Was man Umberto Eco in einem bayerischen Taxi unbedingt ... · PDF file 1 Michael Preis Was man Umberto Eco in einem bayerischen Taxi unbedingt einmal fragen sollte Dem großen italienischen

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    Michael Preis Was man Umberto Eco in einem bayerischen Taxi unbedingt einmal fragen sollte Dem groen italienischen Ironiker zum 80. Mit meinem Beitrag mchte ich eine These Umberto Ecos ganz entschie-den zurckweisen, die er in einer diesbezglich einschlgigen kultur-theoretischen Glosse ber Taxifahrer geuert hat. Man erkennt letztere eben nicht allerorten daran, dass sie immer diejenigen sind, die nie he-rausgeben knnen. Das Gegenteil ist der Fall! Ecos Fehleinschtzung drfte, und auch das mchte ich mit dem vorliegenden Text zeigen, auf eine allzu restriktive Verwendung des Herausgabe-Begriffs zurckzufh-ren sein. Ich beabsichtige mit meinen Ausfhrungen keineswegs, ir-gendwelche realen Personen zu verspotten oder ihnen sonst irgendwie zu nahe zu treten, weder bayerischen Staatsbrgern, bayerischen Taxifah-rern noch Umberto Eco! Gratulieren mchte ich letzterem allerdings schon, gerade zu seinem 80. Nicht jeder seiner Geburtstage ist schlielich so unendlich rund wie dieser. Bayern ist ein heiteres Land, und ein tief grndender innerer Friede bildet seine Mauern. Die gallische Angst, es werde eines Tages ir-gendwem der heimatliche Himmel auf den Kopf fallen, wre im Freistaat gnzlich fehl am Platze. Denn dort ist es beinah wie im Himmel. Man ruht in sich, man ist zufrieden, und man vergisst da-bei all jener Unglcklichen nicht, denen die Gnade versagt blieb, dem Freistaat (so seit 1918) durch Geburt, Eheschlieung oder Ein-brgerung anzugehren. Daraus wird es zu erklren sein, dass sich das gewesene Knigreich schon vor Jahrzehnten bereitwillig in die Bundesrepublik Deutschland eingliederte und in wnschenswerter Klarheit eines in der Verfassung festgehalten hat: All jene deut-schen Staatsbrger, die in Bayern ihren Wohnsitz haben, besitzen die gleichen Rechte und Pflichten wie die bayerischen (Erster Hauptteil: Aufbau und Aufgaben des Staates; 1. Abschnitt: Die Grundlagen des Bayerischen Staates; Artikel 8: Gleichstellung aller Deutschen). Der Bayer an sich bewahrt also Haltung und Gromut

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    auch und gerade im Angesicht des fderalen Fremden. Mgen seine Knige in Grbern liegen, ihre Seelen drften in den Himmel aufge-fahren sein. In Bayern kommt das Knigreich von innen, groherzig trgt man es in stolzgeschwellter Brust; man integriert das Unver-standene mit Fassung. Doch diejenigen, die in den letzten Jahren die internationale Presse verfolgt haben, wissen um die Wolken, die die sonst so lichte bayeri-sche Atmosphre in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer wieder verfinstert haben. Auch in Bayern herrscht nicht eitel Son-nenschein. Seit Edmund Stoibers Ausscheiden aus der bayerischen Landespolitik haben sich die innerbayerischen politischen Mehr-heitsverhltnisse signifikant verschoben. Unendlich fern und nicht mehr zurckzuholen scheinen die Zeiten, in denen Bayerns Einig-keit durch eine absolute Mehrheit der regierenden Partei in repr-sentativer Form vor aller Augen stand. Das knigliche Erbe des Freistaats ist sptestens mit den beiden gescheiterten Kanzlerkandi-daturen von Stoiber und vor ihm Franz Josef Strau auf politischer Ebene wohl verbraucht. Der europische Blick auf Bayern ist aller-dings, insofern er sich vor allem auf jene doch ganz uerlichen po-litischen Verhltnisse richtet, in weiten Teilen der internationalen Presse von einem bedauernswerten blinden Fleck gekennzeichnet. Er betrifft die kulturellen Reichtmer des Freistaats sowie vor allem anderen dessen imaginative Ressourcen. Um davon einen Eindruck zu bekommen, stelle man sich fr einige Momente die folgende Situation vor: Umberto Eco htte in einer renommierten italienischen Zeitschrift eine Glosse geschrieben, die in der deutschen bersetzung von Burkhart Kroeber den Titel trgt Wie man mit Taxifahrern umgeht. Man stelle sich weiter vor, in dieser Glosse wre von drei Kategorien italienischer Taxifahrer die Rede, von Taxifahrern aus New York, Paris, Stockholm, Rio sowie von solchen aus Deutschland. Und nun stelle man sich noch das eine mehr vor, dass Umberto Eco, ein Mann von Welt zweifelsohne, als Exempel fr den deutschen Taxifahrer-Typus denjenigen aus Frank-furt bemht Sie merken es selbst, liebe Leser aus Deutschland, auch wenn Umberto Eco genau dies alles getan hat1: Man will es

    1 Die Glosse ist zusammen mit vielen anderen erschienen in dem Band Umberto Eco: Smtliche Glossen und Parodien 1963-2000. Frankfurt a.M.:

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    sich nicht vorstellen, jedenfalls in Bayern nicht. Es wrde hier schlielich nicht viel Sinn ergeben, denn bei uns existiert ein Taxi-fahrer-Typus, der Umberto Eco, jenem ansonsten doch so scharf- und umsichtigen italienischen Intellektuellen, vllig unbekannt zu sein scheint. Dieser Typus hebelt Ecos zentrale These, auf die seine Argumentation unwiderstehlich zuluft, geradezu aus. Wenn es zu-trfe, dass man Taxifahrer berall daran erkennt, dass sie niemals herausgeben knnen, dann gbe es jenen bayerischen Taxifahrer-Typus, der Eco herausgeben2 knnte, nicht; und genau das ist un-zutreffend. Um Ecos These zu widerlegen oder ihr zumindest performativ et-was entgegenzusetzen, werde ich im Folgenden aus stilistischen Grnden so verfahren, als sei ich ein Reprsentant jenes Taxifahrer-typs, was ich, zugegeben, nur der Mglichkeit nach bin. Es ist ja so, dass ohnehin nur wohlhabende Idealisten, die ber ziemlich viel Freizeit verfgen dies drften vor allem Promotionsstudierende geisteswissenschaftlicher Fcher im berschaubaren Prozentbereich sein , nur solche Luftschlossbauer also, die ntigen Zeit- und Pla-nungsreserven aufbringen knnen, um ein Taxifahrer-Dasein in Bayern mit einiger Aussicht auf Erfolg in die Wege leiten zu kn-nen! Speziell eine Karriere in Mnchen muss in ihren konomi-schen Dimensionen frhzeitig geplant werden. Bezglich der zu er-wartenden finanziellen Risiken hat man unbedingt langfristig zu kalkulieren. Sonst gert unter Umstnden auch der ausgebuffteste

    Zweitausendeins 2001, S. 305-308 [Lizenzausgabe mit Genehmigung des Carl Hanser Verlags]. 2 Vgl. Umberto Eco: Wie man mit Taxifahrern umgeht (wie Anm. 1), S. 308. Der Herausgabe-Begriff, den man im Wissenschaftssystem vorwiegend im Zusammenhang mit Fachzeitschriften, Tagungs- und/oder sonstigen Sammelbnden assoziiert, wird von Eco in seiner Glosse allem Anschein nach rein wrtlich verstanden. Nicht nur in Bayern allerdings wird der Be-griff des Herausgebens auch in bertragener Bedeutung viel und gern ge-braucht. Im DUDEN findet sich dazu ein treffliches Verwendungsbeispiel: herausgeben [] (landsch.) jmdm. auf eine uerung eine gebhrende Ant-wort erteilen: ich habe [ihm] ganz schn herausgegeben. DUDEN. Deutsches Universalwrterbuch. 4., neu bearbeitete und erweiterte Aufla-ge. Hg. v. der Dudenredaktion. Dudenverlag: Mannheim, Leipzig, Wien, Zrich 2001.

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    geisteswissenschaftliche Promotionsstudent in eine Schuldenfalle. Er verliert, was ihn im Innersten zusammenhlt und dabei htte er doch wissen mssen, dass zu einem Lebensweg als Chauffeur fr alle Lebenslagen ein durchdachter Finanzplan unabdingbar ist. In aller Bescheidenheit: Idealist, der ich bin, htte ich persnlich hier lngst vorgesorgt. Vor langer Zeit schon htte ich diejenigen meiner Konten, die nicht fr den alltglichen urbanen Lebenswandel, son-dern fr mein knftiges wirtschaftliches Wohlergehen reserviert waren, in drei Bausparvertrge hineinkanalisiert; die Vielzahl der in- und auslndischen Geldinstitute, in denen meine eisernen Reserven lagerten, war irgendwann einfach strend unbersichtlich gewor-den. Diese drei Bausparvertrge wiederum, einen fr mein Haus, ei-nen fr mein Auto, einen fr mein Boot, htte ich entschlossen in einen einzigen zusammengefasst. Denn ein der bayerischen Landes-hauptstadt wrdiges Taxi kostet, und zwar nicht wenig. Mit irgen-deinem Auto, wie es jeder fhrt, ist es in Mnchen nicht getan. Wer hier auf sich hlt, erwirbt ein Modell desjenigen einheimischen Au-tomobilherstellers, dessen Firmensitz aus den berhmten vier Tr-men besteht, die man ganz besonders schn sieht, wenn man im Drehrestaurant oben auf dem Olympiaturm sitzt. Dort droben trinkt man in Bayern hin und wieder gern ein Wei-bier, und dabei sinniert man so vor sich hin. Wer dermaen nah am Firmament lebt, wie man es in Bayern tut, der steht in der Pflicht, dieses Erbe zu verteidigen. Wir haben es bekommen, es zu erhalten, auf dass sich auch knftige Generationen hier so erhaben fhlen knnen, wie es ihnen gebhrt. Jedem Chauffeur, der wei, worum sich seine Reifen drehen, ist es deswegen schon aus symbolischen Grnden eine Ehre und freudig akzeptierte Verpflichtung, im Zei-chen der genannten Automobilmarke zu dienen, signalisiert doch der weie Propeller auf blauem Grund vor allem dies: In Bayern sind wir dem Himmel ganz nah, und um auf der Hhe zu bleiben, auf der wir nun einmal schon sind, haben wir das dafr ntige R-derwerk in bestmglicher Weise funktionstchtig zu erhalten. Rund muss es gehen, mgen die Reifen also nur fr den Fahrgastwechsel stille stehen und sich ansonsten immer weiter drehen.3

    3 Die Reime im zuletzt niedergeschriebenen Satz gehren einem langen Strom mndlicher berlieferung an, die man in Bayern nicht nachzuwei-

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    Aber zurck zum eigentlichen Thema! Der eigentmlich verengte Blick auf Bayern, wie er an Umberto Ecos kulturtypologischer Glosse sichtbar wird, knnte durchaus als historische Kontingenz verbucht werden, wrde es nicht Anzeichen geben, die jene Kon-tingenz in ihren subtileren Implikationen konturieren. Ich mchte hierzu nur das in diesem Zusammenhang wichtigste Beispiel nen-nen. So mag es wie ein vllig unbedeutendes Det