Upload
caraf
View
27
Download
0
Embed Size (px)
DESCRIPTION
Dieter Sauer Leistungspolitik: Im Zentrum – aber nicht im Mittelpunkt? Entwicklungstrends der Leistungssteuerung Tarifkommissionssitzung M+E, IG Metall, Bezirk Frankfurt am 30. November 2010 in Mainz. Was ist Leistungspolitik?. - PowerPoint PPT Presentation
Citation preview
Dieter Sauer: Tarifkommissionssitzung der IG Metall, Bezirk Frankfurt am 30. November in Mainz 1
Dieter Sauer
Leistungspolitik: Im Zentrum – aber nicht im Mittelpunkt?Entwicklungstrends der Leistungssteuerung
Tarifkommissionssitzung M+E, IG Metall, Bezirk Frankfurtam 30. November 2010 in Mainz
2Dieter Sauer: Tarifkommissionssitzung der IG Metall, Bezirk Frankfurt am 30. November in Mainz
Was ist Leistungspolitik?
Leistungspolitik ist die Antwort auf die Frage, wie aus dem
ungerichteten Leistungsvermögen des Arbeitenden eine gerichtete
Leistungsverausgabung wird. Leistungspolitik ist in ihrem Kern nichts
anderes als die Lösung des sog. »Transformationsproblems«: Sie
umfasst also die Organisation, Gestaltung und Regulierung des
Prozesses der Verwandlung von Arbeit in Leistung. Dieser Prozess
ist der für die Verwertung menschlicher Arbeit zentrale Prozess.
3Dieter Sauer: Tarifkommissionssitzung der IG Metall, Bezirk Frankfurt am 30. November in Mainz
Unterschiede im Verständnis von Leistungspolitik
Relativ enges, traditionelles Verständnis von Leistungspolitik: Leistungspolitik wird hier vor allem instrumentell verstanden und an die Leistungsentlohnung (in der industriellen Produktion) geknüpft. Einerseits ein Erfolgsmodell wegen erweitere Einflussmöglichkeiten, andererseits ein Auslaufmodell wegen schrumpfender Beschäftigtenanteile.
Breites Verständnis von Leistungspolitik als ein zu großes und (noch) zu unspezifisches Thema: Leistungspolitik ist dann nicht ein bestimmtes Instrument oder ein bestimmter Mechanismus, sondern umfasst – und heute mehr denn je – ein ganzes Bündel von Politikfeldern und ihr Zusammenspiel: die Arbeitsorganisation, die Gestaltung der Beschäftigungsverhältnisse, die Arbeitszeit, die Chance auf Weiterentwicklung oder Karriere usw.
4Dieter Sauer: Tarifkommissionssitzung der IG Metall, Bezirk Frankfurt am 30. November in Mainz
Von der produktions- zur marktzentrierten Produktionsweise
Die neue historische Dominanz der Märkte
Markt (Absatz-, Finanz- und Kapitalmärkte) als Bezugspunkt unternehmensinterner Prozesse
Unternehmen als Anlageobjekte der Finanzmärkte
Arbeitskraft als abhängige Variable
Permanente Reorganisation
Finanzialisierung der internen Unternehmensstruktur oder die „neue
Herrschaft der Zahlen“
Dynamisierung oder Finalisierung der Leistungssteuerung, also ihre
Ergebnis- und Erfolgsorientierung
5Dieter Sauer: Tarifkommissionssitzung der IG Metall, Bezirk Frankfurt am 30. November in Mainz
Maßlose Renditen... maßlose Leistung
Finanzmarktrendite statt „normaler“ Profit
„Systematische Überlastung“ oder das Prinzip der Maßlosigkeit
6Dieter Sauer: Tarifkommissionssitzung der IG Metall, Bezirk Frankfurt am 30. November in Mainz
Jedes Jahr mehr, besser, schneller, billiger …
„Ich … höre jedes Jahr von den Führungskräften den Satz: Wir legen noch eine Schippe drauf. … Und das Merkwürdige ist: Wir schaffen das jeweils und die Konsequenz ist davon dann, dass sich die Spirale wieder weiterdreht, wir am Ende des Jahres wieder hören, dass wir noch eine Schippe drauflegen sollen, obwohl wir eigentlich ständig schon am Limit arbeiten.“ (Finanzdienstleister)
„Wir wollen in fünf Jahren verdoppeln …. Und das wird jetzt einfach fortgeschrieben, was natürlich nicht funktioniert zurzeit. Und eine Diskussion über das, was realistisch ist oder nicht realistisch ist, ist für mich nicht sichtbar“ (Entwicklung Funktechnik)
„Wir haben jedes Jahr die freundliche Aufforderung, 10% Produktivität zu machen.“ (Auftragsbearbeitung Messgerätebau)
7Dieter Sauer: Tarifkommissionssitzung der IG Metall, Bezirk Frankfurt am 30. November in Mainz
Maßlose Renditen... maßlose Leistung
Finanzmarktrendite statt „normaler“ Profit
„Systematische Überlastung“ oder das Prinzip der Maßlosigkeit
Herrschaft der Zahlen und die Ökonomie der Unsicherheit
8Dieter Sauer: Tarifkommissionssitzung der IG Metall, Bezirk Frankfurt am 30. November in Mainz
Permanente Bewährung – Leistung „durch“ Unsicherheit?
„Also erwartet werden auf jeden Fall Zahlen, …dass wir aus den roten Zahlen rauskommen. Und wenn ich ganz ehrlich bin, im Moment weiß ich nicht, wie das Unternehmen das bezwecken will. Die machen nur Druck, die schreiben dann E-Mails, „wir brauchen Zahlen, wir brauchen Zahlen, wir brauchen Zahlen“.
Bei der gleichen E-Mail kam dann aber auch „wir können auch nicht alle Mitarbeiter mitnehmen“. Wie wollen sie dann ein Ziel erreichen, wenn sie in der gleichen Mail direkt noch mal sagen „es kann sein, dass ihr den nächsten Monat den Job verliert“.
Das finde ich ein bisschen demoralisierend. Und von daher weiß ich gar nicht, wie das Unternehmen das im Moment durchbringen will, ehrlich gesagt. Wie gesagt, also ich denk im Moment wirklich, das Schiff fährt voll an die Wand, ehrlich gesagt.“ (Interview IT-Industrie).
9Dieter Sauer: Tarifkommissionssitzung der IG Metall, Bezirk Frankfurt am 30. November in Mainz
Maßlose Renditen... maßlose Leistung
Finanzmarktrendite statt „normaler“ Profit
„Systematische Überlastung“ oder das Prinzip der Maßlosigkeit
Herrschaft der Zahlen und die Ökonomie der Unsicherheit
Vom Organisationsproblems zum individuellen Problem
Unrealistische Ziele als Kernelement der Leistungsdynamisierung
10Dieter Sauer: Tarifkommissionssitzung der IG Metall, Bezirk Frankfurt am 30. November in Mainz
Maßlose Renditen... maßlose Leistung
Finanzmarktrendite statt „normaler“ Profit
„Systematische Überlastung“ oder das Prinzip der Maßlosigkeit
Herrschaft der Zahlen und die Ökonomie der Unsicherheit
Vom Organisationsproblems zum individuellen Problem
Unrealistische Ziele als Kernelement der Leistungsdynamisierung
Organisationsarbeit – oder die „Leistung der Selbststeuerung“
11Dieter Sauer: Tarifkommissionssitzung der IG Metall, Bezirk Frankfurt am 30. November in Mainz
Die Leistung der Selbststeuerung
„Und da habe ich das gemacht, was früher die Vorgesetzten gemacht haben:
Ich habe mich dazu gebracht, immer effektiver zu arbeiten. Ich habe mich
selber unter Druck gesetzt. Das ist natürlich die optimale Form, ist doch klar.
Kein Vorgesetzter kann mich so unter Druck setzen wie ich mich selber, das
ist doch klar. Weiß ich doch auch. Aber Sie kommen ja nicht raus aus diesem
Prozess. Das ist eben so. Sie sind gezwungen, effektiver zu arbeiten, oder
Sie schaffen es nicht, Sie schaffen das Volumen an Arbeit früher nicht als
andere. Und keiner will doch der erste sein, der sagt: Ich schaffe es nicht.“
(Mitarbeiter Sachbearbeitung)
12Dieter Sauer: Tarifkommissionssitzung der IG Metall, Bezirk Frankfurt am 30. November in Mainz
Gefährdung von Gesundheit und Leben
Fast jeder zweite Arbeitnehmer leidet stark unter Hektik, Zeit- und Termindruck am Arbeitsplatz. Ebenso viele klagen über massive Erschöpfungszustände. Psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen haben seit dem Jahre 1998 um 80% zugenommen. 8 Mill. Menschen leiden unter depressiven Störungen.
Die Kosten für das Kurieren von Angststörungen, Depressionen, Herzinfarkten oder Hörstürzen haben sich binnen eines Jahrzehnts nahezu verdoppelt.
Verabschiedeten sich 1993 noch 18% aller Frührentner wegen psychischer Probleme in den Ruhestand, ist es heute schon ein Drittel. Aber die Ausfälle wegen psychischer Erkrankungen haben sich auch unter den Berufstätigen zwischen 15 und 35 Jahren – Frauen wie Männern – seit 1997 verdoppelt.
Experten sprechen von einem „fundamentalen Wandel“ bei den Ursachen der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit in den letzten 20 Jahren.
13Dieter Sauer: Tarifkommissionssitzung der IG Metall, Bezirk Frankfurt am 30. November in Mainz
Perspektiven der Leistungsgestaltung
Arbeitspolitik im Finanzmarktkapitalismus
Widerstand gegen den Marktimperativ: den Aufwandsbezug („das
Menschenmögliche“) wieder herstellen bzw. einführen
14Dieter Sauer: Tarifkommissionssitzung der IG Metall, Bezirk Frankfurt am 30. November in Mainz
Wandel des Leistungsbegriffs
Arbeitskraft- und Aufwandsorientierung, Zeit als Maßstab
Anforderungen müssen in Beziehung zum „Menschen-möglichen“ stehen
Standardisierte, einheitliche Leistungsmaßstäbe: „Normalleistung“, Kriterien-kataloge, Arbeitszeit. Aufwandsbezogene Leistungsgerechtigkeit
Ergebnisorientierung und damit Finalisierung des Leistungs-begriffs, Bedeutungsverlust der Zeit als Maßstab
Marktorientierung; Leistung ist das, was der Markt honoriert, unabhängig vom Aufwand.
Bedeutungsverlust kollektiv
regulierter standarisierter Maßstäbe. Neuer Maßstab: Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens, Maßlosigkeit der Anforderungen
Traditioneller Leistungsbegriff
Ergebnisorientierter Leistungsbegriff
15Dieter Sauer: Tarifkommissionssitzung der IG Metall, Bezirk Frankfurt am 30. November in Mainz
Perspektiven der Leistungsgestaltung
Arbeitspolitik im Finanzmarktkapitalismus
Widerstand gegen den Marktimperativ: den Aufwandsbezug („das
Menschenmögliche“) wieder herstellen bzw. einführen
Transformation der Marktsteuerung: Einflussnahme auf
leistungspolitische Steuerungsgrößen und – instrumente
16Dieter Sauer: Tarifkommissionssitzung der IG Metall, Bezirk Frankfurt am 30. November in Mainz
Perspektiven der Leistungsgestaltung
Arbeitspolitik im Finanzmarktkapitalismus
Widerstand gegen den Marktimperativ: den Aufwandsbezug („das
Menschenmögliche“) wieder herstellen bzw. einführen
Transformation der Marktsteuerung: Einflussnahme auf
leistungspolitische Steuerungsgrößen und – instrumente
Leistungsentgelt als Instrument von Leistungspolitik?
17Dieter Sauer: Tarifkommissionssitzung der IG Metall, Bezirk Frankfurt am 30. November in Mainz
Prinzipien der Interessenpolitik
Vorrang für Beteiligung und Mobilisierung: partizipative Definition und Bewertung von Leistung
Regulierung als Prozess – mobilisierend statt stellvertretend
Neue Rolle von Betriebsräten und Gewerkschaften
Räume für eine „Arbeitspolitik von unten“ schaffen
18Dieter Sauer: Tarifkommissionssitzung der IG Metall, Bezirk Frankfurt am 30. November in Mainz
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit !