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Ethische Entscheidungsfindung
Ethische Entscheidungsfindung
Susann Endermann
Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Rettungs- und Schmerzmedizin
Ethische Entscheidungsfindung
Begriffe
∙ Ethik
∙ Theorie des guten Handelns
∙ Bioethik
∙ Biomedizin und Biotechnologie
∙ Medizinethik
∙ Bestandteil der Bioethik
∙ Befasst sich mit dem moralisch Gesollten und Zulässigen im Umgang mit menschlicher Krankheit und Gesundheit
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Ethische Entscheidungsfindung
Entwicklung der Medizinethik
∙ Neue Eingriffsmöglichkeiten
in Zeugungs-, Lebens- und Sterbeprozess
∙ Wiederbelebungsmassnahmen
∙ Organtransplantationen
∙ Genetische Diagnostik
∙ In-vitro Fertilisation
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Ethische Entscheidungsfindung
Arbeitsfelder Medizinethik
∙ Verschiedene moralische Grundpositionen
∙ Abtreibungen
∙ Sterbehilfe und deren Begriffsbestimmungen und Grenzen
∙ Recht auf prognostische Aufklärung am Lebensende
∙ Zunehmendes Misstrauen der Gesellschaft
∙ Stärkung der Patientenautonomie
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Ethische Entscheidungsfindung
Recht und Ethik
∙ Recht:
∙ Gilt ohne freiwillige Zustimmung
∙ Sanktionsgewalt
∙ Moral:
∙ Basis freiwillige Zustimmung
∙ Sanktionsmittel: sozialer Druck
∙ Medizinethische Normen
∙ Empathie
∙ Geduld
∙ Respekt
∙ Aufgabe Medizinethik:
∙ Rechtsfreiräume oder Lücken unter moralischen Aspekten prüfen und schliessen
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rechtlich nicht regelbar
Ethische Entscheidungsfindung
Medizinethische Prinzipien
∙ Prinzip der Autonomie (Respect for Autonomy)
∙ Prinzip des Nichtschadens (Nonmaleficence)
∙ Prinzip der Fürsorge (Beneficence)
∙ Prinzip der Gerechtigkeit (Justice)
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T.L. Beauchamp, J.F. Childress. Principles of Biomedical Ethics. First Edition 1977.
Ethische Entscheidungsfindung
Prinzip der Gerechtigkeit
∙ Verschiedene Modelle
∙ Ressourcenverfügbarkeit
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Ethische Entscheidungsfindung
Prinzip der Fürsorge des Nichtschadens
• One ought to prevent evil or harm
• One ought to remove evil or harm
• One ought to do or promote good
• Hilfspflicht
• One ought not to inflict evil or harm
• Schadensvermeidungspflicht
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T.L. Beauchamp, J.F. Childress. Principles of Biomedical Ethics.
Ethische Entscheidungsfindung
Prinzip der Autonomie
∙ Relativ neu in der aktuellen Medizinethik
∙ Individuelle Überzeugungen und subjektive Werte des Patienten
∙ Der Mensch hat in allen Lebenssituationen ein Recht darauf, selbstbestimmt zu entscheiden
∙ Anspruch zu entscheiden, was in medizinischer Hinsicht geschehen oder unterlassen werden soll.
∙ Autonomiemodell versus Paternalismus
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Ethische Entscheidungsfindung
Informed consent
∙ Einwilligung nach Aufklärung als Bedingung zur
Durchführung einer medizinischen Massnahme
∙ Voraussetzungen des Patienten:
∙ Entscheidungsfähig oder –kompetent
∙ Hinreichendes Verständnis
∙ Keine Manipulation oder Zwang
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Ethische Entscheidungsfindung
Dilemma
∙ Entscheidungskompetenz?
∙ „Nadelöhrbedingung“
∙ Kognitive Möglichkeiten
∙ Äussere Einflüsse
∙ Verständnis?
∙ Folgen, Risiken, Alternativen überschauen als Medizinlaie
∙ Umfang der Aufklärung
∙ Kein Zwang?
∙ Kommunikation
∙ Schmerzen, Angst, drohender Tod etc.
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Ethische Entscheidungsfindung
Patientenautonomie – Grenzen?
∙ Abwehrrecht
∙ Für ärztlich empfohlene, prinzipiell zugängliche Massnahmen
∙ Darf Massnahmen ablehnen
∙ kein Anspruchsrecht
∙ Kein Anrecht auf nicht indizierte, ethisch oder juristisch problematische Massnahmen
∙ Sinnlose Massnahmen können nicht eingefordert werden
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B. Seifert-Schöne 2007.
Ethische Entscheidungsfindung
Wo werden ethische Entscheidungen getroffen?
∙ Grenzbereich des menschlichen Lebens
∙ Intensivstation
∙ Umfang der Intensivtherapie?
∙ Willensäusserung?
∙ Prognose?
∙ Aussichtslosigkeit?
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Ethische Entscheidungsfindung
Gesetzgebung
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Seit dem 1. Januar 2013 ist die Revision des Vormundschaftsrechts
(Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht) in Kraft.
Ethische Entscheidungsfindung
Zentral: Patientenwille
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Aktuell erklärter Wille des aufgeklärten und einwilligungsfähigen Patienten
Vorausverfügter Wille: Patientenverfügung
Mutmasslicher Wille: mit Hilfe der Angehörigen, Bezugspersonen, Hausarzt
Entscheidung im besten Interesse und zum Wohle des Patienten
wenn nicht gegeben
wenn nicht vorhanden
wenn nicht ermittelbar
Ethische Entscheidungsfindung
Ziele der Intensivmedizin
∙ Überbrückung eines akut lebensbedrohlichen Zustands
∙ Wiederherstellung der Funktion lebenswichtiger Organe
∙ Wiederherstellung der völligen Gesundheit bzw. erreichen eines weitgehend autonomen Zustands des Patienten
∙ Rückkehr in angemessenes Lebensumfeld
∙ Leben erhalten nicht Sterben verlängern
∙ Therapieziel individuell festlegen geeignete Massnahmen
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Ethische Entscheidungsfindung
Grundbegriffe
∙ Prognose
∙ Zentrale aber schwierige Aufgabe
∙ Grundlage für Formulierung von Therapiezielen
∙ Scores für Überlebenswahrscheinlichkeit am Patientenkollektiv
∙ Integration von Einzelfaktoren Einzelfallentscheidung
∙ Lebensqualität
∙ Prognose der zu erwartenden Funktionseinschränkungen schwierig
∙ Persönliche Faktoren des Patienten
∙ Wirkungslosigkeit und Aussichtslosigkeit
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Ethische Entscheidungsfindung
Umfang der Intensivtherapie
∙ Volle Therapie
∙ Einsatz aller als wirksam erachteter intensivmedizinischen
Massnahmen zur Lebensrettung und - erhaltung
∙ Zeitlich befristete Intensivtherapie
∙ Bei ungünstiger oder unklarer Prognose
∙ Keine Beschränkung des Umfangs
∙ Beispielsweise 24-72 Stunden
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Ethische Entscheidungsfindung
Umfang der Intensivtherapie
∙ Inhaltlich limitierte Intensivtherapie
∙ Verzicht auf bestimmte Massnahmen
∙ Ungünstige Prognose
∙ Patientenwillen oder –verfügung
∙ Unterlassung und Abbruch
∙ Bei Aussichtslosigkeit verpflichtend
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Ethische Entscheidungsfindung
Muster Therapiebegrenzung
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Verzicht Reanimation
Verzicht Intubation
Verzicht Nierenersatzverfahren
Einschränkung Vasoaktiva
Stoppen einzelner Medikamente
Stoppen der invasiven Beatmung
Unterlassung
Abbruch
Faber-Langendoen 1992. Meyer-Zehnder 2007.
Ethische Entscheidungsfindung
Wirkungslosigkeit und Aussichtslosigkeit
∙ Wirkungslosigkeit
∙ Angestrebtes Therapieziel kann nicht erreicht werden
∙ Aussichtslosigkeit
∙ Kausale Therapie des lebensbedrohlichen Zustands nicht möglich
∙ Keine Rückkehr in angemessenes Lebensumfeld möglich
∙ Andere Begriffe:
∙ Sinnlosigkeit
∙ „Futility“ : Sinnlosigkeit, Nutzlosigkeit, Vergeblichkeit, Zwecklosigkeit
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Ethische Entscheidungsfindung
Wirkungslosigkeit und Aussichtslosigkeit
∙ Weiterführen einer aussichtslosen Therapie verstösst gegen das Prinzip des Nichtschadens!
∙ Verzögerung gerechtfertigt, wenn
∙ Angehörige anreisen müssen
∙ Abklärungen bezüglich Organspende im Gange sind
∙ Aussichtslose Therapien können nicht eingefordert werden.
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Ethische Entscheidungsfindung
Entscheidungsfindung
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Indikation
Indizierte Behandlungsmassnahmen werden angeboten
Patientenwille
Durchführung nur bei Zustimmung
Ethische Entscheidungsfindung
Therapiezieländerung
∙ Patienten, die auf der Intensivstation versterben, versterben meist nach einer Therapiezieländerung
∙ Verlassen kurativer Zielsetzung abhängig von
∙ Nutzen der intensivmedizinischen Behandlung
∙ Prognose
∙ Zu erwartender Lebensqualität Betreuung ausserhalb des Spitals nicht realisierbar
∙ Wille des Patienten
∙ Therapiezieländerung heisst nicht, dass man nichts macht!
∙ Lindern von Schmerzen, Luftnot, Übelkeit und anderen subkjektiven Symptomen
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