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Wandlungen in den Problemen föderativer Staatswirtschaften Author(s): Heinz Haller Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 27, H. 1/2 (1968), pp. 249-270 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40910494 . Accessed: 16/06/2014 03:42 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 195.34.79.253 on Mon, 16 Jun 2014 03:42:46 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Wandlungen in den Problemen föderativer Staatswirtschaften

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Wandlungen in den Problemen föderativer StaatswirtschaftenAuthor(s): Heinz HallerSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 27, H. 1/2 (1968), pp. 249-270Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40910494 .

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Wandlungen in den Problemen foderativer Staatswirtschaften

von

Heinz Haller

Die gewaltige Ausdehnung der Staatsaufgaben, die sich in den zuruck- liegenden Jahrzehnten vollzogen hat und noch immer andauert, ohne daB ein Ende dieser Entwicklung abzusehen ist, hat die Staaten mit foderativer Struktur vor besondere Schwierigkeiten gestellt und wird dies weiterhin tun. Nicht nur die Verstarkung der staatlichen Aktivitat, sondern auch Anderun- gen von deren Art rufen in solchen Staaten Probleme hervor, die der unitari- sche Staat nicht kennt. Immer aufs neue wird das Verhaltnis zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen in irgendwelchen Punkten beriihrt; es kommt zu Spannungen und zu einer Uberprufungsbediirftigkeit der getroffe- nen Regelungen und Absprachen.

Aber auch noch andere Entwicklungen, die sich insbesondere in jtingster Zeit vollzogen haben und vollziehen, machen den Foderalismus immer komplizierter und problemvoller. Diese Entwicklungen hangen teils eng mit technischen Zwangslaufigkeiten zusammen, teils stehen sozialeWertungen als treibende Krafte hinter ihnen.

Von den Erschwernissen sind die traditionsverankerten, ,,gewaehsenen" Foderativstaaten nicht weniger betroffen als die am griinen Tisch derVerfas- sungskonstrukteure entstandenen bzw. wiedererstandenen, die daneben noch ihre eigenen Entwicklungs- und Reifungsschwierigkeiten aufweisen. Die Forderung nach einem ,,kooperativen Foderalismus" und die Aufstellung des Grundsatzes der Bundestreue in der Bundesrepublik diirften Niederschlag sowohl solcher Reifungsschwierigkeiten als auch der durch die oben angedeu- tete Entwicklung hervorgerufenen allgemeinen Erschwernisse sein. Gewisse politische Forderungen und Diskussionen, die Reform der foderativen Staats- struktur betreffend, wie sie in traditionellen Foderativstaaten zu verzeichnen sind1, sind wohl in erster Linie Ausfliisse allgemeiner Entwicklungstendenzen.

1 Fur die Schweiz sei verwiesen auf : ,,Der Foderalismus vor der Zukunft", Jahr- buch der neuen helvetischen Gesellschaft, 36. Jahrg. (1965). S. dort insbesondere die Beitrage ,,Vom Geist und Ungeist des Foderalismus" von H.Liithi (S. 29 ff.) und ,,Auf der Suche nach einem neuen Foderalismus" von H.Tschdni (S. 253 ff.).

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Im folgenden soil versucht werden, einige wesentliche Komponenten der Entwicklung, die den Foderalismus komplizierter und damit schwieriger gemacht haben, herauszuarbeiten und naher aufzuzeigen, in welcher Weise es durch sie zu Komplikationen kam und weiterhin kommt. Selbstverstandlich liegtesnicht in unserer Absicht,Vollstandigkeitanzustreben. Bei der Aufzeigung solcher Tendenzen und ihrer Implikationen, wie sie hier vorgenommen wer- den soil, kann Vollstandigkeit gar kein Ziel sein, und seine Erreichung ware nie nachpriifbar.

I

Obwohl es unmittelbar einleuchtet, daB in einem Staat mit einer groBeren Aufgabenftille und entsprechend hoherer Anteilsquote am Sozialprodukt der Foderalismus schwieriger zu handhaben ist als in einem Staat mit weniger Aufgaben und bescheidenerer ,,Staatswirtschaftsquote", sieht man erst bei detaillierterer Betrachtung einzelner Konsequenzen, die sich aus dem groBe- ren Umfang der Staatstatigkeit ergeben, welche Komplikationen hier ent- stehen.

Beginnen wir mit dem konjunkturpolitischen Aspekt. Wahrend in Zeiten der Bescheidung des Staates auf die allernotwendigsten Aufgaben das Gewicht der offentlichen Finanzwirtschaft in der Volkswirtschaft nicht groB genug war, um das gesamtwirtschaftliche Geschehen entscheidend mitzu- bestimmen, ist dies heute anders. Mit dem Anwachsen des Einnusses der staatlichen Finanzwirtschaft hat auch die Einsicht zugenommen, daB die Finanzwirtschaft Moglichkeiten zur Einwirkung auf die Konjunktur bietet, die diejenigen des traditionellen Mittels fur die Konjunkturbeeinflussung, der Geldpolitik, in gewisser Hinsicht fibertreffen. Zwar war die offentliche Finanzwirtschaft auch zur Zeit des ,,Anteilsystems" - um F.K.Manns treffenden Ausdruck zu gebrauchen - mit ihrer in der Regel betriebenen Parallelpolitik nicht konjunkturneutral, aber sie konnte nicht allzuviel ver- derben. Ein konjunktur wendender Einsatz ware iiber ihre Krafte gegangen. Hierfur war die Finanzwirtschaft erst stark genug, als ihr Umfang so gewach- sen war, daB aus dem Anteil- ein ,,Kontrollsystem" (Mann) geworden war.

Wahrend nun der unitarische Staat in der Lage ist, von einer Stelle aus die offentliche Finanzwirtschaft so zu gestalten, daB die Konjunktur in der wiinschenswerten Weise beeinnuBt wird, ist ein konjunkturpolitisch.es Ope- rieren mit finanzwirtschaftlichen Mitteln in einem foderativ aufgebauten Staat ungleich schwieriger. Es ist nur moglich, wenn die in mehr oder weniger gro- Ber Zahl vorhandenen selbstandigen gliedstaatlichen finanzpolitischen Wil- lensbildungszentren in irgendeiner Weise zu einem gleichgerichteten Handeln gebracht werden konnen. (Die kommunalen Selbstverwaltungskorperschaften konnen normalerweise von den Gliedstaaten dirigiert werden, da sie von diesen abhangig sind.) Nur dann, wenn der Zentralstaat (Bund) ein so starkes Ubergewicht hatte, daB seine Finanzwirtschaft auch bei andersartigem Ver- halten der Gliedstaaten konjunkturpolitisch durchschlagend wirken wiirde, bestiinde das Koordinierungsproblem nicht. Eine derartige Dominanz des

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Bundes durfte aber kaum irgendwo anzutreffen sein und ware wohl auch nicht mehr mit dem foderalistischen Prinzip vereinbar, da in ihren finanziel- len Moglichkeiten so beschrankte und in ihrer selbstandigen Aktivitat ent- sprechend eingeengte Gliedstaaten nicht mehr jene politischen Willensbil- dungszentren mit vollgiiltiger Staatlichkeit waren, wie sie echter Foderalis- mus verlangt. Die Eliminierung des Koordinierungsproblems in der eben beschriebenenWeise konnen wir also ausschlieBen.

Nun konnte man sich eine Losung vorstellen, bei der der Zentralstaat durch Anreizen und Abschrecken das Ausgabeverhalten der Gliedstaaten im Sinne des jeweils konjunkturpolitisch Gebotenen beeinflussen wiirde, genauso wie er dies bei den privatenWirtschaftseinheiten tut, sofern er die Konjunktur durch Veranderung der privaten (Konsum- und/oder Investitions-)Nachfrage regulieren will und nicht durch entsprechende Variierung der eigenen. Der Befurworter einer solchen Losung konnte sich auf den Standpunkt stellen, die Verantwortung fur die Konjunkturpolitik liege ausschlieBlich bei der um- fassenden Gebietskorperschaft, dem regionalen Gliedstaat mit seinem be- grenzten Aktionsradius konne sie ebensowenig aufgebiirdet werden wie einer privaten Wirtschaftseinheit, auch wenn es sich um die groBte handle. Der allein verantwortliche Zentralstaat rniisse bestrebt sein, die anderen (privaten und offentlichen) Nachfrager in der richtigenWeise zu ,,gangeln".

An dieser Argumentation ist richtig, daB ein Gliedstaat, als einzelner handelnd, in der Kegel keine gesamtwirtschaftliche Wirkung von groBem Gewicht herbeifuhren kann, wenn dieses Handeln auch regional von entschei- dender Bedeutung sein mag. Nur wenn alle Gliedstaaten in gleicher Eichtung agieren, kommt es zu einem gesamtwirtschaftlich bedeutsamen Effekt. Nun ist es aber nicht zulassig, aus der relativenWirkungslosigkeit isolierten Handelns eines Gliedstaates den SchluB zu ziehen, den regionalen Gebietskorperschaften falle keine konjunkturpolitische Verantwortung zu. Auch wenn man sagt, alle den gesamten Staats- und Wirtschaftsbereich betreffenden Aufgaben seien Bundesaufgaben, darf man nicht ubersehen, daB alle staatlichen Glieder Verantwortung fur eine offentliche Aufgabe tragen, sofern ihr Mitwirken bei deren Erfullung erforderlich ist. Man kann unmoglich unter dem Gesichts- punkt der Verantwortung im Hinblick auf die Erreichung wirtschaftspoliti- scher Ziele staatliche Korperschaften privaten Wirtschaftseinheiten gleich- stellen. Schobe man die ganze Verantwortung dem Zentralstaat zu, so konnte dieser auf einer ausreichenden Bemessung seines Wirkungsspielraumes bestehen, also auf einer Dominanz des Bundesanteils an den Staatsausgaben, was, wie wir bereits festgestellt haben, nicht im Sinne einer echten foderativen Staatsstruktur ist.

Das ,,Gangeln" der Gliedstaaten durch den Bund kann allerdings auch - unabhangig von der Beurteilung der Verantwortungsfrage - damit begriindet werden, daB dies eine Methode darstelle, die einfach zu handhaben sei und unabhangig von der Einstellung der Gliedstaaten eine gewisse, vielleicht sogar recht ansehnliche Erfolgsmoglichkeit biete. Macht man sich aber die Voraussetzungen und die Folgen einer solchen ,,Impulslenkung" der Glied- staaten durch den Bund klar, so wird man auch deren rein pragmatische Betrachtung kaum billigen konnen. Die Voraussetzung fur die Anwendung

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dieser Method*? besteht darin, daB der Zentralstaat die Moglichkeit hat, die Ausgabentatigkeit der Gliedstaaten in bedeutendem Umfang zu begiinstigen oder zu erschweren, konkret gesprochen: Finanzierungsmittel zu gewahren oder zu entziehen. Wird die Zuweisung von Finanzierungsmitteln ohne Auf- lagen vorgenommen, so wird ihre Veranderung, die eine Ausweitung oder Ein- engung des Finanzierungsspielraums bedeutet, normalerweise eine parallele Veranderung der Ausgabentatigkeit der Gliedstaaten bewirken. 1st die Gewahrung der Finanzierungsmittel mit Auflagen verbunden (Erhohung der Ausgaben tiber den Betrag des Bundeszuschusses hinaus, Verminderung der Ausgaben trotz BundeszuschuB), so tritt eine Verstarkerwirkung auf, anderer- seits hangt aber die Inanspruchnahme von der Bereitschaft der Gliedstaaten ab, die Auflage zu erfullen; die Kealisierung des an sich starkeren Effekts wird also fragwurdiger.

Gleichgiiltig, ob die Methode in der einen oder in der anderen Form praktiziert wird, sie ist immer verbunden mit einem Vberweisungssystem, mit einer Mittelzuweisung, deren Umfang dem Ermessen des Zentralstaats unter- liegt. Obwohl das Ermessen in keiner Weise mit Willkiir gleichzusetzen ist, well die Ermessensentscheidungen am konjunkturpolitischen Ziel auszurich- ten sind, kann hier doch wieder der Einwand erhoben werden, die Autonomie der Gliedstaaten sei nicht mehr in ausreichendem MaBe gewahrleistet, es sei also kein echter foderativer Staatsaufbau mehr gegeben. In einem ernst gemeinten Foderativstaat sei es nicht angangig, daB die Gliedstaaten vom Bund ans Gangelband genommen werden. FaBt man die Folgen ins Auge, die sich aus einem Uberweisungssystem mit einem Hineinwirken des Bundes in die Ausgabentatigkeit der Gliedstaaten fur die Ausgabenstruktur ergeben, so stellen sich ahnliche Bedenken ein. In einem richtig organisierten Foderativ- staat miiBten kurzfristig die Finanzierungsspielraume der einzelnen Ebenen genau fixiert sein, und zwar in Entsprechung zu der relativen Dringlichkeit der den verschiedenen Ebenen zugewiesenen Aufgaben im Kahmen der Dringlichkeits-(Praferenzen-)Skala fur die Gesamtheit der offentlichen Auf- gaben. Ein Uberweisungssystem stellt hier grundsatzlich ein storendes Ele- ment dar, da der Umfang der Aufgabenerfiillung der empfangenden Ebene von den Ermessens-(Praferenz-)Entscheidungen der iiberweisenden Ebene abhangig gemacht wird. (Die Aussage gilt nicht fur Mittelzuweisungen zur Durchfiihrung von Auftragsangelegenheiten.) Dient das tTberweisungs- system konjunkturpolitischen Lenkungszwecken, so fiihrt dies dazu, daB eine Verwerfung der praferenzgerechten Gesamtausgabenstruktur eintritt. An sich muBte bei einem konjunkturpolitischen Operieren mit den Staatsaus- gaben auf Bundes- und Landerebene die Struktur unter konjunkturpoliti- schen Gesichtspunkten iiberprtift und geandert werden, aber immer auch unter Beachtung der Praferenzen. Es muBte gemeinsam iiberlegt werden, welche Ausgaben auf welcher Ebene erhoht oder gesenkt werden miiBten. Bei einer Lenkung der Gliedstaaten durch Bundesimpulse kommt es nicht zu einer rationalen Gesamtabstimmung dieser Art. Die Reaktion der Lander ist immer bis zu einem gewissen Grade ungewiB, auch wenn mit Auflagen gearbeitet wird. Im letzten Fall kann die Mittelzuweisung mit der Verande- rung ganz bestimmter Ausgaben gekoppelt werden, doch trifft dann der Zen-

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tralstaat die Auswahl allein, und den Gliedstaaten bleibt nur ubrig, auf das Angebot einzugehen oder nicht.

Wenn die Gliedstaaten auf der einen Seite konjunkturpolitische Verant- wortung zu ubernehmen haben und auf der anderen Seite mit ihrem politi- schen Willen zum Zuge kommen sollen, geht es nicht an, sie durch Bundes- impulse in den Dienst der Konjunkturpolitik zu spannen, vielmehr muB es in irgendeiner Form zu gemeinsamen, vereinbarten Aktionen kommen. Selbstverstandlich geniigt es nicht, durch eine allgemein gehaltene Verfas- sungsbestimmung die Trager der verschiedenen Finanzgewalten zu einem konjunkturgerechten Verhalten zu ermahnen, also eine Art moralischen Appells an sie zu richten. Zum einen ist die freiwillige Anpassung aller Beteiligten an die jeweilige Konjunkturlage keineswegs gesichert, da jederzeit Partner ausbrechen konnen, woftir es verschiedene Motive geben kann; zum anderen wissen die einzelnen Beteiligten ja nicht, welchen quantitativen Beitrag zur gemeinsamen Aktion gerade sie leisten sollen. Zu einer wirksamen Koordinierung kann es nur kommen, wenn die Partner die erforderlichenfiskal- folitischen Mafinahmen zur Konjunkturregulierung gemeinsam beraten und dabei Beschlusse gefapt werden, die das Ausmafi der Beteiligung jedes einzelnen an der gemeinsamen Aktion genau festlegen. Es ist klar, daB dabei die unein- geschrankte Finanzautonomie auf dem konjunkturpolitischen Altar geopfert werden muB, und zwar nicht nur durch die allgemeine Verpflichtung, sich konjunkturgerecht zu verhalten, sondern auch durch die Hinnahme genau festgelegter Verhaltensvorschriften. Das foderalistische Prinzip ist aber nicht u'ber Bord geworfen, sofern die konjunkturpolitischen MaBnahmen gemeinsam beschlossen und den Gliedstaaten nicht vom Zentralstaat aufoktroyiert wer- den. Nur in dieser Richtung kann eine wirksame und mit dem foderalistischen Prinzip noch vereinbare Losung des Problems gefunden werden. Verzicht mufi geleistet werden - darum diirfte nicht herumzukommen sein - auf die Unabhdngigkeit der verschiedenen Finanzwirtschaften. Wenn eine wirksame Konjunkturpolitik ohne die Finanzwirtschaften der Gliedstaaten nicht mog- lich ist und deren Lenkung durch zentralstaatliche Impulse auch ausscheidet, bleibt nur noch die Koordinierung, und koordinieren bedeutet nun einmal aneinander ausrichten, voneinander abhangig machen.

In der Bundesrepublik ist mit den im Juni dieses Jahres verabschiedeten Gesetzen1 die Richtung auf die Koordinierung eingeschlagen worden. In dem neuen Grundgesetzartikel 109 steht zwar als 1. Absatz der einzige Satz des bisherigen Artikels 109: ,,Bund und Lander sind in ihrer Haushaltswirtschaft selbstandig und voneinander unabhangig", ferner heiBt es im 2. Absatz (neu): ,,Bund und Lander haben bei ihrer Haushaltswirtschaft; den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen", doch es bleibt nicht bei dem Unabhangigkeitspostulat und dem allgemeinen Appell. Im Absatz 3 wird derWeg frei gemacht fur das ,,Stabilitatsgesetz", indem ,,Grundsatze fur eine konjunkturgerechte Haushaltswirtschaft und fur eine

1 Fiinfzehntes Gesetz zur Anderung des Grundgesetzes vom 8. Juni 1967, Bun- desgesetzblatt 1967, Teil I, S. 581, und Gesetz zur Forderung der Stabilitat und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967, Bundesgesetzblatt 1967, Teil I, S.582ff.

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mehrjahrige Finanzplanung" aufgestellt werden konnen, und in Absatz 4 fur ,,Vorschriffcen liber 1. Hochstbetrage, Bedingungen und Zeitfolge der Auf- nahme von Krediten durch Gebietskorperschaften und Zweckverbande und 2. eine Verpflichtung von Bund und Landern, unverzinsliche Guthaben bei der Deutschen Bundesbank zu unterhalten (Konjunkturausgleichsrucklagen)", die ebenfalls im Stabilitatsgesetz geregelt sind und durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates angewandt werden konnen.

Das Stabilitatsgesetz schafffc eine Reihe von Handhaben, die eine kon- junkturpolitische Koordinierung des Finanzgebarens von Bund und Landern (und durch die Vorschrift fur die Lander, ,, durch geeignete MaBnahmen" auf die Gemeinden und Gemeindeverbande einzuwirken - § 16 -, auch fur diese) in betrachtlichem Umfang ermoglichen. Dabei ist streng darauf geachtet, daB bei alien die Lander mitbetreffenden MaBnahmen deren Mitentscheidung gesichert ist durch die Vorschrift, daB deren Vertretungsorgan, der Bundesrat, seine Zustimmung zu geben habe. Die Beratung aller konjunkturregulier en- den MaBnahmen erfolgt in einem gemeinsamen Organ des Bundes, der Lander und der Gemeinden, dem eigens hierfiir geschaffenen Konjunkturrat. Die Koordinierung in restriktiver Richtung ist in straffer Weise moglich durch ,,zustimmungspflichtige" Rechtsverordnungen der Bundesregierung liber die Bildung von Konjunkturausgleichsrucklagen und Begrenzung der Kreditin- anspruchnahme. Dagegen ist fur eine expansive Beeinflussung derWirtschaft liber die Staatsausgaben, abgesehen von der - wiederum ,,zustimmungs- pflichtigen" - Freigabe der Konjunkturausgleichsrucklagen durch die Bun- desregierung, keine eigentliche Koordinierungshandhabe gegeben. Es besteht nur die Bestimmung, daB die Lander wie der Bund bei Bedarf Defizit- oder tJberschuBhaushalte aufstellen sollen und zusatzliche Ausgaben tatigen konnen und daB bei zu erwartender Konjunkturabschwachung Vorkehrungen fur eine Beschleunigung der Investitionsausgaben zu treffen sind1.

Diese kurzen Bemerkungen liber die Bestimmungen des Stabilitats- gesetzes mb'gen genligen. Es gehort nicht in den Rahmen dieser Betrachtung, die Einzelheiten dieses Gesetzes darzustellen und zu interpretieren. (Vgl. dazu den Beitrag von R.Stucken, oben S. 202 ff.) Das oben Dargelegte zeigt bereits deutlich genug, daB in der Bundesrepublik derWeg der Koordinierung beschritten worden ist. Die Lander unterwerfen sich, wenn der Bundesrat die Zustimmung zu Regierungsverordnungen gibt, MaBnahmen, die teilweise exakt festgelegte Konsequenzen hinsichtlich des Volumens ihrer Ausgaben mit sich bringen. Da die MaBnahmen im gemeinsamen Konjunkturrat beraten werden, ist es auch moglich, die Praferenzen im Rahmen der Gesamt- staatsausgaben geblihrend zu berlicksichtigen. Eine Einschrankung ihrer Finanzautonomie muBten sich die Lander gefallen lassen, wenn auch der alte

1 Wie in der Praxis eine Koordinierung zustandekommen kann, zeigt das bis- her von der Bundesregierung beschlossene (s.,,Bulletin des Presse- und Informations- amtes der Bundesregierung" Nr. 73 v. 8. Juli 1967, S. 632) und vom Konjunkturrat gebilligte (s. ,,Bulletin" Nr. 87 v. 16. August 1967) zweite Investitionsprogramm zur Konjunkturbelebung von 5,2 Mrd. DM, an dem Bund, Lander und Gemeinden beteiligt sein und bei Projektauswahl und Finanzierung zusammenwirken sollen.

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Satz, der diese Autonomie postuliert, im neuen Grundgesetzartikel an der Spitze steht. Man kann ihn nur so verstehen, daB er grundsatzlich Geltung hat, aber Einschrankungen unterworfen ist, die allerdings nur bei Bedrohung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts aktuelle Bedeutung erhalten. Wichtig ist die Sicherung gegeniiber einer Vergewaltigung der Lander durch den Bund durch die Mitentscheidung der Lander bei alien MaBnahmen. DaB die Initiative bei konjunkturpolitischen MaBnahmen im Bereiche der offent- lichen Finanzen von der Bundesregierung auszugehen hat, ist selbstverstand- lich; der Foderalismus kann dadurch nicht gefahrdet werden. Der Fall der Konjunkturpolitik zeigt, daB ein ,,naiver" Foderalismus des unabhangigen Nebeneinanders unter heutigen Bedingungen kaum mehr moglich ist. Die Entwicklung tendiert zu einem sublimierten Foderalismus hin, der von komplexerer Struktur ist und bei dem die einzelnen Willensbildungszentren bei manchen Entscheidungen nur noch mitwirken konnen, weil gemeinsame, alle Beteiligten bindende Entscheidungen getroffen werden nmssen. Ein anderes wichtiges Beispiel fur die Wirksamkeit dieser Tendenz stellt die mittelfristige Finanzplanung dar, deren Konsequenzen nun aufgezeigt werden sollen. (Vgl. zum folgenden auch die Beitrage von K.M.Hettlage und H. Weichmann, oben S. 235 ff. und 220ff.)

II

Auch die mittelfristige Finanzplanung fur den gesamten Haushalt wird erst dann dringlich, wenn die ,,Staatswirtschaftsquote" eine betrachtliche Hohe erreicht hat. Zwar ist sie auch bei einem bescheidenen Staatsanteil am Sozialprodukt nicht unnutz, aber sie wird nicht zur gebieterischen Notwen- digkeit. Man wird sich damit begntigen, partielle Finanzplane fur bestimmte Aufgabenbereiche und Ausgabenprojekte aufzustellen, um den Gesamtzeit- raum der Realisierung und den Umfang der jahrlichen Etappen festzulegen. Hierbei werden naturlich auch die zu erwartende Einnahmenentwicklung und die Dringlichkeit der iibrigen Aufgaben zu beriicksichtigen sein, doch verzichtet man darauf, die Entwicklung der Gesamteinnahmen fur einen langeren Zeitraum vorauszuschatzen und die Ausgaben in alien Bereichen fur diesen Zeitraum im ganzen und fur die einzelnen Jahresabschnitte festzu- legen. Ist das Ausgabenvolumen sehr hoch und sind bei den meisten Aus- gabengruppen Dauerverpnichtungen eingegangen worden, so wird es mehr und mehr unverantwortlich, die Ausgabenentscheidungen nur noch fur den jeweiligen Jahreshaushalt zu treffen und die Augen davor zu verschlieBen, wie die Dinge sich langerfristig entwickeln, wenn die Weichen gestellt sind. Eine zeitlich isolierte Betrachtung ist dann ebenso unzulassig, wie es die sachlich isolierte Betrachtung ist.

Ein unitarischer Staat tut sich bei einer mittelfristigen Planung der Gesamtausgaben insofern wieder leicht, als er tatsachlich Tiber die Gesamt- ausgaben, sowohl auf gesamtstaatlicher als auch auf regionaler Ebene, bestimmen kann und auch auf die lokalen Selbstverwaltungskorperschaften so viel EinfluB hat, daB er deren Ausgaben in groBen Ziigen ebenfalls fest- zulegen vermag. Beim foderativ aufgebauten Staat entsteht dagegen auch

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hier ein auBerst schwieriges Koordinierungsproblem. Es leuchtet ein, daB es nicht geniigt, beim Zentralstaat eine mittelfristige Finanzplanung vorzuneh- men. Dies ware allenfalls dann ausreichend, wenn die regionalen Finanzen lediglich ein Anhangsel der dominierenden Bundesfinanzen darstellen wiir- den, wenn also gar kein echter Foderativstaat gegeben ware. 1st das Gewicht der Finanzen von Gliedstaaten und Selbstverwaltungskorperschaften dagegen dem der Bundesfinanzen ebenbiirtig, so wird der Zweck einer mittelfristigen Finanzplanung nur dann voll erreicht, wenn eine Gesamtplanung filr alle Ebenen vorgenommen wird.

Eine solche umfassende Planung ist allein schon deswegen erforderlich, weil eine rationelle Gesamtfinanzwirtscliaft einen Dringlichkeitsvergleich der Aufgaben und Ausgaben auf alien Ebenen bedingt. Plant der Bund allein fur mehrere Jahre, so wird die bestehende vertikale Einnahmenverteilung als gegeben betrachtet und auBer acht gelassen, wie die vergleichsweise Dringlichkeit der Ausgaben der ,,unteren" Staatsebenen ftir diesen langeren Zeitraum zu beurteilen ist. Das gleiche gilt, wenn die Lander isoliert langer- fristige Finanzplane aufstellen. Zwar wird schon durch eine solche isolierte mittelfristige Finanzplanung der einzelnen Ebenen eine gewisse Erhohung der Rationalitat des Finanzgebarens erreicht werden konnen, doch es fehlt das letzte Glied zur vollen Rationalitat. Die mittelfristige Finanzplanung auf einer Ebene fiigt zum Sachhorizont (Dringlichkeitsvergleich aller Ausgaben innerhalb des Gesamtjahreshaushalts der Ebene) den Zeithorizont (Dringlich- keitsvergleich iiber die Zeit, Uberprufung, ob man sich mit seinen Verpflich- tungen und Zusagen nicht ,,ubernommen" hat) hinzu. So wie der Zeithorizont einbezogen bzw. erweitert wird, sollte man auch den Sachhorizont ausdehnen durch Ausweitung des Dringlichkeitsvergleichs auf die Ausgaben aller Ebenen. In einem einzelnen Jahr ist es nicht so wichtig, wenn man sich auf den Sachhorizont innerhalb der Ebene beschrankt; dies ist jedoch anders bei mehrjahrigen Planungen mit dem erweiterten Zeithorizont, da sich in einem langeren Zeitraum die Dringlichkeiten zwischen den einzelnen Ebenen erheblich verschieben konnen. Nur im Rahmen einer samtliche staatlichen Ebenen umfassenden Gesamtplanung fur mehrere Jahre kommt man zu einer rationalen sachlichen und zeitlichen Ausgabenbemessung, die der politisch zu bestimmenden Gesamtpraferenzskala in beiden Richtungen ent- spricht. Es gibt dann weder sachliche Reservate durch Abschottung noch zeitliche durch kurzsichtige Einengungen des Zeithorizonts.

Falls die mittelfristige Finanzplanung nicht nur dem Ziel dient, rationale Entscheidungen iiber die offentlichen Ausgaben auf langere Sicht zu treffen und dabei die Ausgaben im ganzen so zu bemessen, wie es der Einnahmen- entwicklung bei plausiblen Annahmen Tiber das zu erwartende Wirtschafts- wachstum entspricht, wenn vielmehr die ehrgeizigere Zielsetzung verfolgt wird, mit Hilfe einer geeigneten Gestaltung der offentlichen Finanzen einen bestimmten, als erwunscht betrachteten Grad des realen und des nominalen Wachstums des Sozialprodukts zu erreichen, so ergibt sich ein zusatzlicher Grund ftir die Einbeziehung aller Ebenen in die mittelfristige Finanzplanung, der absolut zwingend ist. Hier handelt es sich darum, fur den Planungszeit- raum zu erwartende Abweichungen desjenigen Entwicklungsprozesses der

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Wirtschaffe, der sich bei reiner ,,Einpassung" der offentlichen Finanzen in den sich ergebenden Finanzierungsspielraum, oder anders ausgedriickt, bei rein passivem Verhalten der Finanzwirtschaft vollzieht, von dem als wirtschafts- politisches Ziel gesetzten EntwieklungsprozeB auszuschlieBen durch wirt- schaftspolitisch-strategische Verwendung der offentlichen Finanzen. 1st bei sorgfaltiger Sehatzung im Falle passiven Verhaltens der offentlichen Finanzen weniger reales Wachstum zu erwarten, als man sich zum Ziel gesetzt hat, so sind die von der offentlichen Finanzwirtschaft zu bestimmenden Daten unber gewissenhafter Beriicksichtigung aller von ihnen ausgeloster Keaktionen in ausreichendem Umfang wachstumsverstarkend festzulegen. Dasselbe gilt, nur mit umgekehrter Tendenz, wenn zu erwarten ist, daB ohne entwicklungs- strategischen Einsatz der offentlichen Finanzen das nominale Wachstum sich zu weit von dem - vielleicht befriedigenden - realen "Wachstum entfernt. Es soil hier nur die andersartige Zielsetzung und die unterschiedliche Rolle der offentlichen Finanzen schematisierend beschrieben werden; es ist unmoglich, im Rahmen dieser Betrachtung die komplexen Zusammenhange darzulegen, die bei einer solchen Politik relevant sind, und zu zeigen, welche anderen BeeinflussungsmaBnahmen unter bestimmten Bedingungen zu denjenigen hinzukommen mussen, die im Rahmen der offentlichen Finanzwirtschaft ergriffen werden.

Wenn ein solcher strategischer Einsatz der offentlichen Finanzwirtschaft geplant wird, so ist die Einbeziehung der Finanzen der Gliedstaaten genauso unerlaBlich wie bei einer kurzfristigen, konjunkturpolitischen, ,,taktischen" Beeinflussung der Wirtschaft. Auch die Einbeziehung der lokalen Finanz- wirtschaften wird bei deren heutiger GesamtgroBe kaum zu umgehen sein. Zusammenfassend konnen wir feststellen: Wenn eine mittelfristige Finanz- planung vorgenommen wird, so ist es wegen der rationalen Ausgabenbestim- mung bereits erforderlich, daB diese Planung die Finanzen aller Ebenen ein- schlieBt, sofern die Planung nur ,,anpassend" gedacht ist; es ist die ,,Gesamt- planung" vollig unerlaBlich, sofern die Planung ,,strategische" Bedeutung haben soil.

Wiederum erhebt sich also die Frage, wie es zu der erforderlichen Koordi- nierung zwischen Bund und Gliedstaaten (mit Gemeinden) kommen kann, wenn das federative Staatsprinzip verlangt, daB die Haushalte der verschie- denen Staatsglieder unabhangig voneinander sein sollen. Mit dieser Frage hat sich die ,,Kommission fur die Finanzreform" in ihrem Gutachten1 befaBt und dazu etwa folgendes ausgefuhrt2:

Der mittelfrisiige Finanzplan, der gesamtstaatlich sein miisse, konne nur von der Bundesregierung aufgestellt werden und vermoge angesichts der verfassungsmaBig festgelegten Unabhangigkeit der Haushalte von Bund und Landern nur die Aufgabe zu haben, ,,die Haushaltsfiihrung aller offentlichen Korperschaften in der groBen Linie auf die gemeinsamen gesamtwirtschaft- lichen Ziele... hinzulenken"3. Der Finanzplan sei ,,nur fur die Finanzwirt-

1 Gutachten uber die Finanzreform in der Bundesrepublik Deutschland, Stutt- gart-Koln-Berlin-Mainz 1966.

aAa0., S.131ff. 8 S. 131.

17 Finanzarchiv N. F. 27 Heft 1-2

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schaft des Bundes und fur seine gesamtstaatliche Steuer- und Finanzaus- gleichspolitik richtunggebend", aber: ,, Seine Existenz und die heute allge- mein anerkannte Notwendigkeit einer finanzwirtschaftlichen Abstimmung sowie der Grundsatz der Bundestreue werden sich... dahin auswirken, daB sich auch die Lander und Gemeinden einer gesamtstaatlich sinnvollen Finanzpolitik der offentlichen Hand ohne formelle rechtliche Bindung der Lander einordnen werden"1. Bei der Aufstellung des Plans seien die Regie- rungen der Lander zu beteiligen. Hierzu heiBt es wortlich2: ,,Sie erhalten ein verfassungsrechtlich verbrieftes Recht, ihre Vorstellungen zur Geltung zu bringen. Sie sind aber auch verpflichtet, die Bundesregierung bei der Auf- stellung des Finanzplans loyal zu unterstutzen; insbesondere haben sie ihr alle notwendigen Unterrichtungen aus dem eigenen Bereich und dem Bereich der ihrer Aufsicht unterstellten Gebietskorperschaften, Anstalten und Stif- tungen zu geben, an den vorbereitenden Beratungen mitzuwirken und sich um gemeinsame Ergebnisse zu bemlihen. Eine formliche Zustimmung der Lander ist ebensowenig vorgesehen wie ihre Bindung an den Plan." Ab- schlieBend heiBt es dann noch, die Aufstellung eines mehrjahrigen Gesamt- finanzplans stelle ,,an die Koordinationsfahigkeit der Bundesregierung hohe Anforderungen", und es werde ,,zweifellos eines langeren Zeitraums bedtirfen, bis die Finanzplanung den hier (im Gutachten; H.H.) gestellten Ansprtichen gerecht" werde3.

Wir sehen, es wird Koordinierung verlangt, aber nur in der Form der Mitwirkung der Landerregierungen bei der Planerstellung durch die Bundes- regierung und der freiwilligen Einordnung der Finanzpolitik der zur Bundes- treue verpflichteten Lander in den Gesamtplan. Eine starkere Form der Bin- dung erschien der Kommision angesichts der verfassungsmaBig festgelegten Unabhangigkeit der Lander offenbar nicht moglich. Im erwahnten Sfcabili- tatsgesetz wurde inzwischen eine als elastische Rahmenplanung gedachte, gleitende fiinf jahrige Finanzplanung fur den Bund und fur die Lander ange- ordnet4, die fur den Bund bereits durch BeschluB der Bundesregierung vom 6. Juli 1967 6 fur die Jahre 1967 bis 1971 verwirklicht wurde. Auf eine Gesamtflanung und Koordinierung ist bislang verzichtet worden, obwohl es nahegelegen hatte, die Lander in ahnlicher Weise wie bei den Vorkehrungen des Stabilitatsgesetzes fiir konjunkturpolitisches Operieren auch bei den auf langerfristige Ziele gerichteten MaBnahmen einzugliedern6 und eine gemein- same mittelfristige Planung mit einem gewissen Verbindlichkeitscharakter fiir alle Beteiligten zu schaffen. Eine isolierte mittelfristige Finanzplanung fur Bund und Lander bleibt unbefriedigend.

1 S. 132. 2 S. 133. 8 S. 134. 4 §§ 9, 10 u. 14, aaO., B. 583 1. 6 S. ,,Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung

Nr. 73 v. 8. Juli 1967, S. 625 ff. • Nur ein schwacher Anklang findet sich in dieser Richtung in § 17 des Stabili- tatsgesetzes, der lautet (aaO., S. 584): ,,Bund und Lander erteilen sich gegenseitig die Auskiinfte, die zur Durchfuhrung einer konjunkturgerechten Haushaltswirt- schaft und zur Aufstellung ihrer Finanzpldne notwendig sind." (Hervorhebung von mir. H.H.)

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1st eine Gesamtfinanzplanung mit fur alle Partner gleicher Verbindlich- keit mit dem foderativen Prinzip unvereinbar? Wenn man diese Frage bejaht, so scheint uns das foderative Prinzip in einer Weise interpretiert zu werden, die fur die heutigen Verhaltnisse nicht mehr angemessen ist. Der hohe Staats- anteil aller Ebenen verlangt mb'glichst rationale Ausgabenentscheidungen und die Mitverantwortung aller fur die langerfristigen Ziele der Wirtschafts- politik (Entwicklung und Wachstum der Wirtschaft). Ohne Koordinierung kann hier aber nur Stiickwerk zustandekommen. Wenn die gleichrangige Mit- wirkung aller Betroffenen bei der Gesamtplanung gesichert ist, so ist es u.E. zumutbar, auf die absolute Unabhangigkeit zu verzichten. Im Zusammen- wirken gleichberecMigter Partner entsteht eine hohere Form des Foderalismus, die sicherlich schwieriger zu handhaben ist als die naive Form des unabhan- gigen Nebeneinanders, die aber den heutigen Notwendigkeiten besser gerecht wird. Man konnte sich vorstellen, daB analog zu dem im Stabilitatsgesetz vorgesehenen und inzwischen gebildeten Konjunkturrat ein Planungsrat gebildet wiirde aus Vertretern aller Ebenen und daB dieser Rat die Gesamt- planung vorbereiten wiirde (die konkrete Detailarbeit konnte von einem Planungsstab bei der Bundesregierung geleistet werden), die sodann von alien Beteiligten in gleicher politischer Form zu billigen und in gleicher Weise als verbindlich zu betrachten ware1. Man mag diese Vorstellung als utopisch verwerfen, in die Richtung auf eine Koordinierung mehr oder weniger straffer Art scheinen uns die dargelegten Entwicklungstendenzen der Fakten und Ziele zu deuten.

Wir wollen uns nun gewissen technischen Zwangslaufigkeiten zuwenden, die in den letzten Jahrzehnten die Probleme des foderativ aufgebauten Staa- tes ebenfalls erheblich vermehrt und verscharft haben.

Ill

Die neuere Entwicklung der naturwissenschaftlichen Forschung und der Technik haben dazu gefuhrt, daB die Inangriffnahme gewisser Forschungs- vorhaben und die Bereitstellung bestimmter technischer Einrichtungen eine groBe wirtschaftliche Kraftanstrengung sowie eine umfassende Planung und Koordinierung erfordern, wenn der verfolgte Zweck erreicht werden soil. Der unitarische Staat ist auch hier in der gliicklichen Lage, im Rahmen seines groBen finanziellen Potentials Schwerpunkte zu bilden und so den geballten Einsatz finanzieller Mittel sicherzustellen, und ferner kann er fur das gesamte Staatsgebiet umfassend planen und so dafur sorgen, daB die raumlich ver- teilten Elemente in optimaler Weise aufeinander abgestimmt sind2. Ein moderner Forschungszweig, die Raumfahrt mit dem ehrgeizigen Ziel, inter- planetarische Fliige mit bemannten Raumschiffen durchzuftihren, ist aller- dings so kostspielig, daB Staaten mittlerer GroBe, auch wenn der Zusammen-

1 AhnlichF. Neumarkin: ,,Planung in deroffentlichenFinanzwirtschaft",Schrif- ten des Vereins fur Socialpolitik, N. F., Bd. 45, S. 196. 2 ±js mag naturlich sein, daJi die Zentrale bei der .Flaming zu einem gewissen Grad eine zentripetale Tendenz verfolgt und die Bedurfnisse entfernterer Regionen etwas zu kurz kommen laBt.

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fassung der Finanzkraft nichts im Wege steht, nicht in der Lage sind, selb- standig ein solclies Forscliungsprogramm durchzufuhren. Wenn sie nicht resignieren wollen, bleibt ihnen nur iibrig, gemeinsam mit anderen Staaten Forschungsprogramme in Angriff zu nehmen, und auch dabei werden sie sich noch bescheiden mtissen. Tun sich mehrere Staaten zusammen, so entstehen ahnliche Probleme wie im Inneren eines foderativen Staates, in dem die Zusammenfassung der finanziellen Kraft und ihr zweckgerechter Einsatz auch nur zustandekommen, wenn sich die verschiedenen Finanztrager zusam- menfinden und an einem gemeinsam geplanten Projekt angemessen beteiligen.

Ein Unterschied ist allerdings im Foderativstaat gegeben: Es gibt hier einen umgreifenden Gesamtstaat, den Bund, der als autonomes, fiber den Gliedstaaten ,,thronendes" Staatsgebilde auf Kraftezusammenfassung und Koordinierung hinwirken kann. Trotzdem ergeben sich groBe Schwierigkei- ten, die der unitarische Staat - im Kahmen der von einem Einzelstaat zu bewaltigenden Aufgaben - nicht kennt. Man konnte sich wieder die einfache Losung vorstellen, daB der Bund diejenigen Aufgaben, die die geballte Kraft und eine einheitliche Konzeption erfordern, an sich zieht mit der Begrtin- dung, die Aufgabe gehe uber die Kraft und Zustandigkeit der Gliedstaaten hinaus, sie habe gesamtstaatlichen Charakter. Er kann sich dabei sogar auf das Subsidiaritdtsprinzij) berufen, nach dem diejenigen Aufgaben, die auf einer bestimmten Ebene nicht mehr zu meistern sind, auf die nachsthohere Ebene ubergehen. Als Folge ergabe sich die bundesstaatliche Forderung nach Ausweitung des Finanzspielraums, und so wiirde wieder einmal der groBere Haushalt seine ,,Anziehungskraft" bestatigen, wiirde das sog. Popitz- sche Gesetz ,,erfullt<£1.

Wir haben schon bei der Betrachtung der konjunkturpolitischen Proble- matik und der mittelfristigen Finanzplanung festgestellt, daB echter Fodera- lismus nicht mehr bestehe, wenn der Zentralstaat ein eindeutiges "Obergewicht erhalte. Dahin aber wiirde es langsam kommen, wenn auf Grund von der wissenschaftlich-technischen Entwicklung inharenten Tendenzen immer mehr Aufgaben zu Bundesaufgaben erklart werden miiBten und der Finanz- spielraum der Gliedstaaten allmahlich ausgehohlt wiirde. Eine solche Ent- wicklung kann nur vermieden, d.h. echter Foderalismus mit ausreichendem Gewicht der Gliedstaaten kann nur aufrechterhalten werden, wenn man das Subsidiaritatsprinzi'p nicht unreflektiert anwendet und kompliziertere Losun- gen akzeptiert.

Diese Losungen liegen in Kichtung gemeinsamer und koordinierter An- strengungen beider Ebenen. Sieht man in Kooperation und Koordinierung eine neue, vollwertige Ausdrucksform des Foderalismus, so hat dies einige Konse- quenzen. Man kann sich namlich iiberlegen, ob nicht manche Aufgaben- bereiche, die man bisher in Anwendung des Subsidiaritatsprinzips ohne wei- teres dem Zentralstaat glaubte zuordnen zu miissen, wieder an die Glied- staaten - ganz oder teilweise - zurtickgegeben werden konnten, wenn nur fiir die erforderliche Kooperation und Koordinierung gesorgt ist. Um ein ganz

1 Vgl. hierzu K.H.Hansmeyer: Das Popitzsche Gesetz von derAnziehungskrafb des zentralen Etats, in: ,,Beitrage zur Theorie der offentlichen Ausgaben", Schriften des Vereins fur Socialpolitik, N.F., Bd. 47, S. 197 ff.

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extremes, sicherlich etwas verbliiffendes Beispiel anzufiihren: Konnte man sich nicht vorstellen, daB, wenn fur einheitliche Ausriistung, Bewaffhung und Ausbildung gesorgt wird, wesentliclie Teile der Streitkrafte eines Landes von den Gliedstaaten finanziert und unterhalten wiirden (selbstverstandlich unter der Voraussetzung, daB sie einem gemeinsamen Oberbefehl unterstellt waren und dem Bund sowohl fur Ubungen wie fiir den Ernstfall zur Verfiigung stiinden)? DaB Landesarmeen genauso ihre Pflicht tun wie eine Bundes- streitmacht, hat der Erste Weltkrieg bewiesen. Und heute zweifelt niemand daran, daB die aus nationalen Kontingenten zusammengesetzten Streitkrafte von Verteidigungsgemeinschaften ihrer Aufgabe gerecht werden; sonst ware es sinnlos, Verteidigungsgemeinschaften zu bilden. Obwohl man seit geraumer Zeit die Landesverteidigung als Bundesaufgabe betrachtet und dies fiir selbstverstandlich halt, werfen wir die Frage auf , ob man diese selbstverstand- liche voile Zuordnung nicht iiberpriifen konnte. Ergabe sich durch Zuriick- drehen des ,,Rades der Geschichte" hier wieder eine Aufgabenzustandigkeit der Gliedstaaten, so konnte man dafiir in Kauf nehmen, daB diese andere Auf- gaben an den Bund abtreten wiirden, bei denen hierfiir eine unausweichliche Notwendigkeit vorlage!

Wir stoBen hier auf die generelle Frage, welche Griindefur die Aufteilung der Aufgaben zwischen Zentralstaat und Gliedstaaten (und Gemeinden) letztlich mafigebend sein konnen. Mit dem Subsidiaritatsprinzip in seiner iiblichen Interpretation macht man sich die Sache vielleicht ein biBchen zu einfach. Dieser Frage wollen wir in einem kleinen Exkurs unsere Aufmerksamkeit etwas zuwenden.

Fragen wir noch einmal so: Wann erscheint es angezeigt, daB eine offent- liche Aufgabe einer hoheren staatlichen Ebene mit umfassenderemWirkungs- bereich iiberlassen wird? Die unmittelbare Antwort auf diese Frage wird lauten miissen: Dann, wenn erwartet werden muB, daB die niedrigere Ebene die Aufgabe nicht in zureichender Weise erfiillen kann. Und nun ergibt sich die Kernfrage: Welche Eigenarten mussen die affentlichen Aufgaben aufweisen, wenn sich diese Erwartung von der unzureichenden Aufgabenerfullung durch die niedrigere Ebene zwingend ergeben soil ? Wenn schon erfahrungsmaBig feststeht, daB die niedrigere Ebene die Aufgaben nicht in zureichender Weise bewaltigt, so ist die Frage entsprechend zu modiflzieren. Die zu eruierenden besonderen Eigenschaften der Aufgaben gebieten in diesem Fall eine Anderung der Auf- gabenkompetenzen zugunsten der hoheren Ebene. Stellen wir uns, um die Zusammenhange besser iiberblicken zu konnen, einen zweistufigen Staat, bestehend aus Bund und (regionalen) Gliedstaaten vor.

Zunachst ist sicher, daB die Regelung der Beziehungen zu anderen Staa- ten Bundesangelegenheit sein muB, wenn der Bundesstaat als staatliche Ein- heit betrachtet werden soil. Ferner muB die Gesetzgebung in all jenen Berei- chen dem Bund vorbehalten bleiben, in denen einheitliche Eegelungen und Rechtsverhaltnisse erforderlich sind, wenn das Gebiet des Gesamtstaates einheitlicher Lebens- und Wirtschaftsraum fiir seine Bewohner sein und das Zusammenleben in einheitlicher Weise geregelt sein soil. Desgleichen muB die oberste Eechtsprechung Angelegenheit des Bundes sein, weil anders die Rechtseinheit nicht gewahrleistet werden kann. Interessant sind in diesem

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Zusammenhang die Grunde, die das Grundgesetz fur das Vorliegen eines Bediirfnisses fur eine bundesgesetzliche Kegelung in denjenigen Bereichen nennt, fur die die sog. konkurrierende Gesetzgebung vorgesehen ist. Ein sol- ch.es Bedtirfnis kann gegeben sein, weil ,,L eine Angelegenheit durch die Gesetzgebung einzelner Lander nicht wirksam geregelt werden kann oder 2. die Regelung einer Angelegenheit durch ein Landesgesetz die Interessen anderer Lander oder der Gesamtheit beeintrachtigen konnte oder 3. die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit, insbesondere die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhaltnisse uber das Gebiet eines Landes hinaus sie erfordert"1.

Bei den AuBenbeziehungen handelt es sich um Beziehungen des Gesamt- staates, bei der Gesetzgebung und Rechtsprechung um die Schaffung einheit- licherRegelungen und Rechtsverhaltnisse fur den innerenBereich des Gesamt- staates. Im einen Fall kann man von Aufgaben sprechen, die nur der Gesamt- staat erfullen kann, wenn der Bundesstaat nach auBen als staatliche Einheit auftreten soil, im anderen handelt es sich um Aufgaben, die dem Bund iiber- lassen werden miissen, wenn der Gesamtstaat im Inneren eine staatliche Ein- heit bilden soil. Gesetzgebung und Rechtsprechung setzen jedoch nur die Normen des Zusammenlebens fur die Bewohner eines Staatsgebiets. Es liegt noch keine oder nur geringftLgige Tatigkeit des Staates in dem Sinne vor, daB Leistungen und Einrichtungen dargeboten und finanzielle Hilfen gewahrt werden. Der Staat muB zwar Institutionen unterhalten, um diese Normen zu setzen und ihre Einhaltung zu sichern (Gesetzgebungs- und Regierungs- apparat, Gerichte, Polizei), doch es handelt sich noch nicht um jenes breite Feld der den Staatsbtirgern zur Verfiigung gestellten Dienste und Einrich- tungen, das zusammen mit den finanziellen Hilfen (Sozialleistungen und Subventionen) so stark dazu beigetragen hat, daB die Staatsausgaben in den letzten Jahrzehnten so kraftig ausgeweitet wurden. Es ist klar, daB die Glied- staaten den Teil der ,,Ordnungsaufgabe" zu tibernehmen haben, der nicht aus den angegebenen Gr linden beim Bund verbleiben muB, und daB sie die gleichen Institutionen hierfiir benotigen wie der Bund. DieWahrnehmung der auswartigen Beziehungen durch den Bund braucht noch nicht zu bedeuten, wie wir oben schon festgestellt haben, daB das fur diesen staatlichen Tatig- keitsbereich auch heute noch erforderliche und heute gerade besonders kost- spielige Instrument der Streitkrafte ganz dem Bund zur Betreuung iiber- lassen ist. Entscheidend ist, daB der Bund Richtlinien geben kann, die die Einheitlichkeit und Schlagkraft dieses Instruments garantieren, und daB er im Bedarfsfall dariiber verfiigen kann. Entsprechendes gilt ftir die Polizei.

Die entscheidende Problematik liegt in dem angedeuteten breiten Feld der Bereitstellung von Diensten und Einrichtungen und der Gewdhrung finanzieller Hilfen. Wo liegen hier die generellen Merhmale, die anzeigen, daB bestimmte Leistungsbereiche Bundesangelegenheit sein nmssen, wenn eine zweckent- sprechende Aufgabenerfiillung gesichert sein soil? Solche Merkmale sind kaum zu finden, sofern die Lander sich bereit erklaren, die jeweiligen Auf- gaben in einheitlicher und zweckgerechter Weise durchzufuhren und dort, wo

1 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Art. 72, Abs. 2.

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Koordinierung notwendig ist, eine solche vorzunehmen. Selbstverstandliche Voraussetzung ist nattirlich, daB ihnen entsprechende Finanzierungsmittel zugesprochen werden. Sogar in solchen Fallen, wo nur eine einzige Einrich- tung bestimmter Art ftir das gesamte Bundesgebiet bereitzustellen ist, weil man nicht mehr benotigt (z. B. eine Spezialschule), konnte man nach gemein- samer Bestimmung des Standorts (der natiirlich moglichst optimal sein sollte) durch Bund und Lander die Errichtung und Betreuung dem betreffen- den Land iiberlassen, das nur im Rahmen der Verteilung der Finanzmittel eine entsprechende Sonderzuweisung erhalten miiBte. Besteht eine entspre- chende Einrichtung, die sich iiber das gesamte Bundesgebiet erstreckt, aus regionalen Elementen, die zu einem Ganzen zusammengefugt sein miissen, wenn die Einrichtung funktionieren soil (technischer Koordinierungszwang), so kann man sie bei entsprechender Finanzanpassung ebenfalls den Landern iiberlassen, wenn diese bereit sind, sich der gemeinsamen Planung zu unter- werfen und die Verantwortung zu ubernehmen, daB Errichtung und Betrieb gemaB Plan durchgefiihrt werden.

Der wichtigste Fall dieser Art ist die Bereitstellung eines heutigen An- spriichen geniigenden AutofernstraBennetzes. Einigen sich Bund und Lander iiber Streckenfuhrung, Beschaffenheit der StraBen und Zeitplan der Errich- tung, so kann bei entsprechender Finanzausstattung die Bereitstellung von den Landern iibernommen werden. Nur wenn keine Einigung zustandekommt, ist es erforderlich, daB der Bund die Angelegenheit in die Hand nimmt. Ein technischer Zwang dazu besteht nicht, da die unerlaBliche Gesamtplanung und die fugenlose Einpassung der regionalen Elemente in das einheitlich konzipierte Netz durch Vereinbarung ebenso erreichbar sind. Ein faktischer Grund fur die Obernahme der Aufgabe durch den Bund kann auch darin bestehen, daB das Finanzausgleichssystem zu starr ist und nicht zulaBt, daB die Lander mit den notwendigerweise in unterschiedlicher Hohe erforderlichen Sondermitteln ausgestattet werden. FinanzausgleichsmaBige Voraussetzung ware hier, daB der Gesamtheit der Lander ein entsprechender Gesamtbetrag (nicht als Bundeszuweisung, sondern aus gemeinsamen Einnahmen von Bund und Landern durch Vereinbarung) zur Verfugung gestellt wiirde, der dann auf die einzelnen Lander gemaB den jeweiligen Kosten aufzuteilen ware. Es wiirde sich bei einem solchen Verfahren nicht um eine Auftragsangelegenheit fur die Lander handeln, sondern um eine Aufgabe, die die Lander gemeinsam ubernehmen wiirden, wobei sie sich zwar einem Plan unterzuordnen hatten, aber einem Plan, den sie selbst mitgestaltet und akzeptiert hatten.

Neben dem eben diskutierten Gesichtspunkt der technischen Koordinie- rung ist im Rahmen unserer Fragestellung derjenige einer einigermaBen ein- heitlichen Bereitstellung von Leisbungen und Einrichtungen in alien Regionen des Bundesgebiets bedeutsam. Wie schon erwahnt, kann auch hieraus keine Not- wendigkeit abgeleitet werden, die entsprechenden Aufgaben dem Bund zuzu- weisen, sofern die Lander die Verpflichtung ubernehmen, einen bestimmten Leistungsstandard einzuhalten, und sofern sie durch die Mittelverteilung (hori- zontaler Finanzausgleich) dazu instand gesetzt werden. Auch bei sozialpoliti- schen Ausgaben und ForderungsmaBnahmen (Transfers und Subventionen) kann Einheitlichkeit erreicht werden , wenn man sie den Landern iiberlaBt, und

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zwar dadurch, daB die Leistungen jeder Sparte durcli Bundesgesetz sowohl hinsichtlich der Bedingungen als auch der Hohe nach (soweit angemessen, differenziert nach festgelegten Merkmalen) vorgeschrieben werden. In diesem Fall iibernelimen die Lander allerdings praktisch eine Aufbragsangelegenheit. Aus ZweckmaBigkeitsgriinden (nicht aber aus irgendwelchen inneren Not- wendigkeiten heraus) empfiehlt es sich hier, globale Leistungen wie staatliche Zuschiisse an die Sozialversicherungen dem Bund zu uberlassen. Entschadi- gungsleistungen, die letztlich auf Schaden und EinbuBen zuriickgehen, die durcli friihere gesamtstaatliche politische Entscheidungen verursacht wurden (Zahlungen an Kriegsopfer, Fliichtlinge usw.), kann man ebenfalls aus- nehmen.

Keliren wir aber wieder zu den wissenschaftlich-technisclien ,,Zwangen" zuriick, mit denen wir die Betrachtungen dieses Abschnittes begonnen haben! Es war die Eede von GroBprojekten, die die zusammengeballte Kraft einer ganzen Nation erfordern. 1st bei naturwissenschaftlich-technischen GroBfor- schungsprojekten nicht doch der Bund der einzig mogliche Trager, da nur er den geballten Mitteleinsatz moglich machen kann? Auch hier liegt keine Notwendigkeit vor, die Aufgabe dem Bund zu uberlassen. Die Lander konnen - naturlich wieder unter der Voraussetzung, daB sie uber einen ent- sprechenden Finanzierungsspielraum verfiigen - iibereinkommen, einen oder mehrere Schwerpunkte zu bilden und so ihre gemeinsame Kraft zurWirkung zu bringen. Der Kulturbereich, zu dem wissenschaftliche Forschung und Lehre (auch fur die angewandten technischen Wissenschaften) gehoren, ist ja in den Foderativstaaten in aller Regel Landerangelegenheit. Wenn die Lander durch Vereinbarungen unter sich solche Schwerpunkte bilden und gemeinsam GroBforschungsprojekte in Angriff nehmen, bilden sie allerdings gleichsam einen Staatenbund im Bundesstaat. An sich ist ja der Bund die Verkorperung der Gesamtheit der Gliedstaaten; man kann also fragen, ob es angangig ist, daB die Lander einen Verband bilden, der neben dem Bund steht und Auf- gaben ubernimmt, die liber die Kraft eines einzelnen Landes hinausgehen. Alle Vereinbarungen, die die Lander unter sich treffen, ohne den Bund mit- wirken zu lassen, erscheinen durchaus problematisch, weil zwei gesamtstaatliche Gebilde nebeneinander existieren und unabhangig voneinander gesamtstaatlich wichtige Entscheidungen treffen. Diese Entwicklung, iiber deren juristische Zulassigkeit wir nicht zu urteilen haben1, braucht naturlich nicht einzu- treten, ja sie konnte von vornherein ausgeschlossen werden, indem in der Verfassung bestimmt wiirde, daB Landervereinbarungen - zumindest solche, an denen alle Lander beteiligt sind - ohne Einverstandnis des Bundes nicht zulassig sind.

Plant und beschlieBt der Bund mit den Landern gemeinsam eine Schwerpunktbildung, so kann er die Eealisierung den Landern uberlassen, die ihre Mittel zusammenlegen konnen, um den nach rationeller Planung in einem bestimmten Land zu bildenden Schwerpunkt zu schaffen. In gleicher Weise kann verfahren werden, wenn neue Hochschulen errichtet werden

1 Zu den rechtlichen Aspekten des Foderalismus siehe etwa W.Henke: Art. Foderalismus, in: ,,Handworterbuch der Sozialwissenschaften", Bd. 12, Stuttgart- Tubingen- Gottingen 1965, S. 591 ff.

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sollen, deren Finanzierung iiber die Kraft eines einzelnen Landes hinausgeht. Jede neue Hochscliule stellt einen Sdiwerpunkt dar, der gemaB einem zusam- men mit dem Bund aufgestellten Plan in ortlich und zeitlich fixierter Weise gemeinsam von den Landern realisiert wird. Es gibt keine zwingende Not- wendigkeit dafiir, daB der Bund einen Teil der Finanzierung (Gewahrung von Bundeszuschtissen) iibernimmt. In der Praxis findet sich allerdings in der Regel eine finanzielle Beteiligung des Bundes, und zwar wohl deshalb, weil der Bund auf diese Weise mehr EinfluB nehmen kann nach der alten Regel, daB derjenige, der das Geld gibt, auch zu bestimmen habe.

Wir sehen, daB auch sehr hosts pielige Aufgaben keineswegs zu Bundes- angekgenheiten gemacht werden miissen, und so hat sich insgesamt bei der Prufung der Merkmale offentlicher Aufgaben, an die man in diesem Zusam- menhang zu denken hat, gezeigt, daB bei keinem einzigen aus seinem Vor- liegen eine Notwendigkeit erwachst fur die Zuweisung der Aufgabe an den Bund. Wenn koordiniert wird, wenn gesetzlich festgelegte Leistungsverpflich- tungen bestehen, wenn Schwerpunkte vereinbart werden, so geht bei ent- sprechender Bemessung deren finanziellen Spielraums alles auch bei den Landern. Allerdings ist ein Zusammenwirken mit dem Bund notig.

Fassen wir nun einmal den finanzwirtschaftlichen Aspekt, den wir bisher nur am Rande beriicksichtigt haben, etwas naher ins Auge. Wir sagten immer, den Landern sei bei der Aufteilung der gesamten Staatseinnahmen nur ein ausreichender Anfceil zu sichern, dann entstiinde von hierher keine Schwierig- keit, sie mit den entsprechenden Aufgaben zu betrauen. Betrachtet man die Dinge mit den Augen des Bundes, so wird man allerdings sagen miissen, daB der Bund sich eines wichtigen EinfluBmittels begabe, wenn er die Finanzmit- tel von vornherein den Landern iiberlaBt. Dies ist oben schon angedeutet worden. Wenn bestimmte, gesamtstaatlich hochbedeutsame Projekte auf Landerebene nur durch Vereinbarung zwischen Bund und Landern und auf Grund gemeinsamer Planung sinnvoll in Angriff genommen werden konnen, so sollte moglichst auch gesichert sein, daB es zu solchen Vereinbarungen und damit zur Realisierung der betreffenden Projekte kommt. Der Bund sollte, auch wenn er noch so landerfreundlich ist und iiberall, wo es angangig erscheint, darauf verzichtet, die Aufgaben selbst in die Hand zu nehmen, die Realisierung wichtiger Projekte von gesamtstaatlicher Bedeutung durch- setzen konnen. Bei einer groBeren Zahl von Landern mag es schwierig oder gar unmoglich sein, zu Vereinbarungen zu kommen. Es erscheint daher zweck- maBig vorzusehen, daB der Bund im Falle des Nichtgelingens der Projekt- verwirklichung auf Landerebene (im Benehmen mit ihm) die Aufgabe an sich zieht. Damit ware die Realisierung auf jeden Fall gesichert, und die Bereit- schaft der Lander, zu Vereinbarungen zu kommen, ware stark erhoht. Finanziell konnte man iiberall da, wo es einen ausreichend groBen Steuer- verbund gibt, so verfahren, daB fur die betreffenden Aufgaben aus den Ver- bundeinnahmen entsprechende Betrage reserviert wiirden, von denen noch nicht feststeht, welche Ebene sie zur Verwendung erhalten wird. Gelange die Durchfuhrung auf Landerebene, so wiirden die Betrage an die Lander gehen, andernfalls wiirde der Bund iiber sie verfiigen konnen. Die betreffenden Aufga- ben waren ,,Gemeinschaftsaufgaben(< in einem dopvelten Sinne : Einmal wiirde die

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Finanzierung aus einer gemeinschaftlichen Quelle (der Verbundmasse, beste- hend aus den Einnahmen aus einer oder mehreren Steuern) erfolgen, obwohl die Verausgabung der Mittel nur von einer Ebene vorgenommen wiirde, zum anderen wiirde man erwarten, daB im Normalfall die Aufgabe auf Grund eines TJbereinkommens von Bund und Landern nach gemeinsamer Planung von den Landern fur den Gesamtstaat durchgefiihrt wiirde.

Der eben verwendete Begriff der , ,Gemeinscliaftsaufgaben" weicht nicht unerheblich ab von demjenigen, der von der ,,Kommission fur die Finanz- reform" gepragt wurde1 und wohl Bedeutung erlangen wird fiir die von der Bundesregierung geplante Finanzreform2. Dort handelt es sich um bisherige Landeraufgaben, die durch Gesetz zu Gemeinschaftsaufgaben erklart werden sollen, weil sie ,,fiir die Gesamtheit bedeutsam sind und einer langfristigen gemeinsamen Planung bediirfen"3. Flir die Finanzierung ist vorgesehen, daB sie je zur Halffce vom Bund und den Landern iibernommen wird. Nach den Planen der Bundesregierung sollen die Gemeinschaftsaufgaben als gemein- same Aufgaben von Bund und Landern verfassungsmaBig festgelegt, und die gemeinsame Finanzierung soil durch Bundesgesetz im einzelnen bestimmt werden, wobei die 50%ige Beteiligung des Bundes nur als obere Grenze gesetzt ist4.

Es liegt nicht im Kahmen dieser grundsatzlichen Betrachtungen, auf die Vorschlage der ,,Kommission fiir die Finanzreform" und die geplanten ReformmaBnahmen der Bundesregierung im einzelnen einzugehen. Es sei aber nochmals betont, daB bei Vorliegen eines groBeren Verbunds eine gemein- same Finanzierung nicht notwendig erscheint. Sind Bund und Lander gehal- ten, die ,, Gemeinschaftsaufgaben" gemeinsam zu planen, und werden Richt- linien fiir die Erfiillung gemeinsam festgelegt, so ist der entscheidende Punkt beriicksichtigt. Anders ist die Situation natiirlich in Landern, in denen es keinen (wesentlichen) Verbund gibt, in denen also jede Ebene iiber ihre eige- nen selbstandigen Finanzquellen verfiigt. Hier miissen die ̂Gemeinschaftsauf- gaben" auch gemeinsam finanziert werden. Ein Beispiel dafiir ist das im Bau befindliche BundesstraBennetz der Schweiz5.

Die Erorterung der mit der Aufgabenverteilung und -durchfiihrung im foderativen Staat zusammenhangenden Fragen in diesem Abschnitt unter besonderer Beriicksichtigung technischer Notwendigkeiten fiihrt uns wieder zu dem Ergebnis, daB Foderalismus unter heutigen Bedingungen nur noch als ,,kooperativer" Foderalismus moglich ist, wenn die dem Staat zugefalle- nen Aufgaben in vollgiiltiger Weise bewaltigt werden sollen. Je mehr sich die Glieder zu Kooperation und Koordinierung bereitfinden, desto mehr wird man ihnen an Aufgaben iiberlassen konnen. Sperren sie sich gegen gemein- sames und gleichgerichtetes Vorgehen, so wird man entweder den Aufgaben

1 S. Gutachten S. 34 ff. z S. 4. Klein: JDas H manzretormprogramm aer rSunaesregierung, in: ,,l5uiletin

des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung" Nr. 83 v. 8. August 1967, S. 715.

8 Gutachten, S. 37. 4 S. Klein, aaO., S. 715f. 5 Hier ist die gemeinsame Finanzierung in der Verfassung festgelegt (Bundes-

verfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Art, 36 bis, Ziff. 4).

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nicht gerecht, oder der Zentralstaat muB die Aufgaben an sich ziehen, und es kommt zu einer langsamen, aber sicheren Aushohlung des Foderalismus. Bedeutet jedoch Koordinierung, ,,Gleichschaltung", nicht auch ein Aufgeben des foderalistischen Prinzips, dessen Befolgung ja nur sinnvoll zu sein scheint, wenn die ,,Individualitaten" der einzelnen Gliedstaaten, die u.a. von stam- mesmaBigen Unterschieden mit entsprechenden Eigenheiten der Praferenzen gepragt sind, in einer angemessenen Gestaltung der offentlichen Leistungen zum Ausdruck kommen? Es gibt nicht nur den technischen Koordinierungs- zwang, sondern auch - dies klang oben bereits an - den Zwang zur ,,Gleich- macherei" wegen der Forderung nach (annahernd) gleichen offentlichen Leistungen fur die Staatsbiirger und nach gleicher Bemessung der Lasten, die ihnen auferlegt werden. Mit diesem Aspekt wollen wir uns nun noch gesondert befassen.

IV

Die heutige Gesellschaft nimmt - das kann wohl kaum bestritten werden - mehr und mehr die Ztige einer Massengesellschaft an, sie ist gekennzeich- net durch immer weiter zunehmende Gleichformigkeit der Lebensanspruche und Praferenzen. Welche Einnusse dies bewirken, ist hier nicht zu unter- suchen. Jeder will in jedem Konsumbereich alle angebotenen Moglichkeiten nutzen konnen. Es gibt bei fortgeschrittenem Wohlstand den Fall immer weniger, in dem in einzelnen Konsumbereichen gewisse Verzichte in Kauf genommen werden, damit man sich in anderen Bereichen, die einem beson- ders wichtig sind, eine extrem hohe Bedlirfnisbefriedigung leisten kann. Man erstrebt tiberall wenigstens einen befriedigenden bis guten Stand der Bediirf- nisbefriedigung, will nirgends zuruckbleiben. Auch vom Staat erwartet man, unabhangig da von, in welchem Gliedstaat man wohnt, gleichmaBig gute Leistungen auf alien Gebieten, die fur die private Bedurfnisbefriedigung wichtig sind: StraBen, Schulen, Krankenhauser, Theater, Parks usw. Die Praferenzskalen der Burger diirften auch in dieser Bichtung weitgehend nivelliert sein in dem Sinne, daB man in alien Sparten ziemlich hohe An- spruche stellt. Die Bevolkerung eines Gliedstaates wird sich kaum mit einem maBigen StraBennetz zufrieden geben, weil sie besonders luxuriose Schulen haben will, und entsprechend wenig wahrscheinlich ist es, daB in einem ande- ren auf Grund umgekehrter Wertung bei den Schulen Abstriche gemacht werden. Die zitierte ,,Einheitlichkeit der Lebensverhaltnisse", von der im Grundgesetz die Rede ist, ist zwar nicht ganz so gemeint, doch ist auch der eben geschilderte Tatbestand zu einem gewissen Grade darin angesprochen.

Man muB aus dieser Gegebenheit die Konsequenz ziehen, daB die einzel- nen Gliedstaaten heute kaum mehr in der Lage sein diirften, wesentlich Unter- schiedliches zu bieten; dies wird weder hinsichtlich des Leistungsniveaus noch hinsichtlich des Leistungs-,,buketts" moglich sein. DieFrage drangt sich auf: Was verbleibt den Gliedstaaten dann noch an Spielraum, um Leistungen spezifischer Art darzubieten? Im wesentlichen doch wohl nur die Variierung bestimmter Qualitdten der einzelnen Leistungen bei mehr oder weniger gegebenem Standard. So konnen etwa im Stil der Gebaude folkloristische Elemente

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beriicksichtigt werden oder im Theaterprogramm zeitgenossische Werke stark zum Zuge kommen, urn zwei Beispiele zu nennen. Auf diese Weise kann man der Mentalitat der Bevolkerung Rechnung tragen. Zugegeben, der Sachver- halt ist hier etwas drastisch dargestellt, doch wird kaum bezweifelt werden konnen, daB er weitgehend gegeben ist.

Die Nivellierung der Leistungen kann man auch noch unter normativem Aspekt betrachten und dabei folgende "Uberlegungen anstellen: Diejenigen Leistungen des Staates, die nicht unmittelbar von deren NutznieBern durch Aquivalenzabgaben entgolten werden miissen, werden mit Hilfe der allge- meinen, ohne Bezugnahme auf Leistungen erhobenen Abgaben, der Steuern, finanziert. Werden die Steuern so erhoben, daB Lastengleichheit angestrebt wird, etwa gleiches relatives Opfer, so konnen die Staatsbiirger auch gleiches Leistungsniveau verlangen, unabhangig davon, in welchem Gliedstaat sie leben. Es darf natiirlich dann auch die Hohe der Besteuerung nicht regional verschieden sein. Diese Bedingungen sind nur realisierbar, wenn ein voll- kommener horizontaler Finanzausgleich durchgefiihrt wird, so daB in alien Gliedstaaten fur das staatliche Leistungsangebot derselbe Betrag je Kopf zur Verftigung steht. Zur Erhebung unterschiedlich hoher regionaler (lokaler) Steuern ist man nur berechtigt, wenn die betreffenden Bewohner eine entspre- chende Abweichung vom Normalniveau der Leistungen wiinschen, was sie iiblicherweise nur in den Wahlen zum Ausdruck bringen konnen. Von der unterschiedlichen Finanzkraft der Staatsglieder sollte die Hohe der Besteue- rung nicht abhangig gemacht werden ; die Finanzkraft sollte im Idealfall durch den Finanzausgleich vollkommen ausgeglichen sein. Sind die Anspriiche auf individuell als niitzlich empfundene Staatsleistungen nivelliert, so werden die Staatsbiirger keine Abweichung von der allgemeinen Norm verlangen, und es besteht kein Grund fur eine unterschiedlich hohe Besteuerung. Die regionalen und lokalen Staatsglieder konnen dann praktisch ein individuelles Leistungs- angebot nur noch in der beschriebenen Weise bereitstellen. In der Realitat kommt es natiirlich nicht zu einem vollkommenen Finanzausgleich, und deshalb wird das Leistungsniveau auch nicht einheitlich sein konnen. Wegen der verbleibenden Unterschiede in der Finanzkraft sollten aber keine ver- schieden hohe Steuern erhoben werden. Das Ziel sollte sein, die Finanzhraft- nivellierung soweit wie moglich zu treiben.

Nicht alle Foderativstaaten weisen eine so starke Angleichung der fur die staatlichen Leistungen relevanten Praferenzen ihrer Burger auf; das oben gezeichnete Bild ist - dies muB zugegeben werden - etwas schematisiert. So sind z. B. in der Schweiz betrachtliche Unterschiede in der Hohe der kanto- nalen Steuern gegeben, und das gleiche gilt fur die lokalen Steuern. Dies ist ein Zeichen dafiir, daB die Burger der einzelnen Kantone verschieden hohe Anspriiche an das staatliche Leistungsniveau stellen. (Auf der anderen Seite spiegelt sich darin natiirlich auch die unterschiedlich hohe Finanzkraft der einzelnen Kantone und Gemeinden wider; dies darf nicht iibersehen werden.) Nun haben aber in der Schweiz - das ist die andere Seite der Medaille - die Burger auch sehr viel weitergehende Moglichkeiten, bei der Entscheidung iiber die Steuerhohe mitzuwirken, als dies in groBeren Staaten - zumindest auf Lan- derebene - der Fall ist. Wenn die Bevolkerung eines Gliedstaates selbst ihr

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eigenes Steuerniveau wiinscht und ausreichende Moglichkeiten besitzt, dies zum Ausdruck zu bringen, so ist das zu respektieren. Hier liegen auch noch wirklich regionale (lokale) Unterschiede in den Praferenzen vor, und der Foderalismus hat noch vielfaltige Ausdrucksformen und ist nicht eingeengt auf einen schmalen Spielraum seiner Betatigung.

Stellen wir aber nun die schon langst fallige Frage, ob ein foderativer Staatsauf bau bei weitgehenden Einheitsleistungen der unteren Staatsebenen im Einverstandnis mit den Staatsbiirgern noch. sehr viel Sinn hat, insbeson- dere wenn bei zahlreichen Leistungen Koordinierung verlangt werden muB, sofern sie den unteren Ebenen tiberlassen bleiben. Ist dies nicht ein toter Foderalismus , eine stillschweigende ,,Gleichschaltungtf ?

Unseres Erachtens behalt der Foderalismus auch unter den veranderten Bedingungen seinen guten Sinn. Ein wichtiger Zweck - in unseren Augen der wichtigste - einer foderativen Staatsstruktur wird immer noch erreicht, auch wenn die Nivellierung weit fortgeschritten und der Koordinierungszwang sehr stark geworden ist. Es bestehen eine Keihe eigenstandiger politischer Willensbildungszentren nebeneinander in einem Foderativstaat, was erstens bedeutet, daB die Staatsburger ihren politischen Willen an verschiedenen Stellen zum Ausdruck bringen und damit ihren Beitrag zu den politischen Entscheidun- gen in intensiverer Weise leisten kb'nnen (auf den unteren Ebenen auch bei groBerer Anschauung und mit mehr Sachkenntnis), und zweitens zur Folge hat, daft die folitische Macht verteilt ist und dafi damit weniger Miflbrauch mit ihr getrieben werden kann. Im zentralistischen Staat kontrolliert zwar, sofern es sich um eine echte Demokratie handelt, das Parlament - und damit indirekt das Volk - die Kegierung auch und behalt sich die wichtigsten politischen Entscheidungen vor, doch gibt es eben nur diese eine Kontrolle. Imfodera- listischen Staat kontrollieren sich die einzelnen Willensbildungszentren gegen- seitig. Wenn, wie wir gesehen haben, bei vielen groBen Aufgaben Bund und Gliedstaaten bei der Planung beteiligt sein sollten und die Durchfuhrung nach gemeinsam beschlossenen Richtlinien vorgenommen werden sollte, so flieBen viele Vorstellungen zusammen, und es wird sich in der Regel kein ein- seitiger, extremer Standpunkt durchsetzen konnen. Keiner kann dem anderen seinen Willen aufzwingen, man muB sich zu einer gemeinsamen Losung durchringen. Selbstverstandlich besteht dabei die Gefahr, daB boswillige Obstruktion betrieben wird und Parteistreitigkeiten im Rahmen des fodera- listischen Prozesses derWillensbildung ausgetragen werden. Alles ist sehr viel schwieriger, als wenn von einem Willensbildungszentrum aus die Entschei- dungen ausgehen. Der Gewinn ist die gegenseitige Kontrolle, die allerdings nicht zu einem ,,Patt" fuhren darf, das Tatenlosigkeit im Gefolge hat.

Fassen wir noch einmal die wesentlichen Ergebnisse dieser Betrachtun- gen zusammen. Sie laufen darauf hinaus, daB der Foderalismus in der ,,naiven" Form, in der die einzelnen staatlichen Gebilde, die im foderativen Staat nebeneinander existieren, ihr vollig unabhangiges Eigenleben fuhren,

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ohne sich darum zu kummern, was oben und links und rechts gemacht wird, durch eine Reihe schon langer wirksamer Tendenzen mehr und mehr seine Existenzberechtigung verliert. Es hat sich gezeigt, daB man nicht einfach Aufgaben und Einnahmen aufteilen und dann jeden machen lassen kann, was er fur richtig halt. Ohne vielfaltige Koordinierung muB heute der foderali- stische Staat versagen. Koordinierung ist notig zur Konjunkturbeeinflussung, im Rahmen einer die Rationalitat der offentlichen Finanzwirtschaft ver- groBernden und evtl. wachstumsfordernden langerfristigen Finanzplanung und ferner fur die sinnvolle Bewaltigung zahlreicher Einzelaufgaben, die der Staat heute vor sich sieht. Wer den Foderalismus alterer Pragung aufrecht- erhalten will, muB sich dariiber im klaren sein, daB vieles gar nicht oder nur sehr unvollkommen erreicht werden kann.

Weder der ,,Koordinierungszwang" noch die ,,Nivellierung" ftihren zu einer inneren Auszehrung des Foderalismus. Wir haben im Gegenteil gesehen, daB man, wenn die Koordinierung gesichert ist, den Gliedstaaten eher mehr Aufgaben zur Durchfuhrung tiberlassen kann als bisher. Fiigen sie sich den Koordinierungsnotwendigkeiten nicht, so besteht allerdings die Gefahr, daB der Zentralstaat mehr Aufgaben an sich zieht, weil er kaum zusehen wird, wie diese entweder gar nicht oder unvollkommen erledigt werden. Je mehr sich die unteren Staatsebenen mit der Koordinierung anfreunden, desto mehr konnen sie ihren Tatigkeitsspielraum ausweiten. Ihre vollige Unabhangigkeit miissen sie allerdings aufgeben, sie miissen bereit sein zur Zusammenarbeit und zu Konzessionen. Aber ist dies zu viel verlangt in einem ,,foedus", einem Bund? Kann man da wirklich auf Unabhangigkeit pochen? Eigentlich sollten Termini wie kooperativer Foderalismus und Bundestreue gar nicht notwendig sein, das Kooperieren und Sicheinfiigen (ohne sich zu unter- werfen) sollte mehr oder weniger selbstverstandlich sein. Auch die ,,Nivellie- rung" ist keine echte Gefahr fur den Foderalismus, wenn man dessen Haupt- zweck nicht in der Benicksichtigung der besonderen ,, Individuality" ein- zelner Gliedstaaten und der in ihnen wohnenden Stamme sieht, sondern in dem Nebeneinanderexistieren einer groBerenZahl politischerWillensbildungs- zentren, die den Staatsbiirgern vermehrte Gelegenheit geben zur politischen Mitentscheidung und die sich gegenseitig kontroUieren. In Landern, in denen noch betrachtliche Unterschiede zwischen den Praferenzen der Bevolkerung der einzelnen Gliedstaaten existieren, sollten diese natiirlich zum Zuge kommen. Der Staat sollte von sich aus nicht zur Nivellierung beitragen.

Wir sind von bestimmten Entwicklungstendenzen unserer Zeit ausgegan- gen und haben versucht, bestimmte Konsequenzen fur den foderativen Staat daraus abzuleiten, innere Notwendigkeiten aufzuspiiren und zu zeigen, wie der federative Staat sich ihnen am besten anpaBt. Wir sind dabei - im wesent- lichen jedenfalls - ohne Wertungen ausgekommen. In einem Punkt haben wir allerdings eine eindeutigeWertung vorgenommen: in der positiven Beurteilung des foderativen Staates. Unsere Betrachtungen sollten dazu beitragen zu zeigen, wie er die Zukunft gewinnen kann.

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