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Technik Fahrbericht F ür die einen sind sie schon out, für die anderen stellen sie immer noch eine interessante Lösungen dar, will man sich mit dem Ein- satz besonders umwelt- freundlicher Fahrzeuge be- schäftigen: Dieselelektrische Hybridbusse. Volvo ist in diesem Segment bereits seit Jahren aktiv und kann mit über 1 700 Einheiten (Kom- plettbusse und Fahrgestelle) auf umfangreiche Erfahrun- gen zurückgreifen. Zu den Solobussen gesellte sich 2013 der Prototyp einer Gelenk - variante, der nach erfolg- reich absolviertem Feldtest bei den Verkehrsbetrieben Luzern (vbl) das Interesse seitens Betreiber in ganz Europa geweckt hat. Wir hatten Gelegenheit, den Gelenkbus Volvo 7900 LAH im Rahmen einer Fahrvor- stellung auf Land- und Bun- desstraßen rund um Limburg kennenzulernen, im Wechsel mit Steigungen, Gefällen und ebenen Abschnitten. Hand- ling und Funktion waren uns ebenso wichtig wie die tatsächliche Kapazität für elektrisches Fahren. Denn ein 18 m langer Hybridbus mit einem zulässigen Gesamt- gewicht von 29 t stellt schon ein anderes Kaliber dar als die Solobusse. Von wesentlicher Bedeutung ist die Tatsache, dass es im Vergleich zum Dieselbus – trotz Hybridkomponenten mit Batterien auf dem Dach (über der Mittelachse) – keine Nachteile hinsichtlich der möglichen Anzahl von Fahr- gästen gibt. Die Kapazität der Batterien hat Volvo übrigens im Vergleich zum Solobus mit jetzt 9,6 kWh exakt ver- doppelt. Nach wie vor unver- ändert ist das Konzept des I-SAM-Antriebs, der eine Kombination aus Diesel- motor, Elektromotor und dem aus dem Reisebus bekannten automatisierten I-Shift-Getriebe darstellt. Im Schubbetrieb oder beim Bremsen arbeitet der E-Motor als Generator (Reku- peration) und liefert Strom in die Batteriespeicher, um ihn bei Bedarf wieder abzurufen. Auch wenn der Antrieb als Parallelhybrid konstruiert ist – also mit in den Antriebs- strang integriertem Verbren- nungsmotor – schaltet sich das Dieselaggregat an Ampeln und Haltestellen durch Abkuppeln aus. Das Anfahren erfolgt wiederum leise und emissionsfrei rein elektrisch. Erst ab 17 bis 25 km/h schaltet sich der Dieselmotor wieder ein und unterstützt so den Antrieb. Dies geschieht zwangläufig auch, wenn die modernen Lithium-Ionen Akkus leer sein sollten. Ist genug „Saft“ im Speicher, lassen sich bei- spielsweise Fußgängerzonen völlig emissionsfrei bewältigen. Das Schöne am Volvo- Hybridbus ist seine einfache Bedienung. Da gibt es während des Betriebs im Vergleich zum Dieselbus nichts anderes als eine Anzeige zum Ladezustand der Batterie. Die wird konti- nuierlich aktua lisiert und lässt somit erkennen, ob der Antrieb gerade Energie „abzapft“ oder rekuperiert. In den Fahrbetrieb geschaltet wird über die vom Wandler- automaten bekannten D-N-R- Tasten. Verfeinert hat Volvo inzwischen das Schaltpro- gramm, das nun schneller und gleichzeitig weicher arbeitet. Die Notwendigkeit dazu hatte sich auch bei dem Testeinsatz mit dem Solobus 18 BUSMAGAZIN 6/2015 Volvo-Hybridbus Voll im Trend der Alternativen Volvo steht mit seinen alternativen Antrieben in der ersten Reihe der Hersteller, die entsprechende Omnibusse anbieten können. BUSMAGAZIN hatte Gelegenheit, den noch jungen Hybrid-Gelenkbus 7900 LAH zu fahren. Ein Bus, der sich durch praxisorientierte Ausstattung und Funktion auszeichnet. Das Anfahren erfolgt rein elektrisch p Eine klare, leicht verständliche Anzeige informiert über den Be- triebszustand der Batteriespeicher

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Technik Fahrbericht

Für die einen sind sie schon out, für die anderen

stellen sie immer noch eineinteressante Lösungen dar,will man sich mit dem Ein-satz besonders umwelt-freundlicher Fahrzeuge be -schäftigen: DieselelektrischeHybridbusse. Volvo ist in diesem Segment bereits seitJahren aktiv und kann mitüber 1 700 Einheiten (Kom-plettbusse und Fahrgestelle)auf umfangreiche Erfahrun-gen zurückgreifen. Zu denSolobussen gesellte sich 2013der Prototyp einer Gelenk -variante, der nach erfolg-reich absolviertem Feldtestbei den Verkehrsbetrieben

Luzern (vbl) das Interesseseitens Betreiber in ganzEuropa geweckt hat.Wir hatten Gelegenheit, denGelenkbus Volvo 7900 LAHim Rahmen einer Fahrvor-stellung auf Land- und Bun-desstraßen rund um Limburgkennenzulernen, im Wechselmit Steigungen, Gefällen undebenen Abschnitten. Hand-ling und Funktion waren uns ebenso wichtig wie dietatsächliche Kapazität fürelektrisches Fahren. Denn ein18 m langer Hybridbus miteinem zulässigen Gesamt -gewicht von 29 t stellt schonein anderes Kaliber dar alsdie Solobusse.Von wesentlicher Bedeutungist die Tatsache, dass es imVergleich zum Dieselbus –trotz Hybridkomponentenmit Batterien auf dem Dach(über der Mittelachse) – keineNachteile hinsichtlich dermöglichen Anzahl von Fahr-gästen gibt. Die Kapazität derBatterien hat Volvo übrigensim Vergleich zum Solobus

mit jetzt 9,6 kWh exakt ver-doppelt. Nach wie vor unver-ändert ist das Konzept des I-SAM-Antriebs, der eineKombination aus Diesel -motor, Elektromotor unddem aus dem Reisebusbekannten automatisierten I-Shift-Getriebe darstellt. ImSchubbetrieboder beimBremsenarbeitet der E-Motor als Generator (Reku-peration) und liefert Strom indie Batteriespeicher, um ihnbei Bedarf wieder abzurufen.Auch wenn der Antrieb alsParallelhybrid konstruiert ist – also mit in den Antriebs-strang integriertem Verbren-nungsmotor – schaltet sichdas Dieselaggregat anAmpeln und Haltestellendurch Abkuppeln aus. DasAnfahren erfolgt wiederumleise und emissionsfrei reinelektrisch. Erst ab 17 bis 25 km/h schaltet sich derDieselmotor wieder ein undunterstützt so den Antrieb.

Dies geschieht zwangläufigauch, wenn die modernenLithium-Ionen Akkus leersein sollten. Ist genug „Saft“im Speicher, lassen sich bei-spielsweise Fußgängerzonenvöllig emissionsfrei bewältigen.Das Schöne am Volvo-Hybrid bus ist seine einfache

Bedienung.Da gibt eswährend des Betriebs

im Vergleich zum Dieselbusnichts anderes als eineAnzeige zum Ladezustandder Batterie. Die wird konti-nuierlich aktua lisiert undlässt somit erkennen, ob derAntrieb gerade Energie„abzapft“ oder rekuperiert.In den Fahrbetrieb geschaltetwird über die vom Wandler-automaten bekannten D-N-R-Tasten. Verfeinert hat Volvoinzwischen das Schaltpro-gramm, das nun schnellerund gleichzeitig weicherarbeitet. Die Notwendigkeitdazu hatte sich auch bei demTesteinsatz mit dem Solobus

18 BUSMAGAZIN 6/2015

Vo l v o - H yb r i d bu s

Voll im Trend der AlternativenVolvo steht mit seinen alternativen Antrieben in der ersten Reihe der Hersteller, die entsprechende

Omnibusse anbieten können. BUSMAGAZIN hatte Gelegenheit, den noch jungen Hybrid-Gelenkbus

7900 LAH zu fahren. Ein Bus, der sich durch praxisorientierte Ausstattung und Funktion auszeichnet.

Das Anfahren erfolgt rein elektrisch

p Eine klare, leicht verständlicheAnzeige informiert über den Be-triebszustand der Batteriespeicher

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TechnikFahrbericht

7700 Hybrid in Luzern gezeigt.Auf den sehr anspruchsvollenLinien registrierte man beizunehmender Fahrgastzahlim Vergleich zum Dieselbus(mit Wandlergetriebe) spürbarlängere Fahrtzeiten. DieseNachteile konnte man beimaktuellen Hybridgelenkbusweitgehend ausräumen, wiedie Luzerner in ihrem Fazitzu den Testeinsätzen ver-merkten. Geblieben sinddagegen die Einsparpoten-ziale an Dieselverbrauch, die beim Solobus 28 %, beimGelenkbus 23 % betragen hatten.Mit nur drei Personen anBord hatte unser Gelenkbusleichtes Spiel und ließ sichflott die Steigungen von Limburg hinauf in RichtungWesterwald bewegen. DieKombination aus dem kom-pakten Vierzylinder-Diesel(177 kW) und dem dreh -momentstarken Elektromotor(max. 150 kW,1 200 Nm)funktionierteausgezeich-net. Vorbeisind übrigens die Zeiten, woes hieß, wegen der Rekupera-tion möglichst oft zu brem-sen. Heute wird auch imHybridbus behutsames Fah-ren bevorzugt, womit dieEnergie fressenden Beschleu-nigungsvorgänge in Maßengehalten werden – was letzt-endlich effektiver ist. Den-noch: Will man möglichstweit emissionsfrei fahren,muss der Batteriespeichervoll sein, wozu man Reku-peration benötigt, hat mannicht eben über Nacht nach-geladen und kann direkt im„Schleichmodus“ starten. Wirhaben leider nach mehrerenVersuchen bei 1 km abbrechenmüssen, da der hektische Ver-kehr am Freitagnachmittageine längere Schleichfahrtohne heftige Proteste desIndividualverkehrs unmög-lich machte. Ein Rundruf zu Kollegen, denen für ihren

Test ein besseres Timingmöglich war, bestätigte dieAngaben des Herstellers. 2 km im reinen Batterie -betrieb sind möglich.Wünschenswert wäre nachunserem Empfinden eineProgrammierung, die ver -hindert, dass der Dieselmotoranspringt, wenn man imElektromodus bleiben will.Denn fährt man über eineQuerrille, kann es passieren,dass man durch den Ruckversehentlich das Gaspedaleinen Touch zuviel drückt,worauf der Diesel – ohneeigentliche Notwendigkeit –sofort anspringt.Schade, dass Volvo seinenStadtbussen – in Westeuropawerden nur noch Hybrid-oder Batterievarianten ange-boten – keine Einzelrad -aufhängung spendiert. Dannwäre der Fahrkomfort auchim Cockpit angenehm. Darüber hinaus hat Volvo

jedochumfassendseine Technikweiter entwickelt.

Parallel zur Umstellung aufdie Euro-6-Varianten (dasDieselaggregat betreffend)wurden Nebenverbraucherwie Luftpresser (stand imTestbus noch aus), Lenkunter -stützung und Klimaanlageelektrifiziert. Für derenBetrieb gibt es über die bei-den Starterbatterien hinauszwei weitere, leistungsstarke12-V-Batterien. Somit werdendie unter idealer Betriebs -temperatur gehaltenen Trak-tionsbatterien geschont.Unser Fazit: Volvo hat mitdem Einsatz alternativerAntriebe nicht nur stückzahl-mäßig die umfassendsteErfahrung. Dies zeigt sich ineiner praxisorientierten Aus-stattung und Funktion sowiein einer beeindruckendenSystemvielfalt. Denn überden Dieselhybrid hinaus wer-den Elektro-Hybridbusse mitPlug-in-Technologie (Schnell-

ladestationen auf der Strecke)sowie vollelektrische Batte-riebusse gebaut, die je nachTyp derzeit in Hamburg,Göteborg und Stockholm aufder Linie getestet werden.Die Plug-in-Systeme sollenübrigens als Nachrüstung für die älteren Hybridbusse

angeboten werden. Mit einemferngesteuerten Zonen-Management will Volvoerreichen, dass die Busse den Emissionsvorgaben entsprechend (Schadstoff -reduzierung und/oder Lärm-schutz) ganz gezielt auchnach wechselnden Zonen-Vorgaben betrieben werdenkönnen. Übrigens wirbtVolvo für kompatible Schnitt-stellen, so dass sich auchBusse unterschiedlicher Her-steller in künftige Systemeeinbinden lassen. Nicht nurdarin hat der dieselelektrischeHybridbus nach wie vorZukunft, sondern auch aufÜberlandlinien, Vorort -verkehren oder im Shuttle-verkehr. Der Aufpreis zumDieselbus beträgt derzeitnoch um die 120 000 €.

Jürgen Görgler

BUSMAGAZIN 6/2015 19

Die Kombination der Motoren funktioniert

sehr gut

Volvo 7900 LAH Hybrid Technische DatenDieselmotorEuro-6-Vierzylinder (in Reihe) VolvoD5K240, 5 100 cm3, Common-Rail-Einspritzung, 177 kW/240 PS, Nennleistung bei2 200 min-1, max. Drehmoment 918 Nm bei 1 200-1 600 min-1.Abgasrückführung, SCR-Abgastechnik (AdBlue), SCR-Kat, Dieselpartikelfilter mit automatischer RegenerationElektromotorIntegrierter Starter Generator/Motor I-SAM, 150, kW/204 PS,Dauerleistung 70/94 kW/PS, max. Drehmoment 1 200 Nm,im Dauerbetrieb 400 Nm, die Drehmomente sind identischmit dem BremsmomentGetriebeVolvo I-Shift AT2412E, automatisiertes 12-Gang-Getriebe mit3-Knopf-Wähler (D-N-R)Energiespeicher/BordelektrikLithium-Ionen-Akkus (wassergekühlt) mit 600 V Spannung,9,6 kWh Kapazität, Spannungswandler für 24 Volt Stromkreis,Batterieheizung mit 230 V, jeweils separate 24-Volt-Batterie -systeme (2 x 12 V) zum Starten und zur Versorgung der Nebenverbraucher, Xenon- und Halogenscheinwerfer, elektrisch verstellbare SpiegelMaße und GewichteLänge/Breite/Höhe: 18 134/2 550/3 280 mmRadstand v/h: 5 190/6 755 mm (4 870+1 885 mm)Überhänge v/h: 2 704/3 485 mmWendekreise: 20 280/23 500 mm (Außenkante Vorderrad/Karosserie)Radeinschlag (innen): 53 °Böschungswinkel v/h: 6,1/6,0°Einstiegshöhe/Bodenhöhe: 320/360 mmTankvolumen Diesel/AdBlue: 380/30 lLeergewicht: 18,16 t (fahrbereit, betankt)Zul. Gesamtgewicht: 29 000 kgKapazität: max. 154 Fahrgäste

t Volvo-Gelenkbus mit der über 1700 mal verkauften Parallelhybrid-Antriebstechnik. Die Kapazität des 18-m-Riesens entspricht den Dieselbussen Fotos: Görgler

p Bei der Heckansicht erkenntman erst auf den zweiten Blick,dass es sich hier um einen diesel -elektrischen Hybridbus handelt