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"Was hat Modewerbung mit 9/11 zu tun?" Peer Hartog im Horizont

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Page 1: "Was hat Modewerbung mit 9/11 zu tun?" Peer Hartog im Horizont

Gleichgültigkeit ist die Rache, diedie Welt an der Mittelmäßig-keit nimmt.“ Oscar Wilde hat

mal wieder Recht gehabt undnirgendwo hat sein Aphorismus von derMittelmäßigkeit mehr Relevanz als in derWerbung, insbesondere in der für Mode.

Es ist paradox: Mode ist dasklassische Marketingprodukt,denn die originäre Produktleis-tung „bekleidet/wärmt mich“ istaustauschbar, sodass das Imageumso wichtiger ist. Doch denwenigsten Fashion-Brands ge-

lingt es, sich ein differenzieren-des Markenimage aufzubauen.

Für die Verbraucher ist dieKommunikation der Modemar-

ken nicht auseinanderzuhalten.Dabei betreiben viele Labels großenAufwand. Saison für Saison werdenMarketing Manager, Agenturen,

Fotografen, Stylisten und Models andie schönsten Plätze der Welt geflogen,um die Kollektionen zu inszenieren. DasErgebnis sind zwar mehr oder minderschöne Fotos von schönen Menschen inschönen Outfits. Doch die Magazine, dasWeb und selbst das Fernsehen sind rand-voll von schönen Menschen in schönenKleidern. Die Bilder verlieren, im Über-fluss präsentiert, an Kraft und werden –wenn überhaupt – nur flüchtig wahrge-nommen.

Es fehlt, was der Psychologe das Mo-mentum nennt. Eine Idee, die verblüfft,die ins Herz geht. Und vor allen Dingen:die die Marke spezifisch auflädt. Und denVerbraucher motiviert, für diese eineMarke mehr Geld auszugeben, als erzwingend muss.

Niedrige Sympathiewerte der meistenFashion-Labels zum Beispiel in der Bri-gitte Kommunikationsanalyse sind dieKonsequenz. Und ein Sinnbild für man-gelnde Markenloyalität. Eine noch so sty-lische Kollektionspräsentation schafftkeine Profilierung.

Probieren Sie es aus: Suchen Sie sichaus einer beliebigen Mode- oder Life-style-Zeitschrift zehn Fashion-Anzeigen.Reißen Sie die Logos ab, kräftig mischen –und nun sagen Sie, welches Motiv für wel-che Marke steht. Wenn Sie mehr als dreischaffen, haben Sie geschummelt. OderSie sind vom Fach.

Ihre Zielgruppe allerdings ist nichtvom Fach, sondern aus Fallingbostel oderKreuzberg. Fragen Sie die mal nach einerModewerbung, die positiv hängen geblie-ben wäre. Fragen Sie sie, wofür Ihre Mar-ke steht. Im besten Fall kommen Aus-sagen wie Qualität, Passform und Design.Sollte das allerdings das Ergebnis jahre-langer Markenkommunikation sein,herzlichen Glückwunsch. Denn diese Pa-rameter gelten für acht von zehn Fashion-brands.

Zwischenfazit: Fashion Labels, die sichauf die ästhetische Abbildung ihrer Kol-lektion beschränken, betreiben kein stra-tegisches Marketing. Sondern allenfallsVerkaufsförderung.

Wer bemerkt werden will, muss auf-fallen. Wer erinnert werden will, mussGefühle auslösen. Zur Veranschauli-chung ein Beispiel vom Neuromarketing-Spezialisten Christian Schreier: Was ha-ben Sie am 2. Oktober 2006 gemacht?

Keine Ahnung? Und was haben Sie am 11.September 2001 gemacht? Sieh an. Alleswas Sie an diesem Tag getan haben, ist mitden verheerenden Anschlägen von 9/11verbunden. Das emotionale Ereignis hates in Ihrer Erinnerung verankert.

Was bedeutet das für effektive Kom-munikation? Wie können wir Emotionenfür Ihre Marke erzeugen? Keine Sorge,man muss dafür keine Flugzeuge inHochhäuser krachen lassen. Doch etwasmehr, als die Kollektion von einem hip-pen Fotografen in Kapstadt knipsen zulassen, muss man schon bieten, ansons-ten siehe Oscar Wilde.

Die folgenden drei Regeln können ver-hindern, dass Ihre Zielgruppe vor allemeines für Ihre Marke übrig hat: Gleichgül-tigkeit. Bevor Sie darüber nachdenken,wie die Kollektion inszeniert werden soll,klären Sie, was die zentrale Botschaft Ih-rer Marke ist. Nutzen Sie dafür ein mög-lichst einfaches Markenmodell wie dieMarkenpyramide. An dessen Spitze stehtder Markenkern, die zentrale Idee IhrerMarke in einem Satz. Wenn dieser Satzauch auf Wettbewerber passt, haben Siedas Einzigartige Ihrer Marke noch nichtpräzise herausgearbeitet. Dieser Marken-kern ist mehr als Tinte auf Papier, er ist diemanifestierte DNA Ihrer Marke. Er istzentraler Bestandteil eines Kommunika-tions-Briefings. Und er ist die Messlattebeim Bewerten einer Kommunikations-Idee: Passt diese Idee zum Kern meinerMarke? Erlaubt sie mir, Marke und Kol-lektionen über mehrere Jahre immer wie-der neu zu inszenieren?

Sie haben eine gelungene Kollektionmit ordentlichem Preis-Leistungs-Ver-hältnis? Das Gemeine: Irgendwer wirdimmer vergleichbare Teile anbieten wieSie, nur günstiger. Wie soll Ihr Kundeloyal Ihrem Angebot gegenüber sein,wenn er nicht weiß, wofür Ihre Marke

steht? Wenn er kein Gefühl für sie ent-wickeln konnte? Wirklich große Markensind nicht im selben Maße abhängig vomErfolg einer Kollektion. Weil sie in denKöpfen und Herzen der Menschen füretwas stehen. Für etwas, das begehrens-wert ist und mit dem die Menschen sichidentifizieren. So wie Marlboro Jahrzehn-te für den Traum von Männlichkeit, Frei-heit und Abenteuer stand. Volvo für Si-cherheit. Apple für Einfachheit. Nike fürden Sieg über den inneren Schweine-hund. Oder Dove für ein neues Schön-heitsideal. Baldessarini-Chef BurkhardStuhlemmer sagt, eine Marke, die keineklare Position bezieht, die in den Köpfender Menschen kein klares Bild hinterlässt,sei keine Marke, sondern nur ein Label.Recht hat er. Wofür steht Ihre Marke?Nehmen Sie Haltung an!

Ist Ihr Auftritt auch online so span-nend wie die besten Image-Teile IhrerKollektion oder eher Basic? Nutzen SieFacebook wirklich effektiv oder weil esirgendwie dazugehört? Wann haben SieIhre Kunden und Händler zuletzt mit Vi-ral- und Guerilla-Aktionen überrascht?Sie meinen, virale Kommunikation passtnicht zum Nimbus von Modemarken?Dann sehen Sie sich mal Filme wie „FirstKiss“ für das Casual Label Wren oder dasOnline-Spiel „Strip Poker“ für VictoriasSecret an. Oder den Film „Playing Foot-ball with wild Lions“ für die Herren-Kon-fektionsmarke Van Gils.

Allesamt Ideen, die den Markenkernemotionaler inszenieren, als es einenoch so schöne Darstellung der Kollek-tion jemals könnte. Apropos Ideen:Ganz gleich, ob Ihr hausinternes Teammit der Inszenierung der Kollektion be-auftragt wird oder eine Werbeagentur:Fordern Sie Ideen! Ideen sind etwas,das sich auch am Telefon in einem Satzerklären ließe.

Gastautor Peer Hartog hatKommunikation für Markenwie Clique, Roy Robson undBench entwickelt. Gemeinsammit Clemens Gerlach führt erdie Agentur GerlachhartogMarkenkommunikation 2.0

Der Marlboro Marken-kern in den 50erJahren: Der Traum vonMännlichkeit, Freiheitund Abenteuer

Was hatModewerbungmit 9/11 zu tun?

Gastbeitrag: Warum ist Werbungfür Kleidung in Deutschlandso langweilig und uninspiriert?

Ein Film, der Doves Haltung perfekt inszeniert.Und rund 70 Millionen Menschen zu Tränen rührte

Passt zum Kern der holländischen Marke Van Gils:Der Viralfilm vom Löwenretter Kevin Richardson.

Fremde sollen sich vorlaufender Kameraküssen. Präsentiert vonWren, geliebt von91 Millionen Menschen

PRAXIS 27HORIZONT 46/2014 13. November 2014 27

Die Diesel Haltung:Sei nonkonformistisch!

FOTO:SVEN

HEINRICH