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PD Dr. Dirk Solies, Arbeitsbereich Praktische Philosophie, JGU Mainz, [email protected] 1 Vorlesung Darwin und die Philosophie : SoSe 10 PD Dr. Dirk Solies Begleitendes Thesenpapier nur für Studierende gedacht! http://www.ehh.uni-jena.de/Museum.html http://de.wikisource.org/wiki/Ernst_Haeckel http://www.zum.de/stueber/haeckel/weltraethsel/weltraethsel.html http://caliban.mpiz-koeln.mpg.de/haeckel/natuerliche/natuerliche.html

Vorlesung Darwin und die Philosophie Begleitendes Thesenpapier … · 2010-05-30 · 1874 Mit dem Buch "Anthropogenie oder Entwicklungsgeschichte des Menschen" bezieht ... 10. Bewußtsein

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PD Dr. Dirk Solies, Arbeitsbereich Praktische Philosophie, JGU Mainz, [email protected] 1

Vorlesung „Darwin und die Philosophie “: SoSe 10 – PD Dr. Dirk Solies

Begleitendes Thesenpapier – nur für Studierende gedacht!

http://www.ehh.uni-jena.de/Museum.html http://de.wikisource.org/wiki/Ernst_Haeckel http://www.zum.de/stueber/haeckel/weltraethsel/weltraethsel.html http://caliban.mpiz-koeln.mpg.de/haeckel/natuerliche/natuerliche.html

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„Der deutsche Darwin“ Ernst Haeckel (1834-1919) und seine Kontroverse mit Rudolf Virchow Die Frage nach der Legitimität einer „Verweltanschaulichung der naturkundlichen Literatur“1

Naturwissenschaft als säkulare Ersatzreligion: Haeckels Monismus Ästhetik als Plausibilitätsbeweis: Haeckels Radiolarien (Strahlentierchen)

1 Daum (1998: 300).

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Ernst Haeckel Biografie (ausführlich unter: http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/HaeckelErnst/index.html) 1834 16. Februar: Ernst Haeckel in Potsdam geboren 1852 Studium der Medizin in Berlin, Würzburg und Wien. 1854 Während einer Studienreise auf Helgoland beschäftigt Haeckel sich mit der

Erforschung niederer Seetiere. 1856 Assistent beim Medizinprofessor Rudolf Virchow in Würzburg. 1857 Promotion in Berlin über die Gewebe des Flusskrebses. 1858 Staatsexamen. Aufgabe der Medizinerlaufbahn, um sich der vergleichenden

Anatomie und Zoologie zu widmen. 1859-60 Studienreise nach Italien, bei der H. auf Sizilien 144 neue Radiolaren-Arten

(Strahlentierchen) entdeckt. 1861 Habilitation an der Universität Jena. 1862 Berufung zum außerordentlichen Professor an der Medizinischen Fakultät für

vergleichende Anatomie in Jena. 18. August: Heirat mit seiner Cousine Anna Sethe.

1864 Verleihung der Cothenius-Medaille. Tod seiner ersten Frau. 1865 Als Ordinarius für Zoologie tritt Haeckel zur Philosophischen Fakultät über. Trotz

zahlreicher Rufe, u.a. nach Würzburg, Wien und Bonn, bleibt er zeitlebens in Jena. 1866 Haeckel trifft Charles Darwin (1809-1882) in England.

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1867 20. August: Heirat mit der Professorentochter Agnes Huschke. Aus der Ehe gehen ein Sohn und zwei Töchter hervor.

1868 Mit Vorträgen und der populären "Natürlichen Schöpfungsgeschichte" trägt er wesentlich zur Verbreitung der Entwicklungslehre in der Öffentlichkeit bei.

ab 1869 Ausgedehnte Forschungsreisen, u.a. in den Orient, nach Skandinavien, Dalmatien, Korfu, Korsika, Frankreich und Großbritannien. Grundlagenforschung für die Evolutionsgeschichte von Mensch und Tier.

1872 H. formuliert das "biogenetische Gesetz", nach dem die Entwicklung des Individuums (Ontogenese) die seiner Gattung (Phylogenese) nochmals durchläuft.

1874 Mit dem Buch "Anthropogenie oder Entwicklungsgeschichte des Menschen" bezieht er den Menschen in den evolutionären Entwicklungsgedanken mit ein und formuliert dessen Abstammung von affenähnlichen Primaten.

1876 Haeckel trifft erneut zu Fachgesprächen mit Darwin zusammen. 1877 Nach dem vollständigen Bruch mit der Kirche und dem Christentum fordert Haeckel

eine naturwissenschaftliche Ausrichtung der Volksschule und die Abschaffung des Religionsunterrichts.

1894 Errichtung einer Haeckel-Professur für Geologie und Paläontologie. 1894-96 "Systematische Phylogenie". 1899 "Welträtsel". Monismus als naturwissenschaftliche Weltanschauung, Angriff auf

kirchliche Dogmen.

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1899-1904 "Kunstformen der Natur": Monismus als künstlerische Ausdrucksform. 1904 20.-22. September: Teilnahme am Internationalen Freidenkerkongress in Rom. 1906 Gründung des Deutschen Monistenbunds im Jenaer Zoologischen Institut. 1908 Eröffnung des Museums für Abstammungslehre (Phyletisches Museum) in Jena. 1909 Haeckel wird emeritiert. 1910 Austritt aus der Evangelischen Kirche 1911 8.-11. September: Erster Internationaler Monistenkongress in Hamburg. 1914 In "Gottnatur (Theophysis). Studien über die Monistische Religion" formuliert er

den Monismus als Vermittlung von Religion und Naturwissenschaft. 1915 21. April: Tod seiner zweiten Frau. 1917 Haeckels letzte Veröffentlichung "Kristallseelen" erscheint. (Ablehnung einer Körper

unabhängigen und unsterblichen Seele. Seele als Komplex von Gehirnfunktionen, der sich durch seine natürliche Entstehung nicht grundsätzlich von einer Tierseele unterscheide)

1919 9. August: Ernst Haeckel stirbt in seiner Villa Medusa in Jena. Seinen umfangreichen Nachlass und die Villa vermacht er der Universität.

1920 31. Oktober: Das Ernst-Haeckel-Memorial-Museum wird in der Villa Medusa eröffnet: http://www.ehh.uni-jena.de/Museum.html

1924 Eine ausgewählte Werksammlung von Haeckel wird als "Gemeinverständliche Werke" in sechs Bänden herausgegeben

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Monismus als Entwicklungs-Philosophie "Entwickelung" heißt von jetzt an das Zauberwort, durch das wir alle uns umgebenden Räthsel lösen, oder wenigstens auf den Weg zu ihrer Lösung gelangen können. Aber wie Wenige haben dieses Losungswort wirklich verstanden, und wie Wenigen ist seine weltumgestaltende Bedeutung klar geworden! Befangen in der mythischen Tradition von Jahrtausenden, und geblendet durch den falschen Glanz mächtiger Autoritäten, haben selbst hervorragende Männer der Wissenschaft in dem Siege der Entwickelungstheorie nicht den größten Fortschritt, sondern einen gefährlichen Rückschritt der Naturwissenschaft erblickt, und namentlich den biologischen Theil derselben, die Abstammungslehre oder Descendenztheorie, unrichtiger beurtheilt, als der gesunde Menschenverstand des gebildeten Laien.2

2 Haeckel, Natürliche Schöpfungsgeschichte

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Sieben Welträsel (in Anlehnung an Dubois-Reymond): I. das Wesen von Materie und Kraft II. der Ursprung der Bewegung III. die erste Entstehung des Lebens, IV. die (anscheinend absichtsvoll) zweckmäßige Einrichtung der Natur, V. das Entstehen der einfachen Sinnenempfindungen und des Bewußtseins, VI. das vernünftige Denken und der Ursprung der damit eng verbundenen Sprache VII. die Frage nach der Willensfreiheit:

„Von diesen sieben Welträthseln erklärt der Rhetor der Berliner Akademie drei für ganz transscendent und unlösbar (das erste, zweite und fünfte); drei andere hält er zwar für schwierig, aber für lösbar (das dritte, vierte und sechste); bezüglich des siebenten und letzten "Welträthsels", welches praktisch das wichtigste ist, nämlich der Willensfreiheit, verhält er sich unentschieden. Da mein Monismus sich von demjenigen des Berliner Rhetors (sic!) wesentlich unterscheidet, da aber andererseits seine Auffassung der "sieben Welträthsel" großen Beifall in weiten Kreisen gefunden hat, halte ich es für zweckmäßig, gleich hier von vornheren zu denselben klare Stellung zu nehmen. Nach meiner Ansicht werden die drei "transscendenten" Räthsel (I, II, V) durch unsere Auffassung der Substanz erledigt (Kapitel 12); die drei anderen, schwierigen, aber lösbaren Probleme (III, IV, VI) sind durch unsere moderne Entwickelungslehre endgültig gelöst; das siebente und letzte Welträthsel, die Willensfreiheit, ist gar kein Objekt kritischer wissenschaftlicher Erklärung, da sie als reines Dogma nur auf Täuschung beruht und in Wirklichkeit gar nicht existiert.“

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Das Problem der Weltanschaung

1831: Todesjahr Hegels, Beginn von Darwins Reise mit der „Beagle“

„Zusammenbruch des Idealismus“ (Schlagwort, extrem missverständlich)

Fragwürdigwerden religiöser und pseudoreligiöser „Glaubenswahrheiten“ (Materialismus vs. Spiritualismus, Z.B. Weisse, I.H. Fichte)

methodisch: keine naturphilosophische Spekulation, sondern naturwissenschaftliche Forschung: Experiment, Beobachtung, Biologie: Mikroskopieren

Diltheys Diagnose (in Aufbau der gesch. Welt in den Geisteswiss.): „Lag es doch im Gang der Wissenschaften, daß sich die Naturerkenntnis zunächst ausbildete. Die Geisteswissenschaften sind erst im vorigen [dem 19., D. S.] Jahrhundert in ein Stadium getreten, das ihre Verwertung für die Erkenntnistheorie möglich machte“.3

→ „Rückstand“ der Geisteswiss., auch und vor allem der Philosophie.

intensive „Verweltanschaulichung der naturkundlichen Literatur“4, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts (Monistenbund) in ihrer Popularisierung durch Haeckel zur Ausprägung einer säkularen Ersatzreligion führt. (Ebenso Giordano Bruno-Gesellschaft)

integrale Totalsicht und Totalerklärung der Welt ohne Zuhilfenahme religiöser Erklärungen 3 A u f b a u , GS7, S. 89. 4 Daum (1998: 300).

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Die Situation nach Haeckel (1899/1911): „unnatürliche und verderbliche Gegensatz zwischen Naturwissenschaft und Philosophie“5 „Empiriker“ vs. „Metaphysiker“:

Während diese reinen Empiriker »den Wald vor Bäumen nicht sehen«, begnügen sich jene Metaphysiker mit dem bloßen Begriffe des Waldes, ohne seine Bäume zu sehen. Der Begriff der »Naturphilosophie«, in welchem ganz naturgemäß jene beiden Wege der Wahrheitsforschung, die empirische und die spekulative Methode, zusammenlaufen, wird sogar noch heute in weiten Kreisen beider Richtungen mit Abscheu zurückgewiesen.6

Ruf nach einer „neuen“ Naturphilosophie: monistisch!

5 Haeckel-GW Bd. 3, S. 4 6 Haeckel-GW Bd. 3, S. 4

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Mit Bezug auf „Monismus der Energie“ in Physik / Chemie: Anders verhält sich scheinbar die organische Welt, das bunte und formenreiche Gebiet des Lebens. Zwar liegt es auch hier auf der Hand, daß ein großer Teil der Lebenserscheinungen unmittelbar auf mechanische und chemische Energie, auf elektrische und Lichtwirkungen zurückzuführen ist. Für einen anderen Teil derselben aber wird das auch heute noch bestritten, so vor allem für das Welträtsel des »Seelenlebens«, insbesondere des Bewußtseins. Hier ist es nun das hohe Verdienst der modernen Entwicklungslehre, die Brücke zwischen den beiden, scheinbar getrennten Gebieten geschlagen zu haben. Wir sind jetzt zu der klaren Überzeugung gelangt, daß auch alle Erscheinungen des organischen Lebens ebenso dem universalen Substanzgesetz unterworfen sind wie die anorganischen Phänomene im unendlichen Kosmos.7

„monistische Erklärung“ als Weltanschauung

(analog Materialismus)

durch Rückführung auf darwinistische Prinzipien: »Kampf ums Dasein« als „der große ‚züchtende Gott‘, welcher ohne Absicht neue Formen ebenso durch »natürliche Auslese« bewirkt, wie der züchtende Mensch neue Formen mit Absicht durch »künstliche Auslese« hervorbringt. Damit wurde das große philosophische Rätsel gelöst: »Wie können zweckmäßige Einrichtungen rein mechanisch entstehen, ohne zwecktätige Ursachen?«“

7 http://www.zeno.org/Philosophie/M/Haeckel,+Ernst/Die+Weltr%C3%A4tsel/14.+Einheit+der+Natur

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Kapitelübersicht der „Welträtsel“: I. Anthropologischer Theil: Der Mensch

1. Stellung der Welträthsel 2. Unser Körperbau 3. Unser Leben 4. Unsere Keimesgeschichte 5. Unsere Stammesgeschichte

II. Psychologischer Theil: Die Seele. 6. Das Wesen der Seele 7. Stufenleiter der Seele 8. Keimesgeschichte der Seele 9. Stammesgeschichte der Seele 10. Bewußtsein der Seele 11. Unsterblichkeit der Seele

III. Kosmologischer Theil: Die Welt.

12. Das Substanz-Gesetz 13. Entwickelungsgeschichte der Welt 14. Einheit der Natur 15. Gott und Welt

IV. Theologischer Theil: Der Gott. 16. Wissen und Glauben 17. Wissenschaft und Christentum 18. Unsere monistische Religion 19. Unsere monistische Sittenlehre 20. Lösung der Welträthsel

Nachwort: Das Glaubensbekenntniß der Reinen Vernunft

Haeckels „populäres“ Vorgehen: Darstellung der naturwiss. / biologischen Erkenntnisse der Zeit Ableitung / Postulierung einer „monistischen“ Weltanschauung

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Eine Zwischenbemerkung: Die „Karriere“ des Popularisierens: von J. G. Fichte bis Haeckel

19. Jh.: Popularisierung als Programm hochkarätige Wissenschaftler wie Helmholtz, Virchow, Liebig und DuBois-Reymond8 aber auch heute weniger bekannte Autoren wie Reinke, Bölsche, Ostwald und Dodel-Port Gründung von „Weltanschauungsvereinigungen“ zwischen 1841 und 1908: Lichtfreunde (1841) Deutscher Freidenkerbund (1881) Giordano-Bruno-Bund (1900) Monistenbund (1906) Keplerbund (1907, weltanschaulich konkurrierend)9

8 Daum (1998: 461f.) stellt in seinem grundlegenden Werk für die zweite Phase der Popularisierung (nach 1870) beginnend mit der Gründung der GVV (Gesellschaft für Verbreitung

von Volksbildung) sogar eine „Institutionalisierung der Populärwissenschaften“ fest. 9 Vgl. die Übersicht in Daum (1998: 194).

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Haeckel: Monistische Studien über den Kampf zwischen der

wissenschaftlichen Erfahrung und der christlichen Offenbarung. Die vier Perioden in der historischen Metamorphose der christlichen Religion. Vernunft und Dogma.10 Kritik des Christentums Christentum als Gegner der Vernunft Unfehlbarkeitsdogma etc.

10 Haeckel-GW Bd. 3, S. 317

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Kap. „unsere monistische Sittenlehre“, „Staat und Schule“: Reduktion des Studiums klassischer Sprachen (Lat., Griech.), dafür Konzentration auf den Menschen Kulturgeschichte Entwicklungslehre (Darwinismus)! Biologie Zeichnen Sport!

Das Hauptziel der höheren Schulbildung blieb bisher in den meisten Kulturstaaten die Vorbildung für den späteren Beruf, Erwerbung eines gewissen Maßes von Kenntnissen und Abrichtung für die Pflichten des Staatsbürgers. Die Schule des zwanzigsten Jahrhunderts wird dagegen als Hauptziel die Ausbildung des selbständigen Denkens verfolgen, das klare Verständnis der erworbenen Kenntnisse und die Einsicht in den natürlichen Zusammenhang der Erscheinungen.

Wenn der moderne Kulturstaat jedem Bürger das allgemeine gleiche Wahlrecht zugesteht, muß er ihm auch die Mittel gewähren, durch gute Schulbildung seinen Verstand zu entwickeln, um davon zum allgemeinen Besten eine vernünftige Anwendung zu machen.11

11 Haeckel-GW Bd. 3, S. 375

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„Monismus“ bei E. v. Hartmann12 Johannes Reinke, Die Welt als Tat im selben Jahr (1899) erschienen war wie Haeckels Welträthsel, 1905 bis 1909 als einer der entschiedensten Kritiker des Darwinismus haeckelscher Prägung und vor allem der hierdurch insinuierten weltanschaulichen Implikationen „Analog dem Vorgehen der Sozialdemokratie im wirtschaftlichen Bereich lege die atheistisch-monistische Weltanschauung die Axt an die Fundamente der verfassungsmäßig verankerten, christlichen Gesellschaftsordnung und bedeute den Umsturz auf geistigem Gebiet“.13

12 Dabei wird oft vergessen oder übersehen, dass E. v. Hartmann bereits in seiner 1899 ersterschienenen P h i l o s o p h i e d e s U n b e w u ß t e n mehrfach für eine „monistische“

Deutung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse eingetreten war – vgl. Hartmann (1899: 196): „Die rein monistische Weltanschauung ist auch allein im Stande, das metaphysische

Fundament zu einer dem Einspruch jeder souveränen individuellen Willkür enthobenen Ethik zu legen (vgl. Schopenhauer)“. 13 Daum (1998: 230).