57
Vorlesung Echtzeitsysteme Thema 2: Zeit Robert Baumgartl 14. März 2015 Abb.: Geralt via Pixabay

Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

  • Upload
    ledung

  • View
    218

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Vorlesung EchtzeitsystemeThema 2: Zeit

Robert Baumgartl

14. März 2015

Abb.: Geralt via Pixabay

Page 2: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Ursprung des Zeitbegriffes

I griechische Vorstellung: „Alles ist ein Kreislauf“ (→ keinUrsprung, Ende)

I jüdisch-christliche Vorstellung: Zeitpfeil im Weltmodell(dedizierter Anfang, Ende)

I heutige Vorstellung: Anfang (Urknall), kontinuierlicheEntwicklung

I Physik: Zeitbegriff als Form der zunehmenden Unordnung(Entropie)→ ohne Entropiezunahme keine Zeit (z. B. vordem Urknall)

I Aurelius Augustinus (354–430) zum Begriff der Zeit: „Wennmich niemand danach fragt, weiß ich es, will ich einemFragenden es erklären, weiß ich es nicht.“

2 / 57

Page 3: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Zeit aus Sicht des Mathematikers

Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten,unterscheidbaren Zeitpunkten, über der die Ordnungsrelation„<“ („liegt zeitlich vor“) folgendermaßen definiert ist:

1. Trichotomie: ∀x , y ∈ M gilt genau eine der folgendenBedingungen: (x < y), (y < x), (x = y)

2. Transitivität: ∀x , y , z ∈ M : (x < y) ∧ (y < z)⇒ (x < z)

3. Irreflexivität: ∀x ∈ M : ¬(x < x)

4. Dichtheit: ∀x , y ∈ M : (x < y)⇒ ∃z : (x < z < y)

Aus 1.-3. folgt, daß es sich bei „<“ um eine strengeTotalordnung1 handelt.

1Streng bedeutet, dass die Relation transitiv ist, total bedeutet, dass alle Elemente der Relation unterliegen.3 / 57

Page 4: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Historisch: 3 grundlegende Zeitintervalle

I Tag: Zeitspanne zwischen 2 aufeinanderfolgendenHöchstständen der Sonne („Sonnentag“)

I Jahr: Zeitspanne zwischen 2 aufeinanderfolgendenDurchgängen der Sonne durch eine bestimmteHimmelsposition (z. B. den Frühlingspunkt, d.h., dieTag-und-Nacht-Gleiche im März) („Tropisches Jahr“)

I Monat: Zeitspanne zwischen 2 aufeinanderfolgendenNeumonden

→ historischer Zeitbegriff von astronomischen Phänomenengeprägt→ Problem: Phänomene sind keine ganzzahligen Vielfachevoneinander (zumindest nicht exakt).

4 / 57

Page 5: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Uhren: historischSonnenuhren (ab ca. 3000 v. u. Z.)

I Prinzip: Beobachtung des Schattenwurfs eines ObjektesI kürzester Schatten Mittag

(Bildquelle: F. S. Sawelski. Die Zeit und ihre Messung. VEB Fachbuchverlag Leipzig, 1977)

5 / 57

Page 6: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Uhren: historischWasseruhren (ab ca. 1500 v. u. Z.)

I Beobachtung: Das Auslaufen einer bestimmtenWassermenge dauert stets gleich lang

I Problem: Abhängigkeit vom WasserdruckI Anwendung: z. B. Redezeitbegrenzung für Politiker (!)I aka Klepsydra

(Bildquelle: Gerhard Dohrn-van Rossum. Die Geschichte der Stunde. Anaconda Verlag, 2007, S. 35)

6 / 57

Page 7: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Uhren: historischPendeluhren

I Galilei schlägt vor, Pendel als konstanteZeitbasis zu nutzen

I Ch. Huygens konstruiert erstefunktionsfähige Pendeluhr (1656) –% ≈ 10s

d ≈ 1.1 · 10−4

I bis in die 20er Jahre des 20. Jh. alsReferenz genutzt

I T = 2π

√lg

(Länge des Pendels l)

Galileis Entwurf einer Pendeluhr2

2Dennis D. McCarthy und P. Kenneth Seidelmann. TIME – From Earth Rotation to Atomic Physics. Wiley, 2009,S. 34.

7 / 57

Page 8: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Uhren: historischChronometer

I Problem: Pendeluhr ist nicht(besonders) portabel

I genaue Uhren jedoch zurexakten Längengradbestimmungauf Schiffen notwendig

I Wettbewerb der Royal Navy (ab1714)

I Sieger: John HarrisonsChronometer H4 (1760)(% ≈ 5s

81d ≈ 7.1 · 10−7)I d = 13cm, m = 1.45kg

(Quelle: http://www.sailingwarship.com/harrisons-h4-chronometer-1760.html)

8 / 57

Page 9: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

UhrenQuarzuhren

I Idee: eine hochfrequente Schwingung ist i. a. stabilerI → Nutzung eines QuarzoszillatorsI Marrison und Horton, 1927

(Quelle: F. G. Major. The Quantum Beat. 2. Aufl. Springer, 2007, S. 84)

9 / 57

Page 10: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Uhren: Atomuhr – Funktionsprinzip IGrundlagen

Ausgangspunkt: elementare Eigenschaften von Atomen sindstets gleich (unabhängig von Ort, Zeit)

Physik-Exkurs: Wechselwirkungen zwischen Atomen und em.StrahlungI Absorption – Photon wird durch Atom absorbiert, ein

Elektron erreicht höheres Energieniveau (Atom→angeregt)

I spontane Emission – Atom geht unter Aussendung einesPhotons von angeregtem in Grundzustand über

I induzierte Emission – ein angeregtes Atom wird beiAnwesenheit eines Photons animiert, unter Aussendungeines weiteren Photons in Grundzustand zurückzukehren,erstes Photon wird nicht absorbiert

10 / 57

Page 11: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Uhren: Atomuhr – Funktionsprinzip IIGrundidee

Idee: Nutzung induziert emittierter Strahlung als Basis fürZeitmessungen.

Problem: sehr hohe Frequenz (sichtbares Licht; 1014Hz),schlecht zu managen, schlecht zu messen

Frage: Kann man niederfrequentere (besser „handhabbare“)Strahlung emittieren?

11 / 57

Page 12: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Uhren: Atomuhr – Funktionsprinzip IIIHyperfeinstrukturniveaus

I kleine Abweichungen in den Energielevels der Atomeinfolge magnetischer Wechselwirkung zwischen Kern undElektron (Spin)

I Übergang zwischen Hyperfeinstrukturniveaus ähnlichÜbergang zwischen Energielevels

I Unterschied: Mikrowellen werden emittiert

Orbit bei Abstoßung

Orbit bei Anziehung

(hypothetischer) Orbit ohne Wechselwirkung

Abbildung: Veranschaulichung zweier Hyperfeinstrukturniveaus

12 / 57

Page 13: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Uhren: Atomuhr – Funktionsprinzip IVBeispiel: Cäsiumuhr

1. Cs wird im Ofen aufgeheizt, Dampfstrahl tritt durch Düseaus, beide Zustände (Hyperfeinstrukturniveaus, weiß undschwarz) bunt gemischt

2. Magnet A lenkt schwarze Atome ab, Absorption3. verbleibende Atome (weiß) werden in Ramsey Cavity

Mikrowellen wohldefinierter Frequenz ausgesetzt4. viele Atome wechseln Zustand nach schwarz (induzierte

Emission)5. Magnet B sondert weiße Atome aus6. Detektor mißt Anzahl Atome, die Zustand wechselten

(ursprünglich weiß, jetzt schwarz sind)7. Oszillatorfrequenz wird so eingestellt, daß ein Maximum

von Zustandsänderungen erfolgt.

Maximum an Zustandsänderungen ergibt sich für eineFrequenz der Mikrowellen von f = 9192631770 Hz.

13 / 57

Page 14: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Uhren: Atomuhr – Funktionsprinzip VPrinzipaufbau einer Atomuhr mit Cäsiumstrahl

Ofen

(Cs−Quelle)

N

S

Magnet A

N

S

...

Ramsey Cavity

Magnet B

Mikrowellen

Detektor

Osc

(Quelle: Tony Jones. Splitting The Second. The Story of Atomic Time. IOP Publishing, 2000)

14 / 57

Page 15: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Uhren: Atomuhr – Funktionsprinzip VIWarum 133Cs?

I ein einzelnes Elektron ganz außen→ 2Hyperfeinstrukturniveaus (im Grundzustand)

I nur 1 Isotop (55 Protonen, 78 Neutronen), kein GemischI leichtes Handling (niedriger Schmelzpunkt 28.4◦C, nicht

radioaktiv, stabil)I schweres Atom (→ langsamer)I Alternativen: Rubidium, Wasserstoff, ionisiertes

Quecksilber

15 / 57

Page 16: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Explosionsdarstellung wesentlicher Komponenten

(Quelle: PTB)

16 / 57

Page 17: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Beispiel: Atomuhr CS2 der PTB Braunschweig

(Quelle: PTB)17 / 57

Page 18: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

UhrenZwischenfazit (somewhat abstract)

I Uhr = Schwingungsmechanismus, der periodischeEreignisse (Microticks) auslöst + Zähler, der dieseEreignisse zählt

I mechanisch (Pendel, Unruh) oder elektrisch(Schwingkreis, Quarz)

I Auflösung der Uhr: Zeitspanne zwischen 2aufeinanderfolgenden Mikroticks

I je höher Auflösung, desto größer i.a. die Genauigkeit derUhr

I begrenzte Auflösung→ QuantisierungsfehlerI Keine zwei Uhren auf der Welt gehen gleich!

18 / 57

Page 19: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Mögliche Verhaltensweisen einer Uhr

13

2

4

Referenzuhr

sende Uhrzu vermes-

1

1

ideal

19 / 57

Page 20: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Mögliche Verhaltensweisen einer Uhr

korrekt:1. innerhalb der zugesicherten Gangabweichung

inkorrekt:2. Verlassen der zugesicherten Gangabweichung3. Zustandsfehler→ Sprung im Zählerwert (nach oben oder

unten möglich)4. Stehenbleiben der Uhr

unmöglich:I rückwärtslaufende Uhr (negativer Anstieg der Geraden)

20 / 57

Page 21: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Mögliche Verhaltensweisen einer Uhr

Fehlerursachen:1. Varianzen innerhalb der Uhr (zufällige und systematische

Fehler, z. B. Reibung des Pendels)2. Störungen bzw. Einflüsse der Umgebung3. Signalverzögerungen zwischen Uhr und Empfänger

(z. B. Signallaufzeit vom Satelliten zum Empfänger imGPS)

21 / 57

Page 22: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Güte einer Uhr

Mehrere Parameter beschreiben die Qualität einer Uhr:I Frequenzgenauigkeit (ρ): „Wie genau wird die Sekunde

(Zeitbasis) eingehalten?“I Frequenzstabilität (ρ′): „Wie schnell ändert sich ρ?“I Zeitgenauigkeit (∆): „Wie genau stimmt die Uhr mit der

‘offiziellen’ Zeit überein?“Bei sehr hoher Stabilität können präzise Korrekturwerteermittelt werden, die die Genauigkeit der Uhr erhöhen.

22 / 57

Page 23: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Referenzuhr

Ermittlung der Ganggenauigkeit einer Uhr mittels Referenzuhr:I (viel) höhere Genauigkeit als zu vermessende Uhr

erforderlichI generiert die Referenzzeit für das betrachtete System, eine

(diskrete) Repräsentation der wirklichen Zeit, eine Folgevon Ticks (vgl. folgende Abb.)

I Bestimmung der Ganggenauigkeit stets nur mitGenauigkeit der Referenzuhr möglich

I generiert Zeitstempel z(e) zu Ereignissen e der zuvermessenden Uhr

I Gangunterschied ∆: Differenz zweier Uhren für ein unddasselbe Ereignis

23 / 57

Page 24: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Verhältnis von Referenzzeit T und wirklicher Zeit t

Ta

Tb

Tc

T

ta tb tc t

24 / 57

Page 25: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Bestimmung der Gangabweichungsrate ρ

Es seien m und n zwei Microticks der zu vermessenden Uhr(Angabe in Zeiteinheiten der Referenzuhr). Dann ermittelt mandie normierte Gangabweichungsrate ρ dieser Uhr mittels

ρ =z(m)− z(n)

m − n− 1 (1)

Anmerkungen:I nicht mit ∆ verwechseln!I ideal: ρ = 0 (existiert nicht)I ρ > 0 Uhr zu langsam, „geht nach“I ρ ist dimensionslos

25 / 57

Page 26: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Bestimmung der Gangabweichungsrate ρ

Anmerkungen, cont.:I häufig interessiert nur Betrag der AbweichungI Unabhängige (free-running) Uhren laufen unendlich weit

auseinander, selbst wenn sie ursprünglich perfektsynchronisiert waren.

I ⇒ Synchronisation nötig (→ später)I meist Angabe der maximalen Gangabweichungsrate ρmax

unter reproduzierbaren UmweltbedingungenI momentaner Bestwert für ρ etwa 1 · 10−14

I ρ ist manchmal vom Meßintervall abhängigI 2 Uhren, die zu t = 0 synchronisiert wurden, und jeweils

eine Gangabweichungsrate ρ aufweisen, können nachVerstreichen von C Zeiteinheiten im worst case um∆ = 2Cρ differieren!

26 / 57

Page 27: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Zeitstandards: Naive Zeit

I naive 12-Stunden-Teilung des Tages (und der Nacht), fixePhänomene: Sonnenauf- und -untergang

I Stunden haben unterschiedliche Länge (nur zu denTagundnachgleichen (Äquinoktien) und am Äquatorkorrekt)

I genutzt bis ins 15. JahrhundertI 12-Teilung wahrscheinlich babylonischen Ursprungs;

Gründe unklar

27 / 57

Page 28: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Zeitstandards: Wahre Ortszeit (WOZ)

I aka Wahre Sonnenzeit, apparent solar timeI „wenn Sonne im Zenit steht, ist Mittag“ (12 Uhr WOZ)I direkt beobachtbar, durch Sonnenuhr angezeigtI in einigen Ländern bis ins 20. Jahrhundert genutztI Sonne bewegt sich (scheinbar) nicht gleichförmig, weil:

I elliptische Bahn der Erde um die Sonne (anstatt Kreis)I Winkel zwischen Erdachse und Ekliptik ca. 66.5◦ (anstatt

90◦)I → keine gleichfg. Zeit, „vergeht unterschiedlich schnell“I kompensierbar, da (jährlich) periodisch:

MOZ = WOZ− Zeitgleichung

I MOZ = mittlere Ortszeit

28 / 57

Page 29: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Verhältnis WOZ zur MOZ

(http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/0b/Zeitgleichung.png)29 / 57

Page 30: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Zeitstandards: Mittlere Ortszeit (MOZ)

I auch Mittlere Sonnenzeit, mean solar timeI korrigiert jahreszeitliche Schwankungen der WOZI entspräche WOZ, wenn Erde auf Kreisbahn rotierte und

senkrecht auf Ekliptik stündeI nicht direkt beobachtbarI individuell für jeden Ort auf der Erde

30 / 57

Page 31: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Zeitzonen

I Problem: alle Sonnenzeiten hängen von geografischerLänge ab

I ungünstig für (u. a. ) schnelle Verkehrsmittel (Eisenbahn)I Idee: für jedes Land einheitliche Zeit, Pierce/Dowd (1870):

24 Zeitzonen (á 15◦ Länge)I modifiziert durch gewisse kulturelle ZusammenhängeI z. B. iranische Zeit UTC+3.5h, Afghanistan UTC+4.5hI Abbildung (extern, Wikipedia):

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/ad/Standard_time_zones_of_the_world.png

31 / 57

Page 32: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Dauer eines Tages

I Problem: Dauer eines Tages schwankt unvorhersehbar (±4ms)

I (vermutete) UrsachenI Gezeitenreibung durch Gravitation des Mondes (Mond

steht bereits still!)I Strömungen im Erdmantel

I als Basis für präzise Definition der Zeit ungeeignetI → Ephemeridenzeit, basierend auf Revolution Erde um

Sonne (ca. 50fach genauer)→ „Atomzeit“

32 / 57

Page 33: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Astronomische Maßstäbe: Universal Time

I UT0 („mittlere Sonnenzeit“): definiert durch Rotation derErde um sich selbst (Genauigkeit: ca. 0.1 s), direkt ausBeobachtung abgeleitet

I Lage der Drehachse der Erde schwankt leicht undperiodisch (p = 435d) (Abb. nächste Folie)→näherungsweise Korrektur von UT0:

UT1 = UT0− tanϕm · (x sinλm + y cosλm).

λm mittlere Länge des Beobachterstandpunktsϕm mittlere Breite des Beobachterstandpunkts

x , y Koordinaten des Pols

33 / 57

Page 34: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Polbewegung zwischen 2001 und 2005

(Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Polbewegung#/media/File:PolarMotion_2001_2005.png)

34 / 57

Page 35: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Fazit: Astronomische Maßstäbe

I UT1 korrigiert UT0 um Schwankung der DrehachseI UT2 korrigiert UT1 Variabilität der Erdrotation infolge

(u. a. ) GezeitenreibungI Erdrotation verlangsamt sich momentan etwa um 2 · 10−10

im Jahr, jedoch nicht linearI Länge eines Tages differiert um etwa 1.5 · 10−9 (Tag zu

Tag, Jahr zu Jahr)I d. h. , alle UTx variieren verhältnismäßig stark→ als

Zeitbasis zur hochgenauen Definition der Sekundeungeeignet

35 / 57

Page 36: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

SI-Sekunde

Lösung: Definition der Sekunde unabhängig vonastronomischen Phänomenen.

Definition (1967): „Eine Sekunde ist das 9.192.631.770facheder Periodendauer, der dem Übergang zwischen den beidenHyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes von Atomen desNuklids 133Cs entsprechenden Strahlung.“

36 / 57

Page 37: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Internationale Atomzeit TAI

I Temps Atomique International aka „Atomzeit“I fortlaufender, chronoskopischer Zeitmaßstab (keine

Diskontinuitäten)I Basis: 230 über die Erde verteilte AtomuhrenI zentral ermittelt am Bureau International des Poids et

Mesures in Paris (BIPM)I Ermittlung dauert etwa einen Monat (!)I Grundlage für die gesetzliche Weltzeit UTC (siehe unten)I Problem: astronomische Phänomene (und damit UT1 &

Co.) verschieben sich allmählich zeitlich Synchronisation nötig→ UTC

37 / 57

Page 38: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Koordinierte Weltzeit UTC

I engl. Universal Coordinated TimeI Basis der gesetzlichen ZeitI abgeleitet aus TAI: durch Einfügung sog. leap seconds an

(astronomische) Erdzeit UT1 angepaßtI Einfügung einer Sekunde erfolgt etwa einmal pro Jahr,

festgelegt durch International Earth Rotation Service(IERS)

I UTC und UT1 weichen nie mehr als 0.9s voneinanderab

I modifiziert durch 24 Zeitzonen,Sommer-/Winterzeit-Festlegungen

I ⇒ nicht chronoskopischI per definitionem: TAI und UTC am 1.Januar 1958

identischer Wert

38 / 57

Page 39: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Koordinierte Weltzeit UTC

I TAI-UTC=31 Sekunden (1997)I Berechnung wie TAI am BIPM, dauert etwa einen MonatI aktuelle UTC wird „geschätzt“, und zwar von den

genauesten Atomuhren der Welt: UTC(k), k ∈ {NIST, PTB,. . . }

Aussendung der UTC in Deutschland/Europa überLangwellensender DCF77 der Physikalisch-TechnischenBundesanstalt (PTB).I Sendefrequenz 77.5 kHzI Reichweite: etwa 2000 kmI Empfang: drahtlos (Funkwecker), Analog-Modem, NTP

39 / 57

Page 40: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Uhrensynchronisation

Die Existenz der Gangabweichungsrate ρ bedingt dieNotwendigkeit der Synchronisation jeder Uhr.

2 Formen:I externe S.: Abgleich der Systemuhr(en) mit einer (als ideal

angenommenen) externen Referenzuhr (z.B. Zeitserver)I interne S.: „Einigung“ aller Systemuhren auf einen

gemeinsamen Wert ohne externe Referenz

40 / 57

Page 41: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Resynchronisierungsintervall

Um die Gangdifferenz zu beschränken, muß periodischsynchronisiert werden. Die maximal geduldete Differenz azweier betrachteter Uhren determiniert die Größe dessogenannten Resynchronisierungsintervalls tsync . Diese beträgt

I bei externer Synchronisationaρ

Zeiteinheiten und

I bei interner Synchronisationa2ρ

Zeiteinheiten (beide

beteiligten Uhren sollen eine maximaleGangabweichungsrate von ρ aufweisen).

41 / 57

Page 42: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Wertverlauf einer extern synchronisierten Uhr

t

t

uhrReferenz−

Resynchronisierungs−intervall

synchronisierte Uhr

Toleranzbereichohne Synchronisation

Toleranzbereichmit Synchronisation

de Uhrzu messen−

ideal

42 / 57

Page 43: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Zentrale vs. dezentrale Synchronisation

Unterscheidung vonI zentralen (ein verantwortlicher Server) undI dezentralen (alle Teilnehmer gleichberechtigt)

Synchronisationsverfahren.

Fehlertoleranz Datenaufkommen

zentral schlecht gering

dezentral gut sehr hoch

Tabelle: zentrale vs. dezentrale Synchronisation

43 / 57

Page 44: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Korrektur der Uhr

I Keine Zeitsprünge undI keine Verletzungen der Kausalität (d. h. nicht

zurückstellen),

da bestimmte Aktivitäten im System an absolute Zeitpunktegeknüpft sind (Beispiele: make-Utility, Abschuss einer Rakete,. . . ).Stattdessen: Zeittakt des Clients bis zur Angleichungbeschleunigen bzw. verlangsamen (↑ HA)

44 / 57

Page 45: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Probabilistische UhrensynchronisationGrundidee

1. Client C schickt Anfrage an Server S („time=?“).2. S ermittelt beim Empfang seine Zeit tS und schickt diese

an C.3. C empfängt die Nachricht und stellt seine Uhr auf tS.

C St0 Time=?

tS

Time=tS

t1 CS(t1)

45 / 57

Page 46: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Probabilistische UhrensynchronisationNäherungsweise Kompensation der Nachrichtenlaufzeit

Problem:

I tS ist nicht präzise; während der Nachrichtenübertragung ist Uhrweitergelaufen

I es ist prinzipiell unmöglich, die Laufzeit der Nachricht exakt zubestimmen, da die Uhren von C und S nicht exakt synchronisiertsind, d. h. CS(t1) ist für C nicht bestimmbar

I probabilistisches Intervall für CS(t1) angebbar3:

CS(t1) ∈{

tS + tmin(1− ρ) , tS + 2D(1 + 2ρ)− tmin(1 + ρ)}

I D = t1−t02 , durch C gemessene halbe Roundtripzeit

I tmin – minimale Nachrichtenlaufzeit

I ρ – Ganggenauigkeit der Uhren von C und S

3Flaviu Cristian. “Probabilistic clock synchronization”. In: Distributed Computing 3.3 (1989), S. 146–158.46 / 57

Page 47: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Probabilistische UhrensynchronisationAnmerkungen

I Uhr von C wird auf die Mitte des Intervalls gesetzt (umpotentiellen Fehler zu minimieren):

CCS (tS,D) = tS + D(1 + 2ρ)− ρtmin

I Intervall wird umso kleiner ( umso genauer kann Uhr vonC gestellt werden)

I je kleiner ρ,I je näher D an tmin

I → mehrere Anfragen (und Antworten); diejenige mitminimalem D wird genutzt

47 / 57

Page 48: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Probabilistische UhrensynchronisationVereinfachung

I bei vernachlässigbarer Drift ρ der beteiligten Uhrenvereinfacht sich das Intervall für CS(t1):

CS(t1) ∈{

tS + tmin , tS + 2D − tmin

}I Länge des Intervalls wird zu l = 2D − 2tmin

I C setzt seine Uhr beim Empfang der Nachricht auf

CCS (tS,D) = tS + D

I maximal möglicher Fehler der zu stellenden Uhr ist dannD − tmin

48 / 57

Page 49: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Berkeley-Algorithmus (1989)4

Zentralisierter Algorithmus mit aktivem Server. Server hat keinegenaue Zeitbasis! (Ursprung: 4.3 BSD UNIX)I Zeitserver (time daemon) übermittelt periodisch seine Zeit

an alle ClientsI diese errechnen Differenz zu ihren lokalen ZeitenI Differenzen werden an Zeitserver zurückgesandtI Zeitserver mittelt Differenzen und bildet Korrekturwerte für

jeden Client (und sich selbst)I Korrekturwerte werden an Clients übertragenI Clients beschleunigen bzw. verzögern lokale Uhren, bis

Korrekturwerte eingestelltI bei Ausfall des Servers kann ein anderer Knoten die Rolle

übernehmen (per Election)

4Riccardo Gusella und Stefano Zatti. “The Accuracy of the Clock Synchronization Achieved by TEMPO inBerkeley UNIX 4.3BSD”. In: IEEE Transactions on Software Engineering 15.7 (Juli 1989), S. 847–853.

49 / 57

Page 50: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Berkeley-Algorithmus: Beispiel

12:00 11:55 12:08

A)

12:00

12:00

12:00 11:55 12:08

Zeit−server

B)

−5

+8

+−0

C)

+1

12:01

+6

−7

12:01 12:01

50 / 57

Page 51: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Dezentrale Mittelwertbildung

Dezentraler Algorithmus, kein Server.I Einteilung der Zeit in fixe Resynchronisierungsintervalle,

Dauer R =(

a2ρ

)I Uhren aller Systeme haben gleichen Wert zu T0

I → i-tes Intervall = {T0 + iR,T0 + (i + 1)R}

T0 +iRT0 T0 T0 +(i+1)RT0

R

t

+R +2R

Abbildung: Verfahren der Dezentralen Mittelwertbildung

51 / 57

Page 52: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Dezentrale Mittelwertbildung: Prinzip

I zu Beginn jedes Intervalls Broadcasting der eigenenUhrzeit (nicht wirklich gleichzeitig, da Uhren differieren)

I Empfang der Uhrzeiten in einer definierten Zeitspannea) einfache Mittelwertbildungb) Mittelung unter Ausschluß der m größten und m kleinsten

Werte (Fehlersicherheit gegenüber maximal m fehlerhaftenUhren)

c) Einbeziehung der Nachrichtenlaufzeit, wenn ermittelbarI Angleichung der eigenen Uhr an errechneten Mittelwert

52 / 57

Page 53: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Unterstützung in RechensystemenHardware

Timer zur periodischen Unterbrechung, abgeleitet ausTaktfrequenz des Rechners, z. B.I Intel 8254 “programmable Interrupt Timer”

(PC)I 2 On-Chip-Timer im DSP TMS320C6x

CMOS-Uhr “Real-Time-Clock” (RTC) im PC, enthält Batterie,Quarz und notwendige Beschaltung, mäßigeGanggenauigkeit, z. B.I z. B. Dallas DS12887

Einsteckkarte mit eigenem DCF-77-Empfänger oderGPS-Empfänger

Register z.B. Time Stamp Counter (TSC) im Intel Pentium,inkrementiert mit Taktfrequenz

Watchdog zur Überwachung der korrekten Prozessorfunktionin sensitiven Applikationen

53 / 57

Page 54: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Unterstützung in RechensystemenBetriebssystem-Dienste

I Betriebssysteme etablieren i.a. eine Approximation dergültigen Weltzeit

I konkrete Schnittstelle abhängig vom Betriebssystem

Typische zeitbehaftete Funktionen und Kommandos einesUNIX-Systems sind:I Ermittlung der aktuellen (Welt-)zeit: date, time()I Umwandlung interne Darstellung in lesbare (ASCII)-Form:ctime(), asctime()

I Berechnungen mit Zeitangaben: difftime()(Zeitdifferenzen)

I Korrektur der Rechnerzeit: automatisch durch ntpd, date,wenn Uhr völlig nach Mond geht

54 / 57

Page 55: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Unterstützung in RechensystemenBetriebssystem-Dienste II

I getimte Abarbeitung: Dienst cron (stündliche, tägliche undwöchentliche Verrichtungen), at-Kommando

I Verzögerung um bestimmte Dauer (sleep(),usleep(), nanosleep())

I periodische Aktivierung bzw. Signalisierung(getitimer(), setitimer())

I Zeitstempel für persistente Objekte (z.B. Dateien – letzterZugriff, letzte Modifikation, letzte Statusänderung –Ermittlung mittels stat())

55 / 57

Page 56: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Zusammenfassung: Was haben wir gelernt?

1. Zeitbegriff2. Uhren: Typen, Historie, Parameter, Gütekriterien3. Zeitstandards4. (einfache) Verfahren zur Synchronisation

56 / 57

Page 57: Vorlesung Echtzeitsysteme - Thema 2: Zeitrobge/ezs/vl/ezs-02-zeit.pdf · Zeit aus Sicht des Mathematikers Reduktion: Zeit ist eine Menge M von diskreten, unterscheidbaren Zeitpunkten,

Vertiefende Literatur

� David W. Allan, Neil Ashby und Clifford C. Hodge. TheScience of Timekeeping. Techn. Ber. AN 1289. AgilentTechnologies, 2000

� David L. Mills. Computer Network Time Synchronization.CRC Press, 2006

� Dennis D. McCarthy und P. Kenneth Seidelmann. TIME –From Earth Rotation to Atomic Physics. Wiley, 2009

� F. G. Major. The Quantum Beat. 2. Aufl. Springer, 2007

57 / 57