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»VOM SCHÄTZESAMMELN UND SORGEN« PREDIGTBAUSTEINE ZUM ERNTEDANKFEST 2013

»VOM SCHÄTZESAMMELN UND SORGEN« PREDIGTBAUSTEINE … · 2013-05-08 · Zur Zeit Jesu und unter den Lebensumständen der kleinen Leute von Galiläa darf man sich unter „Schätzen“

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Page 1: »VOM SCHÄTZESAMMELN UND SORGEN« PREDIGTBAUSTEINE … · 2013-05-08 · Zur Zeit Jesu und unter den Lebensumständen der kleinen Leute von Galiläa darf man sich unter „Schätzen“

»VOM SCHÄTZESAMMELN UND SORGEN« PREDIGTBAUSTEINE ZUM ERNTEDANKFEST 2013

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2 Gott sei Dank

M atthäus 6, 19-23 ist ein Teil der Bergpredigt. Sie ist auch bei Lukas zu fi nden, allerdings in anderer Anordnung und verteilt auf Kapitel 6 (Feldrede),

12 und andere Stellen. Beide haben wohl Jesusworte, die schon vor ihnen in einer „Spruchquelle“ gesammelt waren, nach unterschiedlichen Prinzipien angeordnet.Die Verse 19-23 kommen bei Lukas deshalb nicht im gleichen Zusammenhang vor, was darauf hindeutet, dass es sich um keinen einheitlichen Textabschnitt handelt.Matthäus geht es in seiner Anordnung darum, zu zeigen, dass die neue Welt Gottes ein ganz anderes Verhalten verlangt. Er arbeitet gern mit Gegensatzpaaren, so auch in unserem Abschnitt mit „Schätze auf Erden“ und „Schätze im Himmel“. Es geht ihm um die ganze und vollständige Neuausrichtung, deshalb hat er das Wort von den Schätzen, das Wort vom Herz und das Wort vom Licht und der Finsternis nebeneinander gestellt.Um eine klare Fokussierung der Predigt zu erhalten, wähle ich in meinen Bausteinen die Verse 19-21 und blende 22-23 aus, was mir angesichts der Textgeschichte legitim scheint.Zur Zeit Jesu und unter den Lebensumständen der kleinen Leute von Galiläa darf man sich unter „Schätzen“ keine Ansammlung von Kostbarkeiten vorstellen. Es handelt sich einfach um ein paar wenige Dinge, die über das unmittelbar Lebensnotwendige hinausgehen, vielleicht schöner gear-beitet sind als üblich, vielleicht als Rücklage für schlechte Zeiten dienen.

INFORMATIONEN ZUM TEXT

„Herz“ ist in der Ursprache der Bibel nicht anatomisch gemeint, sondern eine der möglichen Umschreibungen von „Person“ oder „Ich“.„Himmel“ beschreibt in der Rede Jesu nicht ein räumliches Jenseits, sondern die neue Welt Gottes, die kommt, aber auch mit ihm schon da ist.Es geht ihm also um die „neuen Werte“ im Reich Gottes, nicht um irgendeine Art von himmlischer Bank, auf der man Guthaben erwerben könnte.So wurde das Gleichnis teilweise später missverstanden – die vorreformatorische Th eologie redete vom „Th esaurus orum bonorum“, vom Schatz der guten Werke der Heiligen und Märtyrer, aus dem die Kirche den weniger Heiligen Ablass für ihre Sünden gewähren könnte.Martin Luther hat das zurechtgerückt: Der „Schatz“ ist die Gnade Gottes, die vorweg gewährt wird und aus der heraus Menschen im Sinne Gottes handeln können. Gott ist kein Buchhalter, und es gibt keine himmlische Daseinsvorsorge.Martin Luther hat in seiner Auslegung zum 1. Gebot im Großen Katechismus auch das Wort vom Herz aufgenommen: „Worauf du nun (sage ich) dein Herz hängest und verläßest, das ist eigentlich dein Gott.“ Luther denkt dabei wie Jesus und Matthäus nicht etwa an Innerlichkeit, sondern sofort an die Wirtschaft und fährt fort:„Es ist mancher, der meinet, er habe Gott und alles genug, wenn er Geld und Gut hat, verläßt und brüstet sich darauf so steif und sicher, daß er auf niemand nichts gibt. Siehe, dieser

EINLEITUNG

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3Gott sei Dank

hat auch einen Gott, der heißet Mammon, das ist Geld und Gut, darauf er all sein Herz setzet, welchs auch der aller-gemeinest Abgott ist auf Erden.“ (Bekenntnisschriften, hrsg. Aland, S 560 f.)Insofern ist es legitim, unseren Predigttext auch wirtschafts-ethisch auszulegen.Die Frage, woran viele Menschen heute ihr Herz hängen, d.h. ihr Leben ausrichten, lässt sich im Blick auf die Konsumgesellschaft und die Finanzmärkte durchaus im Sinne unseres Predigttextes stellen.Die Antwort ist freilich nicht so eindeutig zu geben, wie unser kurzer Text das tut: zu sehr sind wir alle, auch der Prediger und die Predigerin, auch die Kirche, in diese Bezüge verwickelt.Jedenfalls, das Erntedankfest ist nicht mehr, was es einmal war.War es in früheren Zeiten wirklich das Aufatmen, dass das Überleben wieder für einen Winter gesichert war, so ist das heute anders. Phlipp Beyhl schreibt in seiner Dissertation „Erntedank – ein mögliches Fest. Neue Aspekte zu einem beliebten und doch schwierigen Fest:

„Anstelle dieses Bewusstseins ist seit dem 19. Jahrhundert eine – zumindest im westlichen Kontext – weitgehende Unabhän-gigkeit von der landwirtschaftlichen Produktion getreten, die den einst untrennbaren Zusammenhang des Erntedankfestes und der Ernte, der Abhängigkeit der Ernte vom Wetter und vor allem der Unverfügbarkeit der Fruchtbarkeit sukzessive auflös-te. Freilich, die Erfahrung, für den Lebensunterhalt mitunter hart arbeiten zu müssen und im Hinblick auf Arbeitsstelle und Lohntüte von vielen verschiedenen Faktoren abhängig zu sein,

ist geblieben. Aber diese Erfahrung ist abstrakter geworden und aufgrund eines Systems der sozialen Absicherung in Deutschland nicht mehr in dem Maße existentiell als sie es zum Beispiel für einen Bauern vor 100 Jahren war, den eine verhagelte Ernte in die bitterste Armut treiben konnte. Darüber hinaus wird diese Abhängigkeitserfahrung immer weniger mit transzendenten Kräf-ten in Verbindung gebracht, sondern als Ursache für Erfolg und Misserfolg die eigene Person, das soziale Umfeld, die (unzuläng-lichen) Bemühungen der Politiker, die Folgen der Globalisierung oder die Erziehung seitens der Eltern hoch gehalten.“ (http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/7460/1/ArbeitNEU07.pdf)

Beyhl beschreibt, wie in der Kirche versucht wurde, diesem Bedeutungswandel zu begegnen, z.B. durch Betonung der Ethik der Ökologie oder des Teilens, wie aber dadurch das Danken und das Lob Gottes eher in den Hintergrund tritt.Im Blick auf die Gott-sei-Dank-Brot-Aktion 2013 und deren Anspruch, Menschen auf regionale Wirtschaftskreisläufe, verantwortlichen Konsum und dankbares Teilen anzusprechen kann unser Text Anstöße geben. Diese sind im Folgenden in einer Reihe von „Bausteinen“ verarbeitet, die in Auswahl aneinandergereiht oder mit eigenen Überlegungen kombiniert eine Predigt zum Erntedankfest ergeben.

VOM SCHÄTZESAMMELN UND SORGEN

Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen.Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen.Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.Das Auge ist das Licht des Leibes. Wenn dein Auge lauter ist, so wird dein ganzer Leib licht sein.Wenn aber dein Auge böse ist, so wird dein ganzer Leib finster sein. Wenn nun das Licht, das in dir ist, Finsternis ist, wie groß wird dann die Finsternis sein! Matthäus 6, 19 – 23

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PREDIGT-BAUSTEINE ZUM ERNTEDANKFEST AM 06. OKTOBER 2013

Gott sei Dank

GOTTESDIENST

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ZUM ANFANG

Erntedankfest – früher und heuteJa, das „Erntefest“ ist auch nicht mehr, was es war. Freuten sich früher fast alle, dass die harte Arbeit auf dem Feld zu Ende war und sich gelohnt hatte, so betriff t „Erntedank“ heu-te direkt noch 3% der Deutschen, die von der Landwirtschaft leben. Freuten sich früher alle darüber, dass es wieder für’s Überleben in einem langen Winter reichen würde, so kommt heute das Essen aus dem Supermarkt und am Ende aus der ganzen Welt. An die Stelle des Dankens sind Probleme getre-ten: Nahrungsmittelskandale, der Hunger in der Welt, ihre Unbewohnbarkeit im Zeichen der Klimakatastrophe. Haben wir also etwas zu danken?

Die Konjunktur der WerteAlle reden von „Werten“: die Sonntagsredner von christli-chen, abendländischen Menschenrechten, die Unternehmen von Unternehmenswerten, denen sie sich verpfl ichtet fühlen, die Börsianer vom Shareholder Value, vom Marktwert des Eigenkapitals. Manche sagen, nur das letztere zähle, denn der Mensch sei ein homo oeconomicus, einer, der letztlich das macht, was ihm den größten geldwerten Vorteil bringt. Dan-ken, wofür? Und: Was ist überhaupt etwas wert? Das ist eine Frage, für die heute der richtige Tag ist, und Jesus wirft sie in unserem Predigttext auf.

Sichere GeldanlagenLiebe Gemeinde, besitzen Sie Schätze? Ich, als Kind, ich hatte ein Holzkästchen, in dem ich meine Schätze aufbewahrte: die bunten Federn eines Eichelhähers, eine Patronenhülse aus dem letzten Krieg, die Goldmünze, die mir meine Großtante zum Geburtstag einmal geschenkt hatte, und meinen Freischwim-merausweis. Heute schmunzle ich darüber. Heute habe ich eine Geldanlage bei der Oikocredit-Bank, falls ich in Zukunft einmal Geld brauchen sollte, und ein Eigenheim, und vor allem einen Pensionsanspruch, der reichen sollte, vielleicht sogar für’s Pfl egeheim.

Und manchmal sage ich auch „Schatz“ zu meiner Frau.Wie ist das mit den Schätzen? Hören wir dazu Jesus in seiner Bergpredigt im Matthäusevangelium:

ZUM TEXT

Die Redesituation der „Bergpredigt“ – was waren für Jesu Zuhörer „Schätze“?Die Bergpredigt: Jesus, auf einem grünen Hügel über dem See Genezareth, umgeben von der fruchtbarsten Landschaft Israels. Und er redet über das Leben in der neuen Welt Gottes. Beginnt mit dem, was Menschen glücklich macht, ganz anders

als sie es gewohnt sind: Barmherzig sein macht glücklich, andere brauchen macht glücklich, nach Gerechtigkeit streben, behutsam und freundlich sein statt sich mit Gewalt durchset-zen. Und dann redet er auch davon, was in der neuen Welt Gottes wirklich etwas wert ist, über Schätze auf der Erde und im Himmel.

Was für Schätze werden seinen Zuhörern in den Sinn ge-kommen sein? Es waren ja vor allem kleine Leute, Leute, die auf bessere Zeiten nur hoff en konnten. Vielleicht hatten sie einen kleinen Notgroschen unter dem Lehmfußboden ihres Hauses vergraben. Vielleicht besaßen sie ein besonders schönes Kleidungsstück, vielleicht ein paar Töpfe und Teller mehr als das Nötigste. Das war’s wahrscheinlich schon, mühsam abge-spart vom Mund, oder ererbt von den Eltern. Und da kommt Jesus und sagt: ist nicht wichtig. Anderes ist wichtig in der neuen Welt Gottes, im Himmel. Und hängt euer Herz nicht dran. Eindeutig, ganz sein ist wichtig, nicht hin- und hergeris-sen zwischen solchen Dingen und den Menschen neben euch.

Und natürlich, die Motten, der Rost und die Fäulnis haben sie längst verzehrt, die Schätze von damals. Vielleicht, dass einmal ein Topf mit Münzen gefunden wird von den Archä-ologen. Aber das ist ja nur ein Zeichen, dass die Besitzer des Schatzes umgekommen waren, bevor sie ihn wieder bergen konnten. Sie haben nichts davon gehabt.

„Schätze“ von heute: Geld und geldwerter Vorteil„Bundesschätze“ nennt man im Finanzmarktjargon die Schuldverschreibungen der Bundesrepublik Deutschland, be-gehrt als derzeit sicherste Geldanlage in Europa. Ich habe kei-ne, aber vermutlich hat der Pensionsfonds meiner Kirche, der mir monatlich Geld überweist, welche. Andere, die sehr viel mehr Geld haben als ich, geben sich mit anderthalb Prozent Zinsen auf Bundesschätze nicht zufrieden. Sie haben das Geld übrig, und es muss mehr einbringen. Vielleicht investieren sie es in Rohstoff -Fonds, die darauf spekulieren, dass Öl, Mais oder Weizen knapp und teuer werden. Oder in Hedgefonds, die Unternehmen kaufen, ihre Reserven entnehmen und sie dann schließen oder weiterverscherbeln. „Heuschrecken“ wurden sie einst genannt.

Komisch: auf einmal sind wir doch wieder bei der Ernte angelangt: Denn Heuschrecken, die bedrohten sie in bibli-schen Zeiten, und Nahrungsmittelspekulation, die Wetten auf die Ernten von 2015, verursachen Hunger, wie viele Fachleute sagen.

Nur eins ist anders als früher: zwischen uns und den Ernten steht das Geld, und das Geld führt ein Eigenleben. Man kann es vermehren, scheinbar ohne Grenzen. Man kann alles damit kaufen, vielleicht sogar Politiker und Journalisten. Man kann es in Sekundenbruchteilen um den ganzen Erdball jagen, und

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Gott sei Dank

GOTTESDIENST

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damit Rendite ernten, wo man nie gesät hat. Es ist alles, was früher nur Gott war: allgegenwärtig, allmächtig, allwissend. Das sind unsere Schätze, 2013, und wenn Jesus sagt, dass die Motten und der Rost sie fressen, so wissen wir das auch aus den Finanzkrisen der letzten Jahre. Nur, dass das dem Geld nicht geschadet hat. Es ist nicht weg, es haben nur andere.

„Alternative Vermögensanlagen“Und da kommt Jesus und spricht über alternative Vermögens-Anlagen: Sammelt euch Schätze im Himmel, sagt er. Geht das? Sitzt da im Himmel ein göttlicher Bankier, der uns gut-schreibt, was wir Gutes tun, und abbucht, worin wir versagen?

Der Gott, den Jesus ein paar Verse vor unserem Predigttext „Unser Vater“ nennt, ist sicher kein Banker. „Unser tägliches Brot gib uns für heute“ lässt er uns beten und sagt damit, dass Gott offenbar aus einem unbegrenzten Guthaben täglich auszahlt, was wir brauchen. Und „Vergib uns unsere Schulden, wie wir sie unseren Schuldnern erlassen“. Was ja heißt, dass Gott offenbar völlig alternativ wirtschaftet und Schulden er-lässt, statt sie unbarmherzig einzutreiben. Und uns auffordert, das Gleiche zu tun.

Wenn Jesus von „Schätzen im Himmel“ spricht, so meint er anderes. In seinem Gleichnis vom Weltgericht, von der großen Endabrechnung, sagt er „Was ihr meinen geringsten Brüdern und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan.“ Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Solidarität, das zählt am Ende. „Sozialkapital“ sagen die Sozialforscher heute dazu. Das zählt im Himmel, und wenn Jesus „Himmel“ sagt, so meint er, wie im Vaterunser „wie im Himmel, so auf Erden.“

Denn seine Vorstellung von „Himmel“ ist kein Jenseits, sondern ein neues Leben, das heute beginnt.

Und ganz wichtig ist ihm, dass Menschen, die auf Gottes Seite stehen, das ganz sind und nicht zerrissen zwischen Geld, Geiz und Gier auf der einen und den Werten des Glaubens auf der anderen Seite.

Deswegen sagt er dann noch: „Denn wo euer Schatz ist, da wird euer Herz sein.“

„Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott“Unser Reformator Martin Luther ist in seiner Auslegung des 1. Gebotes der Gottesverehrung noch einen Schritt weiter gegangen: „Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott“ hat er gesagt und ist dann sofort in die Wirtschaft umgestiegen. Er fährt dann fort: „Es ist mancher, der meinet, er habe Gott und alles genug, wenn er Geld und Gut hat, verläßt und brüstet sich darauf so steif und sicher, daß er auf niemand nichts gibt. Siehe, dieser hat auch einen Gott, der heißet Mammon, das ist Geld und Gut, darauf er all sein Herz setzet, welchs auch der allergemeinest Abgott ist auf Erden.“

Jesus und Luther meinen, wir müssten uns entscheiden. Was unser Denken beherrscht, was unser Handeln bestimmt, was unsere Blicke auf sich zieht, das ist unser Gott, ganz gleich, zu wem wir in der Kirche beten.

Erntedankfest, deswegen gibt es diesen Predigttext, ist eigentlich ein „Ernte-Denk-Fest“. Anlass, sich wieder einmal klar zu werden, wem wir uns und unser Leben verdanken: unseren Geldanlagen oder unserem Schöpfer. Und wer unsere Zukunft, bis über den Tod hinaus garantiert, unsere Geldan-lagen oder Gottes Gnade. Und wer diese beiden Fragen nach unserem Woher und Wohin klar beantworten kann, der kann sich eigentlich auch in der Gegenwart nur an Gott orientieren und nicht am geldwerten Vorteil.

Ein ungewöhnlicher TrauspruchZu einem Pfarrer kam ein Brautpaar und sagte: Herr Pfarrer, wir haben uns unseren Trauspruch schon ausgesucht: Wo dein Schatz ist, da wird dein Herz sein. Das gefällt uns, wir sagen doch auch „Schatz“ zueinander.

Der Pfarrer stutzte und sagte: „Darüber hab ich ja noch nie bei einer Hochzeit gepredigt. Eigentlich ist das anders gemeint! Aber ich werd’s versuchen.“ Und während seiner Predigtvorbereitung merkte er, wie recht die beiden hatten. Sie wollten gemeinsam in das mittelständische Unternehmen der Eltern des Bräutigams einsteigen, und sie wussten: das Geschäft kann sehr leicht die Oberhand über die Liebe ge-winnen. So wollten sie sich an ihrem Hochzeitstag versichern, dass ihr Herz immer füreinander schlagen sollte und nicht irgendwann nur noch erfüllt von den Gedanken ans Geschäft. Der Pfarrer begriff, dass die beiden das Wort von Jesus von den Schätzen und vom Herzen sehr wohl verstanden hatten.

Zum Gott-sei-Dank-BrotDer heutige Gottesdienst ist ein Teil der ökumenischen Aktion „Gott-sei-Dank-Brot“ des Erzbistums Bamberg und des Kir-chenkreises Bayreuth der Evangelisch-Lutherischen Kirche in

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Gott sei Dank

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Bayern. Viele Bäcker in Oberfranken backen um das Ernte-dankfest ein traditionelles Brot und kleben eine Brotmarke mit der Aufschrift „Gott sei Dank“ darauf. Dazu gibt es eine Information über Lebensmittel aus dem Handwerk und aus der Region.

Wer vergleichen kann, der sieht einen großen Brot-Reich-tum in Deutschland. Fast nirgends auf der Welt gibt es so viele Brot- und Körnersorten wie in einer oberfränkischen Handwerksbäckerei. Aber diese Vielfalt ist ebenso bedroht wie die Vielfalt auf Feldern und Wiesen. Industriell hergestellte Teiglinge, eingefl ogen aus Billiglohnländern und aufgebacken vor Ort, sehen auf den ersten Blick genau so aus und kosten die Hälfte. Die Aktion „Gott-sei-Dank-Brot“ will darauf hinweisen, dass zum Dank an Gott auch der kritische Blick gehört, wo mein Brot herkommt und wem ich damit Arbeit gebe. Und der etwas tiefere Griff in den Geldbeutel, damit das auch so bleibt.

Da haben Kirche und Handwerk ein gemeinsames Ziel, und deshalb arbeiten sie auch bei dieser Aktion (in diesem Gottesdienst) zusammen. Wie überhaupt Glaube und Alltag, das Reden über Gott und über Geld und Wirtschaft zusammen gehören, heute wie einst bei Jesus in unserem Predigttext.

Was heißt das praktisch?Es ist nicht nur eine Geschmacks-, sondern eine Glaubens-frage, wo und wie ich mein Brot, und alles andere, was ich zum Leben brauche, einkaufe. Wenn mein Herz bei Gott ist und bei den Menschen, denen ich in seinem Namen ein Nächster und eine Nächste bin, dann versuche ich das auch mit meinem Einkauf zu sein. Dazu muss ich wissen, wer un-ter welchen Bedingungen für mein Geld arbeitet, und dann, wie Martin Luther sagte, „sein/ihr Gut und Nahrung bessern und behüten“.

Es ist auch nicht gleichgültig, wo mein Erspartes angelegt wird. Eine Bank, die ihre Renditen z.B. mit Nahrungsmittel-spekulation erwirtschaftet, kommt dafür eigentlich nicht mehr in Frage.

Und wenn wir als Bürgerinnen und Bürger politische Entscheidungen treff en, dann gibt uns Jesu Wort von den wahren Schätzen vor, nicht den Märkten Tribut zu zollen, sondern die Menschen vor deren Allmacht zu schützen.

DREI IDEEN ZUM SCHLUSS

1. Paraphrase des TextesNochmal die Worte von Jesus, verändert unter heutigem Blickwinkel:

Achtet auf eure Geldanlagen. Die auf der Erde sind nicht von Dauer. Sie fallen der Infl ation zum Opfer oder den Finanzmärk-ten, und selbst wenn nicht, so könnt ihr nichts davon ins Grab mitnehmen. Legt eure Kraft und eure Liebe in Dinge, auf die es in der neuen Welt Gottes ankommt. In gute Beziehungen,

in barmherzige Hilfe, in gerechte Lebensbedingungen, in Frieden mit euren Gegnern und mit der Natur.Der Himmel ist da, wo das gelingt. Und da soll auch euer Herz sein.

2. Gott sei Dank-Litanei als Evangelium – unser Text, positiv formuliert:Dank sei dir, Gott, dass unser Leben nicht von unseren Geld-anlagen abhängt. Sie sind Mittel, mehr nicht, und du öff nest unsere Herzen und Hände, damit wir das Richtige damit tun.

Dank sei dir, Gott, dass wir, seit wir leben, dieses große, unerschöpfl iche Guthaben bei dir im Himmel haben, von dem wir schon hier auf der Erde leben, jeden Tag. Und du fragst nicht nach Soll und Haben.

Dank sei dir, Gott, dass unsere Herzen nicht gefangen sind in sinnloser Gier nach immer mehr auf Kosten aller anderen. Dass du uns frei machst und off en für dich und deine Gaben und für unsere Nächsten und ihre Bedürfnisse.Dank und Amen.

3. Lothar Zenetti: GedichtDer katholische Priester und Dichter Lothar Zenetti hat Got-tes alternative Wirtschaftsordnung einmal in einem Gedicht ausgedrückt, das sogar im evangelischen Gesangbuch steht:

Einmal wird uns gewiß die Rechnung präsentiertfür den Sonnenschein und das Rauschen der Blätter,die sanften Maiglöckchen und die dunklen Tannen,für den Schnee und den Wind, den Vogelfl ug und das Gras und die Schmetterlinge,für die Luft, die wir geatmet haben, und den Blick auf die Sterne und für all die Tage,die Abende und die Nächte. Einmal wird es Zeit, dass wir aufbrechen und bezahlen; bitte die Rechnung.Doch wir haben sie ohne den Wirt gemacht:Ich habe euch eingeladen, sagt der und lacht,soweit die Erde reicht:Es war mir ein Vergnügen!

Dr. Hans-Gerhard KochSozialpfarrer im Ruhestand