5

Click here to load reader

Wechselwirkungen in Kristallen, 95 Formyl(2-pyridyl)amin: Monomer in der Gasphase, dimer im Kristall

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Wechselwirkungen in Kristallen, 95 Formyl(2-pyridyl)amin: Monomer in der Gasphase, dimer im Kristall

FULL PAPER Wechselwirkungen in Kristallen, 95[ol[21

Formyl(2-pyridy1)amin: Monomer in der Gasphase, dimer im Kristall Hans Bockxa, Tran T. H. Van", Bahman Solouki", Holger Schodel", Georg Artusb, Eberhardt Herdtweckb und Wolfgang A. Herrmannb

Chemische Institute der Universitat Frankfurt". Marie-Curie-StraBe 1 1, D-60439 Frankfurt, Germany

Anorganisch-Chemisches Institut der Technischen Universitlt Munchenb, LichtenbergstraBe 4, D-85747 Garching, Germany

Received October 4, 1995

Key Words: 2-Pyridylamine derivatives / Photoelectron spectrum / Crystal structure / Semiempirical calculations

Interactions in Crystals, 951°1121. - Formyl(2-pyridy1)amine: Monomeric in the Gasphase. Dimeric in the Crystal

The title molecule [HC],NC-NH-CHO (2), an a-aminopyri- dine derivative, forms a dimer via an hydrogen bridge pair (NH-.N)2 in the crystal. In the gasphase, however, it remains a monomer as proven by the well-resolved He(1) photoelec- tron spectrum and its Koopman's assignment, IE; = -&JScF, of the radical cation state pattern. The enthalpy difference

for dimerization is approximated by AM1 calculations to be rather small. Nevertheless, on crystallization either from an aprotic solution or by sublimation through the gasphase, due to the cooperative effect and to the density-dependent in- crease in lattice energy, a self-organization to the dimer is ob- served.

Formyl(2-pyridy1)amin [N-(2-Pyridyl)formamid] (2) ist durch verschiedene Umsetzungen zuganglich: am einfach- sten aus 2-Aminopyridin mit uberschussiger Ameisen- ~aure[ ' -~] oder Phenylformiat HCOOC6H5[5,6] und vorteil- haft gemaD (1) uber N,N-Dimethyl-N'-(2-pyridyl)formami- din (1)17] (Exp. Teil).

'H-NMR-spektroskopische Untersuchungen in LO~ung[~] belegen sowohl s-cis- als auch s-trans-Konformationen (2); das Gleichgewicht verschiebt sich mit steigender Tempera- tur zum s-cis-Konformeren.

Die Titelverbindung 2 und viele ihrer Derivate sind bis- her nur unzureichend untersucht worden; relevante Kristall- strukturen sind nach Recherche in der Cambridge Structu- ral Database[*] unbekannt.

Hier wird iiber das fur [HC],NC-NH-CHO (2) in der Gasphase registrierte Photoelektronenspektrum und seine Zuordnung nach Koopmans' Theorem, IE; = -&JSCF, be- richtet sowie uber Zuchtung von und Strukturbestimmun- gen an Einkristallen bei 193 und 294 K.

Lo] Part 94: Ref."]

Helium(1)-Photoelektronenspektrum in der Gasphase

Mit einem auf 323 K aufgeheizten EinlaBsystem des Hochleistungs-PE-Spektrometers Leybold-Heraeus UPG 200 (Exp. Teil) gelingt es, das Photoelektronen-Spektrum der monomeren gasformigen Verbindung 2 zwischen 6 und 21 eV zu registrieren (Abb. 1).

Das bei 323 K aufgenommene PE-Spektrum von For- myl(2-pyridy1)amin (2) (Abb. 1) zeigt im Bereich zwischen 8 und 12 eV drei sich uberlappende Bandengruppen rnit sechs Maxima bei 8.90, 9.84, 10.06, 10.28, 10.42 und 11.30 eV. Zwischen 12 und 18.5 eV liegt ein Ionisationshiigel uberlappender Banden rnit Maxima bei 13.0, 13.9, 14.6, 15.6 und 17.8 eV.

Fur die Verbindung C6H6N20 (2) rnit insgesamt 28 Ele- ment-p- und Wasserstoff- 1 s-Elektronen sind nach der Faustregel['] C(npE + 1 sH)/2 mindestens 14 Ionisierungen im He@)-MeBbereich zu erwarten. Eine zusatzliche geome- trieoptimierte AMl-Berechnung (Exp. Ted) sagt fur das planare Molekiil rnit C,-Symmetrie 15 Ionisierungen und durch Koopmans'-Korrelation, IE; = - E ; \ ~ ' , das PE- spektroskopische Radikalkationszustands-Muster (Abb. 1) voraus. Nach dieser Zuordnung weist der Radikalkation- Grundzustand niedrigster vertikaler Ionisierungsenergie bei 8.90 eV erhebliche Anteile der N-Elektronenpaare sowie des Pyridin-Ringes auf. Der nachfolgenden Vierbanden- Gruppe zwischen 9.5 und 11 eV sind nach dem AMl-Orbi- taldiagrammen (Abb. 1) Radikalkation-Zustande mit An- teilen des Pyridin-Ringes und der Stickstoff- sowie Sauer- stoff-Elektronenpaare zuzuordnen. Der Bandenhugel zwi- schen 13 und 18 eV sollte nach AMl-Berechnungen neun Ionisierungen enthalten, womit das experimentelle Intensi- tatsmuster iibereinstimmt.

Liebigs Ann. 1996,403-407 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-69451 Weinheim, 1996 0947-3440/96/0303-0403 $ 10.00+.25/0 403

Page 2: Wechselwirkungen in Kristallen, 95 Formyl(2-pyridyl)amin: Monomer in der Gasphase, dimer im Kristall

FULL PAPER H. Bock et al.

Abb. 1. He(1)-PE-Spektrum im Bereich 6-21 eV von Formyl(2-pyridy1)amin (2) bei 323 K und seine Koopmad-Zuordnung durch Eigenwerte einer geometrie-optimierten AMl-Rechnung sowie AM 1-Molekulorbital-Diagramme fur die sechs energetisch niedrigsten

Radikalkation-Zustande

rs i 4'

16a' I I I I

I I \

I I \

I \ I I \

\ \

\ \

5a" 18a' 4a" 17a' 3a"

I '. \ \. \ \

\ \

\

Q

b b Unter den Gasphasen-Meljbedingungen liegt Formyl(2-

pyridy1)amin nach Ausweis eines PE-Spektrums und dessen Koopmans-Zuordnung (Abb. 1) als monomeres planares Molekiil mit C,y-Symmetrie vor. Die nach vollstandiger Geometrieoptimierung resultierenden AM 1 -Ladungsdich- ten sind erwartungsgemalj an den N- und 0-Zentren, wel- che hohe effektive Kernladungen aufweisen und Elektro- nenpaare tragen, am groljten, siehe (2).

Zu erkennen ist des weiteren, daD der Carbonyl-Kohlen- stoff durch die umgebenden N- und 0-Zentren positiviert wird, und daD der in die Sechsring-Tc-Delokalisation einge-

bundene Pyridin-Stickstoff nur eine den 3,5-Kohlenstoff-x- Zentren vergleichbare negative Ladung aufweist.

Die AM 1 -Berechnungen liefern fur monomeres oder di- meres Formyl(2-pyridy1)amin (H4C5N-NH-CH0),, 1,2

ausgehend von den noch vorzustellenden Kristallstruktur- Daten (Kristall) oder von der angesichts der Molekiilgrolje und der schwachen Wasserstoffbriicken weniger zuverlassi- gen Geometrieoptimierung (Gasphase) die Bildungsenthal- pien AHPDNo (kJ mol-') in (3).

A H y ~ I Kristall Gasphase I H \

Die nur geringen und innerhalb der Berechnungs-Fehler- grenzen liegenden Enthalpiedifferenzen A = 2 AHpM1 (n =

1) - (n = 2) deuten an, dalj der kooperative Effekt bei Ausbildung des durch die Strukturbestimmung (Abb. 2)

404 Liebigs Ann. 1996, 403-407

Page 3: Wechselwirkungen in Kristallen, 95 Formyl(2-pyridyl)amin: Monomer in der Gasphase, dimer im Kristall

Interactions in Crystals, 95 FULL PAPER nachgewiesenen Wasserstoffbriicken-Paares (NH...N)2 im hier untersuchten Dimeren kleiner ist als iiblich['Op 12].

Trotzdem mu13 bei der Reinigung der Substanz durch Subli- mation aus dem PE-spektroskopisch in der Gasphase iden- tifizierten Monomeren (Abb. 1) bei Abscheidung als Dime- res im Einkristall (Abb. 2) eine negative Enthalpiedifferenz, ein erhohter Packungskoeffizient und eine groljere Gitter- (Sub1imations)energie resultieren.

Einkristall-Strukturbestimmungen bei 193 und 294 K

Langsame Sublimation des aus der Umsetzung rnit N,N- Dimethylformamid-diethylacetal gemalj Gleichung (1) er- haltenen Rohproduktes (Exp. Ted) oder dessen Umkristalli- sation aus Benzol unter langsamem Verdampfen des Lo- sungsmittels liefern farblose Einkristalle rnit identischen Elementarzellen. Die Kristallstrukturbestimmungen sind bei 193 und bei 294 K durchgefuhrt worden (Tab. 1 und Exp. Teil).

Das dimere Formyl(2-pyridy1)amin kristallisiert in der monoklinen Raumgruppe C2/c mit acht Molekulen in der Elementarzelle. Die Anordnung der Molekiile in parallelen, uberkreuzend angeordneten Schichten (Abb. 2: A) im Ab- stand von 345 pm deutet n-Wechselwirkungen zwischen den Pyridin-Ebenen an. Das fur ungesattigte polycyclische Koh- lenwasserstoffe typische Fischgraten(Herringb0ne)-Mu- ~ t e r [ ' ~ % ~ ~ ] ist deutlich ausgepragt. Diese Anordnung wird nach quantenchemischen Berechnungen rnit korrelierten Wellenfunkti~nen['~] durch Eintauchen von Ring-CH-Bin- dungen in die n-Elektronenwolke des Nachbar-Molekiils stabilisiert. Die Verkippungswinkel zwischen den n-Sechs- ringen betragen haufig zwischen 57 und 90°['6,171; fur For- myl(2-pyridy1)amin werden 57" bestimmt. Die analoge Ver- bindung 2-Aminopyridin kristallisiert ebenfalls im Herin- bone-Muster (Raumgruppe P2'/c) und rnit einem Ring- kipp-Winkel von 59°[181. Untersuchungen an Proteinstrukturen[l61 erlauben fur diese Wechselwirkungen Energieunterschiede zwischen 1 und 7 kJ . mol-I abzu- schatzen. Im Kristall sind die Molekiil-Dimeren entlang der kristallographischen h-Achse gestapelt (Abb. 2: B).

FormyL(2-pyridy1)amin kristallisiert als zweifach N(H)...N-verbrucktes Dimeres (Abb. 2: C) rnit einem Inver- sionszentrum in 0, 1/2, 1 /3. Die Wasserstoffbrucken-Paare verbinden jeweils die Amino-NH-Gruppe rnit dem Pyridin- Stickstoff des symmetrieaquivalenten Molekuls. Der Ab- stand N...N ist rnit 296 pm relativ lang, jedoch belegt der grolje Briickenwinkel von 170" die Ausrichtung des Bin- dungsvektors N-H auf den Pyridin-Stickstoff als Akzeptor (Abb. 2: C). Vergleichbare Wasserstoffbrucken-Paare finden sich in zahlreichen analogen Verbindungen wie 2-Aminopy- ridin, in welchem der Abstand N...N 307 pm betragt und der entsprechende Winkel mit 171" nahezu identisch ist['*]. Die bei diesem Vergleich NH2 vs. NHCHO beobachtete Verkiirzung der Wasserstoffbriicken-Paare [N(H)...N], um 11 pm 1aDt sich auf die durch die a-standige Formylgruppe erhohte NH-Aciditat zuriickfiihren. Hinzuweisen ist auch darauf, dalj die Carbonylgruppe in Gegenwart von Pyridin- Stickstoffen nicht als H-Brucken-Akzeptor wirkt.

Abb. 2. Kristallstruktur von Formyl(2-pyridy1)amin (2) bei 193 K (monoklin, Raumgruppe C2/c, Z = 8): (A) Einheitszelle in Z-Rich- tung sowie (B) in Y-Richtung und (C) Struktur des Dimeren rnit Wasserstoffbrucken). Numerierung sowie (D) Seitenansicht rnit

50% thermischen Ellipsoiden

@ = N ; @ = O

Die planare Amidgruppe ist rnit einem Torsionswinkel w (C6-Cl-Nl-C7) = 13" gegen die Ringebene gekippt. Eine gleichartige Verkippung um 15" zeigt auch 2-Amino- pyridin[l81. Der Pyridin-Ring weicht rnit maximaler Auslen- kung der N- und C-Lagen von k5 pm nur geringfugig von der Planaritat ab. Aus seiner gemittelten Ebene sind der Formyl-Kohlenstoff C7 und der Carbonyl-Sauerstoff 0 1 in- folge des Torsionswinkels w (C6-Cl-Nl-C7) = 13" um jeweils 20 und 41 pm ausgelenkt (Abb. 2: C und D).

Die Formyl-Gruppe ist wegen fehlender Wasserstoffbriik- ken-Fixierung des Carbonyl-Sauerstoffes um die Bindung N1 -C7 rotations-fehlgeordnet, wobei das endo-Konfor- mere (3.12) rnit einer 90%-Besetzung die Hauptorientierung

Liebigs Ann. 1996, 403-407 405

Page 4: Wechselwirkungen in Kristallen, 95 Formyl(2-pyridyl)amin: Monomer in der Gasphase, dimer im Kristall

FULL PAPER H. Bock et al.

Tab. 1 . Ausgewahlte Bindungslangen [pm] und Bindungswinkel ["I von Formyl(2-pyridy1)amin (2) bei 193 und 294 K

Bindungslangen

193 K 294K

01-C7 120.9(2) 118.7(2)

N I X 1 140.37(9) 142.4(2)

Nl-C7 134.33(9) 135.0(2)

N2-C1 133.40(9) 134.6(2)

N2-C3 134.50(9) 137.2(2)

C1-C6 139.3(1) 134.6(2)

C3-C4 137.9(2) 134.3(3)

C4-C5 137.9(2) 137.2(3)

CSC6 138.6(1) 140.1(3)

Nl-HI1 85.4(9) 104 (1)

N2 ... N1' 295.8 295.2

Bindungswinkel

193 K 2 9 4 3

Cl-Nl-C7 127.97(7) 125.6(2)

Cl-N2-C3 117.39(7) 115.1(1)

Nl-Cl-N2 113.33(7) 110.9(1)

Nl-Cl-C6 123.50(6) 124.7(2)

N2-C1-C5 l23.15(6) l24.4( 1)

N2-C3-C4 123.65(7) 124.2(2)

C3-C4-C5 118.14(8) 119.4(2)

C4-C5-C6 119.60(8) 118.2(2)

Cl-C6-C5 118.07(7) 118.9(2)

Ol-C7-Nl 128.12(8) 129.4(3)

Nl-H11 ... N2' 170.5 170.4

darstellt. Das Besetzungsverhaltnis der Orientierungen ist an den Strukturdaten bei 193 und 294 K zu jeweils identi- schem Wert verfeinert worden (vgl. Exp. Teil). Eine Rota- tion um die Bindung Nl-C7 kann demnach bei beiden Temperaturen im Kristall nicht erfolgen. Ursache ist ver- mutlich eine statische Fehlordnung, durch welche die Bin- dungslange C7-01 mit 121 pm (193 K) und 119 pm (293 K) etwas zu kurz bestimmt wird. Im Gegensatz hierzu lie- gen die CC-Bindungslangen des Pyridin-Ringes zwischen 138 und 140 pm, die Bindungswinkel zwischen 117 und 123" und die 133 sowie 135 pm langen CN-7c-Bindungen [(3) 21 innerhalb der jeweiligen Standardbereiche[l91. Der auf 128" aufgeweitete Winkel C1 -N1 -C7 zur Formyl- Gruppe laOt auf raumliche Uberlappung der Wirkungsra- dien von Carbonyl-Sauerstoff und ortho-Ring-Wasserstoff schlieBen (Abb. 2: C). Diese Wechselwirkung konnte auch den hohen Anteil des endo-Konformeren im Kristall begun- stigen. Derartige Packungseffekte sind voranstehend als mogliche Ursache fur Unterschiede zwischen der, allerdings nur semiempirisch berechneten, Gasphasen-Struktur des H- Brucken-Dimeren von Formyl(2-pyridy1)amin (3) und sei- ner experimentell ermittelten Festkorper-Struktur disku- tiert worden.

Zusammenfassung und Ausblick

Formyl(2-pyridyl)amin, ein a-Aminopyridin-Derivat, kristallisiert als uber ein Wasserstoffbriicken-Paar (NH...N)2 verknupftes Dimer. In der Gasphase beweisen ein He(1)-Photoelektronenspektrum und die Koopmans- Zuordnung seiner Radikalkationszustands-Sequenz mono- meres Vorliegen. Dies stellt somit eines der seltenen Bei- spiele dar, in denen die Kombination von Kristallstruktur- bestimmung in der festen Phase und quantenchemische Be- rechnungen gestutzt auf Messungen in der Gasphase wichtige Informationen uber Teilaspekte der 3N - 6 Frei- heitsgrade umfassenden Molekiildynamik liefert[20p241.

Ausgehend von den Kristallstruktur-Daten und dem Ga- sphasen-Ionisierungsmuster sind - in Anbetracht der En- semblegrone allerdings nur mit dem semiempirischen AM 1-

406

Verfahren - die Bildungsenthalpiedifferenzen fur die Dime- risierung abgeschatzt worden. Die resultierenden geringen Energiebeitrage (3) legen nahe, daB zu der Kristallabschei- dung des Dimeren durch Sublimation uber das Gasphasen- Monomere insbesondere die Gitterpackung beitragt. Der nach den AM 1 -Rechnungen nur geringe kooperative Effekt des Wasserstoffbrucken-Paares (NH...N)2 infolge relativ langer N...N-Abstande von 295 pm und die vermutlich ge- ringe Gitter(sub1imations)enthalpie begunstigen die Ver- dampfung als monomeres Formyl(2-pyridy1)amin. Zusatz- lich wird auf die Ergebnisse einer Recherche in der Cam- bridge Structural Database[8] nach dem Fragment (...HN-C-N...) mit Wasserstoffbriicken-Winkeln NHN groBer als 150" hingewiesen, welche 180 Eintrage mit Ab- standen N...N zwischen 280 und 320 pm und als maximale Haufigkeit 300 pm liefert.

Unterdessen sind weitere, zur Titelverbindung analoge Modellsubstanzen kristallisiert und strukturell charakteri- siert worden, welche das 2-Pyridylamino-Fragment enthal- ten und daher Wasserstoffbriicken-Dimere ausbilden kon- nen[2s-27], siehe (4).

Unter diesen ist 2,2'-Dipyridylamin wegen seiner poly- morphen Modifikationen ein Musterbeispiel fur die konfor- mationelle Flexibilitat derartiger Wasserstoffbrucken-Di- mere (5 ) .

I

orthorhombisch [25]

u

monoklin [27, 281

Das bekannte orthorhombis~he[~~I und das inzwischen ebenfalls ~erof fen t l ich te[~~,~~] trikline Polymorph unter- scheiden sich in der relativen Orientierung der idealisierten Molekulebenen innerhalb der Dimeren, deren Interplanar- winkel o sich von 46" in der orthorhombischen Modifika- tionL2'] auf beachtliche 73" in der triklinen[26,27] verdrillen lafit, ohne das Wasserstoffbrucken-Paar zu zerstoren. Die uberraschend entdeckte monokline M ~ d i f i k a t i o n [ ~ ~ ~ ~ * ] ent- halt H-verbruckte Tetramere.

Liebigs Ann. 1996, 403-407

Page 5: Wechselwirkungen in Kristallen, 95 Formyl(2-pyridyl)amin: Monomer in der Gasphase, dimer im Kristall

Interactions in Crystals, 95 FULL PAPER Das hier zunachst vorgestellte Formyl(2-pyridy1)amin

darf daher als Eisberg-Spitze eines groI3eren Gebietes gel- ten, in welchem eine delikate energetische Balance die Selbstorganisation schwach wechselwirkender Protonen- donator- und -akzeptor-Molekule erlaubt.

Das Projekt wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die A. Messer-Stijtung, den Fonds der Chemischm Industrie und das Land Hessen gefordert.

Experimenteller Teil Formyl(2-pyridyllamin [N-(2-Pyridyl)f0rmarnid][~'] (2): Eine Lo-

sung von 100 mg (67 mMol) N,N-Dimethyl-N'-(2-pyridyl)formami- din (1) in 5 ml Methanol wird mit 3 ml methanolischer 1 N HCl versetzt. Beim Eindampfen des Losungsmittels kristallisieren weiBe Nadeln mit Schmp. 75 "C. - C6H6N20 (122.1): ber. 58.97, H 4.95, N 22.94; gef. C 58.86, H 5.56, N 23.05.

Ziiclztung der Einkristalle: Aus einer Losung von 50 mg For- myl(2-pyridy1)amin in 3 ml Benzol kristallisieren bei langsamem Abdampfen des Losungsmittels innerhalb 10 h farblose Nadeln. Einkristalle konnen durch Sublimation von Formyl(2-pyridy1)amin bei 50°C unter lop3 mbar Druck erhalten werden.

Kristallstrukturbestimmung bei 193 K [Daten bei Raumtemp. in Klammern]: farblose Nadel, C6H6N20 (122.1), a = 1860.8(1) [1861.5(3)], h = 386.04(1) [384.56(4)], c = 1685.3(1) [1688.6(1)] pm, p = 106.282(3) [106.330(7)]", I / = 1162.1(1) [1190.2(6)] lo6 pm3, pber. = 1.396 [1.363] g ~ m - ~ , monoklin, C2/c (Nr. 15), Z = 8, En- raf-Nonius-CAD-4-Diffraktometer, Cu-K,-Strahlung, p = 0.76 mm-I, 1372 [1216] gemcssene Reflexe im Bereich bei 2" 6 2 0 6

140" [2" S 2 0 S 130"], davon 1045 [854] unabhangige und 1044 [854] unabhangige Reflexe zur Verfeinerung verwendet (Rint = 0.014), Strukturlosung rnit direkten Methoden und Differenz-Fou- rier-Technik (MULTAN 1 1/82), Strukturverfeinerung (PLATON 92), 110 Parameter, w = I/02(Fo), R = 0.044 [0.073], Riv = 0.042 [0.040], GOOF = 4.978 [3.299], Restelektronendichte 0.1 3 [0.20]/ -0.19 [-0.181 e k 3 . Die Nicht-H-Atome wurden aul3er dem fehl- geordneten Sauerstoff-Atom anisotrop verfeinert. Die Wasserstoff- Atome wurden rnit individuellen isotropen Auslenkungsparame- tern verfeinert. Weitere Einzelheiten zur Kristallstrukturbestim- mung konnen beim Fachinformationszentrum Karlsruhe, Gesell- schaft fur wissenschaftlich-technische Information mbH, D-76344 Eggenstein-Leopoldshafen, unter Angabe der Hinterlegungsnum- mern CSD-404614 und -404615, der Autorennamen und des Zeit- schriftenzitats angefordcrt werden.

He(I) -Photoelektronenspektrum: Registriert rnit einem Hochleis- tungs-Spektrometer Leybold-Heraeus UPG 200, welches iiber ein modifiziertes Interface on-line mit einem Rechner ATARI MEGA- ST 2 verbunden ist. Bei Meljdrucken zwischen lop2 und mbar werden Zihlraten zwischen 100 und 2000 cps (counts per second) erreicht. Die Anzahl der MeBbereichsdurchlaufe zwischen 6 und 21 eV ist frei wahlbar, praxisgerecht sind 3 bis 4 Scans. Zur Kalibrie- rung der PE-Spektren wird die nadelartige Ionisationsbande Ar(2P312) = 15.76 eV genutzt.

AM1 -Berechnur~gen[~~,~~I wurden rnit dem Programm AMPACl Scamp (Version 4.3) von M. J. S. Dewar auf der IBM RISC 6000- 320 des Frankfurter Arbeitskreises durchgefiihrt.

['I H. Bock. W. Seitz. Sievert. M. Kleine. J. W. Bats. Anpew. Chem., eingereicht.

[*I Teil der Dissertation T. Van. Universitat Frankfurt. 1995. L31 A. E. Tschitschibabin, I. L: Knunjanz, Chem. Be; 1931, 64,

L41 N. Enomoto, M. Kondo, Bull. Chem. Soc. Jpn. 1972, 45, 2665. L51 H. L. Yale, J Org. Chem. 1971, 36, 3238. C 6 ] D. Comins, A. I. Meyers, Synthesis 1978, 403. ['I H. Bredereck, F. Effenberger, A. Hoffmann, Chem. Ber. 1964,

97, 61. [*I Suche in der Cambridge Structural Database (Version 5.08) un-

ter Venvendung des Programms Quest 88 von F. H. Allen, 0. Kennard, Chemical Automation News 1993, 8, 3 1.

L91 Vgl. z. B. H. Bock, B. Solouki, The Photoelectron Spectra of Silicon Compounds in The Chemistry of Organic Silicon Com- oounds (Eds.: S. Patai. Z. RamoDort). John Wilev & Sons Ltd..

2839.

* I ,

khichester, 1989, S. 555ff. [ I 0 ] H. Bock, W. Seitz, Z. Havlas, J. W. Bats, Angeiv. Chem. 1992,

105, 410; Angew Chem. Int. Ed. Engl. 1993, 32, 411. [ " I H. Bock, R. Dienelt, H. Schodel, Z. Havlas, E. Herdtweck, W.

A. Herrmann, AngeMz Chem. 1993, 105, 1826; Angew. Chem. Int. Ed. E n d 1993. 32. 1758.

[I2] H. Bock, PYhosphorus, Sulfuy, Silicon, Rel. El. 1994, 87, 23. [ I 3 ] Organic Solid State Chemistry (Ed.: G. R. Desiraju), Studies in

Organic Chemistry 32, Elsevier, Amsterdam, 1987, S. 475. [I4] G. R. Desiraju, Crystal Engineering, Elsevier, Amsterdam, 1989. [ I 5 ] P. Hobza, H. L. Selzle, E. W. Schlag, J Am. Chem. Soc. 1994,

[ I h ] S. K. Burley, G. A. Petsko, Science 1985, 229, 23, sowie J Am.

["I Vel. auch C. A. Hunter. J. Singh. J. Thornton, J Mol. Biol.

116, 3500.

Chem. Soc. 1986.

1g91,218, 837, sowie C. A. H u n k , J. K. Sanders, J Am. Chem. SOC. 1990, 112, 5523.

[''I M. Chao, E. Schempp, R. D. Rosenstein, Acta Crystallogr., Sect. B. 1975. 31, 291 1.

[ I 9 ] Vgl. hierzu Structure Correlation (Eds.: H.-B. Biirgi, J. D. Du- nitz), Bd. 2, VCH Verlagsgesellschaft, Weinheim, 1994, Appen- dix A.

r2"] H. Bock, K. Ruppert. C. Nather, Z. Havlas, H.-F. Herrmann, C. Arad, I. Gobel, A. John, J. Meuret, S. Nick, A. Rauschen- bach, W. Seitz, T. Vaupel, B. Solouki, Angew. Chem. 1992, 104, 564; Angew. Chem. Int. Ed. Engl. 1992, 32, 550, and zitierte Li- teratur.

L 2 1 ] H. Bock, J. Meuret, C. Nather, U. Krynitz, Chem. Ber. 1994, 127, 55, sowie Tetrahedron Lett. 1993, 34, 7553.

L Z 2 ] H. Bock, J. Meuret, J. W. Bats, Z. Havlas, Z. Naturforsch., Teil B, 1994, 49, 288. H. Bock, J. Meuret, K. Ruppert, J Organomet. 1993, 445, 19.

iZ41 H . Bock, J. Meuret, K. Ruppert, Chem. Ber. 1993, 126, 2237. [251 J. E. Johnson, R. A. Jacobson, Acta Crystallogr., Sect. B, 1973,

29, 1669. [26] G. J. Pyrka, A. A. Pinkerton, Acta Crystallogr., Sect. C, 1992,

48, 91. L2'1 H. Bock, H. Schodel, F. Butenschon, unveroffentlichte Ergeb-

nisse; vgl. Dissertation H. Schodel, Universitat Frankfurt, 1996. 12*] H. Schodel, H. Bock, E Butenschon, C. Nather, Acta Crystal-

lopr.. Sect. B. 1996, 52. eineereicht. [291 MY J. S. Dewar, E. G. Zoaisch, E. F. Healy, J. P. Stewart, J

Am. Chem. Soc. 1985. 107. 3902. M. J. S. Dewar, J. Caoxian, Organornetallics 1987, 6, 1486.

[95274]

Liebigs Ann. 1996, 403-407 407