3
487 VI. Vorlaujge Mittheilung der Hesultate einer experimentellen Beobachtung uber Generatio aequivoca; von Franz Schulze in Berlin. In ausgekochten und hermetiscb verschlossenen Gefalsen hatte man schon damals, da die Frage iiber eiue Gene- ratio aequ'voca die Aufmerksamkeit der Naturforschcr zuerst in Anspruch nabm, eine Entwicklung lebender Organismen nicht beobachten khneu. Ucberhaupt hielt man den Zutritt von Luft fur eine weseutliche Bedin- gung der primitiven EntsteIiung voa Infusorien aus sich zersetzender organischer Materie, so dak das bloke Be- decken einer Infusion mit eincr Schicht Oel jene Bedin- gung aufhob. - Es blieb daher die Frage: O b Zutritt von atmospharischer Luft, Licht und Warme zu infun- dirten orgiiniscben Substanzen alle Bcdingungen zur pri- mitiven Entstehung thierischer oder aucli nur pflanzlicher Organismen in sich fasse? noch unentscbieden, und cs wurden in dieser Hinsicht neue directe Versuche allgemein fur wiiuscheiiswerth gehalten. - Die hierbei zu fiber- mindende Schwierigkeit lag darin, dafs man erstens g1eich beim Beginn des Versuchs gewifs seyn mufste, keine Thiere oder entwicklungsftihigen Keimstoff in der Infusion zu ha- ben, und zweitens, dab die hinzutretende Luft oichts da- von enthalten durfte. Zu dem Ende construirte ich mir folgenden Apparat:

Vorläufige Mittheilung der Resultate einer experimentellen Beobachtung über Generatio aequivoca

Embed Size (px)

Citation preview

487

VI. Vorlaujge Mittheilung der Hesultate einer experimentellen Beobachtung uber Generatio aequivoca; von Franz S c h u l z e in Berlin.

I n ausgekochten und hermetiscb verschlossenen Gefalsen hatte man schon damals, da die Frage iiber eiue Gene- ratio aequ'voca die Aufmerksamkeit der Naturforschcr zuerst in Anspruch nabm, eine Entwicklung lebender Organismen nicht beobachten khneu . Ucberhaupt hielt man den Zutritt von Luft fur eine weseutliche Bedin- gung der primitiven EntsteIiung voa Infusorien aus sich zersetzender organischer Materie, so dak das bloke Be- decken einer Infusion mit eincr Schicht Oel jene Bedin- gung aufhob. - Es blieb daher die Frage: O b Zutritt von atmospharischer Luft, Licht und Warme zu infun- dirten orgiiniscben Substanzen alle Bcdingungen zur pri- mitiven Entstehung thierischer oder aucli nur pflanzlicher Organismen in sich fasse? noch unentscbieden, und cs wurden in dieser Hinsicht neue directe Versuche allgemein fur wiiuscheiiswerth gehalten. - Die hierbei zu fiber- mindende Schwierigkeit lag darin, dafs man erstens g1eich beim Beginn des Versuchs gewifs seyn mufste, keine Thiere oder entwicklungsftihigen Keimstoff in der Infusion zu ha- ben, und zweitens, dab die hinzutretende Luft oichts da- von enthalten durfte. Zu dem Ende construirte ich mir folgenden Apparat:

488 Ich fiillte einen gllsernen Kolben zur Hglffe mit de-

stillirtcm Wasser, dem ich verschiedene animalische und vegetabilische Stoffe beigemengt hatte, verschlot ihn hier- auf mit einem guten Kork, der von zwei luftdicht in ihn eingepafsten knieformig gebogenen Glasrbhren durchbohrt mar. Hierauf brachte ich ihn in ein Sandbad, und er- hitzte ihn 80 Iange, bis das Wasser heftig kochte, und 80 alle Theile einer Temperatur von 100" ausgesetzt ma- ren. Noch wiihrend die hcilsen Wasserdampfe zu den beiden G1asrl)hren beraustraten, befestigte ich an eincr eden einen Apparat, dessen sich die Chemiker bei or- ganischen Analysen bedienen , um die Kohlensaure zu absorbiren. Der zur Linken war mit concentrirter Schwe- felsaurc , dcr andere mit einer Aufliisung von Kaliliydrat gefiillt. - Durch die Siedhitze war alles in dem Kolbcn und den beiden Glasrbhren etwaig vorhandene Lebendige oder dessen Keirn zerstbrt, und durch die Schwefelszure auf dcr einen, die Kalilbsung auf der anderen Scite al- ler Zutrilt desselben von auisen abgeschnitten. Diesen ganzen, lcicht transportirbaren Apparat setzte ich nun vor meiu Fenstcr, wo er der Einwirkung des Lichts, und, da ich die Versuche wahrend der Sommermonate anstellte, auch der Warme aiisgesetzt war. Gleichzeitig stcllte ich daneben ein offenes Gelafs mit denselben Substanzen, wie die im Kolben befindlichen, und zwar auch nachdcm ich sie vorher der Siedhitze ausgesetzt. - Urn nun fort- wtihrend die Luft ionerhalb des Kolbens zu erneuern, sot; icb mehrmals des Tages mit dem Munde an dem of- fenen Ende des mit der Kalilbsung gefiillten Apparats, wo dann jedesmal die Luft aus dem Kolben heraus durch die kaustische Fliissigkeit hindurch in meinen Mund, und von auken atmospharische Luft durch die Schwefelsaure hindurch in den Kolben trat. Die L u f t wurde natiirlich durch das Hindurclitreten durch dic Schwefelslure in ihrer Zusamtnensetzuiig uicht vertindert, es mufsten aber, wenn man sie nur langsalu genug hindurchtreten l ick, alle in

489

ibr befiudlichen lebendigen oder lebcnsfibigen Theilchcu von der Schwefelsaure aufgenommen und so fort zerstiirt werden. - Vom 28. Mai bis Anfang August setzte ich diese Erneuerung der Luft im Kolben ununterbroclien fort, ohne dafs ich mittelst des Mikroskops, mit dem ich wahrend dieser Zeit fast taglich den Rand der Fliissig- keit betrachtete, etwas lebendiges Tliierische oder Pflanz- limb hatte wahrnehmen kbnnen. Und da ich zuletzt den Apparat aus einander nahm, war’ in der ganzen Flussig- keit auch nicht eine Spur weder von Infusorien, noch von Conferven oder Schimmel aufzufinden. Dagegen zeigte sich alles Dreies schon in einigen Tagen, nachdem ich den Kolben hatte offen stehen lassen, im reichlich- sten Maalse. - Das Gefals, wclches ich gleichzeitig mit der Zusammcnstellung obigen Apparates offen daneben gestellt hatte, enthielt schou am folgenden Tage Vibrio- Ben und Monaden, denen sich gar bald grblsere poly- gastrische Infusorien und selbst spatcr Raderthiere zuge- oellten.

VII. Ueber die ikletamorphose des Amylums; oon F r a n z Schulze .

E i n i g e Beobachtungen, die ich im vernossenen Sommer iiber die wiclitigsten Bedioguugeu der ersten Ernahrung des pflanzlichen Orgaoismus anstellte, gaben mir vielfa- ehe Gelegenheit, das Amylum in seiner Structur und Me- tamorphose zu studiren, uud theils die hieruber bereits vorhandenen Untersuchungen von Neueln zu priifen, tlieils einigc neue Versuche anziistellen. - Das Mikroskop gab mir, in Beziig auf die Structurverhaltnisse der Amylurn- kiirperchen der Kartoffel, dieselben Resultate, wie sic F r i t z s c h e zuerst gefunden und ausfiihrlich mitgetheilt. Die Sttirke der Vergraiserung, die ich anmandte, war