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12 MMW-Fortschr. Med. Nr. 19 / 2012 (154. Jg.) Eine gute ärztliche Beratung macht das Abnehmen leichter. Die Sorgen eines Ernährungsmediziners Was Odinius' Kampf gegen das Übergewicht bremst Er ist der Arzt, der die Pfunde purzeln lässt: Michael Odinius aus der Nähe von Hamburg hat sich auf die Behandlung adipöser Patienten spezialisiert und ist damit erfolgreich. Doch die Unwissenheit vieler Kollegen über die Möglich- keiten außerhalb der GKV-Leistungen schafft Probleme. _ Wer mit einem BMI von über 30 zum Arzt geht, erwartet konkrete Hilfe beim Kampf gegen das Übergewicht. Ernäh- rungsmediziner Michael Odinius kann diese Hilfe bieten. Sein Problem: Un- kenntnis bei Ärzten und Patienten verhin- dert den Zugang zu seinen Leistungen, die als „ergänzende Maßnahme der Rehabi- litation“ im SGB V verankert sind, nicht aber im Leistungskatalog der GKV. Nicht immer nur Krankheiten verwalten Odinius ist in Barsbüttel bei Hamburg als Allgemeinmediziner mit ganzheitlichem Ansatz – Naturheilverfahren, Chirothe- rapie und Akupunktur – niedergelassen und hat sich vor zehn Jahren als Ernäh- rungsmediziner auf die Behandlung von Adipositas spezialisiert. „Ich kann mich nicht mit dem Verwalten von Krank- heiten zufrieden geben, sondern suche stets nach einer Lösung für den Pa- tienten“, so Odinius. Seine Patienten schult er kontinuier- lich. Viele von ihnen brauchen nach sei- nen Angaben inzwischen keine Medika- mente mehr, haben keinen Diabetes und keinen Hypertonus mehr, dafür aber weniger Bauch, ein geringeres Gewicht und eine höhere Lebensqualität. UNTERNEHMEN ARZTPRAXIS Kosten für Schulung können erstattet werden Allerdings sind Ernährungstherapie und -beratung nicht Bestandteil des GKV- Leistungskataloges. Odinius kann seine ernährungsmedizinischen Leistungen also nicht wie eine vertragsärztliche Leistung über die KV abrechnen. Eine Kostenerstattung aber ist mög- lich, wenn eine entsprechende ernäh- rungsmedizinische Qualifikation vor- liegt. Geregelt ist dies in den Rahmen- empfehlungen der Krankenkassen und ihrer Spitzenverbände in § 43 Nr. 2 SGB V. Dieser Paragraf befasst sich mit ergän- zenden Leistungen zur Rehabilitation, al- so z. B. Patientenschulungen. In Anlage 1 ist die Ernährungsberatung genannt. Der Patient kann sich die anfallenden Kosten für eine Schulung von seiner Kranken- kasse erstatten lassen, dies wird auch von Kassenseite bestätigt. Bescheinigung statt Überweisung! Geregelt ist auch, dass diese ergänzende Leistung zunächst „vom behandelnden Arzt zu bestätigen“ ist. Konkret bedeutet das: Der Hausarzt des Patienten muss ei- ne Notwendigkeitsbescheinigung aus- stellen. Der Ernährungsmediziner kann dann seine Rechnung an den Patienten stellen und dieser die Rechnung bei der Krankenkasse einreichen. Bis zu 100% Kostenerstattung sind möglich. Nur: Kaum ein Arzt oder ein Patient weiß, dass es diese Möglichkeit gibt, ob- wohl die Rahmenempfehlung bereits vor mehr als elf Jahren in Kraft getreten ist. Kollegen, die dem Barsbütteler Er- nährungsmediziner Patienten schicken, tun dies in aller Regel in Form einer Überweisung. Diese lässt zwar eine Un- tersuchung zu, nicht aber die ernäh- rungstherapeutischen Leistungen. Was geht noch neben den vertragsärztlichen Leistungen? Zusätzlich erschwert wird die Situation, weil in der normalen Sprechstunde die Zeit für eine ausreichende Aufklärung über das Problem fehlt und der Patient erstmals hört, dass er eine Notwendig- keitsbescheinigung von seinem behan- delnden Arzt benötigt, und zunächst die Kosten für die Therapie auslegen muss. „Eine unglückliche Situation. Entweder ist der Patient dann sauer auf mich oder auf seinen Hausarzt“, beschreibt Odini- us den Problemkreis. Odinius bemüht sich seit Jahren, die Möglichkeit der Kostenerstattung für er- nährungstherapeutische Leistungen be- kannter zu machen – oft ohne Erfolg. Sein ernüchterndes Fazit: „Wir sind zu sehr in unserer Denkweise gefangen und haben keinen Blick mehr für die Möglichkeiten, die wir unseren Pati- enten neben den vertragsärztlichen Leistungen eröffnen können.“ DIRK SCHNACK Bitte beachten Sie zu diesem Thema auch den Beitrag auf S. 22. © Gelpi / shutterstock.com

Was Odinius’ Kampf gegen das Übergewicht bremst

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Page 1: Was Odinius’ Kampf gegen das Übergewicht bremst

12 MMW-Fortschr. Med. Nr. 19 / 2012 (154. Jg.)

Eine gute ärztliche Beratung macht das Abnehmen leichter.

Die Sorgen eines Ernährungsmediziners

Was Odinius' Kampf gegen das Übergewicht bremstEr ist der Arzt, der die Pfunde purzeln lässt: Michael Odinius aus der Nähe von Hamburg hat sich auf die Behandlung adipöser Patienten spezialisiert und ist damit erfolgreich. Doch die Unwissenheit vieler Kollegen über die Möglich-keiten außerhalb der GKV-Leistungen schafft Probleme.

_ Wer mit einem BMI von über 30 zum Arzt geht, erwartet konkrete Hilfe beim Kampf gegen das Übergewicht. Ernäh­rungsmediziner Michael Odinius kann diese Hilfe bieten. Sein Problem: Un­kenntnis bei Ärzten und Patienten verhin­dert den Zugang zu seinen Leistungen, die als „ergänzende Maßnahme der Rehabi­litation“ im SGB V verankert sind, nicht aber im Leistungskatalog der GKV.

Nicht immer nur Krankheiten verwaltenOdinius ist in Barsbüttel bei Hamburg als Allgemeinmediziner mit ganzheitlichem Ansatz – Naturheilverfahren, Chirothe­rapie und Akupunktur – niedergelassen und hat sich vor zehn Jahren als Ernäh­rungsmediziner auf die Behandlung von Adipositas spezialisiert. „Ich kann mich nicht mit dem Verwalten von Krank­heiten zufrieden geben, sondern suche stets nach einer Lösung für den Pa­tienten“, so Odinius.

Seine Patienten schult er kontinuier­lich. Viele von ihnen brauchen nach sei­nen Angaben inzwischen keine Medika­mente mehr, haben keinen Diabetes und keinen Hypertonus mehr, dafür aber weniger Bauch, ein geringeres Gewicht und eine höhere Lebensqualität.

UNTERNEHMEN ARZTPRAXIS

Kosten für Schulung können erstattet werdenAllerdings sind Ernährungstherapie und ­beratung nicht Bestandteil des GKV­Leistungskataloges. Odinius kann seine ernährungsmedizinischen Leistungen also nicht wie eine vertragsärztliche Leistung über die KV abrechnen.

Eine Kostenerstattung aber ist mög­lich, wenn eine entsprechende ernäh­rungsmedizinische Qualifikation vor­liegt. Geregelt ist dies in den Rahmen­empfehlungen der Krankenkassen und ihrer Spitzenverbände in § 43 Nr. 2 SGB V. Dieser Paragraf befasst sich mit ergän­zenden Leistungen zur Rehabilitation, al­so z. B. Patientenschulungen. In Anlage 1 ist die Ernährungsberatung genannt. Der Patient kann sich die anfallenden Kosten für eine Schulung von seiner Kranken­kasse erstatten lassen, dies wird auch von Kassenseite bestätigt.

Bescheinigung statt Überweisung!Geregelt ist auch, dass diese ergänzende Leistung zunächst „vom behandelnden Arzt zu bestätigen“ ist. Konkret bedeutet das: Der Hausarzt des Patienten muss ei­ne Notwendigkeitsbescheinigung aus­stellen. Der Ernährungsmediziner kann dann seine Rechnung an den Patienten stellen und dieser die Rechnung bei der Krankenkasse einreichen. Bis zu 100% Kostenerstattung sind möglich.

Nur: Kaum ein Arzt oder ein Patient weiß, dass es diese Möglichkeit gibt, ob­wohl die Rahmenempfehlung bereits

vor mehr als elf Jahren in Kraft getreten ist. Kollegen, die dem Barsbütteler Er­nährungsmediziner Patienten schicken, tun dies in aller Regel in Form einer Überweisung. Diese lässt zwar eine Un­tersuchung zu, nicht aber die ernäh­rungstherapeutischen Leistungen.

Was geht noch neben den vertragsärztlichen Leistungen?Zusätzlich erschwert wird die Situation, weil in der normalen Sprechstunde die Zeit für eine ausreichende Aufklärung über das Problem fehlt und der Patient erstmals hört, dass er eine Notwendig­keitsbescheinigung von seinem behan­delnden Arzt benötigt, und zunächst die Kosten für die Therapie auslegen muss. „Eine unglückliche Situation. Entweder ist der Patient dann sauer auf mich oder auf seinen Hausarzt“, beschreibt Odini­us den Problemkreis.

Odinius bemüht sich seit Jahren, die Möglichkeit der Kostenerstattung für er­nährungstherapeutische Leistungen be­kannter zu machen – oft ohne Erfolg. Sein ernüchterndes Fazit: „Wir sind zu sehr in unserer Denkweise gefangen und haben keinen Blick mehr für die Möglichkeiten, die wir unseren Pati­enten neben den vertragsärztlichen Leistungen eröffnen können.“

Dirk Schnack ■

■ Bitte beachten Sie zu diesem Thema auch den Beitrag auf S. 22.

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