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Nyctalus (N.F.), Berlin 15 (2010), Heft 2-3, S. 253-254 Fledermaus-Porträt Nr. 2 Weiße Fledermaus, Ectophylla alba H. Allen, 1892 Bei Ectophylla alba handelt es sich um eine Kleinfle dermaus (Unterordnung Microchiroptera), die zur neotro pischen Familie der Blattnasen (Phyllostomidae), Unter familie Fruchtvampire (Stenodermatinae) gehört. Im Deutschen findet man mehrere Bezeichnungen für die Art; so trägt sie unter anderem die Namen Weiße Fledermaus, Honduras-Zwergfledermaus oder Gelbohr-Fledermaus (nicht zu verwechseln mk der ebenso benannten Art Uro- derma bilobatum). Wie der Name Weiße oder Gelbohr-Fledermaus besagt, ist Ectophylla alba durch ein weißes Fell mit gelbem Na senblatt und gelben Ohren gekennzeichnet. Da sie die ein zige weiße Fledermaus in der Familie der Phyllostomiden darstellt, besteht keine Verwechslungsgefahr mit anderen Arten. Es handelt sich um eine sehr kleine Fledermausart mit einer Kopf-Rumpflänge von 4 bis 4,7 cm und einem Gewicht von 4 bis 7 g (alle Angaben nach Reid 1997). Das Verbreitungsgebiet der Weißen Fledermaus liegt in Mittelamerika, wobei sich ihre Vorkommen über das kari- bische Tiefland (bis 700 m NN) von Ost-Honduras bis nach Panama erstrecken (Reid 1997, Rodriguez & Pineda 2008). Bewohnt werden primäre oder durchgewachsene sekundäre Regenwälder (Reid 1997). Als Nahrung der Art wurden bisher Früchte und Samen von Feigen festgestellt (Reid 1997). Die Weiße Fledermaus gehört zu den Spezies, die selbst angelegte Blattzelte als Quartier nutzen. Dieses Verhalten ist weltweit von 21 Fledermausarten bekannt, wobei 18 davon zu den neotropischen Blattnasenfleder mäusen zählen (Rodri'guez-Herrera et al. 2006). Ecto phylla alba nutzt Blätter verschiedener Heliconia-Arten oder ähnlicher im Unterwuchs des Regenwaldes beheima teter Pflanzen zur Anlage der Zelte (Timm & Mortimer 1976, Reid 1997). Hierbei wird das Gewebe beidseitig der Mittelrippe des Blattes in Teilen durchtrennt, so dass die Seiten nach unten klappen und so den Fledermäusen Schutz vor Witterung und Feinden bieten. Diese Kon struktion beinhaltet zudem ein Alarmsystem. Dadurch, dass sich die Blätter an langen Stängeln befinden, können sich potenzielle Fressfeinde kaum ihrer Beute nähern, ohne dass das Blatt heftig zu schaukeln beginnt (Wain- wright 2002). In den Quartieren findet man Gruppen von 4 bis 8 Individuen (66 und 99). Welchen Geschlechts die Erbauer der Quartiere sind und welche soziale Funkti on dieses Verhalten übernimmt, ist noch nicht endgültig geklärt. Die Art weist ein polygynes Paarungssystem auf und man ging zunächst davon aus, dass die 66 die Blatt zelte anlegen, um 99 anzulocken und als Paarungspart ner zu gewinnen (Kunz et al. 1994). Rodriguez-Herrera et al. (2006) gelang hingegen die Filmaufzeichnung einer eindeutig trächtigen Weißen Fledermaus während des Zeltbaus. Die weiße Felllarbe stellt eine Anpassung an die Nutzung von Blattzelten als Quartier dar: unterhalb des Blattes erscheinen die Tiere in einem grünlichen Schim mer, so dass sie gut getarnt sind (Wainwright 2002). Bezüglich des Verhaltens und der Lebensraumansprü- che von Ectophylla alba bestehen noch große Wissens lücken. Aufgrund einer möglicherweise bestehenden starken Bindung an die oben genannten Lebensräume, eines engen Nahrungsspektrums und beobachteter Be- Abb. 1. Weiße Fledermäuse (Ectophylla alba) im Tagesquartier: Zelt in einem He/iconia-BlaU. Alle Aulh.: M. Hötzel.

Weiße Fledermaus, Ectophylla alba H. Allen, 1892€¦ · ist Ectophylla alba durch ein weißes Fell mit gelbem Na senblatt und gelben Ohren gekennzeichnet. Da sie die ein zige weiße

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Page 1: Weiße Fledermaus, Ectophylla alba H. Allen, 1892€¦ · ist Ectophylla alba durch ein weißes Fell mit gelbem Na senblatt und gelben Ohren gekennzeichnet. Da sie die ein zige weiße

Nyctalus (N.F.), Berlin 15 (2010), Heft 2-3, S. 253-254

Fledermaus-Porträt Nr. 2

Weiße Fledermaus, Ectophylla alba H. Allen, 1892

Bei Ectophylla alba handelt es sich um eine Kleinfledermaus (Unterordnung Microchiroptera),die zur neotropischen Familie der Blattnasen (Phyllostomidae), Unterfamilie Fruchtvampire (Stenodermatinae) gehört. ImDeutschen findet man mehrere Bezeichnungen für die Art;so trägt sie unter anderem die Namen Weiße Fledermaus,Honduras-Zwergfledermaus oder Gelbohr-Fledermaus(nicht zu verwechseln mk der ebenso benannten Art Uro-derma bilobatum).

Wie der Name Weiße oder Gelbohr-Fledermaus besagt,ist Ectophylla alba durch ein weißes Fell mit gelbem Nasenblatt und gelben Ohren gekennzeichnet. Da sie die einzige weiße Fledermaus in der Familie der Phyllostomidendarstellt, besteht keine Verwechslungsgefahr mit anderenArten. Es handelt sich um eine sehr kleine Fledermausart

mit einer Kopf-Rumpflänge von 4 bis 4,7 cm und einemGewicht von 4 bis 7 g (alle Angaben nach Reid 1997).

Das Verbreitungsgebiet der Weißen Fledermaus liegt inMittelamerika, wobei sich ihre Vorkommen über das kari-

bische Tiefland (bis 700 m NN) von Ost-Honduras bisnach Panama erstrecken (Reid 1997, Rodriguez & Pineda2008). Bewohnt werden primäre oder durchgewachsenesekundäre Regenwälder (Reid 1997). Als Nahrung der Artwurden bisher Früchte und Samen von Feigen festgestellt(Reid 1997).

Die Weiße Fledermaus gehört zu den Spezies, dieselbst angelegte Blattzelte als Quartier nutzen. DiesesVerhalten ist weltweit von 21 Fledermausarten bekannt,wobei 18 davon zu den neotropischen Blattnasenfledermäusen zählen (Rodri'guez-Herrera et al. 2006). Ecto

phylla alba nutzt Blätter verschiedener Heliconia-Artenoder ähnlicher im Unterwuchs des Regenwaldes beheimateter Pflanzen zur Anlage der Zelte (Timm & Mortimer1976, Reid 1997). Hierbei wird das Gewebe beidseitig derMittelrippe des Blattes in Teilen durchtrennt, so dass dieSeiten nach unten klappen und so den FledermäusenSchutz vor Witterung und Feinden bieten. Diese Konstruktion beinhaltet zudem ein Alarmsystem. Dadurch,dass sich die Blätter an langen Stängeln befinden, könnensich potenzielle Fressfeinde kaum ihrer Beute nähern,ohne dass das Blatt heftig zu schaukeln beginnt (Wain-wright 2002). In den Quartieren findet man Gruppen von4 bis 8 Individuen (66 und 99). Welchen Geschlechtsdie Erbauer der Quartiere sind und welche soziale Funktion dieses Verhalten übernimmt, ist noch nicht endgültiggeklärt. Die Art weist ein polygynes Paarungssystem aufund man ging zunächst davon aus, dass die 66 die Blattzelte anlegen, um 99 anzulocken und als Paarungspartner zu gewinnen (Kunz et al. 1994). Rodriguez-Herreraet al. (2006) gelang hingegen die Filmaufzeichnung einereindeutig trächtigen Weißen Fledermaus während desZeltbaus. Die weiße Felllarbe stellt eine Anpassung an dieNutzung von Blattzelten als Quartier dar: unterhalb desBlattes erscheinen die Tiere in einem grünlichen Schimmer, so dass sie gut getarnt sind (Wainwright 2002).

Bezüglich des Verhaltens und der Lebensraumansprü-che von Ectophylla alba bestehen noch große Wissenslücken. Aufgrund einer möglicherweise bestehendenstarken Bindung an die oben genannten Lebensräume,eines engen Nahrungsspektrums und beobachteter Be-

Abb. 1. Weiße Fledermäuse (Ectophylla alba) im Tagesquartier: Zelt in einem He/iconia-BlaU.Alle Aulh.: M. Hötzel.

Page 2: Weiße Fledermaus, Ectophylla alba H. Allen, 1892€¦ · ist Ectophylla alba durch ein weißes Fell mit gelbem Na senblatt und gelben Ohren gekennzeichnet. Da sie die ein zige weiße

254 Hötzel, M.: Fledermausporträt Nr. 2: Weiße Fledermaus

Abb. 2. Die Weiße Fledermaus ist eine

kleinsten Arten der Stenodermatittae.

Standsrückgänge in Costa Rica wurde die Art auf der weltweiten Roten Liste der IUCN in die Kategorie „potenziellgefährdet" (near threatened) eingestuft (Rodriguez &Pineda 2008).

Schrifttum

Kunz, T. H., Fujita, M. S., Brooke, A. P., & McCracken,

G. F. (1994): Convergence in tent architecture andtent-making behaviour among neotropical and pa-leotropical bats. J. Mamm. Evol. 2, 57-78.

Reid, F. A. (1997): A field guide to the mammals of Central America and Southeast Mexico. Oxford Univ.

press. New York (334 pp.).Rodriguez, B., & Pineda, W. (2008): Ectophylla alba. In:

IUCN Red List of Threatened Species. Version2010.1: www.iucnredlist.org. Downloaded on 27April 2010.

I

Abb. 4. Verbreitungsgebiet der Weißen Fledermaus (Ectophylla alba).

RODRiGUEZ-HERRERA, B., MEDELLIN, R. A., & GaMBA-RJOS,

M. (2006): Tent building by female Ectophyllaalba (Chiroptera: Phyllostomidae) in Costa Rica.Acta Chiropterologica 8, 557-560.

Timm, R. M., & Mortimer, J. (1976): Selection of RoostSites by Honduran White Bats, Ectophylla alba(Chiroptera: Phyllostomatidae). Ecology 57, 385-389.

Wainwright, M. (2002): Natural History of Costa RicanMammals. Distribuidores Zona Tropical, S. A.Miami (384 pp.).

Meike Hötzel, Hörder Straße 433,

D-58454 Witten, E-Mail: [email protected]

Abb. 3. Lebensraum der Weißen Fledermaus in La Selva, Costa Rica.