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Feuilleton Ärzteblatt Sachsen 12/2001 571 Die Weihnachtszeit ist nun wieder her- angerückt und das bedeutet, sich im letz- ten Heft des Jahres 2001 des „Ärzteblatt Sachsen“ mit Weihnachtsbräuchen und Sitten, die auch anderswo in der Welt hei- misch geworden sind, zu beschäftigen. Am Heilig Abend versammelt sich die Familie erwartungsvoll am geschmückten Christbaum und vielerorts lässt die Krippe nicht nur Kindheitserinnerungen wach werden, sondern führt uns den eigentli- chen Grund des Festes vor Augen. Über lange Zeit wurde beispielsweise in Bayern und Österreich Weihnachten nicht unter dem Christbaum gefeiert, sondern an der Krippe, die in der guten Stube auf- gestellt wurde. Dreh- und Angelpunkt sind Maria und Josef mit dem Jesuskind. Zeugen im Hintergrund sind Ochs und Esel. Über dem Stall leuchtet hell der Stern von Bethlehem, und noch heute darf am Heilig Abend die Krippe in vie- len Familien und nicht zuletzt in den Kirchen fehlen, denn sie erzählt uns doch im übertragenen Sinne von den Er- eignissen in der Heiligen Nacht. Höchstwahrscheinlich wurde das Jesus- kind gar nicht in einem Stall geboren, son- dern kam in einer Höhle in den Sandstein- bergen am Rande von Bethlehem zur Welt. Von Forschern wird vermutet, dass die Krippe damals nicht aus Holz, son- dern aus Lehm und Stroh und Steinen der Standsteinhöhlenwände bestand. Wie dem auch sein mag, der griechische Kir- chenschriftsteller Origenes (etwa 185 – 254) berichte von Pilgern, welche die Geburtsgrotte aufsuchten. Da nun nicht alle Gläubigen Gelegenheit hatten, die Geburtsstätte aufzusuchen, versuchte die Kirche den Heiligen Ort den Menschen auf andere Weise näher zu bringen. So bauten die Christen, später Mönche, Mis- sionare, Pfarrer, Lehrer und Wanderpre- diger Nachbildungen der Geburtsgrotte als Anschauungsmaterial. Erste Kirchen- krippen wurden der Überlieferung nach etwa um 1563 in Prag, später etwa 1607 in München und Innsbruck aufgestellt. Nach und nach wurde es zur Weihnachts- zeit in den Kirchen üblich, in Altarnähe Krippen aufzubauen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde dieser Brauch in Kirchen ausgesetzt. So kam es, dass sich Bürger und Bauern zu Hause Krippen errichteten, und so wurde dieser Brauch fortgeführt. In der Zeit der Auswanderung, insbeson- dere nach Amerika, gelangten die Krippen auch nach Übersee. In den Wohnräumen der Christen erhiel- ten Krippen und Figuren die Prägung heimatlicher Landschaft und Gegeben- heit. So wurde in jeder Gegend die Weih- nachtskrippe nach eigenem Stil geprägt. Italien zum Beispiel gilt ohnehin als das Krippenland. Hier entwickelte sich eine richtungsgebende Krippenkultur. Während es bei der Gestaltung der Krippen keine Richtlinien gibt, sind jedoch die Farben der Gewänder der Figuren genau festge- legt. Traditionsgemäß wird das Jesuskind in weiße und goldene Tücher als sinn- bildliche Farbe Gottes gewickelt. Maria trägt ein rotes Gewand zum Zeichen der Gottesliebe, und sie ist mit einem blauen Mantel eingehüllt. Josef trägt ein gelbes Gewand, die Farbe der Weisheit mit blauem und braunem Mantel. Die Engel tragen weiß und goldene Far- ben und die Hirten sind mit grünen Ge- wändern ausgestattet, die neues Leben symbolisieren sollen. Die Drei Könige tragen Gewänder, die in den Grundfarben dargestellt werden. Weihnachten Von Krippen und Tannenbäumen

Weihnachten Von Krippen und Tannenbäumen...dern auf das Weihnachtsfest vorzuberei-ten und zu freuen. Neben den Krippen haben die Weihnachts-bäume erhebliche Bedeutung im Weih-nachtsbrauchtum

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Feuilleton

Ärzteblatt Sachsen 12/2001 571

Die Weihnachtszeit ist nun wieder her-angerückt und das bedeutet, sich im letz-ten Heft des Jahres 2001 des „ÄrzteblattSachsen“ mit Weihnachtsbräuchen undSitten, die auch anderswo in der Welt hei-misch geworden sind, zu beschäftigen.Am Heilig Abend versammelt sich dieFamilie erwartungsvoll am geschmücktenChristbaum und vielerorts lässt die Krippenicht nur Kindheitserinnerungen wachwerden, sondern führt uns den eigentli-chen Grund des Festes vor Augen.Über lange Zeit wurde beispielsweise inBayern und Österreich Weihnachten nichtunter dem Christbaum gefeiert, sondernan der Krippe, die in der guten Stube auf-gestellt wurde. Dreh- und Angelpunktsind Maria und Josef mit dem Jesuskind.Zeugen im Hintergrund sind Ochs undEsel. Über dem Stall leuchtet hell derStern von Bethlehem, und noch heutedarf am Heilig Abend die Krippe in vie-len Familien und nicht zuletzt in denKirchen fehlen, denn sie erzählt unsdoch im übertragenen Sinne von den Er-eignissen in der Heiligen Nacht.Höchstwahrscheinlich wurde das Jesus-kind gar nicht in einem Stall geboren, son-dern kam in einer Höhle in den Sandstein-bergen am Rande von Bethlehem zurWelt. Von Forschern wird vermutet, dassdie Krippe damals nicht aus Holz, son-dern aus Lehm und Stroh und Steinender Standsteinhöhlenwände bestand. Wiedem auch sein mag, der griechische Kir-chenschriftsteller Origenes (etwa 185 –254) berichte von Pilgern, welche dieGeburtsgrotte aufsuchten. Da nun nichtalle Gläubigen Gelegenheit hatten, dieGeburtsstätte aufzusuchen, versuchte dieKirche den Heiligen Ort den Menschenauf andere Weise näher zu bringen. Sobauten die Christen, später Mönche, Mis-sionare, Pfarrer, Lehrer und Wanderpre-diger Nachbildungen der Geburtsgrotteals Anschauungsmaterial. Erste Kirchen-krippen wurden der Überlieferung nachetwa um 1563 in Prag, später etwa 1607in München und Innsbruck aufgestellt.Nach und nach wurde es zur Weihnachts-zeit in den Kirchen üblich, in Altarnähe

Krippen aufzubauen. Gegen Ende des18. Jahrhunderts wurde dieser Brauch inKirchen ausgesetzt. So kam es, dass sichBürger und Bauern zu Hause Krippenerrichteten, und so wurde dieser Brauchfortgeführt.In der Zeit der Auswanderung, insbeson-dere nach Amerika, gelangten die Krippenauch nach Übersee.In den Wohnräumen der Christen erhiel-ten Krippen und Figuren die Prägungheimatlicher Landschaft und Gegeben-heit. So wurde in jeder Gegend die Weih-nachtskrippe nach eigenem Stil geprägt.Italien zum Beispiel gilt ohnehin als dasKrippenland. Hier entwickelte sich einerichtungsgebende Krippenkultur. Während

es bei der Gestaltung der Krippen keineRichtlinien gibt, sind jedoch die Farbender Gewänder der Figuren genau festge-legt. Traditionsgemäß wird das Jesuskindin weiße und goldene Tücher als sinn-bildliche Farbe Gottes gewickelt. Mariaträgt ein rotes Gewand zum Zeichen derGottesliebe, und sie ist mit einem blauenMantel eingehüllt. Josef trägt ein gelbesGewand, die Farbe der Weisheit mitblauem und braunem Mantel.Die Engel tragen weiß und goldene Far-ben und die Hirten sind mit grünen Ge-wändern ausgestattet, die neues Lebensymbolisieren sollen.Die Drei Könige tragen Gewänder, die inden Grundfarben dargestellt werden.

WeihnachtenVon Krippen und Tannenbäumen

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Feuilleton

572 Ärzteblatt Sachsen 12/2001

Auch im Leben der modernen Welt ist esgut bestellt um die Erhaltung und Pflegeder geschätzten Krippe. Heute kann mannoch immer Krippen bauen, und esmacht besonders Freude, wenn man diesgemeinsam mit seinen Kindern tut. Beider Bastelei bleibt genug Zeit, von Josefund Maria zu berichten und über diefrohe Botschaft, die um die ganze Weltging. Es ist eine schöne Gelegenheit, einbisschen in die Vergangenheit zurückzu-kehren und sich gemeinsam mit den Kin-dern auf das Weihnachtsfest vorzuberei-ten und zu freuen.Neben den Krippen haben die Weihnachts-bäume erhebliche Bedeutung im Weih-nachtsbrauchtum. Allein in Deutschlandwerden schätzungsweise etwa 20 Millio-nen Tannenbäume und 10 MillionenFichten gekauft und aufgestellt, und siezieren die Wohnstube von Weihnachtenbis zu Beginn des neuen Jahres.In den allermeisten Fällen handelt es sichdabei um geschnittene Bäume aus spezi-ellen Weihnachtsbaumkulturen, die eigensfür diesen Zweck und nicht zuletzt ausmerkantilen Zwecken angelegt wurden.Der Weihnachtsbaum, so wie wir ihn ken-nen, also mit brennenden Kerzen und Ver-zierungen, wurde erstmals durch Liese-lotte von der Pfalz im Jahre 1708 be-kannt. Richtig populär wurde im 19. und20. Jahrhundert der Brauch des deutschenChristbaums. Dieser Brauch zu Weihnach-ten wurde auch in viele andere europäi-sche Länder und nach Übersee sowie inweitere Regionen der Erde gebracht. Sosind zum Beispiel in Dänemark, Finn-land, Schweden, Norwegen und Islandzwei Feste verschmolzen, denn das ein-heimische Julfest mit seinen alten bäuer-lichen Ernte- und Mittwinterbräuchen istmit dem importierten Weihnachtsfest ver-eint. In Australien ist zu unserer Weih-nachtszeit gerat Sommer- und Ferien-zeit. Dort werden die Häuser mit demGrün des „christmas bush“ und mit den„christmas bells“, glockenförmigen Blu-men, geschmückt. Die Geschenke gibt es

am Weihnachtsmorgen von Santa Claus.In Süd- und Mittelamerika werden Pinienund Kakteen und Kunststoffbäume fürden Kerzenschmuck genutzt, und nur inden großen Städten gibt es eigens ausEuropa importierte Tannenbäume.Die Weihnachtsbräuche in den Vereinig-ten Staaten von Amerika setzten sich ausall dem Gut zusammen, das die Einwan-derer aus ihrer Heimat mitgeführt haben.So haben die Engländer Santa Claus mit-gebracht, und erste amerikanische Weih-nachtsbäume wurden ab etwa 1830 er-wähnt. Diese Tradition hat offenbar ausdeutschen Landen seinen Weg nachAmerika gefunden.Die Amerikaner mögen es besonders,hohe und prächtige Weihnachtsbäumemit allerlei Glimmer und Verzierung zuhaben, die an öffentlichen Plätzen aufge-stellt werden. Heute findet man in derMehrzahl Weihnachtsbäume auch inamerikanischen Wohnungen, allerdingshäufig aus Plastik, da dies so schön prak-tisch ist.Bei unseren europäischen Nachbarn gibtes ähnliche, an unsere Bräuche angelehn-

te Weihnachtstraditionen. In Spanien istallerdings der Dreikönigstag wichtigerals der Heilige Abend. Jedoch trifft mansich auch hier zum 24. Dezember mit derganzen Familie und feiert. Weihnachts-bäume, besonders künstliche, sind be-kannt.Nicht zuletzt in Osteuropa und der GUS,hier insbesondere verbunden mit demFest des Jahreswechsels, haben weih-nachtlich geschmückte Bäume einenfesten Platz erhalten.In einer Zeit, wo das Böse auf unseremGlobus versucht, Macht zu gewinnenund der Kampf für und um den Friedenaktueller denn je geworden ist, ist esbesonders wichtig, sich friedlicher Tra-ditionen zu besinnen.Eine Frohe Botschaft sollte für alleMenschen dieser Welt möglich werden.Wünschen wir uns deshalb besinnlicheund friedfertige Weihnachtstage und fürdas Jahr 2002 Frieden und Verständi-gung in aller Welt.

Dr. Hans-Joachim GräfeKohren-Sahlis