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V. Dolmetscherfragen in kirchlichen Zusammen-
hängen
V. 1 Sprachliche Vermittlungsprobleme auf Synoden des
Frühmittelalters
Die Akten der frühen Ökumenischen Konzilien sind in der Regel zweisprachig,
also griechisch und lateinisch überliefert. Das Verhältnis beider Sprachen ist oft
kompliziert und die authentische Sprachform der Akten nicht immer zu klären,
damit bleibt auch off en, in welcher Sprache im Konzil selbst geredet, ggf. auch
verhandelt wurde, ob Dolmetscher tätig waren. Vor diesem Hintergrund ver-
dient die Lateransynode von 649 ein gewisses Interesse. Die Akten dieser Late-
ransynode, die keine gesamtkirchliche Geltung erlangte, wurden seit dem 6.
Ökumenischen Konzil von 680 schweigend übergangen und verfi elen damit
dem Verdikt. Überliefert sind auch diese Akten in lateinischer und griechischer
Sprache. Erich Caspar hat dazu betont, daß die „Debatten der Synode“ natür-
lich in lateinischer Sprache geführt worden seien und daß auch die lateinische
Version der Synodalakten original sei. Gleichwohl sei eine „merkwürdige Dop-
pelsprachigkeit“ zu verzeichnen,325 die Peter Classen als „eigenartige Zweispra-
chigkeit der Lateransynode von 649 mit lateinischen Klerikern und griechi-
schen Mönchen und Th eologen“ angesprochen hat.326 Da bereits zu Beginn der
zweiten Sitzung eine Gruppe von 36 griechischen Mönchen die Synode bat,
Übersetzungen zuzulassen, wird man von regelmäßiger Dolmetschtätigkeit
sprechen müssen, ehe die Verhandlungsergebnisse in zwei Sprachen fi xiert wur-
den.
Weitere Zeugnisse, die synodale Verfahrensweisen erkennen lassen, sind rar.
Schon deshalb wird man sich mit Einzelaussagen begnügen müssen. In Alkuins
Briefsammlung ist ein Brief des Bischofs Georgios von Ostia überliefert, in dem
dieser über zwei angelsächsische Reformsynoden des Jahres 786 dem Papst
Hadrian I. berichtete. Die Beschlüsse des Concilium Merchiorum seien auch in
der Volkssprache verlesen worden: Et in conspectu concilii clara voce singula capi-tula perlecta sunt et tam latine quam theodisce.327 Für diese gezielte Zweisprachig-keit gibt es eine zeitnahe Parallele. In den Lorscher Annalen heißt es von Karl
dem Großen für die Aachener Synode von 802: „Er veranlaßte die Bischöfe
zusammen mit den Priestern und Diakonen, daß alle Canones, die die heilige
Synode rezipiert hatte, erneut verlesen werden, dazu auch die päpstlichen De-
creta, und er befahl, daß sie in Gänze vor allen Bischöfen, Priestern und Diako-
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80 Dolmetscherfragen in kirchlichen Zusammenhängen
nen übersetzt werden“ – pleniter iussit eos tradi.328 – Gleichzeitig tagten im Jahr
802 in Aachen Äbte und Mönche: Sie lasen die Benediktsregel, und Sachver-
ständige übersetzten sie – eam tradiderunt sapientes in conspectu abbatum et mo-nachorum.329 Auf der ebenfalls parallel tagenden Aachener Reichsversammlung
von 802 ließ schließlich Karl der Große alle Stammesrechte verlesen. Sie waren
lateinisch fi xiert und wurden jetzt übersetzt: Fecit omnes leges in regno suo legi et tradi.330 Aus dem Jahre 805 ferner datiert ein lateinisches Mahnschreiben Karls
des Großen an Bischof Ghaerbald von Lüttich, in dessen Schlußpassage der
Adressat aufgefordert wird, den Brief wiederholt öff entlich lesen und übersetzen
zu lassen. Zusätzlich sollten gute Dolmetscher in die einzelnen Taufkirchspren-
gel und Klöster seiner Diözese geschickt werden, die alles zu übersetzen hätten,
wie es im Schreiben stünde: et bonos interpretes mittite qui omnia tradant, sicut superius diximus.331
Ein für Synoden vielleicht etwas untypisches Beispiel, das aber in die ange-
schnittenen Zusammenhänge gehört, bietet die Synode von Ingelheim, die im
Juni 948 unter dem Vorsitz eines päpstlichen Legaten tagte. Ernst Dümmler
notierte, daß die Synode „in üblicher Weise mit Gebet, der Verlesung des Evan-
geliums und der Canones eröff net wurde, die man zum Verständnis der Laien
dann in die Volkssprachen übertrug“.332 In Ingelheim waren auch der französi-
sche König Ludwig IV. und der deutsche König Otto I. anwesend und wurden
selbstverständlich bevorzugt behandelt. Denn als es um die Klageschrift des Erz-
bischofs Artold von Reims ging, die an Papst Agapit II. gerichtet werden sollte,
sah man sich veranlaßt, beiden Königen den Text zusätzlich in deutscher bzw.
althochdeutscher Sprache vorzulesen bzw. zu übersetzen (iuxta Teutiscam lin-guam interpretationem).333 Die Angabe legt die Gewißheit nahe, daß der franzö-
sische König zwar ebenfalls nicht hinreichend Latein verstand, wohl aber die
deutsche Übersetzung.
Weil Zeugnisse über synodale Verfahrensweisen außerordentlich selten sind,
sei der Beleg einer französischen Synode hinzugefügt, die 995 in Mouzon tagte
und deren Akten von dem Reimser Erzbischof schriftlich fi xiert wurden, also
von jenem berühmten Gerbert von Aurillac, der vier Jahre später als Silvester II.
den päpstlichen Stuhl bestieg. In Mouzon hatte der Bischof von Verdun ein
päpstliches Schreiben vorzutragen: Er erhob sich (surrexit) et Gallice concionatus est.334 Daß Haimo von Verdun hier sprach, ist verständlich, denn der Bischof der
bilinguen Grenzregion konnte französisch reden; interessanter ist, daß er vor
dem Erzbischof von Reims und vielen Äbten aus Frankreich auf dieser Synode
nicht lateinisch, sondern in der Volkssprache bzw. französisch sprach. Es scheint,
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Auf Synoden des Frühmittelalters 81
als wären auf der Synode weite Th emenbereiche ohnehin in französischer Spra-
che erörtert worden.
Ein anderer Beleg führt in das Schottland der zweiten Hälfte des 11. Jahr-
hunderts. Hier fungierte der schottische König Malcolm III. auf einer von sei-
ner Frau einberufenen Reformsynode als Dolmetscher. Die Verhandlungsspra-
che war nicht Latein, sondern Englisch und die schottisch-gälische Sprache des
Landes. König Malcolm III. wird nachgerühmt, daß er die Anglica lingua und
das Lateinische wie seine schottisch-gälische Muttersprache beherrschte.335
Merkwürdigerweise sprachen auf den britischen Inseln häufi g nicht alle, zu-
mal hohen Kleriker die jeweiligen Volkssprachen, so daß sie oft für ihre Predig-
ten auf Dolmetscher angewiesen waren, was zu bösen Spannungen führen
konnte, erst recht, wenn sogar für die Beichte ein Dolmetschen unentbehrlich
war.336 Dabei kannte das Frühmittelalter längst Predigten in der Volkssprache,
aber eben auch gedolmetschte. Vielleicht war der heilige Lambert, der vermut-
lich 703 ermordete Bischof von Maastricht, sogar eine Ausnahme: quia Th euto-nice lingue peritus erat, et sine interprete sermo conserebatur, predigte er besonders
wirkungsvoll.337 Ein wichtiges Anliegen der bedeutenden Reformsynode von
Tours 813 war u. a., daß die Predigten übersetzt werden sollten, und etwa
gleichzeitig forderte Th eodulf von Orléans, daß jeder Priester in der Kirche
öff entlich nur in der Sprache lehren dürfte, die seine Zuhörer verstehen könn-
ten.338 Resultiert daraus nicht oft genug die Notwendigkeit, Dolmetscher heran-
zuziehen, wird man fragen dürfen. Hier soll die sprachliche Vermittlungs-
thematik auf früh- und hochmittelalterliche Synoden beschränkt bleiben, und
zugleich sei betont, daß die angeführten Belege häufi g beiläufi ge Funde sind.
Auch nur annähernde Vollständigkeit konnte nicht beabsichtigt sein und keine
zusätzliche Orientierung auf hoch- und spätmittelalterliche Synoden. Immer-
hin soll angemerkt werden, daß auf den spätmittelalterlichen Konzilien Latein
die Geschäftssprache war und „in Schrift und Rede eine neue Blüte“ erfuhr.339
Gerade „das Lateinische als Universalsprache der Kirche, der Gelehrten und
Diplomaten“ habe erst zur Realisierung konziliarer Bemühungen entscheidend
beigetragen und „Kommunikation, bei allen Konfl ikten, leicht“ gemacht. Es
besteht allerdings die Vermutung, daß sich solche Feststellungen allzu stark an
der konziliaren Schriftlichkeit orientieren, mindestens die mündlichen Tätig-
keitsbereiche zugunsten der schriftlich fi xierten Reden und Traktate vernachläs-
sigen. Auch hier könnten die Formen der Überlieferung zu vorsichtiger Beurtei-
lung Anlaß geben.
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82 Dolmetscherfragen in kirchlichen Zusammenhängen
V. 2 Sprachliche Vermittlungsprobleme bei Missionspredigten
Ein Blick auf Missions- und Kreuzzugspredigten soll Antworten andeuten. Be-
gonnen sei mit Bedas Nachricht, daß Augustinus mit fast 40 Männern in Bri-
tannien (595/596) gelandet sei, um die Bekehrung des Landes durchzuführen.
Auf Anordnung von Papst Gregor dem Großen habe er vom Stamm der Fran-
ken Dolmetscher erhalten (de gente Francorum interpretes), ohne die off enbar
kaum erfolgversprechende Missionsarbeit zu leisten war.340 Beda wird ferner die
Nachricht verdankt, daß König Oswald von Nordhumbrien (ca. 633–641) dem
iroschottischen Bischof Aidan, den er selbst einst aus Hy-Iona nach Lindisfarne-
Holy Island geholt hatte, bei dessen Missionspredigten als Dolmetscher gehol-
fen hat. Anders als Aidan, qui Anglorum linguam perfecte non noverat, war König
Oswald perfekt zweisprachig: Er hatte nämlich die lingua Scottorum, aus der er
nun dolmetschte, während seines Exils vollständig gelernt (iam plene didice-rat).341 Bedas Nachricht hat im Jahre 1125 Wilhelm von Malmesbury aufgegrif-
fen und in einer für seine Zeit, die off enbar an die Existenz von Dolmetschern
gewöhnt war, vermutlich typischen Weise modifi ziert. Er schrieb nämlich: So-
fern Bischof Aidan seine Hörer (auditores) irisch anzusprechen beabsichtigte
und ein Dolmetscher fehlte (et interpres deesset), sei der König sogleich persön-
lich, sogar in vollem Königsornat, eingesprungen.342 Auch Bischof Colman rief
einmal auf der Synode von Streanaeshalch/Whitby (663/664) seinen Priester
Wilfrid zur Unterstützung, weil dieser „besser und deutlicher in der Sprache der
Angeln als ich durch einen Dolmetscher erklären (könne), was wir meinen“.343
Im Gegensatz auch zu manchen missionsgeschichtlichen Forschungen wird
man nicht nur von häufi g bezeugten mangelhaften Lateinkenntnissen vieler
Missionare ausgehen müssen, sondern auch von mangelnden Kenntnissen des
jeweiligen Missionsraumes, so daß Dolmetschdienste zwingend notwendig
wurden. Außer der Beteiligung fränkischer Dolmetscher an der römischen An-
gelsachsenmission von 595/596 ist auch insbesondere im Umkreis von Winfrid-
Bonifatius das Bemühen belegt, durch sorgfältige Sprachschulung künftiger
Missionare die Sprachhürden zu meistern.344 Noch Otto I. setzte bei der Missio-
nierung des um Altenburg gelegenen Th üringerlandes einen Regensburger
Mönch namens Boso ein, dessen slavische Sprachkenntnisse aus der slavischen
Missionsschule von St. Emmeram stammten.345 Otto von Bamberg dagegen war
bei seiner Slavenmission auf die Unterstützung des christlichen Polenherzogs
angewiesen, der ihm de gente illa tam Slavicae quam Teutonicae linguae gnaros satellites mitgab – also auch Dolmetscher zum Dolmetschen, wie Ottos Heili-
genvita ausdrücklich vermerkt.346
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Bei Missionspredigten 83
Nachträglich muß erwähnt werden, daß Konstantin (Kyrill) und Method,
die „Lehrer der Slaven“, „die Sprache der südslavischen Makedonen/Bulgaren
beherrschten“ und das Slavische als liturgische Sprache einführten.347 Etwa um
863 richtete der byzantinische Kaiser ein Empfehlungsschreiben für Konstantin
an Rastislav von Mähren: Er sende diesem „durch gottes gnade den weisesten
mann, der auch der mährischen sprache mächtig ist; die Mähren möchten nun
nicht säumen sich zu bekehren“.348 Persönlich benötigte Konstantin keinen
Dolmetscher.
Bei der Mission und anschließenden Vertiefung des christlichen Glaubens
konnte sich der lateinische Kirchenritus als Hemmnis erweisen. So berichtet
beispielsweise Adam von Bremen in seiner Bischofsgeschichte der Hamburger
Kirche, der Slawenfürst Gottschalk (1043–1066) habe sich „häufi g ohne Rück-
sicht auf seinen Stand in der Kirche mahnend an das Volk [gewandt], um in
slawischer Sprache die geheimnisvollen Worte der Bischöfe und Priester ver-
ständlich zu machen“.349 Er tat es mit deutlichem Erfolg. Dabei kann off enblei-
ben, ob der Obodritenfürst dolmetschte oder die Glaubensbotschaft inhaltlich
interpretierte. Die deutsche Sprache, vermutlich auch die lateinische, dürfte
Gottschalk im herzoglich sächsischen Kloster Lüneburg gelernt haben, wo er in
seiner Jugend eine Art „wissenschaftlicher Erziehung“ (litteralibus erudiebatur studiis) erhalten hatte.350
An anderer Stelle erwähnt Adam, daß der rechtgläubige Dänenkönig einen
wichtigen Rat erteilt habe. Erzbischof Adalbert plante eine größere Missions-
reise in den Norden, was der König ihm mit bemerkenswerter Begründung aus-
redete: „Er machte ihm nämlich klar, leichter ließen sich die Barbarenvölker
durch Menschen ihrer eigenen Sprache und ähnlicher Lebensart bekehren, als
durch Fremde, die ihre Volksbräuche (ritum nationis) ablehnten. Er brauche nur
durch seine Freigebigkeit und Leutseligkeit die Zuneigung und Treue der Män-
ner zu erwerben, die zur Verkündigung des Gottesworts unter den Heiden zur
Verfügung ständen.“351
Der angeschnittene Missionskomplex soll verlassen werden mit einer für die
livländische Heidenmission typischen Nachricht, die neben dem Einsatz eines
Missionsdolmetschers zusätzliche theatralisch-didaktische Anstrengungen ver-
rät. Zitiert sei aus der livländischen Chronik Heinrichs von Lettland: „Im Win-
ter [des Jahres 1206] wurde mitten in Riga ein sehr schönes Prophetenspiel
aufgeführt, damit die Heidenschaft die Anfangsgründe des christlichen Glau-
bens durch überzeugende Anschauung lerne. Der Inhalt des Spieles wurde den
Anwesenden, sowohl den Neugetauften als den Heiden durch einen Dolmet-
scher aufs sorgfältigste ausgelegt. Als aber die Gewappneten Gideons mit den
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84 Dolmetscherfragen in kirchlichen Zusammenhängen
Philistern stritten, begannen die Heiden aus Furcht, getötet zu werden, zu fl ie-
hen, wurden jedoch behutsam zurückgerufen.“352 Das Rigaer Straßentheater im
Missionseinsatz sollte eine friedliche Alternative zur üblichen „Schwertmission“
sein, es scheiterte aber auch an Unzulänglichkeiten der Dolmetscher. Heinrich
von Lettland, der sich einmal stolz als Bischof Alberts sacerdos […] et interpres nennt, war gewiß am „großen Spiel“ in Riga beteiligt.
V. 3 Sprachliche Vermittlungsprobleme bei Kreuzzugspredigten
Nur kurz kann das Gebiet der Kreuzzugspredigt gestreift werden, wo häufi ger
Dolmetscherhilfe bezeugt ist. Auch Erzbischof Baldwin von Canterbury mußte
sich 1188 seine Kreuzzugsrede für Waliser dolmetschen lassen, ohnehin be-
herrschte längst nicht jeder Kreuzzugsprediger die jeweilige Landessprache.353
Giraldus Cambrensis hat zwar walisisch gesprochen, auf seiner Reise durch
Wales gleichwohl nur in französischer und lateinischer Sprache gepredigt, dabei
aber Verwunderung erregt, weil er Leute zu Tränen gerührt haben soll, die keine
dieser Sprachen kannten.354 In Giralds Verhalten liegen Rätsel, und aufschluß-
reich mag die scherzhafte Bemerkung eines Begleiters sein, wonach Giraldus „ja
viele Leute zum Kreuzzug motiviert (habe), aber wenn er in walisischer Sprache
gepredigt hätte, dann wäre wohl kein Waliser daheim zurückgeblieben“.355 Den-
noch kam es einmal zu einer Probe der Wirksamkeit von Giralds Predigt, denn
nachdem diese von Dolmetschern ins Walisische übersetzt worden war, überleg-
ten es sich viele Zuhörer anders und nahmen ihr Versprechen, ins Heilige Land
zu ziehen, wieder zurück.356 Giraldus war verständlicherweise enttäuscht dar-
über, suchte aber den eigentlichen Grund dafür in der Grobschlächtigkeit des
Dolmetschers.
Ähnliche Schwierigkeiten sind für Bernhard von Clairvaux, den berühmte-
sten Kreuzzugsprediger, nicht bezeugt. Auch deutsche Bevölkerungsgruppen,
die seine Sprache nicht verstanden, wurden von seinen Predigten mitgerissen, so
daß der jeweils nach ihm sprechende Dolmetscher nach unserem Verständnis
eigentlich fast überfl üssig gewesen sein müßte.357 Für Bernhard sind zwei Dol-
metscher gleichwohl zu ermitteln: Spät erst war ein gewisser Heinrich Mönch in
Clairvaux geworden und factus […] est interpres Abbatis, eo quod in utraque lin-gua, Gallica videlicet et Teutonica, multum foret expeditus.358 Ähnlich qualifi ziert
dürfte Salems erster Abt Frowin gewesen sein, der am Bodensee als „Franzose“
galt und zuvor Bernhards langjähriger Reisebegleiter und Dolmetscher gewesen
war.359 Beachtenswert ist auch die Kreuzzugspredigt des zisterziensischen Kardi-
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Latein im kirchlichen Alltag 85
nallegaten Heinrich von Albano, der zuvor Abt von Clairvaux war: „obwohl er
französischer Herkunft und der deutschen Sprache unkundig war, entfl ammte
er mit Hilfe eines Dolmetschers in angenehmer Belehrung die Sinne vieler tüch-
tiger Krieger in Deutschland für den Kreuzzug“.360
Weniger bekannt ist das Wirken eines anderen Zisterziensers, des französi-
schen Wanderpredigers Radulf. In einer für seinen Orden untypischen Weise
zog dieser Mönch im Jahre 1146 mit einigem Erfolg durch die rheinischen
Städte und bewog mit seiner Predigt angeblich „viele Tausende“, das Kreuz zu
nehmen. Dieser Erfolg erscheint aus heutiger Sicht umso beachtlicher, als der
Franzose auf den zweisprachigen Abt Lambert aus dem belgischen Kloster Lob-
bes als Dolmetscher angewiesen war, seine Predigtsprache das rheinische Publi-
kum also inhaltlich nicht unmittelbar erreichte.361
In einem kurzen Zwischenresümee bliebe festzuhalten, daß im kirchlichen
Bereich – für viele Jahrhunderte belegbar – off ensichtlich großer Bedarf an
Kenntnissen in den jeweiligen Volkssprachen bestand, der oft genug zur Heran-
ziehung von Dolmetschern zwang. Deren Einsatzfeld reichte von der Missions-
predigt bis hin zur Kreuzzugspredigt, umfaßte aber auch wichtige Bereiche der
alltäglichen Seelsorge, die sozusagen normale Predigt und off enbar auch gele-
gentliche Hilfe bei der Beichte.
V. 4 Latein im kirchlichen Alltag
Dort, wo der Einsatz dolmetschender Helfer besonders problematisch war, ver-
schärfte sich die Notwendigkeit, daß niederer wie höherer Klerus zweisprachig
waren, und bezieht man die Kenntnisse des Lateinischen ein, sogar häufi g wohl
mehrsprachig sein mußten.
Ehe dieser Aspekt der Zwei-und Mehrsprachigkeit im kirchlichen Bereich
etwas vertieft werden soll, wäre abermals zu unterstreichen, daß nicht einmal
unter Klerikern das Lateinische durchgängige Verkehrssprache sein konnte. Zu
den bisher angeführten Belegen aus dem Synodalbereich seien weitere Andeu-
tungen hinzugefügt: Ekkehard IV. von St. Gallen berichtet eher beiläufi g, daß in
seinem Kloster der Speisemeister (refectorarius) Sindolf, der zum Dekan der
Werkleute (operariorum positus est decanus) bestimmt worden war, selbst kein
Latein verstand.362 Für einen St. Galler Mönch war die Unkenntnis des Latein
immerhin denkwürdig, im Gegensatz dazu ist aber auf Ekkehard II., einen an-
deren Mönch von St. Gallen, hinzuweisen, der eine abendliche Diskussion bei
Kaiser Otto I. und seinem Sohn, König Otto II., „als ein Meister in der Kurz-
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86 Dolmetscherfragen in kirchlichen Zusammenhängen
schrift notierte (und zwar) nahezu lückenlos im selbenWortlaut auf der Schreib-
tafel. Und daran hatte hinterher sein Otto (II.), wie er uns selber berichtet hat,
großen Spaß, da ihm der Text wieder vorgetragen wurde und er selber nichts als
die Abkürzungszeichen auf der Tafel wahrnahm.“363
Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß ein Dolmetscher im Mittelalter in
ähnlicher Weise Notizen in Kurzschrift für seine Arbeit genutzt hat, ja über-
haupt entsprechende Fähigkeiten besaß. Es erscheint aber angesichts dieser
St. Galler Nachricht vom Ende des 10. Jahrhunderts nicht ausgeschlossen, daß
gelegentlich auch andere bei ihrer Dolmetschertätigkeit zu kurzschriftlichen
Notizen in der Lage waren. Doch zurück zum Problem der innerklösterlichen
Umgangssprache.
Gottfried von Viterbo, der vor 1184 lange Jahre in Friedrich Barbarossas
Hofkapelle gedient hatte, erinnerte sich mit Dankbarkeit daran, daß man im
Kloster auf dem Bamberger Michelsberg sich nur lateinisch unterhalte, was wie
eine besondere Ausnahme klingt: Nullaque vulgaris vox audet in urbe sonari / Sola solet cunctis lingua Latina dari.364 Andererseits verstanden im berühmten
St. Gallen schon in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts nicht einmal alle
Mönche mehr Latein. Die zumeist fast ausschließlich lateinisch verfaßte Über-
lieferung verdeckt freilich solche Sachverhalte allzuoft. Selbst im Zisterzienser-
orden mußte das Generalkapitel von 1242 zwingend als Qualifi kationskrite-
rium verlangen, daß künftige Äbte in der Lage sein müßten, im Ordensplenum
(dem alljährlichen Generalkapitel) Latein zu sprechen: et in Capitulo generali litteraliter loqui.365
Zu den ganz seltenen Ausnahmen gehört auch ein Blick in den schulischen
Alltag in Magdeburg. Brun von Querfurt (ca. 974–1009) berichtet in seiner
Leidensgeschichte des heiligen Bischofs und Märtyrers Adalbert (von Prag), in
der Domschule von Magdeburg seien „die Hörer“ gewohnt gewesen, „lateinisch
zu sprechen, und es wagte keiner, vor dem Magister in der Volkssprache zu re-
den“.366
Lateinkenntnisse allein reichten aber nicht immer. Als beispielsweise König
Stephan von England (1135–1154) dem Abt Gervasius von Luda einen in Hi-bernia (Irland) gelegenen Ort zur Gründung eines Klosters schenkte, delegierte
Gervasius hierzu seinen Mönch Gilbert. Der hatte jedoch Probleme. Er ging
zum König und beklagte, daß er die Sprache jenes Landes nicht spreche. Der
König erklärte daraufhin, „er werde mit Gottes Hilfe für ihn einen sehr guten
Dolmetscher fi nden: Er rief den Ritter Owein herbei und befahl ihm, mit Gil-
bert zu gehen und mit ihm in Irland zu bleiben.“ Das Kloster wurde gegründet,
beide blieben auch zweieinhalb Jahre dort: „Gilbert war Kellermeister des Klo-
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Fremdsprachen an der Kurie 87
sters und Owein für alle Angelegenheiten im klösterlichen Außenbereich der
Beauftragte, ein gottergebener Amtsträger und sehr zuverlässiger Dolmetscher“
(interpresque fi delissimus).367
Die Notwendigkeit von Dolmetschern in irischen Zisterzen ist häufi ger be-
zeugt. Besonders ragen die Erfahrungen Stephan Lexingtons heraus, der in den
20er Jahren des 13. Jahrhunderts irische Klöster visitierte, deren Konvente sich
konspirativ verhalten hatten, letztlich weil sie Konsequenzen der auch Irland
erfassenden normannischen Invasion nicht hinnehmen wollten. Dies betraf vor
allem die Sprache der anglonormannischen Fremdherrschaft, welche neben die
irische Landessprache treten sollte. Die Äbte sprachen Latein und Französisch,
nicht aber Irisch, die ausschließliche Sprache ihrer irischen Konvente. Aus dem
Sprachkonfl ikt wurde schnell ein ethnischer. Doch der Ordensvisitator blieb
unerbittlich und bestand auf den Sprachforderungen des Generalkapitels der
Zisterzienser: Niemand dürfe künftig in irischen Klöstern als Mönch aufge-
nommen werden, der nicht in französischer oder lateinischer Sprache beichten
könne (nisi qui culpam suam confi teri noverit gallice vel latine).368 In welchem
Umfang Stephan Lexington selbst gegenüber Iren und Walisern auf Dolmet-
scher angewiesen war, bleibt freilich off en.
Andere brauchten sprachliche Vermittlung, denn die Unterschiede zwischen
dem Englischen und dem Irischen waren gravierend. Ein Einzelfall, den die
Fabula ineptissima aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts erwähnt, mag das
Problem illustrieren: Ein irischer Mönch befi ndet sich mit Gehilfen auf einer
Pilgerreise durch England. Dort wird er unwissentlich in ein Verbrechen hinein-
gezogen. In dem Moment, in dem er das Haus eines Juden betreten will, den er
für einen Christen hält, wird er von umstehenden Engländern gewarnt – ver-
geblich: At illi non intellexerunt linguam Anglicanam, Hybernienses erant.369
V. 5 Fremdsprachen an der Kurie
Nur schwer erkennbar ist, ob an der Kurie regelmäßig oder nur gezielt auf Dol-
metscher zurückgegriff en wurde. Eine Prüfung dieser Frage kann von der kuri-
alen Legationspraxis ausgehen und dann wenigstens mit einem Blick auf fremd-
sprachigen Unterricht im „Studium an der päpstlichen Kurie“ eine Voraussetzung
zu klären suchen.
Keine unmittelbare Antwort ergibt sich aus Helene Tillmanns Untersuchung
über „Die päpstlichen Legaten in England bis zur Beendigung der Legation
Gualas (1218)“, weil die Päpste bei der „Auswahl der Legationsträger“ hier häu-
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88 Dolmetscherfragen in kirchlichen Zusammenhängen
fi g dem Wunsch der Antragsteller entsprachen. Überhaupt ist durchweg eine
starke Rücksichtnahme auf den englischen König zu erkennen, insofern Ver-
wandte oder Vertraute des englischen Königs regelmäßig als päpstliche Legaten
für England bevorzugt wurden.370 Aus dieser Praxis läßt sich aber auch ablesen,
daß die Kurie darum wußte, wie wichtig für ihre Legaten Vertrautheit mit dem
betreff enden Land und seiner Sprache war.
Bei päpstlichen Legaten für Deutschland entfi elen off enbar solche Vorausset-
zungen. Zwei Beispiele illustrieren den Sonderfall der Kreuzzugspredigt. Zu
1188 berichtet der sogenannte Ansbert, daß der Kreuzzugslegat Heinrich von
Albano, der des Französischen und Deutschen unkundig war, per interpretem gleichwohl mit seiner süßen Rede die Herzen vieler tüchtiger Krieger in Teuto-nia für den Kreuzzug vorbereitet habe.371 Interessant ist vor allem die Redepra-
xis, die auf einen Dolmetscher zwingend angewiesen war und ihn selbstver-
ständlich beizog. Diese Aufgabe schien der Kardinal Johannes von St. Stephan
bei seiner Kreuzzugspredigt auf dem Reichstag von Gelnhausen am 28.10.1195
zu ignorieren. Es war aber ein Glücksfall, daß der Erzbischof Konrad von Mainz
den von seiner Predigt vor sächsischen und thüringischen Fürsten und Herren
erschöpften Kardinal ablöste. Konrad von Mainz „setzte die Predigt in deut-
scher Sprache fort, damit durch die vertrauten heimatlichen Laute diejenigen
zur Kreuznahme bewogen wurden, die der ‚romanisierende‘ Kardinal nicht
hatte überzeugen können. In der Tat hatten seine Worte, unterstützt durch sein
Beispiel (eigener Kreuznahme), glänzenden Erfolg.“372
Ein an der Kurie wohl neu erwachendes Interesse an Missionaren, die auf-
grund ihrer Sprachkenntnisse im Vorderen Orient einsetzbar wären, dokumen-
tiert ein Brief von Innozenz IV. an den Kanzler der Universität Paris vom
22. Juni 1248. Darin teilte der Papst ihm mit, er habe veranlaßt, daß zehn junge
Männer, die des Arabischen und anderer Sprachen des Orients kundig seien,
nach Paris zum Th eologiestudium geschickt werden, um später in den übersee-
ischen Gebieten tätig sein zu können.373 An Dolmetscher ist hier zwar kaum
gedacht, doch die Erkenntnis vom Wert fremder Sprachen bei der Mission ist
deutlich.
Für eine an der Kurie selbst üblicher werdende Praxis, allen reisenden Abge-
sandten einen sprachgewandten Dolmetscher zuzuordnen, spricht eine Anord-
nung von Papst Innozenz IV. vom 18. Februar 1251. Damals schickte er seinen
Kapellan zu Fürsten des Reiches mit einem besonderen Auftrag und verfügte,
daß dieser den frater Th eoderich, magister domus Teutonicorum Prusciae, qui linguam Teutonicam noverit, mitnehme.374
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Fremdsprachen an der Kurie 89
Eine leicht veränderte Verfahrensweise ist für 1278 und 1279 bezeugt, sie
bezieht sich aber off enbar nicht mehr auf Kreuzzugslegationen. In das päpstli-
che Register von Nikolaus III. wurde zum 18.12.1278 eine Anweisung an den
Legaten Giff ridus de Anagnia eingetragen, der zu wichtigen und schwierigen
Verhandlungen zu König Rudolf nach Deutschland reisen sollte. Weil er des
Deutschen und der dortigen Dialekte nicht mächtig war, sollte er einen oder
mehrere, geistliche oder weltliche zuverlässige Leute zu seiner Hilfe als Dolmet-
scher mitnehmen. Überdies sollte er sie schwören lassen, ihm und seinen Ver-
handlungspartnern alle wechselseitigen Verhandlungsbeiträge getreulich zu refe-
rieren und darzulegen. Zusätzlich sollten diese Dolmetscher schwören, daß sie
Verhandlungsgeheimnisse auch später nicht aufdecken würden.375
Der Bischof von Tripolis, der ad partes Alamannie zu schwierigen Verhand-
lungen reisen sollte, erhielt ebenfalls eine solche Instruktion. Sie ist unter dem
Datum vom 3.6.1279 in das päpstliche Register eingetragen und bis auf ganz
geringfügige Abweichungen im Wortlaut identisch mit jener erwähnten Eintra-
gung vom 18.12.1278. Diese lange Zeit nicht erkannten Übereinstimmungen
legen die Vermutung nahe, daß es sich um eine bereits formelhafte Kanzleipra-
xis handelte, mithin muß auf einen wohl häufi ger notwendig gewordenen
Rückgriff auf Dolmetscher bei kurialen Legationen geschlossen werden.376 Be-
achtlich scheint zu sein, daß die päpstliche Instruktion an mehrere interpretes denkt, wesentlich ist auch, daß diesen Leuten Eide abverlangt wurden, korrekte
Dolmetscherdienste zu leisten und Verschwiegenheit zu üben, letztere sogar
noch nach Beendigung der unmittelbaren Verhandlungen. Dieser Befund legt
ein technisch-institutionelles Verständnis der Dolmetschertätigkeit nahe, und
zwar gewiß beiderseits, also seitens der Dolmetscher als auch ihrer Auftraggeber.
Die langfristige Verschwiegenheitspfl icht deutet auch darauf hin, daß solche
Dolmetscher häufi ger Verwendung fanden oder ganz allgemein zur kurialen
Verfügung standen, mindestens verfügbar sein konnten. Die ebenfalls ausdrück-
lich zur korrekten Wiedergabe verpfl ichteten Dolmetscher scheinen über ent-
sprechende sprachliche Voraussetzungen einwandfrei verfügt zu haben, denn
anders hätte die eidliche Verpfl ichtung zum fi deliter referre et exponere recht ge-
ringen Sinn. Qualifi zierte Dolmetscher dieser Art müßten grundsätzlich inner-
halb wie außerhalb der kurialen Geistlichkeit oder ihrer Verwaltung existiert
haben, durften die Legaten doch aliquem vel aliquos religiosos vel seculares fi deles […] interpretes verpfl ichten.
Daß auch in späteren Jahrhunderten päpstliche Legaten, die nach Deutsch-
land geschickt wurden, ihrerseits die Landessprache nicht beherrschten, ergibt
sich bereits aus dem Sonderfall des griechischen Kardinals Bessarion, der zusätz-
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90 Dolmetscherfragen in kirchlichen Zusammenhängen
lich zu seiner Muttersprache fl ießend Lateinisch und Italienisch in Schrift und
Wort beherrschte und auf seiner Legationsreise 1460 in Wien auch die teusch zungen gelert (gelernt) hat.377 Dieses Beispiel zeigt, daß der Legat intensiv be-
müht war, die notwendige Sprachpraxis in dem ihm bislang unbekannten Land
sich anzueignen. Da Bessarions Sprachkenntnisse jedoch als ganz außergewöhn-
lich herausgestellt wurden, ergibt sich wohl im Umkehrschluß ein im allgemei-
nen recht regelmäßiges Defi zit. Nicht uninteressant ist aber auch, daß Bessarion
in Wien seine Begrüßungsrede vor Abgesandten des Mainzer Erzbischofs ins
Deutsche von Johann Hinderbach übersetzen ließ. In ähnlicher Weise wie Bes-
sarion wurde der aus dem französischen Südwesten stammende und des Deut-
schen unkundige Ablaßlegat Raimund Peraudi in Deutschland von einem Dol-
metscher begleitet.378
Einen knappen Einblick in kuriale Tätigkeitsbereiche gewährt die Rech-
nungslegung päpstlicher Kollektoren im 14. Jahrhundert. Petrus Durandi, sei-
nerseits Kanoniker der Kathedrale von Embrun und päpstlicher Kaplan, no-
tierte unter seinen Ausgaben im August 1319 eine Art Sonderposten. Er bezog
sich auf nuncii, die von Mainz zur Römischen Kurie reisten und hob einen
deutschen nuncius hervor, der einen anderen nichtdeutschen nuncius bis zur
Grenze Deutschlands führte und dafür 10 Haller Schillinge erhielt.379 Im De-
zember 1319 ergibt sich ein ähnlicher Posten. Der päpstliche Kollektor gab ei-
nem namentlich nicht genannten deutschen Diener einen ausgewiesenen Geld-
betrag mit der Begründung, dieser habe den nuncius geführt auf dem Weg bis
zur deutschen Sprachgrenze (usque ad egressum lingue Th eutonice).380 Sieht man
von den sehr bemerkenswerten Belegen für eine real und präzis empfundene
Sprachgrenze hier einmal ab, so bleibt als Faktum, daß päpstliche Boten im
deutschen Sprachraum auf sprachkundige Reiseführer bzw. auf Dolmetscher
angewiesen waren und daß diese für ihren Dienst eine Besoldung erhielten, die
korrekt gegenüber den kurialen Schatzmeistern abgerechnet wurde, also nicht
beiläufi g war.
V. 6 Von der Kurie organisierter Fremdsprachenunterricht
Off en bleibt bei allen bisherigen Nachrichten, woher die kurialen Dolmetscher
ihre Kenntnisse und ihre speziellen Fähigkeiten hatten. Dies führt unter ande-
rem zur Frage, ob ggf. an der Kurie selbst entsprechende Sprachkenntnisse und
Fähigkeiten erwerbbar waren bzw. gelehrt wurden. In der Tat lassen sich erste
Ansätze eines an der Kurie organisierten Fremdsprachenunterrichts zu Beginn
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Von der Kurie organisierter Fremdsprachenunterricht 91
des 14. Jahrhunderts nachweisen. Zwar ist nicht eindeutig, daß diese Sprach-
kurse speziell für Dolmetscher durchgeführt wurden, doch lohnt es insgesamt,
den interessanten Details etwas Aufmerksamkeit zu widmen.
Eine grundlegende Entscheidung für einen kurialen Sprachunterricht brachte
das Konzil von Vienne 1311/12. Im Vorfeld des Konzils hatte Ramon Lull nach
mehrmaligen Anläufen im Mai 1309 Papst Clemens V. eine entsprechende Bot-
schaft überreicht, den Liber de acquisitione Terrae Sanctae. In ihr betonte er, daß
für die Konsolidierung der geforderten Unterwerfung des Heiligen Landes und
die Bekehrung seiner Bewohner „die Kenntnis der orientalischen Sprachen un-
erläßliche Vorbedingung sei“. Ramon Lull sprach sich daher für Studienzentren
in Paris, Rom und Toledo aus, in denen Arabisch, Hebräisch, Griechisch und
Tatarisch gelehrt werden solle.381 Das Konzil modifi zierte den Vorschlag und
erweiterte ihn noch: Vorgesehen wurde die Errichtung von Schulen „und zwar
am römischen Hof, gleich wo er residiert, sowie an den Zentren der gelehrten
Studien zu Paris, Oxford, Bologna und Salamanca. In jeder dieser Schulen soll
es katholische Professoren geben, die eine genügende Kenntnis der hebräischen,
arabischen und chaldäischen Sprache besitzen, je zwei Fachleute für jede Spra-
che: Sie versehen die Leitung der Schule, übersetzen die verschiedenen in diesen
Sprachen verfaßten Werke getreulich ins Lateinische und lehren diese Sprachen
selbst andere, so daß ihre Schüler hinreichend unterrichtet mit Gottes Hilfe die
erhoff te Frucht bringen und den Glauben unter den im Unglauben lebenden
Völkern verbreiten können.“382 Das Konzil nahm dieses Dekret sehr ernst, wie
sich an den Finanzregelungen erkennen läßt: „Die Begleichung der Unkosten
und Honorare wird am römischen Hof der Apostolische Stuhl übernehmen; in
Paris der König von Frankreich; in Oxford die Prälaten, Klöster, Kapitel, Kon-
vente, exemten und nichtexemten Kollegien von England, Schottland, Irland
und Wales; ebenso wird man in Italien für Bologna verfahren und in Spanien
für Salamanca.“383
Zumindest partielle Vorbilder gab es in Sevilla schon länger. Denn laut Stif-
tungsbrief hatte Alfons der Weise das dortige Studium 1254 für Latein und
Arabisch, was für Missionszwecke notwendig war, gegründet.384 Schon 1250
sollte an spanischen Dominikanerschulen aus dem gleichen Grunde Arabisch
gelehrt werden. Ob aber des Ordensgenerals Humbert noch weiterreichender
und allgemeiner Appell von 1255 ad linguam arabicam, hebraicam, grecam seu aliam barbaram addiscendam befolgt wurde, bleibt etwas undeutlich.385 Für die
Mission war ein Bedarf an sprachkundigen Leuten jedoch off enkundig, und als
spezielle Zielgruppe galten diejenigen Dominikaner, die in fremde Länder ge-
hen sollten bzw. gehen würden. Aus diesem Sachverhalt könnte man auch
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92 Dolmetscherfragen in kirchlichen Zusammenhängen
schließen, daß sie selbst von Dolmetschern ganz oder mindestens weitgehend
unabhängig werden sollten. Jedenfalls ließ Humbert „umgehend“ von Spanien
aus „das Missionswesen […] zentralistisch organisieren und Sprachschulen für
Arabisch, Griechisch und Hebräisch einrichten, deren Besuch für die Missio-
nare obligatorisch wurde“.386
Die Realisierung dieser alten Beschlüsse blieb schwierig. Immerhin sind
Konzentrationsbemühungen erkennbar, wenn das Generalkapitel der Domini-
kaner 1291 beschloß, es sollten „immer in der Hispania“ Lehranstalten in he-braico et in arabico bestehen.387 Gewiß nicht besser waren die entsprechenden
Studienbedingungen im Franziskanerorden. Roger Bacon beispielsweise,388 der
sich für das Fremdsprachenstudium einsetzte und selbst Kenntnisse des Hebrä-
ischen, Arabischen und Griechischen erworben hatte, tadelte allgemein die
franziskanischen Studienverhältnisse: „Kaum jemand außer den englischen Mi-
noriten beschäftige sich mit dem Studium von Griechisch, Hebräisch, Arabisch
oder Chaldäisch.“389
Konkrete Belege für kurialen Sprachunterricht fi nden sich in den Gehaltsli-
sten der apostolischen Kammer unter Johann XXII. Am 19. November 1317
wird fr. Conrado, electo magistro linguarum in curia das Gehalt bezahlt,390 beim
nächsten Zahlungstermin wird er archiepiscopus, magister linguarum genannt.391
Konrads Nachfolger ist bei der Gehaltszahlung vom 8.4.1318 fr. Bonifacius, magister linguarum de novo deputatus per dominum nostrum.392 Zehn Jahre lang
(letztmalig am 13.8.1328) erscheint er in den Gehaltslisten, nach ihm fehlen
lange (besoldete) Sprachlehrer, und der Abt Barlan von St. Salvator in Konstan-
tinopel, der 1342 an der Kurie Griechisch las (in curia legenti grecum)393 wie
auch der gleichzeitig besoldete Narsesius archiep. Manesgarden. similiter in curia legenti, der ab August 1343 zweimonatliche Gehaltszahlungen erhielt,394 könn-
ten bereits Ausnahmen sein.
Nicht erkennbar ist, welche Sprachen von den erwähnten Konrad und Boni-
facius gelehrt wurden. Armenisch dürfte es nicht gewesen sein, denn vom
19. September 1321 bis zum 28. Mai 1323 werden Raynerio de Costansa presbi-tero et Alexandro Petri clerico, nuntiis regis Ermenie, qui debent docere in curia linguas eorum, von der apostolischen Kammer Saläre angewiesen.395 Diese Ge-
sandten des armenischen Königs fungierten sozusagen als außerplanmäßige
Lehrer ihrer Landessprache – vermutlich für die Dauer ihres längeren Aufent-
haltes an der Kurie.
Die gewiß nicht zahlreichen vorgelegten Zeugnisse erlauben immerhin die
Feststellung, daß an der Kurie regulärer Fremdsprachenunterricht stattfand.
Damit ist aber nicht gesagt, wo und in welcher Zuordnung solcher Unterricht
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Von der Kurie organisierter Fremdsprachenunterricht 93
erteilt wurde, auch ist die Palettenbreite des Fremdsprachenangebots nicht voll
erkennbar. Als institutioneller Bezug käme durchaus die Romana curia oder
Kurien-Universität in Frage, die sich seit 1245 entwickelte, teils parallel zur rö-
mischen Stadtuniversität (seit 1303), teils zur Universität Avignon (ebenfalls seit
1303).396 Ausdrücklich belegt ist der Fremdsprachenunterricht an der Kurien-
Universität jedoch nicht.
Gelöst waren die Fremdsprachenprobleme trotz mancher Ansätze ohnehin
nicht, doch das Bewußtsein ihrer anhaltenden Bedeutung blieb erhalten. In
Papst Gregors XI. Kanzleiregel vom 11.6.1373 wird deutlich, daß etwa im Pfar-
reibereich die lateinische Sprache nicht ausreicht, sondern lokale bzw. regionale
Sprachkenntnisse vorhanden sein müssen. Mit dieser Erkenntnis dürften euro-
paweite Dimensionen angesprochen sein. So wird als Bedingung genannt: per-sona ipsa bene intelligat et intelligibiliter loquatur ydioma illius loci, ubi dicta par-rochialis ecclesia consistat – daß „die Person die Sprache des Ortes, wo die
Pfarrkirche steht, gut versteht und sie verständlich spricht“.397
Sorgen bereitete die Sprachausbildung wohl regelmäßig. So forderte Pierre
d‘Ailly 1416 in seiner Schrift über „die Kirchenreform“ u. a. eine strenge Aus-
wahl bei akademischen Prüfungen und Stellenbesetzungen, denn „so erhielte
man Lehrer der Rhetorik und der Griechischen und Lateinischen Sprache – Un-
kenntnis in diesen Fächern ist für die Kirche überaus schädlich“.398 Der Begrün-
dung kann man folgen, insbesondere auch den nachdrücklichen Hinweis auf
das Griechische positiv vermerken. Daß aber auch das Lateinische dazu gehört,
ist fast nicht zu glauben und stellt Teilbereichen der zeitgenössischen Priester-
ausbildung ein vernichtendes Zeugnis aus. Ein solches fand sich schon bei Matt-
häus von Krakau, der im Vorfeld des Konstanzer Konzils in seiner Schrift von
1403 über den „Sumpf der Römischen Kurie“ (De squaloribus curie Romane) Mißstände bei Beichtvätern anprangerte, wo widersinnig das Amt des Poeniten-
tiars verkauft werde, auch an inkompetente und manchmal sogar an „völlig
ungebildete und unerfahrene, mitunter auch [an] Leute, die kein Wort Latein
sprechen können“.399
Das Anprangern solcher Mißstände war gravierend, es beschäftigte auch das
Konzil von Basel. Im Reformdekret der 19. Sitzung vom 7. September 1434
ging es um Judenbekehrung: „Damit aber diese Predigt um so mehr Frucht
bringt, je größere Sprachkenntnisse die Prediger haben, befehlen wir, es solle in
jeder Weise die vom Konzil von Vienne erlassene Konstitution befolgt werden
über die beiden Lehrbeauftragten in den dort genannten Studien für hebräische,
arabische, griechische und chaldäische Sprache.“400 Die Baseler Konzilsväter ver-
gaßen nicht, auch angemessene Vergütungen für die Leiter der entsprechenden
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94 Dolmetscherfragen in kirchlichen Zusammenhängen
Studienhäuser zu verlangen, was unbedingt für die Ernsthaftigkeit ihres Anlie-
gens spricht.
Im Jahr darauf, am 14. Mai 1435, regelte das Baseler Konzil auf Antrag Bi-
schof Michaels von Samland, daß die Neugetauften jeweils in ihrer Sprache
geistlich zu betreuen seien.401 Bei diesen Personen an der Grenze von Samaiten
handelte es sich gewiß um litauische Einwanderer. Da die überlieferte Konzils-
bulle von Leuten verschiedener Sprache (diversarum linguarum) spricht, ist ein
großes Ausmaß an Pfl ichten zu erkennen, die dem Bischof oblagen, aber kaum
zu bewältigen waren. Zum Völkergemisch in Samaiten gehörten Deutsche,
Preußen, Russen (Ruthenier), Polen, Masowier, Litauer und Livländer. Ob ih-
nen allen gegenüber die Konzilsforderung realisierbar war, bleibt off en.402 Ande-
rerseits waren die Beichtabnahmen mit Dolmetscherhilfe ein äußerst gravieren-
der Mißstand, der nach Korrekturen förmlich schrie: Pfarrer, die in den
Grenzgebieten ipsorum parrochianorum ydeoma intelligibiter loqui ignorantes con-fessiones per interpretes audire presumunt […], et plerique ex ipsis parrochianis hoc modo confi teri erubescentes moriuntur non confessi seu in peccatis sordere dinoscun-tur in grave periculum animarum. Künftig dürften die Pfarrstellen nur mit Per-
sonen besetzt werden,„die die Sprache der Pfarrkinder intellibiliter sprechen
und die Beichte ohne Dolmetscher abnehmen können“. 403
Kaum erkennbar ist, ob solche und ähnliche Forderungen vorgeordneter
kirchlicher Instanzen erfüllt werden konnten. Zum einen liegt dies an Mängeln
in der Überlieferung, zum anderen gewiß daran, daß allgemeine Verhältnisse
nur selten schriftlichen Niederschlag fanden. Dabei ist die Hinzuziehung von
Dolmetschern (Tolken) für den Gottesdienst keine beiläufi ge Angelegenheit,
die beliebig herbeigeführt werden konnte. So gibt es noch 1547 anläßlich einer
Kirchenvisitation in Pobethen im Samland das Verlangen, den dortigen Pfarrer
abzuberufen, weil er für den (preußischen) Gottesdienst keinen Tolken benutze.
Die Kirchenvisitation von 1569 vermerkte dann auch, daß man in Pobethen
keinen Tolken habe.404 Andererseits gab 1595 der namentlich bekannte Paul
Megott an, „er habe in Pobethen 40 Jahre lang als Tolke gedient in preußischer,
kurischer und litauischer Sprache, auch bei der Übersetzung des Katechismus
geholfen“.405 Diese Nachrichten stehen nicht isoliert. In Zinten beispielsweise
wird 1543 „den Undeutschen“ ein Tolk bestellt und im Visitationsrezeß von
1575 dazu erläuternd bemerkt: „hier ist ein Tolk von Nöten, der dem polni-
schen Gesinde den Katechismus polnisch vorsage“. Einen polnischen Tolken
gab es dann in Zinten bis 1630.406
Unverhältnismäßig reich dokumentiert für das einschlägige Interesse am
Dolmetschen und an Dolmetschern ist der missionarische und diplomatische
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Kommunikation der Kurie mit fremden Herrschern 95
Verkehr zwischen der päpstlichen Kurie und dem Orient im 13. und 14. Jahr-
hundert. Berthold Altaner hat die betreff enden Quellen eingehend untersucht
und sowohl Probleme des einschlägigen Sprachunterrichts an der Kurie als auch
die Tätigkeit von Dolmetschern in den östlichen Reichen behandelt.407 Er
spricht ausdrücklich vom „Dolmetscherwesen“, das auf römisch-katholischer
Seite für den Orient, vornehmlich im Verkehr mit Kleinarmenien, dem arabisch
sprechenden Orient und für die Beziehungen zu den Tataren benötigt wurde
und teilweise auch zur Verfügung stand. Freilich zeigte sich bei den zumeist
angemieteten Dolmetschern oft eine beachtliche Einseitigkeit, etwa wenn sie
sich als unfähig bekannten, theologische Fragen zu vermitteln oder solche Texte
zu übersetzen.408 Gravierender noch war es, daß ein Dolmetscher selten mehrere
Fremdsprachen beherrschte, was für die Übersetzung schriftlicher Botschaften
oft mehrstufi ge Translationsvorgänge erforderte und auch mündliche Verhand-
lungen mitunter unmöglich machte.409 Dabei waren außer lateinischen und
griechischen Sprachkenntnissen solche des Syrischen, das auch als das Arabische
bezeichnet wurde, des Persischen, des Tatarischen, des Türkischen und des Fran-
zösischen gefragt. In einigen Fällen verfügten die asiatischen Adressaten über
einen eigenen „Dolmetscherapparat“, doch waren die Schwierigkeiten im
mündlichen wie schriftlichen Verkehr mit dem Orient außerordentlich groß.
Am Beispiel der Tatarenfahrten des Dominikaners Fr. Ascelinus, des Franzis-
kaners Johannes Pian Carpino, des Dominikaners Andreas Longjumeau, die in
getrennten Gesandtschaften im Auftrag von Papst Innozenz IV. 1245 zu den
Tataren aufbrachen und am Beispiel des gleichfalls berühmten Franziskaners
Wilhelm Rubruk, der 1253 seine Missionsreise ins Land der Tataren begann,
sind die Schwierigkeiten und auch Versuche, diese zu meistern, gut zu verfol-
gen.410
V. 7 Dolmetscher für die Kommunikation der Kurie mit fremden
Herrschern
Es klang bereits an, daß die Kurie dem gezielten Erwerb von Sprachkenntnissen
Bedeutung zumaß, wenngleich off en blieb, ob entsprechende Bemühungen von
Dauer waren, unklar auch, in welchem Ausmaß solche Fremdsprachenkompe-
tenz benötigt und genutzt wurde. Diese Frage lenkt den Blick auf relevante
Außenkontakte der Kurie und insbesondere auf diplomatische Beziehungen zu
Herrschern in Europa und Asien. Allerdings gilt das Interesse bei all diesen Kon-
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96 Allgemeine Fremdsprachenkenntnisse
takten ausnahmslos der sprachlichen Verständigung, den Möglichkeiten und
Schwierigkeiten oraler Kommunikation.
Begonnen sei mit Kontakten zu Byzanz. Berthold Altaner hat 1936 einen
Beitrag über „Die römische Kurie und Konstantinopel“ vorgelegt und insbeson-
dere betont, daß bei den Unionsverhandlungen zwischen Rom und den griechi-
schen Kaisern während des 13. und 14. Jahrhunderts „die Byzantiner in der
Regel diejenigen [waren], die durch Abordnung von Dolmetschern selbst die
Durchführung der Verhandlungen ermöglichten“.411 Die päpstliche Seite
konnte seltener sprachkundige Delegationsmitglieder aufbieten, oft genug
wurde darüber auch geklagt. Humbert von Romans machte 1274 allerdings die
Einschränkung, daß die Dolmetscher ggf. verläßlich sein müßten. Die griechi-
sche Seite war besser mit Dolmetschern ausgestattet, so beispielsweise 1348 und
1352, als in Avignon verhandelt wurde und ein Nicolaus, interpres maior sowie
später Raphael, episcopus Archadiensis OFM, genannt werden. Als auf dem Kon-
zil von Lyon (1274) über die Union mit den Griechen verhandelt wurde, wirkte
auf Seiten des Kaisers Michael Paläologus ein Grieche als Gesandter und Dol-
metscher zugleich.
Es ist unverkennbar, daß es wegen fehlender Dolmetscher zu beachtlichen
Mißerfolgen kommen konnte. Beispielsweise war die Kurie 1351 nicht in der
Lage, den Gesandten, die nach Armenien reisten, einen Dolmetscher zuzuord-
nen, so daß es bei einer reinen Briefübergabe bei dem Katholikos der Armenier
blieb, Verhandlungen mangels Sprachkenntnissen bzw. deren Überbrückung
durch Dolmetscher hingegen entfi elen. Da über Mißerfolge nicht oder eher
verschleiernd berichtet wird, ist mit einer größeren Dunkelziff er von Fällen
sprachlichen Unverständnisses zu rechnen.
Auff ällig ist, daß besonders die päpstliche Seite von mangelnder Sprachkom-
petenz recht oft betroff en war, was in gewissem Gegensatz zu fremden Völkern
steht. 1233 begegnete ein Dominikaner im fernen Osten in Orenburg einem
tatarischen Gesandten, der „deutsch, ungarisch, russisch, kumanisch, saraze-
nisch und tatarisch sprach“.412 Dies war kein Einzelfall, denn tatarische Herr-
scher waren off enbar durchweg bemüht, geeignete Dolmetscher für etwa anfal-
lenden Bedarf zur Verfügung zu haben. So hatten es bereits die Hunnen getan.
Auf Dolmetscher angewiesen war der russische Erzbischof Petrus bei seiner
Teilnahme am (I.) Konzil von Lyon 1245. Er selbst verstand weder „lateinisch,
noch griechisch, noch hebräisch“, doch sein Anliegen vertrat er „sehr gut (per-optime) gegenüber dem Papst mit Hilfe eines Dolmetschers“. 413
Statt weiterer Einzelbeispiele sei das Problem des mündlichen Sprachkon-
takts zwischen dem päpstlichen Hof und den Höfen fremder Völker noch ein-
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Kommunikation der Kurie mit fremden Herrschern 97
mal angesprochen. Von einem ‚geordneten Dolmetscherwesen‘ wird man an der
mittelalterlichen Kurie kaum sprechen können, vielleicht war das Bedürfnis
nach einem solchen auch nicht allzu eklatant, denn die Gesandten, die nach
Rom kamen und ihr Begehren vortrugen, brachten selbst Dolmetscher mit oder
mieteten sie vor Ort. In dieser Situation befand sich der byzantinische Hof
nicht, aber aus vermutlich schon sehr traditionellen Gründen und Einsichten
gab es mit dem interpres maior an der Spitze ein „besonderes Hofamt“. Dies hat
B. Altaner belegt, der auch für Ägypten von einer Konzentration des Dolmet-
scherwesens in der „Staatskanzlei“ und von zum Teil ähnlichen Verhältnissen in
„den islamischen Staaten Nordafrikas, Kleiasiens und Syriens“ spricht, auch auf
die Tataren verweist.414 So wird man für das Papsttum einstweilen nicht von ei-
nem geordneten Dolmetscherwesen sprechen können, doch sind selbst bei an-
ders gearteten Verhältnissen und entsprechend geringerem Bedarf immerhin
beachtenswerte Ansätze vorhanden gewesen. Erstaunlich bleibt gleichwohl, daß
die Kurie die Bedeutung unterschätzte, die hinreichender Sprachkompetenz bei
mündlicher Kontaktnahme und Kommunikation zukam.
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