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© Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben (z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden. WDR 3 Kulturfeature Ist das Kunst oder kann das weg? Von Kartoffelchips, Teppichmessern und einem Hund mit rosa Pfote Atmo Museum O-Ton Ausrufer & Martina Keller Ausrufer: Ihr Name, bitte. Martina Keller: Martina Keller … Wo ist der Hund? Sprecherin Im Museum Ludwig in Köln geht es um zeitgenössische Kunst. O-Ton Ausrufer & Martina Keller Ausrufer, ganz laut: MARTINA KELLER!!! Sprecherin Selbst die Besucherin wird hier ausgestellt. Und wenn sie in den Tiefen des Museums verschwindet, kommt die nächste Besucherin. O-Ton Ausrufer JENNIFER!!! Ansage Ist das Kunst oder kann das weg? Von Kartoffelchips, Teppichmessern und einem Hund mit rosa Pfote. Ein Feature von Martina Keller

WDR 3 Kulturfeature

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© Westdeutscher Rundfunk Köln 2017 Dieses Manuskript einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben

(z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden.

WDR 3 Kulturfeature

Ist das Kunst oder kann das weg?

Von Kartoffelchips, Teppichmessern und einem Hund mit rosa Pfote

Atmo Museum

O-Ton Ausrufer & Martina Keller

Ausrufer: Ihr Name, bitte. Martina Keller: Martina Keller … Wo ist der Hund?

Sprecherin

Im Museum Ludwig in Köln geht es um zeitgenössische Kunst.

O-Ton Ausrufer & Martina Keller

Ausrufer, ganz laut: MARTINA KELLER!!!

Sprecherin

Selbst die Besucherin wird hier ausgestellt. Und wenn sie in den Tiefen des

Museums verschwindet, kommt die nächste Besucherin.

O-Ton Ausrufer

JENNIFER!!!

Ansage

Ist das Kunst oder kann das weg?

Von Kartoffelchips, Teppichmessern und einem Hund mit rosa Pfote.

Ein Feature von Martina Keller

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Atmo Atelier

O-Ton Thomas Rentmeister Das Problem bei den Chips war, dass die verblichen sind, obwohl es nur ein dunkles Licht war. Nach drei, vier Wochen fingen die oberen Chips an, heller zu werden und mussten dann durch Streuung von neuen Chips, ne dünne Schicht darüber, wieder angeglichen werden.

Sprecherin

Das Werk heißt Earthapfelroom. Thomas Rentmeister hat im Museum für

Moderne Kunst in Frankfurt am Main einen Raum mit Kartoffelchips gefüllt, 70

Zentimeter hoch.

O-Ton Thomas Rentmeister Direkt am Eröffnungsabend ist einer reingelaufen und hat gedacht, dass das okay ist, und hat angefangen, die Chips zu essen. Also der Restaurator hat mir auch im Nachhinein erzählt, dass sie das regelmäßig glätten mussten, mit neuen Chips, und die Leute teilweise sogar in den benachbarten Museumsräumen Chips essend sich die Bilder angeguckt hätten. Es musste dann irgendwann ein Schild angebracht werden, dass man nicht reingehen darf, und trotzdem sind dann noch manche Leute reingelaufen.

Sprecherin

Ich notiere: Der Künstler schätzt diese Art von Kunstkonsum nicht. Doch wie

lange ist so ein Raum voller Kartoffelchips haltbar, als Kunstwerk?

O-Ton Thomas Rentmeister Die Ausstellung lief einige Monate, und das war von der Haltbarkeit und dem Geruch her kein Problem. Es roch zwar nach Chips, aber nicht unangenehm.

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Sprecherin

Im Museum Ludwig. Vor mir türmt sich eine weiße Plane. Sie scheint aus einem

Raum zu quellen. Ein Mann trägt eine Lichtermaske vor dem Gesicht, in Form

eines aufgeklappten Buchs. Wände kreuz und quer im Raum. Rechts gehen

oder links oder geradeaus? Egal.

O-Ton Katia Baudin Es ist ja eine sehr ungewöhnliche Architektur, da sind keine geraden Linien, die gezeichnet werden, wie üblicherweise erwartet, da ist kein Anfang und kein Ende des Parcours.

Sprecherin

Katia Baudin ist die Kuratorin der Ausstellung.

O-Ton Katia Baudin Es ist so ne Art Mikrokosmos, was der Künstler realisiert, insofern gibt‘s sowohl Filme, wie auch Fotografien, Personen, die Rollen spielen, also Performers, und Tiere, lebendige Wesen, die auch Kunstwerke sind.

Sprecherin

Da ist auch schon so ein Wesen.

O-Ton Besucherin Der ist weg, das Herrchen, ne? Normalerweise geht er ja immer mit dem Mann.

Sprecherin

Ein weißer Hund mit rosa Pfote. Der Körper sehnig. Unterm Fell malen sich die

Rippen ab.

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O-Ton Besucherin

Gott o Gott, der ist viel zu dünn, der Hund. Meinen Sie, der gibt einen Laut?

Sprecherin

Der Hund wirkt ungerührt. Ganz bei sich.

O-Ton Besucherin Glaub ich nicht, der wird sich nicht melden. Denn wir haben den schon mal gesehen, wir waren schon mal hier, der läuft ja normal hinter dem Mann her. Aber der ist ja schon weg.

Sprecherin

Der Hund heißt Human und ist eine Hündin. Bei der Documenta 2013 streifte

Human durch ein Biotop in der Kasseler Karlsaue. Der Künstler Pierre Huyghe

hatte es geschaffen.

O-Ton Katia Baudin

Ein Künstler, der in der Vergangenheit seine Werke und das Szenario sehr eng kontrollierte, vom Anfang bis zum Ende. Jetzt seit der Documenta lässt er dann auch los; er setzt die Regeln, aber wie sich die Arbeit entwickelt, da hat er keine Kontrolle mehr.

O-Ton Besucherin

Ja du, geh doch mal her.

O-Ton Thomas Rentmeister Das Kunstwerk komplettiert sich ja erst durch den Betrachter und die Interaktion zwischen dem Kunstwerk und dem Betrachter und zwischen den anderen Leuten, die über diese Arbeiten dann reden.

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Sprecherin

Human kehrt der Besucherin den Rücken und trabt elegant davon.

Ich halte fest: Der Künstler mag den Eigensinn der Kreatur.

In einem Aquarium krabbeln urzeitlich anmutende Wesen über sandigen

Boden. Darüber schwebt ein mächtiger Stein im Wasser.

O-Ton Katia Baudin Das ist ein Lavastein, durch das Wasser schwebt er. Da denkt man natürlich auch an Magritte, das hat schon was sehr Surrealistisches in sich. Und diese Arbeit auch, die ist nie identisch, die lebt ja, die Krabben bewegen sich ja, der Sand am Boden bewegt sich dann auch entsprechend. Da sind Dialoge zwischen den verschiedenen Wesen, die sich dort aufhalten, und durch diese Bewegung ändert sich das Kunstwerk ständig.

Sprecherin

Ich notiere: Ein Kunstwerk kann lebendig sein. Sich verändern. Nach Regeln,

die der Künstler vorgibt. Aber was ist der Kern eines Werkes? Was bleibt, wenn

so eine Ausstellung vorüber ist?

Ich brauche eine Pause.

O-Ton Marlon Middeke

Middeke: Ja, dann laufen wir doch eine Runde, ich nehm den Hund an die Leine gerade.

Sprecherin

Es ist Mittagszeit. Ich spaziere mit Human‘s Herrchen Marlon Middeke am

Rhein entlang. Ein junger Mann Mitte zwanzig.

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O-Ton Martina Keller & Marlon Middeke Martina Keller: Seit wann kennen Sie sich? Middeke: Seit zwei Jahren hab ich sie jetzt. Martina Keller: Wie kam das? Middeke: Damals für das Documenta-Projekt in Kassel sind wir zusammengeführt worden. Es war damals ne ganz normale Bewerbung auf einen Job, der ausgeschrieben war in Zeitungen. In weiteren Interviews stellte sich heraus, dass es um diesen Hund geht, dann wurde mir der Hund anvertraut, und seitdem leben wir zusammen.

Sprecherin

Während wir reden, trabt Human voraus, schnüffelt hier, schnüffelt dort. Hockt

sich dann nieder.

O-Ton Marlon Middeke

Jetzt muss ich mal hier meines Amtes walten…

MUSIKAKZENT

O-Ton Bart Rutten, auf Niederländisch Deutsche Übersetzung

Natürlich ist Who‘s afraid ein Werk, über das viel gesprochen worden ist,

manche Leute sagen, es sei nicht gut restauriert worden, es habe nicht mehr

die magnetische Qualität, die es vorher hatte.

Sprecherin

Ein Video auf der Webseite des Stedelijk-Museums in Amsterdam feiert die

Rückkehr eines Werks, das viele Jahre im Depot gelagert hat. Who’s afraid of

Red, Yellow and Blue III.

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O-Ton Bart Rutten, auf Niederländisch Deutsche Übersetzung

Aber wir finden immer noch, dass es eine wunder kraftvolle Komposition ist. Der

Dialog zwischen den beiden Streifen und dieser riesigen roten Fläche lohnt

definitiv das Anschauen.

Sprecherin

Für Who’s afraid bin ich in Amsterdam. Ein Gemälde des Amerikaners Barnett

Newman. 5,44 Meter lang, 2,45 Meter hoch. Die Leinwand ist fast komplett von

einer gleichmäßig roten Farbe bedeckt. Nur an den Rändern schmale vertikale

Streifen, links blau, rechts gelb. Ich will näher ran, aber eine meterlange

Metallbarriere hält mich auf Abstand. Eine Schutzmaßnahme, wegen eines

Vorfalls am 21. März 1986.

O-Ton Ijsbrand Hummelen Das Bild an sich war ein Ikon für mich auch, das war ein sehr wichtiges Bild. Und das war wirklich natürlich ein Schock, das war wirklich schrecklich.

Sprecherin

Ijsbrand Hummelen ist Restaurierungsforscher am Institut für das kulturelle

Erbe der Niederlande. An jenem Nachmittag wird er in das Stedelijk-Museum

gerufen. Ein Mann habe Who’s afraid attackiert, mit dem Teppichmesser.

O-Ton Ijsbrand Hummelen Das waren drei Schnitte über die ganze Breite von fünf Meter und mit einem Abstand von 20 Zentimetern ungefähr, das heißt, dass die Leinwand da rausgefallen ist. Und ich weiß aus Erfahrung, dass das Restaurieren einer monochromen Fläche unheimlich schwierig ist, es klingt vielleicht etwas komisch, aber es ist viel leichter, ein Porträt zu retuschieren, weil die Zuschauer ergänzt das Bild mit dem Auge und sieht dann die Beschädigung nicht. Aber

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eine monochrome Fläche, da gibt es keine Gestalten. Deshalb war auch die Angst, dass wir das nicht schaffen könnten und dass das Bild vielleicht total loss war, ein Totalverlust.

Sprecherin

Das Gemälde wird dem amerikanischen Restaurator Daniel Goldreyer

anvertraut. Er hatte mit dem 1970 verstorbenen Barnett Newman zusammen

gearbeitet. Goldreyer braucht Zeit für die Restaurierung. Er muss Schnitte von

insgesamt fast 15 Metern Länge behandeln. Nach vier Jahren informiert der

Restaurator den Direktor des Stedelijk, das Bild sei fertig. Das Museum erhält

sein Werk zurück. Die Schnitte sind nur noch für Eingeweihte erkennbar.

O-Ton Isbrand Hummelen Ich habe damals gewusst, dass das Bild übermalt war oder ziemlich sicher übermalt war.

Sprecherin

Ein Gutachten kommt später zu dem gleichen Schluss. Goldreyer streitet die

Übermalung zeitlebens ab.

O-Ton Ijsbrand Hummelen Die Oberfläche war wirklich anders, als wie ich das erinnert habe. Das ist natürlich tricky, ich kann nur beschreiben, was ich erinnere, und das macht es natürlich sehr schwierig.

Sprecherin

Mehr als 25 Jahre sind seit dem Attentat vergangen.

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O-Ton Ijsbrand Hummelen Ich weiß nicht, ob Sie das kennen, aber wenn man so ganz kleine Unterschiede von Rot hat, kann man das Auge nicht gut konzentrieren drauf, dann fängt das an zu flimmern, diese zwei Nuancen von Rot nebeneinander, dann wird es fast immateriell, dann verschwindet die Oberfläche plötzlich, man versinkt in das Bild. Aber wenn man natürlich sich etwas fokussiert auf die Oberfläche, dann plötzlich ist es Farbe mit einer Oberfläche. Es sind eigentlich zwei Zustände, die man haben kann, wenn man davor steht, das ist eigentlich faszinierend, dass man wechseln kann zwischen Materialität und Oberfläche und zwischen diese erhabene Gefühl, wie man sich fühlt, wenn man so am Meer steht am Abend und sich denkt: Oh großer Sternenhimmel! MUSIKAKZENT Sprecherin

Marlon Middeke erzählt, dass Human zur Podenco-Rasse gehört, sie wird in

Spanien bei der Jagd eingesetzt.

O-Ton Marlon Middeke

Wenn diese Hunde dann nicht die Leistung erbringen, dann werden die ganz grausam behandelt oder ausgesetzt, und dieser Hund hat als Straßenhund gelebt und ist dann über ne Auffangorganisation, die dann die Hunde zum Beispiel nach Deutschland vermitteln, zum Künstler gekommen, dann wurde, wie gesagt, ich als Besitzer rausgesucht. Das war schon mal das Erste, dass man den Hund aufpäppeln musste, als man den bekommen hat.

Sprecherin

Human wog vier Kilo weniger als heute.

O-Ton Marlon Middeke Wo ich dann ganz stolz drauf war, dass es dem Hund immer besser ging, und trotzdem von allen Seiten Kritik kam, wie denn dieser Hund aussähe. Wir haben ihn aufgepäppelt und auch rein psychisch hat der Hund sich unheimlich toll entwickelt. Man konnte das richtig beobachten, wie viel selbstbewusster dieser Hund geworden ist über diese Zeit. (Pfeift.)

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Hey, Humi, na? Komm mal her! Chicken stripe. Muss man als Hundebesitzer dann lernen, was der Hund so mag, und das funktioniert sehr gut.

Sprecherin

Ich notiere: Human mag ein Kunstwerk sein, aber sie ist auch eine ganz

normale Hündin, die Leckerli liebt. Aber die Pfote, diese rosa Pfote.

O-Ton Spaziergänger, Marlon Middeke Spaziergänger: Ist sie mit diese Farbe schon geboren? Marlon Middeke: Ja. Spaziergänger: Ja? Schön. Nein! Marlon Middeke: Ich sag doch, ja. Spaziergänger: Jaja, kann ich auch sagen. Was hat der Hund? Marlon Middeke: Wie bitte? Spaziergänger: Was hat der? Marlon Middeke: Der hat nichts, das ist ein lebendiges Kunstwerk. Spaziergänger: Ah, okay, so sieht‘s auch aus. Schön! Schönen Tag noch. Marlon Middeke: Ebenso.

O-Ton Katia Baudin Das ist eine pure Rasse, eine Rasse, die in der spanischen Kunstgeschichte auch oft abgebildet wurde mit den Königen und deshalb hat es Pierre Huyghe auch interessiert, diese Rasse zu haben. Und die rosa Pfote als Andeutung, dass das auch ein Hund ist, der oft abgebildet wurde in der Geschichte und hier richtig lebt, sein Leben lebt.

Sprecherin

Bevor ich zu den schwierigen Fragen komme: Wie kommt die Farbe auf die

Pfote?

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O-Ton Marlon Middeke Der Pierre Huyghe hat natürlich das Konzept dafür erstellt und die Idee gehabt und es auch zuerst gemacht und ne Lebensmittelfarbe immer regelmäßig neu aufgetragen. Es wäscht sich ja wirklich sehr schnell raus. Da liegt die ganz entspannt auf ihrem Deckchen, und dann macht man das ganz schnell.

Sprecherin

Also, Frau Baudin. Jetzt die Frage: Was ist ein Kunstwerk?

O-Ton Katia Baudin Ein Kunstwerk ist eine Arbeit, die von einem Künstler realisiert wurde. Künstler sein ist nicht ein Beruf, es ist eine Lebenseinstellung, und Künstler leben durch und für ihre Kunst, das ist wirklich eine existentielle Frage.

Sprecherin

Ich notiere: Lebenseinstellung und existentiell. Und wann stirbt ein Kunstwerk?

O-Ton Katia Baudin Kunstwerke können nicht sterben, die haben unterschiedliche Existenzformen, auch ein Kunstwerk, welches vernichtet wurde, existiert noch immer, es existiert im Gedächtnis von denen, die es gesehen haben, es erlebt haben, es existiert durch Fotografien oder Schriften, ich glaube ein Kunstwerk stirbt nie.

Sprecherin

Ein schöner Gedanke und auch tröstlich. Überzeugt bin ich aber nicht. Was

wenn Human irgendwann ein ganz normales Hundeleben führt? Oder wenn ein

Kunstwerk gezielt zerstört wird?

O-Ton Angela Matyssek

Es ist eine der großen Restaurierungsgeschichten des 20. Jahrhunderts.

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Sprecherin

Die Kunsthistorikerin Angela Matyssek ist Spezialistin für das Leben und Sterben von Kunstwerken und hat ein Buch dazu herausgegeben. Newman‘s Who’s afraid ist für sie ein faszinierender Fall..

O-Ton Angela Matyssek Wenn man sich für dieses Feld interessiert, stößt man eigentlich sofort drauf, und ich fand das einen guten Einstieg, weil es einfach auch noch mal klarmacht, wie sehen wir Kunstwerke eigentlich an, was ist ein Kunstwerk eigentlich? Nach dem Skandal, dass es zerschnitten wurde, gab es den ersten Riesenaufschrei, es soll tot sein, dann wurde es an einen Restaurator geschickt, der laut Laborberichten offensichtlich zu weit gegangen ist, dann galt Who‘s afraid das zweite Mal als tot, es war sehr, sehr lange nicht zu sehen, es wurde auch seit den neunziger Jahren nicht mehr von anderen Museen als Leihgabe angefragt, aber gleichzeitig, als es jetzt wieder in Amsterdam ausgestellt wurde, gab es genug Stimmen in der Presse: Das ist ein beeindruckendes Werk. Also offensichtlich ist das mit dem Totgehen sehr, sehr schwierig.

Sprecherin

Ich fasse zusammen: Ein Werk wurde zweimal geboren. Sein aktueller Status:

Lebendig? Tot? Komatös? Die Experten streiten. Und die Besucher trauen

ihren Augen nicht.

O-Ton Besucherin I cannot see it as openly as without knowing the story behind it. I am trying to look and I am trying to figure out what I see and it is a strange. I can understand why somebody got very aggressive looking at it..But it works. It’s a very powerful painting and it still works. Deutsche Übersetzung

Ich kann es nicht so offen sehen, als würde ich die Geschichte dahinter nicht

kennen. Ich versuche zu schauen und herauszufinden, was ich sehe. Und es ist

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seltsam: ich verstehe, dass jemand sehr aggressiv wurde, als er es anschaute.

Aber: Es wirkt. Es ist ein sehr kraftvolles Gemälde, und es wirkt immer noch.

Sprecherin

Frage an Ijsbrand Hummelen vom Institut für das kulturelle Erbe der

Niederlande: Was macht ein Kunstwerk aus?

O-Ton Ijsbrand Hummelen Ein Kunstwerk ist eine poetische Bezauberung, was man manchmal nie total fassen kann, aber wo man durch bezaubert ist, und diese Bezauberung hat irgendwo eine sehr tiefe Wahrheitserfahrung für mich.

Sprecherin

Und was ist jetzt mit Who’s afraid? Ist das Werk zerstört? Oder verwandelt?

O-Ton Ijsbrand Hummelen Das finde ich eine sehr schwierige Frage, ein Kunstwerk stirbt nicht unbedingt, wenn das materiell vernichtet ist. Ich kann erzählen, wie dieser Newman für mich jedenfalls damals, was es für eine Erfahrung mir gegeben hat, ich kann Zeugnis geben, und durch dieses Zeugnis ist es da, auf ganz andere Weise. Ja, das ist ein Barnett Newman, ein übermalter Barnett Newman, ein stumpfer Barnett Newman, es ist eine Interpretation von Barnett Newman, könnte man sagen, eine sehr schlechte Interpretation, wie man vielleicht Bach falsch singt, dass man das fast nicht anhören kann, so ein Gefühl etwa. Ich finde, dass Who's afraid of red yellow and blue III nicht tot ist, es ist da. Es hat auch ein Geheimnis, die unter dieser Farbschicht liegt, man hofft immer, vielleicht können wir mal diese Übermalung wegnehmen - noch die Hoffnung macht das Bild einen Barnett Newman.

MUSIKAKZENT

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O-Ton Joanna Phillips Das Gebäude hier ist einerseits Kunstdepot, andererseits haben wir hier verschiedene Departments, die sozusagen die ganze Back-Stage-Work machen im Guggenheim. Sprecherin

Das Überleben von Kunstwerken hängt oft ab von Spezialisten. Manche gibt es

erst seit wenigen Jahren.

O-Ton Joanna Phillips, Martina Keller Martina Keller: Ist die Adresse eigentlich öffentlich? Phillips: Nein, nein. Martina Keller: Deshalb sollte ich die auch nicht erwähnen. Phillips: Auf keinen Fall, bitte. Das ist wirklich der inoffizielle Teil des Guggenheims.

Sprecherin

Ein mächtiges Lagerhaus für unschätzbar wertvolle Kunst. Die Stahltür am

Eingang trägt kein Schild.

Joanna Phillips ist Medienkunstrestauratorin am Guggenheim-Museum in New

York. 2008 hat sie hier angefangen, mit 34 Jahren. Inzwischen verfasste sie mit

zwei Kollegen ein Standardwerk zur Bewahrung von Videokunst – Kompendium

der Bildstörungen beim analogen Video. Phillips gilt als Kapazität ihres noch

jungen Fachs.

O-Ton Joanna Phillips Wir befinden uns hier im Conservation Department vom Guggenheim Museum, im sechsten Stock dieses Warehouses.

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Sprecherin

Mit einem grandiosen Blick auf die Skyline von Manhattan. Joanna Phillips führt

mich vom Atelier in einen separaten Raum.

O-Ton Joanna Phillips Was wir hier vor uns sehen, ist das Media Conservation Lab des Guggenheim Museums, es ist das erste Media Conservation Lab, das in den Vereinigten Staaten in einem Kunstmuseum angesiedelt worden ist.

Sprecherin

2009 hat Joanna Phillips das Labor gegründet. Sein Kernstück: ein Metallturm

mit zwölf Regalen voller Abspielgeräte für Videoformate aller Art.

Medienkunstrestauratoren müssen technisch am Puls der Zeit sein. Kämpfen

mit der Frage: Stirbt ein Kunstwerk, wenn die ihm innewohnende Technik

überholt ist?

O-Ton Joanna Phillips Das große nächste Thema wird auf jeden Fall computerbasierte Kunst und Kunst, die fürs I-Phone gemacht wird oder für andere Kommunikationsmedien, die natürlich furchtbar kurzlebig sind. Das kennen wir alle, wie oft wir unsere eigene Technologie austauschen, ein zweijähriges Telefon kommt einem schon eher alt vor heutzutage.

Sprecherin

Medienkunst, und sei die Technik noch so veraltet, soll im Museum erhalten

bleiben. Eine Kompensation für das Ex und Hopp?

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O-Ton Angela Matyssek Vielleicht ist es ne Kompensation, aber dann ist es ne wichtige Kompensation.

Sprecherin

Die Kunsthistorikerin Angela Matyssek

O-Ton Angela Matyssek Dann ist es ein wichtiger Ort, an dem Relikte der Vergangenheit, Objekte, die uns noch heute was aus der Vergangenheit über die Vergangenheit sagen oder über die Gegenwart, zu sehen sind, und das ist wichtig.

O-Ton Joanna Phillips All diese Werke haben gemein, dass sie nur existieren, wenn sie als System installiert sind. Anders als traditionelle Objekte, Gemälde, Skulpturen, die man auch im Depot als Werke erfahren kann, existieren Medienkunstwerke nur, wenn ihre verschiedenen Komponenten in der richtigen Konfiguration installiert sind und wenn sie erfahrbar sind als funktionierendes System.

Sprecherin

Auf einem kleinen Tisch ein Röhrenfernseher mit dunklem Bildschirm, seitlich

hängen ein paar Kabel raus.

O-Ton Joanna Phillips Sie sehen selber, wenn es nicht läuft, dann ist das Werk eigentlich nicht vorhanden. Sie haben nicht erkannt, dass wir hier neben einem Nam June Paik sitzen, es sieht einfach aus wie ein abgeschalteter Fernsehkasten.

Sprecherin

Die berühmte TV Crown, geschaffen vom Vater der Videokunst, ist inzwischen

ein Sorgenkind der Sammlung.

Ich notiere: Wer Medienkunst den Stecker zieht, hat nicht viel von ihr.

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O-Ton Joanna Phillips Als das Smithonian American Art Museum unser Werk ausleihen wollte, haben wir einen riesigen Schreck bekommen, weil die Ausstellungsdauer für acht Monate geplant war, also eine extrem lange Ausstellung. Wir haben sofort befürchtet: Unser armes analoges TV-Gerät wird innerhalb dieser acht Monate entweder verenden oder so stark beansprucht, dass sich das kleine Löchlein, das im Phosphor schon angefangen hat sich zu bilden, so ausweiten wird, dass unser Gerät deutlich Schaden genommen haben wird. Hier ist es, sehen Sie dieses schwarze Loch hier, das schon ausgebrannt ist?

Sprecherin

Wie die TV Crown funktioniert, kann ich nur auf dem Laptop betrachten. Phillips

klickt einen Film an: Ein farbiges Band tanzt auf dem Bildschirm eines

Röhrenfernsehers in rhythmischen Schwingungen. Für die TV Crown hat Paik

die Bildröhre des Fernsehers manipuliert - durch Audiosignale.

O-Ton Joanna Phillips Wenn man das Werk als Original betrachtet, dann ist man in dem Dilemma, dass man es einerseits zwar zeigen möchte, andererseits jedoch sich das Werk selber verbraucht, wenn man es zeigt, vor allem für lange Ausstellungsdauern. Dadurch dass wir das hier noch in der Werkstatt haben, können Sie schon ahnen, dass wir beschlossen haben, unser Original nicht zu verleihen, weil wir es noch funktionstüchtig erhalten möchten. Sondern ich bin zu CTL Electronics gegangen und habe mit denen angefangen zu überlegen, ob es möglich wäre, eine Replica unseres Originals anzufertigen.

Sprecherin

Die Initialen CTL stehen für Chi Tien Lui. Der aus Taiwan stammende Ingenieur

für analoge Video- und Fernsehtechnik leitet eine Firma im New Yorker Stadtteil

Tribeca. Zwei Etagen in seinem Haus sind mit Elektronik gefüllt, die es kaum

noch zu kaufen gibt. Der über 70jährige ist die Lebensversicherung für

Videokunst. Mehr als zehn Museen in den USA arbeiten mit ihm zusammen.

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O-Ton Chi Tien Lui

I wanna thank Nam June Paik to keep us alive. Otherwise I don’t work. Übersetzer

Ich möchte mich bei Nam June Paik bedanken, dass er uns am Leben erhält.

Ohne ihn würde ich nicht mehr arbeiten.

O-Ton Joanna Phillips Im Fall von CTL ist sicher wichtig, dass er selber eine persönliche und lange Vergangenheit hat mit Nam June Paik und wir zu ihm gehen, um Nam-June-Paik-Werke zu restaurieren. Außerdem ist er einer der letzten Dinosaurier in dieser Stadt, die tatsächlich noch analoge Technologie servicen, reparieren, besorgen - wenn es um Ersatzteile geht - die tatsächlich sich diesen Fokus erhalten haben.

O-Ton Chi Tien Lui It is a village full of junk yards, this area is all for leather, this area is all for sheet metal, this area is all for plastic, this area is all for CRT. Of course they took me to CRT. Übersetzer

Es ist eine Stadt voller Schrottplätze, da gibt es Berge von Leder, Blech, Plastik,

Bildröhren, sie brachten mich natürlich zu den Bildröhren.

Sprecherin

Bis nach China reist Lui, um Ersatzteile für Röhrenfernseher zu besorgen.

O-Ton Chi Tien Lui You see a line of five, six people, washing all the tubes, using water, no chemicals, there is also one person who will test whether the tube is working or not, very simple, nothing really sophisticated; after they washed they dry, go to another station and put the graphite material back to the CRT.

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Übersetzer

Da sind fünf, sechs Mann, die waschen die Röhren, einfach mit Wasser, nicht

mit Chemie, da ist eine Person, die testet, ob die Röhre funktioniert, ganz

simpel, unkompliziert, nach dem Waschen trocknen sie sie, dann kommt eine

andere Station, da tun sie wieder Graphit in die Röhren.

Sprecherin

Ich notiere. Elektroschrott hilft Medienkunstwerke lebendig zu halten.

O-Ton Joanna Phillips Es geht darum, Respekt beim Spezialisten für unsere Bedürfnisse herzustellen, das heißt, wenn mit ihm die Pferde durch gehen und er möchte gern das Werk noch besser machen, als es der Künstler seinerzeit geschafft hat, dann muss ich ihn bremsen können, und er muss wissen, dass meine Anliegen Priorität haben.

O-Ton Video-Dokumentation In November 2012 Guggenheim conservation set out to create a replica of the modified CRT, that should serve as a exhibition copy for loan.

Sprecherin

Lui und sein Team haben die TV Crown mit einem baugleichen Fernseher

nachgebildet. Joanna Phillips dokumentierte jeden Schritt - und auch jeden

Irrtum - der Techniker im Video. Spätere Restauratoren sollen es mal leichter

haben.

O-Ton Joanna Phillips Ein Grund, warum wir jetzt diese ganze Bemühung unternommen haben, uns ganz genau anzuschauen, wie das Original funktioniert und was das Konzept dieser Modifikation ist, ein Grund ist, weil das jetzt noch funktioniert, und weil wir jetzt noch Fernsehgeräte finden und weil jetzt noch die Expertise in Form des über 70jährigen Mr. Lui existiert.

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Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des WDR unzulässig. Insbesondere darf das Manuskript weder vervielfältigt, verbreitet noch öffentlich wiedergegeben

(z.B. gesendet oder öffentlich zugänglich gemacht) werden.

Sprecherin

Klingt einleuchtend. Doch als Museumsbesucherin möchte ich am liebsten das

vom Künstler gefertigte Original sehen: Ist die TV Crown nicht auf gewisse

Weise gestorben, wenn nur noch Nachbildungen gezeigt werden?

O-Ton Joanna Phillips Ich würde sagen, dass das vom Künstler angefertigte Objekt, das das Kunstwerk vertritt, gestorben ist, ja. Aber: Paik selber war überhaupt nicht auf bestimmte Geräte fixiert, für ihn ist das Kunstwerk das Konzept TV Crown.

Sprecherin

Ich notiere: Wenn nicht mal der Künstler am Original hängt, muss ich mich wohl

auch locker machen.

O-Ton Joanna Phillips Wir haben noch eine zweite Replica angefertigt übrigens, jetzt, wo wir so gut wissen, wie es geht. Die erste haben wir nach Washington geschickt, in die Ausstellung, die andere ist hier mit dem Original im Depot, und ich denke, für TV Crown wird es die einzige Möglichkeit sein, das Werk in Zukunft zu zeigen.

Atmo Museum Ludwig

Sprecherin

Veränderung ist in der Kölner Pierre-Huyghe-Ausstellung Konzept.

O-Ton Katia Baudin Da steht eine männliche Figur, welche eine Maske trägt, wo Licht raus strahlt, so LED-Lichter, und die Maske ist in Form eines Buches, und da kann man sich fragen, das scheint kein normaler Besucher zu sein, und das ist auch tatsächlich eine Rolle, eine Person, die eine Rolle spielt, und ist eine Figur, die aus einem Film rauskommt, der Film heißt Host in the Cloud.

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O-Ton Marlon Middeke Dann zieht man sich diese Maske auf und läuft durch die Ausstellung.

Sprecherin

Ich weiß inzwischen, wer der geheimnisvolle Mann ist, der erleuchtet durch das

Museum Ludwig spaziert.

O-Ton Marlon Middeke Ich gucke mir Kunstwerke an, je nachdem wie meine Laune gerade ist, wo ich gerade Lust habe stehenzubleiben oder mich hinzusetzen, setze ich mich hin und verbringe Zeit da drin, bin einfach anwesend. Dabei geht es darum, diesen Charakter, der aus diesem Film The host and the cloud kommt, in die Ausstellung zu bringen und den Film lebendig zu machen.

Sprecherin

Human, die Hündin, und ihr Besitzer, Marlon Middeke, als lebendige

Kunstwerke.

O-Ton Katia Baudin Dieser Film ist kein klassischer Film, sondern eine Aufzeichnung einer Life-Performance, die in einem Museum in Paris stattgefunden hat, das ethnografische Museum, und ein Element war eine Art Performance vor Gericht, wo die Personen die Masken trugen, und genau wie der Hund aus der Documenta-Arbeit kommt, genauso kommt schließlich der Maskenträger aus dem Event, der verfilmt worden ist, jetzt wieder in unsere Realität rüber.

O-Ton Marlon Middeke Es gibt sehr viele Leute, die fragen sich, wenn man auf der Bank sitzt und sich nicht bewegt, ob der lebendig ist, ist das ein echter Mensch? Und dann sitzt man mal zehn Minuten, bewegt sich nicht, und dann steht man auf, und dann erschrecken die sich, da kann man mit spielen, das ist ganz schön.

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O-Ton Katia Baudin

Man sieht, wie Pierre Huyghe unterschiedliche Realitätsebenen untersucht und dass ein Kunstwerk auch in Teilen reaktiviert werden kann - ein bisschen wie ein Baum, ist was sehr Organisches: Da ist der Kern, der Kern ist der Event, und dann gibt es unterschiedliche Zweige von dieser Arbeit - ob das jetzt der Film ist oder ein Reenactment von einer Performance oder ein Bruchteil einer Performance.

Sprecherin

Ich halte fest: Für den Künstler scheint es keinen Stillstand zu geben. In immer

neuen Etappen entwickeln sich seine Werke weiter. Mittendrin die Zwei- und

Vierbeiner. Marlon Middeke war nach der Documenta 13 für eine Pierre-

Huyghe-Ausstellung in Paris, bevor er mit Human nach Köln kam. Wie ist das

so, als lebendiges Kunstwerk?

O-Ton Marlon Middeke Da gab‘s auch Momente, wo ich mich gefragt habe, was ich hier manche, wo das ganze Leben nun in dieser Ausstellung stattfindet und man den Bezug zu der äußeren Welt verliert, zu Dingen, die einfach neben diesem Museumsbetrieb stattfinden. Als ob dieses Museum und diese Ausstellung eine eigene, kleine, in sich existierende Welt ist, in der man sich befindet, aus der man aber fast gar nicht mehr heraus kommt.

Sprecherin

Ich notiere: die Ausstellung als hermetische Welt und Gefängnis. Und wie erlebt

das Kunstwerk seine Betrachter?

O-Ton Marlon Middeke

Unheimlich viele Menschen zücken sofort ihre Smartphones und machen Fotos, Fotos, Fotos, und das ging mir in Paris schon ein bisschen auf die Nerven. Das war auch tagesformabhängig, wo es mich dann ein bisschen genervt hat, dass die Leute nicht einfach mal beobachten und schauen, was da ist, sondern das erste, was sie machen, ist: sofort in die Hosentasche zu greifen und Fotos zu machen, statt sich erst mal drauf einzulassen und zu gucken, können sie da

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vielleicht was fühlen oder überhaupt was anderes erkennen als nur diesen Schnappschuss, den sie gerne machen möchten, um mitzuteilen, was sie gerade erlebt oder gesehen haben.

Sprecherin

Marlon Middeke will irgendwann studieren, vielleicht was mit Film. Doch erst

mal geht seine Reise im Dienst der Kunst weiter. Nach Kassel, Paris und Köln

stellt Pierre Huyghe ihn und Human als Attraktion in Los Angeles aus.

O-Ton Marlon Middeke Die ist ja mit der Hauptgrund dafür, dass ich mit darf, die ist ja sozusagen, auch wenn sie sich dessen nicht bewusst ist, ist sie ja schon Anführerin des kleinen Rudels.

Sprecherin

Eine ganz andere Frage. Wie hat es sich privat so entwickelt?

O-Ton Marlon Middeke Das ist halt mein Hund. Den würde ich auch nicht mehr hergeben. Und natürlich ist es auch eine Arbeitsbeziehung, ich kann dem Hund auch nicht permanent so viel Liebe schenken, wie ich es gerne wollte, weil man doch einfach auch den ganzen Tag sich miteinander beschäftigt. Anders als bei den meisten Hundehaltern, die dann einfach ihre drei kurzen Spaziergänge mit dem Hund machen und diese Zeit voll nutzen, bin ich ja nun mal den ganzen Tag mit dem Hund unterwegs. Ist halt was anderes, ne andere Form von Beziehung, die man zu dem Tier hat.

MUSIKAKZENT

Sprecherin

Kunstwerke retten ist eine Kunst. Das Stedelijk-Museum in Amsterdam ist dafür

mittlerweile Spezialist. Elf Jahre nach dem Attentat auf Who’s afraid kehrte der

Täter zurück.

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O-Ton Bart Rutten He was an artist himself and a son of an artist. Übersetzer

Er war selber Künstler und der Sohn eines Künstlers.

Sprecherin

Bart Rutten, Leiter der Sammlungen des Museums.

O-Ton Bart Rutten The only thing we know is obviously from the things written about him in the newspapers and also the statements he has sent to the museum, letters etc. He was just a very troubled person, psychologically disturbed person, who was dealing with a lot of anxieties and was heavily under pills, he was a known patient. Übersetzer

Und das einzige, was wir von ihm wissen, haben wir aus Zeitungen und aus

Äußerungen, die er an das Museum geschickt hat, Briefe et cetera. Er war eine

sehr problembelastete Person, ein psychisch verwirrter Mensch, mit vielen

Ängsten, er stand unter Tabletten, war als Patient bekannt.

Sprecherin

Der 21. November 1997 ist ein kalter Tag. Gleich nach Öffnung des Museums,

um 11 Uhr, löst der Täter seine Eintrittskarte. Die Aufmerksamkeit, die Who’s

afraid seit der strittigen Restaurierung hat, provoziert ihn. Gezielt steigt er in den

zweiten Stock. Doch Who’s afraid ist wenige Tagen zuvor gegen ein ähnlich

großes Bild ausgetauscht worden: Cathedra von Barnett Newman.

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O-Ton Bart Rutten

This in one of his most known transparent paintings where you can what they call look through the blue where you see this kind of swollen world of different intensities of the same colour blue which was achieved by making these very small brushes. Übersetzer

Dieses ist eines seiner bekanntesten transparenten Bilder, wo man

gewissermaßen durch das Blau hindurchschauen kann; man sieht eine von

verschiedenen Intensitäten derselben Farbe Blau überquellende Welt, ein

Effekt, den er durch sehr feine Pinselstriche erreicht.

Sprecherin

Die blaue Farbfläche von Cathedra ist durch zwei vertikale Streifen geteilt, ein

charakteristisches Muster bei Newman.

O-Ton Bart Rutten

It is one blue plus another blue plus a small left over if you look at the position of the zips and it is a beautiful example of a zip because it has an unpainted part in it, only the primed part where this what they call bleeding this going through the tape of the blue gives this dramatic effect and dramatic kind of depth.

Übersetzer

Es ist ein Blau plus noch ein Blau plus ein kleiner Rest, und es ist ein

wunderbares Beispiel für einen Streifen, weil es einen nicht bemalten Teil gibt,

wo man das sogenannte Ausbluten der blauen Farbe unter einem Klebeband

sieht. Das ergibt diesen dramatischen Effekt, diese dramatische Tiefe.

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Sprecherin

Der Täter zückt sein Teppichmesser. Er hasse abstrakte Kunst, soll er einmal

ausgesagt haben.

O-Ton Elisabeth Bracht Hatte niemand mit gerechnet, nein, bestimmt nicht. Das ist derselbe Mann gewesen, dieselbe Art der Schnitte, dieselbe Form, dieselbe Länge, genau der gleiche Schaden, ja.

Sprecherin

Elisabeth Bracht war seinerzeit Restauratorin am Stedelijk-Museum.

O-Ton Elisabeth Bracht Es waren drei parallele Schnitte, in der Mitte eigentlich horizontal, und rechts oben noch zwei diagonale Schnitte, zwei kleinere, zwei kürzere, insgesamt 15 Meter.

Das muss man schnell hinlegen, damit das nicht weiter ausreißt. Wir haben einen sehr guten Ausstellungsdienst, die haben uns gleich geholfen, die haben gleich ne Riesenplatte gemacht auf Maß. Breit ist es fünfeinhalb Meter, mal zweieinhalb.

Sprecherin

Diesmal vertraut das Museum die Behandlung des zerschnittenen Bildes den

eigenen Restauratorinnen an. Ein Komitee externer Experten berät sie dabei.

Jeder einzelne Schritt wird diskutiert, genehmigt, kontrolliert, dokumentiert.

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O-Ton Angela Matyssek Das ist ja einerseits ein Objekt, aber es ist ja nicht nur ein Objekt.

Sprecherin

Die Kunsthistorikerin Angela Matyssek

O-Ton Angela Matyssek Grade wenn Sie in der Restaurierung gucken: Es gibt keinen Ort außerhalb des Krankenhauses, wo so viel über Leben, Lebendigkeit, über Tod, über Narben, über Wunden gesprochen wird, und da merken Sie eine extreme Aufladung der Dinge, mit denen sich da beschäftigt wird.

O-Ton Elisabeth Bracht

Das ist natürlich ein enormer Druck, den man fühlt, immer noch.

Sprecherin

Seit 2010 ist Elisabeth Bracht im Ruhestand.

O-Ton Elisabeth Bracht Ich geh regelmäßig hin und guck mir das Gemälde an und denk: ooooooh. Man weiß nicht, wie das auf Dauer reagiert.

Sprecherin

Bracht und ihre Kolleginnen bereiten die eigentliche Restaurierung zwei Jahre

lang vor.

O-Ton Elisabeth Bracht Wir haben erst mal das Gemälde gründlich untersucht, was hat Barnett Newman benutzt an Farben, an Grundierung, an Träger. Parallel zu der maltechnischen Untersuchung haben wir auch kleine Barnett Newmans nachgemacht, vier Stück, haben die kaputt geschnitten, die Farbe rekonstruiert,

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die Grundierung rekonstruiert, den gleichen Bildträger genommen, Schnitte rein gemacht, und dann haben wir an vier verschiedenen kleinen Dummies, nennt man da,s Proberestaurierung gemacht.

Sprecherin

Mehr als drei Jahre dauerte die Arbeit an dem Gemälde insgesamt.

O-Ton Elisabeth Bracht, Martina Keller Elisabeth Bracht: Anhand von diesen Dummies konnte man sehen, wie weit muss man gehen, um stabile Schnitte zu bekommen. Das war unser Ziel, der Schnitt muss absolut stabil sein und gut geschlossen, das Bild muss flach sein. Wenn das Bild nicht flach ist, kann man retuschieren, was man will, füllen, was man will, dann sieht man immer die Schnitte. Martina Keller: Und haben Sie die Rückseite dann geklebt oder genäht oder wie haben Sie das gemacht? Elisabeth Bracht: Beides. Erst geklebt und dann genäht. Zum Nähen haben wir chirurgisches Material benutzt, das sind so kleine runde Nadeln, mit einem Faden, der direkt an die Nadel verbunden ist, also die Nadel hat keine Öse, es gibt keine Extraöffnungen, die sehr störend gewesen wären.

O-Ton Angela Matyssek Es ist ja nicht nur so, dass da wie im Krankenhaus über Kunstwerke gesprochen wird, sie werden zum Teil auch so behandelt, es gibt jede Menge Instrumente aus der Zahnmedizin und auch der Humanmedizin, also da gibt es schon sehr interessante Überlappungen in beiden Bereichen.

Sprecherin

Wie schaut die Behandlerin heute auf Cathedra, ihr einstiges Sorgenkind?

O-Ton Elisabeth Bracht, Martina Keller Elisabeth Bracht: Wie ich gucke? (lacht) Martina Keller: Ja. Elisabeth Bracht: Erst mal guck ich mir das ganze Bild an, und das war auch unser Ziel, wenn man sich das Bild anschaut, aus der Entfernung natürlich, der Besucher der sollte nicht als erstes die Schnitte sehen, sondern der sollte als erstes Barnett Newman sehen - keine Restaurierung, darum geht es uns.

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Sprecherin

Ich halte fest: Restauratoren betreiben extremen Aufwand, damit man ihre

Arbeit am Ende nicht wahrnimmt. Ob sie auf verblichene Kartoffelchips eine

neue Schicht streuen, Elektronik nachbauen oder Leinwände nähen.

O-Ton Martina Keller, Elisabeth Bracht Martina Keller: Was sehen Sie noch mehr, als was der Besucher sieht, auf den ersten Blick? Elisabeth Bracht: Ich sehe die Schnitte sofort, ja sicher, ja. Martina Keller: Wo sind die? Elisabeth Bracht: Wo sind die? (lacht)

Sprecherin

Auch vor Cathedra hält eine Barriere Besucher auf Abstand. Zudem weicht uns

die Pressefrau des Stedelijk während des Interviews nicht von der Seite.

O-Ton Martina Keller, Elisabeth Bracht Martina Keller: Dürfen wir? Elisabeth Bracht: Dürfen wir mal da rüber? Martina Keller: Ja, ne? Wir sind ja jetzt unter Aufsicht.

Sprecherin

Und tatsächlich…

O-Ton, Martina Keller, Elisabeth Bracht Martina Keller: Ach ja… Elisabeth Bracht: Jaaa… Sie sehen das selber, aus der Nähe sieht man das sehr gut, die Schnitte.

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Sprecherin

Die Pressefrau passt auf, dass Elisabeth Bracht nichts Falsches sagt. Die Stadt

Amsterdam hat lange vor Gericht mit Goldreyer, dem Restaurator von Who’s

afraid, gestritten. Am Ende stand ein Vergleich. Seither dürfen städtische

Angestellte nicht kritisch über die Arbeit von Goldreyer reden.

Ich probier’s also mal anders rum: War das Farbenspiel von Who’s afraid früher

so lebendig wie das von Cathedra?

O-Ton Elisabeth Bracht Kann ich nichts zu sagen, kann ich nichts zu sagen, ich kann Ihnen da schon was zu sagen, aber gut, das darf ich nicht.

Sprecherin

Die Restaurierung von Cathedra gilt als Erfolg. Bei Who’s afraid schuf

Goldreyer womöglich Fakten - eine neue Farbschicht soll sich untrennbar mit

dem Original verbunden haben. Elisabeth Bracht dagegen legte Wert darauf,

dass ihre Eingriffe bei Cathedra rückgängig gemacht werden können. Man weiß

ja nie.

O-Ton Elisabeth Bracht Diese Restaurierung wird nicht die letzte sein. Vielleicht in 100 oder 200 Jahren, wer weiß, wird vielleicht eine neue Restaurierung nötig, und dann muss das möglich sein. In 100 Jahren da weiß man garantiert mehr, hat man mehr Techniken, da sind die Restauratoren noch schlauer als heute (lacht).

O-Ton Thomas Rentmeister Schauen Sie sich um, das hier ist mein Atelier, wo wir gerade säckeweise Wäsche waschen, weiße Wäsche für ne Arbeit, das ist Wäsche, die hatte ich in einer Installation im Kunstmuseum Bonn verwendet, wie man sieht, da sind noch Watte und Zuckerreste drauf, und wir sind gerade dabei, die zu waschen,

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um sie frisch zu machen, weil ich sie für eine neue Installation brauche.

Sprecherin

Im Atelier von Thomas Rentmeister. 350 Quadratmeter in Berlin-Weißensee,

Licht durchflutet. Früher waren hier Filmstudios. Tragödie der Liebe mit Marlene

Dietrich wurde da gedreht.

O-Ton Thomas Rentmeister Wenn ich Kunst mache, denke ich nicht in erster Linie an die Erhaltbarkeit, sondern wenn es die und diejenigen Materialien sein müssen, die ich für richtig halte, um gute Kunstwerke zu machen, dann ist es mir egal, ob die 500 Jahre halten oder nur für die Dauer der Ausstellung, dann müssen es eben halt Chips sein, das ist auch völlig in Ordnung.

Sprecherin

Thomas Rentmeister ist Bildhauer, beschäftigt sich mit der Wirkung von

Materialien im Raum. Bekannt wurde er mit hoch glänzenden

Polyesterskulpturen. Seit der Jahrtausendwende verwendet er für seine Kunst

vermehrt Haushaltsmaterialien, industriell gefertigte Massenware, oft

Vergängliches wie Penatencreme, Nutella oder eben Chips.

O-Ton Thomas Rentmeister, Martina Keller

Thomas Rentmeister: Was heißt schon vergänglich? Manche Werke halten zehn Jahre, manche Werke halten 100 Jahre, manche Werke halten 1000 Jahre, also das ist relativ, würde ich sagen, was vergänglich ist. Also hier ist das Lager zum Beispiel… Hier bewahr ich alle Arbeiten auf, die noch in meinem Besitz sind - also in den ganzen Kisten - und auch Materialien. Da in den Fässern ist zum Beispiel Nutella drin. Martina Keller: Ach, das kann man auch aufbewahren, also das gammelt nicht oder doch? Thomas Rentmeister: Nee, es gammelt eigentlich nicht, ich wollte es halt nicht wegschmeißen, weil ich es noch mal verwenden wollte, aber mittlerweile ist es schon einige Jahre alt.

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Sprecherin

In der Kunsthalle Wilhelmshaven breitete Thomas Rentmeister mal eine gute

halbe Tonne Nutella auf dem Boden aus. Sponsor Ferrero fand das

anscheinend nicht so toll. Doch für eine große Einzelausstellung von Thomas

Rentmeister 2011 in Bonn lieferte die Firma erneut.

O-Ton Thomas Rentmeister Das große Nutellabild und vis à vis das große Penatenbild, das waren Bilder, Die Räume im Bonner Kunstmuseum sind perfekt zugeschnittene Museumsräume für große Bilder, und das war ein wenig auch eine Persiflage auf das große Format. Das ist so ein Format - größer geht es nicht, größer wäre nur ne Wandgestaltung gewesen, das wollte ich aber nicht, ich wollte, dass das aussieht wie ein Bild. Das war dann zwölf Meter lang und 3,50 hoch und das Penatencremebild, was gegenüber hing, war elf Meter lang und auch 3,50 hoch.

Sprecherin

Rentmeister zeigt ein Foto der beiden Bilder. Reliefartige Landschaften, eine

weiß, eine braun. Die Materialien - jeweils mit den Händen verstrichen.

O-Ton Thomas Rentmeister Dann riecht man von der einen Seite Nutella und von der anderen Seite Penatencreme, und das vermischt sich dann, oder man riecht manchmal einen Hauch Creme, und manchmal einen Hauch Schokoladenduft.

Sprecherin

Ich notiere: Die vierte Dimension – der Geruch.

O-Ton Thomas Rentmeister Das ist eigentlich sehr populär angekommen, muss ich sagen, einfach durch die Materialien. Und es ist natürlich eine Persiflage auf monochrome Malerei, aber es ist nicht nur eine Ironisierung, es wirkt auch ästhetisch, es wirkt auch einfach eins zu eins.

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Sprecherin

Also gehören Werke aus Nutella und Penatencreme ins Museum?

O-Ton Angela Matyssek Das sind ja keine feststehenden Kriterien, die man abprüfen kann.

Sprecherin

Angela Matyssek, die Kunsthistorikerin.

O-Ton Angela Matyssek Was dann von einer Zeit als bestimmte gültige Aussage einer anderen Zeit gesehen wird, das verändert sich. Auch mit einer bestimmten historischen Distanz, und das macht das ja so spannend. Das kann man nicht im Vorhinein sagen, was dann da bleiben wird.

O-Ton Thomas Rentmeister

Ich kann Ihnen ja auch mal kurz die Abbaufotos zeigen, vielleicht interessiert

Sie das ein bisschen.

Sprecherin

Aber klar. Was ist aus den Nutella- und Penatencreme-Bildern geworden?

O-Ton Thomas Rentmeister Das ist jetzt der Raum, da fangen die an die großen Bilder abzunehmen, und da haben die mit so nem Schaber die Penatencreme abgekratzt, schon mal, das ist so ne Konstruktion die da drunter ist, aus Holz.

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Sprecherin

Die Penatencreme wird in Eimer gefüllt.

O-Ton Thomas Rentmeister Die hab ich jetzt auch noch, die brauch ich manchmal für Installationen… Da wird das Nutellabild abgekratzt.

Sprecherin

Und die mächtigen Sperrholzrahmen?

O-Ton Thomas Rentmeister Die Stadt hatte Glück, dass die Abfallbetriebe der Stadt Bonn, ich glaub die haben das sogar umsonst gemacht.

Sprecherin

Aber weg ist nicht weg.

O-Ton Thomas Rentmeister Es gab ein Interesse eines holländischen Kunstsammlers an dem Nutellabild, und wenn das mit dem Verkauf mal eines Tages laufen sollte, dann kriegt der das als Konzept verkauft und darf das in einer bestimmten Größe immer wieder selber aufbauen, von - bis, wie auch immer. Ich fände es gut, wenn man so Nutellaarbeiten in hundert Jahren noch zeigen könnte, falls es Nutella dann noch gibt. Und ich fänd es sogar gut, falls es dann kein Nutella mehr gäbe, wenn Leute sich dann die alte Formel von der nicht mehr existierenden Firma Ferrero heraussuchen würden und neues Nutella an mischen, nach altem Rezept, um die Arbeit herzustellen, das fänd ich toll.

Sprecherin

Aber der Aufwand! Die Zeit! Diese Mengen neu produzierter Kunst!

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O-Ton Angela Matyssek Ist doch super, wenn so viel Kunst produziert wird und wenn man dann wirklich so dran arbeiten kann, was sind jetzt die gültigen Zeitaussagen. Also ich weiß nicht, ob es auf dem kulturellen Sektor eine Überproduktion geben kann, wie es das bei Autos oder wie es das bei Computern geben kann, das ist eine völlig anderer Art der Produktion mit völlig anderen Zielen, und es hat eine andere gesellschaftliche, auch geistige Relevanz als halt ne Kaffeetasse - glaube ich immer noch dran.

O-Ton Thomas Rentmeister Es kann nicht genug Museen geben, das sind ja auch Räume der Ruhe, wie früher die Kirchen, also es ist absolut notwendig, gerade in so einer Wegwerfgesellschaft solche Räume zu haben, es kann gar nicht genug Räume geben, das ist ja eine kulturelle Frage auch.

Sprecherin

Schon klar. Die Profis sind fürs Bewahren. Vom wirklich Wichtigen jedenfalls.

O-Ton Angela Matyssek So’n Gegenwartsmuseums ist immer auch ein Labor, da muss man auch viele Dinge kaufen und zeigen, von denen der Status noch unklar ist, aber nicht alles wird mal ein Picasso oder ist ein Picasso. Da kann man dann halt versuchen, durch einen guten Überblick über die Gegenwartsproduktion klar zu kriegen, was finde ich wichtig und warum möchte ich, dass das erhalten wird, warum möchte ich, dass das ins Museum kommt, aber da werden Sie keine letztendliche Sicherheit haben.

Sprecherin

Aber was macht dann ein echtes Kunstwerk aus? Eines, das einen Platz im

Museum verdient?

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O-Ton Angela Matyssek Pfff, Frau Keller... Was macht ein Kunstwerk zum Kunstwerk? Das ist ne ganz schwierige Frage.

Sprecherin

Angela Matyssek ist Spezialistin für das Ende. Sie hat das Buch Wann stirbt ein

Kunstwerk? herausgegeben.

O-Ton Angela Matyssek Ich komm mal von ner anderen Seite: Ich hab in diesem Sammelband ja ganz verschiedene Berufsgruppen befragt, also vom Kunsthistoriker über Kuratoren, Restauratoren, Versicherungsleute, Galeristen, Künstlerassistenten. Und so die Frage, wann stirbt ein Kunstwerk, haben die natürlich ganz verschieden beantwortet. Da gibt es die versicherungstechnische Antwort: Ab 75 Prozent Schaden ist ein Kunstwerk ein Totalschaden, oder auch: Wenn die Kosten der Restaurierung den Marktwert überschreiten. Es hat aber ein Restaurator die für mich schönste Antwort gegeben: Ein Kunstwerk stirbt dann, wenn es uns in keiner Weise mehr berührt. Und wenn Sie fragen, was macht Kunst aus, dann ist es ganz genau das letzten Endes: ne bestimmte Relevanz, die man mit historischem Abstand besser erklären kann als gegenwärtig.

Absage

Ist das Kunst oder kann das weg?

Von Kartoffelchips, Teppichmessern und einem Hund mit rosa Pfote.

Ein Feature von Martina Keller

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Es sprachen: Bettina Kurth, Louis Friedemann Thiele und Ruth Schiefenbusch

Technische Realisation: Jürgen Glosemeyer und Mechthild Austermann

Regie: Philippe Bruehl

Redaktion: Dorothea Runge

Eine Produktion des Westdeutschen Rundfunks mit dem Südwestrundfunk

2015.