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http://www.auszeit-asien.com Seite - 1 Marco Gerhold [email protected] http://www.marcogerhold.com http://www.auszeit-asien.com Text & Fotos von Marco Gerhold. Dieser Bericht inklusive aller darin enthaltenen Fotos ist © urheberrechtlich geschützt. Bei Interesse diesen Bericht zu publizieren, kontaktieren Sie mich bitte per E-Mail. HINWEIS: Die hier verwendeten Digitalbilder wurden stark verkleinert und liegen für eine Veröffentlichung im Original in hoher Auflösung vor. Vulkanbesteigung in Sumatra-Indonesien Mai 2013 Im Herz der idyllischen fruchtbaren Hochebene von Nord-Sumatra, nicht weit vom Äquator, warten zwei aktive Vulkane auf ihre Besteigung. Der Gunung Sibayak (2040m) und sein höherer Bruder Gunung Sinabung (2400m) sind beide in den letzten Jahren ausgebrochen.

Vulkanbesteigung Gunung Sinabung Sibayak Indonesien Mai 2013 - Fotoreportage

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http://www.auszeit-asien.comFotoreportage Vulkanbesteigung in Sumatra-IndonesienMai 2013Im Herz der idyllischen fruchtbaren Hochebene von Nord-Sumatra,nicht weit vom Äquator, warten zwei aktive Vulkane auf ihre Besteigung.Der Gunung Sibayak (2040m) und sein höherer BruderGunung Sinabung (2400m) sind beide in den letzten Jahren ausgebrochen.Marco [email protected] & Fotos von Marco Gerhold.Dieser Bericht inklusive aller darin enthaltenen Fotos ist © urheberrechtlich geschützt.Bei Interesse diesen Bericht zu publizieren, kontaktieren Sie mich bitte per E-Mail.HINWEIS: Die hier verwendeten Digitalbilder wurden stark verkleinert und liegen für eine Veröffentlichung im Original in hoher Auflösung vor.

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Marco Gerhold [email protected] http://www.marcogerhold.com http://www.auszeit-asien.com

Text & Fotos von Marco Gerhold.

Dieser Bericht inklusive aller darin enthaltenen Fotos ist © urheberrechtlich geschützt.

Bei Interesse diesen Bericht zu publizieren, kontaktieren Sie mich bitte per E-Mail.

HINWEIS: Die hier verwendeten Digitalbilder wurden stark verkleinert und liegen für eine Veröffentlichung im Original in hoher Auflösung vor.

Vulkanbesteigung in Sumatra-Indonesien Mai 2013

Im Herz der idyllischen fruchtbaren Hochebene von Nord-Sumatra, nicht weit vom Äquator, warten zwei aktive Vulkane auf ihre Besteigung.

Der Gunung Sibayak (2040m) und sein höherer Bruder Gunung Sinabung (2400m) sind beide in den letzten Jahren

ausgebrochen.

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Von Singapur fliegen ich (Marco) und meine Partnerin Ulla nach Medan, der Hauptstadt von Sumatra-Indonesien. Wir verlassen aber auch das Paradebeispiel aller asiatischen Großstädte was Genauigkeit, Korrektheit, Wohlstand, Ordnung und Sauberkeit anbetrifft und reisen in ein Land, das mit dem kompletten Gegenteil besticht. Ein internationaler Flughafen ist wie eine Art Aushängeschild eines Landes. Er verkörpert die Lebensart und Kultur der dort lebenden heimischen Bevölkerung. Am Puliman Airport, der mitten im Zentrum von Medan liegt, glänzen die Indonesier mit vielem. Zum Beispiel mit veralteter, nicht funktionierender Technik wie dem vermutlich nicht so wichtigen Einreise-Computersystem. Er besticht mit größtmöglicher Effizienz bei der Einreiseabwicklung, weil die Grenzbeamten bei ankommenden Ausländern ihren kontrollierenden Blick nur auf die bezahlten Visagebühren anstatt auf die Personalien werfen. Er imponiert durch die persönlich von Angestellten durchgeführte Tohuwabohu-Gepäckausgabe, weil das einzige Förderband nicht funktioniert. Während Taxifahrer und Kleinkramverkäufer von allen Seiten auf uns einreden, bahnen wir uns einen Weg durch den Kofferhaufen in der Ankunftshalle. Und doch sollte der Flughafen das Geordnetste bleiben, was wir im Chaos versinkenden Medan kennenlernen. Die von Abgasen geschwängerte stickige Luft, das lebensbedrohlich regelfreie Verkehrsaufkommen, der Schmutz und Dreck sowie das Fehlen sämtlicher öffentlicher Einrichtungen veranlasst uns zur schnellen Flucht. Nach nur einem Nachmittag und einer Nacht verlassen wir die drittgrößte Stadt von Indonesien. In unserem wenige Stunden dauernden Aufenthalt waren unsere Nerven durch die ständige Reizüberflutung bis zum Bersten gespannt! So sehr, dass ich es nicht einmal fertig brachte auch nur ein einziges aussagekräftiges Foto zu schießen. Weshalb sollten wir unsere Zeit an Orten verbringen die uns absolut missfallen? Wenn wir als Reisende über ein wertvolles Gut verfügen, dann über die großzügige Freiheit nicht an einen Platz gebunden zu sein und jederzeit in schönere Gebiete aufbrechen zu können. Warum hier bleiben, wenn doch die auf weit über 1000 Höhenmeter liegende Hochlandregion mitsamt seinen Naturphänomenen nur einen Katzensprung südlich in den Bergen liegt? Mit einem Taxi lassen wir uns zur Busstation chauffieren, die in Wahrheit nur aus dem öffentlichen Bürgersteig vor einem verloderten Wirtshaus mitten im Slumgebiet von Medan besteht. Ein Viertel der Stadtbevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. In diesem Stadtteil werden wir Zeuge vom Leben der Ärmsten. Kinderarbeit und menschenfeindliche Lebensbedingungen, die bis zum Himmel stinken, sind hier Gang und Gebe. Ich frage mich ob wir gestern wirklich in Indonesien und nicht in Delhi, Mumbai oder Kalkutta gelandet sind. Die handgepinselte Aufschrift “Borno Transport Company Medan“ in schwarzen Lettern auf dem Bus nimmt mir schnell die letzten Zweifel über unseren Aufenthaltsort. Mit dem bunt bemalten, steinhart gefederten und somit wirbelsäulen-unfreundlichen Diesel-Sammelbus aus dem Jahre Schnee lassen wir uns in das 70km entfernte Berastagi im Süden bringen. Unser Fahrer steht vom ersten Moment an unter Starkstrom. Im Lauf der Kamikazefahrt, die er veranstaltet - als ob der Teufel höchstpersönlich hinter uns her wäre - fabriziert er beinahe zwei Frontalcrash und einen Ausritt über eine Böschung in den Abgrund. Das Gefährt wird so voll gestopft mit Menschen und Material das diejenigen, die keinen Platz mehr finden, außen am Türrahmen hängen. Als wir uns dem Tod durch Ersticken und Erdrücken nahe fühlen, steigt noch eine halbe Schulklasse ein und zwickt ihre kleinen Körper in die letzten freien Ritzen. Wir versuchen, wie die einheimischen, gelassen zu bleiben und die Fahrt mit einem leichten Lächeln hinter uns zu bringen. Über 6 Monate sind wir jetzt schon Low-Budget durch Südostasien gereist. Haben Thailand, Laos, Kambodscha, Malaysia und Borneo auf einfachste Weise bereist. Diese (über-)lebensgefährlichen Zustände sind allerdings auch für uns absolutes Neuland und gewöhnungsbedürftig. Nach drei Stunden steigen wir erleichtert an unserem Zielort aus dem Bus. Endlich haben wir wieder Luft zum Atmen und Platz um die Gliedmaßen von uns zu strecken. Indonesien wirkt auf uns, obwohl im Westen als aufstrebende Industrienation im gleichen Atemzug mit China und Brasilien genannt, als das Land mit der größten Not und Armut unserer bisherigen Reise. Aber auch mit den offensten, freundlichsten und liebenswertesten Menschen, die immer ein Lächeln in ihre schönen dunkelhäutigen Gesichter für uns zaubern.

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Nach Berastagi sind wir gekommen wegen dem kühlen Hochlandklima, liegt es doch auf 1300 Seemeter. Es soll uns aber auch als Stützpunkt dienen, um zwei aktive Vulkane zu besteigen. Den ersten Gipfel des 2040m hohen Gunung Sibayak erobern wir in 6 Stunden und Alleinregie. Obwohl an allen Ecken und Enden mehrfach und eindringlich davon abgeraten wird. Ein Guide sei unbedingt erforderlich - viele Tote, Verirrte und Verschollene soll der Sibayak schon gefordert haben. Auf dem unmarkierten Weg und an vielen Wegkreuzungen ist ein Verlaufen tatsächlich mehrfach möglich. Doch mit vielen erfragten Wegbeschreibungen der Einheimischen und etwas allgemeiner Kenntnis der Berge stellt die Besteigung für uns kein Problem dar. Auf Anhieb finden wir den richtigen Weg bis zum Kraterrand, wo heiße Dampfwolken aus den großen Steinblöcken unter lautem Getöse ins Freie treten. An den Austrittsöffnungen sind die sonst so grauen Felsbrocken in grellen, gelben Farbtönen gezeichnet. Wir tanzen leichtfüßig auf einer unwirklichen Mondlandschaft, die mit ihrem charakteristischen Geruch und dem Steinmeer für uns eine besondere Augenweide darstellt. Austretende Gase am Gipfelkrater des Gunung Sibayak In schnellem Schritt über das Gipfelplateau zum Krater

Bei Aran, einem Tourguide und Angehörigen, des hier heimischen Batak-Toba Stammes, den wir am Gipfel des Gunung Sibayak kennenlernten, sitzen wir einen Tag später bei einem Kaffee in seinem Wohnzimmer am Ortsrand von Berastagi. Der alleinreisende Jan, ein etwas älterer Herr aus Holland, ist ebenfalls anwesend. Wir machen kurzerhand gemeinsame Sache und buchen für die Besteigung des zweiten Vulkans, den weitaus schwierigeren und anspruchsvolleren 2400m hohen Gunung Sinabung, über Aran einen Guide. Er vermittelt uns seinen Freund und Stammeskollegen Polo. Pünktlich um 7 Uhr holen uns der Holländer mitsamt Guide am Eingangstor unseres Guesthouses ab. Polo ist ein kleinwüchsiger Mann, mit leicht schütterem Haar, runden Backen und einem ruhigen Gemüt - ein freundlicher Kerl. Er ist kein Guide in dem Sinn, wie man sich einen Tourführer vorstellen würde. Er hat weder eine spezielle Ausbildung oder Ausrüstung mit, ja er kann nicht einmal einen Erste-Hilfe-Kurs oder ein Handy für den Notfall vorweisen. Aber er ist in dieser bergigen Region aufgewachsen und kennt sie wie seine Hosentasche. Schon als kleiner Junge ist er auf unserem Zielgipfel herumgeturnt. Obendrein besitzt der eigentliche Hühnerzüchter und Kleinbauer etwas was seine geringe Gage (12€ pro Person inklusive Transport) rechtfertigt: Er kennt den besten, sichersten und schnellsten Weg der vielen unbeschilderten, sich im Dschungel verlierenden, Steige. Außerdem hat er Kenntnisse über die hiesige Tier- und Pflanzenwelt. Sein durchaus gutes, sich selbst beigebrachtes Englisch – dem Internet sei Dank – werde ich den langen Tag über

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nutzen um ihn mit Fragen über seine Stammeskultur, das (Über-)Leben in Indonesien und den Dschungel zu löchern. Am Marktplatz besteigen wir ein Ojek (=Sammeltaxi). Wir teilen es uns mit Schulkindern, Feldarbeitern, Saatgut, Erntekörben, Rechen und Schaufeln. Am Weg zur Arbeit tauschen schon in den Morgenstunden die Frauen unter lautem Gelächter den neuesten Dorfklatsch und -tratsch aus. Mir kommt das Bild von grimmig dreinblickenden, stummen Fahrgästen in Bus und Straßenbahn aus der Heimat in den Sinn. Wie verschieden doch die Tagesbeginne in West und Ost aussehen. 30km und 45 Minuten Fahrt sind es bis zum Start unserer Tour am kleinen Süßwassersee namens Tawar. Der Himmel ist in den Morgenstunden noch klar und die Fernsicht ungetrübt. Zwischen Feldern und Bäumen hindurch erhaschen wir hin und wieder einen Blick, durch die trüb-milchigen Busfenster, auf unser prachtvoll in den Himmel ragendes Ziel. Bevor wir den eigentlichen Beginn der Bergroute im Dschungel erreichen, müssen wir durch bunte Gemüseplantagen die halbe Talseite durchqueren. Bauern bewirtschaften mit einfachsten Methoden, ohne Maschinen und nur in Handarbeit ihre Felder. Einmal überholen wir eine Kleinfamilie, die sich auf einem altertümlichen, von einem schnaufenden Wasserbüffel gezogenen, Holzkarren einen erdigen Anstieg hochziehen lässt. Wir durchwandern eine Gegend, die das Gefühl einer ländlichen Idylle vor 50 Jahren verströmt. Die Menschen singen und tanzen bei der harten Arbeit. Büffel und Pferde grasen abseits der Felder und laben sich für ihren kräftezehrenden Feldeinsatz. Dazwischen gackern Hühner auf Körnersuche.

Am Marktplatz warten die Ojeks (=Sammeltaxis) auf Fahrgäste

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Der Gunung Sinabung (2400m) mit Rauchwolke in seiner ganzen Pracht und Herrlichkeit

Mit einfachsten Fortbewegungsmitteln machen sich die Bauern auf den Weg zu ihren Feldern

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Weil es die letzten Tage, wie typisch für den Monat April, stark geregnet hat, ist das Vorankommen auf den steil ansteigenden Dschungelpfaden durch den tiefen Matsch erschwert und geht von Anfang an unsere Kraftsubstanz. Manchmal ist es so steil und schmierig, dass wir ohne Greifen und zu Hilfe nehmen von Wurzeln, Steinen, Bäumen und Farnen nicht weiter kommen würden. Nach zwei Stunden erreichen wir ohne Vorzeichen ganz plötzlich das Ende der Baumgrenze. Ich drehe mich um und blicke zum ersten Mal über das tiefgrüne Tal unter uns. Unser Ausgangspunkt, der See Tawar, liegt zeitlos zu unseren Füßen und schimmert in tiefem dunkelblau. Unser Weitblick reicht bis zum vor zwei Tagen bestiegenen Gunung Sibayak. Eine gespenstische Stille verzaubert uns, kein unnatürliches Geräusch dringt in unsere Höhe empor. Nur unser schneller Atem und das Rascheln des Windes in den Sträuchern sind zu vernehmen. Eine tiefe Zufriedenheit nimmt von unseren Körpern besitz. Lächelnd blicken wir uns gegenseitig tief in die Augen. Wir haben erst einen kleinen Teil der heutigen Tour hinter uns gebracht, aber jeder Schritt bis hier her hat sich für diesen Ausblick bezahlt gemacht. Sprachlos tanken wir Wasser, schießen einige Fotos und weiter geht es.

Ausblick vom ersten Rastplatz auf den Lake Tawar Feiner Nebel taucht die Landschaft in eine Märchenkulisse Das Gelände ändert sich nach verlassen der Baumgrenze abrupt. Wir müssen vom Steig- in den Klettermodus wechseln. Ab hier geht es fast senkrecht, eine glitschig feuchte und von dunkelgrünem Moos überzogene steinige Regenrinne, die letzten 300 Höhenmeter steil bergauf. Würde einer von uns hier ausrutschen, er oder sie würde viele schmerzende Meter in den Abgrund rutschen. Während wir uns aufwärts kämpfen, ziehen stumm in atemberaubender Geschwindigkeit Nebelwolken den Hang hinauf. Die gesamte Umgebung wird in eine weiß-graue Märchenlandschaft getaucht. Jan, der noch eine Woche zuvor mit Fieber im Bett gelegen hat, plagen erste Krämpfe in den Waden und allgemeine Ermüdungserscheinungen. Aus allen Poren tropft ihm der Schweiß. Sein Puls rast und seine Kleidung ist bereits nass geschwitzt. Er benötigt viel mehr Flüssigkeit, als er berechnet und mitgenommen hat.

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Schließlich erreichen wir nach 3,5 Stunden überglücklich das Gipfelplateau am Kraterrand. Starke schwefelartige Geruchsfahnen ziehen durch unsere Nasen. Der Vulkan ist immer noch aktiv und zuletzt hat er seine Lava und Asche vor 3 Jahren (2010) über 5km in den Himmel gespieen. Das Tal musste 3 Wochen lang evakuiert werden. Unaufhörlich hat es Steine vom Himmel geregnet. Felder und Unterkünfte der Bewohner wurden stark in Mitleidenschaft gezogen. Ein viele Meter breiter, erstarrter Lavafluss, der mehrere Kilometer bis ins Tal reicht zeugt vom letzten energischen Ausbruch des Riesen. Seither gibt er Ruhe und begnügt sich damit rauchende Gaswolken aus seinem Innersten in die Atmosphäre zu blasen. An den Austrittsstellen überzeugen wir uns von der Hitze, die tief in unserer Mutter Erde schlummert. Die Steine sind so heiß, dass wir darauf ein Spiegelei braten könnten. Wir balancieren am Kraterrand, wo die bröselige Steinwand senkrecht viele Meter tief in das Loch abfällt. Ganz wohl ist uns auf der losen Kante nicht. Schnell treten wir nach einem raschen Blick in die Tiefe den Rückzug an. An einer sicheren Stelle machen wir Rast und jausnen. Jan ist völlig fertig und muss seine schweren Beine hochlagern. Schon jetzt ist klar, dass er sich mit dieser Tour übernommen hat.

Das Gipfelplateau am senkrecht abfallenden Rand des Kraters Gunung Sinabung

Unser holländischer Bergkamerad Jan bei der Gipfelrast

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Mittlerweile ist es Mittag und Regenwolken bauen sich auf und ziehen bedrohlich auf uns zu. Die ersten Vorläufer bleiben bereits am Gipfel hängen und hüllen uns in einen dichten Nebel ein. Die Sicht beträgt nur mehr 20 Meter. Die Fernsicht gleich Null. Wir spüren förmlich das herankommende Schlechtwetter. Nach einer kurzen Beratung mit Polo stimmt er mir zu, so schnell wie möglich mit dem Abstieg zu beginnen. Er führt mich alleine noch schnell zur anderen Seite des Kraters. Ulla und Jan wollen nur mehr die nötigsten Schritte tun um Kraft zu sparen. Ihnen steckt der Aufstieg schon stark genug in den Gliedern. Am gegenüberliegenden Rand kann ich noch besser die massive Energie spüren, die an diesem magischen Platz schlummert. Es fasziniert mich wie unbändig doch die Natur ist und mit welcher Kraft sie strotzt. Nie und nimmer werden wir Menschen die Natur kontrollieren können. Wir schaffen es ja nicht einmal uns selbst in den Griff zu bekommen. So beginnen wir, mit dem Regen im Rücken, den Abstieg über die felsigere Ostseite. Er wäre kein Begleiter, den wir uns wünschen würden. Der Weg ins Tal führt durch eine schmale, noch steilere Regenrinne, den Berg hinab. Auf dem, mit losem Geröll gespickten, Abstiegspfad sind wir bei guten Bedingungen schon mehr als genug Sturz gefährdet. Auch dem trittsicheren Polo und mir rutschen immer wieder die Füße weg. Würde es jetzt auch noch regnen, müssten wir auf allen Vieren durch einen sich bildenden reißenden Bach ins Tal robben.

Schlechte Sicht beim Abstieg, unser Guide Polo geht vor

Das Hinunterkommen auf allen Vieren übernimmt auch ohne Nasswetter Jan, der immer schwächer wird. Ungezählt oft fällt er hin, verliert das Gleichgewicht und landet in den Büschen. Er kann sich nicht mehr sicher auf den Beinen halten – mehrmals rutscht er die Rinne am Allerwertesten hinab. Sein Kopf ist knallrot, er spricht kaum noch und torkelt Meter um Meter in die Tiefe. Seinen Wasservorrat hat er schon zur Gänze aufgebraucht. Gut, dass ich immer eine Flasche mehr als voraussichtlich benötigt, dabei habe. Ich kürze kurzerhand die restliche Ration von Ulla und mir und helfe ihm aus. Er benötigt dringend Flüssigkeit. Polo geht als Ortskundiger im dichten Nebel als erster voraus, Ulla ist ihm als Zweite dicht auf den Fersen. Ich lasse mich absichtlich hinter unseren holländischen Vulkan-Kameraden zurückfallen. Nichts würde ihn jetzt mehr demotivieren, als wenn er auch noch das Gefühl bekäme im schwindenden Kraftzustand hinter uns herhasten zu müssen.

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Mehrmals zwinge ich ihn zu Rast- und Trinkpausen. Schwindle, dass wir den Großteil des Abstieges schon geschafft hätten. Prophezeie, dass es nicht mehr weit ist bis zum rettenden, flachen Dschungel, wo der Weg deutlich einfacher für ihn wird. Ich prahle mit meinem ganz feinen Gehör, mit dem ich schon die unten fahrenden Autos und Mopeds wahrnehme. Ich lüge, dass sich die Balken biegen. Erfinde, nur um ihm ein baldiges Ende seines Leidens in Aussicht zu stellen. Ich will ihm Mut machen, nochmals seine letzten Kraftreserven anzuzapfen und zu mobilisieren. Unter diesen Umständen kommen wir natürlich nicht schnell genug voran, eher im Schneckentempo. Doch als passionierter Bergsteiger folge ich einigen ungeschriebenen Regeln. Keiner wird zurückgelassen. Der Stärkere kümmert sich um die Schwächeren. Alle sollen zusammen die Tour gemeinsam und gesund beenden. Physisch wie psychisch versuche ich Jan zu unterstützen, so gut es mir eben möglich ist. Dabei bete ich zu den Berggöttern um Himmels Willen kein - die Situation um ein vielfaches verschlimmerndes - Regenwetter zu schicken. Wie durch ein Wunder hat die Natur Erbarmen mit uns. Der Wind dreht, die Wolken ziehen ab und die Sonne kommt hervor. Jetzt macht es mir gar nichts mehr aus, dass wir nur sehr langsam vorankommen. Jan kann sich mehr auf seine Schritte konzentrieren und kommt wieder zu Kräften. Ich nutze die Gelegenheit und schwelge im phantastischen Weitblick über das fruchtbare Land das 1000 luftige Höhenmeter unter uns liegt. Wie kleine Mosaike liegen die rechteckigen Äcker dicht aneinander gereiht, so weit das Auge reicht.

Der Himmel reißt auf und gibt die Sicht auf das fruchtbare Hochland-Tal frei

Durch den letzten Ausbruch ist auf dieser Seite des Vulkans sämtliche Vegetation abgestorben. Zwischen den trockenen Zweigen suchen sich aber schon neue blühende Sträucher ihren Weg ans Tageslicht. Berauscht von der Unnachgiebigkeit und schöpferischen Kraft der Natur nutze ich die Gelegenheit und schieße dutzende Fotos der noch jungen, in allen Farben blühenden Blütenpracht.

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Blütenpracht abseits des Abstiegsweges

So schaffen wir es langsam, stetig, aber doch sicher bis zum Beginn des Dschungels. Dort, schon nahe dem rettenden Tal, schnitzt unser Batak-Guide für Jan einen Gehstock zurecht. Auf wackeligen Beinen muss er noch eine weitere Stunde über saftige Tomatenfelder hinter sich bringen bis wir eine weitere Stunde später mitten im Dorf stehen. Der abgekämpfte Holländer strahlt genauso wie Ulla von einem Ohr zum anderen. Sie freuen sich über die erbrachte Leistung, den guten Ausgang und das besondere Erlebnis “Vulkan Gunung Sinabung“. Ich wünsche beiden ein frohes “Berg-Heil“. Auch unserem einheimischen Freund Polo steht die Erleichterung, gut ins Tal gekommen zu sein, ins Gesicht geschrieben. Ehe wir uns versehen und noch mehr schaulustige Dorfbewohner anlocken, kommt auch schon das richtige Ojek in einer Staubwolke die Landstraße entlang gerast. Ein kurzes Handzeichen genügt und der Fahrer bremst sein Gefährt ab. Gemeinsam mit den Bäuerinnen, die ihre Tagschicht beenden, rollen wir überglücklich und durchschwitzt zurück zu unserer Basisstation – dem Bergdorf Berastagi im Herzen von Nord-Sumatra-Indonesien.

Wie schön es doch ist gemeinsam auf abwegigen Pfaden die wilde Schönheit der Natur zu erleben. Vereint füreinander da zu sein, gemeinsam füreinander zu sorgen. Einer für alle – alle für Einen. So sollte es nicht nur bei einer Vulkanbesteigung, oder wenn sich Fremde auf Reisen begegnen, sein. Dieser Grundsatz sollte, meiner vielleicht utopischen Vorstellung nach, generell im Leben unter Menschen gelten.

Dieser Bericht entstand während

einer 9-Monate-Auszeit in Südostasien.

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