sämtliche Personenbe- zeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht.

Vielseitigkeit als Ausbildungsstrategie im leistungssportlichen Nachwuchstraining; Diversification in long-term athlete development;

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Page 1: Vielseitigkeit als Ausbildungsstrategie im leistungssportlichen Nachwuchstraining; Diversification in long-term athlete development;

Das Prinzip der Vielseitigkeit im Nach-wuchstraining zählt nach Hoffmann (2008) „wahrscheinlich zu den am häu-figsten erörterten trainingsmethodischen Problemen in Theorie und Praxis“ und stellt gegenwärtig einen zentralen Gegen-stand intensiver Forschungsbemühun-gen dar. Die Vielseitigkeit des sportlichen Trainings wird v. a. im Kontext des kon-zeptionellen und trainingspraktischen Wechselverhältnisses von diversifizieren-den und spezifizierenden Maßnahmen innerhalb des Nachwuchstrainings disku-tiert und besitzt aus trainingsanalytischer Perspektive den Status einer von mehre-ren relevanten Gestaltungsstrategien in-nerhalb eines systematisch aufgebauten Trainingsprozesses. Ausgehend von der Leistungsstruktur der jeweiligen Ziel-sportart umfasst die Diversifizierung des Trainings dabei traditionell neben der weit über den Kanon der eigenen Zielsportart bzw. -disziplin hinausgehenden Übungs-auswahl, -gestaltung und -variation auch den Einsatz geeigneter Ergänzungssport-arten im Rahmen des langfristigen Aus-bildungsprozesses. Spezifizierende Maß-nahmen hingegen fokussieren auf die Ele-mente und unmittelbaren Voraussetzun-gen der Zielsportart. Aus einer allgemei-neren Perspektive zielt das vielseitigkeits-bezogene Erkenntnisinteresse der Exper-tiseforschung zusätzlich auf die Identifi-kation von idealtypischen Konfiguratio-nen aller bewegungsbezogenen Aktivitä-ten, welche die Wahrscheinlichkeit eines langfristigen und nachhaltigen spitzen-

sportlichen Erfolgs im Hochleistungsal-ter erhöhen.

Die Trainingswissenschaft hat bereits in den 1970er Jahren versucht, das Prob-lem der Vielseitigkeit im Nachwuchstrai-ning mithilfe einer kategorialen Differen-zierung der verschiedenen Trainingsinhal-te in allgemeine, vielseitig-zielgerichtete, spezielle und wettkampfspezifische Aus-führungsformen (Letzelter, 1978, in An-lehnung an Kusnezow, 1974) zu analy-sieren und zusätzlich die Beziehung die-ser Inhalte zueinander über den Zeitver-lauf zu konkretisieren (z. B. Martin, Nico-laus, Ostrowski, & Rost, 1999). Im Ergeb-nis dieser Konkretisierung verschiebt sich das Verhältnis von allgemeinen zu spe-ziellen Inhalten über das Kindes- und Ju-gendalter hinweg kontinuierlich zuguns-ten der speziellen Ausbildungsinhalte und wurde daher zuletzt als „Prinzip der rechtzeitigen und zunehmenden Spezia-lisierung“ (Müller, 1988) ausformuliert. Die so bezeichnete Kopplung der sukzes-siven Spezialisierung an die fortschreiten-de Leistungsentwicklung (Martin, 1991) entspricht jedoch eher einer grundsätz-lichen Orientierung. Insbesondere wur-den weder die Notwendigkeit noch der Zeitpunkt oder das Ausmaß der Speziali-sierung in den Etappen der allgemeinen Grundausbildung sowie des Grundlagen- und Aufbautrainings explizit begründet

Lenard Voigt · Ajit Singh · Andreas HohmannInstitut für Sportwissenschaft, Universität Bayreuth, Bayreuth, Deutschland

Vielseitigkeit als Ausbildungs-strategie im leistungssport-lichen Nachwuchstraining

Die Perspektive erfolgreicher Nachwuchstrainer

Sportwiss 2014DOI 10.1007/s12662-014-0333-0Eingegangen: 9. August 2012Angenommen: 2. Mai 2014

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

oder umfassend empirisch belegt.1 Fer-ner wurde nur abstrakt und allenfalls dif-fus definiert, was „allgemeine“, „vielseitig-zielgerichtete“ und „spezielle“ Trainings-inhalte im Kontext einzelner Sportarten konkret beinhalten.

Im Unterschied zu dieser trainings-analytischen Vorgehensweise wählt Cô-té (1999) einen entwicklungspsycholo-gischen Ansatz (Côté, Lidor, & Hack-fort, 2009) und zeigt unter Rückgriff auf die Expertiseforschung in seinem „De-velopmental model of sports participa-tion“ (DMSP) zwei alternative Wege in den Spitzensport auf, die jeweils bewusst an einem der beiden Pole der Frühspe-zialisierung („early specialisation“) einer-seits oder der Vielseitigkeit („early diver-sification“) andererseits ausgerichtet sind. Letzterer Weg ist gekennzeichnet durch eine initiale Phase – meist bis zum 12. Le-bensjahr – des vielfältigen Experimentie-

1 Zur Begründung einer möglichst frühen Spe-zialisierung werden in erster Linie allgemeine Überlegungen, wie zu begrenzten Anpassungs-reserven (z. B. Werchoschanski, 1988), und den Erfordernissen und Restriktionen bestimmter Sportarten (z. B. Höchstleistungsalter, Komple-xität der Wettkampfstruktur und Ausführungs-niveau der sporttechnischen Fertigkeiten) her-angezogen.

Hauptbeiträge

1Sportwissenschaft X · 2014 |

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird, mit Ausnahme der Belegzitate, bei geschlechts-spezifischen Begriffen die maskuline Form ver-wendet. Diese Form versteht sich explizit als geschlechtsneutral. Sämtliche Personenbe-zeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht.

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rens in einer Vielzahl sportlicher Aktivi-täten („sampling“). Für die Frühspezia-lisierung hingegen ist gerade der Wegfall dieser Phase sowie eine unmittelbare und exklusive Fokussierung auf die Zielsport-art charakteristisch, begleitet von einem systematischen und wettkampforientier-ten Training (Strachan, Côté, & Deakin, 2009; Baker, Cobley & Fraser-Thomas, 2009; Wiersma, 2000).

Die Befürworter einer frühen Speziali-sierung berufen sich in erster Linie auf die Forschungen von Ericsson, Krampe, und Tesch-Römer (1993) und deren Theorie der „deliberate practice“ als unabdingbare Voraussetzung für jegliche domänenspe-zifische Expertise. In Ergänzung zu dem empirisch in mehreren Domains nach-gewiesenen Zusammenhang zwischen Übungszeit und Leistungsniveau argu-mentieren Ericsson und Kollegen (1993) auf Basis ihrer Untersuchungen mit Ber-liner Musikern, dass nicht irgendeine be-liebige Form des Übens zu herausragen-den Leistungen führe. Vielmehr sei aus-schließlich ein systematischer, kontinu-ierlich und langfristig angeleiteter Trai-ningsfleiß mit einer streng leistungs-orientierten Zielsetzung und einem do-mänenspezifischen Gesamtumfang von mindesten 10.000 Stunden mit gleich-förmiger Wiederholung für den späte-ren Erfolg maßgeblich.2 Falle diese Form des Übens zusätzlich mit Phasen akzele-rierter motorischer und kognitiver Ent-wicklung (v. a. in der Kindheit) zusam-men, führe eine frühe Spezialisierung zu einer maximalen Ausschöpfung des Ent-wicklungspotenzials und somit zu einem Leistungsvorsprung, der für Späteinstei-ger nur in Ausnahmefällen aufzuholen sei (Ericsson et al., 1993). Im Hinblick auf

2 Flankiert wird diese „Wunderwaffe der Expertiseforschung“ (Lames & Werninger, 2011) von zwei weiteren Prinzipien: Die „10-year rule“ besagt, dass mindestens zehn Jahre harten Trai-nings (i. S. von „deliberate practice“) zur Erlan-gung eines Expertenstatus notwendig seien. Das „power law of practice“ (Newell & Rosen-bloom, 1981) beschreibt das Verhältnis des indi-viduellen Leistungsstandes und der durch Trai-ning erzielbaren Zuwachsraten: Für immer klei-nere Leistungszuwächse müsse immer mehr Trainingszeit investiert werden (vgl. hierzu auch das „Quantitätsgesetz des Trainings“; Letzel-ter, 1978; zuletzt Hohmann, Lames, & Letzel-ter, 2007).

die Besonderheiten des sportlichen Trai-nings wurde die Theorie der „deliberate practice“ allerdings insofern modifiziert, als in Sportarten mit einem vergleichswei-se späten Höchstleistungsalter Spitzen-leistungen auch mit sportartspezifischen Trainingsumfängen von weniger als ins-gesamt 5.000 Stunden erzielt werden können (Côté, Baker & Abernethy, 2007; Ericsson, 2003). Zudem werden mit einer konsequenten Umsetzung dieses Konzep-tes innerhalb des Sports eine Reihe poten-zieller Risiken verbunden. Häufig wird in diesem Zusammenhang bspw. die erhöh-te Wahrscheinlichkeit eines frühzeitigen Beendens der Sportkarriere aufgrund von „sozialer Isolation“ (Fraser-Thomas, Cô-té, & Deakin, 2008), Burnout, Essstörun-gen, gering ausgeprägtem Selbstvertrauen oder mangelnder Selbstständigkeit (Mar-tens, 1993) genannt (vgl. Übersicht von Malina, 2010). Darüber hinaus wird eine frühe Spezialisierung häufig mit den Ge-fahren einer erhöhten Verletzungshäu-figkeit oder einer Beeinträchtigung des Wachstums und der Reifung in Verbin-dung gebracht, wenngleich die Befundla-ge diesbezüglich weiterhin nicht eindeu-tig ist (z. B. Fröhner, 1993; Baxter-Jones & Helms, 1996; aktuelle Übersicht in Matt-son & Richards, 2010).

Die Position eines vielfältigen und sportartübergreifenden Sporttreibens im Kindesalter („diversification“) hingegen beruht in erster Linie auf zwei Kompo-nenten: der aktiven Beteiligung an weite-ren Sportarten neben oder vor einem Ein-stieg in die spätere Hauptsportart („sam-pling“) sowie der Ausübung von „delibe-rate play“ (Côté et al., 2007). Entgegen der Annahme, „deliberate practice“ sei gera-de in frühen Trainingsjahren die über-legene Form des Übens, deuten einige Studien (z. B. Hayman, Sampio, Taylor, Hemmings & Borkoles, 2011; Leite, Ba-ker, & Jaime, 2009; Baker, Côté, & De-akin, 2005) darauf hin, dass eine Früh-spezialisierung keine unabdingbare Vor-aussetzung für spätere Spitzenleistungen darstelle. Vielmehr wird für einige Sport-arten sogar ein negativer Zusammenhang zwischen früher Spezialisierung und spä-terem Leistungsniveau beschrieben (Gül-lich & Emrich, 2012; Moesch, Elbe, Hauge, & Wikman, 2011; Vaeyens, Güllich, Warr, & Phillippaerts, 2009; Güllich, Emrich,

& Prohl, 2004). Befragungen mit Athle-ten unterschiedlicher Erfolgskategorien zeigten, dass international erfolgreiche-re Athleten umfangreiche Erfahrungen in einem breiten Spektrum weiterer Sport-arten neben und außerhalb des Trainings einer einzigen Hauptsportart gesammelt haben, bevor sie ihr Engagement sukzes-sive und zeitlich verzögert auf die späte-re Zielsportart konzentrierten (z. B. Côté, Baker, & Abernethy, 2003). Zur Erklärung dieser beinahe ausschließlich langfristig wirksamen Leistungsvorsprünge wird auf der einen Seite die erhöhte Wahrschein-lichkeit einer bestmöglichen funktionalen Passung zwischen der sportmotorischen Leistungsfähigkeit des Sportlers und den Leistungsanforderungen der Sportart – sowie den damit zusammenhängenden anthropometrischen, motivationalen oder sozialen Voraussetzungen – herangezo-gen (Prinzip des „multiple sampling and functional matching“, vgl. zuletzt Güllich & Emrich, 2012; Vaeyens, Güllich, Warr, & Philippaerts, 2009). Des Weiteren liegt der Idee des Sportartensamplings die Annah-me einer leistungsfördernden Transferier-barkeit von trainingsbedingten Anpas-sungen zugrunde (für Basketball und Ho-ckey vgl. Abernethy, Baker, & Côté, 2005). Allerdings bleiben v. a. die Fragen einer tatsächlichen Generalisierbarkeit von Anpassungen über alle Sportarten hin-weg und der Durchführbarkeit in Sport-arten mit niedrigem Höchstleistungsalter noch unbeantwortet (Baker, 2003). Zu-dem wurde in vielen Studien nur unzu-reichend nach Art und Leistungsniveau des außerhalb der Haupt- oder Zielsport-art liegenden Engagements unterschieden (Hopwood, Baker, MacMahon, & Farrow, 2010). Obwohl mit dem „deliberate play“ ein weiteres Kernelement dieses Entwick-lungspfades bewusst als Gegenentwurf zu den Risiken einer „deliberate practi-ce“ formuliert wurde, lässt das DMSP of-fen, ob dieser spielbetonte Aktivitätstypus auch bei einer sportartspezifischen Aus-führung die gewünschten positiven Effek-te entfalten kann. Unabhängig davon ist die generelle Gleichwertigkeit bzw. Über-legenheit dieses Konzepts empirisch wei-terhin umstritten.

Zwar wurde das Konzept der Vielsei-tigkeit über die inhaltsbezogene Diffe-renzierung hinaus um die Dimensionen

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Hauptbeiträge

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der Wettkampfgestaltung und der frei-zeitsportlichen Aktivitätstypen erweitert. Dessen ungeachtet ist die Zuspitzung der Diskussion auf die beiden inkompa-tiblen Extreme Sportartensampling vs. Frühspezialisierung sowie deren inhalt-liche Bindung an die beiden Aktivitäts-kategorien „deliberate play“ und „deli-berate practice“ in mehrfacher Hinsicht problematisch. Zunächst kann die Be-urteilung und Klassifikation von Maß-nahmen als diversifizierend oder spezi-fizierend meist nur relational zu der be-trachteten Sportart erfolgen. Bezogen auf den Grad der strukturanalytisch begrün-deten Abweichung von den Anforderun-gen der Zielsportart argumentieren bspw. Haugaasen und Jordet (2012): „An athle-te who participates in cross-country-ski-ing during the winter and long distance running in the summer has, from a num-ber of sports point of view, a more diverse approach than one who plays football all year. However, if we take into account the variety of movement within each sport, it would be more logical to argue the oppo-site.“ (S. 195). Zusätzlich weist das Prin-zip der Trainingsspezifizierung eine in-haltliche und eine intensitätsbezogene Facette auf, die in der bisherigen Debat-te zum Thema Vielseitigkeit kaum unter-schieden wurden. Die frühzeitige inhalt-liche Spezifizierung wird häufig mit dem Argument eines umfassenden „Lerntrai-nings“ zum frühen Erwerb aller grund-legenden sportartspezifischen Leistungs-komponenten begründet. Demgegen-über steht die frühzeitige belastungsbezo-gene Trainingsspezifizierung, bspw. über den fortwährenden Einsatz hochinten-siver Trainingsmethoden, im Verdacht, eine wesentliche Ursache für das „Ver-heizen“ von Talenten und von Drop-out im Nachwuchsleistungssport zu sein (z. B. Jayanthi, Pinkham, Dugas, Patrick, & La-Bella, 2012; Wall & Côté, 2007; Maffulli & Pintore, 1990)3. Auch ist die Frage nach der Vielseitigkeit der Trainings- und Ak-

3 Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass nach jetzigem Stand ein angemessen intensives Training nicht zwangsläufig mit negativen ent-wicklungsphysiologischen Konsequenzen ver-bunden ist, sondern auch hier teilweise eine notwendige Voraussetzung darstellt (z. B. Bax-ter-Jones & Mafulli, 2002; Baxter-Jones & Helms, 1996).

tivitätsgestaltung nicht zwangsläufig mit einem frühen oder späten Zeitpunkt des Trainingseinstiegs in den systematischen Ausbildungsprozess in der Zielsportart verknüpft. Vielmehr stellt dieser in ei-nigen Sportarten eine eigenständige Va-riable dar (vgl. „early engagement hypo-thesis“, Ford, Ward, Hodges, & Williams, 2009), deren Gewichtung zudem stark von den damit verbundenen Umfängen abhängt. Ferner wird bei der definitori-schen Koppelung des „deliberate play“ an primär außerorganisatorische (Frei-

zeit-)Settings (z. B. Côté, 1999) die Tat-sache übersehen, dass diese Art der Ak-tivitätsgestaltung durchaus auch im Rah-men eines primär gesteuerten Trainings-prozesses bzw. im Umfeld eines Sport-vereins zum Einsatz kommen kann (z. B. „Heidelberger Ballschule“, Memmert & Roth, 2007, Memmert, Baker, & Bertsch, 2010). Die analytische Trennung in Ak-tivitätstyp, methodisch-inhaltliche Struk-tur, Setting, Umfang und Zeitpunkt des Trainings als eigenständige Dimensionen des Vielseitigkeitsprinzips scheint daher

Zusammenfassung · Abstract

Sportwiss 2014 DOI 10.1007/s12662-014-0333-0© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

L. Voigt · A. Singh · A. Hohmann

Vielseitigkeit als Ausbildungsstrategie im leistungssportlichen Nachwuchstraining. Die Perspektive erfolgreicher Nachwuchstrainer

ZusammenfassungDieser Beitrag stellt einen Ausschnitt aus einer umfassenden Interviewstudie zur Re-konstruktion subjektiver Konzepte zum leis-tungssportlichen Nachwuchstraining dar. Über ein hermeneutisch-rekonstruktives Ver-fahren wurde versucht, die Entscheidungs-mechanismen und Grundannahmen einer vielseitigkeitsbasierten Ausbildungsstrate-gie aus der Perspektive erfolgreicher Nach-wuchstrainer qualitativ nachzuzeichnen. Die Analyse der Interviewdaten förderte unter-schiedliche Interpretationen von Vielseitig-keit zu Tage, welche sich u. a. in divergieren-den Annahmen über die Klassifikation von di-versifizierenden oder spezialisierenden Maß-nahmen sowie deren Verhältnis zueinander äußerten. Darüber hinaus zeigen die Ergeb-nisse die konkrete Ausgestaltung der Ausbil-dungsstrategie primär als Folge eines fallspe-

zifischen Entscheidungsprozesses. Als beson-dere Herausforderung für das Ideal eines viel-seitigen Nachwuchstrainings wurden spe-zialisierungsfördernde Einflussfaktoren ge-nannt, welche in der Praxis stellenweise eine Abweichung von den trainingsmethodischen Überlegungen zur Gestaltung des langfristi-gen Ausbildungsprozesses erforderten. Die Ergebnisse dieser Studie bieten die Gelegen-heit, das Verständnis zum Gegenstandsbe-reich der Vielseitigkeit im leistungssportli-chen Nachwuchstraining zu vertiefen und für die Problemlagen der trainingspraktisch han-delnden Akteure zu sensibilisieren.

SchlüsselwörterVielseitigkeit · Spezialisierung · Nachwuchstraining · Leistungssport · Qualitatives Interview

Diversification in long-term athlete development. The perspective of expert youth coaches

AbstractThis paper presents an excerpt from a com-prehensive study on the concepts of long-term athlete development. Following a quali-tative research methodology and using a her-meneutic-reconstructive procedure the pur-pose of this paper was to gain insight into ex-pert youth sports coaches’ understanding of the two main trajectories leading to elite per-formance: early specialization and early sam-pling. Analysis of the transcribed interviews suggests that the training strategy is primar-ily the result of a complex decision making process. Additionally, coaches perceived a

trend towards early specialization which con-flicts with existing considerations of long-term athlete development. The results of this study provide an opportunity to understand the subject of diversification in youth sports and to raise awareness for the problems of practitioners.

KeywordsDiversification · Early specialization · Long term athlete development · Qualitative interview

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grundsätzlich besser für die Abbildung und Beschreibung des Problemfeldes ge-eignet als der kategoriale Differenzie-rungsansatz der traditionellen Trainings-lehre oder des DMSP. Somit ist hinsicht-lich des relationalen Charakters diversifi-zierender Maßnahmen für eine explora-tive Rekonstruktion des Untersuchungs-gegenstandes Vielseitigkeit letztlich fol-gende Annahme untersuchungsleitend: Es handelt sich bei der Vielseitigkeit um ein mehrdimensionales Konstrukt, wel-ches über eine graduelle Ausprägung der einzelnen Dimensionen und in Abhän-gigkeit von der Struktur der Haupt- oder Zielsportart beschrieben werden muss.4

Empirische Untersuchungen auf die-sem Forschungsfeld basieren in erster Linie auf retrospektiven Athletenbefra-gungen zu individuellen Karriereverläu-fen (Côté et al., 2007) mit dem Ziel einer quantifizierenden Differenzierung ih-rer Aktivitäten in unterschiedlichen Set-tings. Allerdings muss die ausschließliche Erhebung und Analyse von Aussagen aus der Athletenperspektive im Hinblick auf die umfassende Erklärung über die kon-kreten Ausgestaltung intentionalen Trai-ningshandelns zwangsläufig defizitär blei-ben (Hopwood et al., 2010). Die Perspekti-ve der Trainer wurde nach unserer Kennt-nis dennoch bisher kaum systematisch er-hoben.5 Für die umfassende Rekonstruk-tion der subjektiven Trainertheorien zur Vielseitigkeit aus der Trainerperspektive selbst und damit zur Relevanz der Viel-seitigkeit als trainingsmethodisches Prin-zip innerhalb eines systematischen und gesteuerten Ausbildungsprozesses folgt die vorliegende Untersuchung mehreren Annahmen: Die Entscheidung über die

4 Darüber hinaus schließt eine derartige Auf-fassung die Möglichkeit des Auftretens unter-schiedlicher, im Hinblick auf die Erreichung spit-zensportlicher Ziele jedoch äquivalenter Muster nicht aus (Zibung & Conzelmann, 2012).5 Als Ausnahme ist die Fragebogenuntersu-chung zu Spezialisierungstendenzen im ame-rikanischen High-School-Sport von Hill (1991) zu nennen. Der Mangel an solchen Untersu-chungen mag u. a. mit der Tendenz zu erklä-ren sein, zunächst die übergreifenden Merkma-le des Trainerwissens im Hinblick auf die Ergän-zung von Ausbildungsbestandteilen zu erheben und weniger den fachspezifischen Inhalt dieses Wissens zu rekonstruieren (Thompson, Bezoids & Jones, 2009).

Auswahl und den Einsatz von Trainings-maßnahmen im Nachwuchstraining liegt in vielen Sportarten – insbesonde-re jenen mit einem niedrigen Höchstleis-tungsalter – bereits zu einem frühen Zeit-punkt beinahe ausschließlich bei den ver-antwortlichen Trainern in ihrer Rolle als zentrale Steuerungsinstanz des sportli-chen Trainings. Darüber hinaus erfül-len sie eine Beratungs- und Unterstüt-zungsfunktion (Schulze, Burrmann, & Stucke, 2007), sodass ihr Einfluss oft-mals über den Bereich ihres sportartspe-zifischen Steuerungsmandats hinausgeht. Auch können Art und Umfang der eige-nen Trainingsgestaltung zu einer (impli-ziten) Duldung oder Verdrängung weite-rer Aktivitäten oder zusätzlichen Engage-ments in anderen Sportarten führen. An-gesichts der Komplexität eines langfris-tig angelegten Nachwuchstrainings, der postulierten Konkurrenz von zwei kom-plementären Ausbildungsstrategien und des daraus resultierenden Fehlens klarer Normen bzw. Handlungsrichtlinien wird ferner angenommen, dass die Trainer bei der Entscheidung über die konkrete Aus-gestaltung des Vielseitigkeitsprinzips in besonderem Maße auf ihre individuel-len eigenen Entscheidungsregeln inner-halb ihres „subjektiven Wissensvorrats“ (z. B. Schütz & Luckmann, 2003) ange-wiesen sind.

Zur Beschreibung und Analyse sub-jektiver Wissensbestände haben sich in der Wissensforschung in Abhängigkeit von disziplinärer Perspektive und Frage-stellung mehrere Strukturierungsansät-ze herausgebildet (Schierz, Thiele, & Fi-scher, 2006). In Anlehnung an die Aus-führungen über die Zusammensetzung des „Expertenwissens“ von Bogner und Menz (2005) lässt sich das (professionel-le) Wissen der Trainer analytisch in drei Dimensionen unterteilen. Das Fachwis-sen beinhaltet v. a. theoretisch fundier-te Kenntnisse aus den sportwissenschaft-lichen Teildisziplinen, welche bspw. in Aus- und Fortbildungen erworben wur-den. Prozesswissen kann als praktisches Erfahrungswissen charakterisiert wer-den, das insbesondere durch die Ausei-nandersetzung mit bestimmten Tätigkei-ten entsteht und häufig auf praxiserprob-ten Problemlösungsverfahren beruht (Ze-man, 2002). Neben situations- und perso-

nengebundenem Alltagswissen umfasst das Prozesswissen auch jene Bestandtei-le des Fachwissens, welche an die Erfor-dernisse einer professionellen Praxis an-gepasst wurden und daher nicht mehr explizit als solche zu identifizieren sind (Schierz et al., 2006; Bromme, 1992). Mit dem Deutungswissen wird der personale Wissensvorrat um jene subjektiven Re-levanzen, Sichtweisen und Interpretatio-nen erweitert, welche als Ideen und Ideo-logien, als fragmentarische, inkonsisten-te Sinnentwürfe und Erklärungsmuster (Bogner & Menz, 2005) die individuelle Sicht auf bestimmte Lebensbereiche prä-gen6. Eine kommunikative Erschließung des Wissensbestandes von Trainern muss alle Wissensdimensionen gleichermaßen berücksichtigen und erfolgt daher oftmals im Rahmen der analytischen Rekonstruk-tion von bereichsspezifischen subjektiven Konzepten (Helfferich, 2009).

Das Ziel des vorliegenden Beitrags liegt folglich darin, die subjektiven Kon-zepte und deren innere Regelstruktur zur anwendungsbezogenen Lösung des trai-ningsmethodischen Ausbildungspro-blems Vielseitigkeit aus der Perspektive von Nachwuchstrainern qualitativ nach-zuzeichnen. Darüber hinaus stellt die Er-hebung der Wahrnehmungen und Präfe-renzen der betroffenen Akteure bei Ambi-guität und widersprüchlichen Handlungs-alternativen einen wesentlichen Baustein zur Erklärung unterschiedlicher Hand-lungsorientierungen (Maynzt & Scharpf, 1995) dar. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen Nachwuchstrainer, die nachweis-lich international erfolgreiche Athleten als junge Sportler (phasenweise) betreut ha-ben (Roth, Hossner, Künzell, Pauer, Raab, Schipke et al., 1996) und denen mithin als Experten eine spezifische Wissenskonfi-guration bzw. ein (professioneller) „Son-derwissensbestand“ (Pfadenhauer, 2007) zugeschrieben werden kann. Konkret wurde hierzu mit leitfadenbasierten In-terviews versucht zu rekonstruieren, wie die erfolgreichen Nachwuchstrainer das Konzept der Vielseitigkeit innerhalb des Trainings ihrer jeweiligen Sportart inter-

6 In einem weiten Verständnis bildet die-se Form des Wissens die Grundlage für die Ent-wicklung einer übergreifenden „coaching philo-sophy“ (Lyle, 2002).

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Hauptbeiträge

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pretieren und wie sie die damit verbunde-nen komplementären Strategien der Trai-ningsdiversifizierung und -spezifizierung methodisch-inhaltlich umsetzen und auf-einander bezogen abstimmen.

Methode

Bei der Rekonstruktion subjektiver Sicht-weisen und Deutungsmuster erfolgreicher Nachwuchstrainer orientiert sich die me-thodische Vorgehensweise am Paradigma der qualitativen Sozialforschung, welches im Wesentlichen durch einen interpreta-tiven und deutenden Zugang zur sozialen Wirklichkeit gekennzeichnet ist. Soziale Wirklichkeit lässt sich aus Sicht der Han-delnden als das Ergebnis „gemeinsam in sozialer Interaktion hergestellter Bedeu-tungen und Zusammenhänge verstehen“ (Flick, 2008, S. 20). Damit folgt das Ver-ständnis von Realität der Annahme, dass Realität zum einen dauerhaft in interak-tiven Prozessen hergestellt wird und – in der Konsequenz – zum anderen das Re-sultat eines sozialen Konstruktionspro-zesses ist (Berger & Luckmann, 1969). So-wohl aus Sicht des Forschers als auch der Akteure im Feld hat dies zur Folge, dass wir es immer mit einer bereits vorkons-

truierten Wirklichkeit zu tun haben, auf die Bezug genommen wird. Ein Ansatz-punkt qualitativer Forschung in der Trai-ningswissenschaft liegt demnach in der Rekonstruktion sozialer und kommuni-kativ erzeugter Wirklichkeitsausschnit-te in den Handlungsfeldern Training und Wettkampf.

Sampling

Aufgrund der Fragestellung bezieht sich die Auswahl der Untersuchungsgruppe zunächst vorrangig auf die Trainer, denen begründet ein Expertenstatus zuge-schrieben werden kann. Nach Bromme (1992) ist der berufliche Erfolg ein gülti-ges Außenkriterium für die Expertensta-tuszuschreibung in wettbewerbsorien-tierten Berufsfeldern. Erfolg als kategori-ale Entität wurde für die Studie operati-onalisiert, indem nach der Maßgabe des „purposeful sampling“ (Patton, 1990) zu-nächst ausschließlich solche Nachwuch-strainer als mögliche Gesprächspartner ausgewählt wurden,1. die Nachwuchsleistungssportler be-

treut hatten, welche im Höchstleis-tungsalter mehrfach auf internationa-lem Niveau herausragende sportliche

Erfolge (Kriterium: Regelmäßigkeit) erzielten,

2. welche in dieser Zeit als Heimtrainer gearbeitet (Kriterium: Nähe) und

3. die über einen längeren Zeitraum hinweg Nachwuchsathleten betreut haben (Kriterium: Dauerhaftigkeit).

Um ein im qualitativen Sinne umfassen-des Bild der Positionen innerhalb des Nachwuchstrainings wiedergeben zu können, wurden darauf aufbauend als weitere Merkmale der Fallauswahl mög-lichst die funktionale Einbettung inner-halb einer Verbands- oder Vereinsstruk-tur sowie der schwerpunktmäßig trainier-te Altersbereich berücksichtigt (. Abb. 1). Da im Verlauf von Trainerkarrieren häu-fig unterschiedliche Altersbereiche be-treut oder mehrere Funktionen gleichzei-tig eingenommen werden, beruht die in . Abb. 1 dargestellte Übersicht auf einer von den Trainern selbst vorgenommenen Einschätzung ihres primären Aufgaben-gebietes zum Zeitpunkt des Interviews.

Eine weitere Kontrastierung war schließlich im Studiendesign selbst ange-legt: Aufgrund der Befragung über meh-rere Sportarten hinweg sind unweigerlich sportartspezifische Aspekte zu berück-sichtigen (. Tab. 1).

Die Rekrutierung der Trainer erfolg-te in einem mehrstufigen Verfahren. Zu-nächst wurden eigenständig Trainer re-cherchiert und mit den von der For-schungsgruppe konstituierten Kriterien abgeglichen. Des Weiteren konnten die Autoren nach Anfrage auf Empfehlun-gen von Sportverbänden oder spitzen-sportlichen Einrichtungen zurückgrei-fen, die ebenfalls mit den Ergebnissen der eigenen Recherche in Beziehung gesetzt wurden. Eine letzte Variante erfolgte im Nachgang der Interviews auf Anregun-gen der befragten Trainer hin. Diese Vor-gehensweise ermöglichte es, Fälle auszu-schließen oder durch Mehrfachnennun-gen zu validieren. Insgesamt konnten N = 123 potenzielle Interviewpartner er-mittelt werden, von denen allerdings auf-grund nicht zugänglicher Adress- oder Telefondaten nur n = 96 kontaktiert wer-den konnten. Obwohl das Ziel der Fall-auswahl in einem möglichst breiten Ab-bild der olympischen und international erfolgreichen Sportarten lag, ist die An-

Andere

Position

Bereich

Bundestrainer

Landestrainer

Stützpunkttrainer

Allg.Grundausbildung

Grundlagen- undAufbautraining

Anschluss-training

Erwachsenen-training

Vereinstrainer

Schulsport / AG

Abb. 1 8 Position und schwerpunktmäßig trainierter Altersbereich der befragten Trainer zum Zeit-punkt des Interviews

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zahl und Vielfalt der in dieser Studie re-präsentierten Fälle letztlich auch immer das Ergebnis der Möglichkeiten und Res-triktionen des Feldzugangs. Neben der kriteriumsgebundenen Auswahl geeigne-ter Interviewkandidaten hing die Zahl der tatsächlich geführten Interviews auch von der Mitarbeit der Sportfachverbände ab. Durch ihre Funktion als Gatekeeper kam für einige wenige Sportarten entweder gar keine Erhebung zustande oder es bestand die Gefahr einer zu starken Einflussnah-me auf die Zusammensetzung des Sam-ples. Nicht zuletzt entscheidet auch die individuelle Bereitschaft und zeitliche Verfügbarkeit der kontaktierten Trainer über die Breite des Samplings. Ein weite-res Problem wurde bei der Rekrutierung weiblicher Trainer evident. In der ersten Erhebungsphase war es nicht möglich, überhaupt eine weibliche Trainerin zu be-fragen, während in der Gruppe der Spiel-sportarten immerhin eine Trainerin ver-treten ist. Erst bei den technisch-kompo-sitorischen Sportarten war eine tenden-zielle Häufung weiblicher Trainerkandi-daten zu verzeichnen. Insgesamt wurden daher nur neun Interviews mit einer Trai-nerin durchgeführt.

Letztlich konnten n = 52 Trainer und Trainerinnen (Alter: M = 48,7 Jahre; SD = 7,4) als Experten für die Befragung gewonnen werden. Durchschnittlich ver-fügten diese zum Zeitpunkt des Inter-views über M = 23,7 Jahre Trainingser-fahrung (SD = 7,1), wobei das genannte Einstiegsalter in die Trainertätigkeit zwi-schen min. 14 und max . 39 Jahren vari-ierte. Von den befragten Trainern waren n = 21 in ein Verbundsystem aus Ausbil-dung und Sport (z. B. Eliteschulen des

Sports) integriert. Bezogen auf das for-male sportfachliche Qualifikationsniveau kann die Stichprobe v. a. über zwei Di-mensionen charakterisiert werden: den sportart- bzw. verbandsspezifische Aus-bildungsweg (n = 43) sowie die allge-mein sportwissenschaftliche Qualifika-tion, welche entweder zusätzlich (n = 25) zur sportartspezifischen Ausbildung oder ausschließlich (n = 3) als höchste Aus-bildungsstufe genannt wurde (. Tab. 2). Obwohl formale Qualifikationen bewusst nicht als Kriterium zur Fallauswahl einge-setzt wurden, stellt der fehlende Nachweis einer sportfachlichen Ausbildung die ab-solute Ausnahme dar (n = 1).

Datenerhebung

Als Erhebungsmethode wurde das theo-riegenerierende Experteninterview aus-gewählt, das als ein adäquater Zugang zu subjektiven Sichtweisen in berufli-chen Handlungsfeldern angesehen wer-den kann. Es eignet sich besonders da-für, professionelle Handlungsmotive, Alltagstheorien und Deutungsmuster in einer möglichst offenen oder teilstandar-disierten Form zu erfragen. Aus soziologi-scher Sicht steht weniger die gesamte bio-graphische Selbstauslegung einer Person im Zentrum der Untersuchung, vielmehr interessiert der Ausschnitt einer Person in einer bestimmten gesellschaftlich zu-geschriebenen Funktion. Daher fokus-sierte die Befragung v. a. auf die Experti-se und das Wissen, über das der Trainer als Repräsentant und Experte einer spe-zifischen Berufsgruppe mit kontextspezi-fischen Handlungs- und Sichtweisen im Nachwuchsleistungssport verfügt (Bog-

ner & Menz, 2005). Ein Interviewleitfaden wurde erstellt, der in Abhängigkeit vom Verlauf der jeweiligen Gesprächssituation entweder grob leitend oder stark differen-zierend zum Einsatz kam. Die situative Flexibilität in der Handhabung des Leitfa-dens ist die unmittelbare Folge des explo-rativen Erkenntnisinteresses, auf welches das theoriegenerierende Experteninter-view ausgerichtet ist. Verlangt wird eine grundsätzliche Offenheit sowohl für pri-mär argumentativ-diskursive als auch pri-mär narrative Kommunikationsmuster. Um in diesem Zusammenhang die Ge-fahr einer „Leitfadenbürokratie“ (Hopf, 1978) zu minimieren, wurden die drei Interviewer im Vorfeld der Erhebung zu-sätzlich im Hinblick auf die unterschied-lichen Kommunikationsmuster und die spezifische Interaktionslogik inner-halb der Interviewsituation sensibilisiert und kommunikativ geschult. Unterstüt-zend wurde der Leitfaden – neben erzäh-lungsgenerierenden Fragen zu Beginn des Interviews – überwiegend mit thematisch definierten, jedoch offenen Fragen ausge-staltet, die den Interviewten ausreichend Spielraum für ihre subjektiven Relevanz-setzungen zur Verfügung stellen sollten. Erst in einem nächsten Schritt waren ver-tiefende Informations- und Steuerungs-fragen mit dem Ziel der weitergehenden Begründung und Explikation von an-gesprochenen Sachverhalten sowie Fra-gen nach Beispielen aus der eigenen Trai-ningspraxis vorgesehen (Helfferich, 2009; Rubin & Rubin, 1990).

Inhaltlich wurde der Themenbereich7 nach einer Analyse der trainingswissen-schaftlichen Grundlagenliteratur und aus-gewählter Rahmentrainingskonzeptionen gezielt auf die Interpretation und Gestal-tung des Verhältnisses von spezifizieren-

7 Die Erhebung fand im Kontext einer umfas-senden Studie zur Rekonstruktion des Gegen-stands „Nachwuchstraining“ statt und folgten in Anlehnung an das „explorative Interview“ fol-gendem Aufbau: quasi-normales Gespräch – Erzählungen hervorlocken – Wissensbestände rekonstruieren (Honer, 1994).

Tab. 1 Anzahl der in die Auswertung einbezogenen Interviews und deren sportartbezogene Ausdifferenzierung innerhalb der drei Erhebungsphasen

Erhebungsphase I(n = 20)

Eisschnelllauf, Gewichtheben, Judo, Leichtathletik, Nordische Kom-bination, Rudern, Schwimmen, Skilanglauf, Skirennlauf

Erhebungsphase II(n = 19)

Badminton, Basketball, Eishockey, Fußball, Handball, Hockey, Ten-nis, Volleyball, Wasserball

Erhebungsphase III(n = 13)

Eiskunstlauf, Geräteturnen, Trampolinspringen, Wasserspringen

Tab. 2 Anzahl der höchsten genannten sportartspezifischen und allgemeinen sportfach-lichen Ausbildung (ASA) sowie der Nonresponder (NR)

Sportartspezifische Qualifikationsstufen ASA

Dipl.-Trainer A-Lizenz B-Lizenz C-Lizenz Sportstudium Keine NR

19 18 5 1 28 1 5

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Hauptbeiträge

Page 7: Vielseitigkeit als Ausbildungsstrategie im leistungssportlichen Nachwuchstraining; Diversification in long-term athlete development;

den und diversifizierenden Maßnahmen8 und auf die Funktion weiterer Sportarten ausgerichtet. Für die hier dargestellte Re-konstruktion der Vielseitigkeit als Ausbil-dungsstrategie waren folgende Themen-komplexe erkenntnisleitend: 5 Interpretation und Struktur: Ob und wie wird das Training in allgemei-ne und spezielle Inhalte bzw. Antei-le unterschieden? In welchem Ver-hältnis stehen diese Anteile im Ver-lauf des Kinder- und Jugendtrainings zueinander? 5 Begründungszusammenhang: Aus welchem Grund werden allgemeine Inhalte und Methoden bzw. andere Sportarten (nicht) angewandt, welche Ziele werden damit verfolgt und von welchen Rahmenbedingungen wird der Einsatz abhängig gemacht? 5 Probing: Gibt es anschauliche Pra-xisbeispiele? Kommt es zu konkre-ten Konflikten zwischen speziellen und allgemeinen Trainingsschwer-punkten?

Ausgehend von den Leitfragen, welche der Schaffung einer gemeinsamen Ge-sprächsbasis bzw. der thematischen Fo-kussierung dienten, bestand für die be-fragten Trainer die Möglichkeit einer in-dividuellen Schwerpunktsetzung, Struk-turierung und Erweiterung des vielseitig-keitsbezogenen Relevanzrahmens auch über die in der Literatur genannten und im Leitfaden berücksichtigten Aspek-te hinaus. Es wurden folglich auch As-pekte in die Analyse einbezogen, welche von den Befragten im größeren Kontext der Gesamtstudie angesprochen wurden (v. a. in Narrationen und Abschweifun-gen). Im Fokus der gesamten Erhebung stand also primär „das, was die Befrag-ten selber als Rekonstruktion ihrer the-matisch einschlägigen Wissensbestän-de anbieten“ (Honer, 1994, S. 43). Nur in Einzelfällen wurden gezielt an vorherige Ausführungen anknüpfende Beispiele in die Fragen integriert, falls die Interview-

8 In entsprechenden Vorstudien zeigte sich die Trennung in diversifizierende und spezifi-zierende Ausbildungsinhalte und -methoden als erläuterungsbedürftig. Daher wurde in den Interviews situationsabhängig auf die tradierten Semantiken von allgemeiner und spezieller Aus-bildung zurückgegriffen.

ten nicht selbst Hinweise auf die ideogra-phische Indexikalität zentraler Themen-bereiche gaben.

Um eine vertrauensvolle Gesprächs-atmosphäre herzustellen, war die Ge-staltung der Interviews so angelegt, dass die Trainer vor Ort, d. h. an ihren Stütz-punkten und in den Heimatvereinen, be-sucht wurden. In einer allgemeinen Da-tenschutzerklärung wurde den Befragten die vollständige Anonymisierung der In-terviews zugesichert. Die Interviewdauer variierte zwischen 90 und 150 min, kon-kret vielseitigkeitsbezogene Fragestel-lungen nahmen davon 15 bis 30 min ein. Für eine methodisch kontrollierte Ana-lyse wurden die digital aufgezeichneten Interviews entsprechend den Konventio-nen des gesprächsanalytischen Transkrip-tionssystems (GAT; Selting, Auer, Barden, Bergmann, Couper-Kuhlen, Günther et al., 1998) verschriftlicht.

Datenauswertung

Zur Auswertung qualitativer Experten-interviews liegen unterschiedliche Ansät-ze vor (Bogner & Menz, 2005). Je nach Er-kenntnisinteresse gehen die Auswertungs-verfahren von einer deduktiven oder in-duktiven Kategorienbildung aus. Da hier im Wesentlichen das Ziel der Rekonstruk-tion von Trainersichtweisen verfolgt wur-de und neben dem Hinterfragen von Be-kanntem auch die Offenheit für Neues gewährleistet werden sollte, wurde für die Analyse eine induktive bzw. hermeneu-tisch-rekonstruktive Vorgehensweise ge-wählt. Hierzu wurden relevante Passagen der transkribierten Texte sequenziell einer hermeneutischen Feinanalyse unterzogen und in einem Prozess zunehmender Abs-traktion zunächst fallspezifische Themati-sierungsregeln und zentrale Motive (Kru-se, 2009) herausgearbeitet. Erst in einem zweiten Schritt wurden diese in fallüber-greifenden Vergleichen auf Gemeinsam-keiten und Unterschiede geprüft. In An-lehnung an das Kodierparadigma der Grounded Theory (Strauss & Corbin, 1996) kamen prinzipiell drei Grundtypen des Kodierens bzw. der induktiven Kate-gorisierung zum Einsatz. Die initiale Pha-se des offenen Kodierens dient v. a. der Ex-plikation von gebildeten Lesarten und de-ren Gruppierung zu Kategorien, während

die nächsten Phasen diese Kategorien zu-einander in Bezug setzen, weiterentwi-ckeln und zuletzt in ein emergentes Kon-zept integrieren (Strauss & Corbin, 1996). Ziel dieser induktiven und fallbasierten Vorgehensweise war zum einen der Er-halt des individuellen Relevanzrahmens, als auch die Sicherstellung eines adäqua-ten und kontextsensitiven Verständnis-ses der verwandten Semantiken im Rah-men einer relationalen Rekonstruktion von Vielseitigkeit. Das Ziel der weiteren Analyse lag schließlich in einer typisieren-den Annäherung an übergreifende Struk-turen und Theorien zum Gegenstand der Vielseitigkeit über die einzelnen Fälle hi-naus. Es kamen erfahrene und interdiszi-plinäre Analysegruppen zum Einsatz, um die Intersubjektivität der Untersuchungs-ergebnisse sicherzustellen (Steinke, 2008).

Ergebnisse

Die Analyse zeigt das Konstrukt Vielsei-tigkeit sowohl als unabhängige, als auch als abhängige Variable einer langfristig angelegten Ausbildungsstrategie. Einer-seits wird der grundsätzliche Stellenwert und Einsatz diversifizierender Maßnah-men über die zugeschriebenen Funkti-onen und Wirkungen begründet. Ande-rerseits wird die Ausgestaltung einer viel-seitigkeitsbasierten Ausbildungsstrate-gie auch als das Ergebnis eines differen-zierten Abwägungsprozesses beschrie-ben. Darüber hinaus förderten die Inter-views unterschiedliche Interpretationen von Vielseitigkeit zutage. Auch wird die Ausprägung und Reichweite dessen, was als diversifizierende Maßnahmen erach-tet wird, im Kontext verschiedener Sport-arten von den befragten Trainern höchst divers eingestuft. Diese Analysen werden daher den inhaltlichen Ausführungen zur Relevanz und fallspezifischen Umsetzung von Vielseitigkeit vorangestellt. Dabei zielt die Darstellung der Ergebnisse in erster Linie auf die Rekonstruktion fallübergrei-fender Wissensbestände und -strukturen und weniger auf die möglichst detaillierte Beschreibung einzelner Fälle.

Polysemie von Vielseitigkeit

Vielseitigkeit als Merkmal des sportmotori-schen Anforderungsprofils von Sportar-

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ten. In den subjektiven Trainertheorien bezeichnet Vielseitigkeit zunächst das sportmotorische Anforderungsprofil von Sportarten. Oftmals wird in diesem Zu-sammenhang die eigene Sportart als be-sonders „komplex“ beschrieben.

Weil Judo an sich unglaublich vielseitig ist. Es ist zwar immer Judo, aber die gan-zen verschiedenen Techniken, die fordern einen in so unterschiedlichen Arten – al-so Ausprägungen –, dass das was anderes ist wie wenn ich Leichtathletik mache und ich mach jetzt nur Speerwerfen. Das ist nur eine Bewegung. Ein Judoka muss Hunderte von Bewegungen erlernen. (Judo, 324)

Vielseitigkeit als Merkmal des Handlungs-potenzials von Sportlern. Zusätzlich ver-weist Vielseitigkeit in den Darstellungen der Trainer auf eine zu entwickelnde oder zu erhaltende Fähigkeit des Sportlers, in einer Vielzahl an Sportarten bzw. sport-nahen Situationen möglichst kompetent zu handeln:I: „Was macht denn Ihrer Meinung

nach einen erfolgreichen Sportler aus?“

T: „Eine unglaubliche Vielseitigkeit, Vielseitigkeit auch für andere Sport-arten (…). Wenn Sie den zum Bei-spiel sehen in anderen Sportarten, da ist der schon sehr fit. Der Bengel hat schon eine Menge Sachen drauf, auch turnerisch und so was alles.“ (Judo; 542)

Ein vielseitiger Athlet ist in dieser Wahr-nehmung im Besitz eines sportart-, diszi-plin- oder positionsübergreifenden Fer-tigkeits- bzw. Fähigkeitsrepertoires, das ihm auf unterschiedliche Anforderun-gen angemessen zu reagieren erlaubt. Ba-sierend auf einer allgemeinen Sportlich-keit sind vielseitige Sportler in diesem Sinne zumeist auch Multisportler. Insbe-sondere in strukturell ähnlichen Sport-arten sind sie in der Lage, erfolgreich am Wettkampf- und/oder Spielbetrieb teilzu-nehmen. Dies unterscheidet sie zugleich von den Fachidioten (Tennis, 178), denen die Fähigkeit, über die eigentliche Haupt-sportart oder Disziplin hinaus weitere Sportarten, Disziplinen oder Positionen auf hohem Niveau auszuüben, nur in be-grenztem Maße zugesprochen wird.

Vielseitigkeit als Merkmal der sportlichen Aus-bildung. Zuletzt bezeichnet die Vielseitig-keit einen übergreifenden trainingsme-thodischen Gestaltungsgrundsatz, wel-cher auf eine systematische Vielfalt, Breite und Variation der verfügbaren Trainings-mittel, -inhalte und -methoden abzielt. In-nerhalb des leistungssportlichen Kontex-tes der vorliegenden Studie wird das Kon-zept der Vielseitigkeit von den interview-ten Trainern darüber hinaus als Ausbil-dungsstrategie im Nachwuchstraining be-schrieben, die mit kurz-, mittel- und lang-fristig geplanten Maßnahmen im tägli-chen Training entwickelt, gefördert und erhalten wird. Einen ersten Anhaltspunkt zu den konkreten Merkmalen eines viel-seitigen Trainings liefert die im Interview-leitfaden angelegte Unterscheidung in all-gemeine und spezielle Trainingsinhalte. Diese Unterscheidung kann zunächst an-hand des Grades der Übereinstimmung mit der inhaltlichen Leistungsstruktur der Zielsportart erfolgen. Beschreibungen des speziellen Trainings fokussieren entweder direkt auf die konditionellen, technisch-koordinativen und taktischen Elemente der Wettkampfleistung in der Zielsport-art und -disziplin oder sind bezüglich der dynamischen und kinematischen Bewe-gungsstruktur miteinander konform.

Da beschränke ich mich ausschließlich auf meine Spezifik, auf meine Wettkämpfe und auch auf das entsprechende Training. (…) Das heißt also alle Elemente des Wett-kampfs werden geübt. Ja auch die unmit-telbaren Zubringer dazu, die werden geübt, die Grundschule, die Technik, das alles wird geübt. (Eisschnelllauf, 1133)

Das allgemeine Training hingegen kons-tituiert sich in den überwiegend extensi-onal angelegten Beschreibungen der Trai-ner über all jene Inhalte und Methoden, die entweder direkt ein Training in einer anderen Sportart beinhalten, aus dem Kontext bestimmter Grundsportarten herausgelöst und z. B. als „Lauf-ABC“ in das Training der Spezialsportart integriert werden oder direkt auf die Grundelemen-te der sportlichen Bewegung und Kondi-tionierung abzielen.I: „Was sind für Sie die Bestandteile

einer guten Ausbildung?“T: „Dass man nicht nur speziell trainiert

(…). Meine Woche sieht immer so aus oder der Trainingsplan sieht immer so aus, dass ich in den Vor-mittagseinheiten oder wenn sie Spe-zialsport haben, bei mir oder bei uns trainieren, dass man da Auftaktein-heiten macht oder Athletikeinheiten oder turnt oder schwimmt. Im We-sentlichen hat man für die allgemeine Ausbildung, das ist Krafttraining, das ist Kreistraining, das ist Turnen, das ist Schwimmen, das sind auch Spiele, die zweite Sportart zähl ich mit dazu (…) sowas mein ich mit allgemeiner Ausbildung.“ (Leichtathletik, P, 789)

Allerdings berücksichtigt eine solche ka-tegoriale Differenzierung auf Basis der strukturellen Ähnlichkeit mit der Haupt-sportart nur eingeschränkt die Bandbrei-te der Gestaltungsmöglichkeiten inner-halb einer vielseitigen Ausbildungsstrate-gie (z. B. Variation des Settings, Trainer-wechsel oder Prinzipien der Trainings-gestaltung) und bildet folglich nur be-dingt die Mehrdimensionalität der beiden Kategorien ab. Daher seien zunächst die unterschiedlichen (empirischen) Erschei-nungsweisen und zeitlichen Verortungs-möglichkeiten von Vielseitigkeit kurz dar-gestellt.

Empirische Elemente einer vielseitigen Ausbildungsstrategie

Die Frage nach der Relevanz und Umset-zung eines vielseitigen Trainings im Rah-men der eigenen Ausbildungsstrategie, z. B. bezüglich der systematischen Inte-gration anderer Sportarten, wird indivi-duell höchst unterschiedlich beantwortet. Die Vorgehensweisen reichen von einer gezielten Sichtung von Quereinsteigern9 bis zur Vermeidung eines sportartfremden

9 Da die Möglichkeit einer Integration von Quereinsteigern in die eigene Sportart zunächst von Faktoren abhängt, welche außerhalb des Einflussbereichs der entsprechenden Trainer lie-gen wird diese nicht als Bestandteil einer inten-tionalen Ausbildungsstrategie betrachtet.

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Hauptbeiträge

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Trainings.10 Dabei finden sich durchaus unterschiedliche Präferenzen innerhalb derselben Sportart, sodass das bevorzugt genannte Vorgehen innerhalb der indivi-duellen Ausbildungsstrategie vermutlich nicht ausschließlich über die Leistungs-struktur und das Höchstleistungsalter der Spezialsportart zu erklären ist (z. B. im Ju-do, Volleyball, Fußball).

Vielseitigkeit innerhalb der HauptsportartDie frühzeitige Festlegung der Ausbildung auf ein beinahe exklusives Training in der späteren Hauptsportart (Spezialisierung) findet sich insbesondere bei jenen Trai-nern, die ihren Sportarten eine hohe in-härente Anforderungsvielfalt beimessen. Zugleich werden die Transfer- und Kom-pensationseffekte eines Trainings in ande-ren Sportarten als gering erachtet.I: „Sie haben auch von Bewegungs-

erfahrung gesprochen. Ist ihrer Meinung nach ein großer Erfah-rungsschatz an unterschiedlichen Bewegungen in vielen Sportarten von Vorteil?“

T: „Wenn ich jetzt einen Sportler X habe und sage: ‚Den mach ich allgemein sportlich plus Volleyball‘, das ist

10 Die exklusive Fokussierung des Trainings auf die Leistungsvoraussetzungen einer einzi-gen Sportart wird ab einem gewissen Trainings-alter zwar als unabdingbare Voraussetzung für späteren spitzensportlichen Erfolg erachtet. Allerdings können sowohl der konkrete Zeit-punkt als auch die Ausgestaltung dieser Spe-zialisierung des Trainings von Trainer zu Trainer erheblich variieren.

schwierig. Meine Erfahrung ist, dass es also ganz wichtig ist möglichst auch in der Sportart zu trainieren, die wir betreiben. (…). Volleyball selbst ist so komplex, da gibt es so vie-le Sachen zu lernen. Und Volleyball ist keine natürliche Sportart, also das ist kein normaler Bewegungsablauf, wie zum Beispiel Laufen, Springen, Werfen oder so. (…), und das muss man alles sehr langfristig vorbereiten und auch trainieren. Daher glaube ich ganz sicher, dass es eben wichtig ist, diese ganzen speziellen Bewe-gungsabläufe, die typisch sind fürs Volleyballspiel, auch zu trainieren. Denn wenn man Volleyball spielen will, muss man Volleyball trainieren. (Volleyball, G, 153)

Mit einer intentionalen Integration ande-rer Sportarten in das Nachwuchstraining sind mehrere Dimensionen von Vielsei-tigkeit bereits implizit adressiert, werden eher beiläufig oder erst auf Nachfrage the-matisiert (z. B. Variation des Trainings-umfeldes, Anforderungsvielfalt) oder las-sen sich in der Interviewanalyse nur aus dem Begründungszusammenhang er-schließen. Hingegen führen die befragten Trainer v. a. bei der Strategie der frühzei-tigen Fokussierung des Trainings auf eine Sportart weitere, diversifizierende Ele-mente einer vielseitigen Ausbildung aus. Obwohl sich diese grundsätzlich auch auf externe allgemeine Maßnahmen bezie-hen können, beschränkt sich nachfolgen-de Darstellung zunächst auf Maßnahmen der Trainer innerhalb ihres primären Wir-kungsbereichs. Die Maßnahmen grün-

den, wenngleich im Zuge einer katego-rialen, methodisch-inhaltlichen Differen-zierung der Trainingsinhalte ein Training in der Hauptsportart per se bereits dem speziellen Training zugeordnet wird, auf einer sportartbezogenen Auffassung von Vielseitigkeit. Obwohl wegen der Fest-legung auf das Training in einer Sport-art prinzipiell bereits eine gewisse Spezifik von den entsprechenden Trainern einge-räumt wird, umfasst ein vielseitiges Trai-ning aus dieser Perspektive also nicht nur auf basale Bewegungsfertigkeiten abzie-lende und sportartübergreifende Maß-nahmen, sondern auch die Vielfalt, den al-tersgemäßen Einsatz (z. B. im Gegensatz zur frühzeitigen Vorwegnahme perspekti-vischer Maßnahmen) bestimmter Inhalte und die spielerische Gestaltung des Trai-nings innerhalb der jeweiligen Spezial- bzw. Hauptsportart (. Tab. 3).

Der Einsatz und die konkrete Ausprä-gung der einzelnen Dimensionen können von Fall zu Fall deutlich variieren, nicht zuletzt deshalb, weil auch unter den Trai-nern heterogene Auffassungen über die Sinnhaftigkeit bestimmter Maßnahmen, z. B. den systematischen Trainerwechsel, vorherrschen.

Vielseitigkeit durch verschiedene Sportarten

Ergänzungs- und Kompensationssportar-ten. Die Ausübung von Ergänzungs- oder Kompensationssportarten im Rah-men eines Trainings in der Spezialsport-art besitzt für die befragten Trainer häu-fig den Charakter eines subsidiären Zu-

Tab. 3 Ausgewählte Beispiele empirischer Elemente der sportartbezogenen Diversifizierung

Dimension Beispielzitat

Strecken-, Disziplin- und Positi-onsvielfalt

„Aber die Vorgabe ist eigentlich schon, dass man noch nicht positionsspezifisch ausbildet, sondern dass man die Po-sition auch wechseln lässt. Ein Elfjähriger, Zwölfjähriger sollte eben auch mal hinten und vorne spielen und das auch im Spiel durchaus wechseln können.“ (Fußball, 638)

Variation und altersgemäßer Einsatz von Trainingsmitteln und -inhalten

„Mit der freien Hantel oder mit Geräten im Kraftraum zu arbeiten mit 10-, 11-, 12-, 13-Jährigen. Also ich hab es noch nie gemacht und werde es auch nicht machen, weil es Blödsinn ist. Wozu? Der Kraftraum, also die Muckibude, ist den Großen vorbehalten. Das ist das, was ich meine mit vorweggenommenen Trainingsmitteln. (…) Die Kleinen können mal gucken, was die machen, ja können auch mal probieren, aber als Trainingsmittel würde ich das nie einsetzen.“ (Eisschnelllauf, 1565)

Trainerwechsel „Ich trainiere meine Jungs ein Jahr, dann gehen die zum nächsten Trainer und ich bleib in meiner Altersklasse. Dann haben die immer neue Reize und ich auch jedes Jahr neue Leute. Vielseitiger kann die Ausbildung ja nicht werden.“ (Hockey, 370)

Spielerische Trainingsgestaltung „Spielen. Die müssen ja erst mal lernen mit ihrem Werkzeug umzugehen, die müssen Spaß haben an der Bewegung, an dem Gleiten, an dem, was man auf der Straße nicht machen kann oder draußen oder bei einem anderen Sport, an der Geschwindigkeit. Sie lernen spielerisch mit ihrem Werkzeug umzugehen.“ (Eiskunstlauf, 303)

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satzprogramms. Ihr Ziel ist daher weni-ger eine wettkampforientierte Ausübung (wenngleich Wettkämpfe und wettkampf-ähnliche Zielstellungen durchaus gege-ben sein können), sondern ein polyspor-tives Training innerhalb des organisatio-nalen Rahmens der Hauptsportart (mit dem Ziel eines ergänzenden und ausglei-chenden Einsatzes vielfältiger, sportart-übergreifender Trainingsmittel und -me-thoden). Häufig werden hierfür zeitwei-se Trainer als Spezialisten aus den geplan-ten Ergänzungssportarten herangezogen oder die eigene Trainingsgruppe nimmt phasenweise (z. B. in der Vorbereitungs-periode) am Training der anderen Sport-art teil.

In der Klasse sechs und sieben. Die haben also dreimal in der Woche frühmorgens die Turnhalle, in der sie mindestens einmal so-gar mit den Turnern zusammen trainieren, was meiner Meinung nach am effektivsten ist. (Schwimmen, E, 216)

Zweitsportarten. In der vorliegenden Stu-die wird von den Befragten ausschließlich dann von Zweitsportarten gesprochen, wenn es sich um eine extern ausgeübte Sportart außerhalb des organisatorischen Rahmens der Hauptsportart handelt, wel-che i. d. R. ein systematisches Training mit dem Ziel einer erfolgreichen Wett-kampfteilnahme beinhaltet. Neben dem Fall, dass die Zweitsportart aus einem früher als Erstsportart betriebenen Enga-gement hervorgegangen ist, werden echte Zweitsportarten insbesondere in den Sai-sonsportarten (z. B. Wintersportarten) aufgrund der längeren Übergangsphasen häufig nicht nur toleriert, sondern beson-ders unter dem Aspekt einer vielseitigen Ausbildung auch gezielt gefördert.

Darüber hinaus halten wir die Kinder dann entsprechend auch an, durchaus eine Zweit-sportart zu betreiben. Dass sie beispielswei-se zum Judo gehen oder dass sie zum Tisch-tennisspiel gehen, dass sie zusätzlich zu die-sem Fußballtraining eben bis zum zwölften Lebensjahr eine weitere Sportart betreiben. Und dann beginnt eine Spezialisierung in Richtung Fußballtraining. (Fußball, A, 104)

Zeitliche Verortung vielseitiger MaßnahmenIn den Beschreibungen der Trainer zum Einsatz diversifizierender Maßnahmen können zwei Zeithorizonte unterschie-den werden. Zum einen ist die eher kurz-fristig angelegte Variation der Trainings-inhalte im Verlauf eines periodisierten Trainingsverlaufs (typischerweise ver-stärkt innerhalb der Übergangsperiode) zu nennen.

Je weiter man weg ist von der Wettkampf-saison, desto allgemeiner trainiert man, schult die Grundlagenausdauer einfach durch vielfältige Sportarten, die alle die Ausdauer schulen, also Radfahren, Inli-nern, Dauerlauf, und wir gehen auch mal rudern. Man versucht da sehr ganzheitlich zu agieren. (…) also sehr sehr vielseitig. Trotzdem aber schon zielgerichtet, da schon die Struktur im Muskel bzw. die Ausdau-er schon in die Richtung beübt wird, aber durch möglichst vielseitige Sportarten. (…) So ist eigentlich ein typischer Ablauf. Und der unterscheidet sich jetzt bei den Jugend-lichen grundsätzlich nicht so sehr von den Erwachsenen, außer dass halt von den In-halten her bei den Jugendlichen noch viel-seitiger agiert wird. (Nordische Kombina-tion, 563)

Zum anderen kommt in den Interviews die langfristige Ausgewogenheit und Ganzheitlichkeit der sportlichen Ausbil-dung unter Berücksichtigung sportartbe-dingter und athletenspezifischer Beson-derheiten zur Sprache.I: „Welche Rolle spielt denn für Sie

persönlich die Vielseitigkeit im Nach-wuchstraining?“

T: „Also in unserer Ausbildung ist das ein sehr wichtiger Aspekt. Wir halten nichts davon, jetzt mit Kindern im neunten, zehnten, elften Lebensjahr eine Schmalspurfußballausbildung zu machen. Hier muss einfach eine breite Grundlagenausbildung ge-macht werden mit allen möglichen Bewegungsaufgaben, versehen mit Bewegungsspielen, dass Spaß und Freude im Vordergrund stehen und [was] nicht schon sehr fußballspezi-fisch ist.“ (Fußball, 84)

Wirkungen diversifizierender Trainingsmaßnahmen

Der systematische Einsatz diversifizie-render Trainingsmaßnahmen ist i. d. R. mit konkreten, jedoch individuell unter-schiedlich stark ausgeprägten Annahmen über deren Wirkungen verbunden. Diese Annahmen bilden die primäre Grundla-ge in den Begründungen einer vielseitig-keitsbasierten Ausbildungsstrategie und lassen sich im Zuge der verdichtenden Rekonstruktion als vom konkreten Ein-zelfall abstrahierte Zielrichtungen zusam-menführen. Sie stellen keine sich gegen-seitig ausschließenden Motive dar, son-dern werden durchaus vielfältig mitein-ander kombiniert und bilden innerhalb der einzelnen Trainerfälle einen funkti-onalen Begründungszusammenhang aus erwarteten Transfer- und Kompensati-onseffekten.

Transfereffekte

Transfer von Sozialisationseffekten. Zu-nächst werden von den Trainern Effek-te einer Sozialisation in den (Leistungs-) Sport im Sinne von Sinnstiftung und -strukturierung angenommen. Ergän-zende Sportarten und allgemeine Inhal-te fungieren gewissermaßen als Trans-portmedium für jene sportbezogenen As-soziationen, Werte und (impliziten) Wis-sensbestände, welchen für den weiteren Verlauf der Leistungssportkarriere eine grundlegende Bedeutung beigemessen wird. Da nicht jede Sportart gleicherma-ßen für eine akzentuierte Vermittlung der verschiedenen Sozialisationseffekte geeig-net ist, kommen in dieser Zielrichtung be-vorzugt Maßnahmen und/oder Sportar-ten zum Einsatz, deren Leistungsstruktur primär von der angestrebten Charakteris-tik bestimmt wird (z. B. Kooperation in Mannschaftssportarten, Kreativität in den Spielsportarten). Konkret beschreiben die befragten Trainer mehrere Komponenten der Sozialisation. Auf einer emotionalen Ebene wird zur Förderung einer Bindung an den Sport (bzw. an die Zielsportart) die Generierung von positiven Erfahrungen und Assoziationen angestrebt.

Naturverbundenheit ist sicherlich ein As-pekt (…), auch ein wenig die Überwindung,

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Hauptbeiträge

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also Mut. Im Skirennlauf braucht man zum Teil doch einiges an Mut, um sich da an die Grenzen heranzutasten, Geschwindigkeit, Sprünge, steile Passagen. Das wird ja gene-rell im Skirennlauf auch von Topathleten sehr intensiv betrieben, das Klettern. (Ski-rennlauf, 131)

Ebenso wird das Wissen über Zusam-menhänge und grundlegende Mecha-nismen, über das eigene Leistungs- und Durchhaltevermögen, aber auch über die eigenen Limitierungen mit geziel-ten Maßnahmen erweitert. Unter einer spitzensportlichen Perspektive zielt die-se Wirkungsrichtung primär auf die Op-timierung der Leistungsfähigkeit ab (z. B. Toleranz von Stressoren). Doch kann die-ses Wissen auch sinnstiftend für das eige-ne Sporttreiben wirken. Zudem verfol-gen einige Trainer das Anliegen, über den Einsatz bestimmter Sportarten über-greifende und ideelle Werte als Ausdruck einer allgemeinen leistungssportlichen Kultur oder auch spezifische Normen zu transportieren (Disziplin, Respekt, Fair-ness).

Zum Beispiel, wenn wir jetzt Radtrai-ning machen, also mit dem Rennrad fah-ren (…). Wenn wir dann als Gruppe sind, gibt’s ’ne gewisse Disziplin und die müs-sen sie einhalten, um meinen Nebenmann, Vordermann oder Hintermann nicht zu gefährden. Ich habe eine Verantwortung, nicht nur für mich, sondern auch für mei-ne Partner, mit denen ich auf der Straße bin. Auch dass sie lernen sich zu überwin-den und sich zu konzentrieren über einen längeren Zeitraum, etwas, das wir dann auch für uns brauchen, für Wettkampfta-ge oder für harte Trainingslehrgänge. (Eis-schnelllauf, 411)

Transfer sportmotorischer Fertigkeiten und Fähigkeiten. Im Mittelpunkt der sport-motorischen Vielseitigkeit steht die Idee eines leistungsoptimierenden Transfers11 von Fähigkeiten und Fertigkeiten aus an-

11 Der Begriff Transfer ist in diesem Zusam-menhang weit gefasst und beinhaltet grund-sätzlich neben Aspekten der Transformation und der Summation von allgemeinen Teilkom-ponenten in die spezielle Wettkampfleistung auch die Begünstigung einer nachfolgenden Fähigkeits-/Fertigkeitsentwicklung.

deren Sportarten, Disziplinen oder Posi-tionen. Nach Meinung der Trainer för-dert eine diversifizierte Ausbildungsstra-tegie bis zum Eintritt in die Phase der spä-ten Kindheit (11. bis 14. Lebensjahr) bevor-zugt all jene Grundlagen, Grundvorausset-zungen und Grundfertigkeiten, die mittel-bar über einen allgemein fähigkeitsbezo-genen bzw. unmittelbar über einen fer-tigkeitsbezogenen Beitrag die sportliche Ausbildung beeinflussen.

Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass es sinnvoller wäre, diese Zeit mit dem Trai-ning der koordinativen und der konditio-nellen Vielseitigkeit zu nutzen. […] Ich bin schon der Überzeugung, und das wird auch immer wieder von den anderen Trai-nern bestätigt, dass Athleten mitunter den Sprung in die Spitze nicht schaffen, weil ih-nen eben so gewisse Grundfertigkeiten feh-len, vor allem in den koordinativen Berei-chen und der Sensomotorik. (Skirennlauf, 201)

Es kann sowohl ein direkter Transfer der allgemein-koordinativen, -konditi-onellen und -kognitiven Komponenten in die Zielfertigkeiten bzw. -fähigkeiten der künftigen Wettkampfleistung ange-strebt werden als auch indirekt die weite-re Entwicklung spezifischer Zielfertigkei-ten über die Qualität der Aufnahmefähig-keit bzw. des Lerntempos. Grundsätzlich werden die primär koordinative, die pri-mär konditionelle und die primär kogniti-ve Zielsetzung als Richtungen eines Kon-tinuums aufgefasst, welches in Abhängig-keit von den sportartrelevanten Erforder-nissen die Möglichkeit einer graduellen Variation und Schwerpunktsetzung er-öffnet.

Primär koordinative Zielsetzungen. Vor al-lem im Rahmen des Trainings in der frü-hen Kindheit zielt die Ausbildungsstrate-gie der Trainer in erster Linie auf die Ent-wicklung allgemeiner, d. h. grundlegender Bewegungsfertigkeiten wie z. B. Springen, Laufen und Klettern. Die Aneignung die-ser für jegliches Sporttreiben elementaren Fertigkeiten wird zunächst noch sehr un-gerichtet und vorrangig mit dem Ziel des Sammelns von Bewegungserfahrung ge-fördert.

Also, wenn ich da bei uns in den Hockey-kindergarten gucke, der mit fünf, vier, fünf anfängt, und dann auch die weiter führen-den Kindermannschaften, da sind die die ganze Zeit am Ticken, Spielen, Springen, Werfen, Fangen, Laufen, Verstecken, sich irgendwo den Berg Runterrollen oder auf einem Klettergerüst Rumturnen. Und das ist auch gut so. (Hockey, 024)

Allerdings folgt mit fortschreitendem Trainingsalter zeitnah eine Ausrichtung der Inhalte und Methoden an den Erfor-dernissen der zukünftigen Zielsportart. In Sportarten mit spätem Höchstleistungsal-ter werden Alternativen wie das Turnen durchaus länger als zielführendes Reser-voir ergänzender Aktivitäten angesehen. Hingegen fokussieren z. B. die Trainer der Spielsportarten ihre Bemühungen auf ei-ne Erweiterung des Erfahrungsschatzes der jungen Sportler mit dem zukünftigen Spielgerät.

Primär konditionelle Zielsetzungen. Ähn-lich den koordinativen werden auch die konditionellen Zielsetzungen im Ausbil-dungsverlauf auf die Erfordernisse der späteren Spezialsportart abgestimmt. Eine Ausnahme ist die Aneignung einer Grundkraft: Diese wird sportartüber-greifend als besonders wichtige Kompo-nente angesehen, da sie mit den Aspek-ten des muskulären Gleichgewichts, der Körperbeherrschung und -statik sowie der Rumpfstabilität verbunden wird und die sportartspezifische technische Aus-führungsqualität maßgeblich beeinflusst oder überhaupt erst ermöglicht. Zugleich wird ein muskuläres Mindestniveau als wesentliche Voraussetzung zur Bewälti-gung des täglichen Trainings beschrie-ben. Die vorbereitende Ausbildung einer hohen Belastungstoleranz hingegen wird von den Nachwuchstrainern durch den Grundsatz einer sportart- und disziplin-übergreifenden mechanischen Anforde-rungsvielfalt verwirklicht. Besonders in den Ausdauersportarten wird der Aspekt der Anforderungsvielfalt noch um phy-siologisch-energetische Komponenten der Leistungsfähigkeit (Herz-Kreislauf-System, Stoffwechsel) erweitert.

Ich kann noch mehr Abwechslung hinein-bringen und erreiche trotzdem das, was ich

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erreichen möchte. Sei es, ob ich nun eine Stunde Fußball spiele oder ich gehe eine Stunde im Park laufen oder ich spiele Bas-ketball oder irgendwas in der Art. Oder ich fahre Rad, also wenn ich jetzt Grundlagen-ausdauer mache. Ich kann praktisch das so vielseitig, so vielschichtig machen. (…) So habe ich praktisch vier Trainingsmittel, die ich für ein und das Gleiche anwenden kann. (Eisschnelllauf, 451)

Zwar ist die Idee einer vielseitigkeitsba-sierten metabolischen Anforderungsviel-falt sportartübergreifend in erster Linie im Rahmen einer periodisierten Jahres-planung von Bedeutung, aber gerade die Trainer aus Sportarten wie Rudern, Ski-langlauf etc. sehen sich zur Ausbildung ei-ner Grundlagenausdauer langfristig in be-sonderem Maße auf zusätzliche Sportar-ten angewiesen.

Primär kognitive Zielsetzungen. Die Aus-prägung dieser Zielrichtung konstituiert sich für die Trainer vor allem über Zu-schreibungen wie Spielintelligenz, Spiel-verständnis und allg. die Fähigkeit zu spie-len. Bezogen auf das Nachwuchstraining wird von den Befragten daher eine brei-te und vielfältige Ausbildung innerhalb der Sportspiele als unmittelbar förder-lich für die Qualität der speziellen Spiel-fähigkeit erachtet. Aufgrund der prinzi-piellen Strukturähnlichkeit vieler Sport-spiele, z. B. innerhalb der Invasions- oder Rückschlagspiele, erhöht sich die Anzahl unterschiedlicher Anforderungssituatio-nen, wenn weitere Sportarten hinzukom-men, sodass nach einer erfolgreichen Be-wältigung der hinzugekommenen Anfor-derungen für die Spieler langfristig mehr und hochwertigere Handlungsalternati-ven angenommen werden.

Die sind unheimlich gute Spieler, die se-hen das Spiel gut, die haben das Auge da-für. Du siehst, der Einstieg war spät, aber das Talent und die Grundausbildung, auch nicht spezialisiert, sondern eine ganz an-dere Sportart – das war schon eine Mann-schaftssportart, dadurch hatten sie viele Vorteile – aber die werden gut. (…) Und dann werden sie einige hier im Verein über-holen. (Eishockey, 258)

Bei einer zu frühen Festlegung auf nur eine Sportart wird gerade in dieser Sport-artengruppe die Gefahr des Überspielens oder des Überdrehens genannt, sodass sich das Bestreben, über Erfahrung Kreativität und Spielfreude zu entwickeln, ins Gegen-teil verkehrt. Auch die positionsbezogene Spezialisierung erfolgt aus diesem Grund erst zu einem möglichst späten Zeitpunkt.

L e r n t e m p o u n d A u f n a h m e f ä h i g -keit. Schließlich wird der Vielseitigkeit eine positive Wirkung bezüglich des Neu-lernens und Optimierens der Sporttech-nik auf Basis von (zukünftigen) Transfer-effekten zugeschrieben. Die in anderen sportlichen Disziplinen erworbenen Fer-tigkeiten wirken gemäß dieser Vorstel-lung als Katalysator für das intensivier-te Techniktraining der speziellen Ausbil-dung.

Da steht über das ganze Jahr im Mittel-punkt, dass man auch ganz andere Din-ge lernt wie zum Beispiel Turmspringen, irgendwelche Saltogeschichten. Oder Seil-springen, dass man Sprungformen lernt (…) je vielseitiger desto besser. Es geht da schon mehr darum, komplexe Bewegungs-abläufe schnell zu lernen. Also auch mit dem Ziel, dass man Technikvariationstrai-ning umsetzen kann, dass man Technik-korrekturen annehmen kann. (Nordische Kombination, 805)

KompensationseffekteAusgangspunkt dieser Zielrichtung ist die Annahme, dass ein ausschließliches Trai-ning in der Spezialsportart nicht alle Vo-raussetzungen dafür schafft, dass die mit dem Sport verbundenen Anforderungen erfüllt werden können. Eine Diversifizie-rung verfolgt aus dieser Perspektive da-her vor allem subsidiäre Ziele. Dies be-trifft zum einen körperliche Aspekte – z. B. wenn eine psychophysische Regene-ration, der Ausgleich muskulärer Dysba-lancen oder die Vermeidung von Über-lastungserscheinungen und -verletzun-gen angestrebt wird.

Diese Grundlagen und dann auch diese Kraft, dieses muskuläre Gleichgewicht, die-se Dysbalancen, die zum größten Teil da sind – also hier gerade im Rumpfbereich sehen wir das ja ganz viel –, die schaffst du

später nicht. Wenn der dann 19, 20 ist, da passiert nichts mehr. Also muss das schon in diesem unteren Bereich entwickelt wer-den, wie gesagt Rücken, Bauchmuskula-tur, Motorik, Fertigkeit, mal eine Rolle vor-wärts. (Rudern, 690)

Auf der anderen Seite umfassen die-se Zielsetzungen auch das kognitive und emotionale Bedürfnis nach Abwechslung und danach, sich in anderen Aktivitäten auszutoben. Aus sozialer Perspektive sol-len Ergänzungs- oder Zweitsportarten dem Sportler die Möglichkeit bieten, in einem neuen sozialen Umfeld mit einem anderen Trainer oder innerhalb einer neu besetzten Trainingsgruppe das eigene Rollenset zu erweitern oder zu verändern.

Dann können die sich hier austoben, da sind teilweise auch AG-Kinder da, dann 30, 40 Leute hier in der Halle. Und das nut-zen die Jungs in den Ferien auch, also wir versuchen da eher den Charakter ein biss-chen zu verändern von dem, was wir ma-chen. Natürlich auch die Inhalte verändern und auch mal in einer anderen Atmosphä-re oder andere Leute – anderen Umgang. (Basketball, 1614)

Sportart-, personen- und kontextabhängiger Abstimmungsprozess

Obwohl die Leistungsstruktur der jewei-ligen Sportart durchaus Hinweise zur Be-gründung und Ausprägung diversifizie-render Maßnahmen liefert, reicht sie für sich genommen häufig nicht aus, um ins-besondere die fallspezifische Varianz hin-sichtlich der langfristigen Integration wei-terer Sportarten (innerhalb und außer-halb des organisationalen Rahmens der Hauptsportart) zwischen Trainern der gleichen Sportart(engruppe) zu erklären. Vielmehr kann die individuelle Entschei-dung über die konkrete Ausgestaltung des komplementären Verhältnisses von spezifizierenden und diversifizierenden Maßnahmen jeweils als das Ergebnis eines fallspezifischen Abstimmungsprozesses be-schrieben werden, für den die Interde-pendenzen von vier zentralen Kategorien konstitutiv sind. Ausgehend von einem Verständnis von Vielseitigkeit als Merk-mal intentionaler sportlicher Tätigkeiten

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und Maßnahmen (Ausbildungsstrategie), bezieht dieser Prozess neben den Anfor-derungen der betrachteten Sportart auch das Potenzial des einzelnen Sportlers, die zugeschriebenen Vorteile und Wirkun-gen sowie die wahrgenommenen Restrik-tionen mit ein (. Abb. 2).

Sportartbedingung

Aus Sicht der interviewten Erfolgstrai-ner wird die komplementäre Ausgestal-tung der Trainingsdiversifizierung und -spezialisierung im Rahmen des Kon-zepts der Vielseitigkeit in allererster Linie aus der vorgegebenen wettkampfspezifi-schen Leistungsstruktur der Zielsportart abgeleitet.

Die Komplexität des Sports Fußball ist so hoch mittlerweile, dass es da jetzt nicht ein-fach nur um athletische Dinge geht. Klar wird der Fußball immer schneller und wird auch immer athletischer. Aber es geht ein-fach auch heutzutage um sehr viele techni-

sche, taktische Dinge, vor allem taktische Dinge. Wenn man die von klein auf nicht mitkriegt, die zu lernen, das wird ganz ganz schwierig. (Fußball, 229)

Insbesondere die Trainer in den (großen) Sportspielen, den technisch-kompositori-schen Sportarten und im Judo verweisen auf die Aufgabenvielfalt des Wettkamp-fes, welche regelmäßig die Bandbreite der endogenen Leistungsdispositionen der Sportler übersteige, sodass im Vergleich zum Training ein Komplexitätsüberhang der Wettkampfanforderungen bestehe. Daher wird in diesen Sportarten die Aus-bildungsstrategie enger an der wettkampf-spezifischen Leistungsstruktur ausgerich-tet, was in der frühen Fokussierung des Trainings auf die (komplexen) Ausbil-dungsinhalte der Hauptsportart mündet. Zugleich sehen diese Trainer die unmittel-bare Festlegung ihrer Athleten und Spie-ler auf eine Disziplin bzw. Position zu-meist kritisch – trotz des (teilweise) frü-hen Hochleistungsalters und ungeachtet

der wahrgenommenen hohen Sportart-komplexität.

Wir sind ja eine sehr vielseitige Sportart. Bei uns geht’s darum, dass die Sportler oder die Kinder erst mal lernen mit ihrem Kör-per umzugehen, sprich: Haltung Spannung, Koordination, Beweglichkeit, die grade im Vorschulalter sehr gut auszubilden sind. Das ist das, was unsre Sportler ja brauchen bis in den hohen Bereich. Das reine Was-serspringen, der Sprung an sich, das kommt dann wirklich erst zweite, dritte, vier-te Klasse. Aber die brauchen eine ordent-liche Grundausbildung in der Athletik, in der Grundlagenakrobatik, im Trampolin-springen. Dazu braucht man, sag ich mal, zwei, drei Jahre, um die so vorzubereiten, dass dann das Springen im Wasser richtig losgehen kann. (Wasserspringen, 117)

In Sportarten mit geringerer Aufgaben-vielfalt hingegen – z. B. im Ruder- oder Radsport – wird mit einer möglichst ho-hen Beanspruchungsvielfalt im Kindes- und Jugendalter ein koordinatives und konditionelles Überpotenzial an Leis-tungsvoraussetzungen als positiv erach-tet, um der Gefahr einer psychophysi-schen Überlastung durch zu frühe einsei-tige Wettkampf- und Trainingsbelastun-gen wirksam zu begegnen.12

Personenmerkmale

Im Rahmen der fest vorgegebenen Wett-kampfbedingungen ihrer Zielsportart richten die Nachwuchstrainer das kon-krete Ausmaß der Trainingsdiversität v. a. an der Vielfalt der individuellen Leis-tungsdispositionen aus: Je vielseitiger be-gabt ein Nachwuchssportler ist, desto zielgerichteter bzw. spezialisierter kann der sportartbezogene Ausbildungspro-zess verlaufen. Auf der anderen Seite ver-suchen die Erfolgstrainer gerade bei sol-chen Nachwuchssportlern, deren her-ausragende spitzensportliche Perspekti-

12 Eine Konstellation, bei der ein gering aus-gebildetes Potenzial sehr vielseitigen Anforde-rungen einer hochkomplexen Sportart gegen-übersteht und bspw. durch eine extrem diver-sifizierte Ausbildungsstrategie in eine erfolg-reiche Leistungsentwicklung überführt werden soll, wurde hingegen von den Trainern nicht weiter thematisiert.

Voraussetzungsvielfalt

Aufgabenvielfalt

Anpassu

ngsviel

falt

Beansp

ruch

ungsviel

falt

Lösungsvielfalt

Trainingsspezi�zierungTrainingsdiversi�zierung

Div

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�zie

rung

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Anforderungsvielfalt

Personmerkmal

Kontextuelle Ein�üsseZiele/Wirkungen

Transfere�ekte

Kompensationse�ekte

Ressourcen

Grati�kationsproblem

Konkurrenz der Sportarten

Ausbildungsdauer

Sportartbedingung

Vielseitigkeit als Ausbildungsstrategie

Abb. 2 8 Konzeptualisierung des Problems der Vielseitigkeit in den frühen Phasen des Nachwuchs-trainings aus Sicht der Trainer

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ven auf einer seltenen Ausprägung ledig-lich ganz bestimmter, sportartspezifisch führender Leistungsvoraussetzungen im Sinne einer Sonderbegabung beruhen, die Grenzen dieses Begabungspotenzials mit einer ausgeprägten Trainingsdiversifizie-rung und hoher Beanspruchungsvielfalt auszuweiten.

Zum Beispiel [Sportler X] ist einer derjeni-gen, der in dem unteren Bereich sehr wenig allgemeine Bewegungserfahrung hatte (…). Wenn [Sportler X] jetzt noch in seinem Al-ter vom Startblock Fußsprung reinmacht, dann vom Boden nach oben abspringt, pro-biert, an so eine Fähnchenleine zu fassen, dann wieder runter, dann nochmal hoch-springt, eine Rolle vorwärts macht, wieder runter und dann nochmal eine Rolle vor-wärts und einen Sprint, da gucken viele El-tern von oben und sagen: ‚Naja, haben wir heute ja wieder ein schönes Kinderspielchen gemacht.‘ Aber es hat schon einen tieferen Sinn, ich meine, für [Sportler X] ist es un-angenehm, aber es hat eben den Sinn, be-stimmte Sachen zu entwickeln oder zu fes-tigen. (Schwimmen, 514)

Sehr viel häufiger als das eher seltene Phä-nomen einer individuellen Sonderbega-bung wird jedoch ein unzureichendes motorisches Ausgangsniveau der Kinder, insbesondere in den frühen Etappen des Nachwuchstrainings, beschrieben. Die koordinative und konditionelle Grund-ausstattung der Nachwuchsathleten bei Trainingsbeginn wird von den befragten Trainern überwiegend als defizitär wahr-genommen und verstärkt die Problema-tik, Kinder und Jugendliche angemessen auf die Anforderungen eines leistungs-sportlich orientierten Trainings vorzube-reiten.

Es ist tatsächlich so, also hier in [der Stadt] ist es zumindest so, dass sehr, sehr viele Kin-der auffallen dadurch, dass sie motorisch-koordinativ wirklich ganz schwach sind. Es gibt Kinder, wenn du die rückwärts lau-fen lässt – die fallen um. Also Purzelbaum brauchst du gar nicht anzufangen, es ist schon so, dass wir auf einem sehr sehr nied-rigen Level anfangen. (Badminton, 347)

Die Ursachen dieses wahrgenommenen Vielseitigkeitsdefizites seien aus Sicht der

Interviewten weniger innerhalb des origi-nären Aufgabenfeldes des leistungssport-lichen Trainings denn außerhalb zu su-chen: in der mangelnden Bewegungsför-derung abseits der Sportvereine (z. B. ge-ringer Stellenwert des Schulsports) und im allgemeinen Lebenswandel mit seinen erweiterten Möglichkeiten der Freizeitge-staltung.

Thema Schulsport, also die tägliche Schul-sportstunde – ich weiß nicht, ob eine Stun-de ausreicht –, aber qualifizierten Sport, wo eben die ganzen Erkenntnisse auch berück-sichtigt werden, die man kennt, eben mit Vielseitigkeit, koordinativen Aspekten, Kör-perbeherrschung. Einfach, was darauf ab-zielt, dass man seinen eigenen Körper eben beherrscht, Turnen. Dass man sich bewe-gen kann, dass man sich auch länger bewe-gen kann, ohne zu ermüden. Eben das, was früher so normal war. (…) Wir sind früher viel draußen rumgerannt, auf den ganzen Wiesen und überall. Da war das kein The-ma, Sport war die Lieblingsbeschäftigung, weil’s eben nicht viele andere Ablenkungs-möglichkeiten gab, wie Laptop, Fernseher, Handy. (Nordische Kombination, 1504)

Schließlich werden von den Trainern je-doch auch solche Kinder beschrieben, die als Multitalente gleich in mehreren sport-lichen Disziplinen zukünftige Höchstleis-tungen erreichen könnten, wenngleich infolge der beständig ansteigenden Welt-spitzenleistungen und der damit einher-gehenden Trainingsanforderungen sog. Alleskönner eine Ausnahme darstellen.

Wahrgenommene Restriktionen

Trotz oder gerade wegen der Bedeutung, welche die Trainer der Vielseitigkeit bei-messen, wird die Wahl und Durchsetzung der Ausbildungsstrategie zumeist als pro-blematisch angesehen. Vor allem in Sport-arten, deren Struktur eine frühe Speziali-sierung aufgrund des Höchstleistungs-alters nicht notwendig macht bzw. sogar gefährlich erscheinen lässt, sehen sich die Trainer bestimmten äußeren Zwängen ausgesetzt, welche sie in ihrer Entschei-dungsautonomie einschränken.

Limitierte Ressourcen. Ungeachtet der Be-mühungen einer frühen Talentrekrutie-

rung finden viele Athleten den Einstieg in die frühen Etappen des Leistungssports über das familiäre Umfeld und nah gele-gene Heimatvereine. Insbesondere klei-nere und finanzschwache Vereine sehen sich bei der Durchführung des Nach-wuchstrainings auf ehrenamtlich enga-gierte Trainer angewiesen, deren Verfüg-barkeit und Qualifikation die Möglichkeit eines polysportiven oder interdisziplinä-ren Trainings einschränkt. Sportstätten und -geräte weiterer Sportarten stehen in diesen Vereinen, wenn überhaupt, eben-falls nur begrenzt zur Verfügung. Dies führt in der Gesamtschau zu einer Re-duzierung der zur Verfügung stehenden Trainingszeit, welche daraufhin primär in das Betreiben der Hauptsportart inves-tiert wird.

Wenn man aber jetzt mit den Leuten in den Randstützpunkten mal fragt: ‚Wie sieht das aus?‘ ‚Ja, wir machen zweimal in der Wo-che Wassertraining. Und für Athletik ha-ben wir keine Zeit, dafür haben wir eine Bahn, weil der Schwimmer wird immer mit einem Becken in Verbindung gebracht. Wo-zu braucht der eine Turnhalle oder ne Spiel-halle?‘ (Schwimmen, 238)

„Gratifikationsproblem“. Durchaus kritisch wird von einigen Befragten der Wettbe-werb zwischen Vereinen oder das kurz-fristige Erfolgsstreben verantwortli-cher Trainer betrachtet. Die latente Ge-fahr einer Überbewertung juveniler Wett-kampferfolge stellt in den Argumentatio-nen einiger Trainer dabei durchaus ein häufiges Motiv dar.

Also, ich bin zum Beispiel auch nicht damit einverstanden, dass in dem Alter U10, U12 irgendwelche Meisterschaften gespielt wer-den. Ich bin durchaus für den Wettkampf, auch gegen andere Vereine, gegen ande-re Mannschaften, aber ich bin nicht da-für, am Ende der Saison zu sagen: ‚So ihr seid jetzt die beste Mannschaft in [Bundes-land].‘ Und Zwölfjährigen noch eine Me-daille umzuhängen, ich glaube, das trifft es nicht. Und ich glaube, es ist auch insgesamt ein bisschen eine Problematik, die wir in Deutschland haben, dass viele oder einige Trainer immer wieder nach dem kurzfristi-gen Erfolg schielen (…). Es gibt genug Trai-ner, die dann sagen: ‚Super, wir gewinnen

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hier hoch und ich habe eine super Mann-schaft.‘ (Basketball, 362, 376)

Auch die Eltern können in frühen Trai-ningsphasen, in denen die Trainer eher unspezifisch trainieren wollen, als trei-bende Kraft einer frühen Spezialisie-rung wirken. Offensichtlich werden hier-für Sportarten als besonders prädestiniert angesehen, welche nach erfolgreichem Eintritt in eine Profikarriere mit einer ho-hen pekuniären Gratifikation aufwarten können, allerdings bleibt das Phänomen des elterlichen Einflusses nicht auf diese Sportartengruppe beschränkt:

Das ist auch so eine Geschichte, die auch als Anforderung von den Eltern gegeben ist. Wir haben im DHB lange Jahre propagiert, dass wir eben viel, eine Vielseitigkeit brau-chen im Jugendbereich. Und dass aber vie-le Eltern, wenn man viel allgemeine Ausbil-dung macht, sagen: ‚Ja, Moment mal, wir wollen doch, wir sind doch im Hockeyver-ein!‘ (Hockey, 153)

Konkurrenz der Sportarten. Der Druck einer frühen Spezialisierung geht häu-fig auf die wahrgenommene Konkurrenz zwischen den Sportarten zurück. Weil die Talentsichtung und -förderung über-wiegend eigenverantwortlich von einzel-nen Trainern, Vereinen und Verbänden durchgeführt wird, hat sich hier ein äu-ßerst kompetitives Feld bzw. ein regel-rechter Wettlauf um die sportlichen Ta-lente entwickelt. Als Motiv für die im-mer früher einsetzenden Sichtungsmaß-nahmen erweist sich die Befürchtung, langfristig keinen ausreichenden Pool an sportlich begabten Kindern und Jugend-lichen für einen ergiebigen Auswahlpro-zess zur Verfügung zu haben.

Unter diesem Aspekt der Sportartenkon-kurrenz – und das ist tatsächlich auch so, das habe ich jetzt festgestellt. Ich frage dann die Kinder in der AG immer, was sie denn so für Sportarten machen. Die Jungs, die sportlichen Jungs, die sind alle schon woan-ders. Also die haben schon einen Erstsport-verein. Die sind meistens beim Fußball, ei-nige sind beim Handball, einige sind bei der Leichtathletik, aber der größte Teil ist ein-fach beim Fußball. Die fangen einfach viel früher an. (Badminton, 358)

Mit einer möglichst frühen Bindung an die zukünftige Spezialsportart wird da-her ein Verbleib der Nachwuchssportler in der einmal begonnenen Sportart an-gestrebt, damit Talente nicht zu promi-nenteren (lukrativeren, prestigeträchti-geren) Sportarten wie Fußball oder Ten-nis abwandern. Tatsächlich scheinen Re-nommee und Verdienstaussichten bei der Auswahl der Sportarten derart von Be-deutung zu sein, dass selbst bei geringer Aussicht auf eine spitzensportliche Kar-riere häufig eher ein letztlich in Freizeit-sport mündender Verbleib in der attrakti-ver scheinenden Sportart gewählt wird als ein Wechsel zu einer unpopulären Sport-art mit Aussicht auf höherklassige Wett-kampferfolge.

Wo würden denn dann die Eltern ihre Kin-der hingeben, wenn dann der Fußballtrai-ner und der Tennislehrer kommt und sagt: ‚Also begabt, Ballgefühl sieht eigentlich nicht schlecht aus und später mal Millio-när‘. Das hört sich doch nicht schlecht an und dann kommt der Schwimmtrainer und sagt: ‚25 Stunden in der Woche Training bis zum Erbrechen, völlig ausgelaugt kommen die nach Hause, schulische Leistungen wer-den schlechter, kein Millionär. Maximal so, dass er in dem Bereich noch leben kann.‘ Da haben wir keine Chance. Also müssen wir die Sache genau anders herum ma-chen. Natürlich eindeutig nicht positiv für den Sport, aber unsere einzige Chance, um zu überleben. Das heißt wir sichten so früh, dass die Leute vom Markt sind. (Schwim-men, 360)

Konsequenterweise steht die Idee einer polysportiven Ausbildung in unter-schiedlichen Vereinen diesem konkur-renzbasierten Vorgehen entgegen, vor al-lem dann, wenn im Extremfall die Aus-übung einer Zweit- oder Ergänzungs-sportart aus Gründen der Rivalität nicht nur nicht empfohlen, sondern sogar ab-gelehnt wird. Fehlende Sporterfahrung könnte zwar aus trainingsmethodischer Sicht zunächst mit einer Erhöhung des Umfangs an allgemeinen Ausbildungsin-halten kompensiert werden, allerdings se-hen sich die Trainer durch dieses Vorge-hen erneut vor die Herausforderung ge-stellt, die ohnehin als knapp wahrgenom-

menen Ressourcen entsprechend zu er-weitern.

Ausbildungsdauer. Um Wettkampferfolge auf internationalem Niveau zu erzielen, wird, unabhängig vom Höchstleistungs-alter, eine allzu breit angelegte Ausbil-dung von den befragten Trainern kritisch beurteilt. Nur wenige Trainer nennen ex-plizit die Möglichkeit eines Quereinstiegs. In den meisten Fällen werden Defizite in der speziellen Ausbildung (spätestens mit Beginn des Jugendalters) als nicht mehr kompensier- bzw. substituierbar angese-hen. Auch angesichts der kontinuierli-chen Weiterentwicklung des technischen und konditionellen Wettkampfniveaus sehen sich die Trainer in der speziellen Ausbildung einem hohen Zeitdruck aus-gesetzt. Um international anschlussfähig zu bleiben, wird daher der möglichst frü-he Einstieg in die Zielsportart als notwen-dige Voraussetzung erachtet.

In der Regel ist es ja so, dass eine Sport-art ganz allgemein früh begonnen werden muss. Also ich bin mit für die polysporti-ve Ausbildung, find ich gut, das ist ganz wichtig. Aber ich denke auch, dass es ganz wichtig ist, früh in der Sportart zu begin-nen, in der man einfach dann später mög-lichst hochklassig spielen und trainieren will. (…) Meine positive Erfahrung ist, je früher desto besser. Volleyball selbst ist so komplex, da gibt´s so viele Sachen zu ler-nen. (Volleyball, 146)

Diskussion und Fazit

Die Analyse der Interviewdaten förder-te unterschiedliche Interpretationen von Vielseitigkeit zu Tage, welche sich u. a. in divergierenden Annahmen über die Klas-sifikation von diversifizierenden oder spe-zialisierenden Maßnahmen sowie deren Verhältnis zueinander äußerten. Darü-ber hinaus zeigen die Ergebnisse der vor-liegenden Studie, dass die Entscheidung über die langfristige Ausgestaltung einer polysportiven Ausbildungsstrategie aus einem differenzierten Abwägungsprozess hervorgeht. Der grundsätzliche Stellen-wert einer Trainingsdiversifizierung wird aus der egologischen Sichtweise der Trai-ner v. a. mit der Anzahl und Gewichtung der ihr zugeschriebenen Funktionen und

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Wirkungen begründet. Problematisiert wird das Vielseitigkeitskonzept somit we-niger im Kontext der weithin überein-stimmend geteilten Forderung nach einer bestmöglichen Variation von Trainings-mitteln, -inhalten und -methoden inner-halb der sportartspezifischen Nachwuchs-ausbildung. Vielmehr wägen die Erfolgs-trainer ihre Vorgehensweise mit Blick auf die Rahmenbedingungen der jeweiligen Sportart einerseits und die individuellen Voraussetzungen der Nachwuchssport-ler andererseits ab. Zu diesen inhaltlich-methodischen Gesichtspunkten kommen nach Ansicht der befragten Trainer poli-tisch-organisatorische Einschränkungen hinzu, welche die praktische Umsetzung eines optimalen Vielseitigkeitskonzeptes beeinflussen. Über den bisherigen For-schungsstand zur grundsätzlichen Bedeu-tung und zu den Effekten einer vielseiti-gen Trainingsgestaltung hinaus zeigen die vorliegenden Ergebnisse, dass zukünftige Untersuchungen und Empfehlungen zur komplementären Ausgestaltung des Viel-seitigkeitsprinzips sowohl die sportartspe-zifischen Bedingungen als auch die per-sonalen Dispositionen der Nachwuchs-sportler als relevante Dimensionen stär-ker berücksichtigen müssen. Zwar ist die prinzipielle Relevanz der sportartbeding-ten Besonderheiten als erstes Unterschei-dungsmerkmal in der trainingswissen-schaftlichen Literatur weitestgehend un-strittig (Martin et al., 1999), doch sind sie als wesentlicher Faktor für die Entschei-dung über eine Ausbildungsstrategie nicht hinreichend ausdifferenziert worden. Zu-dem wurde in der vorliegenden Studie die Strategie der Trainer identifiziert, Emp-fehlungen und Handlungen in Abhän-gigkeit von den individuellen Vorausset-zungen der Nachwuchssportler zu modi-fizieren, um im Hinblick auf die perspek-tivische Leistungsfähigkeit eine optimale Übereinstimmung zwischen den Voraus-setzungen des Sportlers und den Anfor-derungen der Sportart zu schaffen. Auch dieser Aspekt wurde in der trainingswis-senschaftlichen Literatur bisher zu wenig beachtet.

Im Mittelpunkt qualitativer Sozialfor-schung steht die verstehende Beschrei-bung von Realität und weniger deren Abbildung (z. B. Flick, 2008). Demnach unterliegen auch die Ergebnisse dieser

Untersuchung hinsichtlich ihrer Reich-weite bzw. ihren Geltungsbereich be-stimmten Besonderheiten und müssen zudem in ihrem Entstehungskontext be-trachtet werden. Zwar kann vorliegender Beitrag nicht auf alle Details dieser Bezie-hung eingehen, gerade im Hinblick auf die angestrebte praktische Verwertbarkeit trainingswissenschaftlicher Ergebnisse sind jedoch zwei Aspekte hervorzuheben:

Erstens sind die im Rahmen des Bei-trags rekonstruierten Motive und deren Zusammenhänge mit den thematischen Facetten des Vielseitigkeitskonzepts auf-grund des ideographischen Charakters dieser Motive in unterschiedlichem Maße erhärtet und reichen von in hohem Maße übereinstimmend mit der trainingswis-senschaftlichen Literatur geteilten Aus-sagen bis hin zu vorerst hypothetischen Interpretationen. Anders formuliert: Sub-jektive Konzepte enthalten immer sowohl Aussagen und Aspekte, die nach gelten-den Standards der Sportwissenschaft auf ihren intersubjektiven Wahrheitsgehalt hin grundsätzlich überprüfbar sind (und evtl. bereits überprüft wurden), als auch Aussagen, die einer solchen Überprüfung prinzipiell nicht zugänglich sind (Pitsch, 1999). Aufgrund dieses unterschiedli- chen empirischen und intersubjektiven Bewährungsgrades der qualitativ gewon-nenen Befunde erscheinen zu einzelnen Fragestellungen weiterführende und em-pirisch-quantitativ ausgerichtete Längs-schnittstudien „im Feld“ unbedingt er-forderlich. Beispielsweise ist die Idealvor-stellung eines breiten motorischen Fun-daments, dessen Niveau die Aneignung [i. S. einer „preparation for future lear-ning“ (PFL); Bransford & Schwartz, 1999] und perspektivische Qualität sportartspe-zifischer Fertigkeiten aufgrund zu erwar-tender Transfer- und Kompensationsef-fekte maßgeblich beeinflusst, bisher em-pirisch nur unzureichend belegt. Wäh-rend der direkte Transfer kardiovasku-lärer und peripherer Trainingsanpassun-gen, z. B. durch Cross-Training, als wei-testgehend gesichert gelten (Kaleth & Mikesky, 2010), wurde der positive Ein-fluss eines Samplings im Kindes- und Ju-gendalter auf koordinative Fähigkeiten und technische Fertigkeiten bisher nur vereinzelt (z. B. Fransen, Pion, Vanden-driessche, Vandrope, Vaeyens, Lenoir et

al., 2012) untersucht. Ein direkter Trans-fer kognitiv-taktischer Aspekte, z. B. in den Spielsportarten, ist zwar wahrschein-lich (Roca, Williams, & Ford, 2012; Ber-ry, Abernethy, & Côté, 2008; Abernethy et al. 2005), doch ist der Zusammenhang mit langfristigen Leistungsvorsprüngen bisher nicht eindeutig belegbar (Mem-mert & Roth, 2007). Als mögliche Erklä-rung von Leistungsunterschieden werden daher bisweilen Differenzen in der zu-sätzlich, d. h. außerhalb des organisier-ten Trainings, kumulierten Spielzeit („de-liberate play“) herangezogen (Berry et al., 2008; Zibung & Conzelmann, 2012), da sich die besten Sportspieler bezüglich des Trainingsumfangs in der Spezialsportart bis zu einem gewissen Punkt kaum von weniger erfolgreichen Spielern zu unter-scheiden scheinen. Während diese Dif-ferenzen für das Jugendalter zumindest teilweise nachgewiesen werden konnten (Ford et al., 2009; Weissensteiner et al., 2008), korreliert der Umfang von „delibe-rate play“ mit dem Erfolgsniveau im Spit-zensport in mehreren Studien sogar nega-tiv (Memmert et al., 2010; Duffy, Baluch, & Ericsson, 2004; Baker, 2003). Der Nach-weis einer grundsätzlichen und langfristi-gen Überlegenheit eines so diversifizier-ten Trainings steht mithin noch aus.

Zweitens zeigen die rekonstruierten Konzepte der Trainer bezüglich der Inte-gration weiterer Sportarten teils deutliche Divergenzen zu den Ergebnissen der ret-rospektiven Athletenbefragungen. So fin-den sich in den Ergebnissen der vorliegen-den Untersuchung kaum Strategien, wel-che sich eindeutig einem der beiden leis-tungssportlichen Ausbildungspfade des DMSP zuordnen lassen. Vielmehr inte-grieren die befragten Trainer in der Re-gel konstitutive Elemente beider Ausbil-dungswege in ihre Ausbildungsstrate-gie, so dass diese sowohl einen frühzei-tigen Trainingsbeginn in der Zielsport-art, als auch einen (variierenden) Anteil von Sportartendiversität beinhalten. Zur weiteren Erklärung und Einordnung der dargestellten Konzepte sind neben den rekonstruierten Wahrnehmungen, Inter-pretationen und Präferenzen der befrag-ten Trainer daher auch Einflüsse des in-stitutionell-normativen Kontextes zu be-rücksichtigen. Bezogen auf die Vielseitig-keit als Ausbildungsstrategie sehen sich

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Hauptbeiträge

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die Nachwuchstrainer mit konfligieren-den normativen Erwartungen und An-forderungen aus unterschiedlichen Um-weltsegmenten konfrontiert, welche in der Wahl zwischen zwei unterschiedli-chen Handlungsalternativen gipfeln – re-präsentiert durch die beiden idealtypi-schen Ausbildungspfade des DMSP: Auf der einen Seite fungieren Frühspezialisie-rung und „deliberate practice“ als Spiegel-bild einer streng leistungsorientierten Ge-sellschaftsordnung, in der über die konti-nuierliche Erfüllung von Zielvereinbarun-gen Erfolge planbar und Erträge messbar gemacht werden (z. B. Bromley & Powell, 2012). Auf der anderen Seite wird mit den verschiedenen Elementen des Vielseitig-keitskonzeptes (insbesondere dem Sam-pling mehrerer Sportarten) die Idee eines humanen und nachhaltigen Leistungs-sports verbunden, in dessen Zentrum auch die Wahrung der „Kindheit als so-ziale Institution“ (Emrich & Flatau, 2007) steht. Allerdings widerspricht die konse-quente Umsetzung einer auf Sampling be-ruhenden Ausbildung den Vorstellungen von Planbarkeit und Transparenz der pri-mären Bezugseinheit (Vereine, Verbände etc.), da sie zunächst mit deutlich mehr Unsicherheit bezüglich des Verbleibs in der eigenen Trainingsgruppe oder Sport-art verbunden zu sein scheint. Diese Ent-sprechung der normativen Erwartun-gen der übergeordneten sozialen Einhei-ten limitiert somit bereits die vorhande-nen Handlungsspielräume der Trainer (Scharpf, 2000). Gleichzeitig sichert eine Übereinstimmung ihrer Ausbildungskon-zepte mit den Werten und Normen der unterschiedlichen Anspruchsgruppen die Legitimität der Leistungssportausbildung. In Abhängigkeit von der individuellen Be-reitschaft zur Mobilisierung dieser An-spruchsgruppen verfolgt die Entwicklung einer eigenen Ausbildungsstrategie unter Berücksichtigung und (variablen) Inte-gration diversifizierender Maßnahmen letztlich auch eine Erhöhung der Legiti-mität ohne gleichzeitig die interne „Pro-duktion“ (i. S. einer frühen Sichtung und Bindung an die eigene Sportart) gefähr-den zu müssen (Brunsson, 1986; Bruns-son, 2006).

Darüber hinaus sind dadurch, obwohl eine methodisch kontrollierte Erhebung und Rekonstruktion der subjektiven Kon-

zepte die Qualität der Daten und Interpre-tationen sicherstellen soll, systematische Verzerrungen durch eine strategisch ange-legte Kommunikation im Einzelfall nicht auszuschließen (Flick, 2008). Spätestens dann, wenn Aussagen bewusst entgegen der eigenen Überzeugung, primär zur Le-gitimation des eigenen Handelns oder der eigenen Position (Klein, Pitsch, & Em-rich, 2008) formuliert werden könnten, kommt der Berücksichtigung des Ant-wortverhaltens der Interviewten, im Sin-ne einer Vermeidung solcher Verzerrun-gen, eine besondere Bedeutung zu. Dies betrifft hauptsächlich Personen oder Or-ganisationen, welche sich unterschiedli-chen bzw. konkurrierenden Ansprüchen ausgesetzt sehen. Für die Trainer im Be-rufsfeld Nachwuchsleistungssport ist dies insofern relevant, als neben den unmittel-baren Handlungsnotwendigkeiten einer leistungssportlichen Praxis auch Eltern, Politik und weitere Bezugsgruppen des institutionellen Umfeldes ihre spezifi-schen Erwartungen an den Nachwuchs-leistungssport formulieren. Bezogen auf das Ausbildungskonzept Vielseitigkeit besteht die Gefahr, dass Reden, Entschei-den und Handeln (Brunsson, 2006) nicht übereinstimmen, v. a. aufgrund der z. T. ideologischen Zuspitzung auf zwei alter-native Ausbildungswege – verstanden als Repräsentanten der jeweiligen konkurrie-renden Ansprüche. Doch ist dieses Ausei-nanderfallen „not merely an active answer to conflict; it also arises as a result of con-flict“ (Brunsson, 2007, S. 120). Ungeachtet der häufig angestrebten Umsetzung eines differenzierten inhaltlich-methodischen Vielseitigkeitskonzeptes kommt es für die Trainer einiger Sportarten zu dem Dilem-ma zweier prinzipiell gleichrangiger An-sprüche, z. B. zur Forderung nach Schaf-fung vielseitiger Voraussetzungen im Sin-ne eines nachhaltigen Trainings einer-seits und jener nach kurzfristigem Wett-kampferfolg andererseits. Allerdings ist die Ausgestaltung des langfristigen Nach-wuchstrainings (bedingt durch die Ge-staltungsmacht der Trainer) auch im-mer das Ergebnis individueller Interpre-tations-, Transformations- und Konstruk-tionsleistungen, basierend auf erworbe-nen und erfahrungsbasierten Wissensbe-ständen. Zugänglich sind diese subjekti-ven und vielfältigen Wissensbestände nur

über den Einsatz rekonstruktiver Metho-den. Das systematische Identifizieren und Verstehen von Problemlagen der handeln-den Akteure auf Basis qualitativer Unter-suchungen besitzt daher nicht nur explo-rativen Charakter. Es kann auch das Ver-ständnis über verschiedene Komponen-ten des Nachwuchstrainings um Aspek-te erweitern, welche über quantitative Er-hebungsverfahren nicht zugänglich sind. Im Fall des Problemfeldes der Vielseitig-keit können die praxisbewährten Deutun-gen der Nachwuchstrainer in erster Linie als Ausgangspunkte für die weitere Su-che nach Erkenntnissen (Grundlagenfor-schung) und Lösungsstrategien (Anwen-dungsforschung) dienen. Daher sind die vorliegenden Ergebnisse schon alleine we-gen ihrer feldbasierten Herkunft und der kommunikativen Entstehungslogik in ers-ter Linie als Angebot zur Reflexion und zur Sensibilisierung (von Kardoff, 2008) für die Problemlagen der handelnden Ak-teure zu verstehen.

Korrespondenzadresse

L. VoigtInstitut für SportwissenschaftUniversität Bayreuth 95440 Bayreuth [email protected]

Interessenkonflikt. L. Voigt, A. Singh und A. Hoh-mann geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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