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Wanderer zwischen drei Ewigkeiten

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  • Wanderer zwischen drei EwigkeitenTERRA - Utopische Romane

    Band 137

    von CLARK DALTON

  • 3 TERRA

  • Wanderer zwischen drei Ewigkeiten 4

    I. Teil

    Das Raumschiff stand kurz vor der letzten Transiti-on.

    Wie immer erfllten in solchen Augenblicken span-nende Erwartung und verhaltene Erregung die Mann-schaft, denn es gab keine hundertprozentige Garantiefr das Gelingen eines Raumsprunges. Oft schon wareins der interstellaren Schiffe auf die. Reise gegan-gen und niemals zurckgekehrt. Natrlich, allzu hu-fig kam das nicht vor, aber es passierte eben doch.

    Kommandant Maxwell verbarg seine Nervosittnicht.

    Was meinen Sie, Gnter, ob es klappen wird?

    Der Erste Offizier der FORTUNA, ein noch jungerMann mit glattem, dunklem Haar, zuckte die Achseln.

    Warum nicht, Captain? Bisher hat die FORTUNAalle Raumsprnge ausgezeichnet durchgefhrt, unddie Anlage versagte nicht ein einziges Mal. Ich w-te nicht, warum es ausgerechnet diesmal, wo die Erdedirekt vor uns liegt, nicht klappen sollte.

    Der Kommandant sah ihn schrg von der Seite an,als wolle er sich davon berzeugen, da Gnter auchdas sagte, was er wirklich glaubte.

    Nun, das drfte ein wenig bertrieben sein. Im-merhin betrgt die Entfernung bis zum Sonnensystemnoch genau 150 Lichtjahre. Man htte Sie vor nochhundert Jahren gelyncht, wenn Sie das als einen Kat-zensprung bezeichnet htten.

    Gnter grinste schwach.

    So ndern sich die Zeiten Gott sei Dank! Heu-te sind wir in der glcklichen Lage, innerhalb wenigerSekunden Strecken von 200 Lichtjahren zurckzule-gen. Anders scheint es unvorstellbar.

    Maxwell grinste zurck.

    Wenn diese Sprnge eben gut verlaufen. Abermanchmal mache ich mir doch Gedanken darber, waswohl mit den Schiffen geschehen ist, die whrend ei-nes solchen Sprunges abhanden kamen. Sie sind ein-fach verschollen und tauchen niemals wieder auf. Dasscheint mir eins der groen Geheimnisse unserer Zeitzu sein. Man sollte versuchen, es zu lsen.

    Danke, ich verzichte! wehrte Gnter entsetzt ab,als habe man ihm den Vorschlag gemacht, sich alsVersuchskaninchen zur Verfgung zu stellen. Viel-leicht kehrt eins der verschollenen Schiffe einmal zu-rck und die Mannschaft berichtet, wo sie inzwischengewesen ist. Dann wten wir Bescheid.

    Der Kommandant des irdischen berwachungs-kreuzers warf einen schnellen Blick auf die selbst-leuchtende Instrumententafel, die eine ganze Wandder Zentrale ausfllte. Scheinbar beruhigte ihn das Er-gebnis seiner Kontrolle ungemein, denn er wandte sichaufatmend wieder an seinen Ersten Offizier.

    Wir haben noch einige Minuten Zeit, Gnter.Wirklich, ich begreife mich selbst nicht. Mindestens

    schon hundert Raumsprnge liegen hinter mir, abernoch niemals war ich so skeptisch wie dieses Mal.Woran mag das liegen?

    Gnter winkte ab.

    Purer Aberglaube, Captain, mehr nicht. Wir habeneine lange Reise hinter uns und statteten den einzel-nen Sttzpunkten der Raumflotte einen Besuch ab. Siekamen mit vielen Menschen zusammen und alle wa-ren froh, wieder mal ein neues Gesicht zu sehen. Eswurde viel erzhlt, und man erwhnte immer wiederdas Thema, das Sie nun so beunruhigt. In alten Zeitenverschwanden auch die Segelschiffe, die die Ozeaneder Erde berquerten, und niemals wieder hrte manvon ihnen. Wurde deshalb die Seefahrt aufgegeben?Na also, es konnte eben jedem passieren. Und genau-so ist es heute mit den Raumschiffen. Lediglich wis-sen wir, da diese Schiffe whrend des Raumsprungesverschwanden. Und genauso gut wissen wir auch, da200 Lichtjahre eine verdammte Strecke sind, wennman auf ihr ein Schiff suchen wollte. Vielleicht versagtder Antrieb whrend des Sprunges, und dann hngtman wohl irgendwo in der Mitte und kriecht mit ein-facher Lichtgeschwindigkeit seinem Ziel zu, das mannie erreichen kann. In einem solchen Fall wrde dannauch wohl die Zeitdilatation wirksam, die beim ein-fachen Sprung neutralisiert wird. Na, nun rechnen Siesich einmal selbst aus, wann und wo ein solches Schiffwohl auftauchen soll. Ich glaube fast, in der Hlle.

    Das war eine lange Rede fr Gnter. Er machte ei-ne unbestimmte Geste mit der Hand und setzte sieherschpft in einen Sessel, die dicht vor der gewalti-gen Sichtkuppel standen. Mit interessierten Blickenbetrachtete er die fremdartigen Sternkonstellationen,die in keiner Weise an das erinnerten, was er von derErde her gewohnt war.

    Maxwell seufzte.

    Ich sehe, auch Sie haben sich bereits Gedankendarber gemacht. Obwohl ich der Oberzeugung bin,den Zeitpunkt fr ein derartiges Gesprch schlecht ge-whlt zu haben, komme ich nicht davon los. Sie mei-nen also, die verschwundenen Schiffe befnden sichberall im All und flgen nun mit der einfachen Licht-geschwindigkeit, der Hchstgeschwindigkeit im ein-fachen Raum, auf die Erde zu? Nun, dann sind sie sogut wie verloren.

    Gnter ri sich von dem Anblick des Weltalls los.Ein wenig geistesabwesend begegnete er dem Blickdes Kommandanten.

    Das sind sie allerdings! Wenigstens bei diesen Ent-fernungen. Sicher, sie werden die Erde vielleicht er-reichen, aber nicht mehr die gleiche Erde, die sie ver-lieen. Wenn uns z. B. ein solches Malheur passierenwrde, 150 Lichtjahre von der Erde entfernt, wrdenwir diese in einem oder zwei Jahren erreichen. Aberinzwischen wren fast 150 Jahre vergangen. Was mei-nen Sie, was meine Braut dazu sagen wrde?

    Maxwell ging nicht weiter auf diese Bemerkung

  • 5 TERRA

    ein, da er weder eine Braut besa noch verheiratet war.Ihn interessierte etwas ganz anderes.

    Das kme einer Zeitreise gleich, mein lieber Gn-ter, einer Reise in die Zukunft. Nur schade, da mandann niemals mehr zurckkehren kann.

    Zu seiner berraschung faltete Gnter seine Hndezusammen und betrachtete ihn forschend, whrend erlangsam sagte:

    Ich mchte nicht behaupten, da eine solche Rck-kehr vllig ausgeschlossen ist. Wenn das eine mglichist, mu das andere es auch sein. Die einzige Fragescheint mir: wie ist sie mglich...?

    In dem Augenblick, da Raumfahrt in Zeitreisebergeht, mache ich nicht mehr mit. Das ist ja gera-dezu utopisch!

    Gnter lchelte fein.Das behauptete man vor gut hundert [Jahren auch

    noch von der Raumfahrt an sich, Captain, erinnerteer sanft. Aber der Kommandant wehrte wtend ab:

    Raumfahrt ist etwas vollkommen Selbstverstndli-ches, und jedes Kind wei heute, wie so etwas funk-tioniert! Aber Zeitreise? Na, daran kann ich nichtsSelbstverstndliches finden beim besten Willennicht!

    Das liegt weniger an der Zeitreise, als an Ihrer gan-zen Einstellung, Captain. Auch das ist eben relativ. Alsman mit Holzkarren durch Drfer und ber Lehmstra-en rumpelte, schien so etwas wie ein Auto mehr alseine utopische Vision. Dann gab es das Auto und eswurde zur Selbstverstndlichkeit. Mit der Erfindungder atomaren Speicherbatterie verschwand sogar derflssige Treibstoff, und das Benzinauto wurde muse-umsreif. Zu dieser Zeit starteten bereits die ersten Ra-keten zu den Planeten, und schon wurde der utopischeTraum der Raumfahrt selbstverstndlich. Lieber Him-mel, warum sollte es nicht die Zeitreise auch einmalwerden, wo sie doch schon halbe Wirklichkeit ist?

    Maxwell ging um den Sessel herum und lie sichhineinfallen.

    So, ist sie das? machte er mde. Nicht, da ichwte!

    Gnters Gesichtsausdruck wurde dozierend.Haben Sie die erste Expedition zum Alpha Cen-

    tauri vergessen, lieber Maxwell? fragte er strafend.Die Terra flog mit annhernder Lichtgeschwindig-keit, damals eine Sensation. Nach zwlf Jahren kehrtesie wieder zurck. Und es war genau eingetroffen, wasdie Wissenschaftler prophezeit hatten: Laut Borduhrwar die Terra genau 6 Jahre und zwei Monate unter-wegs gewesen.

    Maxwell rutschte unruhig hin und her.Na und? machte er knurrig. Was hat denn das

    mit einer Zeitreise zu tun?Das ist doch einfach, Captain. Die Leute sind prak-

    tisch sechs Jahre in der Zukunft gereist, denn sie leb-ten sechs Jahre in deren zwlf. Sehen Sie das nichtein?

    Maxwell berzeugte sich, da keines der Bordnach-richtengerte eingeschaltet war, ehe er nickte.

    In gewissem Sinne schon, gab er zu. Aber untereiner richtigen Zeitreise verstehe ich etwas ganz ande-res. So wie man es in den Videobchern erleben kannund...

    Wird eines Tages mglich sein, fiel der Erste Of-fizier ein und warf einen besorgten Blick auf die Uhr.Es wird Zeit, die Mannschaft auf den Sprung vorzu-bereiten, Captain.

    *

    Der Zeiger erreichte die errechnete Sekunde, unddurch das Schiff ging so etwas wie ein leichter Ruck.Drauen verschwanden programmgem die Sterne,und es wurde lichtlos. Es gab keine Worte, diese voll-kommene Abwesenheit jeglichen Lichtes zu beschrei-ben, denn ,dunkel heit noch lange nicht ohne Licht.

    Die absolute Schwrze dauerte nur wenige Augen-blicke, dann wurde es wieder hell. Und zwar so hell,da Maxwell und Gnter geblendet die Augen schlie-en muten.

    Natrlich war es nur der Kontrast, der den normalenWeltenraum so strahlend erscheinen lie. In Wirklich-keit war es nicht viel heller als zuvor, als sie sich noch150 Lichtjahre entfernt in einem anderen Teil der Ga-laxis befanden.

    Doch, ein wenig heller war es schon.

    Denn dicht vor dem Schiff stand ein groer, hellerStern. Seine Frbung und die automatisch hergestell-te Spektrodefinition bezeichneten das Gestirn als dieheimatliche Sonne.

    Maxwell stie einen Seufzer aus und sagte in dasMikrofon:

    Transition beendet. Der normale Dienst wird wie-der aufgenommen. Wir verlangsamen die Flugge-schwindigkeit ab sofort stndig. Vorbereiten zur Lan-dung.

    Mit einem schnellen Griff schaltete er die Bord-sprechanlage ab. Die Bildschirme waren nicht in An-spruch genommen worden. Mit einem schwachen L-cheln wandte er sich an Gnter.

    Na, sehen Sie? Man soll doch nichts auf Gefhlegeben, sondern sich auf nchterne Tatsachen verlas-sen. Ich mu ehrlich zugeben, dieses eine Mal wirk-lich Angst gehabt zu haben. Gott sei Dank war dieseAngst unbegrndet.

    Gnter blieb im Sessel sitzen, lste sich aber ausseiner verkrampften Haltung. Mit neugierigen Blickenstudierte er die noch weit entfernte Sonne, die jedochals Stern bereits ziemlich nahe stand. ,Schon wiederrelativ, dachte er und lchelte zufrieden. Was eigent-lich war nicht relativ?

    Zu unserem Glck war sie es, entgegnete er aufMaxwells Bemerkung. Aber wenn ich ehrlich sein

  • Wanderer zwischen drei Ewigkeiten 6

    mu, so kann ich mich auch jetzt noch nicht einesmerkwrdigen Gefhls erwehren. Ich meine immernoch, es stnden uns Schwierigkeiten bevor. Dabei ha-ben wir unser Ziel, wie beabsichtigt, erreicht.

    Maxwell stand auf und machte einige Schritte in derZentrale hin und her, dabei prfende Blicke auf die In-strumente werfend.

    Sie reden Unsinn, Gnter, vlligen Unsinn! Waskann denn nun noch schief gehen? Aber wenn ich ehr-lich sein soll..., er sah sich forschend um, als erwgeer einen unsichtbaren Lauscher, ... so mu ich zuge-ben, nicht vollkommen beruhigt zu sein. Aber natr-lich, wiederholte er dann entschlossen, ist es Un-sinn, sich jetzt noch unntige Gedanken zu machen.Wir sind am Ziel und damit basta!

    Er trat wieder zur Bordanlage und schaltete die Ver-bindung ein. Es dauerte einige Sekunden, ehe einerder Schirme aufleuchtete und ein Gesicht darauf er-schien. Es besa harte und markante Zge, in denenUnnachgiebigkeit und Entschlossenheit zu lesen war,aber auch Pflichtbewutsein und Aufrichtigkeit. Wasimmer dieser Mann auch sagte, es wrde die Wahrheitsein, die nackte und schonungslose Wahrheit.

    Maxwell nickte leicht.

    Alles gut berstanden, Grudat?

    Keine Klagen, Captain, gab der Mann zurck, derfr Antrieb und indirekt damit fr die Navigation ver-antwortlich war. Die Bremsstrahler traten bereits inTtigkeit.

    Gut, dann sorgen Sie dafr, da wir in zwei Ta-gen die Nullgeschwindigkeit erreichen, solange nm-lich dauert es bei der Verlangsamung, bis wir in dasSystem eingedrungen sind. Noch Fragen?

    Grudat zgerte.

    Maxwell bemerkte es und fragte:

    Nun, was ist? Reden Sie schon, Mann!

    Wie gesagt, Grudat war ein ehrlicher Mensch. Nie-mals htte er eine Lge aussprechen knnen.

    Ich meine, die Transition sei nicht ganz ord-nungsgem verlaufen, Captain. Eine Unregelmig-keit machte sich bemerkbar. Wenn ich ehrlich seinsoll, so wundere ich mich, da wir berhaupt anlang-ten.

    Maxwell wurde um eine Nuance blasser als ge-whnlich.

    Was wollen Sie damit sagen, Grudat? Schlielichstehen wir zwei Tage vor dem Sonnensystem. Was sollda nicht planmig verlaufen sein?

    Grudat suchte sichtlich nach einer Antwort. Ein we-nig verlegen gab er schlielich zu:

    Ich wei es selbst nicht, aber irgendein Gefhlwarnte mich...

    Nun fangen Sie auch noch mit Gefhlen an! riMaxwell der Geduldsfaden. Ein vernnftiger Menschsollte berhaupt nichts auf Gefhle geben!

    Gnter grinste vor sich hin. Er konnte sich daserlauben, denn er befand sich auer Reichweite desFernsehauges, das die Zentrale in geringem Umfangin den Maschinenraum projizierte. Ausgerechnet dasmute der Kommandant sagen, der sich seit Stundenmit seinen Gefhlen auseinandersetzte.

    Sie haben recht, gab Grudat jetzt zu. Aber es istja nicht nur das Gefhl, das bei meiner Feststellungeine Rolle spielt. Als die Transition im Gange war,passierte nichts. Aber als wir materialisierten, schloder Generator kurz. Das habe ich niemals zuvor erlebt.Auerdem noch etwas: fr eine Sekunde ungefhr floder Strom in umgekehrter Richtung.

    Maxwell warf Gnter einen hilfesuchenden Blickzu.

    Was soll denn das nun wieder heien?erkundigte er sich streng dienstlich. Der Strom flo

    rckwrts...?Grudats sonst so energisches Gesicht war nicht wie-

    derzuerkennen.Nun, er flo umgekehrt wenigstens registrier-

    ten es die Skalen. Aber ehe ich es begreifen konnte,war alles wieder normal. Ich frage mich nur, wie dasgeschehen konnte.

    Hat es noch jemand auer Ihnen bemerkt?Nein, denn ich bin der einzige hier unten, der sei-

    nen Sessel direkt neben den Antriebsaggregaten hat.Niemand sonst kann die Instrumente whrend derTransition beobachten.

    Dann ist es gut, sagte Maxwell erleichtert und er-ffnete ihm berraschenderweise: Sagen Sie keinemMenschen etwas von diesem Unsinn, Grudat! Manhlt Sie fr verrckt.

    Grudat nickte verdutzt, ehe sein Bild vom Schirmverschwand.

    Die Neutralisatoren schluckten den ungeheuren An-druck, der bei der negativen Beschleunigung des Ab-bremsens entstand. Deutlich machten sich die umge-kehrten Effekte wie zu Beginn ihrer Reise bemerkbar.

    Die Sonne stand nicht in Zielrichtung, sondern einwenig rechts daneben, weil die FORTUNA beabsich-tigte, in Form einer Spirale in das System einzudrin-gen. Aber sie war nicht gelb, wie sie es bei geringe-rer Geschwindigkeit des Schiffes gewesen wre, son-dern dunkelviolett. Der fixive Zielstern hingegen bliebvorerst unsichtbar, denn seine Lichtwellen berstie-gen das Aufnahmevermgen des menschlichen Auges.Dadurch entstand ein schwarzer Fleck in Bugrichtung,genau abgezirkelt und allmhlich kleiner werdend, jeschneller die Geschwindigkeit der FORTUNA absank.Bei absoluter Lichtgeschwindigkeit wurde das Univer-sum dunkel.

    Fast sichtbar begann nun auch die Sonne die Far-be zu verndern. In diesem Blickwinkel wrde sie erstbei einer bestimmten Schiffsgeschwindigkeit ihre na-trliche Farbausstrahlung zurckerhalten. Dieser Ef-fekt diente zur genauen Messung der absoluten Eigen-bewegung von Raumschiffen.

  • 7 TERRA

    Gnter begab sich in den Gravitationslift und liesich zur Kanzel des Observatoriums bringen. Hierherrschte nur ein einziger Mann: Hendra, der Astro-nom.

    Der Wissenschaftler mochte etwa 40 Jahre alt sein,besa einen Kranz grauer Haare und dazu die we-nig passende Angewohnheit, immer wieder neue Fl-che zu erfinden. Niemand nahm ihm das bel, dennim Grunde seines Herzens blieb Hendra immer derfreundliche, stets hilfsbereite Kamerad, ob Vorgesetz-ter oder nicht.

    Auch jetzt sah er lchelnd auf, als Gnter die Kup-pel betrat.

    Nanu, was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches,Gnter?

    Der Erste Offizier lie die Tr zugleiten.Ich mchte mich mal ein wenig umsehen wenn

    Sie gestatten, erklrte er freundlich, ohne seine wah-ren Absichten zu verraten, die ihm im Grunde genom-men selbst noch unklar waren. Die Geschwindigkeitsinkt, und es lassen sich vielleicht interessante Beob-achtungen anstellen.

    Die Geschwindigkeit htte wenig damit zu tun,bemerkte Hendra sachlich. Wie Sie wissen, benutzeich Transformationsfilter, die mir auch bei Lichtge-schwindigkeit ein ungestrtes Beobachten gestatten.Ich darf also annehmen, da Sie nur deswegen jetztzu mir kommen, weil Sie nach Abschlu der letztenTransition dienstfrei sind.

    Logisch durchdacht, lobte Gnter grinsend, umsogleich wieder ernst zu werden. Haben Sie etwasAuergewhnliches nach der Transition bemerkt?

    Hendra stutzte.Bei allen Venusfrschen wie meinen Sie das?Ist die Erde bereits sichtbar und gestatten Sie mir

    einen Blick durch das Spezialteleskop?Warum nicht, zum Hyperspace! Wenn es Ihnen

    Freude macht. Die Erde ist schon recht deutlich zu er-kennen, wenn auch nur als halbe Scheibe. Wir nhernuns ja vertikal dem System.

    Gnter zgerte nun nicht mehr. Geschickt nahm erauf dem Sitz hinter dem Instrument Platz und wartete,bis Hendra die notwendigen Einstellungen unter un-ablssigem Murmeln vorgenommen hatte. Was er sag-te, konnte der Erste Offizier nicht verstehen, aber si-cherlich waren es keine Segenswnsche, wenngleichHendra es damit kaum ernst meinte.

    Dann trat er zurck und forderte Gnter auf, durchdas Okular zu blicken. Gleichzeitig projizierte eineelektronische Anlage das gleiche Bild, das sich demBeschauer bot, auf einen an der Wand angebrachtenSchirm. Somit konnten mehrere Personen gleichzeitigastronomische Beobachtungen vornehmen.

    Das direkte Bild war klarer und deutlicher.Gnter erkannte in der Mitte des Blickfeldes die

    schmale Sichel der Erde. Da es die Erde war, wu-te er nur von Hendra, denn wegen des einfallenden

    Sonnenlichts blieben Kontinente und Meere trotz derziemlichen Vergrerung unsichtbar.

    Die Erde, besttigte Hendra nun auch, daran be-steht kein Zweifel. Beim Barte meiner Gromutter, sieist in den letzten Minuten sichtlich grer geworden.Hoffentlich bremsen die Kameraden vom Maschinen-raum rechtzeitig ab.

    Gnter mute lcheln.

    Keine Sorge, Hendra, die Notbremsen wurdenschon gezogen. Aber immerhin erfreuen wir uns nochmehr als der halben Lichtgeschwindigkeit. SagenSie, was ist das fr ein Stern dicht neben der Erde?

    Hendra sah einen Augenblick zu Gnter hinber,ehe er sich nher gegen den Bildschirm beugte undversuchte, das vom Ersten Offizier programmwidrigentdeckte Objekt zu finden. Da die Projektion nicht sodeutlich war, dauerte es zehn Sekunden, bis er es fand.

    Die Reaktion darauf konnte nur als berraschendbezeichnet werden. Zuerst kamen einige unbeschreib-liche Flche, dann unverstndliches Gemurmel unddas kurze Aufsummen des Elektronenrechners, undschlielich sagte er verdutzt:

    Das ist doch wohl nicht mglich!

    Gnter sah ein, da so keine Auskunft zu erlangenwar.

    Nun erklren Sie mir, bitte, einmal der Reihe nach,was Sie feststellten, Hendra. Und was soll nicht mg-lich sein?

    Der aufgeregte Wissenschaftler eilte auf Gnter zuund zog ihn resolut aus seinem Beobachtungssitz, umsich selbst darin niederzulassen. Auf den Protest desErsten Offiziers hin winkte er nur ungeduldig ab undmeinte:

    Seien Sie ruhig, Sie neunmal geschwnzter Was-serfall! Warten Sie doch ab! Ehe ich nicht sicher bin,kann ich doch nichts sagen. Wenn sich meine Vermu-tung besttigt, haben wir eine verdammt harte Nu zuknacken falls sie sich knacken lt.

    Gnter zog sich kopfschttelnd bis zu dem Bild-schirm zurck und gab sich mit den vertauschten Rol-len zufrieden. Tatschlich, auf dem Schirm erschi-en die Widergabe nur undeutlich; Einzelheiten warenkaum zu erkennen. Aber trotzdem stand der kleineStern unmiverstndlich dicht neben der Erde.

    Eine der winzigen Raumstationen konnte es nichtsein, dazu war die Entfernung noch zu gro.

    Aber was sonst?

    Gnter blickte ungeduldig zu Hendra, der versun-ken hinter dem gewaltigen Instrument sa und unhr-bare Flche murmelte. Zwischendurch kamen einigeZahlen, dann Berechnungen und endlich ein Seufzer.

    Wir sind beide verrckt, stellte der Astronompltzlich ganz berraschend fest und kletterte von demBeobachtungssitz. Eigentlich bisher nur ich. Aberwenn ich Ihnen sage, was der kleine Lichtpunkt nebender Erde bedeutet, werden Sie es auch. Wetten?

  • Wanderer zwischen drei Ewigkeiten 8

    Gnter versprte dazu wenig Lust.Nun reden Sie schon, Hendra! wurde er regel-

    recht wtend.Na gut, Gnter. Aber setzen Sie sich erst in den

    Sessel dort. Und halten Sie sich fest. Der Stern nebender Erde ist nmlich kein Stern, sondern ein Mond, derdie Strahlen der Sonne reflektiert und somit leuchtet.Ja, damit wre es heraus: die Erde hat wieder einenMond!

    Gnter sprang auf.Die Erde hat einen Mond? Wieso soll die Erde

    in den vergangenen drei oder vier Monaten pltzlicheinen Mond eingefangen haben?

    Das Wie ist weniger wichtig als das Woher,machte ihn Hendra aufmerksam. Aber was auch im-mer geschehen sein mag, das Auftauchen eines Mon-des mu frchterliche Katastrophen auf der Erdober-flche ausgelst haben. Hoffentlich hoffentlich exi-stiert die Menschheit noch.

    Gnter entsann sich noch der Katastrophenberich-te aus den Geschichtsbchern. Damals, vor mehr alshundert Jahren, war das genaue Gegenteil von demgeschehen, was nun eingetreten war. Damals hatte dieErde ihren einzigen Mond verloren. Man vermutete,da eine auerirdische Macht ihre Hand im Spiel ge-habt hatte und vielleicht mit dem Verschwinden desMondes eine Machtprobe demonstrieren wollte. In-stinktiv hatten sich damals die Nationen der Erde zu-sammengeschlossen, um dem unsichtbaren Gegner ei-ne Macht gegenberstellen zu knnen. In wenigenMonaten wurde die Weltregierung Wirklichkeit, dieRaumfahrt vorangetrieben und die schrecklichen Waf-fen des atomaren Zeitalters an neutralen Orten zur Ver-teidigung einer geeinten Erde gelagert.

    Der Gegner aus dem All jedoch kam nie, die Erdeanzugreifen. Zwar wurde die Entwicklung ungeahntvorangetrieben, und bald durcheilten die Schiffe derErde die nahe Umgebung des Universums, aber nie-mals begegnete man dem gesuchten Feind. Es war, alshabe er sich mit dem Raub des Erdmondes begngt.

    Die Weltregierung blieb, und das sagenhafte golde-ne Zeitalter brach an. Der Lebensstandard stieg undmit ihm die Macht der Erde. Ein Planet nach dem an-deren wurde entdeckt und Stationen auf ihm errich-tet, Stationen, die eine Annherung des unbekanntenFeindes sichten und melden sollten.

    Es entstand das terranische Imperium.Aber die Erde besa seit mehr als hundert Jahren

    keinen Mond mehr.Daher Hendras Fassungslosigkeit. Er als Astronom

    mute das Ungewhnliche eines solchen Ereignissesviel deutlicher erkennen als Gnter. Ein derartiges Na-turgeschehen war genauso selten wie die Entstehungder neuen Welt.

    Wir mssen sofort Maxwell benachrichtigen, er-innerte sich der Erste Offizier seiner Pflicht. StellenSie die Verbindung zur Zentrale her.

    Dort drben ist der Schalter, murmelte der Astro-nom, schon wieder in seine Beobachtungen vertieft.Ich habe keine Zeit.

    Gnter warf ihm einen unwilligen Blick zu, eheer zur Bildschirmanlage schritt und die Verbindungaktivierte. Sofort erschien das fragende Gesicht desKommandanten. Die Frage wurde noch deutlicher, alsMaxwell seinen Ersten Offizier im Observatorium er-kannte.

    Nanu? Was tun Sie dort? Ich whnte Sie im Ma-schinenraum...

    Ich hielt es fr zweckmig, auch hier nach demRechten zu sehen, Captain, denn bei Grudat war allesin Ordnung. Und ich glaube, es war schon richtig, daich Hendra besuchte. Wir haben soeben eine unglaub-liche Feststellung machen knnen.

    Auf Maxwells Gesicht erschien so etwas wie Neu-gier.

    Und das wre? schnappte er kurz angebunden.

    Die Erde hat einen Mond! erffnete ihm Gnter.

    *

    In der Zentrale erwartete Maxwell Gnter ungedul-dig. Pausenlos durchma er den Raum mit schnel-len, nervsen Schritten und blieb ruckartig stehen, alsGnter eintrat.

    Nun? Eine Idee?

    Der Erste Offizier schttelte den Kopf.

    Es hat wenig Sinn, sich nutzlos den Kopf zu zer-brechen. Warten wir doch erst einmal ab, bis wir dieErde erreichen. Vielleicht klrt sich dann alles ganzharmlos auf.

    Harmlos? Da die Erde pltzlich einen Mond be-sitzt, finden Sie harmlos? Na, hren Sie mal...

    Das wollte ich nicht damit sagen, Captain. Ichmeinte nur, es sei doch witzlos, Vermutungen anzu-stellen, ehe wir keine nheren Informationen erhaltenknnen.

    Wozu haben wir das Elektronengehirn und den In-formationsspieler in der FORTUNA? Fragen wir bei-des.

    Morgen, schttelte Gnter den Kopf. Um auseinem elektronischen Gehirn etwas herauszubekom-men, mu man auch etwas hineinstecken. Und wir ha-ben absolut nichts, was wir hineinstecken knnten, nureben die astronomische Tatsache. Damit kann auchRobby nichts anfangen.

    Maxwell wollte etwas sagen, schwieg aber dann.Nach einer Weile erst nickte er langsam.

    Nun gut, Gnter, ich gebe zu, da Sie recht habenmgen. Warten wir also bis morgen. Aber eines kannich Ihnen schon jetzt sagen: ich werde nicht eher aufder Erde landen, bis ich nicht sicher bin, da sie nochvon den Menschen beherrscht ist.

    Aber Hendra meinte doch...

  • 9 TERRA

    Ach, lassen Sie mich mit diesem phantasielosenWissenschaftler in Ruhe! Warum sollten die Fremdenden Mond nicht zurckbringen knnen, wenn sie ihnauch stahlen? Vielleicht haben sie die Invasion mitHilfe des prparierten Mondes durchgefhrt waswissen wir denn davon? Und weil ich das nicht frausgeschlossen halte, landen wir vorerst nicht. SelbstRadiomeldungen knnen geflscht sein.

    Gnter nickte zustimmend.

    Zwar schliee ich mich nicht Ihrer Meinung an,aber ich halte sie nicht fr ausgefallen. Im brigenfreue ich mich trotzdem ein wenig auf den Mond. Inden alten Bchern liest man soviel ber ihn. SeineStrahlen sollen nachts einen gnstigen Einflu auf dieLiebenden ausgebt haben.

    Maswell verzog das Gesicht.

    So ein Unsinn! Das waren doch nichts anderes alsreflektierte Sonnenstrahlen, wie knnen die anders be-einflussen als die Sonne selber? Glauben Sie nur nichtalles, was Sie lesen oder sehen.

    Gnter wandte sieh zum Gehen.

    Sehen? Ich habe den Mond der Erde gesehen, alsoist er vorhanden, Daran ist nicht zu rtteln. Und mor-gen werden wir auch wissen, warum er vorhanden ist!Hoffentlich wird es keine allzu bse berraschung...

    Eben! machte Maxwell dster und machte sich ander Bordsprechanlage zu schaffen.

    Gnter verlie die Zentrale und begab sich in seineKabine.

    Zu seinem Erstaunen blickte ihm, am kleinen Tischsitzend, der Astronom Hendra entgegen. Der Wissen-schaftler hatte ihn offensichtlich erwartet.

    Gnter schlo die Tr.

    Hendra? Sie hier? wunderte er sich.

    Der Astronom nickte und erhob sich.

    Ich habe Ihnen eine Erffnung zu machen, die un-ter uns bleiben mu, begann er. Ich frchte, Sie wer-den sich erst einmal setzen mssen...

    *

    Am anderen Tage Schiffszeit hatte sich FORTUNAso weit der Erde genhert, da der Mond mit bloemAuge sichtbar geworden war.

    Maxwell in der Zentrale starrte finster auf den nurhalb von der Sonne angestrahlten Globus, der in seinererstarrten Lebensfeindlichkeit alles andere als freund-lich wirkte. Maxwell entsann sich noch sehr gut derfotografischen Aufnahmen, die vom alten Mond derErde existierten. Demnach war der jetzt um die Er-de kreisende Trabant mit dem vor hundert Jahren ver-schwundenen Mond identisch.

    Daran bestand kein Zweifel mehr.

    Gnter und Hendra sahen sich mit einem kurzenBlick des Einverstndnisses an, als Maxwell das mitNachdruck feststellte.

    Der Astronom rusperte sich.Ich mu Ihnen eine Erffnung machen, Komman-

    dant, begann er mit belegter Stimme und man merkte,wie schwer ihm das Sprechen fiel. Gnter nickte ihmaufmunternd zu, und der Wissenschaftler fuhr fort:Der damals verschwundene und jetzt wieder aufge-tauchte Mond sind miteinander identisch Sie selbsthaben das bemerkt. Jedes Kind wrde das gleiche fest-stellen, wenn es die alten Aufnahmen mit der Ober-flchenstruktur, wie sie sich uns darbietet, vergleichenknnte. Nun taucht eine Frage auf: wo war der Mondhundert Jahre lang?

    Auffordernd blickte er Maxwell an.Der Kommandant gab den Blick zurck und scht-

    telte dann den Kopf.Wie soll ich das wissen, Hendra? Er verschwand,

    wanderte vielleicht ein Jahrhundert durch den Raumund kehrte im Verlauf der vergangenen vier Monatezur Erde zurck.

    Kehrte einfach zurck? staunte Hendra ber diekhne Theorie des Kommandanten. Nein, ich finde,die Erklrung wre zu einfach.

    Aber sie wre schn, schlug Maxwell vor.Der Astronom schttelte entschieden den Kopf.Ich frchte, die Erklrung lautet anders, Captain.

    Um sie zu finden, bentigte ich neben konzentrierterBeobachtung am Instrument auch eine gehrige Porti-on Phantasie. Gott sei Dank besitze ich die...

    Ihre Flche lassen nicht darauf schlieen, warfMaxwell ein.

    Phantasie! wiederholte Hendra mit Nachdruck.Und Sie werden wahrscheinlich einige Strkungsta-bletten vertragen knnen, wenn Sie erfahren haben,was sich zugetragen hat. Gnter, besttigen Sie IhremKommandanten bitte, da Sie meine Beobachtungenund Feststellungen inzwischen mit der elektronischenRechenmaschine nachgeprft haben und zum gleichenSchlu gelangten.

    Maxwell sah berrascht auf seinen Offizier. Der.blieb stumm, nickte aber bedeutungsvoll. Der Kom-mandant stutzte. Sollte es sich tatschlich um ein ern-stes Problem handeln? Bis vor wenigen Minuten hatteer die Tatsache, da der Mond wieder aufgetaucht war,einfach als gegeben betrachtet, ohne sich um die even-tuellen Konsequenzen des Ereignisses zu kmmern.Von denen wrde man ohnehin frh genug erfahren.

    Nun? machte Maxwell und blickte wieder aufHendra.

    Der Astronom schaute nachdenklich durch die Kup-pel der Zentrale auf den grer werdenden Mond.Deutlich erkannte man bereits die einzelnen Kraterund die scharfen Zacken gen Himmel strebender Ge-birgszge.

    Ich habe gestern mit Grudat gesprochen und mirdie Sache mit dem Kurzschlu erzhlen lassen. Derrckwrtsflieende Strom gab mir die letzte Gewi-heit zu dem Schlu, auf den ich zwangslufig kam, als

  • Wanderer zwischen drei Ewigkeiten 10

    ich die Identitt der beiden Monde feststellen mute.Von unserer Warte aus gesehen ist folgendes gesche-hen: vor hundert Jahren verschwand der Mond und wirkannten ihn niemals. Vor vier Monaten verlieen wirdie Erde, und nun, da wir zurckkehren, besitzt diesewieder einen Mond und zwar den gleichen, den sievor hundert Jahren verlor. Er mte also in den letztenvier Monaten zurckgekehrt sein. Unwahrscheinlich,dachte ich mir.

    Und wahrhaftig, die Antwort sieht ganz anders aus.

    Ist Ihnen nicht aufgefallen, Kommandant, da wirungestrt in das System eindringen konnten? HabenSie eine einzige knstliche Spherstation entdeckenknnen? Warum empfngt der Funker keine verstnd-lichen Signale?

    Vielleicht doch eine Invasion! Etwas viel Schreck-licheres ist geschehen, Maxwell. Jener Mond dort, denSie so greifbar nahe vor sich sehen, ist niemals zurck-gekehrt, weil er niemals verschwunden war.

    Maxwell sah verstndnislos von einem zum ande-ren. Gnter, der das Geheimnis ja bereits kannte, nick-te langsam, schwieg aber noch immer. Wahrschein-lich hatte er das Ereignis noch nicht richtig verarbeitenknnen.

    Hendra wies mit der rechten Hand auf den Mondund die daneben schwebende Erde.

    Wo bleibt der Anruf der Raumflotte, wo die Wet-terstationen und Meldesatelliten? Wo sind die ber-wachungsschiffe der Flotte? Wo wo ist der Menschdes terranischen Imperiums, Maxwell?

    Der Kommandant starrte mit beginnender Ver-zweiflung auf seinen Astronomen, um dann seinemErsten Offizier einen hilfesuchenden Blick zuzuwer-fen.

    Dieser bequemte sich endlich dazu, in die qulendeDebatte einzugreifen.

    Hendra, sagte er scharf, machen Sie es kurz!

    Der Astronom nickte erstaunt.

    Wie Sie wnschen. Bei Ihnen hat doch wohl gera-de diese kurze Erklrung einen Schock hervorgerufen.Ich wollte Maxwell nur allmhlich vorbereiten. Alsogut, Kommandant, manchen wirs kurz.

    Der Mond dort verschwand nie, aber es ist sehrwahrscheinlich, da er eines Tages verschwindenwird. Die FORTUNA ist nmlich durch einen noch zuklrenden Faktor mehr als hundert Jahre in die Ver-gangenheit geschleudert worden bei der Transiti-on. Die genaue Jahreszahl wird sich feststellen lassen,sobald wir erste Ausknfte erhalten. Und...

    In die Vergangenheit? schnappte Maxwell nachLuft. Was sagen Sie da, Hendra?

    Der Astronom nickte.

    Ohne Zweifel ging etwas bei der Transition schief.Zwar gelang der Raumsprung wie berechnet, abergleichzeitig machten wir auch alle einen Sprung durchdie vierte Dimension und wurden um jedenfalls mehr

    als hundert Jahre zurckgeworfen. Ich glaube, Cap-tain, wir haben jetzt wenigstens das Rtsel der wh-rend der Transitionen verschwundenen Schiffe gelst:sie befinden sich entweder in der Vergangenheit oderin der Zukunft. Kein Wunder, wenn wir ihnen niemalsmehr begegneten.

    Das ist ja Irrsinn! stie Maxwell hervor.Gnter nickte besttigend.Das ist es, oder aber wenigstens dicht dabei. Als

    mir Hendra die Wahrheit berichtete, htte mich fastder Schlag bei der Erkenntnis getroffen, nun vielleichtmein eigener Urahn zu werden.

    Wie meinen Sie das? lie sich Maxwell willig ab-lenken.

    Na stellen Sie sich vor, wir landen auf der Erde...Hendra wiegte den Kopf hin und her.Es wre theoretisch absolut nicht unmglich, sag-

    te er zgernd. Aber es darf niemals zu Zeitparadoxenkommen. Wir wrden das Gesicht der Erde und derZukunft verndern.

    Maxwell zeigte auf den grnen Globus der Erde.Es ist also wahr das mit der Vergangenheit? Sie

    wollen mir keinen Bren aufbinden oder Sie irrensich nicht?

    Es bestehen keine Zweifel, da wir uns in der Ver-gangenheit befinden, und zwar mindestens um hundertJahre. Dort steht der Mond und er ist noch nichtverschwunden. Wer wei, in welche Epoche der irdi-schen Geschichte wir geraten sind.

    Maxwell seufzte.Und wenn es so ist wie kehren wir in unsere

    Zeit zurck?Hendra und Gnter sahen sich an. Dann meinte der

    Wissenschaftler:Das wei ich nicht, Kommandant. Vielleicht kann

    uns da der Mann eine Antwort geben, der uns in dieVergangenheit brachte: Grudat! Wir werden ihn fra-gen mssen.

    Er wei es noch nicht?Nein. Ich hielt es fr besser, Ihnen die Aufkl-

    rung der Mannschaft zu berlassen. Nur Gnter weih-te ich ein, weil er mit Robby den Vorgang mathema-tisch nachweisen sollte. Und das tat er.

    Also gut, sagte Maxwell und stellte die Verbin-dung mit dem Maschinenraum her. Sprechen wir ersteinmal mit Grudat.

    *

    Die Mannschaft nahm die Erffnung ihres Kom-mandanten mit ungewhnlicher Gelassenheit hin.

    In einer Hhe von mehr als 50 000 km umkreiste dieFORTUNA in einer stabilen Bahn die Erde und war-tete ab. Die Gefahr einer Entdeckung bestand nicht,denn zur Zeit, da die Erde einen Mond besessen hatte,befand sich die Raumfahrt in ihrem Anfangsstadium.

  • 11 TERRA

    Es wurden einige Fragen gestellt und beantwortet,dann erhob sich Grudat, um einige Erklrungen ab-zugeben. Sein Gesicht zeigte einige harte Linien, diezuvor nicht dagewesen waren. Finster blickten seineAugen unter den buschigen Augenbrauen hervor.

    Wenn sich der gleiche Vorgang, der unserenSprung in die Vergangenheit bewirkte, rcklufig re-konstruieren liee, bestnde die Mglichkeit, wiederin die Zukunft zu gelangen. Das ist theoretisch mg-lich. Jedoch gehren dazu die Kenntnisse einiger Da-ten, die wir im Augenblick nicht besitzen. Ehe dasnicht der Fall ist, scheint mir jeder Versuch nutzlos zusein. Ich mu z. B. bis auf die Minute genau wissen,um welche Zeit wir gewissermaen ,hinterherleben.Ohne Kenntnis dieser Differenz tappen wir im dun-keln.

    Wre das nicht leicht zu erfahren, meldete sicheiner der Vermessungsingenieure, der nur als Passa-gier an Bord der FORTUNA reiste und seinen Urlaubauf der Erde verbringen wollte. Die Radiomeldungensollten Aufschlu ber das Datum geben.

    Der Funker Webbs sprang auf.Das ist es ja eben! rief er wtend. Mit meinen

    Gerten erwische ich nicht einen einzigen vernnfti-gen Laut. Sicher, die Skalen registrieren den Empfangvon schwachen Energiewellen, die nur von der Erdekommen knnen. Aber unsere Empfnger sind nichtgeeicht, die ersten Anfnge der Radiotechnik ber-haupt aufzunehmen und in Ton zu verwandeln. Wenndie Menschen dieser Zeit noch keine Raumfahrt be-sitzen und das scheint doch offensichtlich , sowerden sie auch nicht die interplanetare Funkwelleeingefhrt haben. Jedenfalls sind ihre Funkzeichen zuschwach, um bei uns auch nur einen Ton hervorzuru-fen.

    Webbs setzte sich wieder hin. Fr einen Augenblickherrschte betretenes Schweigen, dann sagte der Inge-nieur:

    Warum nicht einfach landen und nach dem Datumfragen?

    Maxwell wehrte entsetzt ab. Er hatte sich bereitsvollkommen mit der ungewhnlichen Situation abge-funden, wie es schien.

    Das geht auf keinen Fall! Stellen Sie sich vor, wasdas bedeuten wrde! Wir kmen ja aus der Zukunftgewissermaen wer wrde uns das glauben? Manhielte uns vielleicht fr Raumfahrer von einem ande-ren Stern. Auerdem ist mir kein Fall in der Geschich-te der Menschheit bekannt, da ein fremdes Raum-schiff auf der Erde landete. Und davon htten wir si-cher erfahren, wenn es je geschehen wre. Also wer-den wir auch nicht landen!

    Hendra lchelte flchtig.Wenigstens nicht offiziell, nickte er zufrieden.Sie sahen ihn alle an. Dann knurrte Maxwell:Ausgerechnet Sie mssen das sagen! Waren nicht

    Sie es, der vor der Gefhrlichkeit der Zeitparadoxewarnte? Na also!

    Wenn uns nur ein einziger Mensch bei der Lan-dung bemerkt, und er erzhlt das spter seinen Zeitge-nossen, wird ihm niemand glauben, verteidigte Hen-dra seinen Standpunkt. Aber er knnte uns Aufschludarber geben, in welcher Zeit wir uns befinden. Oh-ne dieses Wissen wird es nie eine Rckkehr fr unsgeben.

    Die Mnner nickten beifllig und murmelten zu-stimmend.

    Maxwell sah Gnter an. Der erhob sich.

    Die Situation scheint mir nicht so hoffnungslos,wie es im ersten Augenblick den Anschein hatte, be-gann er sachlich. Jeder Vorgang lt sich rckgngigmachen, so auch dieser. Wir besitzen technische Hilfs-mittel und ein hervorragendes Wissen. Wir werden dieUrsachen des Zeitsprunges herausfinden und danneinen zweiten, diesmal in die Zukunft, vollbringen.Ich mu Hendra zustimmen: wenn unsere Funkger-te fr die primitiven Sendungen der jetzigen Erdbe-wohner zu kompliziert gebaut sind, mssen wir dieMenschen selbst fragen. Aber Grudat gengt dasWissen um die Zeit, um in die Zukunft also unsereGegenwart zurckzukehren?

    Der Chef des Maschinenraumes nickte.

    Ich glaube es schon. Aber ich warne vor allzugroem Optimismus. Alles ist nur ein Experiment, einVersuch. Wenn er nicht gelingt, sind wir dazu verur-teilt, in dieser Epoche zu bleiben. Ich glaube fast, un-ser Fall ist eine Ausnahme, und alle anderen verschol-lenen Schiffe gelangten in die ferne Zukunft. Wir ht-ten sonst bestimmt hin und wieder von ihnen gehrt.

    Na gut, nickte Maxwell. Landen wir. Wann?

    Sobald wir einen Platz gefunden haben mor-gen!

    *

    Die Expedition schlug ihr Lager unweit der letztenWasserflle auf und beschlo, erst am folgenden Mor-gen weiter bis zu dem Plateau vorzudringen.

    Monatelang hatte es gedauert, bis Prosessor Holz-mann und seine Leute die fieberverseuchte Amazona-sebene hinter sich gebracht und den Fu der Andenerreicht hatten. Sie hatten Gebiete berhrt, die nochniemals eines weien Mannes Fu betreten, geschwei-ge denn wieder verlassen hatte. Doch nun, nach al-len Mhen und Strapazen, war es endlich soweit: DieGrenze des ewigen Dschungels war erreicht, das Fie-ber blieb zurck, und von jenseits des Wasserfalles herwehte eine frische, khle Luft zu ihrem Lager herab.

    Es war eine mhselige Arbeit gewesen, das leichtePlastikboot bei den zuletzt immer fter vorkommen-den Wasserfllen die natrlichen Stufen zum Uferrandemporzutragen, die Lebensmittel und anderen Vorr-te nachzuholen und sich der gelegentlichen Angriffeheimtckischer Blasrohrschtzen zu erwehren.

  • Wanderer zwischen drei Ewigkeiten 12

    Aber nun hatten sie es endlich geschafft!

    Die indianischen Begleiter lagerten ein wenig ab-seits vom Feuer, nur Holzmann, sein Assistent Dil-linger und die Tochter des Professors, Waltraud Holz-mann, wrmten ihre Hnde an den zngelnden Flam-men.

    Merkwrdig, wie khl es geworden ist, wundertesich Dillinger zum wiederholten Male. Den ganzenTag schwitzt man wie ein Affe, und jetzt, am Abend,erfriert man fast.

    Das kommt uns nur so vor, belehne ihn Holzmanngeduldig. In Wirklichkeit sind es immer noch zwan-zig Grad Wrme. Aber zugegeben, die Luft ist frischerals unten in der sumpfigen Ebene des Amazonas. Die-ser Nebenflu kommt aus dem Gebirge und sein Was-ser ist noch kalt. Sein Lauf ist zu schnell und zu kurz,um schon richtig gewrmt zu sein.

    Das Mdchen nickte zustimmend.

    So ist es. Aber ich bin froh, da wir den Dschungelhinter uns haben und die Indianer. Ich glaube, diehaben noch niemals einen Weien vorher gesehen.

    Da kannst du recht haben, Wally. Es sind nochnicht viele Expeditionen so weit vorgedrungen wiewir, wenigstens nicht mit unseren primitiven Mitteln,Aber ich wollte es ja auch mit dem Boot allein schaf-fen, wie in alten Zeiten, Mit dem Flugzeug kann jederdas Amagonasgebiet berqueren, aber nicht mit demKanu. Ich glaube, wir sind ziemlich pnktlich, undwenn Mair mit dem Flugzeug kommt, wird er uns miteiner reichen, wissenschaftlichen Ausbeute vorfinden.Wir haben fast noch zwei Wochen Zeit,

    Wir htten eigentlich doch einen Sender mitneh-men sollen, gab Dillinger zu bedenken. Stellen Siesich vor, es wre uns etwas zugestoen, Niemand httedavon erfahren und niemand htte uns geholfen.

    Unntiger Ballast! lehnte Holzmann ab, Auer-dem htte es nicht der Tradition entsprochen, unterderen Gesichtspunkten meine Expedition stattfindensollte. Nicht einmal Filmgert haben wir dabei, nureinen alten Fotoapparat. Das einzige, was wir von derZivilisation nicht missen wollten, waren die Waffen,die Konserven und das praktische und leichte Plastik-boot. Doch warum die Sorgen jetzt, Dillinger? Habenwir denn nicht alles hinter uns?

    Der Assistent nickte lchelnd.

    Gott sei Dank, Bo! Aber wir haben unsere Fieber-tabletten und Schnellfeuerpistolen recht gut gebrau-chen knnen. Ohne beides ich wei nicht, ob wirda hier sen.

    Wir hatten uns zu wehren, sagte Holzmann. Eswaren Wilde, die uns als Eindringlinge betrachteten.Da sie uns tten wollten, muten wir ihnen zuvorkom-men. Ich mach mir da nicht viel Vorwrfe. Das hrtsich hart an, ist es aber nicht. Doch nun sind wir vorihnen sicher, denn sie verlassen ihre Niederungen undden Schutz des Urwaldes nicht. Hier oben wrden sie

    sich unsicher fhlen, denn der Wald ist stark gelichtet,er wuchert nicht mehr so ppig.

    Dillinger stocherte im Feuer herum.Ich gehe schlafen, Bo. Mein Zelt lockt mich

    auerdem bin ich tatschlich mde. Morgen werdenwir weitersehen. Gute Nacht! Gute Nacht, Wally!

    Gute Nacht, Fred! Schlafen Sie gut!Er erhob sich und kroch in sein winziges Einmann-

    zelt. Wally schlief zusammen mit ihrem Vater in einemetwas greren Zelt, whrend die Indianer nachts umdas Lagerfeuer hocken blieben, Wache hielten und ab-wechselnd schliefen.

    Holzmann zeigte in Richtung des Wasserfalles,dann fluaufwrts.

    Das war der letzte. Von nun an geht es leichter.Morgen erreichen wir das Plateau, das Mair ausfindigmachte, Morgen werden wir wissen, ob es jemals soetwas wie weie Indianer gegeben hat.

    Wally ghnte.Ich bin mde. Lassen wir die weien Indianer bis

    morgen? Holzmann lchelte, Einverstanden. Es sollmich wundern, wenn wir morgen nicht einige berra-schungen erleben.

    Er wute nicht, wie recht er damit hatte...

    *

    Holzmann sa vorn im Bug des Bootes und betrach-tete die stndig wechselnde Landschaft mit neugieri-gen Forscherblicken. Besonders den einzeln stehen-den Felsen galt seine Aufmerksamkeit und man sahihm an, da er gern bei jeder Gelegenheit angehaltenhtte, um das Gestein einer nheren Untersuchung un-terziehen zu knnen. Aber man wollte ja weiterkom-men, um in der kurzen noch verbleibenden Zeit biszum Eintreffen des Flugzeuges lohnendere Objektivein Augenschein zu nehmen.

    Es wurde Mittag und man legte eine kurze Rast ein.Die Sonne brannte vom Himmel, und selbst das Schat-tensegel konnte die unertrgliche Hitze nicht herab-mindern. So suchte man Schutz unter den schattigenZweigen eines dicht am Ufer stehenden Baumes.

    Die beiden Eingeborenenkanus befanden sich imSchlepptau. Bei der ruhigen Strmung war der Motordes Plastikbootes stark genug, auch sie mitzuziehenund somit den Indianern das anstrengende Rudern zuersparen.

    Wir fahren noch zehn oder zwanzig Meilen, dannmachen wir Schlu fr heute, gab der Professor be-kannt. Dort vorn in der Ebene erhebt sich eine hoheFelseninsel. Ich mchte sie besichtigen.

    Dillinger beobachtete den fast quadratischenBrocken durch den Feldstecher. Wuchtig und heraus-fordernd lag er da, als beherrsche er das ganze Gebietbis zu den nahen Anden, deren schneebedeckte Gipfelam Horizont frmlich in der Luft zu schweben schie-nen. Er war kahl und verriet einen schweren Aufstieg,

  • 13 TERRA

    doch seine Oberflche, vielleicht zweihundert Meterber der Ebene, war mit Wald bedeckt.

    Was hoffen Sie dort zu finden? fragte der Assi-stent.

    Einen Augenblick zgerte Holzmann, dann sagte er.

    Wenn es hier jemals ein hher entwickeltes Volkgegeben hat, so auf einer dieser merkwrdigen Fel-seninseln. Das war fr sie der beste und natrlichsteSchutz gegen ihre Feinde. Und jene Insel dort scheintmir die grte zu sein, der wir bisher begegneten.Mein Entschlu steht fest: ich mchte sie besichti-gen!

    Wally betrachtete die Felseninsel durch den Feld-stecher. Ihre Augen leuchteten.

    Ich scheue die Anstrengung nicht, da hinaufzuklet-tern, sagte sie begeistert. Wer wei, was wir allesentdecken werden...

    Urwald was denn sonst? wunderte sich Dillin-ger. Ich bin schon recht froh, wenn wir keinem India-ner begegnen.

    Aber das, was sie hinterlieen, interessiert unsdoch, warf Wally ein. Vater ist Forscher, das ver-gessen Sie wohl?

    Dillinger mochte einsehen, da er einen Fehler be-ging. Also beschwichtigte er schnell:

    So habe ichs nicht gemeint, Wally. Natrlich binich mit von der Partie, wenn wir das Bergelchen be-steigen. Nehmen wir die Indios mit?

    Nein, das ist nicht notwendig. Die sollen das Bootbewachen, erklrte der Professor. Wenn wir uns un-sere Waffen mitnehmen, besteht kaum eine Gefahr. Ichglaube nicht, da wir Menschen begegnen werden, ob-wohl doch hier das Klima ertrglich scheint.

    Nach drei Stunden eintniger Flufahrt erreichteman einen Bach, der aus der Inselrichtung kam undin den greren Flu mndete. Man fuhr ihn einigeKilometer hinauf, dann wurde das Wasser zu seicht.

    In einer kleinen Bucht ging man vor Anker und er-richtete das Lager.

    Dillinger uerte Zweifel.

    Ist es fr die Landexpedition nicht bereits zu spt?Der Flu des Tafelberges liegt gut zwei Kilometer ent-fernt, wir wrden also in einer halben Stunde dort an-kommen. Aber der Aufstieg scheint schwierig zu sein.Heute schaffen wir das nicht mehr vor Dunkelwerden,wenigstens dann nicht, wenn wir den Rckweg einbe-ziehen.

    Wir werden oben bernachten, entschied der Pro-fessor, den ein heiliger Eifer gepackt hatte. Dann ha-ben wir morgen den ganzen Tag zur Verfgung, dasPlateau zu erforschen. Wrden wir erst morgen auf-brechen, bliebe uns nur der halbe.

    Dillinger fgte sich schweigend.

    Eine Viertelstunde spter marschierten sie los.

    *

    Eine Stunde vor Beginn der Dmmerung erreich-ten sie heil und gesund nach verhltnismig leichtemAufstieg das Plateau.

    Der Blick auf die Ebene, bis hinab zu den Niederun-gen des Amazonas, war berwltigend. Ein leichtesFlimmern verriet noch die Hitze, die ber dem Landelagerte, und der Dunst ber dem Dschungel des Ama-zonas lie die fiebergeschwngerte Luft ahnen. Hieroben dagegen wehte ein khler und frischer Wind.

    Dicht am steil abfallenden Rand des Plateaus be-gann bereits der Wald, nicht so dicht wie am Amazo-nas, aber dichter als drunten in der Ebene. NatrlicheWildpfade fhrten in ihn hinein und forderten zu ei-nem Spaziergang auf.

    Gehen wir gleich los? wollte Dillinger wissen.

    Der Professor sah sich suchend um. Wir mssendiese Stelle wiederfinden, und ich halte es nicht frratsam, da wir uns trennen. Wir knnen irgendwo imWald bernachten und morgen zurckkehren. Dort derDoppelbaum kann als Erkennungszeichen dienen, erist unverkennbar. Mit Hilfe des Kompasses drfte esleicht sein. Also worauf warten wir noch?

    Der Marsch war leichter als vermutet. Nur gerin-ges Unterholz erschwerte das Weiterkommen, der Bo-den war trocken und nur hier und da muten sie einenschmalen Bach berqueren.

    Allmhlich wurde es dmmerig und in wenigen Mi-nuten wrde es dunkel sein. Da sich jedoch der Waldzu lichten begann, beschlo man, noch einige hundertMeter weiter zu gehen, um so vielleicht eine freie Stel-le fr das Lagerfeuer zu finden.

    Sie erreichten den Waldrand und somit eine groeLichtung.

    Eine Lichtung mitten auf der Felseninsel, wie ge-schaffen, ein Lager einzurichten. Dillinger atmete er-leichtert auf, Ein idealer Platz, Professor. Wir solltennicht weitergehen.

    Aber Holzmann gab keine Antwort. Lauschendstand er da, den Kopf leicht geneigt. Auf seiner Stirnbildete sich eine steile Falte.

    Hren Sie nichts? fragte er dann, immer noch lau-schend.

    Dillinger betrachtete ihn aufmerksam und strengtedann seine Ohren an. Jetzt vernahm er es auch.

    Irgendwo in der Luft war ein feines Summen, kaumzu hren und sehr fern. Aber es war da, so regelmigund so monoton, da es ihm zuerst gar nicht aufge-fallen war. Wally schien es jetzt auch zu hren, dennreglos stand sie da, auf die Lichtung hinausblickend.

    Inzwischen war es vollstndig dunkel geworden,und alle drei Menschen zuckten erschrocken zusam-men, als pltzlich ein Licht vor ihnen aufflammte. Esmochte fnfhundert Meter entfernt sein, mitten auf derLichtung. Auf keinen Fall sahen sie den Schein einesLagerfeuers, sondern das Licht war zweifellos elektri-schen Ursprungs. Es strahlte wie eine kleine Sonne,

  • Wanderer zwischen drei Ewigkeiten 14

    wurde dann aber schwcher und leuchtete nur nochgedmpft, als wolle man verhten, da es zu sehr nachoben fiel. Das Summen hrte aber nicht auf.

    Atemlos warteten die drei, aber nichts weiter gesch-ah.

    Wir sollten nher herangehen, vielleicht entdeckenwir etwas ganz Auergewhnliches. Glauben Sie, Pro-fessor, da heute noch Reste einer verschollenen Zivi-lisation hier existieren knnen? Man sagt doch, die At-lanter htten bereits Fluggerte besessen. Warum nichtauch Maschinen?

    Ihre Vermutung ist ungeheuerlich, gab Holzmannflsternd zurck, aber nach dem, was wir nun sehenund hren, nicht mehr ganz von der Hand zu weisen.Gehen wir nher heran, das Licht weist uns den Weg.Aber vorsichtig, und nicht mehr sprechen. Wally, dubleibst in der Mitte, Dillinger deckt uns den Rcken.

    Sie setzten sich in Bewegung, langsam und z-gernd, und doch von einem inneren Drang getrieben,der allen wahren Forschern zu eigen ist, ganz gleich,ob eine Gefahr droht oder nicht.

    Das Gras reichte bis zur Brust, aber es war nicht sodicht, um ein ernsthaftes Hindernis zu bilden. Holz-mann trat einen Pfad, und die anderen folgten ihm imGnsemarsch.

    Das Licht und das Summen schien nher zu kom-men.

    Pltzlich blieb Holzmann stehen und wartete, bisdie Nachfolgenden gegen ihn prallten.

    Pst! machte er warnend und legte die Finger aufdie Lippen, obgleich niemand das zu sehen vermoch-te. Da vorn!

    Obwohl seine Worte nur ein Hauch waren, wurdensie verstanden.

    Atemlos und schweigend standen sie alle reglos dain der Nacht und versuchten, die Dunkelheit vor sichzu durchdringen. Natrlich, man sah das glockenfr-mige Licht, aber mehr auch nicht.

    Oder doch...?Ja, die Augen gewhnten sich daran, Gegenstn-

    de zu erfassen, die hinter der Lichtglocke lagen. Undzweifelsohne befand sich dort ein langgestrecktes, ab-gerundetes Gebude. Es schimmerte nicht etwa imGlanz des Lichtes, sondern schien im Gegenteil alleHelligkeit in sich aufzusaugen. Dadurch sah es aus, alssei das Gebilde vollkommen schwarz, noch schwrzerals der ohnehin dnke Hintergrund.

    Wie Schatten bewegten sich einige Menschen hinund her.

    Der Professor sackte ein wenig zusammen undmachte mit den Hnden Zeichen nach hinten.

    Vorsichtig und auf allen vieren kriechend schlichensie weiter, das heller werdende Licht als Richtungs-weiser benutzend. Allmhlich konnte man wennman sich aufrichtete Einzelheiten erkennen.

    ber ihren Kpfen war pltzlich ein feines Rau-schen, dann ein helles Summen. In den Lichtschein

    hinein schwebte ein fast kreisfrmiges Objekt, senk-te sich langsam herab und landete dicht neben demschwarzen Gebude.

    Holzmann traute seinen Augen nicht, als er bemerk-te, da der runde Gegenstand die Erde nicht berhrte,sondern einen halben Meter ber ihr reglos verharrte.Und als ein Mann gebckt hervortrat, mit einer ein-fachen Handbewegung das runde Ding ganz zur Er-de niedergehen lie und seinen Kollegen begrte, dervor einem komplizierten Gebilde stand und Skalen be-trachtete, glaubte Holzmann die Wahrheit erkannt zuhaben.

    Unendlich vorsichtig wandte er den Kopf nach hin-ten und hauchte ergriffen:

    Besuch aus dem Weltraum, Dillinger! Es ist einefliegende Untertasse! Wer htte das geglaubt...?

    Dillinger war viel zu realistisch eingestellt, umHolzmanns Vermutung gleich als Tatsache zu akzep-tieren.

    Unsinn, Professor! Bestimmt Versuche einer Re-gierungsstelle, die geheimgehalten werden sollen. Ichbekomme allmhlich Bedenken, ob wir uns zeigensollen. Man kann uns fr Spione halten. Ziehen wiruns zurck, so lange es noch Zeit ist.

    Zurckziehen? Ohne Gewiheit erhalten zu ha-ben?

    Die Gewiheit, auf ewig in einem Gefngnis sit-zen zu mssen, wrde Ihnen auch nicht viel ntzen,gab der Assistent zurck. Ich schlage vor, wir ma-chen, da wir hier fortkommen, und zwar so schnellwie eben mglich!

    Noch zgerte Holzmann.

    Der Lichtschimmer war wie ein Zaun, so scharf ab-gegrenzt durchschnitt er die Dunkelheit der Nacht.

    Vielleicht war es ein Zaun...!?

    Er war nur noch wenige Meter entfernt. Ob mannicht wenigstens versuchen sollte, ihn zu erreichen?

    Schon wollte er weiterkriechen, um die letzten Me-ter bis zur Lichtgrenze zurckzulegen, da begann derMann, der mit der Fliegenden Untertasse gekommenwar, zu sprechen.

    Zum grenzenlosen Erstaunen Holzmanns sprachder Mann Englisch, wenn auch mit einem unverkenn-baren Akzent. Wahrscheinlich hatte er lange im Aus-land gelebt.

    Hallo, Grudat, was mu ich sehen? Sie haben balddas Ergebnis? Wie lange dauert es denn noch?

    Keine Ahnung, gab der Wchter des Metallblockszurck. Das Ergebnis kann heute, aber auch erstin vier Wochen vorliegen. Ich habe Schwierigkeiten,weil mir unsere Anlage zu kompliziert erscheint, eineverhltnismig einfache Sache zu bewltigen. Es istgenauso wie mit den Radiosendungen, die wir nichtaufnehmen knnen.

    Was wrden Sie bentigen?

  • 15 TERRA

    Ein normales, einfaches Elektronengehirn, wie esheute jederzeit und berall gebruchlich ist. Wenn Sieetwas Derartiges besorgen knnten, Gnter, wre unsgeholfen.

    Das begreife ich noch nicht, Grudat.

    Ich gebe zu, da es paradox scheint, aber es istnun einmal Tatsache. Zur Bestimmung des Zeitstro-mes gengt normalerweise der Anzapfer den ha-ben wir. Zur Umrechnung jedoch ist Robby zu kom-pliziert, verstehen Sie das? Robby ist gewohnt, mitganz anderen Zahlen zu jonglieren. Hinzu kommt, daer mit tatschlichen Gegebenheiten rechnet, aber nichtmit relativen Begriffen, die nichts als vage Vorstellun-gen fr ihn sind. Er kann nun einmal eine hypotheti-sche Annahme nicht in nchternen Zahlen ausdrcken wenn Sie mich da verstehen.

    Der andere nickte.

    Ja, jetzt glaube ich zu verstehen, was Sie meinen.Aber Sie werden doch nicht behaupten wollen, da eineinfaches Gehirn von heute, lngst nicht so entwickeltwie die uns bekannten und gelufigen Gerte, diese frRobby unlsbare Aufgabe bewltigen wird.

    Natrlich behaupte ich das! Allerdings nur mit Hil-fe einer Kombinationsverbindung mit einigen TeilenRobbys.

    Der Mann aus der Fliegenden Untertasse nicktenoch einmal vor sich hin, dann wandte er sich zum Ge-hen. In der dunklen Wand des langen Gebudes ffne-te sich eine Tr, helles Licht erstrahlte fr Sekunden,dann war er verschwunden.

    Zurck blieb nur der Fremde an der Maschine.

    Holzmann lag reglos und berdachte das Gehrte.Was tat man hier in dieser Einsamkeit? Den Zeitstrombestimmen? Was war denn nun das wieder fr ein Un-sinn?

    Unwillig kroch Holzmann weiter und erreichte dieLichtgrenze. Er packte seine Waffe fester und schobsich weiter vor.

    Im gleichen Augenblick geschah es.

    Sein Kopf stie gegen ein unsichtbares Hindernis,das genau dort vorhanden sein mute, wo die Gren-ze zwischen Dunkel und Licht verlief. Gleichzeitigverstrkte sich das immer gegenwrtige Summen undwurde zu einem infernalischen Heulen, 8as fast kr-perlich wehe tat.

    Holzmann fhlte eine merkwrdige Starre, die sichauf seinen ganzen Krper erstreckte und ihn derartlahmte, da er keine Bewegung mehr machen konn-te. Er wute nur noch, da er in sich zusammensackte,und da Wally sich mit einem Aufschrei ber ihn warf,als wollte sie ihn schtzen.

    Dann wurde es schwarz um ihn.

    *

    Die FORTUNA hatte auf dem einsamen Plateau ge-nau den Platz gefunden, den sie zur Landung bentig-te. Die Lichtung besa einen Durchmesser von fast ei-nem Kilometer, so da das Schiff gengend Platz hatteund sogar waagerecht landen konnte. Nun lag es schoneinige Tage in dem hohen Gras im Schtze des Urwal-des, der nur von tropischen Pflanzen und einigen Tier-arten belebt war. Menschen gab es hier oben nicht.

    Grudat hatte mit Hilfe des Schwerkraftkranes Rob-by aus dem Schiff geholt und drauen aufgebaut. Derstndig wirksam bleibende Energieschirm lag wie ei-ne Glocke ber dem Schiff und dem Landeplatz, soda niemand unbemerkt eine Annherung versuchenkonnte.

    Gnter hatte von Maxwell die Aufgabe erhalten,die Erde und ihre Bewohner mit Hilfe des Beibootesregelmig zu beobachten, damit jede berraschungausgeschlossen blieb. Der Hauptgrund fr die Beob-achtung jedoch war, die geschichtlichen Kenntnisseaus eigener Erfahrung aufzufrischen. Spter, wenn siein ihre Gegenwart zurckgekehrt waren, wrde ihr Be-richt die Sensation des Jahrhunderts werden. Schlie-lich war es bisher noch niemandem gelungen, nach ei-nem milungenen Raumsprung zurckzukehren, aberalle Anzeichen wiesen darauf hin, da mehr als ein-mal in die Vergangenheit geworfene Schiffe die Erdeaufgesucht und berflogen hatten. Blieb nur die Fra-ge zu klren: was hatten sie dann getan? Wo befandensie sich jetzt, wenn ihnen die Rckkehr versagt geblie-ben war? Wo befanden sie sich? In der Vergangenheit,in der Gegenwart? In der Zukunft? Oder gar in einemanderen Raum?

    Gnter dachte ber diese Fragen nach, als er in dieFORTUNA kletterte, um dem Kommandanten Berichtzu erstatten. Er kam in die Zentrale und blieb erstauntan der Schwelle zu dem Kuppelraum stehen.

    Maxwell stand in gespannter Haltung vor dem Bild-schirm und beobachtete das, was vor ihm aufging.Schweigend trat Gnter hinzu und erschrak.

    Der Bildschirm war mit einer Kreiselkamera ver-bunden, die unentwegt im Kreise herumschwang undalle Geschehnisse aufzeichnete, die sich rings um dasSchiff in einem bestimmten Abstand abspielten. Ge-nau den Rand zwischen Energieschirm und Auen-welt tastete sie ab, langsam und abwartend. Eine elek-tronische Einrichtung sorgte dafr, da bei der ge-ringsten Bewegung innerhalb des eingestellten Sek-tors verharrte.

    Das war nun geschehen.Dort hinter dem schwach schimmernden Energie-

    vorhang lauerte ein Mann. Deutlich war sein Gesichtzu erkennen, das ihn als Europer oder Amerikaneridentifizierte, auf keinen Fall aber als Eingeborenen.Dicht hinter ihm wurden zwei weitere Gestalten sicht-bar, ein noch junges Mdchen und ein Mann.

    Alle drei lagen dicht vor der Grenze des Lichtes undes schien, als stritten sie sich. Dann schob sich der er-ste Mann weiter vor, dem Licht entgegen.

  • Wanderer zwischen drei Ewigkeiten 16

    Maxwell griff seitwrts zu dem Hebel und verschobdiesen um einige Zentimeter.

    Sie scheinen nicht gerade feindlich eingestellt zusein, nur eben neugierig. Es hat wenig Sinn, sie durchden Schirm zu tten. Die jetzige Kapazitt wird sie be-tuben, sobald sie den Schirm berhren. Dann mssenwir sehen, was wir mit ihnen anfangen.

    Gnter betrachtete das Mdchen mit besonderemInteresse. Sie war hbsch und jung und anziehend. IhrGesichtsausdruck verriet Mut und Ausdauer, aber erkonnte sich vorstellen, da es auch zrtlich und lie-bevoll sein konnte. Ob der eine Mann zu ihr gehrte?Dem Alter nach konnte es sein, denn der vordere derbeiden Mnner schien zu alt.

    Und dann geschah es.

    Der ltere berhrte mit der Stirn den Energieschirmund wurde durch den erfolgenden Schlag regelrechtzurckgeworfen und betubt. Das Mdchen warf sichber den Krper des ihrer Meinung nach Toten undverriet somit eine enge, menschliche Bindung.

    Vielleicht der Vater?

    Gnter wandte sich an Maxwell.

    Wir mssen zu ihnen gehen, damit sie erfahren,da der Mann nicht tot, sondern nur in eine todeshnli-che Starre gefallen ist. Bei der Gegenbehandlung kanner in wenigen Minuten wieder wohlauf sein. Ich werdegehen.

    Er beeilte sich. So schnell er konnte, eilte er durchden Gang, vorbei an einigen Mitgliedern der Besat-zung, die neugierig aus ihren Kabinen schauten. Miteinem Satz befand er sich im Freien und blieb einenAugenblick bei Grudat stehen.

    Wir haben Besuch, sagte er.

    Schon bemerkt, gab Grudat zurck. Scheinbaraber keine Ahnung, was ein Energieschirm ist. Wol-len Sie hin?

    Gnter gab keine Antwort. Er tat einige Schritte aufdie Grenze des Energieschirmes zu und blieb danndicht vor der Gruppe stehen. Mit Unbehagen sah er,wie der am weitesten hinten liegende Mann eine alt-modisch wirkende Waffe gegen ihn richtete und sagte:

    Kommen Sie nicht nher! Was soll das Theater?Sie haben den Professor niedergeschossen.

    Gnter schttelte den Kopf und protestierte:

    Unsinn! Er lief gegen eine Energiesperre, das istalles. Er ist nur betubt und kommt gleich wieder zusich.

    Das Mdchen hob den Kopf und sah ihn an. Ausihren Augen strahlte etwas Undefinierbares, von demGnter nicht zu sagen vermochte, was es war. Erstesflackerndes Hoffen war ebenfalls in ihnen, und dasfreute Gnter besonders.

    Haben Sie keine Angst, bitte. Ich glaube, es waralles nur ein Miverstndnis. Kommen Sie, helfen Siemir, Ihren Professor zum zum Haus zu bringen. Erbentigt rztliche Hilfe.

    Es ist mein Vater, sagte das Mdchen, und beimKlang ihrer Stimme wre Gnter fast zusammenge-zuckt. Wie bekannt sie ihm vorkam aber das war jaUnsinn!

    Der andere Mann hatte seine Waffe sinken lassen.

    Energiesperre? dachte er laut ber das nach, wasGnter gesagt hatte. Ist dies hier ein Laboratorium?

    Man kann es so nennen, zgerte Gnter umSekunden. Dann gab er mit der Hand ein Zeichennach hinten. Sofort sank die schimmernde Lichtkup-pel in sich zusammen, und zwischen ihm und den dreifremden Menschen befand sich kein Hindernis mehr.Kommen Sie, ich helfe Ihnen. Und Sie, junger Mann:keine Dummheiten mit Ihrem veralteten Schieknp-pel. Solche Dinger benutzte man im Mittelalter.

    Dillinger betrachtete zweifelnd sein modernes Ge-wehr.

    Eine Viertelstunde spter richtete sich ProfessorHolzmann seufzend auf und betrachtete die ihn Um-stehenden mit verstndnislosen Blicken, dann erst ent-sann er sich dessen, was vorgefallen war. Ein Leuchtenging ber seine Zge.

    Groartig, Ihre Energiewand! Ich bin glatt davor-gelaufen. Aber wer rechnet denn auch mit so etwas.Sie experimentieren hier im Auftrag der Regierung?Nun, ich will nicht neugierig sein, aber drfen Sie mirverraten, im Auftrag welcher Regierung?

    Gnter blickte Maxwell an, der hinzugekommenwar.

    Der Kommandant rusperte sich.

    Leider ist das geheim, daher verzeihen Sie mir,wenn ich Ihnen keine Auskunft geben kann. Eben-so mu ich jede Auskunft ber die Art unserer For-schungsarbeit verweigern. Sie knnen froh sein, wennwir Sie in die Zivilisation zurckbringen. Was tun Sieberhaupt hier?

    Holzmann betrachtete Maxwell, als habe er einenseltenen Kfer vor sich, was in gewisser Hinsicht auchstimmte. Dann meinte er:

    Wir sind Forscher, mein Herr. Meine Speziali-tt sind versunkene Kulturen und besonders Zivili-sationen. Ich hatte schon gehofft, wenn ich ehrlichsein darf, hier auf der Felseninsel Reste einer einst-mals hervorragenden Zivilisation zu finden. Leiderentpuppte sich nun meine Entdeckung als eine gehei-me Forschungsstation einer mysterisen Regierung.Und die Welt wei nichts davon?

    Maxwell schttelte den Kopf.

    Sie darf es auch nicht wissen. Wir werden Sie erstdann wieder freilassen knnen, wenn unsere Arbeitenhier beendet sind.

    Holzmann sah von seiner Tochter zu Dillinger.

    Was meinen Sie dazu?

    Der Assistent nickte.

  • 17 TERRA

    Was bleibt uns anderes brig? Regierungen sindimmer strker als ihre Brger. Wenn wir in die Zivi-lisation zurckkehren, werden wir die ffentlichkeitschon entsprechend unterrichten.

    Das steht Ihnen selbstverstndlich frei, entgegne-te Maxwell zur malosen berraschung des Forscher-teams. Damit hatte niemand gerechnet, am allerwenig-sten Dillinger selbst.

    *

    Maxwell, Grudat und Gnter waren zu einer Be-sprechung zusammengekommen.

    Grudat erffnete die Sitzung.

    Es gengt ein kleines Elektronengehirn, wie es ingroen Bankhusern frher blich war eh heuteblich ist. Freiwillig wird man es uns kaum geben, al-so mssen wir eins stehlen. Meinen bisherigen berle-gungen nach kann der rckwrtige Verlauf des Prozes-ses, durch den wir in die Vergangenheit geworfen wur-den, nur whrend des kurzen Augenblicks erfolgt sein,in dem wir uns entmaterialisierten. Falls dieser Prozebei unserer Rckkehr normal verluft, berwinden wirzwar den Raum, nicht aber die Zeit. Wir wrden al-so vielleicht 200 Lichtjahre entfernt aus der Transiti-on herauskommen, aber in der jetzigen Gegenwart. Esgeht also auch darum, diesen Proze wieder unnormalverlaufen zu lassen, allerdings im umgekehrten Sinnewie zuvor.

    Und Sie glauben, da wir es schaffen? fragteGnter.

    Grudat nickte heftig.

    Selbstverstndlich, denn es ist mir gelungen, dieUrsache des Fehlers festzustellen. Eine Umpolung ge-ngt, und er wiederholt sich allerdings, wie schongesagt, im umgekehrten Sinne. So genau wird sich al-lerdings die Zeitspanne nicht berechnen lassen und eskann geschehen, da wir zwei oder drei Jahre spterherauskommen. Aber das wre immer noch besser, alszwei oder drei frher. Es wre mir peinlich, mir selbstzu begegnen. Wie sollte ich das meinem anderen Ich,das noch nichts davon wei, erklren?

    Maxwell grinste schwach. Er schien sich vorzustel-len, wie Grudat I dem Grudat II den Sachverhalt aus-einanderzusetzen versuchte. Dann meinte er:

    Das primitive Elektronengehirn ist also die Lsungunseres Problems? Eine Schande, da uns Robby nichthelfen kann.

    Er ist zu vollkommen! beendete Grudat die De-batte kurz und schmerzlos. Also: wie kommen wir anso ein kleines Gehirn, das uns die Angaben errechnenkann? Der Zeitstromanzapfer arbeitet, aber Robby rea-giert nicht. Das kleine Gehirn wrde uns das Ergebnisbringen knnen.

    Sie hingen einige Minuten ihren Gedanken nach,dann sagte Gnter sachlich:

    Ich werde es versuchen. Mit Hilfe des Strahlerswird es mir gelingen, jede Tr zu ffnen. Auerdemnehme ich den kleinen Handneutralisator mit, der dasGehirn gewichtlos macht. Im Boot ist Platz genug.Aber es wre vielleicht besser, ich wrde zunchst ein-mal auskundschaften, wo so ein Ding steht.

    Sie meinen, sich ganz unauffllig unter die Bewoh-ner mischen und spionieren? erkundigte sich Max-well erschrocken. Wenn Sie nun erwischt werden?

    Gnter lchelte.

    Kaum. Ich werde als Beauftragter einer groenFirma reisen und versuchen, den Husern elektroni-sche Gehirne anzubieten. Wo eins vorhanden ist, wirdman mich abwimmeln. Und da werden wir es dannspter auch holen, wenn die Lage gnstig ist. Meinehbsche Sekretrin wird das ihre dazu tun, da manmich hflich behandelt.

    Sekretrin? schnappte Grudat nach Luft. SeineAugen waren kugelrund vor Erstaunen.

    Nun, Mi Holzmann, meine ich. Wenn sie mirhilft, verspreche ich ihr den sicheren Rcktransport indie Zivilisation. Sie haben den Vater, Maxwell, alsowird sie uns schon den Gefallen tun.

    Weibergeschichten! knurrte Maxwell zweifelnd.Man sollte die Finger von den Frauen lassen, die brin-gen nur Unheil!

    Vielleicht sind die Frauen von der Vergangenheitbesser als unsere heutige Generation, vermutete Gn-ter lchelnd. Keine Sorge, ich werde mir schon dieFinger nicht verbrennen.

    Na gut, versuchen Sie es! stimmte Maxwell zu.

    Morgen! versprach Gnter. Erst mu ich mitdem Mdchen reden. Und das tat er.

    *

    Das kleine Labor der FORTUNA hatte ihnen ausge-zeichnete Psse und Ausweispapiere besorgt. Damitversehen drangen sie am anderen Vormittag bis zumSekretariat einer angesehenen Bank vor.

    Der Geschftsfhrer erkundigte sich nach ihremAnliegen.

    Bedaure, teilte er ihnen dann hflich mit, aberwir besitzen ein ausgezeichnetes Gert der EasternElectric, mit dem wir vollauf zufrieden sind. Es be-findet sich oben in der Rechenzentrale.

    Gnter konnte es kaum fassen, da in gewissemSinne seine Aufgabe bereits erledigt war.

    Drfte ich sie sehen? fragte er den elegantenHerrn, der so aussah, als wolle er gleich zu einemdiplomatischen Empfang gehen. Sie mssen meineNeugierde verstehen, aber es wrde mich interessie-ren zu erfahren, um welches Modell und Baujahr essich handelt. Sie ersehen aus meinen Papieren, da ichFachmann bin.

    Der andere zgerte.

  • Wanderer zwischen drei Ewigkeiten 18

    Sie sehen aber doch, da wir keinen Bedarf ha-ben...

    Nein, ich habe nicht mehr die Absicht, Ihnen einenelektronischen Rechner zu verkaufen. Aber sehenSie diese Gerte sind fr mich nicht nur Beruf,sondern auch Hobby. Auerdem soll statistisch fest-gestellt werden, welche Gehirne sich augenblicklichauf dem Markt, und welche sich in Betrieb befinden.Meist handelt es sich doch um ltere Typen.

    Oh, da irren Sie, Herr Herr Gnter. Unser Mo-dell ist das neueste, was es zur Zeit auf dem Marktgibt. Er sah Gnters zweifelndes Gesicht und fhltesich an der Ehre gepackt. Kommen Sie, ich werde esIhnen zeigen. Es ist leicht, nimmt wenig Platz ein undist praktisch vollkommen. Kommen Sie, ich fhre Sie.Es ist allerdings im obersten Stockwerk.

    Gnter fand das uerst gnstig. Er nickte Wally zuund folgte dem Geschftsfhrer zum Lift.

    Er konnte nicht umhin, wenige Minuten spter dasfast zierlich wirkende Elektronengehirn gebhrend zubewundern. Daraus also, so dachte er flchtig, hattesich spter einmal Robby entwickelt? Wirklich er-staunlich!

    Mehr als das Gehirn betrachtete er seine Umge-bung, und er stellte fest, da es ein leichtes sein wrde,nachts auf dem Dach des Wolkenkratzers zu landen,hier einzubrechen und das Ding zu stehlen. In einerhalben Stunde konnte alles erledigt sein, vielleicht so-gar schneller. Eine Alarmanlage gab es wohl kaum, dadie Gelder in den Gewlben unter der Erde lagerten wenn berhaupt.

    Er dankte dem Bankangestellten herzlich, gnnteihm einen aufmunternden Blick von Wally und ver-abschiedete sich dann freundlich.

    Auf der Strae angekommen, hakte er sich bei Wal-ly ein.

    So, damit htten wir einen ganzen freien Tag voruns, Mi Holzmann was fangen wir damit an?

    Wally machte sich mit einem Ruck von seinem Armlos.

    Wieso frei? Ich denke, wir wollen noch andereBankhuser aufsuchen?

    Nein, dieses eine gengt vollauf. Er zog einenStadtplan aus der Tasche, den er eben noch an ei-nem Kiosk gekauft hatte selbst das Herstellen vonFalschgeld war nach entsprechender Vorlage kein Pro-blem fr Grudat gewesen und bezeichnete dasBankgebude. Das Haus ist leicht wiederzufinden auch in der Nacht.

    Wally schttelte den Kopf.

    Ich verstehe berhaupt nichts mehr. Wollen Sievielleicht dort einbrechen? Vielleicht das Elektronen-gehirn entwenden?

    Gnter grinste.

    Wenn Sie jetzt sehr brav sind und mir die Freu-de machen, einen netten Tag mit Ihnen zu verleben,

    dann erzhle ich Ihnen alles. Also: was mchten Sieam liebsten?

    Sie betrachtete nachdenklich die Auslagen einesGeschftes fr Sportartikel und den irrsinnigen Ver-kehr auf der Strae.

    Wenn ich ehrlich sein soll: mich treibt nur die Neu-gierde dazu, Ihnen nachzugeben. Aber bilden Sie sichnicht ein...

    Schon gut, Wally. Also: was stellen wir an?

    *

    Das Unternehmen gelang, und bereits am anderenTage begannen die Experimente. Gnter hatte wenigdamit zu tun, und da Maxwell darauf verzichtet hat-te, ihn tatschlich einzusperren, traf er sich heimlichjenseits der Lichtung mit Wally.

    Whrenddessen zapfte Grudat den Zeitstrom an undlie die Werte durch das gestohlene Robotgehirn lau-fen. Dieses reagierte prompt und lieferte die exaktenErgebnisse. Im Verlauf weniger Stunden konnte Gru-dat die genaue kosmische Zeit ermitteln und den Bord-chronometer entsprechend einstellen. Nun besa erauch die Grundlagen zu weiteren Berechnungen, de-ren Ergebnis die Strke des Stromstoes angab, der beider umgekehrten Transition bentigt wurde, um diegewnschte Zeitdifferenz zu berspringen. Bei dieserAufgabe wiederum wurde Robby bentigt.

    Gegen Mittag begab sich Grudat zum Kommandan-ten und erstattete Bericht. Hendra und Webbs befan-den sich ebenfalls in der Zentrale, lediglich Gnterfehlte.

    Er poussiert mit der Kleinen Amor spickte ihnmit Pfeilen, vermutete Hendra nicht ganz unberech-tigt. Maxwell nickte grimmig.

    Wenn er zurckkommt, verpasse ich ihm Kabinen-arrest. Bringt das Mdchen durcheinander, zerstrt ei-ne Liebe und lt sie dann einfach sitzen. Er kann dochnicht hier bleiben! Also, Gudrat, was ist?

    Alles klar. Nur mchte ich einen Test vorschlagen,bevor wir endgltig starten. Ich mchte die geringsteMenge an Energie durch den Transitor jagen oh-ne jedoch den Raumsektor zu aktivieren. So wrde le-diglich eine Zeitvernderung bemerkbar werden. DieDosierung der Energie mu so geregelt werden, daes sich hchstens um eine Verschiebung weniger Mi-nuten in die Zukunft handelt. Unsere neu eingestelltenUhren werden uns Aufschlu geben. Wir werden einevon ihnen auerhalb des Schiffes lassen, um die Dif-ferenz festzustellen. Denn die Uhren, die den Sprungmitmachen, reagieren nicht. Sie zeigen vielleicht eineSekunde an, whrend in Wirklichkeit auf der unbetei-ligten Uhr zwei Minuten vergangen sind. Ich benti-ge die genaue Kenntnis der erfolgenden Differenz, umden groen Sprung von 118 Jahren mglichst exaktdurchzufhren.

    Maxwell warf Hendra und Webbs einen schnellenBlick zu.

  • 19 TERRA

    Wir werden also jetzt eine Reise in die Zukunftvornehmen? erkundigte er sich.

    In gewissem Sinne, ja! besttigte Grudat mitNachdruck. Hendra sah sich suchend um. Was ist mitGnter? Wenn er sich auerhalb des Schiffes befindet,macht, er den Zeitsprung nicht mit.

    Um so besser, dann haben wir in ihm eine Kon-trolle, die die Angaben der Uhr besttigt falls eres berhaupt bemerkt. Denn vor Dunkelwerden wirder kaum von seinem Abenteuer zurckkehren. Max-well gab Grudat einen Wink. Gut, bereiten Sie denVersuch vor. Geben Sie dann Bescheid, wir mchtenim Maschinenraum sein. Acht Augen sehen mehr alszwei. Was ist mit Ihren Leuten? Sind alle an Bord.Niemand soll das Schiff verlassen. Ich will inzwi-schen versuchen, Gnter zu finden.

    Natrlich fand er ihn nicht.

    Dillinger gab nur mrrisch Auskunft. Man sah ihman, da er die verdammte Regierungsstation fr seinMigeschick verantwortlich machte. Professor Holz-mann stberte irgendwo auf der Insel herum und such-te weitere berreste verlassener Drfer.

    Ja, und Mi Holzmann hatte allen Grund, sich nichtsehen zu lassen, ebenso wie Gnter.

    Die beiden waren quer durch den lichten Waldgewandert, Arm in Arm, und suchten nach einemVersteck, in dem sie niemand berraschen konnte.Das Mdchen fhlte eine unbegreifliche Zuneigung zudem ihr gestern noch Fremden, und wenn er auch seinVersprechen, ihr alles zu erzhlen, nicht gehalten hat-te, so verzieh sie ihm das. Sie hatte auch jedes Inter-esse daran verloren, ihn auszuhorchen, wie Dillingerund ihr Vater ihr das aufgetragen hatten. Und fr allesdieses gab es nur eine einfache Erklrung: sie liebteFred Gnter mit der ganzen Kraft ihrer ersten, wirkli-chen Liebe.

    Sie erreichten den Rand der Insel und schauten lan-ge Minuten schweigend hinab auf die weite Ebene, diesich bis zum Horizont dehnte. Die Fieberdnste desAmazonas lagerten wie Nebel ber der grnen Hlle,aber weit genug entfernt, um keine Gefahr zu bedeu-ten. Hier oben war die Luft frisch und rein.

    Ein zugewachsener Pfad fhrte in die Tiefe, und siegingen ihn ein kurzes Stck. Hier wrde sie niemandvermuten. Sie fanden eine kleine Plattform, mit Grasund Moos bewachsen, auf der sie sich niederlieen.Mit dem Rcken lehnten sie gegen die Felswand.

    Gnter nahm Wally in die Arme und kte sie. Siedrngte sich an ihn und erwiderte seinen Ku. Siesprachen nicht viel, und die Zeit verging fr sie wieim Fluge.

    Die Sonne erreichte ihren hchsten Punkt und be-gann zu sinken.

    Gnter erschrak, als er den pltzlichen Einbruch derNacht bemerkte. Fast berhastet brachen sie auf, ver-sprachen, sich am anderen Tage gleich hier wieder zu

    treffen und schritten, eng umschlungen, zum Lager-platz der beiden ,Expeditionen zurck.

    Schon von weitem hrten sie die Rufe des Profes-sors und Dillingers. Unentwegt forderten die beidenWally auf, sich zu melden. Man schien in groer Sorgeum sie zu sein. Dann aber rief man auch nach Gnter.

    Er hielt Wally bei der Hand und begann zu laufen.Es mu etwas geschehen sein, Wally. Nur wegen

    uns machen die nicht einen solchen Spektakel.Da kennst du aber Vater schlecht! entgegnete das

    Mdchen keuchend. Der macht sich die grten Sor-gen, wenn ich abends mal zehn Minuten spter alsangekndigt nach Hause komme. Und heute war ichschlielich programmwidrig den ganzen Tag weg dazu, mit einem fremden Mann.

    Er lachte.Fast wren sie gegen Dillinger gerannt, der ihnen

    entgegenkam. Gnter machte sich darauf gefat, mitVorwrfen empfangen zu werden und beschlo, demBurschen dann gleich das Fell zu versohlen. Aber wieerstaunt war er, als Dillinger mit keinem Wort sei-ne Erbitterung gegen ihn verriet, sondern nur atemloshervorstie:

    Was ist mit Ihren Leuten los, Gnter? Sagen Siejetzt endlich, woran Sie experimentieren.

    Gnter versprte ernstes Unbehagen. Was war ge-schehen?

    Sie mssen schon etwas deutlicher werden, Dillin-ger. Sie wissen genau, da es sich um geheime Regie-rungsauftrge handelt.

    Der Professor kam hinzu. Bewegt schlo er seinTchterchen in die Arme und bedachte Gnter mit ei-nem vorwurfsvollen Blick. Dann sagte er:

    Ich bin froh, da wenigstens Sie noch da sind. Zu-erst glaubte ich, es handele sich um Lichtspiegelun-gen, aber dann konnte ich doch feststellen, da ichmich nicht tuschte.

    Gnter ri der Geduldsfaden. Er schob Dillingereinfach zur Seite und eilte die wenigen Schritte biszum Lagerplatz vor.

    Als er am hohen Grase stand und den ausgetretenenPfad voranlief, suchte er nach dem Anzeichen einesauergewhnlichen Ereignisses. Aber vergeblich. Eswar alles, wie es immer war.

    Lediglich als er nher kam und die hohen Grsernicht mehr seine Sicht behinderten, stockte er pltz-lich.

    Der Platz, an dem die FORTUNA gelegen hatte,war leer.

    Das Raumschiff war verschwunden...

    *

    Mit einem Schlag erkannte er, was der Professor ge-meint hatte.

    Als Gnter gegen vier Uhr noch nicht zurck war,entschlo sich Maxwell, den Versuch ohne ihn durch-zufhren. Grudat hatte alles soweit vorbereitet, und

  • Wanderer zwischen drei Ewigkeiten 20

    die Mnner versammelten sich im Maschinenraum.Die Mannschaft wurde instruiert und angewiesen, sichin ihren Kabinen aufzuhalten.

    Grudat zeigte auf das Gehuse des Transitors.

    Wenn das in der Praxis geschieht, was ich theo-retisch ausgearbeitet habe, kehren wir mit einer gutfunktionierenden Zeitmaschine in unsere Gegenwartzurck. Aber ich bin ehrlich gesagt viel zu skep-tisch, um an einen restlosen Erfolg zu glauben. Sicher,wir werden den Sprung in die Zukunft jetzt vollbrin-gen, auch wenn es nur um Minuten geht, aber ich weinicht, ob wir ihn nun auch wieder rckwrts machenknnen.

    Das verstehe ich nicht, meckerte Webbs, der Fun-ker. Was in der einen Richtung mglich ist, mu auchin der anderen mglich sein. Sonst wren wir ja garnicht auf den Gedanken gekommen, nach dem Rutschin die Vergangenheit nun den in die Zukunft zu versu-chen.

    Die Antwort liegt in der nur teilweise geklrtenStruktur des kosmischen Zeitstroms, der fr alle Uni-versen Gltigkeit zu haben scheint. Es wrde zu weitfhren, wollte ich Ihnen das erklren. Kurz gesagt: derSprung in die Vergangenheit ist vorerst reiner Zufallohne vorherige Berechnung, der in die Zukunft jedochkann nach genauer Vorherberechnung folgen. Ist dassoweit klar?

    Webbs nickte, aber man sah ihm an, da es keines-falls so klar zu sein schien. Ebenfalls Maxwell undHendra besttigten ihren ehrlichen Versuch, das Un-begreifliche zu begreifen. Grudat nickte befriedigt.

    Na, dann knnen wir ja. Drauen vor dem Schiffbefindet sich die Kalenderuhr. Das kleine Robotgehirnebenfalls. Wir knnen es brigens dem Bankhaus wie-der zurckbringen, denn ich bentige es nicht mehr.Und soweit ich orientiert bin, sind Holzmann und Dil-linger in den Wald gegangen, wahrscheinlich um unserLiebespaar zu suchen. Wie ich Gnter kenne, werdensie da wenig Glck haben.

    Er beugte sich zu dem Transitor hinab und vollfhr-te einige blitzschnelle Handgriffe, die auf jahrelangebung schlieen lieen. Dann sah er auf.

    Sie werden nichts spren hoffe ich. Eine Raum-vernderung geht nicht vor sich. Und physisch werdenwir nicht einmal lter.

    Er bettigte einen Schalter, schien auf irgend etwaszu lauschen und nickte befriedigt, als er die sich be-wegenden Zeilen der Lichtskala bemerkte. Auf einemkleinen Bildschirm entstand ein Diagramm.

    Dann schaltete Grudat den Transitor aus und dieEnergiezufuhr ab. Langsam richtete er sich auf.

    Ja, das wre alles. Ich hoffe, Sie sind nicht zu sehrenttuscht. Und jetzt wollen wir mal nachsehen, wie-viel Zeit inzwischen drauen vor dem Schiff verstri-chen ist. Bei uns in der FORTUNA waren es genau er blickte auf die Uhr eine Minute und zehn

    Sekunden eingeschlossen der Vorbereitungen. Tat-schliche Transitionszeit knapp zwei Sekunden. Ge-hen wir.

    Maxwell ergriff die Initiative und schritt voran. Alssie auf dem Gang waren, ffnete sich eine Tr undeiner der Mannschaft, ein Navigator, erkundigte sichhflich, ob alles vorber sei und man Spazierengehenknne. Maxwell vertrstete ihn auf zehn Minuten.

    Dann wurde die Schleuse, die man vorsichtigerwei-se geschlossen hatte, geffnet und man verlie dasSchiff.

    Im ersten Augenblick schien alles unverndert.Dann aber erschraken die Mnner, als sie die Ein-

    zelheiten erkannten, und wie ein Schleier legte sichdas erste Dmmern der unfalichen Wahrheit auf ihrGehirn.

    Die Zelte der Holzmann-Expedition waren ver-schwunden. Kein Anzeichen wies berhaupt daraufhin, da hier jemals Zelte gestanden hatten. Alles warmit dichtem Gras bedeckt, und als Grudat hinzutratund mit dem Fu an der Lagerstelle herumstocherte,frderte er einige Konservendosen zutage verbeultund total verrostet, als htten sie jahrelang im Freiengelegen, und nicht erst seit gestern.

    Das Elektronengehirn stand unverndert. Aller-dings entdeckten sie es erst nach langem Suchen, dennes war ber und ber mit Schlingpflanzen bedeckt undfast zugewachsen. Aber es stand noch da, ein Zeichen,da niemand es je gefunden hatte.

    Einige der Bume waren inzwischen erheblich ge-wachsen und grer geworden, ebenso schien derRand, des Waldes nher gekommen zu sein und damitdie Lichtung kleiner.

    Maxwell sthnte, bevor er Grudat fragte:Minuten, Grudat? Ich frage Sie, wieviel Jahre sind

    vergangen, seit wir vor zehn Minuten mit dem Versuchbegannen? Es mssen Jahre sein, mindestens zehn!

    Der Ingenieur nickte zgernd.Zweifellos unterschtze ich die Leistungsfhigkeit

    des Transitors als Zeitmaschine. Was mag mit Gntergeschehen sein?

    Jetzt erst schien sich Maxwell an seinen Ersten Of-fizier zu erinnern.

    Gnter? Bei allen Raumgeistern, er mu um Jahregealtert sein aber ich sehe ihn nicht.

    Hendra schttelte den Kopf und bedachte seinenKommandanten mit einem vorwurfsvollen Blick.

    Es ist kaum zu erwarten, Captain, da Gnter sichhierher stellt, um zehn oder zwanzig Jahre auf uns zuwarten. Denn soviel Zeit ist bestimmt vergangen. Wirwerden es mit Hilfe des Robby-Suglings herausfin-den falls das Ding noch funktioniert.

    Jetzt erst bemerkten sie die Htte.Webbs, der ewig Neugierige, entdeckte sie unter ei-

    ner kleinen Baumgruppe, die vor zehn Minuten nochnicht vorhanden war. Grudat hielt ihn zurck.

  • 21 TERRA

    Seien Sie vorsichtig, Webbs. Bedenken Sie, dawir praktisch aus dem Nichts, aus der Zeit nmlich,aufgetaucht sind. Wir wissen nicht, wer sich da hus-lich niedergelassen hat, aber es knnte sein, da ersich zu Tode erschreckt, wenn er das Schiff hier lie-gen sieht. Immerhin mssen wir nachsehen.

    Sie nherten sich vorsichtig der einfachen Behau-sung und stellten fest, da die Tr zwar geschlossen,aber nicht verschlossen war. Sie lie sich leicht ffnen.

    Das Innere der Htte bestand aus einem groenRaum mit Schlafnische und Kche, einem groenTisch am Fenster, das zur Lichtung und damit zurFORTUNA fhrte, einigen Schrnken und anderen,lebenswichtigen Gegenstnden, auf die auch ein Ein-siedler nicht verzichten mochte.

    Wo aber war dieser Einsiedler? Und wer war er?Webbs starrte mit einiger berraschung auf das Ge-

    rt, welches auf dem Tisch stand. Es erinnerte an einenKoffer, war jedoch zu klobig dazu. Vorsichtig trat ernher und hob den Deckel ab.

    Ein Tonbandgert. Dabei ein Brief, etwas vergilbt,aber deutlich konnte man noch die Adressierung lesen:

    An Maxwell, Kommandant der FORTUNA!Webbs reichte Maxwell den Brief und man sah sei-

    nem Gesicht deutlich an, da er allmhlich begann, anGespenster zu glauben.

    Maxwell erging es kaum anders.Von Gnter? vermutete er und wute, da ihm

    wohl in dieser Zeit niemand anders einen Brief schrei-ben konnte.

    ffnen Sie ihn! forderte Grudat den Captain erregtauf. Vielleicht erfahren wir etwas!

    Aber wenn..., begann Maxwell, schwieg dann je-doch und ri den Umschlag auf. Heraus kam ein wei-er Bogen, auf dem nur wenige Worte standen. Neu-gierig beugten sich alle vier Mnner herab, um esgleichzeitig lesen zu knnen:

    Webbs soll das Tonband einschalten und den Ent-zerrer X 13 dazwischenhalten. Beste Gre, FredGnter. Das war alles!

    Maxwell lie den Brief sinken. Was bedeutet dasmit dem Verzerrer? fragte er Webbs.

    Der Funker hatte sich von seinem Schrecken erholt.Der Text auf dem Band wurde mit dreizehnfacher

    Geschwindigkeit aufgenommen, ich mu also umspu-len und dabei normalisieren. Das geschieht einfach,indem ich den Entzerrer dazwischenschalte. Es istschwer, das einem Laien zu erklren. Warten Sie hier,ich hole den Entzerrer und eine Batterie. Weg war er.

    Maxwell schaute hinter ihm her und verdaute dieTatsache, da ihn sein Untergebener als ,Laien be-zeichnet hatte. Das war doch...!

    Aber schlielich hatte Webbs ja nicht gerade un-recht.

    Grudat sah sich in der Htte um. Er scheint nochvor kurzem hier gewesen zu sein, darauf lassen eini-ge Tatsachen schlieen. Ob er regelmig nach hier

    kommt, um nach uns zu schauen? Er kann doch garnicht wissen, was geschehen ist. Sie unterschtzenGnter, lieber Grudat, entgegnete Hendra mit leich-tem Vorwurf. Ich glaube, er hat sehr genau begrif-fen, da fr uns Sekunden, fr ihn aber Jahre verge-hen knnen. Als er zurckkam und den leeren Platzsah vor einer Viertelstunde, vor zehn oder zwanzigJahren, was wei ich? erriet er sofort, was gesche-hen war. Und nun mu er natrlich warten, bis wir dasZeitfeld wieder verlassen und sozusagen materialisie-ren. Da er aber jetzt nicht hier ist und nur in Abstndenzu kommen scheint, glaube ich Grund zu der Annah-me zu haben, da schon eine schne Zeit verstrichenist, seit wir hier verschwanden. Hole den Teufel alleZeitreisen!

    Maxwell runzelte die Stirn.

    Wir werden es erfahren! knurrte er wtend, ohnezu wissen, warum er so unwillig war.

    Webbs kehrte zurck und begann mit seinen Vorbe-reitungen. Niemand der Mnner dachte daran, die Um-gebung der Htte zu untersuchen oder sich gar wei-ter umzusehen, jeder war viel zu gespannt darauf, wasGnter ihnen zu sagen hatte. Sie alle erhofften sichviel von dieser Nachricht, zumindest eine Aufklrungdarber, wieviel Zeit inzwischen verstrichen war. Be-sonders Grudat war daran interessiert, denn mit Hil-fe von Robby lie sich dann leicht errechnen, wie-viel Energie wirkl