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OBERÖSTERREICH - ORNITHOLOGIE - BIOTOP-/ARTENSCHUTZ ÖKOL 18/1 (1996): 15 -25 Braunkehlchen in Oberösterreich oder vom unauffälligen Sterben eines bunten Vogels Der regionale Rückgang des Braunkehlchens (Saxicola rubetra) anhand mehrjähriger Erhebungen in den oö. Kremsauen und in der Ettenau. Hans UHL A-4553 Schlierbach 285 Tel. 07582/81334 Braunkehlchen Welch trauriger Mai, wenn über nickenden Blumenköpfen, silbrigen Weidentrieben oder verwitternden Wiesenpflöcken Dein hellsprödes, eigentümliches Singen nicht mehr erklingt. Bliebe Dein Lieblingsplatz an der kleinen Erle verwaist, fehlten mir Deine bunten Tupfen sosehr, daß ehemals leuchtende, mir Erneuerung versprechende Frühlingswiesen zu einfältigen Wiesenäckern verkümmern. Über den persönlichen Bezug zum „untersuchten Objekt" Braunkehlchen ist damit das Wesentliche gesagt. Bleibt als Ergänzung anzumerken, daß mein, auf sechsjährigen Erhebungen in den Kremsauen beruhendes Nahe- yerhältnis, gefördert wurde durch die einschlägigen Aufträge des WWF Österreich und die vielen positiven Rückmeldungen bzw. Daten der Kolle- gen der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft am OO.Landesmuseum. Die einleitenden Aussagen über die aktuellen Braunkehlchenvorkommen in OÖ. beruhen teilweise auf Bestands- erhebungen aus dem Jahr 1994, an denen sich E. Lego, K. Lieb. J. Limberger,K.Nadler,J.Resch, H. Rubenser, A. Schmalzer, S. Stadler sowie A. u. K. Zimmer- h a c k l beteiligten. Finanziell unter- stützt wurde diese Arbeit von der Na- turschutzabteilung des Landes OÖ. Be- sonders danke ich an dieser Stelle Karl Abb. 1: Braunkchlchcn-Brui^criici in den f cuchiwioscn der Krenisau. Foto: H. U h I Abb.2: Adultes Braunkehlchen Männ- chen in der „Koaserin" bei Peuerbach. Foto: J. Limberger Lieb, der mir großzügig mehrjährige Beobachtungsdaten aus der Ettenau zur Verfügung gestellt hat. Für die ständige fachliche Beratung und Un- terstützung dieser Arbeiten danke ich Dr. Gerhard Au b r e c h t herzlich. Die Verbreitung des Braunkehlchens in OÖ. Die Verbreitungsschwerpunkte des Braunkehlchens liegen in Österreich in den größeren Alpentälern und den Nie- dermooren des Alpenvorlandes sowie im Waldviertel. In den landwirtschaft- lich intensiv genutzten Niederungen nd Hügellandschaften außerhalb der \lpen ist diese Art in kleine, voneinan- der isolierte Einzelvorkommen aufge- splittert (DVORAK et. al. 1993). Oberösterreich macht dabei keine Aus- nahme. In den Niederungen unseres Bundeslandes zwischen Donau und Voralpenhügeln fehlt das Braunkehl- chen als Brutvogel mittlerweile nahe- zu völlig. Wie sehr es hier in den letzten Jahrzehnten zu Bestandsrück- gängen gekommen ist. läßt sich aus Mangel an Vergleichsdaten nicht zwei- felsfrei feststellen. MAYER (1991) be- schreibt die Landesbestände für die ÖKO-L 18/1 (1996) 15 © Naturkdl. Station Stadt Linz/Austria; download unter www.biologiezentrum.at

vom unauffälligen Sterben A-4553 Schlierbach 285 … · als regionale Leitart für den Biotop „Wiese" sollte für Naturschutz und Landschaftsplanung eine neue Ent-scheidunghilfe

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OBERÖSTERREICH - ORNITHOLOGIE - BIOTOP-/ARTENSCHUTZ ÖKOL 18/1 (1996): 15 -25

Braunkehlchen inOberösterreich odervom unauffälligen Sterbeneines bunten VogelsDer regionale Rückgang des Braunkehlchens (Saxicola rubetra)anhand mehrjähriger Erhebungen in den oö. Kremsauen und in der Ettenau.

Hans UHLA-4553 Schlierbach 285

Tel. 07582/81334

Braunkehlchen

Welch trauriger Mai,wenn über nickenden Blumenköpfen,

silbrigen Weidentriebenoder verwitternden Wiesenpflöcken

Dein hellsprödes, eigentümliches Singennicht mehr erklingt.

Bliebe Dein Lieblingsplatzan der kleinen Erle verwaist,

fehlten mir Deine bunten Tupfen sosehr,daß ehemals leuchtende,

mir Erneuerung versprechende Frühlingswiesenzu einfältigen Wiesenäckern

verkümmern.

Über den persönlichen Bezug zum „untersuchten Objekt" Braunkehlchenist damit das Wesentliche gesagt. Bleibt als Ergänzung anzumerken, daßmein, auf sechsjährigen Erhebungen in den Kremsauen beruhendes Nahe-yerhältnis, gefördert wurde durch die einschlägigen Aufträge des WWFÖsterreich und die vielen positiven Rückmeldungen bzw. Daten der Kolle-gen der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft am OO.Landesmuseum.

Die einleitenden Aussagen über dieaktuellen Braunkehlchenvorkommenin OÖ. beruhen teilweise auf Bestands-erhebungen aus dem Jahr 1994, andenen sich E. Lego, K. L ieb . J.Limberger ,K.Nadler , J .Resch ,

H. Rubenser , A. Schmalze r , S.Stadler sowie A. u. K. Zimmer-hackl beteiligten. Finanziell unter-stützt wurde diese Arbeit von der Na-turschutzabteilung des Landes OÖ. Be-sonders danke ich an dieser Stelle Karl

Abb. 1: Braunkchlchcn-Brui^criici in den f cuchiwioscn der Krenisau.Foto: H. U h I

Abb.2: Adultes Braunkehlchen Männ-chen in der „Koaserin" bei Peuerbach.

Foto: J. L i m b e r g e r

Lieb, der mir großzügig mehrjährigeBeobachtungsdaten aus der Ettenauzur Verfügung gestellt hat. Für dieständige fachliche Beratung und Un-terstützung dieser Arbeiten danke ichDr. Gerhard Au brecht herzlich.

Die Verbreitung desBraunkehlchens in OÖ.

Die Verbreitungsschwerpunkte desBraunkehlchens liegen in Österreich inden größeren Alpentälern und den Nie-dermooren des Alpenvorlandes sowieim Waldviertel. In den landwirtschaft-lich intensiv genutzten Niederungen

nd Hügellandschaften außerhalb der\lpen ist diese Art in kleine, voneinan-

der isolierte Einzelvorkommen aufge-splittert (DVORAK et. al. 1993).

Oberösterreich macht dabei keine Aus-nahme. In den Niederungen unseresBundeslandes zwischen Donau undVoralpenhügeln fehlt das Braunkehl-chen als Brutvogel mittlerweile nahe-zu völlig. Wie sehr es hier in denletzten Jahrzehnten zu Bestandsrück-gängen gekommen ist. läßt sich ausMangel an Vergleichsdaten nicht zwei-felsfrei feststellen. MAYER (1991) be-schreibt die Landesbestände für die

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80er Jahre als unterschiedlich starkrückläufig.

Eine Sichtung der im Archiv des OÖLandesmuseums vorliegenden Datenfür den Zeitraum 1990 - 1995 ergibtVerbreitungsschwerpunkte in den hö-heren Lagen des Mühlviertler Granit-plateaus, vor allem in den nordöstli-chen Wiesengebieten der GemeindenLeopoldschlag. Sandl und Liebenau.Hier werden die derzeit größten loka-len Populationen vorgefunden (MalLsch-wiesen - 23. Sandl - 29. Gugu/Klein-schöneben - 14-24 revierbesetzendeMännchen).

Zerstreut sind kleine Vorkommen ausdem übrigen Mühlviertel bekannt, weitzerstreut aus dem Traunviertel unddem Hausruckviertel. Das grünland-reiche Innviertel ist bis auf seinen süd-lichsten Landesteil „Braunkehlchen-leer" (s. Abbildung 3).

Im Gegensatz zu den Zentralalpen wer-den die Nördlichen Kalkalpen nichtbesiedelt. Weitgehend isoliert liegenkleinere Vorkommen in inneralpinenTallagen, wie in der Gleinkerau beiWindischgarsten oder bei Gosau. Fürdiese südlichsten Populationen ist an-zunehmen, daß sie in Zusammenhangmit den jeweils benachbarten Vorkom-men im steirischen Ennstal bzw. inSalzburg stehen. In den Voralpenhü-geln ist dieser Wiesenbrüter bis 9(X)mNN ebenso sporadisch anzutreffenwie in den dazwischen liegenden Tä-lern (s. a. Um. 1993b)

Zur Zeit der Zerstreuungsbewegungennach der Brutzeit (ab Juli) und vorallem während des Zuges (ab AnfangAugust bzw. von Mitte April bis EndeMai) sind Braunkehlchen in allen Ar-ten offenen Kulturlandes anzutreffen(GLUTZ VON BLOTZHEIM & BAI IR1988). Diese Zugbeobachtungen, ge-legentlich verstärkt durch singendeFrühjahrsdurchzügler. können dazuführen, daß Verbreitung und Brutbe-stand regional überschätzt werden.

So wäre es eine Fehlinterpretation deroö. Beobachtungsdaten (dargestellt inAbbildung 6), zu meinen, das Braun-kehlchen sei in weiten Teilen des süd-lichen Oberösterreichs oder im Zen-tralraum als Brutvogel anzutreffen.Vielmehr ist aus dieser Darstellungabzuleiten, daß dieser „Breitfrontzie-her" weite Teile des griinlandreichenOberösterreichs regelmäßig durch-quert. Selbst die deutlich weniger vor-handenen Gebiete, für die Bruthin-weise vorliegen, sind in vielen Fällen

Abb.3(oben): Gebiete für die Brui-nachweise oder Brutverdacht für dasBraunkehlchen vorliegen; nach geo-grafisehen Minutenl'eldern; Daten fürden Zeitraum 1990-1995 (aus: Ar-chiv am OÖ. Landesmuseum).

Abb.4(links): Adultes Braunkehl-chen-Weibchen auf einer bevorzug-ten Ansitzwarte - einem Zaun.

Foto:H.Uhl

Abb.5(unten): Hochstaudenfluren(WWF-Schutzgebiet/Kremsauen)begünstigen durch ihre Warten-dichte die Nahrungsaufnahme.

FotorH. Uhl

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Abb.ö(oben): Gebiete aus denenBraunkehlchen-Beobachtungen ge-meldet wurden (inklusive Durchzugs-daten); nach geografischen Minuten-feldern: Daten fürden Zeitraum 1990-1995 (aus: Archiv am OÖ. Landes-museum).

Abb.7(rechts): Braunkehlchen-Männchen auf Drahtzaun.

Foto: H. Uhl

Abb.8(unten):Doldenblüher mitreichem Nahrungsangebot wäh-rend der Phase der Aufzucht derJungen. Foto: H. Uhl

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lediglich als sporadische Brutvorkom-men einzustufen.

Das Braunkehlchen alsLeitart für strukturreiche,größere Wiesenbiotope in OÖ.

Der südlich der Sahara überwinterndeZugvogel erscheint in MitteleuropaMitte April und führt hier I - 2 Jah-resbruten durch. Dabei stellt der Bo-denbrüter Braunkehlchen konkreteAnsprüche an eine vielfältige Vegeta-tionsstruktur. Für die Nestanlage wirdeine deckungsreiche Krautschicht be-nötigt, für den Nahrungserwerb eineniedrige und lückige Krautschicht, dievon Warten (sperrigen Kräutersten-geln, Pfählen, Zäunen, einzelnen Bü-schen od. Bäumen) überragt wird.Hecken mindern die Siedlungsdichte,die Nähe zu geschlossenen Wäldernwird gemieden (aus: GLUTZ VONBLOTZHEIM & BAUER 1988).

Wo und mit welchen Begleiterschei-nungen Braunkehlchenhabitate in OÖ.noch vorhanden sind, wurde, wie ein-leitend erwähnt, 1994 von der ARGEfür Ornithologie am OÖ. Landesmu-seum, Arbeitsgruppe Wiesenvögeluntersucht. Diese „Bestandserhebungwiesenbrütender Vogelarten in 24 oö.Untersuchungsgebieten" brachte un-ter anderem folgende Detailergebnis-se:

Unter den bodenbrütenden Vögelnwurde als einzige Art das Braunkehl-chen in allen 24, unterschiedlich gro-ßen Gebieten (8 - 620 ha) nachgewie-sen. Von weiteren 24, als potentielleBrutgebiete der Wiesenvögel einge-stuften Landschaftsteilen wurden 71 %vom Braunkehlchen besiedelt (Zeit-raum: 1990 bis 1994). Keine andereder genauer untersuchten bodenbrü-tenden Arten (Brachvogel. Bekassine.Kiebitz. Wachtel. Wachtelkönig. Wie-senpieper. Feldschwirl. Schwarzkehl-chen und Rohrammer) verzeichnet an-nähernd hohe Werte der Stetigkeit inden Wiesengebieten.

Da auszuschließen ist, daß das Braun-kehlchen derzeit andere Landschafts-typen in einem relevanten Ausmaß alsBruthabitate nutzt (kurzzeitige Aus-nahme sind junge Aufforstungsflä-chen), wird dringend empfohlen dieseArt in Zukunft als (eine) faunistischeLeitart für die Naturschutzrelevanzvon größeren, strukturreichen (teilwei-se extensiv genutzten) Wiesenab-schnitten und Grünlandbrachen zubehandeln. Diese Aussage gilt ent-

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sprechend der Höhenverbreitung inden südlichen Landesteilen nur biszur tiefmontanen Zone bzw. bis 900mNN(s . a.: UHL et. al. 1995).

Als Brutvogel konnte das Braunkehl-chen bei den neuen oberösterreichi-schen Untersuchungen vor allem inTal-Fettwiesen (feuchten Glatthafer-wiesen), Feuchtwiesen (Kohldistelwie-sen). Pfeifengraswiesen und verschie-denen Typen der Giinlandbrachen bishin zu Aufforstungsflächen nachge-wiesen werden. Betont sei an dieserStelle nochmals, daß das zusätzlicheAngebot an Sing- und Jagdwartenwesentliche Voraussetzung für die er-folgreiche Besiedelung vieler dieserWiesentypen ist. Die aus dem Bur-genland in jüngster Zeit bekannteBevorzugung von außer Nutzung ge-stellten Äckern, bezeichnet als Grün-brachen (SCHUSTER 1992). ist in OÖ.bislang nur aus einer Ackerbrache ander Maltsch bekannt (SCHMALZER1993).

Die Etablierung des Braunkehlchensals regionale Leitart für den Biotop„Wiese" sollte für Naturschutz undLandschaftsplanung eine neue Ent-scheidunghilfe in der Bewertung vonwiesendominierten Landschaftsab-schnitten sein, für die Planungspro-zesse laufen.

Allzuoft geraten in OÖ. derartige avi-faunistische Argumente leider in denHintergrund. Gerade die vorwiegendkleinflächige Ausweisung unsererNaturschutzgebiete belegt, wie berech-tigte floristische Überlegungen dazuverleiten, vegetationskundliche Klein-ode zu retten. Lebensraum- und Flä-chenansprüche der Tierwelt bleibenvielfach auf der Strecke. Das wahr-scheinliche Aussterben des Wachtel-königs sowie das fortschreitende Er-löschen lokaler Bekassinen-Vorkom-men sind hier die auffälligsten Konse-quenzen und wohl nur die Spitzen desDahinschw indens unserer Tierwelt derWiesen. Siehe dazu auch letztes Ka-pitel.

Intensive Landwirtschaftverursacht die Bestandsrückgängedes Braunkehlchens

Als Ursache für den Niedergang derBraunkehlchenbestände in Mitteleu-ropa ist in erster Linie die Intensivie-rung der Landwirtschaft zu nennen.Vorverlegung der Mahd führt zurMonotonisierung der Wiesenvegeta-tion und zu Veränderung der Insek-

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Abb. 9: Großflächige Wiesendrainage in den Kremsauen als Beispiel für fortschreiten-de Intensivierung der Landwirtschaft und gleichzeitig schwindende Braunkehlchen-Lebensräume. Foto: R. G a n s k e

tenfauna. Nester werden dabei ausge-mäht oder freigelegt. Einebnen derGeländeunebenheiten verringert dasNistplatzangebot ebenso wie die Viel-falt an Bodenlebewesen. VerstärkterPestizideinsatz vernichtet potentielleNahrungstiere. Der Einsatz von Dün-gemitteln führt zu verstärktem Pflan-zenwuchs und damit zu einer höherenVegetationsdichte. Bodeneuthrophie-rung (in stark belasteten Regionen ausder Luft !) verschlechtert über Vege-tationsveränderungen auch das Ange-bot an Nahrungsinsekten für dasBraunkehlchen.

So wird die Sichtbarkeit und Erreich-barkeit von bodenlebenden Arthropo-den stark herabgesetzt. Die meistendieser Einflüsse wirken sich demnach

direkt oder indirekt negativ auf dieHäufigkeit und Verfügbarkeit der Nah-rungstiere aus. Dies führt zur Abnah-me der Siedlungsdichte und schließ-lich zur Aufgabe des Standortes (nachBASTIAN, BASTIAN & STLRNBERG1994).

In Anbetracht dieser Zusammenhängeverwundert es wenig, daß die Be-standsentwicklung in allen west- undmitteleuropäischen Ländern in denletzten 30-40 Jahren z. T. dramatischrückläufig waren. Eine negative Kor-relation der Bestandsentswicklung mitder Bevölkerungsdichte, dem Brutto-inlandsprodukt oder anderen Wirt-schaftszahlen scheint in verschiede-nen Ländern offensichtlich zu sein(nach: BASTIAN & BASTIAN 1994).

Abb. 10: Braunkehlchenrevier Ettenau.Foto: K. L i eb

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Abb. I 1: Braunk . i c b

Entwicklung der Braunkehlchenpopulationenin Kremsau und Ettenau nach mehrjährigen Schutzbemiihungen

Abb. 12: Lage der Untersuchungsgebie-te in Oberösterreich.Ä Ettenau A Kremsau

Ettenau: großflächige, reich struktu-rierte Wiesenlandschaft (ca. 340 ha) ander Salzach im äußersten Südwestenvon OÖ.(370 mNN); offene Kulturland-schaft zwischen den Ortschaften Etten-au und Simling wechselt mit gehölzrei-chen Abschnitten (Einzelbüschen, Hek-ken) und Streuobstwiesen bei den Ge-höften; von Wassergräben durchzogen;im Norden mit Solitär-Weiden über-standene, 25 ha großes Streuwiesenge-biet (Schwaigau); insgesamt 60 ha Streu-wiesen (reich an Schilf und Binsen) undFeuchtwiesenbrachen bilden die wert-vollsten Teile aus Naturschutzsicht;Streuwiesen gegen Pflegeausgleich imSeptember gemäht; insgesamt ca. 70 %Wiesen- und 30% Ackernutzung;

Anzahl derBrutpaare

25 -r

20 - •

•+-

1989 1990 1991Brutpaare in der Ellenau

~ — — Brutpaare mit Bruterfolg i. d. E.

1992 1993 1994 1995

Brutpaare in der Kremsau

Brutpaare mit Bruterfolg i. d. K

Abb. 13: Entwicklung der Braunkehlchenpopulationen in der Kremsau und derEttenau 1989 - 1995. Zur Methode der Bestandserfassung und Berechnungen siehenebenstehenden Text.

Zwischen der Salzach im Westen unddem Wiesengebiet der Ettenau findetsich ein Auwald mit Altarmen underheblichem Hybridpappelanteil. ImOsten ist das Gebiet begrenzt durchgeschlossene Buchen-reiche Hangwäl-der.

Kremsau: großflächige Talwiesen-landschaft (ca. 420 ha) an der hiernoch unregulierten Krems im oö. Vor-alpengebiet (390 - 420 mNN) in denGemeinden Inzersdorf, Schlierbach,Nußbach und Wartberg; Feuchtwie-sen unterschiedlichsten Nährstoffhaus-haltes und verschiedener Vegetations-formen wechseln einander ab (seggen-reiche Feuchtstellen, Kohldistelwie-sen, feuchte Glatthaferwiesen, Mä-desüßfluren, Pfeifengraswiesen, Bra-chen, etc.); reich gegliedert durchSchwarzerlen-Bachbegleitgehölze anKrems und Nebengewässern sowiekleine Mischwälder;

Die Nutzung wird derzeit bestimmtdurch ca. 60 % zwei- bis dreimähdigeWiesen und ca. 25 % Äcker. DanebenAnsätze zur Extensivierung durch 35ha spät gemähte Pflegeprämienwie-sen (Mahd ab 1 Juli) und 10 ha Streu-wiesen im Besitz von WWF und Na-turschutzbund; Tendenz zur Verbu-schung an Entwässerungsgräben undungenutzten Feuchtstellen sowie Auf-forstung und Umwidmung in Energie-wälder; genauere Beschreibung desUntersuchungsgebietes in UHL (1992)undÖKOL, 15/2: 21-30.

Methode

Ettenau: Kollege Karl Lieb begehtdie Ettenau zur Brutzeit (Mai - MitteJuli) mindestens zweimal pro Wocheund zeichnet die Brutreviere seltenerVogelarten seit 1986 auf. Ausnahms-weise konnte er die Datensammlung1994 erst Anfang Juni beginnen. Da-durch ist die Brutpaarzahl aus diesemJahr nur als grober Anhaltspunkt zuwerten.GenerellermitteltLieb durchmehrmalige Beobachtung von Männ-chen und Weibchen im Bruthabitatvor allem die Anzahl der Brutpaare.Die Feststellung der Brutpaare mitBruterfolg beruht weitgehend auf Zu-fallsbeobachtungen. Diese Angabensind deshalb als Mindestgrößen zuwerten.

Kremsau: Als Ergänzung zu den Be-standserhebungen des Großen Brach-vogels in den Kremsauen führt derVerfasser seit 1990 Teilkontrollgän-ge oder -fahrten mit dem Rad im ge-

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samten Wiesengebiet durch. Minde-stens 14tügig werden dadurch zurBrutzeit alle potentiellen Braunkehl-chenhabitate kontrolliert. Die Ergeb-nisse des WWF-Forschungsberichtes(UHL 1994). beruhend auf einer Sied-lungsdichtearbeit nach OEI.KE (inBERTHOLD. BEZZHL. THIHLCKE 1980)auf 120 ha Untersuchungsgebiet flie-ßen ebenfalls in diese Darstellung mitein.

Im Mittelpunkt stand dabei in allenBeobachtungsjahren die Anzahl der(mindestens 14 Tage lang besetzten)Territorien der Männchen und der lo-kale Bruterfolg. Die folgenden Anga-ben über die Brutpaarzahl der Krem-sauen sind errechnet und aus diesemGrund mit Vorbehalt zu betrachten.Es werden hier 75 % der Anzahl derterritorialen Männchen als errechneteBrutpaarzahl diskutiert. Grundlagedafür ist die Angabe von A. LABHART(in Gi.fr/. VON BLOTZHEIM & BALT.R1988) wonach in 2 verschiedenenschweizer Populationen die Anzahl derunverpaarten Männchen zwischen 7,5und 26 °k lag. Für die Kremsauenwurden 25 % Unverpaarte angenom-men.

Festzuhalten ist, daß diese unterschied-lichen Methoden zu Ergebnissen füh-ren, die nur sehr vorsichtig miteinan-der verglichen werden können. Da essich jedoch um die einzigen mehrjäh-rigen Untersuchungen an Braunkehl-chenpopulationen in OÖ. handelt, er-scheint es doch als legitim, die vorge-fundenen Entwicklungen vergleichendzu betrachten und Analogien bezüg-lich Ursachen der Bestandsrückgängeund die daraus resultierenden Konse-quenzen für den Naturschutz zu dis-kutieren.

Populationsentwicklungenund Bruterfolg

Bestandseinbrüchein Kttenau und Kremsau

Wie aus Abbildung 13 ersichtlich ha-ben beide Braunkehlchen vorkommendeutliche Bestandseinbrüche in denletzten Jahren hinnehmen müssen. Inder Ettenau sank der Brutbestand von23 (1989) auf zuletzt 8 Brutpaare, inden Kremsauen von 13.5 (1990) auf 6Paare. Während in der Ettenau seit1991 eine gewisse Stabilisierung zuverzeichnen ist. deutet die Bestands-kurve der Kremsau kontinuierlich nachunten.

1990

Abb. 16

LEGENDE:pggjj Feuchtwiesenlandschaft

• Territorien der revierhaltenden Männchen0 Brutpaar mit Bruterfolg

Abb. 14-16: Territoriale Männchen und erfolgreiche Brutpaare des Braunkehlchens(Sa.xicola rubetra) in den Kremsauen (1990-1992).

Ursache dafür ist primär der lokaleBruterfolg dieser weitgehend isolier-ten Populationen.

Während in der Ettenau von insgesamt57 Brutpaaren (1990 - 1995) 35 Paareoder 61 c/c Bruterfolg in Form vonflüggen Juvenilen verzeichnen konn-ten, liegt diese Vergleichszahl in derKremsau bei 12 erfolgenreichen bzw.18 9c von insgesamt 68 Brutpaaren.

Die Zahl der flüggen Juvenilen je Brut-paar ist mit 0.55 (1992-1995) in denKremsauen erschreckend gering. DieEttenau weist mit 1.66 flüggen Juve-nilen/Brutpaar eine weitaus bessereNachwuchsrate auf. Die Ettenau-Wer-te sind als Mindestangaben zu be-trachten. Die tatsächliche Zahl der Ju-venilen könnte noch geringfügig hö-hergewesen sein.

Generell scheint der bessere lokaleBruterfolg in der Ettenau zu einer vor-läufigen Bestandsstabilisierung zuführen, während das Braunkehlchenin den Kremsauen vor dem endgülti-gen Zusammenbruch steht. Dieses Zu-sammenbrechen vormals größerer lo-kaler Braunkehlchenbestände ist inMitteleuropa nichts Neues, durch dieanhaltende und überregionale Ent-wicklung jedoch besonders besorgnis-erregend (s. a.: EPPLE 1988).

Verschiedene mitteleuropäische Un-tersuchungen belegen, daß das Braun-kehlchen sehr geburtsortstreu ist (zB.LABHART 1988. PARKER 1990). Be-sonders bei isolierten Vorkommen w ieden oberösterreichischen ist der loka-le Bruterfolg ausschlaggebend fürFortbestand oder Erlöschen dieser

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LEGENDE:Feuchtwiesenlandschaft

Territorien der revierhaltenden MännchenBrutpaar mit Bruterfolg

Abb. 17-19: Territoriale Männchen und erfolgreiche Brutpaare des Braunkehlchens(Sa.xicola ruhetra) in den Kremsauen (1993-1995).

..Restpopulationen". Ob und wie derAustausch zwischen verinseltenKleinstvorkommen funktioniert, ob„Nachschub" aus größeren stabilen,weit entfernten Populationen erwartetwerden kann, zählt zu den noch weit-gehend unbeantworteten Fragen.

Schrittweiser Zusammenbruch der„Revierinseln" in den Kremsauen

In den Kremsauen ist recht augenfäl-lig nachzuvollziehen. daß selbst in-nerhalb der Lokalpopulation der Brut-erfolg der kleinsten ..Revierinseln"( =Anhäufung mehrerer Territorien aufengstem Gebiet), zumindest mittelfri-stig verantwortlich ist. für die Ent-wicklung dieser kleinsten Teilpopula-tionen.

Im nördlichsten Teil der Kremsauensind trotz hohem Anteil an Streuwie-sen und extensiv genutzten Heuwie-sen (insgesamt 30 ha) zuletzt 1991flügge Jungvögel nachgewiesen wor-den. In den anschließenden Jahren ha-ben alle lokalen Brutversuche (voninsgesamt 10 Paaren) fehlgeschlagen.Die Folge davon ist. daß 1995 erst-mals nur mehr ein territoriales Männ-chen anwesend war, 1990 waren esnoch 8!

Dagegen hat sich in der zentral gele-genen ..Revierinsel" südlich der Ort-schaft Sautern bis 1995 noch ein Be-stand von 5 territorialen Männchenhalten können. (1990: 5 - 7). Hierwaren noch 1992 und 1993 erfolgrei-che Brutpaare zu verzeichnen. Solltedie Erfolglosigkeit von 1994 und 1995

sich 1996 fortsetzen, ist auch in die-sem Teilgebiet ein endgültiger Be-standseinbruch vorauszusehen (Abbil-dungen 14-19).

Die vorgefundenen Bruterfolgsratenvon 0.55 (Kremsau) und 1.66 (Etten-au) Jungvögel/Paar liegen jedenfallsweit jenseits der Erfordernisse für eineüberlebensfähige lokale Population.LABHART (1988) ermittelte in stabilenschweizer Populationen 2,6 Jungvö-gel/Brutpaar. Dieser Nachwuchs wür-de knapp reichen um die mittlere An-zahl der sterbenden Altvögel auszu-gleichen. Unter normalen Witterungs-bedingungen wurden in den Bayri-schen Alpen Nachwuchsraten von 3,4bis 4,3 flügge Junge je Paar nachge-wiesen (BEZZEL & STIEL, 1977 inGLUTZ VON BLOTZHEIM & BAUER1988).

Ursachen der lokalenBestandseinbrüche

Die grundsätzlichen negativen Aus-wirkungen der Intensivierung derGrünlandbewirtschaftung wurden obenerläutert. Nun handelt es sich in denuntersuchten Gebieten jeweils um Flä-chen, in denen seit Jahren Schutz-bemühungen zum Erhalt der Wiesen-vögel laufen. Sind demnach Schutz-käufe und Auszahlung von Pflege-prämien zur Extensivierung für dasBraunkehlchen ohne Erfolg ?

Vorweg muß betont werden, daß dieUrsachen der Brutverluste im vorlie-genden Beispiel ungenügend unter-sucht und bekannt sind. So kann dasErgebnis dieser Diskussion vor allemin der Aufzählung der Fakten sowieim Benennen der offenen, wahrschein-lich entscheidenden Fragen liegen.

Folgende Aspekte können für dielokalen Braunkehlchen-Riickgän-ge ausschlaggebend sein:

* Die Isolation der Populationen führtdazu, daß geringe Nachwuchsratenderzeit nicht ausgeglichen werden kön-nen. Südlich der Donau ist kein grö-ßeres Vorkommen mit nachhaltigemBruterfolg bekannt.

* Einbruch der Braunkehlchen-Be-stände trotz 35 ha geschlossener, ex-tensiver Wiesenbewirtschaftung in dennördlichen Kremsauen (Mahd abI.Juli)

-* Die bislang durchgeführten Schutz-maßnahmen zugunsten des GroßenBrachvogels zeigen hier geringe posi-

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Abb. 20: Braunkehlchen-Paar in Nestnähe.

tive Wirkung auf die Braunkehlchen-Bestände. Während sich der kleineBrachvogelbestand (3 -5 Paare) er-holt, geht jener der Braunkehlchen seit5 Jahren kontinuierlich zurück.

* Da ein Ausmähen der Gelege undJungvögel in den bevorzugten Schutz-wiesen-Habitaten ausgeschlossen wer-den kann, müssen diese durch Präda-toren. Nahrungsknappheit oder ande-re Ursachen verloren gegangen sein.

* Deutliche kleinräumige Parallelenvon wiederholt nachgewiesener Gele-geprädation beim Brachvogel und nie-dergehenden Braunkehlchenbeständenweisen auf großen lokalen Verlust-druck durch prädatierende Säugetiereund/oder Corviden hin.

* Rückgang der Braunkehlchen-Po-pulation trotz 60 ha Streuwiesenbe-wirtschaftung in der Ettenau (vorwie-gend Herbstmahd). Hier könnten dieSchutzmaßnahmen zumindest einemittelfristige Stabilisierung erreichthaben.

Vergleich mit Verlustursachenin anderen Ländern

Beispiele aus deutschen Schutzgebie-ten beweisen, daß der direkte negativeEinfluß der landwirtschaftlichen Nut-zungsformen und die ..Verinselung"von Kleinstpopulationen allein nichtreicht für die komplexen Rückgangs-und Aussterbevorgänge beim Braun-kehlchen. So erlosch trotz Streuwie-senbew irtschaftung auf 200 ha 1985ein Braunkehlchenvorkommen imDattenhauser Ried weitgehend, das1964 noch einen Bestand von 25 Brut-paaren aufwies (EPPLE 1988).

Foto: J. Limberger

Hohe Verlustraten, unter anderemdurch räuberische Tiere, sind beimBraunkehlchen mehrfach belegt. So-wohl in einer schweizer als auch ineiner Heidelberger Population gingen56 (7c der Brüten gänzlich verloren. Inden Bayrischen Alpen waren es von85 Gelegen 45,8 9c. Knapp Dreivier-tel der Verluste in Bayern gingen aufdas Konto von Prädatoren.Ein Studiein Großbritannien belegt sogar 80%derart bedingten Ausfall. Dagegenscheinen Witterungseinflüsse auch inregnerischen Sommern nicht generellzu höheren Ausfällen zu führen (aus:LABHART 1988).

Vielfach wird der direkte Einfluß vonPrädatoren als nicht bestandsbedro-hend gewertet (BASTIAN, BASTIAN &STHRNBERG 1994). Im Fall der Krems-

Abb. 21: FuttertragenUcs BraunkehlchenMännchen („Koaserin").

Foto: J. Li mbe rue r

Abb. 22: Futtertragendes BraunkehlchenWeibchen („Koaserin").

Foto: J I. i mbe rge r

Abb. 23.habiiate anbieten.

Braunkehlchen nur kurzfristig günstige Brut-Foto: H. Uhl

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auen deutet jedoch einiges daraufhin,daß diese kleinere, isolierte Populati-on, mehrjährig anhaltenden, erhöhtenVerlustdruck durch Prädatoren nichtmehr auffangen kann und zusammen-bricht. Andere Ursachen, vor allemVerknappung des Nahrungsangebo-tes, können derzeit jedoch nicht aus-geschlossen werden.

In mehreren deutschen Gebieten zeigtsich, daß traditionelle, individuenstar-ke Populationen negativen Einflüsseneher standhalten und auch über langeZeit stabil bleiben können. Eine unte-re Schwellengröße von 20-30 Brut-paaren scheint sich abzuzeichnen.Kleinere Populationen sind in den letz-ten Jahren vielerorts erloschen, grö-ßere dagegen auch in den letzten 10-20 Jahren stabil geblieben oder haben

Abb 25: Junges Braunk<_iiLii._ü.Foto: P. B u c h n e r / B i r d l i f e

sogar zugenommen ( BASTIAN, BASTI-AN & STERNBERG 1994).

Maßnahmenkatalogzum Schutz des Braunkehlchensin Oberösterreich

Das Erhalten dieser, für unsere Wie-senlandschaften ehemals typischen Vo-gelart, kann nur über großflächigen,nachhaltigen Schutz des Lebensraumesgeschehen. Unser Bundesland, das stetsstolz auf seine guten Wirtschaftszahlenverweist, muß es sich leisten können,endlich Augenmerk auf seine schwin-denden Naturgüter zu legen. Die zu-sammenbrechenden Braunkehlchen-Be-stände belegen enormen Nachholbedarfim Wiesenschutz. Grundsätzlich ist einlandesweites Wiesenschutzkonzept inAbstimmung mit den benachbarten Län-dern anzustreben.

Abb.24:BraunkehlchenWeibchen mit„Erregungs-geste" beiAnnäherungdes Partners inNestnähe.

Foto:J. Limberger

* Erste flächendeckende Ansätze (z. B.Landschaftspflegepläne) müssen für dieletzten größeren Vorkommen entwickeltwerden. Nach dem derzeitigen Kenntnis-stand sind dies: Wiesen in Sandl, an derMaltsch, Gugu, Kleinschöneben, Glein-kerau, Ettenau und Kremsau.

* Weitere Schutzmaßnahmen sind dortzu setzen, wo noch ein Netz kleinererPopulationen vorhanden ist. Auch aufniedrigem Bestandsniveau sind Schutz-erfolge möglich. Große Teile des Mühl-viertels, insbesondere in den höherenLagen, sind dabei interessant.

* Anpassung der Pflegeprämienricht-linien (zur Bewirtschaftung ökologischwertvoller Flächen) an die Bedürfnis-se dieser bedrohten Art. Förderungvon Grünlandbrachen. Mahd in mehr-jährigen Abständen, Schaffung vonwartenreichen Randstrukturen.

* Besonders das Aufforsten von Braun-kehlchen-Habitaten ist zu verhindern.Dazu ist die entsprechende finanzielleAusstattung des Pflegeprämienpro-grammes wichtige Voraussetzung.

* Bei Flächenstillegungen oder ande-re Extensivierungsmaßnahmen in po-tentiellen Brutgebieten sind die Braun-kehlchenhabitatansprüche zu berück-sichtigen.

* Laufende Kontrolle der lokalen Be-standsentwicklungen und Neuerfas-sung in potentiellen Brutgebieten

* Zumindest in einem repräsentativenGebiet sollte eine umfassende Untersu-chung den geringen Bruterfolg klären.Falls notwendig darf sich der Natur-schutz einer offenen Diskussion dar-über, ob Eingriffe bei einzelnen häufi-gen und prädatierenden Arten in letzten

Abb. 26: Schutzgebiet Stadlau/Panidort: Streuwiesennutzung auf 19 ha durch dieÖsterr. Naturschutzjugend und örtliche Landwirte als Positivbeispiel für erfolgrei-chen Braunkehlchen-Habitatschutz. Foto: H. Uhl

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Wiesenbrütergebieten zielführend undverantwortbar sind, nicht entziehen.

Selbstverständlich kann gerade in deroft heiklen Frage nach dem primärenNaturschutzziel eines Wiesenschutz-gebietes nicht allein der Habitatan-spruch des Braunkehlchens die anzu-strebende Nutzungsform bestimmen.Entsprechende Berücksichtigung beiSchutzmaßnahmen sind dessen Le-bensraumbedürfnissen angesichts derbedrohlichen Bestandsentwicklungenjedoch sehr wohl einzuräumen.

Sehr viele, der für das Braunkkehlchengünstigen Bewirtschaftungsformenbringen auch Vorteile für ein weitesSpektrum der Wiesen-Tierwelt. Nebeneiner Reihe von ähnlich „eingenisch-ten" Boden-oder Staudenbrütern fin-den sich beispielsweise die höchstenArten- und Individuenzahlen vonSchmetterlingen auf extensiv und re-gelmäßig bewirtschafteten Streuwiesenund Magerrasen sowie deren frühenBrachestadien ( BI.AB 1993).

Die jüngst von E. HAI SKR (1995) imSinne des optimalen Schmetterlings-schutzes diskutierten Nutzungsformenfür Wiesen in Linz/Umgebung stim-men weitgehend mit jenen für einenoptimalen Schutz von Braunkehlchen-Habitaten überein.

Zusammenfassung

Ausgehend vom aktuellen Verbrei-tungsbild des Braunkehlchens in Ober-österreich werden die als Bruthabitatgenutzten Biotoptypen andiskutiertund das Braunkehlchen als avifauni-stische Leitart für strukturreiche, grö-ßere Wiesenbiotope unseres Bundes-landes vorgeschlagen. Genauere Feld-beobachtungen in den Wiesengebie-ten der Kremsau und der Ettenau bele-gen, daß die lokale Ursache für diefestgestellten, z. T. dramatischen Be-standseinbrüche im geringen lokalenBruterfolg von 0.55 bzw. 1.66 flüg-gen Juvenilen je Brutpaar liegt. Selbstfür kleinste ..Revierinseln" innerhalbder Lokalpopulation in den Kremsau-en wird der dort jeweils vorgefundeneBruterfolg als ausschlaggebend fürFortbestand oder Zusammenbruch ver-mutet. Da in den von den Braunkehl-chen bevorzugten Schutzgebietsantei-len, die Bruterfolge besonders geringsind (Kremsauen), und somit direktschädigende Bewirtschaftungs Vorgän-ge ausgeschlossen sind, wird der dies-bezügliche Einfluß von Prädatorendiskutiert.

Ansätze zur weiteren Bearbeitung die-ser Probleme werden samt einem Maß-nahmenkatalog zum landesweitenSchutz des Braunkehlchens in Ober-österreich präsentiert.

Ausblick

Wird in diesem Naturschutzbereichnicht rasch, entschieden und effizientgehandelt, so ist anzunehmen, daß dieBraunkehlchenvorkommen bei unskontinuierlich zusammenbrechen unddamit nach dem Wachtelkönig eineweitere Wiesenvogelart Gefahr läuft,unser Bundesland zu räumen.

Die Frage nach Nutzen und Sinn der-artiger Schutzmaßnahmen ist in en-gem Kontext mit den Zielen für unse-re Landwirtschaft zu sehen. Wennnachhaltiges Landwirtschaften aus-schließlich die langfristigen Bedürf-nisse des Menschen verfolgt undgleichzeitig die Lebensraumansprücheunserer Mitlebewesen in der Kultur-landschaft ignoriert, werden Schutz-bemühungen unbefriedigendes Flick-werk bleiben. Dann besteht aus ver-schiedenen Gründen jedoch die be-rechtigte Annahme, daß die Menschenin diesem Land das Netz der Natursoweit zerreißen, daß der eigene Bo-den bald nicht mehr zu einem ..sinner-füllten Leben" reicht, das weit mehrbeinhaltet als das nackte Überleben.

Damit sind nicht nur so direkt schädi-gende Beeinträchtigungen wie ver-schmutztes Trinkwasser oder geringeQualität unserer Lebensmittel gemeint.Ästhetisch reizvolle Landschaften,unbegradigt sprudelnde Wiesenbäche,flatternde Schmetterlinge und singen-de Vögel prägen die Schönheit einesGebietes und seine Erlebnismöglich-keiten für die darin lebenden Men-schen. Das Braunkehlchen steht alsSymbol dafür.

„Der Garten ist verwüstet, dieWege sind zertrampelt, die Reiste des Inventars werden gera-,de verheizt - aber das Rätseides Gartens bleibt ein RälsetMOb noch einmal ein Garten dar\aus wird oder ob sein Endeschon begonnen hat. hängt vonnichts anderem ab als davon.]daß wieder Gärtner kommenj,die den Garten unbegreiflichfinden."

DAHL 1989

Um zu einem besseren Wissend"stand über diese Art zu kom-men, ersuche ich alle Naturbe-obachter, Brutzeitbeobachtun-gen des Braunkehlchens mir,der Naturkundlichen Stationoder dem Biologiezentrum Linzbekannt zu geben !

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OKO-L. Leser berichten

Eine seltene Varietät des Wiesensalbeis (Salvia pratensis)

Bei Salvia pratensis L. dem Wiesen-salbei, handelt es sich um eine mehr-jährige Halbrosettenstaude mit verhol-zender Pfahlwurzel, die mit ihren blau-en Blüten hinlänglich bekannt ist. DerWiesensalbei besiedelt Trockenwie-sen, Halbtrockenrasen, Steppen- undHeidewiesen und kommt zumeist aufkalkhaltigen, nährstoffreichen Bödenvor. Straßenböschungen, Bahndämme

Die Subspecies vulgaris ist die in Mit-teleuropa heimische Unterart, die var.haematodes aus dem mediterranen Eu-ropa zeichnet sich durch hellblaue Blü-ten und stärkeren Wuchs aus. Eineschöne Kombination zeigt das Bildaus Griechenland vor dem Dorf Metso-vo, wo diese Art gemeinsam müSpar-tium junceum an einer Straßenbö-schung blühte.

folgt durch Wurzelausläufer sowiedurch Teilung größerer Stöcke, diebereits durchgeführt wurde.

Etwas häufiger treten weiße, rosa undmanchmal mischfarbige Formen (Abb.2 und 3) auf, die auch durch Aussaatvermehrt werden können.

Der Wiesensalbei sollte als Wildstau-de mehr verwendet werden, da er sich

Abb. \: Salvia pralen.\i.\l~. (ormaacaulis Abb. 2: Salvia praten\i.\ L. l'orma rosea Abb. 3: Salvia pratensis L. forvnaalbißi

und andere exponierte Lagen weisenim Mai blaue Blütenteppiche auf. oftin Gemeinschaft mit der Wiesenmar-gerite, der WitwenWume-Knautia ar-vensis. der Zypressen Wolfsmilch -Euphorbia cyparissias. den Aufrech-ten Ziest - Stachys recta u.a. Fallwei-se gibt es Nachblüten im Herbst undweiße oder rosa blühende Exemplareund manchmal Mischfarben.

Im Frühjahr 1993 entdeckte ich imBereich des Gartenamtes der StadtLinz, in einer Wiesenböschung eineForm mit gestauchten Blütenstielen,lt. Hegi die überaus seltene Salviapratensis forma acaulis (Abb. I) mitsehr verkürzten Achsen. 2 Exemplarewurden in Kultur genommen, sie blü-hen alljährlich, leider wird kein Sa-men ausgebildet. Die Vermehrung er-

durch Selbstaussaat erhält, anspruchs-los ist und keiner Pflege bedarf (außerdem Rückschnitt der abgeblühten Ris-pen wenn aus ästethischen Gründennotwendig). Die lange Blütezeit übereinige Wochen und das spezifischeBlau setzen sehr wirksame Akzente.

Ing. Siegfried SCHMID.Botanischer Garten der Stadt LinzRoseggerstraße 20, A- 4020 Linz

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