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VL Wirtschaftsbereiche
VU Europ. und österreich. WiVerwR
VL Wirtschaftsverwaltungsrecht für ReWiTech
1
Thomas Trentinaglia
Telekommunikation
2
Regulierungsrecht, Historische Entwicklung
� Telekommunikationsrecht als Regulierungsrecht (§ 1 Abs 2 TKG)
� Regulierungsrecht bezweckt die Schaffung von Wettbewerb in ehemals
monopolisierten Wirtschaftsbereichen
� Historische Entwicklung des Telekommunikationsrechts:
� Ende 19. Jhd.: Verstaatlichungen � Post- und Telegraphenverwaltung
� Seit 1980er: Schaffung von Wettbewerb als Zielsetzung der
Gesetzgebung � gleichzeitig Regulierung
� 1996: Umwandlung der Post- u. Telegraphenverwaltung in eine
Aktiengesellschaft (heute: Telekom Austria AG): Holdinggesellschaft
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Internationales Recht
� General Agreement on Trade in Services (GATS) – Anhang über
Fernmeldewesen
� Art 5 lit a des Anhangs über Fernmeldewesen: Zugang und Benützung
öffentlicher Telekommunikationsnetze (gleich wie sonstigen Endkunden)
� Auf Ebene des internationalen Rechts kein Marktzutritt als
Diensteanbieter eingeräumt.
� Internationale Fernmeldeunion (ITU)
� Frequenzzuteilung und –nutzung, Internationale Standards, Länder-
Vorwahlen
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Unionsrecht
� Primärrechtliche Grundlage: Art 114 AEUV, Art 106 AEUV
� EuGH 19.3.1991, C-202/88)
� Ziele des Europäischen Telekommunikationsrechts
� Liberalisierung des Wettbewerbs, Aufhebung ausschließlicher Rechte,
� Sicherstellung des öffentlichen Versorgungsauftrags
� Rechtsharmonisierung
� Anwendung des Wettbewerbsrechts
� Entwicklungsschritte
� Schrittweise Liberalisierung der Märkte für Endgeräte,
Telekommunikationsdienste, Mobilfunk, Internet
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Unionsrecht
� „Neuer Rechtsrahmen“ für die elektronischen Kommunikationsmärkte (2002)
� Rahmenrichtlinie (RL 2002/21/EG, geändert durch RL 2009/140/EG)
� Zugangsrichtlinie (RL 2002/19/EG, geändert durch RL 2009/140/EG)
� Genehmigungsrichtlinie (RL 2002/20/EG, geändert durch RL 2009/140/EG)
� Universaldienstrichtlinie (RL 2002/22/EG, geändert durch RL 2009/136/EG)
� Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (RL 2002/58/EG,
geändert durch RL 2009/136/EG)
� Wettbewerbsrichtlinie (RL 2002/77/EG)
� Weitere relevante Richtlinien unter folgendem Link:
http://www.bmvit.gv.at/telekommunikation/recht/europa/richtlinien/index.html
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Nationales Recht
� Kompetenzrechtliche Grundlagen
� Art 10 Abs 1 Z 9 B-VG: „Fernmeldewesen“
� Art 102 Abs 2 B-VG: unmittelbare Bundesverwaltung
� Einfachgesetzliche Grundlagen
� Telekommunikationsgesetz 2003, BGBl I 70/2003 idgF
− Kommunikationsnetz (§ 3 Z 11 TKG)
− Kommunikationsdienst (§ 3 Z 9 TKG): Dienstleistung im Zusammenhang
mit der Übertragung von Signalen (Telefonanbieter, Internet-Provider, Call
Shops etc); nicht: Dienste der Informationsgesellschaft � § 1 Abs 2
NotifikationsG; OGH 14.7.2009, 4 Ob 30/09d (www.foto.com), VwGH
27.5.2009, 2007/05/0280 (Internet-Chat-Forum).
7
Marktzutrittsregulierung
� GewO gilt nicht im Telekommunikationssektor (§ 2 Abs 3 TKG)
� Prinzip der Allgemeingenehmigung (§ 14, § 15 Abs 1 TKG)
� Bereitstellung eines öffentlichen Kommunikationsnetzes (§ 3 Z 17 TKG)
oder Kommunikationsdienstes
� Errichtung und Betrieb von Infrastruktureinrichtungen und
Kommunikationsnetzen ist bewilligungsfrei (§ 16)
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Technische Sicherheit
� GewO nicht anwendbar � Anlagenrecht der GewO (§§ 74 ff) gilt nicht
� Infrastruktureinrichtungen grundsätzl. genehmigungsfrei (§ 16 Abs 1 TKG)
� Ausnahme: Funkanlagen (§ 3 Z 6 TKG, §§ 73 ff TKG)
� Regel: Genehmigungspflicht (§ 74 Abs 1 Z 3 und 4, § 81 TKG)
� Generelle Bewilligungen durch Verordnung des BMVIT (§ 74 Abs 1 Z 1, 2 TKG)
− Verordnung der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, mit der
generelle Bewilligungen erteilt werden (BGBl II 64/2014 idgF)
� Zu Schadenersatzansprüchen vgl OGH 3.11.2005, 6 Ob 180/05x
� Gesichtspunktetheorie � Bau-, Naturschutzrecht
� § 24 Abs 1 Z 5 Oö BauO, § 31 Abs 1a Oö BauO, § 1 Abs 3 Z 6 Oö BauO
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Frequenzverwaltung
� Einteilung der Frequenzen durch Internationale Fernmeldeunion, teilweise
durch die Europäische Union
� Nationale Frequenzpläne
� Frequenznutzungsplan (§ 52 Abs 1 TKG)
− Frequenznutzungsverordnung 2013 (BGBl II 63/2014)
� Frequenzzuteilungsplan (§ 53 TKG)
� Individuelle Frequenzzuteilung � Frequenzversteigerung (§ 55 TKG)
� VwGH 4.12.2014, 2013/03/0149 (Versteigerung stellt eine geeignete Methode für
die Ermittlung des Werts der Frequenzen dar)
� Frequenzhandel
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Infrastrukturnutzung (§§ 5 ff TKG)
� Leitungsrechte (§ 5 TKG): Recht, Leitungen und Anlagen über fremden
Grund zu legen
� Nutzungsrecht (§ 7 TKG): Recht, für andere Zwecke bestimmte Leitungen
(zB Stromleitungen) für Telekommunikationszwecke zu nutzen
(Duldungspflicht des Eigentümers)
� Mitbenutzungsrechte (§ 8 TKG): Recht, bestehende Leitungen
mitzubenützen (Duldungspflicht des Inhabers der Leitung)
� Enteignung: § 13 TKG
� Verfahren: § 12a TKG
� Zuständigkeit: Telekom-Control-Kommission
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Universaldienst
� § 26 Abs 1 TKG: Definition des Universaldiensts
� § 26 Abs 2 TKG: vom Universaldienst umfasste Dienste
� Seit 1998 war Universaldienst stets gewährleistet
� � Telekom Austria wird mit Bescheid von Universaldienst entbunden
(§ 30 Abs 1 TKG)
� § 30 TKG: Prüfung alle 5 Jahre, ob Universaldienst erbracht wird
� Nur wenn festgestellt wird, dass Universaldienst (§ 26 Abs 2 TKG) vom
Markt nicht erbracht wird � Öffentliche Ausschreibung
(Vergabeverfahren)
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Nutzerrechte (Auswahl)
� Allgemeines Verbraucherschutzrecht
� Kontrahierungszwang (§ 69 Abs 1 TKG)
� Grundrechtlicher Aspekt: Freiheit der Meinungsäußerung, Art 10 EMRK
� Schutz bei Zahlungsverzug (§ 70 TKG)
� Abrechnungskontrolle (§ 71 TKG)
� Streitbeilegungsverfahren (§ 122 TKG)
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Fernmelde- und Aufsichtsbehörden
� Telekom-Control-Kommission (§ 116 ff TKG)
� Weisungsfreie Bundesbehörde (Art 20 Abs 2 B-VG)
� Rundfunk- und Telekom-Regulierungs-GmbH (§ 115 TKG; §§ 16 ff KOG)
� Ausgegliederter Rechtsträger, beliehenes Unternehmen
� Fernmeldebehörden (§ 112 f TKG)
� BMVIT, Fernmeldebüros, Büro für Funkanlagen und
Telekommunikationsendeinrichtungen
� Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) (§ 120 TKG; § 1 ff KOG)
� Nimmt Aufgaben im Bereich Rundfunk wahr
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Grundrechtliche Aspekte
� Problem: Erfassung, Übermittlung, Speicherung von Daten
� Achtung des Privat- und Familienlebens (Art 8 EMRK)
� Grundrecht auf Datenschutz (Datenschutzgesetz – DSG 2000)
� Schutz des Fernmeldegeheimnisses (Art 10a StGG)
� Wirtschaftsgrundrechte
� Grundfreiheiten des EU-Binnenmarkts
� Wettbewerbsrecht
� Erwerbsfreiheit
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Datenarten – Definitionen / Verwendung
� Stammdaten (§ 92 Abs 2 Z 3 TKG) � § 97 TKG
� Verkehrsdaten (§ 92 Abs 3 Z 4 TKG) � § 99 TKG
� Standortdaten (§ 92 Abs 3 Z 6 TKG) � § 102 TKG
� Inhaltsdaten (§ 92 Abs 3 Z 5 TKG) � § 101 TKG
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Vorratsdatenspeicherung
� 6-monatige verdachtsunabhängige Speicherung von Daten
� Speicherung: Generalverdacht, Gefühl der Beobachtung, potentieller
Datenmissbrauch
� Zugriff auf die Daten: Zur Aufklärung von Straftaten mit Strafdrohung von mehr
als einem Jahr (§ 135 Abs 2 StPO)
� Betroffene Grundrechte (Auswahl)
� Art 8 EMRK: Achtung des Privat- und Familienlebens
� § 1 DSG: Recht auf Schutz personenbezogener Daten
� Art 6 Abs 2 EMRK: Unschuldsvermutung
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VfGH vom 28.11.2012, G 47/12 (I)
� Individualanträge (Art 140 B-VG) auf Aufhebung ua des § 102a TKG
� Anträge der Kärntner Landesregierung
� Anträge von insgesamt 11.131 Privatpersonen
� Inhaltliche Bedenken gegen die Vorratsdatenspeicherung
� Verletzung des Art 8 EMRK: Achtung des Privat- und Familienlebens
� Verletzung des § 1 DSG: Recht auf Schutz personenbezogener Daten
� Hohe Eingriffsintensität
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VfGH vom 28.11.2012, G 47/12 (II)
� ABER: Sache war noch nicht entscheidungsreif:
� §§ 102a ff TKG beruhen auf einer Umsetzung der Vorratsdatenrichtlinie
(2006/24/EG)
� Anwendungsvorrang des Unionsrechts (inkl GRC) auch ggü nationalem
Verfassungsrecht (zB nationale Grundrechte Art 8 EMRK, § 1 DSG)
� Art 267 Abs 3 iVm Abs 1 lit b AEUV: Vorlagepflicht des VfGH bei Bedenken
über die Vereinbarkeit der Vorratsdatenrichtlinie (Sekundärrecht,
RL2006/24/EG) mit der EU-Grundrechtecharta (Primärrecht, Art 6 AEUV)
� Vorlagefrage: „Ist RL 2006/24/EG mit Art 7, 8, 11 GRC vereinbar?“
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EuGH 8.4.2014, verbRS C-293/12 und C-594/12 (I)
� Vorratsdatenrichtlinie verstößt gegen die Art 7 und 8 GRC � ungültig
� Schwerwiegender Eingriff in die Vertraulichkeit der Kommunikation
� Rn 37: „geeignet, bei den Betroffenen (…), das Gefühl zu erzeugen, dass
ihr Privatleben Gegenstand einer ständigen Überwachung ist.“
� Rechtfertigung des Eingriffs?
� Kein Eingriff in den Wesensgehalt des Grundrechts (Rn 39 f)
� Ziel liegt im öffentlichen Interesse; EuGH: Eingriff entspricht einer dem
Gemeinwohl dienenden Zielsetzung (Bekämpfung organisierter
Kriminalität) (Rn 41-44)
Lesen Sie das Erk des EuGH selbst
durch !!!
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EuGH 8.4.2014, verbRS C-293/12 und C-594/12 (II)
� Verhältnismäßigkeitsprüfung
� Maßnahme zwar geeignet, Ziel zu erreichen (Rn 49 f), ABER
� Nicht „erforderlich“ (keine Beschränkung auf das Notwendigste), weil
(Auswahl)
� Keine Differenzierung, Einschränkung oder Ausnahme anhand des
Ziels der Bekämpfung schwerer Straftaten (zB Zeitraum,
geografisches Gebiet, Personenkreis), sondern gilt für alle Personen
(Rn 59)
� Zugang nationaler Behörde zu den Daten nicht geregelt (Rn 61)
� Kein wirksamer Schutz vor Datenmissbrauch (Rn 66-68)
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VfGH 27.6.2014, G 47/2012 ua
� Aufhebung der Bestimmungen über die Vorratsdatenspeicherung
� Unter anderem die §§ 102a und 102b TKG, § 135 Abs 2a StPO sowie zT
§ 53 Abs 3a Z 3 und 3b SPG
� Anwendungsvorrang des Unionsrechts steht der Prüfung anhand nationaler
Grundrechte (Art 8 EMRK; § 1 DSG etc) nicht mehr entgegen
� Vorratsdatenspeicherung nicht verhältnismäßig
� Ermächtigung der Strafverfolgungsbehörden zu weitgehend
� Kreis der Betroffenen sehr groß; Daten lassen Rückschlüsse auf
Privatleben zu
� Missbrauchspotential vorhanden