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VON DER SAITE ZUM NAHTMATERIAL SERAG-WIESSNER SEIT 1866

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VON DER SAITEZUM NAHTMATERIALSERAG-WIESSNER SEIT 1866

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EINE DARMSAITENFABRIK IM WEDDING

Die Geschichte von Serag-Wiessner beginnt 1866 in Berlin, als Carl Wiessner im belebten Bezirk Wedding seine „Darmsaiten-Fabrik“ einrichtet. Er ist umgeben von kleinen Werk-stätten und aufstrebenden Unternehmen. Das Saitenmacher-Handwerk hat in seiner Familie Tradition, das Know-how wird seit Generatio-nen weitergegeben. In aufwändigen Verfahren werden Schafdärme gereinigt, gespalten, ver-dreht und geschliffen. Die Saiten finden für Musikinstrumente sowie als Treibriemen oder im Uhrenbau Verwendung. Ein neues Einsatz-gebiet entsteht in der Medizin – genau zu der Zeit, als Carl Wiessner seinen Betrieb gründet. Die glatten Fäden aus der Darmsaitenfabrik eignen sich hervorragend, um Wunden zu verschließen.

CATGUT − SAITEN FÜR DIE CHIRURGIE

„Catgut“ ist seit langem eine verbreitete Be-zeichnung für feine Saiten. Wie sie aufkam, ist unklar. Von Katzen stammten die Därme jeden-falls nie, obwohl dies immer wieder behauptet

wird, sondern von Schafen, Ziegen oder Rin-dern. Ab dem frühen 19. Jahrhundert nutzen Ärzte Catgut zum Verschließen von Wunden. Doch nach Operationen treten aus verschiede-nen Gründen noch häufig Infektionen auf. Das ändert sich erst mit der Entdeckung der Sterilisation durch Joseph Lister (1827–1912). Er lässt Wunden mit phenol getränkten Tü-chern desinfizieren und verbinden, die erste antiseptische Operation (1866) ist ein Meilen-stein für die Medizin. Nahtmaterial wird nun ebenfalls sterilisiert und Catgut setzt sich rasch durch.

Catgut aus handwerklich gearbeiteten Darm-saiten hat viele Vorzüge: Es ist glatt, fest und dennoch relativ elastisch. Außerdem ist das Material resorbierbar, löst sich also nach eini-ger Zeit im Körper des Patienten auf. Chirur-gen empfehlen Catgut auf ihren Kongressen, große Krankenhäuser wie die Charité in Berlin verwenden es bereits als Nahtmaterial. Der Saitenfabrikant Carl Wiessner erkennt schnell, welche Chancen sich für ihn in der Medizin bieten.

ANFÄNGE IN BERLIN

1866−1890

Saitenmacher (links) wie die Familie Wiessner in Breslau fertigten aus Tierdärmen Saiten, Wundärzte (rechts) praktizierten lange Zeit als Universalmediziner bei Gebrechen aller Art.

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WIESSNER − EIN MARKENNAME

Die Medizin insgesamt und die Chirurgie im Besonderen machen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts große Fortschritte. Was zuvor undenkbar schien – die operative Entfernung von Tumoren oder Eingriffe am Herzen –, ge-lingt inzwischen. Der Bedarf an medizinischen Instrumenten und Materialien steigt dadurch enorm. Mediziner arbeiten gleichzeitig intensiv daran, die Sterilisationsverfahren zu verbes-sern; das sichere Verschließen der Wunden spielt eine große Rolle für die Erfolge in der Chirurgie.

Viele Krankenhäuser verwenden inzwischen Rohcatgut, das sie selbst sterilisieren. Zu den Lieferanten zählt Carl Wiessner, dessen Pro-dukte längst einen guten Ruf genießen. Wis-senschaftler loben die besonderen Eigenschaf-ten: Das Wiessner’sche Catgut zeichne sich „durch seine Glätte, Gleichmäßigkeit und Halt-barkeit“ aus, ist in der medizinischen Fachlite-ratur zu lesen. Auch Händler beginnen sich für die Darmsaiten als chirurgisches Nahtmaterial zu interessieren. Seit Paul Hartmanns Verband-

stofffabrik aus Heidenheim in den 1870er Jah-ren Wiessners Catgut vertreibt, sind die Darm-saiten weit über Berlin hinaus bekannt. Aus der kleinen Saitenfabrik wird in wenigen Jahr-zehnten einer der führenden Catguthersteller in Deutschland.

Carl Wiessner hat mit seinem Können und mit seinem Namen eine Marke geprägt, doch er hat keinen Nachfolger für seine Darmsaiten-fabrik. 1890 verkauft er das Unternehmen an den Kaufmann Heinrich Fürle, der den ein-geführten Markennamen Wiessner beibehält.

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EIN BAKTERIOLOGISCHES INSTITUT IN DESSAU

Nach dem Ersten Weltkrieg bedrohen Tier-seuchen die Viehbestände sowie die Gesund-heit und Fleischversorgung der Bevölkerung in Deutschland. Dank der Erkenntnisse von For-schern wie Louis Pasteur (1822–1895), Robert Koch (1843–1910) und Emil von Behring (1854–1917) können mittlerweile Erreger iso-liert und Impfstoffe hergestellt werden. Bei der Bekämpfung von Seuchen wie Tollwut und Milzbrand und von übertragbaren Krankheiten wie Cholera, Diphtherie und Tuberkulose gibt es große Fortschritte. Erzielt werden sie in Ein-richtungen, die veterinärmedizinisch forschen und selbst Medikamente produzieren.

Das Bakteriologische Institut, das der Freistaat Anhalt 1921 in Dessau gründet, wird zu einem besonderen Erfolgsmodell. Eine eigene Serum-abteilung entwickelt und produziert Impfstof-fe, Seren und Medikamente. Ab 1930 vertreibt sie ihre Produkte unabhängig vom Forschungs-institut als eigenständiges Unternehmen „Anhaltisches Serum-Institut Dessau (ASID)“.

PHARMAKONZERN IN KRIEGSZEITEN

Die wissenschaftliche Qualität ist hoch und der Absatz so gut, dass die ASID bald zu den großen Konzernen am Pharmamarkt zählt. Mit dem Kauf der Sächsischen Catgutmanu-faktur (Saecama) steigt die ASID 1936 in die Herstellung von chirurgischem Nahtmaterial ein. Die Gesellschaft weitet ihre Aktivitäten rund um Medizinprodukte aus und weckt Begehrlichkeiten. Die Nationalsozialisten brin-gen die mit dem staatlichen Bakteriologischen Institut verbundene ASID unter ihre Kontrolle und bilden die ASID-Werkgemeinschaft mit Sitz in Berlin. Zweigwerke in den seit Kriegs-beginn 1939 von der Wehrmacht besetzten Gebieten kommen hinzu. Mit zeitweilig 3.000 Arbeitskräften wird das Unternehmen zu ei-nem wichtigen Lieferanten für das militärische und zivile Sanitäts- und Veterinärwesen. Die ASID versorgt die Wehrmacht auch mit chirur-gischem Nahtmaterial und wird vollständig in die Kriegswirtschaft integriert.

ZWEI WURZELN EINES UNTERNEHMENS

1890−1949

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Im Anhaltischen Serum-Institut Dessau (ASID) (links und oben) wurde geforscht und produziert. Zur Catgutherstellung (rechts) gehörten handwerkliche Verfahren, wie das Verzwirnen der Därme.

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Bei Kriegsende 1945 zerfällt der ASID-Kon-zern, leitende Mitarbeiter suchen ihre Chance in Westdeutschland. Reinhold Kretschmann, Leiter der Prager ASID-Gesellschaft inklusive eines Catgutbetriebs, geht mit den vorhande-nen Beständen nach Hof.

WIESSNER MIT WECHSELNDEN INHABERN

Carl Wiessners Darmsaitenfabrik gedeiht un-terdessen unter dem neuen Inhaber Heinrich Fürle. Er hat sich ab den 1890er Jahren auf chirurgisches Nahtmaterial spezialisiert und produziert kaum noch Musiksaiten. Sein Sohn Max Fürle geht noch einen Schritt weiter: Er gehört um 1900 zu den ersten Anbietern von sterilem Catgut. Hohe hygienische Standards sind Garanten für gutes Nahtmaterial. Die Marke Wiessner steht für „peinlichste Reinlich-keit und Sauberkeit“, die Herstellung gilt bei den Behörden als mustergültig.

1936 übernimmt Theodor Neumann die Wiessner’sche Fabrik in Berlin. Er war zuvor Vertreter eines anderen Catgut-Herstellers und macht sich nun selbstständig. Seine Catgut-

Produktion wird nach 1939 als „kriegswichtig“ eingestuft, Wiessner beliefert unter anderem die ASID-Werke. Als die Lage in Berlin durch das Kriegsgeschehen bedrohlich wird, verlegt Neumann 1943 seine Produktion an einen pro-visorischen Standort in der Nähe von Bamberg.

TREFFEN IN FRANKEN

Reinhold Kretschmann, der ehemalige ASID-Mitarbeiter, und Theodor Neumann, der Inha-ber von Wiessner, versuchen ab 1945 wieder, Geschäfte rund um Impfstoffe und Catgut auf-zunehmen. Kretschmann ist 1946 Mitbegrün-der der Süddeutschen Serum- und Arzneimit-telwerk GmbH (Serag) in Haar bei München, Neumann möchte in Franken wieder Catgut der Marke Wiessner herstellen. Die beiden schließen sich zusammen und gründen im Sommer 1949 ein neues, gemein sames Unternehmen.

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BESCHEIDENE ANFÄNGE

Der Neustart nach dem Krieg ist mühsam: Die Catgutfabrik von Theodor Neumann und Reinhold Kretschmann produziert auf engstem Raum in einem alten Gebäude in Culmitz, rund fünf Kilometer außerhalb von Naila. Die Ausstattung ist einfach, aber das handwerk-liche Können groß. Es werden hauptsächlich Saitenmacher aus dem sächsischen Markneu-kirchen beschäftigt, die dafür sorgen, dass die Qualität und der gute Ruf gewahrt bleiben. Das Nahtmaterial wird unter dem Marken-namen „Serag“ in Süddeutschland und unter „Wiessner“ in Norddeutschland vertrieben.

CHANCEN UND TURBULENZEN

Die Voraussetzungen für das junge Catgut- Unternehmen mit langer Tradition scheinen gut. In Naila entstehen zu Beginn der 1950er Jahre auf einem Grundstück am Kugelfang Gebäude für die Spalterei und für die Verwal-tung. Doch Neumann und Kretschmann gera-ten in finanzielle Schwierigkeiten und persön-liche Konflikte. Die Lage verschärft sich, als

Kretschmann 1951 eine Haftstrafe wegen Schwarzhandels antreten muss und Neumann vermehrt Geld entnimmt. Als die Verschuldung bedrohlich wird, sucht die Bank einen Sanierer für das Unternehmen, das seinen Sitz 1956 auf das Firmengelände mit Neubauten nach Naila verlagert.

UMSCHWUNG MIT DR. FRIEDRICH PFEIFFER

Dr. Friedrich Pfeiffer (1906–1978), ein Jurist aus Thüringen, der zuletzt eine hessische Weberei geführt hat, beteiligt sich 1956 an der Catgutfabrik – mit Geld und unternehmeri-scher Erfahrung. Er ordnet und saniert, pflegt die Kontakte zu Ärzten und Krankenhäusern und bringt das Unternehmen wieder auf Erfolgskurs.

1961 verschmilzt die Serag Catgutfabrik mit der nur noch formal bestehenden Carl Wiessner’s Catgutfabrik. Unter dem Namen „Serag-Wiessner“ entsteht eine neue Firma, die die Tradition und Reputation der Vorgänger vereint. Nach dem Ausscheiden von Theodor Neumann 1964 ist Dr. Friedrich Pfeiffer allei-niger Geschäftsführer des Unternehmens.

NEUBEGINN UND AUFSTIEG

1949−1978

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Den Neubeginn in Franken − zunächst in Culmitz, später in Naila − gestalteten Theodor Neumann (oben links) und ab 1956 Dr. Friedrich Pfeiffer (oben Mitte). Das wichtigste Produkt war Catgut im Glasbehälter (rechts).

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Neben seinem chirurgischen Nahtmaterial vertreibt Serag-Wiessner ab den 1960er Jahren Infusionslösungen, die ebenfalls in Naila her-gestellt werden. Besonders wichtig ist der en-gagierte Außendienst. Enge Beziehungen zu Ärzten und Pflegepersonal, genaue Kenntnisse der Anforderungen im Krankenhausbetrieb – auf dieser Basis setzt sich Serag-Wiessner mit seinen Produkten durch.

INNOVATIONEN UND HERAUSFORDERUNGEN

Der Markt für Nahtmaterial wandelt sich, als US-amerikanische Hersteller in Deutschland aktiv werden und Nahtmaterialhersteller über-nehmen. Rasch setzen sich neue Produkte durch: zum einen synthetische Fäden, die das aus Därmen hergestellte Catgut zu verdrängen beginnen, und zum anderen zugeschnittene, sterile Fäden samt Einwegnadel in Klein-packungen. Mit einfachen Anlagen, großem Know-how und viel Einsatz gelingt es Dr. Friedrich Pfeiffer, im Wettbewerb mit den industriell produzierenden Herstellern zu bestehen. Serag-Wiessner hält an der Selbst-ständigkeit fest und bietet selbst Nahtmaterial

in Kleinpackungen an. Die angestammten Kun-den in den Krankenhäusern profitieren von der Innovation, die die Abläufe bei chirurgischen Eingriffen erleichtert.

Unter der Führung von Dr. Friedrich Pfeiffer entwickelt sich das Unternehmen bis in die 1970er Jahre sehr positiv. Es wird gebaut, erweitert und modernisiert. Mit seinen knapp 150 Mitarbeitern behauptet sich Serag-Wiess-ner mit Lösungen und chirurgischem Naht-material. Als Dr. Friedrich Pfeiffer 1978 über-raschend stirbt, nimmt seine Witwe Ursula Pfeiffer die Herausforderung an: Sie will den erfolgreichen Weg des Unternehmens fortsetzen.

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NEUE INHABERIN URSULA PFEIFFER

Ursula Pfeiffer übernimmt nach dem Tod von Dr. Friedrich Pfeiffer die Geschäftsführung. Bisher wirkte sie bei Serag-Wiessner im Hinter-grund: Wegen der zunehmenden Sehschwäche ihres Mannes erledigte sie Korrespondenz und kaufte gemeinsam mit ihm in Italien und Spanien Därme ein. Als ehemalige Kranken-schwester weiß sie außerdem genau, was Krankenhäuser von chirurgischem Nahtmate-rial erwarten.

An der Spitze von Serag-Wiessner warten große Herausforderungen; aber Ursula Pfeiffer ist fest entschlossen, das Unternehmen in der Familie zu halten, um es später ihren noch minderjährigen Söhnen zu übergeben.

Die neue Inhaberin wird von manchem Wett-bewerber zunächst unterschätzt, doch sie hat klare Vorstellungen. Ursula Pfeiffer wechselt einige Zulieferer und setzt die bauliche Erwei-terung fort. Mehr Platz für die Fertigung und für die Erneuerung der EDV – Serag-Wiessner geht in den frühen 1980er Jahren wichtige

Schritte zur Modernisierung. Aus einem hand-werklich orientierten Betrieb wird endgültig ein effizient arbeitendes Industrieunternehmen.

SYNTHETIKFÄDEN UND MINIBOXEN

Mithilfe guter Kontakte nach Japan entwickelt Serag-Wiessner Kunststofffäden, die das Sorti-ment abrunden. Neben dem traditionsreichen Catgut und Fäden aus Seide, Leinen oder Stahl bietet man den Kunden nun auch eine Aus-wahl an synthetischem Nahtmaterial. Die Mar-ken Seralon und Serafit etablieren sich rasch auf dem Markt, die Materialien werden seither stetig verbessert. Die Minibox – Serag-Wiess-ners Verpackung für Kurzfäden – überzeugt ebenfalls. Mit dieser neuen Entwicklung, die Ursula Pfeiffer zu Beginn der 1980er Jahre entdeckt und übernimmt, hat das Unterneh-men eine gute Position unter den Nahtmateri-alherstellern. Mit seinen Produkten begleitet Serag-Wiessner den großen Wandel in den Operationssälen: Der einzeln abzuschneidende Faden aus der Flasche wird endgültig von Kurzfäden aus praktischen Kleinpackungen abgelöst.

UNTER WEIBLICHER FÜHRUNG

1978−1991

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Ursula Pfeiffer führte und vertrat ab 1978 das Unternehmen − auf Messeständen (links mit Sohn Stefan) und im Betrieb.

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Für die Infusionslösungen – das zweite Stand-bein im Sortiment – wird Mitte der 1980er Jahre ein Gebäude mit Reinräumen zur steri-len Abfüllung errichtet. Auch in diesem Be-reich mit seinen hohen Anforderungen an Hygiene und an Dokumentation ist Serag-Wiessner nach den Investitionen gut aufge-stellt.

PARTNER DER MEDIZIN

Serag-Wiessners Erfolg basiert auf persönli-chen Gesprächen und engen Beziehungen. Der Nahtmaterialhersteller ist längst mehr als ein Lieferant – er entwickelt gemeinsam mit Ärzten das passende Material für neue Opera-tionsverfahren. Herausragende Beispiele sind minimal-invasive Methoden in der laparosko-pischen Chirurgie. Mit der eigenen Forschung und Entwicklung wandelt sich Serag-Wiessner zum modernen Unternehmen der Medizin-technik. Man hat eine Nische gefunden und baut dort die Erfahrungen mit Materialien und ihrer Verarbeitung weiter aus.

WACHSTUMSPHASE

Mit dem Ende der deutschen Teilung öffnet sich für Serag-Wiessner ein neuer Markt. Ein engagiertes Vertriebsteam stellt die Produkte aus Naila in den Krankenhäusern Ostdeutsch-lands vor und stößt auf großes Interesse. In Westdeutschland und in den europäischen Nachbarländern steigt der Absatz ebenfalls. Nach Jahren der Produktentwicklung und -verbesserung ist Serag-Wiessner mit seinem Nahtmaterial etabliert.

1991 feiert das Unternehmen sein 125-jähriges Bestehen. In einer von Konzernen und großen Herstellern dominierten Branche besitzt Serag-Wiessner als eigentümergeführtes Familien-unternehmen ein besonderes Profil. Nach mehr als einem Jahrzehnt in der Geschäftsleitung überträgt Ursula Pfeiffer ihren Söhnen die Verantwortung.

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GENERATIONSWECHSEL

Stefan Pfeiffer und Thomas Pfeiffer, die Söhne von Ursula Pfeiffer und dem verstorbenen Dr. Friedrich Pfeiffer, übernehmen in den frü-hen 1990er Jahren nach und nach Anteile an der Firma. Thomas Pfeiffer hat nach einigen Semestern Jurastudium ein Medizinstudium abgeschlossen, Stefan Pfeiffer sein Universi-tätsstudium als Diplomkaufmann und Volljurist beendet. Gemeinsam setzen die Brüder die Tradition des Familienunternehmens fort. Sie stehen vor großen Aufgaben, weil die Anforderungen an Arzneimittel und Medizin-produkte steigen.

1992 beginnen die Arbeiten an einem Produk-tionsgebäude, das eine Ausweitung und Modernisierung sowie die Fertigung in Rein-räumen ermöglichen wird. Zeitgleich wird das gesamte Unternehmen mit seinen organisato-rischen Strukturen grundlegend erneuert. Serag-Wiessner präsentiert sich in guter Verfas-sung, um insbesondere die enge Zusammen-arbeit mit Chirurgen fortzusetzen.

UMBRÜCHE UND NEUE PRODUKTE

Catgut, das Nahtmaterial, mit dem der Auf-stieg des Unternehmens begann, ist in den 1990er Jahren noch weit verbreitet und wird insbesondere in der Gynäkologie geschätzt – trotz aller Neuerungen mit synthetischen Fasern. Doch im Jahr 2000 kommt mit der Auf-regung um die Rinderseuche BSE das jähe Ende. Obwohl eine gesundheitliche Gefähr-dung als unwahrscheinlich gilt, wird das Naht-material aus Tierdarm verboten. Serag-Wiess-ner als traditionsreicher Hersteller erleidet zwar Einbußen, stellt sich jedoch rasch auf die neue Situation ein. Das Produktsortiment wird komplettiert, Kunden steigen auf das synthetische Nahtmaterial von Serag-Wiessner um. Das Geschäft mit Nahtmaterial wird je-doch zunehmend durch Preiskämpfe der großen Hersteller erschwert.

Serag-Wiessners Stärke sind Entwicklungen in enger Zusammenarbeit mit der Chirurgie. Mit Implantaten für urogynäkologische Opera-tionen findet sich eine neue Nische. Textiles Know-how, Kontakte und Flexibilität bringen Serag-Wiessner schnell in eine gute Markt-position.

INNOVATIV UND NAH AM KUNDEN

1991−2016

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Familienunternehmen mit modernen Produktions- und Lagerstätten in Naila und Selbitz: Serag-Wiessner verfügt über mehr als 2.000 qm Reinraumfläche und beschäftigt rund 200 Mitarbeiter.

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Der Nahtmaterialhersteller setzt auf ergänzen-de Dienstleistungen: In Hospitationszentren erlernen Ärzte den Einsatz der Implantate im klinischen Alltag, Workshops und Veranstaltun-gen mit medizinischen Experten bieten Infor-mationen für verschiedene Fachgebiete.

Durch Kombinationen aus innovativen Produk-ten und dazugehörigen Schulungen hebt sich der kleine Hersteller zunehmend im Wettbe-werb ab. Bei der Wundbehandlung bewährt sich der Ansatz ebenfalls. Mit neuen Wund-spüllösungen ergänzt Serag-Wiessner sein Sortiment an sterilen Lösungen. Dabei versteht man sich weiter als Partner der Medizin. Das Unternehmen veranstaltet zum Beispiel in Zusammenarbeit mit Experten aus Pflege und Medizin Symposien zur Wund versorgung.

ZUKUNFTSFÄHIG IN DER NISCHE

Enge persönliche Kontakte zu Operateuren, Pflegefachkräften und Einkäufern sind der Schlüssel zum unternehmerischen Erfolg. Vom Außendienstbesuch bis zum Symposium nutzt Serag-Wiessner alle Gelegenheiten für perma-

nenten Austausch. Erst in der gemeinsamen Arbeit mit Kunden und Anwendern entstehen gute marktfähige Produkte. Die Innovations-kraft, um diesen Prozess immer wieder erfolg-reich abzuschließen, sichert Serag-Wiessners Zukunft. Interdisziplinäre Teams vereinen Know-how aus der Medizin, Biologie, Pharma-zie und Chemie mit Ingenieurserfahrung, ins-besondere aus der Textiltechnik.

An den Kundenwünschen orientiert und hoch-spezialisiert – darin liegt das Potenzial von Serag-Wiessner. Im Unterschied zu vielen gro-ßen Wettbewerbern kann man individuell auf die Erfordernisse der Kunden eingehen. Bis heute werden Produkte als Sonderanfertigun-gen oder in Kleinstserien hergestellt. In der Produktion für die Nischen, verbunden mit einer individuellen Beratung und Betreuung, sehen die Pfeiffers auch für die Zukunft die große Stärke ihres Unternehmens.

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Telefon: +49 9282 937-0 Fax: +49 9282 937-9369 E-Mail: [email protected] Internet: www.SERAG-WIESSNER.de

SERAG-WIESSNER GmbH & Co. KG Zum Kugelfang 8−12 95119 Naila | Germany

HerausgeberSERAG-WIESSNER GmbH & Co. KG Zum Kugelfang 8−1295119 Nailawww.serag-wiessner.deRecherche, Text und GestaltungGeschichtsbüro Reder, Roeseling & Prüfer, Kölnwww.geschichtsbuero.de