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weiter.vorn Das Fraunhofer-Magazin 2/09 Titelthema Licht nach Maß Photonik Unbegrenztes Sehvergnügen Energie Mit Windkraft voraus Kommunikation Persönliche Hörsysteme

weiter - Fraunhofer · das Prinzip »Wir belohnen Erfolg« sind das Geheimnis für die ungebremste Dynamik von Fraunhofer. Die konsequente Weiterentwicklung der Fraunhofer-Ge-sellschaft

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weiter.vornDas Fraunhofer-Magazin 2/09

Titelthema

Licht nach Maß

Photonik

Unbegrenztes Sehvergnügen

Energie

Mit Windkraft voraus

Kommunikation

Persönliche Hörsysteme

weiter.vorn

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Forschen Sie in exzellenter GesellschaftDie Alexander von Humboldt-Stiftung ermöglicht jährlich über 1.800 Wissenschaftlern

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23.000 Humboldtianer aller Fachgebiete in 130 Ländern – darunter 41 Nobelpreisträger.

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die mit unseren Forschungsstipendien und -preisen nach Deutschland kommen, um

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für unsere Alumni sowie für deutsche Nachwuchswissenschaftler bieten wir zahlreiche

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www.humboldt-foundation.deDie Humboldt-Stiftung wird gefördert vom Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium für Bildung undForschung, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie von weiterennationalen und internationalen Partnern.

Die Alexander von Humboldt-Stiftunggratuliert der Fraunhofer Gesellschaftzu 60 Jahren erfolgreicher Forschung!

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- 03EDITORIALweiter.vorn 2.09

Prof. Dr. Hans-Jörg Bullinger. © Bernhard Huber

Verändernund erneuern

»Was bleibt, ist die Veränderung. Was sich verändert, bleibt!«Dieser Ausspruch des deutschen Historikers Michael Richterbeschreibt treffend die Geschichte der Fraunhofer-Gesell-schaft. Vor 60 Jahren – am 26. März 1949 – wurde Fraun-hofer gegründet. Damals galt es, nach der Zerstörung desKrieges, neue Strukturen für die Forschung zu entwickelnund Impulse für den wirtschaftlichen Wiederaufbau zu ge-ben. Seither hat sich die Fraunhofer-Gesellschaft beständiggewandelt. In sechs Jahrzehnten hat sich Fraunhofer von einem kleinen Verein mit nur drei Angestellten zur führen-den Organisation für die angewandte Forschung in Europaentwickelt. Heute erarbeiten 15 000 Mitarbeiterinnen undMitarbeiter in 80 Forschungseinrichtungen ein Forschungs-volumen von 1,4 Milliarden Euro.

Diese erstaunliche Entwicklung wurde nur möglich, weilFraunhofer die aus der Not geborene Fähigkeit zur Verän-derung zur Tugend machte und sich äußerst geschickt aufneue Bedingungen einstellte. Flexibel und anpassungsfähigwie keine andere Forschungsorganisation lernte sie in ihrer60jährigen Geschichte beständig, auf neue Herausforderun-gen zu reagieren und Chancen mutig zu ergreifen. Für Un-ternehmen wie für Organisationen gilt: Wer sich nicht erneu-ert, veraltet. Die Fraunhofer-Gesellschaft bleibt »jung«, weilsie ihre Strukturen stets erneuert, vor allem aber weil sie aufjunge, motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter setzt. DieKreativität und das Engagement unserer Wissenschaftlerin-nen und Wissenschaftler, die klare Marktorientierung unddas Prinzip »Wir belohnen Erfolg« sind das Geheimnis für die ungebremste Dynamik von Fraunhofer.

Die konsequente Weiterentwicklung der Fraunhofer-Ge-sellschaft zum Motor für Innovation und dem Technologie-partner der Wirtschaft wollen wir auch mit einem moderni-sierten Erscheinungsbild nach außen deutlich machen. Zum60. Gründungstag rücken wir die Dachmarke Fraunhofer inunserem veränderten Logo in den Vordergrund. Neu gestal-tet ist auch unser Kundenmagazin, das Sie gerade in den

Händen halten. Es ist in vielen Elementen wie das alte Fraun-hofer-Magazin und doch ganz neu: eben »weiter.vorn«.

Eines bleibt auf jeden Fall gleich: Wir wollen Sie weiterhinüber aktuelle Forschungsergebnisse, neue Technologien undInnovationen aus der wachsenden Fraunhofer-Welt informie-ren. In dieser Ausgabe steht die Photonik im Mittelpunkt.Kaum ein anderer deutscher Wirtschaftszweig ist so innova-tiv wie die Unternehmen der optischen Technologien. DieFirmen investieren im Schnitt etwa neun Prozent ihres Um-satzes in Forschung und Entwicklung. Zum Vergleich: In an-deren Industriebereichen werden nur drei Prozent für FuEaufgewendet. In der Titelgeschichte erfahren Sie, welcheneuen Möglichkeiten und Anwendungen die jüngste Laser-generation, der Faserlaser, eröffnet. Faserlaser zeichnen vorallem durch ihre exzellente Strahlqualität aus. Mittlerweilehaben sie eine Ausgangsleistung von einigen Kilowatt. Dasmacht die neue Lasergeneration jetzt auch zunehmend fürden Einsatz in der Fertigung interessant. Doch das enormePotenzial des universellen Werkzeugs Laser ist noch langenicht ausgereizt. Experten schätzen, dass erst etwa 50 Pro-zent der möglichen Laseranwendungen realisiert sind. Hierkönnen wir uns auch in den kommenden Jahren auf weitereEntwicklungssprünge und Innovationen freuen.

Mit Innovationen raus aus der Krise – das ist heute wie vor60 Jahren der einzig gangbare Weg. Ohne Durchhaltever-mögen, Kreativität und Vertrauen in seine Fähigkeiten wirdaber auch heute der Wiederaufbau nicht gelingen. Daher ist auch Fraunhofer heute wichtiger denn je. Jung geblieben,dynamisch und verantwortungsbewusst nehmen wir unse-rem Auftrag wie vor 60 Jahren wahr: Die Stärkung des Wirt-schaftstandorts Deutschlands - Zukunftssicherung durch Innovation.

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04 - INHALT weiter.vorn 2.09

8TitelthemaLicht nach Maß

Licht ist ein universelles Werzeug. Faserlaser verfügen über eine exzellente Strahlqualität.

32i-Tüpfelchen für

Schwergewichte

Baumaschinen sind längstzu Hightech-Fahrzeugengeworden.

50Mit Windkraft voraus

Windanlagen sind gefragt:Zehntausende erzeugenbereits Strom, weitere sindin Planung.

40Virtuelle

Blasenspiegelung

An einem Simulator übenÄrzte minimalinvase Diagnosen und Eingriffe.

60Strom aus Stroh

Ein neues Anlagenkonzeptermöglicht es, nur ausReststoffen Biogas zu erzeugen.

66Schöner schuften

Im Projekt »Office 21« entwickeln Forscher neueBüro-Konzepte.

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TitelthemaLicht nach Maß

Maßgeschneidertes Licht eröffnet immer neuetechnische Anwendungen.

Licht am Ende des Tunnels

Gastkommentar von Josef May.

PhotonikOLED mit Touchfunktion

Die neue Beleuchtung lässt sich einfacchdurch Berührung bedienen.

Mit Licht zur fehlerfreien Produktion

Optische Rundum-Messverfahren erlauben eine lückenlose Qualitätskontrolle.

Unbegrenztes Sehvergnügen

Forscher arbeiten an extrem flachen Bildschirmen.

Grünes Licht

Mikroprojetoren für Business-Präsentationen.

MikroelektronikChips und Bauteile der Zukunft

Mikroelektronische Bauteile werden immerkleiner und vor allem multifunktional.

Informationstechnologiei-Tüpfelchen für Schwergewichte

Hightech in Brummis und Co.

Gemeinsam forschen für eine

bessere Zukunft

Fraunhofer gründet in Portugal ein Institut.

Software »montiert« biegsame Bauteile

Montageplaner moniteren Bauteile virtuell.

Zukunftsstiftung startet

Die Fraunhofer-Stiftung fördert Vorlauf-forschung in Technologiefeldern.

MedizinAnziehende Implantate

Dank der genoppten Oberfläche wachsen Zellen besonders gut an.

Virtuelle Blasenspiegelung

Ärzte trainieren Ärzte am Simulator.

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JubiläumIm Auftrag der Zukunft

60 Jahre Fraunhofer: Im Gespräch lassen dreiPräsidenten die Geschichte Revue passieren.

Forschung als Exportschlager

Forschung made by Fraunhofer ist auch imAusland sehr gefragt.

EnergieMit Windkraft voraus

Forscher entwickeln neue Technologien fürden Bau und die Wartung von Windanlagen.

Verräterische Wärme

Thermographie macht Materialfehler in Rotorblättern sichtbar.

Energie verbindet

Ein intelligentes Stromnetz vernetzt Erzeugerund Verbraucher miteinander.

Fassaden als Kraftwerke

Farbsolarzellen bringen Farbe in die Photovolatik.

Strom aus Stroh

Eine neue Biogas-Anlage lässt sich nur mitReststoffen betreiben.

Energie sparen und wohlfühlen

Mit der Sanierung von Altbauten kann bis zu80 Prozent Energie gespart werden.

KommunikationPersönliche Hörsysteme

Innovative Hörgeräte-Technik für Handys, Fernseher und mp3-Player.

Schöner schuften

Neue Konzepte für das Büro der Zukunft.

UmweltWasser für Millionen

Wie sich die Wasserversorung in Peking sichern lässt, untersuchen Forscher.

ProduktionMeister aller Lagen

Funktionale Flächen ermöglichen es, die Eigenschaften von Oberflächen zu gestalten.

Aktiv gelagert

Adaptronische Bauteile zu reduzieren Vibrationen und damit Lärm.

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- 05weiter.vorn 2.09

06 Spektrum

20 GründerWelt

22 Firmenportrait

24 Fraunhofer inside

26 International

28 Kompakt

72 Panorama

73 Impressum

InhaltINHALT

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Hüftprothesen verschrauben– aber wo?Schrauben verankern künstliche Hüftgelenke. Doch wo finden sie festenHalt? Welche Stelle ist geeignet, wenn etwa ein Implantat erneuert wer-den muss? Ein mathematisches Modell soll jetzt berechnen, wo sichkünstliche Hüftgelenke am besten verschrauben lassen. Forscher amFraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU inDresden entwickeln das Modell gemeinsam mit dem Labor für Biomecha-nik der Universität Leipzig. Ärzte können dann künftig aus CT-Aufnahmendie Dichte und Elastizität des Knochens zuverlässig berechnen. Die Wis-senschaftler versetzen isolierte Hüftknochen in Schwingungen, schließenaus dem Verhalten der Knochen auf ihre Eigenschaften und vergleichensie mit den jeweiligen CT-Aufnahmen. In zwei Jahren soll das neue Mo-dell einsatzbereit sein.

WinzigeGlasstrukturen Eigentlich wäre Glas ein idealer Werkstoff –wenn es nicht so spröde wäre. Dadurch lässt es sich mechanisch nur schwer bearbeiten. For-scher haben jetzt ein kostengünstiges Verfahrenentwickelt, um winzige Strukturen auf Glas auf-zubringen. Sie verdampfen Glas im Vakuum undkondensieren es auf einer Waferoberfläche. Esentstehen Strukturen mit einer Breite von weni-ger als zwei Mikrometern – das ist ein Vierzigs-tel einer Haaresbreite. So lassen sich demnächstmöglicherweise LEDs oder Mikrospiegel fürScanner fertigen. Entwickelt hat das VerfahrenMSG Lithoglas AG, gemeinsam mit dem Fraun-hofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointe-gration IZM und der Schott AG.

Um solche Strukturen herzustellen, wurden zu-vor lediglich einzelne Glasschichten abgetragen,beispielsweise durch Ätzprozesse. Das sehr teu-re Siebdruckverfahren arbeitet bei hohen Tem-peraturen und verändert die optischen Eigen-schaften des Glases.

Sturm, Regen, Hagel – Windkraftanlagenmüssen starken Belastungen standhalten.Ein neuer Roboter soll die Rotorblättersolcher Anlagen auf Materialfehler künf-tig überprüfen. »RIWEA« klettert gut, fin-det jeden Riss und jeden noch so kleinenSchaden. Forscher des Fraunhofer-Insti-tuts für Fabrikbetrieb und -automatisie-rung IFF entwickeln den Roboter. Ge-wöhnlich werden die Windkraftanlagenvon Technikern überprüft, die in luftigerHöhe die Rotorblätter selbst unter die Lupe nehmen. Doch einem Mensch kann

auf einer so großen Fläche auch mal et-was entgehen: Bis zu 60 Meter lang istein einzelnes Rotorblatt. Der Roboter hin-gegen entdeckt auch kleinste Defekte:Ausgestattet mit Infrarotstrahler, Ultra-schallsystem, einer hochauflösenden Kamera und Wärmekamera, registriert er über Temperaturmuster an der Ober-fläche vorhandene Fehler im Material. RIWEA liefert ein genaues Zustandspro-tokoll der Rotorblätter, ohne Menschen in Gefahr zu bringen.

Roboter überprüftWindkraftanlagen

Miniaturisierte Glaskappen auf Siliziumwafer zum Schutzvon Mikromechanikstrukturen. © Lithoglas

Künftig könnte ein Roboter die Rotorblätter auf möglicheSchäden hin überprüfen. © Fraunhofer IFF

6 - SPEKTRUM weiter.vorn 2.09

Christa Schraivogel
IWU
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IFF
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IZM
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- 07SPEKTRUMweiter.vorn 2.09

Blutdruckmessungin der ArterieEin neuer Sensor vereinfacht Langzeit-Blutdruck-messungen. Das Gerät bestimmt den Blutdruckdirekt in der Arterie und überträgt die Datendrahtlos auf ein Lesegerät am Gürtel des Patien-ten. Forscher am Fraunhofer-Institut für Mikro-elektronische Schaltungen und Systeme IMS inDuisburg haben das System entwickelt, gemein-sam mit der Firma Dr. Osypka und weiterenPartnern. Die ersten klinischen Tests laufen be-reits. Um die passenden Medikamente und dierichtige Dosierung für Bluthochdruckpatientenzu finden, müssen Ärzte oft den Blutdruck überlängere Zeit hinweg beobachten. Bisher einelästige Prozedur: Der Patient muss ein Blut-druckmessgerät am Körper tragen. Eine Man-schette am Arm pumpt sich regelmäßig auf undzeichnet die aktuellen Werte auf – auch nachts.

Der neue Sensor ermittelt 30-mal pro Sekundeden Blutdruck, aber ohne dass der Patient da-von etwas mitbekommt. Inklusive Verkapselungmisst er nur etwa einen Millimeter im Durch-messer. Der Arzt führt den winzigen Helfer indie Leistenschlagader ein. Über den angeschlos-senen Transponder und das externe Lesegerätgelangen die Daten auf eine Monitorstation,wo der Mediziner sie auswertet.

Hightech aus HolzAn neuen Verbundwerkstoffen aus Holz und Kunststoff arbeiten europäi-sche Forscher in dem Projekt »BioStruct«. Ziel ist es, verbesserte WoodPlastic Composites (WPC) zu entwickeln. Die bisher eingesetzten WPCshaben einige Nachteile: Sie vertragen beispielsweise keine hohen Tempe-raturen und sind auch nicht sonderlich stabil. »Wir arbeiten an der nächs-ten Generation naturfaserverstärkter Polymere«, erläutert Projektleiter Dr. Jan Diemert vom Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT in Pfinztal. Die neuen Verbundwerkstoffe sollen belastbarer und tempera-turstabiler sein. Dann kann man mit ihnen beispielsweise die Mittelkon-solen von Autos verkleiden. Diese Bauteile sind nämlich relativ hohen Be-lastungen ausgesetzt. In den kommenden vier Jahren wollen 20 Partneraus 10 Ländern die neuartigen Materialien entwickeln. Die EU fördert dasProjekt mit 10 Millionen Euro.

Elektronische Lernsysteme müssen leichtzu bedienen, flexibel und dialogfähigsein, um Wissen erfolgreich zu vermitteln.Experten des Fraunhofer-Instituts für In-formations- und Datenverarbeitung IITBhaben das Software-Werkzeug »Crayons«entwickelt. Lehrer können die Softwarenutzen, um »Profikurse« zu erstellen. Da-mit lässt sich der Lernstoff zu Hause wie-derholen und vertiefen.

»Crayons« ermöglicht es, verschiedeneBausteine miteinander zu verknüpfen:Texte, Bilder, Videos und Aufgaben. »EinVorteil von Crayons ist, dass es sich ganzintuitiv bedienen lässt«, sagt Projektleiter

Daniel Szentes. Da Crayons ohne Vor-kenntnisse im Programmieren zu verwen-den ist, nutzen auch Schüler die Software– etwa um einen Nachhilfekurs für Freun-de zu basteln. Crayons funktioniert wieein komfortables Wikipedia. Texte, For-meln, Animationen oder Bilder aus demKurs des Lehrers lassen sich komplettoder als Vorlage verwenden. Manbraucht als Autor oder als Lernender da-bei nur Internet und einen Browser wieden Internet Explorer oder Firefox, umdie Inhalte zu erstellen oder zu lernen.

Der winzige Drucksensor misst den Blutdruck direkt in derLeistenschlagader. © Fraunhofer IMS

Mehr Spaß am Lernen mit neuen elektronische Lernsyste-men wie Crayons. © Rainer Sturm/pixelio

Lernen am Computer

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IMS
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ICT
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IITB
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08 - weiter.vorn 2.09

Faserlaser haben eine exzellente Strahlqualität. © Volker Steger

TITELTHEMA

Licht nach MaßText: Birgit Niesing

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- 09TITELTHEMAweiter.vorn 2.09

»Den Rest meines Lebens werde ich darüber nachdenken,was Licht ist«, sagte Albert Einstein. Nicht nur der Nobel-preisträger war fasziniert vom Licht. Schon seit jeher be-schäftigen sich Menschen in allen Kulturen mit dem Phäno-men Licht. Forscher und Wissenschaftler wie Joseph vonFraunhofer, Max Planck oder Einstein versuchten dem Lichtauf die Spur zu kommen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahr-hunderts gelang es, mit der Entwicklung des Lasers die Pho-tonen zu steuern und die einzigartigen Eigenschaften desLichts besser zu nutzen. Seither wird der Laser wegen seinerunerreichten Präzision und Leistungsfähigkeit als universellesWerkzeug eingesetzt. Er schneidet, bohrt und schweißt un-terschiedlichste Materialien, speichert Daten auf DVDs odertransportiert Informationen. Laserlicht ist stark genug, umhärtesten Stahl zu schneiden, und so gut dosierbar, dass Augen und Haut sanft behandelt werden können.

»Aufgrund der einzigartigen physikalischen Eigenschaftendes Photons wird die industrielle Produktion im 21. Jahrhun-dert durch den Laser geprägt sein. Photonen erlauben kür-zeste Energiepulse, höchste Energiedichten und kleinsteWechselwirkungszonen. Kein anderes Werkzeug lässt sichzeitlich und räumlich schneller und präziser steuern als dasWerkzeug Licht«, ist Prof. Reinhart Poprawe, Leiter desFraunhofer-Instituts für Lasertechnik ILT in Aachen über-zeugt. Noch ist das enorme Potenzial dieses universellenWerkzeugs nicht ausgereizt. Experten schätzen, dass erst et-wa 50 Prozent der möglichen Laseranwendungen realisiertsind. Vollkommen neue Möglichkeiten eröffnet zum Beispieleine spezielle Form der Festkörperlaser, der Faserlaser. Er be-steht aus einer optischen Faser, die mit geringen Mengen ei-nes aktiven Materials dotiert ist – meist Ionen aus der Grup-pe der seltenen Erden. Regt man diese an, geben sie dieEnergie in Form von Laserstrahlung ab. Optische Elemente –wie zum Beispiel der Laserspiegel – sind direkt in die Licht-

leitfaser integriert. Das macht die Systeme sehr kompakt undrobust. Die neuen Faserlaser zeichnen sich vor allem durcheine exzellente Strahlqualität aus. Sie entwickeln kaum Wär-me – die große Oberfläche der oft mehrere Meter langenFasern sorgt für eine gleichmäßige und effiziente Kühlung.Ein weiterer Vorteil: Faserlaser müssen nicht aufwändig jus-tiert werden. Von der Strahlerzeugung in der Diode bis zurBearbeitungsoptik verlässt der Laserstrahl die Faser nichtmehr. »Im Vergleich zu konventionellen Technologien bietenFaserlaser gewaltige Einsparpotenziale und generieren immerneue Anwendungen. Neben dem hohen Wirkungsgrad ma-chen vor allem die thermische und mechanische Stabilität,die geringe Baugröße und die Skalierbarkeit Faserlaser so attraktiv für die Fertigung«, erläutert Prof. Andreas Tünner-mann, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optikund Feinmechanik IOF in Jena.

Faserlaser – ein neues Werkzug für die Fertigung

Faserlaser gelten als eine zukunftsweisende Entwicklung inder Lasertechnologie mit enormem Innovationspotenzial. Dieneue Laser-Generation eignet sich zum Markieren, Beschrif-ten, Schneiden und Schweißen. Sie kann aber auch Materialabtragen oder strukturieren. Mittlerweile haben Faserlaser eine Ausgangsleistung von einigen Kilowatt und das bei na-hezu beugungsbegrenzter Strahlqualität. Das macht die neueLasergeneration jetzt auch zunehmend für den Einsatz in derFertigung interessant.

Damit ein Faserlaser jedoch zu einem effizienten Werkzeugwird, muss man die im Strahl enthaltene Energie optimalführen, bündeln und formen. Diese Aufgabe übernimmt dieOptik. Linsen, Prismen, Spiegel und andere Elemente gebendem Laserstrahl seine Richtung, Form und Leistungdichte-

Schneiden, bohren, schmelzen, fügen, abtragen:

Licht ist ein universelles Werkzeug. Und sein

Potenzial ist noch lange nicht ausgereizt. Maß-

geschneidertes Licht soll immer neue technische

Anwendungen ermöglichen. Photonik gilt als eine

wichtige Schlüsseltechnik des 21. Jahrhunderts.

Christa Schraivogel
ILT
Christa Schraivogel
IOF
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10 - TITELTHEMA weiter.vorn 2.09

verteilung. Wissenschaftler des IOF haben eine neuartige Strahlformungs-optik basierend auf nicht-regulären Mikrolinsenarrays entwickelt, mit dersich eine wesentlich verbesserte Homogenität der Verteilung des Laser-strahls erzielen lässt.

In der Mikromaterialbearbeitung muss hochpräzise gearbeitet werden.Besonders leistungsstarke, ultrakurzgepulste Faserlaser sollen es künftigermöglichen, nachbearbeitungsfreie Bohrgeometrien zu realisieren. DiePulsdauer von einigen 100 Femtosekunden bis zu wenigen Picosekundenverhindert, dass die Werkstoffe schmelzen oder sich Risse bilden. ZumVergleich: In einer Femtosekunde legt das Licht eine Strecke von 0,3 μmzurück. IOF-Forschern gelang es bereits, hochwertige Mikrobohrungen inbis zu 1 mm dicken Metallen zu realisieren. Gemeinsam mit ihren Kolle-gen vom Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS in Dres-den haben IOF-Forscher ein neues System für die Mikrostrukturierungentwickelt. Der eingesetzte Faserlaser arbeitet mit einer hohen mittlerenLeistung von etwa 30 W und einer Pulswiederholrate bis 100 kHz und ex-trem kurzen Pulsen. So lassen sich unterschiedlichste Materialien struktu-rieren, ohne den Werkstoff zu schädigen. Die hervorragenden Parameterdes Systems haben die Forscher durch ein neuartiges Faserdesign erzielt:Die mikrostrukturierte Kristallfaser – mit dem Außendurchmesser von we-nigen Millimetern und einer Länge von einigen 10 Zentimetern – enthältdie Wellenleiterstrukturen für Pump- und Laserstrahlung.

Interessant sind die neuen Lasersysteme auch für die Herstellung vonKomponenten für die Medizin, Biotechnologie und Bioanalytik. Diese Pro-dukte müssen aus biokompatiblen Werkstoffen gefertigt werden, dienicht mit anderen Medien reagieren. Das stellt auch besondere Anforde-rungen an die Verbindungstechnik. Sie muss möglichst ohne Zusatzwerk-stoffe auskommen und sollte keinerlei Werkstoffbeeinflussung und Ver-schmutzung bewirken. Auf der Basis von Faserlasern haben Forscher derILT das Verfahren »TWIST®« entwickelt. Damit lassen sich 100 μm breiteSchweißnähte mit einer Geschwindigkeit von bis zu 18 m/min erzeugen.Das Verfahren ist sogar für das Schweißen transparenter Kunststoffe ge-eignet: Dank der neuen Strahlquellen können die Eigenschaften der Laser-strahlung an das Absorptionsverhalten der Polymere angepasst werden.Zusätzliche Absorber sind nicht erforderlich. Mit dem neuen Verfahrenlassen sich zum Beispiel Mikrofluidik-Chips mit sehr engen Kanälen undKanalabständen herstellen.

Neue Möglichkeiten eröffnen Faserlaser auch beim Schneiden von Mate-rialien. »Verglichen mit dem herkömmlichen Laser gleicher Leistung habenFaserlaser um den Faktor zehn kleinere Fokusradien. So lassen sich höhereIntensitäten am Werkzeug erzeugen. Die Schneidgeschwindigkeit steigt«,erläutert Dr. Thomas Himmer vom IWS. Um auch komplexe Strukturen –zum Beispiel Elektrobleche für den Antrieb oder Generatoren – schnellund zuverlässig zu schneiden, setzen die Forscher des IWS Faserlaser beimRemote-Schneiden ein. Bei diesem Verfahren wird der Lichtstrahl durchschwenkbare Umlenkspiegel einer Scanneroptik bewegt. Die Geschwin-digkeit des Laserspots beträgt einige Meter pro Sekunde. So lassen sichauch kompliziert geformte Teile in wenigen Sekunden schneiden.

Wie leistungsfähig das Verfahren ist, zeigen die Arbeiten der IWS-For-scher. Sie haben eine Lochmatrix aus 100 Kreisen mit einem Durchmesser

von 6,5 mm in unterschiedlichen Blechstärken aus Edelstahl geschnitten.Die 50 μm dünnen Bleche konnten in nur 1,2 Sekunden geschnitten wer-den. Bei 0,2 mm dicken Blechen beträgt die Bearbeitungsgeschwindigkeit2,6 Sekunden. Den Forschern gelang es, komplexe Schnitte mit einer Ge-schwindigkeit von 100 Metern pro Minute zu fertigen. Zum Vergleich: Beiherkömmlichen Verfahren liegt die mittlere Schneidgeschwindigkeit beivielschichtigen Konturen bei etwa 20 Meter pro Minute. In dem vom For-schungsministerium geförderten Projekt BRIOLAS erarbeiten IWS-Wissen-schaftler nun weitere Grundlagen für das Remote-Laserstrahlschneidenmit brillanten Hochleistungslasern. Erste erfolgreiche Experimente habengezeigt, dass die Nutzung der Remote-Technik für das Laserschneiden ei-ne zukunftsweisende und hochproduktive Technik für die flexible Bearbei-tung von Metallblechen oder -bändern ist.

Das Remotelaser-Schneiden erhöht auch die Produktivität bei der Herstel-lung von Airbags. Front-, Seiten-, Fenster-Airbags – neue Wagen sind miteiner Vielzahl unterschiedlicher Luftkissentypen ausgestattet. Diese Typen-vielfalt erfordert eine flexible und hochproduktive Anlagentechnik. Bislangschneiden Gaslaser die Luftsackteile aus bis zu drei Meter breiten Poly-amidgewebebahnen heraus. Der thermische Schnitt verschmilzt die Ge-webekante, das Material franst nicht aus. Bis zu 20 Materiallagen könnengleichzeitig geschnitten werden. Allerdings ist die Schnittqualität der ein-zelnen Lagen recht unterschiedlich. Forscher des IWS haben eine Remote-Bearbeitung mit einem kontinuierlichen Vorschub der Gewebebahnenkombiniert. Gemeinsam mit der Firma Held Systems Deutschland GmbHwurde die neue Generation von Airbag-Laserschneidanlagen gebaut. Da-mit lassen sich 2,5 Meter breite Gewebe mit einer Materialdurchlauf-Ge-schwindigkeit von bis zu 20 Meter pro Minute mit einer Genauigkeit von

Mit dem Hochtemperatur-Kollektorspiegel sind die kurzwelligen EUV-Strahlen effizient zu führen. © Fraunhofer IOF

Christa Schraivogel
IWS
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0,5 mm schneiden. Die ersten Systeme sind bereits in der Industrie im Ein-satz. Damit konnten die Unternehmen die Produktivität gegenüber demherkömmlichen Mehrlagenschnitt um 50 bis 90 Prozent steigen.

Ihre aktuellen Forschungsergebnisse stellen Fraunhofer-Forscher regelmä-ßig in Seminaren vor. So wollen sie den Transfer in die breite Anwendungbeschleunigen. Ende September laden die Institute bereits zum 5. Interna-tionalem Faserlaserworkshop in Dresden ein.

Kurzwelliges Licht für winzige Strukturen

Seit den Anfängen der Halbleiterindustrie werden Chips durch Belichtunghergestellt. Doch um in Zukunft immer kleinere Strukturen und damitauch mehr Transistoren herstellen zu können, ist ein Technologiesprungzu einer neuen Lithographie-Generation nötig. Als ein aussichtsreicherKandidat gilt die Extreme Ultraviolett EUV-Lithographie. Das Prinzip: Lichtmit einer Wellenlänge von 13 Nanometern wird über eine Reflexionsmas-ke auf die Siliziumscheiben geleitet, um dort Nanometer-Strukturen zu er-zeugen. Im Erfolgsfall wird die EUV-Technologie die komplette Halbleiter-fertigung revolutionieren und den Bestand des Moor´schen Gesetzes derVerdopplung der Leistung alle 18 Monate sichern. Forscher des ILT, desLehrstuhls für Lasertechnik, der Firma AIVUX und Philips Extrem UV ent-wickeln solche EUV-Lichtquellen.

Doch die Arbeiten mit EUV erfordern auch neue Werkzeuge und Ferti-gungsverfahren: Die kurzwellige EUV-Strahlung wird von allen Materia-lien, selbst von Luft, absorbiert. Daher muss der gesamte Belichtungspro-zess im Vakuum stattfinden. Außerdem können nicht wie bisher

transparente Masken und Linsen eingesetzt werden. Hier müssen neueSysteme entwickelt werden.

So sind zum Beispiel spezielle Vorrichtungen nötig, welche die Silizium-Wafer und die Belichtungsmaske aufnehmen und auch im Vakuum stabilfesthalten. In der Fachsprache heißen sie Chucks. Für die EUV-Lithogra-phie haben Forscher am Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik undFeinmechanik IOF elektrostatische Chucks entwickelt, die extrem flachsind. Das IOF setzt spezielle Glasmaterialien ein und hat neue Technolo-gien entwickelt, um die Ebenheit der Chucks zu steigern. Bisher wurdenHöhenabweichungen von über 100 Nanometern gemessen; mit demneuen Material sinken sie auf 74 Nanometer.

Besonders effizient lässt sich EUV-Licht über hoch reflektierende Spiegel-optiken führen. Forscher des IOF arbeiten an neuen Kollektorspiegeln fürdie EUV-Lithographie. Ziel ist es, die Langzeitstabilität und die Reflexionzu verbessern. Dazu haben die Forscher die Kollektorsubstrate mit Hoch-temperatur-Gradientensystemen beschichtet. Die Molybdän-Silizium-Schichten sind für eine maximale Reflexion von 13,5 nm und eine Arbeits-temperatur von 400 Grad Celsius optimiert. Anspruchsvoll ist die Her-stellung von hochpräzisen Projektionsoptiken, die EUV-Licht gut reflektie-ren. IWS-Forschern gelangt es, eine Reflexion von über 70 Prozent zu erzielen. Das ist Weltbestwert.

Aber nicht nur neue Laser-Generationen und neue Lichtquellen ermögli-chen neue Fertigungstechnologien. Auch der geschickte Einsatz her-kömmlicher Lasersysteme eröffnet neue Bearbeitungsmöglichkeiten. Solassen sich mit dem Laser winzige Strukturen schnell und kostengünstig

Mit der neuen Laserstrukturieranlage lassen sich hoch-präzise Mikrostrukturen dreidimensional fertigen. © Fraunhofer IPT

Laserstrahlschweißen mit Faserlasern ermöglicht es sogar,transparente Kunststoffe zu verbinden. © Fraunhofer ILT

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aufbringen. Forscher des Fraunhofer-Instituts für ProduktionstechnologieIPT in Aachen haben gemeinsam mit der Freudenberg Anlagen- undWerkzeugtechnik GmbH eine Laserstrukturierungs-Anlage entwickelt. Mitdem Lasermodul ist es zum Beispiel möglich, Entlüftungsstrukturen inAbformwerkzeuge oder tribologische Strukturen auf dreidimensionalenOberflächen verzerrungsfrei abzubilden – und das 80 Prozent schneller alsmit der herkömmlichen Ätztechnik. Weiterer Vorteil: Die Herstellungskos-ten sinken um etwa 70 Prozent.

Kunststoff und Metall sind ein ungleiches Paar – dank eines neuen laser-gestützten Verfahrens finden sie doch zusammen. Kunststoff-Metall-Hy-bridbauteilen lassen sich mit LIFTEC® fertigen. Der Trick: Die Forscher er-

wärmen das metallische Bauteil durch den Kunststoff hindurch mitLaserstrahlung. Die erwärmte Komponente beginnt den Kunststoff leichtzu schmelzen und lässt sich so in das Plastik-Bauteil drücken. Das Metallwird erneut erhitzt und durch weiteren mechanischen Druck in denKunststoff gepresst. So lassen sich die beiden ungleichen Partner mitei-nander verbinden. »Wesentliches Element des Verfahrens ist ein Bauteilmit einer im Vergleich zum Kunststoff-Fügepartner größeren Schmelztem-peratur. Für das temperaturfestere Material können neben Metallen undKeramiken sogar auch temperaturfeste Kunststoffe eingesetzt werden«,erläutert Dr. Arnold Gillner, Abteilungsleiter Mikrotechnik am ILT.

Das generative Fertigungsverfahren Selective Laser Melting (SLM) hat sichzur direkten Herstellung von metallischen Funktionsbauteilen bereits in einigen Branchen der Industrie bewährt. Schicht für Schicht wird Metall-pulver mit einem Laserstrahl selektiv aufgeschmolzen. So entsteht aufGrundlage der 3-D-CAD Daten das Bauteil. Für die Verarbeitung von Titan- und Stahlwerkstoffen liegen bereits umfangreiche Kenntnisse derSLM-Prozessführung und der resultierenden mechanischen Eigenschaftenvor. Die Dentalindustrie setzt das Verfahren ein, um Zahnersatz zu ferti-gen, und im Werkzeugbau wird es zur Produktion von Formeinsätzen mitkonturnahen Kühlkanälen für Spritz- und Druckgußwerkzeuge genutzt.Nun arbeiten Forscher des ILT daran, das SLM-Verfahren auch für Alumi-nium-Legierungen wie AlSi10Mg zu qualifizieren. Das Bundesforschungs-ministerium fördert das Verbundprojekt »Alugenerativ«.

Aluminium-Legierungen sind vor allem in der Automobilindustrie, im Maschinenbau oder in der Flugzeugindustrie im Einsatz. Bislang werdenhier serienidentische Funktionsprototypen, Einzelteile oder Kleinserien aus Aluminium meist mit Druckguss oder konventionellem Prototypinggefertigt. Am Beispiel eines Ventils aus AlSi10Mg haben Forscher des ILTin enger Kooperation mit dem Industriepartner Festo nachgewiesen, dass sich die Bauteile mit SML deutlich schneller fertigen lassen: Um sechs serienidentische Funktionsprototypen herzustellen, braucht man mit dem generativen Verfahren nur sieben Arbeitstage. Zum Vergleich:Beim Druckguss werden 120 und bei konventionellem Prototyping überFräsen, Erodieren und Drehen 30 Arbeitstage benötigt. »Dabei entspre-chen die mechanischen Eigenschaften denen der herkömmlich gefertig-ten Bauteile. Bei einzelnen Eigenschaften übertreffen sie diese sogar. Ein entscheidendes Kriterium für den Einsatz in der Industrie«, erläutertDr. Wilhelm Meiners vom ILT.

Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Angewandte FestkörperphysikIAF in Freiburg arbeiten unter anderem an neuartigen, infrarot-emittieren-den Halbleiter-Scheibenlasern. Das System vereinigt die Vorteile eineshalbleiterbasierten Diodenlasers mit denen eines klassischen Festkörper-lasers: Da der aktive Bereich aus einer Halbleiterheterostruktur besteht,kann die Emissionswellenlänge über einen sehr weiten Bereich »beliebig«variieren. Der externe Resonator ermöglicht eine sehr gute Strahlqualität.Diese neuen Laser wurden bisher mit Emissionswellenlängen zwischen 1,9und 2,8 μm realisiert, noch längerwellige Laser sind in Planung. Die hoheAusgangsleistung (bis zu 5 W ) eröffnet ein breites Anwendungsgebiet,von der Laserchirurgie über die medizinische Diagnostik bis hin zur Fern-detektion von Gasen oder Luft-Turbulenzen. Ganz konkret ermöglichen z.B. Halbleiterlaser, die Licht mit einer Wellenlänge um 2,2 μm abstrahlen,klare Sicht durch menschliches Blut und damit ganz neue Möglichkeitenin der Endoskopie mit Blut gefüllter Gefäße, wie Forscher der FraunhoferInstitute IAF und IMS gemeinsam herausgefunden haben.

Die Beispiele zeigen, dass es Forschern immer wieder gelingt, dem Werk-zeug Licht neue Kunststücke beizubringen. Die Optischen Technologiengehören zu den innovativsten Branchen in Deutschland. Durchschnittlichgut neun Prozent ihres Umsatzes – in Einzelfällen sogar bis zu 25 Prozent– investieren die Firmen in Forschung und Entwicklung. In anderen Indus-triebereichen werden im Schnitt nur drei Prozent für FuE aufgewendet.

Von den vielfältigen Innovationen im Bereich Optische Technologien pro-fitieren auch zahlreiche weitere Industriezweige. »Die optischen Technolo-gien sind eine Schlüssel- und Querschnittstechnologie – eine »EnablingTechnology« für die Zukunftsmärkte des 21. Jahrhunderts«, sagt Prof. Eck-hard Beyer, Vorsitzender des Fraunhofer-Verbunds Oberflächentechnikund Photonik und Leiter des Fraunhofer IWS. Optische Technologien sindin nahezu allen Branchen zu finden – von der Nanotechnologie über dieMedizintechnik bis zur Kommunikations- und Informationstechnik. DieOptischen Technologien sind ein wichtiger Motor für den Wirtschafts-standort Deutschland.

www.fraunhofer.de/audio:online ab 11. Mai 2009

Faserlaser eröffnen neue Möglichkeiten auch bei der Remote-Bearbeitung von Materialien. © Fraunhofer IWS

Christa Schraivogel
IPT
Christa Schraivogel
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- 13KOMMENTARweiter.vorn 2.09

Als Joseph von Fraunhofer die Faszination derangewandten Forschung entdeckte, war es dasLicht, das ihn besonders faszinierte. Das war derBeginn einer Erfolgsgeschichte, die heute alleunsere Lebensbereiche erreicht hat. Sei es in derHalbleitertechnik, den Lebenswissenschaften,der Datenübertragung, der industriellen Produk-tion, der Messtechnik, der Sicherheitstechnikoder der Medizin: Die Idee von Fraunhofer, dieAnwendung von Licht zum Nutzen einer Gesell-schaft, hat nichts von ihrer Strahlkraft verloren.Die Lasertechnik als eines der hervorstechend-sten Beispiele hat ihre Erfolgsgeschichte maß-geblich aus der Zusammenarbeit zwischen muti-gen Unternehmern und anwendungsnaher For-schung entwickeln können.

Jedes zweite Hochleistungsmikroskop in derWelt kommt aus Deutschland, 40 Prozent derSysteme für Lasermaterialbearbeitung und eingroßer Teil aller weltweit hergestellten Compu-terchips werden mit Lithographieoptiken ausDeutschland hergestellt. Doch weit darüber hi-

naus entfaltet das Licht seine innovative Wir-kung. In Branchen, die scheinbar nichts mitLicht zu tun haben, wird es zum Erfolgsfaktor.Wenn Deutschlands Werften erfolgreich Schiffebauen, spielt Lasermess- und Fertigungstechnikeine entscheidende Rolle. Wenn die Pharma-industrie für die Entwicklung eines neuen Medi-kaments eine Millionen Wirkstoffreaktionen un-tersuchen muss, geht ohne Licht gar nichts, undauch die Automobilindustrie kann nur mit La-sern geschweißte Karossen leicht, energiespa-rend und sicher bauen. Licht ist der Inbegriffvon Hightech und buchstäblich zum Maß allerDinge geworden. Die SI-Maßeinheiten definie-ren die Länge eines Meters als Vielfaches eineroptischen Wellenlänge, die Zeit als Vielfacheseiner optischen Anregungsfrequenz und dasGewicht als Vielfaches von Atomgewichten, die sich in einem präzise optisch vermessenenVolumen befinden.

Die Beispiele lassen sich nahezu unendlich fort-setzen. Der Fraunhofer-Verbund »Oberflächen-

technik und Photonik« hat immer eine Schlüs-selrolle bei der Entwicklung neuer Technologiengespielt und genießt das Vertrauen der Indus-trie. Kaum ein bedeutendes Unternehmenkönnte es sich leisten, nicht mit Fraunhofer-In-stituten zusammenzuarbeiten. Wenn 2009 imSchatten der amerikanischen Finanzkrise mitUnwägbarkeiten verknüpft ist, wird das Lichtam Ende des Tunnels die Besinnung auf unsereStärken sein. Die Photonik und die anwen-dungsnahe Forschung gehören dazu.

Auch die SPECTARIS-Mitglieder profitieren alsHightech-Unternehmen Tag für Tag von der Ar-beit der Fraunhofer-Institute. Die Forschung undderen Ergebnisse sind vielfach eine wichtige Vo-raussetzung dafür, dass die Unternehmen deroptischen Technologien ihr beachtliches Innova-tionspotenzial ausschöpfen können. In diesemSinne wünschen wir den Fraunhofer-Institutenund der Fraunhofer-Gesellschaft auch weiterhinden Erfolg, den sie sich in 60 Jahren so hart er-arbeitet hat!

Josef May, Vorstandsvorsitzenderdes SPECTARIS – Deutscher Industrieverband für optische,medizinische und mechatronischeTechnologien e.V. © Wolfgang List

Licht am Ende des Tunnels

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14 - PHOTONIK weiter.vorn 2.09

Autsch – wer einer eingeschalteten Lampe oder einer Glüh-birne zu nahe kommt, kann sich leicht die Finger verbren-nen. Kein Wunder, denn eine herkömmliche Glühbirne wan-delt mehr als 90 Prozent der eingesetzten Energie in Wärmeund lediglich fünf bis zehn Prozent in Licht um. Anders orga-nische Leuchtdioden, kurz OLEDs: Sie setzen fünfmal mehrStrom in Licht um – Wärme entwickeln sie kaum. Sogar,wenn die OLED stundenlang brennt, wird sie nicht heiß undlässt sich problemlos berühren. Die kalte Lichtquelle eröffnetvöllig neue Gestaltungsmöglichkeiten. Forscher des Fraun-hofer-Instituts für Photonische Mikrosysteme IPMS in Dres-den haben nun eine OLED-Leuchte entwickelt, die sichdurch eine Berührung steuern lässt.

Berührungsgesteuerte Leuchten

Einen Ein- und Ausschalter brauchen die neuartigen Lam-pen nicht. »Man berührt einfach nur mit dem Finger dieOLED-Fläche, und schon geht das Licht an«, erläutert JörgAmelung vom IPMS. Eine erneute Berührung und das Lichterlischt. Sogar dimmen lässt sich die Beleuchtung: Hält man den Finger länger auf die Fläche, wird das Licht lang-sam dunkler.

»Normalerweise erfordert die Integration der Touch-Funktionzusätzliche berührungssensible Folien auf dem Bauelement.Unsere Lampe kommt jedoch ohne solche Folien aus. DieOLED selbst detektiert die Berührungssignale«, erläutertAmelung das Funktionsprinzip. Die Forscher machen sich da-bei den Aufbau der OLEDs zunutze: OLEDs bestehen aus ei-ner Metallkathode, einer transparenten Anode und einer da-zwischen eingebetteten organischen Halbleiterschicht. Dietransparente Anode kann auch als Sensorelement dienen. Siemisst Änderungen der elektrischen Kapazität, die zum Bei-spiel durch die Berührung mit Fingern ausgelöst werden. »Sokann jede OLED mit einer Touchfunktion ausgestattet wer-den – und das kostengünstig und ohne die Effizienz derLeuchtdioden zu verringern«, betont Amelung.

Organische Leuchtdioden haben noch weitere Vorteile: Sieliefern ein warmes, gleichmäßiges Licht, lassen sich auf be-liebige Flächen aufbringen und brauchen nur wenig Strom.Experten erwarten daher, dass die neue Beleuchtung in denkommenden Jahren die Glühbirne ablösen wird. Auf derPlastic Electronics 2008 zeigte das IPMS zum ersten Mal dieinteraktive, berührungsgesteuerte flache Leuchte. Bis es aller-dings die OLED-Leuchte mit Touchfunktion zu kaufen gibt,werden noch einige Jahre vergehen.

Die OLED-Leuchte lässt sich einfach über Berührung an- und ausschalten. © Rainer Weisflog

OLED mitTouchfunktionGlühbirne ade - schon bald werden organi-sche Leuchtdioden Licht in Räume bringen.Die neue Beleuchtung lässt sich sogardurch Berührung bedienen.

Text: Birgit Niesing

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Christa Schraivogel
IPMS.
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These 96:

Höre nie auf,quer zu denken.

Sachsen-Anhalt ist spätestens seitLuthers Thesenanschlag 1517 welt-berühmt – für seine klugen Köpfe.

Auf neuen Wegen zum Erfolg kommen, das hat in Sachsen-Anhalt eine lange Tradition. An dieser Erfolgsgeschichte haben nicht nurkluge Köpfe aus Wissenschaft und Lehre mit-geschrieben, auch viele Unternehmerinnen und Unternehmer haben ihr Kapital einge-bracht. Wenn Sie eine neue Idee umsetzen möchten oder einen neuen Standort für IhrUnternehmen suchen:Denken Sie quer. Informieren Sie sich aufwww.investieren-in-sachsen-anhalt.de

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16 - PHOTONIK weiter.vorn 2.09

Ein Motorblock, ein Schneidwerkzeug und die künstliche Brücke für ein Gebisshaben eines gemeinsam: Ihre räumliche Gestalt ist komplex. Und die Geometriemuss fehlerfrei eingehalten werden, damit das Produkt seine Funktion erfüllt.

Text: Hellmuth Nordwig

Mit Licht zur fehlerfreien Produktion

Die Röntgentechnik hat für die zerstö-rungsfreie Materialprüfung einen sehr hohen Stellenwert. © Fraunhofer IIS

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- 17PHOTONIKweiter.vorn 2.09

Kleines Bauteil, große Wirkung: DaumenlangePiezo-Einspritzventile helfen, bei Diesel- undneuerdings auch bei Benzinmotoren bis zu 20Prozent Kraftstoff zu sparen. Das ist nur mög-lich, wenn die Hightech-Düsen in gleichbleiben-der, höchster Qualität gefertigt werden. Um eine Null-Fehler-Quote auch bei kürzesten Takt-zeiten zu erreichen, setzt die Industrie immerhäufiger auf die hochpräzise optische Rundum-Inspektion ihrer Produkte. So auch der Automo-bilzulieferer Siemens Industry Sector, Drive Tech-nologies Division, einer der Industriepartner inder Fraunhofer-Allianz »Vision«, in seinem Werkin Pisa. Alle vier Sekunden verlässt dort ein ferti-ges Piezo-Einspritzventil die Fertigungsstraße.Zuvor ist es auf jeder Herstellungsstufe räumlichvermessen und kontrolliert worden – nur mitHilfe von Licht, also berührungslos, zudem vollautomatisch und genau im Takt der Produktion.

Messen in der dritten Dimension

»Die optische 3-D-Messtechnik ist inzwischentauglich für den industriellen Alltag«, berichtetDr. Norbert Bauer, Koordinator der Allianz »Vision«. In ihr arbeiten Experten aus der Fraun-hofer-Gesellschaft und der Industrie gemeinsaman automatisierten Lösungen für Produktent-wicklung, Produktion und Qualitätskontrolle.Die Vorteile optischer Verfahren liegen auf derHand: Bisher werden Bauteile häufig noch me-chanisch vermessen, also mit Lehren oder Koor-dinatenmessmaschinen. Sogar der Daumen eines erfahrenen Mechanikers muss manchmalherhalten, um winzigste Unregelmäßigkeiten etwa bei Niet- oder Schweißverbindungen auf-zuspüren. Das dauert seine Zeit, und so sind nurStichproben möglich. Optische Sensoren lassensich dagegen direkt in den Produktionsablauf

integrieren. Das erlaubt eine hundertprozentigeQualitätskontrolle ohne Zeitverzögerung.

Solche Sensoren können nach unterschiedlichenphysikalischen Prinzipien funktionieren. Eines da-von kennt jeder, der schon einmal ein Mikroskopbenutzt hat: Dort ist ein Objekt nur in einemganz bestimmten Abstand scharf zu sehen, näm-lich im Bereich der Schärfentiefe der Linse. Wirdein unebener Gegenstand abgerastert, sind nurdie Flächen scharf abgebildet, die genau in die-sem Fokus liegen. Höher oder tiefer gelegeneRegionen müssen »scharf gestellt« werden – umwie viel an jedem Punkt, daraus lässt sich letzt-lich auf die Oberflächenstruktur zurückschließen.»Konfokale Mikroskopie« nennen Fachleute die-ses Verfahren. In der Praxis werden 64 oder 128derartige Messsysteme parallel betrieben, sodass einige Quadratzentimeter in wenigen Se-kunden erfasst werden können. Siemens bringtbei der Kontrolle der Piezo-Einspritzventile dasoptische System mit einer Stimmgabel zumSchwingen und erreicht so einen Takt von 8000Messpunkten pro Kanal und Sekunde. Und dasMessgerät »Infinite Focus« der österreichischenFirma Alicona liefert neben der Höhen- auch dieFarbinformation für jeden Punkt in einer dreidi-mensionalen Abbildung. Das ist wichtig, wennzum Beispiel Schmutz von echten Abweichun-gen unterschieden werden soll. Auch Aliconagehört zu den Industriepartnern der Fraunhofer-Allianz »Vision«.

Ein weiteres Messprinzip hat ebenfalls Einzug inden Industriealltag gehalten: die Streifenprojek-tion. Wie durch eine Lamellenjalousie fallenLichtstreifen auf das Objekt. Ist dessen Oberflä-che nicht eben, erscheinen die Streifen verzerrt.So lässt sich auf die Gestalt der Fläche zurück-schließen. Die räumliche Struktur eines Gegen-stands kann errechnet werden, indem man Bil-der von Stereo-Kameras an verschiedenenStandorten auswertet, die dasselbe Streifenmus-ter aufnehmen. Bisher musste eine solche Mes-sung mühsam durch das Anbringen von Refe-renzmarken geeicht werden. Das ist nun nichtmehr nötig – dank einer Entwicklung des Fraun-hofer-Instituts für Angewandte Optik und Fein-mechanik IOF in Jena: Mit Hilfe einer ortsfestangebrachten Verknüpfungskamera werden»virtuelle Passmarken« für die Rundum-Vermes-sung festgelegt. »Die Messungen sind selbstkali-brierend und damit unempfindlich gegen Um-gebungseinflüsse – so können die optischenVerfahren direkt in den Fertigungsprozess inte-griert werden«, sagt Dr. Gunther Notni vom IOF.

»Kolibri« heißen die Messsysteme des IOF, dieaus mehreren Streifenprojektions-Sensorköpfenund einer Verknüpfungskamera bestehen. Siestehen für industrielle Anwendungen in statio-närer und mobiler Ausführung in einem weitenGrößenbereich zur Verfügung – vom Miniatur-sensor mit einem OLED-Projektor bis zur manns-hohen Messzelle. Komplexe Objekte können inkurzer Zeit rundum erfasst werden. Dank einerVielzahl von Softwaretools ist es möglich, dieErgebnisse direkt in Prozesse der Qualitätssiche-rung und des Rapid Prototyping einfließen zulassen. So kann die 3-D-Form von Guss- oderSchmiedeteilen nicht nur direkt am Bildschirmdargestellt werden – auch die Abweichung vomCAD-Entwurf lässt sich dank einer Farbcodie-rung unmittelbar erkennen. Namhafte Autoher-steller nutzen das bereits, um zum Beispiel dieBrauchbarkeit von Sandformen zu prüfen, diefür den Guss von Motorblöcken verwendet werden. Zulieferer vermessen die Sitze vonPkws oder die Reflektoren von Lautsprechern.Auch ganz andere Anwendungen haben die»kolibri«-Messsysteme bereits gefunden: die be-rührungslose Dokumentation archäologischerFundstücke oder das Scannen von Gesichternzur Personenerkennung.

Die industrielle Computertomographie hat inden vergangenen Jahren den Sprung von denForschungslabors in die Unternehmen ge-schafft. Röntgenstrahlen erfassen die Geometrieeines Werkstücks lückenlos. Das Objekt wird aufeinem Drehtisch aus verschiedenen Winkelndurchleuchtet und die räumliche Gestalt mathe-matisch rekonstruiert. »Auch komplexe innereStrukturen, die von außen nicht zu erkennensind, können damit zerstörungsfrei dargestelltwerden«, sagt Dr. Randolf Hanke vom Fraun-hofer-Entwicklungszentrum Röntgentechnik inFürth. Die Gießener Firma Werth Messtechnikhat inzwischen Computertomographie-Messge-räte für unterschiedliche Anwendungen, vor al-lem in der Produktentwicklung, auf den Marktgebracht. Artefakte wie die Streustrahlung oderdie Strahlaufhärtung können durch den Einsatzeines zweiten Sensors, etwa eines Tasters, auto-matisch korrigiert werden. Dank eines integrier-ten Vollschutzes gegen die Röntgenstrahlen las-sen sich die Geräte auch in industriellenUmgebungen einsetzen – »vorerst offline, dochauch die produktionsbegleitende Online-Mes-sung wird kommen«, ist Randolf Hanke sicher.Besonders für komplexe Bauteile aus Kunststof-fen, Keramik und Leichtmetallen ist die Compu-tertomographie geeignet.

Soll-Ist-Vergleich: Unterschiedliche Farben kennzeichnendie Abweichungen des CT-Datensatzes zu taktil generier-ten Messpunkten. © Fraunhofer IIS

Christa Schraivogel
Allianz
Christa Schraivogel
»Vision«
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18 - PHOTONIK weiter.vorn 2.09

Ein wenig unscheinbar wirkt der Prototyp aufdem Labortisch, inmitten von Kabeln und Elek-trobauteilen aller Art. Man könnte ihn für einenbeliebigen Computermonitor halten: Doch derBildschirm ist weder an einen Computer ange-schlossen, noch zeigt er Dokumente oder Tabel-len. Stattdessen leuchtet ein strahlend hellesLicht, aus dem schmalen, schwarzen Plastikrah-men. Auf den ersten Blick würde man kaum aufden Gedanken kommen, dass mit diesem klei-nen Monitor der Weg für die größten Flachbild-fernseher der Welt geebnet ist.

Beliebig große und extrem flache Fernseher

Genau daran arbeitet Hermann Oppermannvom Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in Berlin zusammenmit dem israelischen Start-up-UnternehmenOree: extrem flache, fast unbegrenzt großeFlüssigkristallbildschirme (LCDs) will er durch ein neues Konzept für die Hintergrundbeleuch-tung ermöglichen. »Bisher ist die Größe vonLCD-Bildschirmen auf 42 Zoll begrenzt«, sagtOppermann. »Das liegt an der Art ihrer Aus-leuchtung.« Denn das Licht, das den Bildschirm

erhellt, wird vom Rand, wo die Lichtquellen sit-zen, nach vorne in den Schirm umgelenkt. Ist ergrößer als dieses Maß, lässt die Lichtintensitätin der Mitte des Fernsehers nach und die Far-ben verblassen.

Hier setzen der promovierte Ingenieur und seineProjektpartner mit einem ganz neuen Konzeptan. Mit kleinen, aber leistungsstarken Leucht-dioden (LEDs) auf der Rückseite des Fernsehersdurchleuchten sie die Flüssigkristalldisplays di-rekt von hinten. Eine nur 800 Mikrometer dün-ne Lichtleitfolie, die von Oree entwickelt wurde,sorgt dafür, dass Licht aus den drei GrundfarbenRot, Grün und Blau gleichmäßig über die ganzeFläche gemischt und verteilt wird. Oppermannhat LEDs aus diesen drei Farben in Modulen zu-sammengefasst und in regelmäßigen Abständenin die Folie eingebettet. Ihre Dünne erlaubt es,dass der Bildschirm weniger als zwei Zentimeterflach werden kann.

»Mit diesem Prinzip können Fernsehmonitorebeliebig groß werden« erklärt Oppermann, der das Projekt am IZM leitet. »Denn wir habenmit unserem Protoypen gezeigt, dass das Sys-tem skalierbar ist.« Der Beweis steht auf der

Laborbank. Bildschirme dieser Art lassen sichnahtlos miteinander kombinieren. Ob der Fern-seher dann am Ende 50 Zoll oder 500 Zoll groß wird, liegt ganz allein an den Wünschendes Kunden.

Oppermann und sein Team haben farbige LEDs von Herstellern aus der ganzen Welt ge-testet, um herauszufinden, welche am bestenfür das neue Konzept geeignet sind. Seit eini-gen Jahren boomt der Markt, weil LEDs vielLicht spenden, wenig Energie verbrauchen undgleichzeitig wesentlich unempfindlicher sind alsandere Lichtquellen. »Bei den LEDs gibt es rasan-te Fortschritte. Ein spannender Teil unserer Ar-beit war, zu sehen, wie die unterschiedlichenLED-Typen aufgebaut sind und die Steigerungihrer Effizienz in unsere Projekte einzubringen«,so Oppermann, der bereits Autoscheinwerfer,Ampeln und viele andere Beleuchtungsformenoptimiert hat.

Die dreifarbigen LED-Module, die er in diesemProjekt einsetzt, erlauben ein breiteres Farbspek-trum als man es normalerweise von LCD-Fernse-hern kennt. Dort wird in der Regel eine Kalt-lichtquelle verwendet, die nur weißes Licht

Unbegrenztes SehvergnügenExtrem flache, fast unbegrenzt große farbechte Flachbildschirme – ein neues Konzept für die Hintergrundbeleuchtung macht sie möglich.

Text: Britta Danger

Christa Schraivogel
IZM
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- 19PHOTONIKweiter.vorn 2.09

spendet. Farben und die Helligkeit des Bildsmüssen allein über die Flüssigkristalle des LCDsreguliert werden. Diese können das Licht zwarpixelweise ausblenden, die Lichtquelle strahltaber zur gleichen Zeit mit unverminderter Kraftweiter. Ganz anders das neue Konzept. »Wirsteuern die Helligkeit und die Farben jeder ein-zelnen LED«, erklärt Oppermann die Besonder-heiten. »Wenn in bestimmten Bereichen desBildschirms für ein Bild kein Rot gebraucht wird,kann die rote LED dort herunterreguliert wer-den. Und wenn das Bild dunkel ist, wird dieHelligkeit gedimmt.« So entsteht beispielsweisedas tiefe Schwarz, das die meisten LCD-Fernse-her vermissen lassen. Gleichzeitig spart derFernseher Strom.

Wärme muss möglichst effizientabgeführt werden

Hermann Oppermann hat sich bei den Diodenfür solche mit einer mittleren Leistung und klei-neren Abmessungen entschieden, obwohl esauch wesentlich leistungsstärkere gibt. Denn woviel Energie freigesetzt wird, entsteht auch vielWärme, und für eine aktive Kühlung ist bei ei-nem so schmalen Bildschirm kein Platz. Dadurch

entstehen besondere Anforderungen an dieBauweise der RGB-Module.

»LEDs sind in ihrer Leistungsfähigkeit durch dieTemperatur begrenzt. Wenn sie nicht gut genuggekühlt werden, lässt die Effizienz nach, sie al-tern schneller und fallen aus«, erläutert der In-genieur. Daher muss die Wärme möglichst ef-fektiv abgeführt werden. Eine schwierige Auf-gabe, denn die Materialien, die die Wärme sehrgut ableiten, sind auch sehr teuer – keine guteVoraussetzung für die Fertigung im großenMaßstab. Günstigere Materialien hingegen ver-formen sich bei hohen Temperaturen und desta-bilisieren den Aufbau des Moduls. »Hier gilt es,einen gesunden Kompromiss aus Kosten undLeistung zu finden«, sagt Opermann. Die For-scher setzen hierbei auf eine Kombination ausKeramik und Metall.

LEDs spenden intensives Licht; sie sind aberauch Strahlungsquellen, die ihre direkte Umge-bung beeinflussen. »Gerade Dioden, die blauesLicht abgeben, haben sehr hohe Lichtintensitä-ten, die beispielsweise die Polymere schädigen«,so Oppermann. Deswegen muss die Wechsel-wirkung der Bauteile untereinander geprüft

werden. Um zu gewährleisten, dass das fertigeProdukt im Alltagsbetrieb zuverlässig funktio-niert, hat Oppermann die LED-Module rigidenBelastungstests unterzogen. In Temperatur-wechselkammern mussten sie Temperaturunter-schieden von fast 200 Grad Celsius standhalten.So hat er sichergestellt, dass sich die Grenzflä-chen zwischen den verschiedenen Bauteilennicht lösen oder verformen können. Wie leis-tungsfähig die LEDs sind, mussten sie in Power-zyklen beweisen. Bei erhöhter Umgebungstem-peratur wurde jede einzelne LED tausende Malean und ausgeschaltet. Kein noch so kleines De-tail wurde ausgelassen: beispielsweise der kleinePlastiktropfen, der die LED schützt. Der dünneKunststofffilm wurde separat mit UV-Licht be-strahlt, um sicherzugehen, dass er nicht vergilbt.»Durch den gelben Ton würde er immer mehrUV-Licht absorbieren und irgendwann gar keinLicht mehr durchlassen«, sagt Oppermann.

Nach aufwendigen Simulationen und Tests hatdie Kombination aus LED-Modulen und Licht-leitfolie die Prüfung bestanden. Vom kleinenPrototypen bis zum farbenfrohen, extrem fla-chen und beliebig großen LCD-Fernseher derZukunft ist es nur noch ein kleiner Schritt.

Dünne Lichtleitfolie mit integrierter LED.© Gil Benesh Ravivs

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Spin-offs

Herzoperationenvereinfachen»Wie ein U-Boot soll unser Endoskop ähnlich einem Katheterbei der Operation ins schlagende Herz eines Patienten fah-ren«, berichtet Dr. Ingo Krisch, Geschäftsführer der Angio-cam IVS GmbH in Duisburg. Ganz vorne in dem millimeter-dünnem Schlauch sitzen eine eingebaute Kamera und eineLampe. Dieser spezielle Herzkatheter ermöglicht es dem Chirurgen, eine aktive Herzklappe zu sehen, an der er geradeoperiert. An den Fraunhofer-Instituten für MikroelektronischeSchaltungen und Systeme IMS in Duisburg und für Ange-wandte Festkörperphysik IAF in Freiburg haben Krisch undseine Mitarbeiter ein Kamerasystem entwickelt, das im Tier-versuch funktioniert. Die Ausgründung Angiocam wird dasGerät in den nächsten drei Jahren für den Einsatz am Men-schen weiterentwickeln und dann vertreiben.

»Eine Herzoperation ist ein erheblicher Aufwand«, erklärtKrisch. »Die Ärzte schließen den Patienten an eine Herz-Lun-gen-Maschine an, legen sein Herz still und pumpen es leer.«Damit die Mediziner minimal-invasiv operieren können, müs-sen sie aber auch im blutgefüllten Herzen sehen, was sietun. Mit dem neuen Katheter von Angiocam sollen Eingriffewie der Ersatz einer Herzklappe unkomplizierter werden: DerChirurg könnte dann am schlagenden Herzen operieren.»Über die Leistenvene führt der Arzt unser Gerät ein, überdie Schultervene die neue Herzklappe und die Operations-instrumente«, erläutert Krisch. IVS steht für »Infrared VisionSystem«; denn die Bildgebungssysteme arbeiten mit infraro-tem Licht. Sichtbares Licht hingegen wird vom roten Blut-farbstoff Hämoglobin absorbiert und an den roten Blutkör-perchen gestreut. Daher durchdringt es Blut nicht.

Potentielle Kunden seien Kliniken mit Abteilungen für Herz-chirurgie. »Später wollen wir uns auch anderen Medizinspar-ten zuwenden, wie der Angiologie und der Phlebologie«,sagt Krisch. Angiocam wurde im September 2008 ausge-gründet. 2007 hat das Team den Businessplan-WettbewerbMedizinwirtschaft der Startbahn Ruhr gewonnen, bei demzweimal jährlich die besten Gründerteams ausgezeichnetwerden. Die junge Firma ist zunächst weiterhin am Fraunhofer-Institut beheimatet.

Geschäftsführung: Dr. Ingo Krischwww.angiocam.de

Lebendige Werbung mit PfiffFußballspielen bei Madame Tussaud? In Berlins weltberühm-tem Wachsfigurenkabinett können Besucher einen virtuel-len Ball vom Elfmeterpunkt aus im virtuellen Tor versenken.Eine Doppelprojektion von Tor und Ball auf Wand und Bo-den sorgt mit schneller Reaktion und 3-D-animiertem Tor-wart für echtes Fußballfieber. Möglich macht das Vergnügendie Technologie Living Surface. Sie stammt von der FirmaVertigo-Systems aus Köln. »Unsere interaktiven Erlebnisseentstehen durch Projektion auf eine beliebige Fläche. Daskann ein Tisch, eine Wand oder der Boden sein«, erläutertVertigo-Systems-Geschäftsführer Uli Lechner. Eine kleine Be-obachtungskamera erkennt den Schatten der Personen aufder Spielfläche. So entstehen »living surfaces« – interaktiveFlächen mit lebendigen Inhalten zum Anfassen, Mitmachenund Spielen. Das Unternehmen realisiert nach Kundenwün-schen neben Fußballtoren etwa interaktive Fische, flüsterndeBlumen oder magische Fußspuren. Die lebendigen Spielfeldergibt es zu mieten und zu kaufen, für private oder gewerbli-che Zwecke. Die »digitalen Lebewesen« schwimmen, hüpfenoder fliegen und reagieren dabei stets auf die Bewegungender Personen.

Uli Lechner hat das Spin-off zusammen mit Frank Hasenbrinkvor zehn Jahren aus der Abteilung Virtual Environments desFraunhofer-Instituts für Medienkommunikation IMK in SanktAugustin bei Bonn ausgegründet. Zunächst stand die Ent-wicklung interaktiver Erlebniswelten für Virtual-Reality-Dis-playsysteme wie CAVE und iCone im Mittelpunkt. Doch baldverlagerten die Gründer den Schwerpunkt hin zu Living Sur-face. Das Unternehmen wollte nicht länger Dienstleister fürein teures Einzelevent sein, sondern Standardlösungen fürhöhere Stückzahlen liefern. Anfangs entwickelten die VR-Experten die technische Basis für Living Surface und küm-merten sich um die Vertriebs- und Marketingstrukturen. An-schließend wurde die ursprüngliche Softwareumgebung umetwa das Infrarotkamera Tracking und den Import von Kun-dengraphiken erweitert. Derzeit exportieren Vertriebspartnerdie Technologie in 35 Länder. Heute nutzt ein internationalerKundenstamm die interaktiven Werbemöglichkeiten des Köl-ner Unternehmens – zum Beispiel Coca Cola, Toyota oderParamount Pictures.

Geschäftsführung: Uli Lechnerwww.vertigo-systems.de

20 - GRÜNDERWELT weiter.vorn 2.09

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Christa Schraivogel
www.vertigo-systems.de
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Autoscheinwerfer, Raumbeleuchtungen, Ver-kehrsampeln, Werbeflächen, Projektoren oderhintergrundbeleuchtete Displays – LED-Leuchtenhaben in den vergangenen Jahren die Welt er-obert. Marktbeobachter erwarten zweistelligeWachstumsraten in den nächsten Jahren. DerZwang zu energiesparender Beleuchtung wirdden Boom der Licht emittierenden Halbleiternoch weiter verstärken. »Das Energiesparen hat wesentlichen Einfluss auf die Weiterent-wicklung leistungsstarker Leuchtdioden«, bringtes Rüdiger Müller, Vorsitzender der Geschäfts-führung bei OSRAM Opto Semiconductors, auf den Punkt. Das Unternehmen gehört zu den weltweit führenden Herstellern von hoch-leistungsfähigen Leuchtdioden, die Licht ausoptoelektronischen Halbleitern erzeugen.

Die zu Siemens gehörende OSRAM-Tochter beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit optischen Halbleiterchips. Das Unternehmen

ist international aufgestellt und weltweit Num-mer zwei im harten Wettbewerb der Hightech-Champions aus USA und Asien. Neben den leistungsstarken LEDs – die Abkürzung steht für Light Emitting Diodes – produziert die Halb-leiterschmiede auch Laserkomponenten, Infra-rot-Dioden (IREDs), Detektoren und organischeLEDs (OLEDs). Die Bandbreite der LED-Lichtquel-len reicht von Kleinstbauteilen zum Hinterleuch-ten diverser Displays bis hin sehr zu hellenLeuchtquellen für Straßenbeleuchtung und Autoscheinwerfer.

Hohe Effizienz senkt den Energieverbrauch

Mittlerweile gelten Leuchtdioden als Zukunfts-technologie. Das war nicht immer so: In denGründungsjahren wusste niemand, ob sich mithauchdünnen Kristallschichten-Verbindungs-halbleitern wie Indium-Gallium-Aluminium-

Mit Optochips, Leuchtdioden undHalbleiterlasern ist die Regens-burger OSRAM Opto Semiconductorsgroß geworden. Bei der Entwick-lung neuer Technologien arbeitetdas Unternehmen seit langem mitFraunhofer-Instituten zusammen.So wurden auch die Grundlagen füreine neue Generation von Hoch-leistungsdioden gemeinsam mitFraunhofer gelegt.

Text: Andreas Beuthner

LED-Pionier mit klarem Ziel

Als längster Tunnel Europas strahlt der Thüringer Schmücketunnel auf der A71 im LED-Licht. © OSRAM

LED-Know-how und individuelle Experimente versprichtdas LED-Engineering-Kit. © OSRAM

22 - FIRMENPORTRAIT weiter.vorn 2.09

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- 23FIRMENPORTRAITweiter.vorn 2.09

Phosphid (InGaAlP) oder Gallium-Aluminium-Ar-senid (GaAlAs) marktfähige Lichtquellen mitausreichend großer Lichtausbeute zu konkur-renzfähigen Preisen herstellen lassen. Dochdann steigerten die OSRAM-Entwickler von Jahrzu Jahr die Leuchtfähigkeit der Bauelemente,setzten neue Standards in der Verwendung vonDünnfilm-Techniken und in der Serienfertigungvon kompakten Hochleistungslichtquellen. »Wirproduzieren bereits LEDs mit einer Lichtausbeu-te von 100 Lumen pro Watt, unser Laborrekordliegt bei mehr als 136 Lumen pro Watt«, sagtnicht ohne Stolz Berit Wessler, Leiterin Innovati-onsmanagement bei OSRAM Opto Semicon-ductors in Regensburg. Zum Vergleich: Eine 40-Watt-Glühbirne erreicht eine Effizienz je Wattvon gerade einmal 15 Lumen.

Die Lichtausbeute optischer Chips ist einer derKnackpunkte bei den Entwicklungsaktivitätender OSRAM-Ingenieure. Rund 15 Prozent desJahresumsatzes fließen in die Forschung undEntwicklung. Nicht ohne Grund fällt das Ent-wicklungsbudget so üppig aus: Um Chips zumLeuchten zu bringen, sind viel Prozesswissenund Engineering-Know-how notwendig. Aber

auch grundlegende Fragen der Optik bis zumBündeln und Ausrichten der Lichtstrahlen spie-len bei der Optimierung von LED-Chips einegroße Rolle: »Die Optik ist eine der Schlüssel-technologien, um effiziente LED-Lösungen zuerreichen«, sagt Wessler, »wir haben in Fraun-hofer-Wissenschaftlern sehr zuverlässige Partnerfür innovative Optiklösungen gefunden.«

Seit vielen Jahren begleiten Fraunhofer-Expertenden Weg der LED-Pioniere. Als die Kenntnisseüber Materialien und Herstellungsverfahrennoch in den Kinderschuhen steckten, suchtenOSRAM-Entwickler den regelmäßigen Erfah-rungsaustausch mit dem Fraunhofer-Institut fürAngewandte Festkörperphysik IAF. Gemeinsamsuchten die Forscher nach Verfahrenstechnikenfür die Produktion von Halbleiterlasern aus derGruppe der Verbindungshalbleiter.

Bei der LED-Produktion dreht sich alles darum,das bestehende Optimierungspotenzial auszu-schöpfen und prototypische Labor-LEDs zu seri-enreifen Produkte zu führen. Das Ziel war: Dieeigenen Kernkompetenzen mit anderen Kompe-tenzen zu bündeln, um über ein gemeinsames

Projektmanagement die vorantreibenden Kräftezu mobilisieren.

Großes Potenzial für die schnelleUmsetzung von Wissen in Produkte

Die Kooperation wurde zur Erfolgsgeschichte:OSRAM-Entwickler und Optikexperten desFraunhofer-Instituts für Angewandte Optik undFeinmechanik IOF in Jena haben gemeinsam dieGrundlagen zur Herstellung einer neuen Gene-ration von Hochleistungsleuchtdioden geschaf-fen und wurden dafür im Dezember 2007 mitdem Deutschen Zukunftspreis ausgezeichnet.

Entwicklungsergebnisse schnell in vorzeigbareProdukte umzusetzen – das ist für die Halblei-terspezialisten aus Regensburg der Schlüsselzum Erfolg. »Wir wollen unsere Position alsTrendsetter im Bereich Allgemeinbeleuchtungweiter ausbauen und die Ablösung herkömmli-cher Lichtquellen mit dem entsprechenden Bei-trag zur Energieeinsparung vorantreiben«, be-tont Müller. Das nächste Etappenziel ist dieSerienfertigung von LEDs mit einer Leistungsfä-higkeit von 150 Lumen pro Watt. Außerdem ar-beiten die Forscher an der Hintergrundbeleuch-tung für große Flachbildschirme.

Im Zeitalter des globalen Wettbewerbs stehenauch die Forscher bei OSRAM Opto Semicon-ductors unter Druck. Sorge, dass die Konkurrenzden Regensburgern den Wind aus den Segelnnimmt, hat Firmenchef Müller keine: »UnsereMitarbeiter forschen mit Leidenschaft an derEntwicklung neuer Lichtlösungen.«

OSRAM Opto Semiconductors GmbHLeibnizstraße 493055 RegensburgTelefon +49 (0) 941 850 1700Fax +49 (0) 941 850 3305www.osram-os.com

Gründung: 1999Mitarbeiter: 4600 weltweitUmsatz: 529 Mio Euro (30.09.2008)

Branche: Hersteller opto-elektronischer Halb-leiterkompomenten wie LEDs, IR-Komponen-ten, Halbleiterlaser. Produkte und Systemlö-sungen für Beleuchtung, Visualisierung undSensorik

Das Levi-Ski-Resort in Kittilä realisiert als erste Kommunein Finnland eine Straßenbeleuchtung mit LED. © OSRAM

Christa Schraivogel
www.osram-os.com
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Schon seit mehr als 100 Jahren versuchen Medizintechniker,Zähne zu ersetzen. Seit knapp dreißig Jahren sind sie dabeierfolgreich. Das größte Problem war bisher die Stelle, an derdas Implantat in den Knochen einwächst. Erst seit der untereTeil aus Titan gefertigt und per Schraubengewinde im Kno-chen verankert wird, sitzen die Ersatzzähne dauerhaft fest.Ein Implantat besteht aus drei Teilen. Der untere Teil wird imKieferknochen verankert, der mittlere Bereich tritt durch dieMundschleimhaut, den Abschluss bildet der oben sichtbareZahn. Heute ist nicht mehr das Anwachsen des Zahnersatzesim Kieferknochen die Schwachstelle, sondern der Kontaktdes Implantats mit der Mundschleimhaut. »Hier sammelt sich Plaque an, Bakterien dringen besonders leicht ein, Peri-implantitis – eine Entzündung der Implantatumgebung – istdie Folge«, sagt Dr. Thomas Jung, Gruppenleiter am Fraun-hofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST inBraunschweig. Eine Studie der Universität Genf bestätigt diese Aussage. Demnach ist jeder vierte Ersatzzahn selbst bei ausreichender Pflege von Periimplantitis bedroht.

Diese Gefahr ist bei PerioType X-Pert deutlich reduziert. DasImplantat wurde vom Medizintechnikhersteller Clinical Housezusammen mit Fraunhofer-Forschern entwickelt. Ziel der Zu-sammenarbeit war es, durch das Design und die Oberflächedie Patienten nachhaltig vor Periimplantitis zu schützen. Zu-nächst ging es darum, eine besonders weiße Beschichtungfür die Implantatoberfläche zu realisieren, erinnert sich Jung.»Zuerst haben wir den Titankern mit Zirkoniumoxid beschich-tet. Doch diese Art der Beschichtung ist aufwändig und teu-er«, sagt Jung. Im Laufe der Zusammenarbeit entstand dieIdee, das weiße Zirkoniumoxid durch Zirkoniumnitrid zu er-setzen. Die nur wenige Mikrometer dicke Schicht wirkt leichtgolden und lässt sich nur erkennen, wenn Parodontose dasZahnfleisch schwinden lässt. Zirkoniumnitrid hat sich als aus-gezeichneter Werkstoff für den Kontaktbereich der Implanta-te zur Mundschleimhaut erwiesen. Das neue Material ist um600 Prozent härter als bisherige Systeme.

Das wissenschaftliche Urteil lautete: »Hochsignifikant bessereBiokompatibilität.« Die spezielle Oberfläche des Ersatzzahnszeigt eine sehr geringe Plaqueanlagerung und wird aufgrundihrer Härte auch bei intensivster Mundhygiene nicht beschä-

Immer mehr Patienten entscheiden sich fürZahnimplantate. Erstmals bietet jetzt eineVersicherung für PerioType X-Pert 10 JahreGarantie auf den Ersatzzahn.

Text: Isolde Rötzer

Implantate mit Garantie

An der Kontaktstelle des Implantats mitder Mundschleimhaut lagern sich bei PerioType X-Pert dank der neuen Beschich-tung wesentlich weniger Plaquebeläge an.© Clinical House Dental

Fest verschraubt sitzt das Implantat im Kiefer-knochen. © Clinical House Dental

digt. Der glatte Werkstoff fördert die enge Anlage von ge-sundem Schleimhautgewebe – und damit eine dauerhafteAbdichtung zwischen Mundhöhle und Kieferknochen. Bei ei-ner Untersuchung kamen Wissenschaftler des Universitätskli-nikums Düsseldorf, die das neue Implantat unter der Leitungvon Prof. Dr. Jürgen Becker, Direktor der Poliklinik für Zahn-ärztliche Chirurgie und Aufnahme, begutachteten, zu demErgebnis: »Die vorliegenden Befunde deuten darauf hin, dassmit der Zirkonnitridoberfläche eine Oberfläche zur Verfügungsteht, die neue Konzepte der Periointegratration oraler Im-plantate eröffnen könnte.«

Zahnersatz mit kostenfreiem Schutzbrief

Das Gutachten bewog die Gothaer-Versicherung dazu, Perio-Type X-Pert mit einem Implantatschutzbrief auszustatten, dereine Zehn-Jahre-Vollkaskoversicherung auf Ersatz und Be-handlungskosten gewährleistet. Der kostenfreie Schutzbriefist im Preis des Zahnersatzes inbegriffen. Die Gothaer-/AMG-Versicherung in Köln und die Stiftung Mensch und Medizinsichern den Brief ab. »Zahnimplantate ohne Schutzbrief mussheute kein Patient mehr hinnehmen«, sagt Dirk-Rolf Giesel-mann von der Clinical House Europe GmbH.

24 - FRAUNHOFER INSIDE weiter.vorn 2.09

Christa Schraivogel
IST
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- 25PHOTONIKweiter.vorn 2.09

Laserlicht erzeugt die schönsten Bilder: kontrast-reich und farblich brillant. Kleine rote undblaue Laser gibt es bereits auf dem Markt, nurgrün strahlende Laser konnten bisher nicht mi-niaturisiert werden. Um dieses Problem zu lö-sen, bedienten sich Tolga Tekin, Projektleiter amFraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mi-krointegration IZM in Berlin und seine Projekt-partner eines Tricks. »Anstatt grünes Licht direktzu erzeugen, haben wir unsichtbares Infrarot-Laserlicht durch einen optisch nichtlinearen Kris-tall geschickt«, erklärt Tekin. »Er verdoppelt dieFrequenz des Lichtes und verwandelt es in sicht-bares grünes Licht.« Der Laserchip vom Ferdi-nand-Braun-Institut für Höchstfrequenztechnikberuht auf Halbleiterelementen und ist elek-trisch direkt modulierbar. Zusätzliche Bauteile

werden nicht benötigt. Die Herausforderung lagnun darin, Laserstrahl und Kristallwellenleitergenau aufeinander auszurichten. Nicht einfach,denn der Lichtkanal im Kristall beträgt nur denBruchteil des Durchmessers von einem Haar.

»Auf solche Herausforderungen sind wir hier, imBereich der optischen Aufbau- und Verbin-dungstechnik, bestens vorbereitet«, sagt Hen-ning Schröder, der Initiator des Projektes. »Wirregulieren die Feinabstimmung zwischen Laserund Kristall über die Temperatur«, ergänzt Se-bastian Marx vom IZM. Er hat mit großem Fein-gefühl die einzelnen Teile so zusammengesetzt,dass sie auf einen Daumennagel passen. Ist eszu warm oder zu kalt, ändern sich die Dimen-sionen des Kristalls und die Projektion verliert

an Intensität. Als besondere Schwierigkeitkommt hinzu, dass der Laser selbst eine Wär-mequelle ist. Er emittiert die falsche Wellenlän-ge, wenn er nicht richtig ausbalanciert ist. DieLösung: Mit aktiven Elementen aus Silizium las-sen sich Laser und Kristall je nach Bedarf kühlenoder erwärmen und so Temperaturdifferenzenvon bis zu zwanzig Grad ausgleichen. Ein wei-terer Vorteil: Durch die Herstellungsprozesse variiert die Wellenlänge der Laser leicht vonCharge zu Charge. Über die Temperatur kön-nen solche Schwankungen ausgeglichen unddie für die kommerzielle Herstellung nötigeStandardisierung erreicht werden.

Die Weichen sind gestellt: Der mobilen Kom-munikation folgt die mobile Projektion.

Den Lieblingsfilm oder die Business-Präsentation bei Bedarf einfach an die Wand projizieren - neue Mikroprojektoren sollen es möglich machen.

Text: Britta Danger

Grünes Licht

Brillante Bilder – unübertroffen einfach und schnellSo leicht war Mikroskopieren noch nie – die neuen Leica DM4000 – DM6000 StativeSichern Sie Sich Ihren Vorsprung bei wissenschaftlichen Ergebnissen mit einem Leica DigitalMikroskop derneuen Generation! Überzeugen Sie sich selbst von der intuitiven Bedienung der Leica DigitalMikroskope!

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Christa Schraivogel
IZM
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26 - INTERNATIONAL weiter.vorn 2.09

Kooperationmit MichiganIm US-Bundesstaat Michiganschlägt das Herz der amerikani-schen Automobilindustrie: In De-troit sind mehrere große Autoher-steller beheimatet. Doch diewachsende Energieknappheit for-dert Lösungen für den Transportder Zukunft. Nach diesen suchenForscher von Fraunhofer und derUniversität von Michigan jetzt ge-meinsam: Sie haben das Programm»Alternative Energy Technologiesfor Transportation« ins Leben geru-fen – es soll die Entwicklung alter-nativer und nachhaltiger Energie-techniken für den Transportvorantreiben.

Mehrere Teams, bestehend ausWissenschaftlern und Ingenieurenvon Fraunhofer und der Universitätvon Michigan, werden mit einemBudget von insgesamt 2,2 Millio-nen US-Dollar Transporttechnikender Zukunft erforschen. Das Spek-trum reicht von Brennstoffzellenund Batterien, beispielsweise fürHybridautos, über effizientere So-larzellen und Windkraftanlagen bishin zu neuen Prozessen, um Abga-se zu reinigen, Verbrennungen zuoptimieren oder den Kohlendioxid-ausstoß zu senken. Gefördert wer-den nicht nur neue Energietechni-ken an sich, sondern auch Ferti-gungsverfahren, welche die Pro-duktionskosten senken.

Kanzler-stipendiumDie weiten Wälder Russlands sindweltberühmt. Traditionell sind dieGewinnung und Verarbeitung von Holz in Russland wichtigeWirtschaftszweige. Doch bei derNutzung und Verarbeitung desRohstoffs gibt es noch vieles, dasverbessert werden kann. Die Wis-senschaftlerin Tatyana Rukavitsynaaus Moskau arbeitet derzeit amFraunhofer-Institut für Holzfor-schung Wilhelm-Klauditz-InstitutWKI in Braunschweig an innovati-ven Konzepten für die Qualitäts-prüfung. Als Bundeskanzler-Sti-pendiatin hat die Wissenschaft-lerin die Möglichkeit, ein Jahr inDeutschland zu forschen. Dass siefür ihren Aufenthalt das WKI wähl-te, ist kein Zufall: Das Institut hatenge Kontakte nach Russland undzertifiziert auch russische Holzpro-dukte, die in die EU eingeführtwerden. Vom Aufenthalt der jun-gen Russin werden auch die deut-schen Forscher profitieren, dennRukavitsyna vergleicht derzeit deut-sche und russische Verordnungen,die die Nutzung von nachwach-senden Rohstoffen bei Holzwerk-stoffen regeln.

Flughafen-SicherheitDer Flugverkehr nimmt stetig zu.Auf den Flughäfen der EU wurdenim Jahr 2007 insgesamt 793 Millio-nen Passagiere abgefertigt – 7,3Prozent mehr als im Vorjahr. Damitsteigt auch das Treiben hinter denKulissen: Auf dem Flugvorfeld müs-sen Flugzeuge be- und entladen,betankt und gesäubert werden. Si-cherheitsleute überwachen das Ge-lände auf dem Bildschirm, um Un-befugte oder drohende Unfällerechtzeitig zu erkennen. Forscherentwickeln jetzt eine Software-plattform, welche den Sicherheits-leuten künftig hilft, auf EuropasFlughäfen den Überblick zu be-wahren.

Im EU-Projekt LocON erarbeiten die Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Integrierte SchaltungenIIS in Erlangen gemeinsam mit eu-ropäischen Partnern die neue Platt-form. Sie kann Mitarbeiter undFahrzeuge exakt lokalisieren: DieInformationen hierfür können überFunk-Tags oder das Globale Positio-ning System GPS ermittelt werden.Alle Daten laufen zentral auf derPlattform zusammen. Das Sicher-heitspersonal kann auf einem gro-ßen Bildschirm das gesamte Flug-feld und das Flughafengebäudeüberblicken und Gefahren soforterkennen.

Das neue System soll im nächstenJahr auf dem Flughafen von Faro inPortugal installiert werden.

Fabrik-Know-how Egal, ob Gameboys oder Handys,mp3-Player oder HiFi-Anlagen, An-züge, T-Shirts, Sonnenbrillen oderLederschuhe – in Südostasien wer-den sie in riesigen Stückzahlen pro-duziert. Die Fabriken beschäftigennoch immer Millionen Menschen,doch der Trend geht auch hier inRichtung Automatisierung. Know-how für die Fabrikplanung, Ferti-gungstechnik, Prozessoptimierung,Qualitätsprüfung und Logistik istgefragt.

Forscher vom Fraunhofer-Institutfür Fabrikbetrieb und -automatisie-rung IFF in Magdeburg unterstüt-zen schon seit zehn Jahren kleineund mittelständische Unternehmenin Südostasien. Jetzt eröffnet dasInstitut in der thailändischen Me-tropole Bangkok ein Projektbüro.Partner sind namhafte Organisatio-nen und Einrichtungen wie die Fe-deration of Thai Industries, die Asi-an Society for EnvironmentalProtection oder das Ministry of Sci-ence and Technology. Das Büro ko-ordiniert Industrie- beziehungswei-se Transferprojekte und knüpftneue Kontakte.

Christa Schraivogel
WKI
Christa Schraivogel
IIS
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IFF
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Chromfreier RostschutzAnsprechpartner: Dr. Johanna Kron, [email protected]

Rostflecken am Auto sind gefürchtet: Na-nomaterialien sollen künftig die Karosse-rie davor schützen. Die Werkstoffe wer-den direkt auf die Bleche aufgebracht –unter dem Autolack. Da die Schichtendünner als ein tausendstel Millimetersind, lassen sich die beschichteten Blecheweiterhin formen und biegen. Erste Be-lastungstests verliefen zufriedenstellend:Sowohl bei 100 Prozent relativer Luft-feuchtigkeit als auch bei 35 Grad Celsiusim Salznebel waren die Bleche gut ge-schützt. In etwa fünf Jahren könnte dasneue Material auf den Markt kommen.An den Nanomaterialien arbeiten For-scher der Fraunhofer-Institute für Silicat-

forschung ISC in Würzburg, für Werk-zeugmaschinen und Umformtechnik IWUin Chemnitz sowie für KorrosionsschutzDresden. Lange Zeit waren Chrom(VI)-Schichten als Korrosionsschutz Standard.Jedoch sind diese Verbindungen giftigund krebserregend und daher seit Mitte2007 verboten. Die bisherigen Alternati-ven bieten jedoch nicht den gleichenSchutz und lassen sich nicht auf allen Metalloberflächen einsetzen.

Künstliche Haut Ansprechpartner: Prof. Dr. Heike Mertsching,[email protected]

Die Transplantation von Haut ist oft langwie-rig. Um Patienten besser behandeln zu können,züchten Mediziner künstliche Gewebe. Das soll demnächst sogar vollautomatisch möglichsein: Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart arbeiten an einem entsprechen-den Apparat.

Der Ablauf: Ein Greiferarm transportiert einemenschliche Gewebeprobe in die Anlage. DerAutomat schneidet die Probe klein, trennt dieunterschiedlichen Zelltypen voneinander undregt sie zum Wachsen an. Anschließend mischter die Hautzellen mit Kollagen, einem Protein,das dem Hautgewebe seine Struktur verleiht.Mit Hilfe einer dreidimensionalen Gelmatrix entsteht so menschliche Haut mit all ihren un-terschiedlichen Schichten. Die Anlage funktio-niert nach dem Baukastenprinzip: Die Forscherkönnen einzelne Module austauschen, um spä-ter auch andere Gewebetypen wie Darmgewe-be herzustellen. An dem Projekt beteiligt sindauch die Fraunhofer-Institute für Produktions-technologie IPT in Aachen, Produktionstechnikund Automatisierung IPA in Stuttgart sowie Zelltherapie und Immunologie IZI in Leipzig.

Ob Laserdrucker – wie oft befürchtet – die Luftmit Tonerpartikeln belasten, untersuchen For-scher des Fraunhofer-Instituts für HolzforschungWilhelm-Klauditz-Institut WKI in Braunschweig.Gemeinsam mit Kollegen der Queensland Uni-versity of Technology QUT in Brisbane, Austra-lien, kommen die Wissenschaftler zu dem er-staunlichen Ergebnis: Laserdrucker geben nahe-zu keine Tonerpartikel ab. Einige Geräte emittie-ren jedoch Ultrafeinpartikel. Durch die hohenTemperaturen im Geräteinneren verdampfenflüchtige organische Stoffe, die sich zu Nano-teilchen zusammenlagern. Diese Ultrafeinpar-

tikel werden sogar beim Drucken ohne Tonerund Papier abgegeben. Ähnliche Prozesse derPartikelbildung lassen sich bei typischen Haus-haltsaktivitäten wie Braten, Kochen und Backenbeobachten. Durch den Einsatz von Filtern kön-nen die Emissionen nur bedingt reduziert wer-den, da die Partikel in der Regel ungerichtet aus den Druckern austreten.

Feinstaub aus dem Drucker?Ansprechpartner: Dr. Michael Wensing, [email protected]

Forscher untersuchen, welche Ultrafeinpartikel Drucker andie Raumluft abgeben. © Fraunhofer WKI

Künftig sollen Nanomaterialien Karosserien vor Rost schützen. © Caro Fotoagentur/Rupert Oberhaeuser

28 - KOMPAKT weiter.vorn 2.09

Christa Schraivogel
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30 - MIKROELEKTRONIK weiter.vorn 2.09

Multifunktionale MEMS überwachen heute das Auslösen derAirbags, die Stabilität von Flugzeugen, die Umgebungsbedin-gungen oder die Frequenz von Sende- und Empfangsanla-gen. Doch die integrierte Elektronik entwickelt sich rasant.Die Experten verfolgen zwei verschiedenen Wege: Beim ers-ten werden alle Funktionen in einer Siliziumtechnologie, alsoin einem Chip, vereinigt. Beim zweiten werden verschiedeneTechnologien auf einem Chip oder Träger zusammengefasst.Dazu wird zunächst jedes Bauteil im normalen Herstellungs-prozess gefertigt, anschließend fügt man die einzelnen Kom-

ponenten durch geeignete Aufbau- und Verbindungstechni-ken auf den Trägerchip oder dem -substrat zusammen. Eswerden zum Beispiel Prozessor (CMOS), Speicher und MEMSdabei gemeinsam – teilweise übereinander – auf einem Trä-gerchip oder einem Trägersubstrat aufgebracht und mittelsgeeigneten Prozessen elektrisch verbunden. Der erste Wegist teurer, dafür sind die Teile sehr klein, der zweite Weg bietet mehr Funktionalitäten und ist billiger, aber die Kom-ponenten können etwas größer sein. Hier lassen sich etwamechanische, thermische, akustische, chemische, optische

Chips und Bauteile werden immer kleiner und vor allem multifunktional. In einem neuen Entwicklungszentrum in München wollen Forscher Standardwafer um zahlreiche Funktionalitäten erweitern.

Text: Isolde Rötzer

MOTT - Chips undBauteile der Zukunft

DIE NIKON GMBH, MIKROSKOPE/OPTISCHE MESSTECHNIK

GRATULIERT

DER FRAUNHOFER GESELLSCHAFT

HERZLICH ZUM JUBILÄUM!

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und biomedizinische Funktionen verwirklichen, wie es zumBeispiel miniaturisierte Biosensorsysteme zur Überwachungvon menschlichen Vitaldaten oder des Zustandes komplexer Maschinen erfordern.

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mi-krointegration IZM in München wollen jetzt zusammen mitWissenschaftlern der Universität der Bundeswehr die beidenRichtungen zusammenbringen. »Kombiniert man beide We-ge, entsteht ein generischer modularer Systemansatz, derMOTT-(Multi-Funktionale On-Top Technologien) Lösungsan-satz für Erweiterungstechnologien für Standard-Silizium. DerVorteil: Er erlaubt sogar die Entwicklung eines Systems aufder Basis von Standard-MEMS Wafern«, erklärt Prof. Karl-heinz Bock vom IZM. Die Wissenschaftler wollen die neueTechnologie in den nächsten drei Jahren in München auf denWeg bringen. Das MOTT-Entwicklungszentrum ist am IZMangesiedelt, die Leitung übernimmt zunächst Prof. Dr. IgnatzEisele, Lehrstuhlinhaber für Mikrosystemtechnik an der Uni-versität der Bundeswehr. Die Kooperation wird vom Bayeri-schen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehrund Technologie finanziell unterstützt.

Direkte Umsetzung der Technik in Produkte

MOTT-Technologien stellen Schlüsseltechnologien für diepraktische Umsetzung des Systemgedankens auf einem Chipdar. In dem in Deutschland einmaligen Zentrum können alleBereiche der MOTT-Technologie synergetisch gleichzeitig be-arbeitet werden. Vorerfahrungen sowohl am IZM als auch an der Universität der Bundeswehr München ermöglichendie direkte Umsetzung der Technologie in Produkte. Innova-tive und neue Funktionalitäten wie etwa Höchstfrequenzbau-elemente, optische Bauelemente wie z. B. Fotodetektoren,aber auch Sensoren und Aktuatoren sollen hier modular inte-griert und Komponenten in bestehende Silizium-Standard-technologien eingebettet werden. Um die Kompatibilität zuden gängigen Standardtechnologien sicher zu stellen, wirddie Technologieentwicklung konzeptionell in die BereicheBauelemente, Funktional und Integration aufgeteilt.

Neben der Herstellung von aktiven Bauelementen wie Sen-soren und Aktoren beschäftigen sich die Forscher im Funk-tionalbereich mit Verdrahtungsebenen, passiven Bauelemen-te und Systemkomponenten. »Die Nachbearbeitung wie et-wa Vorder- und Rückseitenprozessierung, Membranen oderHohlräume sowie VSI – Vertical System Integration – undTSV – Through Silicon Via – Technologie oder das Dünnender Wafer fällt in den Bereich Integration«, sagt Bock. »DieKooperation sichert eine zielorientierte Grundlagenforschungund damit eine langfristige Perspektive für eine enge Zusam-menarbeit mit der Industrie«, erklärt der Experte die Vorteiledes neuen Entwicklungszentrums. »Durch den Verbleib vonKnow-how in der Region sichern sich ortsansässige Firmenaußerdem die Möglichkeit, die Sicherheit und Verlässlichkeiterworbener Halbleiterkomponenten vor Ort zu analysierenund damit besser einschätzen zu können.«

Mikroskopsysteme von Nikonaufgestellt für ein breites

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IZM
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32 - INFORMATIONSTECHNOLOGIE weiter.vorn 2.09

Abbruchbagger, Radlader, Straßenfertiger, Wal-zen: Die wuchtigen Fahrzeuge lassen das Herzeines jeden Baumaschinenfans höher schlagen.Manche der Giganten können je nach Modell90 Tonnen wiegen und mehr als 300 000 Eurokosten. Nutzfahrzeuge, zu denen neben Bag-gern und Lastkraftwagen auch Busse sowieLandmaschinen gehören, sind längst Hightech-Fahrzeugen geworden. Sie sind gespickt mitmechanischen, elektronischen und informati-onstechnischen Elementen und Modulen: So ar-beiten in einem Nutzfahrzeug bis zu 30 Steuer-geräte – damit können sie deutlich mit derelektronischen Ausstattung eines Mittelklasse-wagens mithalten. Die Arbeitsabläufe steuernSoftware und Elektronik. Fällt eine solche Ma-schine aus, kostet das die Baufirma bares Geldund den Hersteller eventuell seine Reputation.

»Aus diesem Grund sind die Ansprüche an dieZuverlässigkeit und Lebensdauer sehr hoch. Da-mit eine Baumaschine nicht versagt, sollte mansich bereits in der Produktentwicklung Gedan-ken machen, welchen Beanspruchungen siestandhalten muss, und sie dementsprechendauslegen«, erklärt Gerd Bitsch vom Fraunhofer-Institut für Techno- und WirtschaftsmathematikITWM, dessen Schwerpunkte auf Verfahren zurvirtuellen Produktentwicklung liegen. Mit demFraunhofer-Institut für Experimentelles SoftwareEngineering IESE arbeitet das ITWM im Fraun-hofer-Innovationscluster »Digitale Nutzfahrzeug-technologien« zusammen. Ziele des Clusterssind die virtuelle Produktentwicklung und dieSystemzuverlässigkeit (vgl Kasten).

In Gerd Bitschs Abteilung modellieren und si-mulieren rund 30 Experten mit Hilfe mathema-tischer Methoden die Festigkeit und Zuverlässig-keit mechanischer und mechatronischer Syste-me. Auf diese Kompetenzen setzt auch der Baumaschinen-Produzent Volvo ConstructionEquipment (CE). Das gemeinsame Projekt mitdem ITWM ist eingebettet in das Fraunhofer-Innovationscluster »Digitale Nutzfahrzeugtech-nologien«. Für Volvo CE steht im Vordergrund,die Effizienz bei der Produktentwicklung zu er-

höhen. So unterstützt das ITWM das Unterneh-men bei der Berechnung und Klassifizierung dermechanischen Kräfte, die auf seine Radbaggerwirken, und berät es bei der Auswahl geeigne-ter Simulationsverfahren und -programme.

Wie wertet man die Kundendaten aus, die derAuftraggeber geliefert hat? Wie plant manMessreihen, um die Beanspruchung herauszu-finden? Wie überführt man diese in Prüfpro-gramme? Wie plant man eine Teststrecke fürLKWs? Das sind nur einige der Fragen, mit de-nen sich die Fraunhofer-Mitarbeiter beschäfti-gen. Um die Festigkeit nachzuweisen, wertensie die Versuche mit statistisch abgesichertenVerfahren aus, erstellen ein virtuelles Modellund simulieren dessen Verhalten.

Simulation und Optimierung werdenmiteinander verknüpft

Die Fraunhofer-Mathematiker und Ingenieureverknüpfen die Simulation mit der Optimierungvon Bauteilen wie Achsen oder Gelenken. Diesbetrifft nicht nur deren Form. Es geht auch da-rum, etwa Betriebsfestigkeit, Gewicht und Le-bensdauer zu vereinbaren. Der große Vorteil dervirtuellen Produktentwicklung liegt nach Ansichtvon Gerd Bitsch in der Verkürzung der Entwick-lungszeiten und einer effizienteren Entwicklung.»Wir haben unsere Aufgabe erst dann gut ge-löst, wenn die Kunden keine Probleme mit ihrenMaschinen haben. Unsere Arbeit ist also nichtsichtbar«, meint der Ingenieur.

Die Maschine mit den besten Materialien undoptimalen Eigenschaften zu konstruieren, ist daseine. Das andere ist ein reibungsloser Betrieb.Eingebettete Rechnersysteme zeigen rechtzeitigVerschleißerscheinungen auf und erinnern anden nächsten Wartungstermin. Solche »Conditi-on Monitoring Systeme« (CMS) existieren mitt-lerweile auch für Nutzfahrzeuge. »Es gibt Über-wachungseinheiten etwa bei hydraulischenSystemen, die auf Basis von Sensoren den Druckerfassen, die Viskosität des Öls prüfen oder Ver-schmutzungen registrieren«, erklärt Mario Trapp

i-Tüpfelchen für Schwergewichte

Digitale Nutzfahrzeugtechnologie

Baumaschinen, LKWs, Landmaschinen, Trak-toren, Anhänger – um das Hightech-Innen-leben solcher motorisierter Schwergewichtegeht es im Innovationscluster »Digitale Nutz-fahrzeugtechnologie DNT«. Forscher derFraunhofer-Institute für Experimentelles Soft-ware Engineering IESE und Techno- undWirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslau-tern erforschen und bearbeiten gemeinsammit Universitäten und Unternehmen Frage-stellungen aus dem Lebenszyklus eines Fahr-zeugs. Das reicht von der virtuellen und rea-len Entwicklung bis zur Überwachung beilaufendem Betrieb.

Industriepartner:– Daimler AG – John Deere – GE Transportation Systems – LöSi GmbH – TEREX GmbH– Keiper GmbH – MB-technology GmbH – Robert Bosch GmbH – Schmitz Cargobull AG – Volvo Construction Equipment

www.nutzfahrzeugcluster.fraunhofer.de

Ohne digitale Technologien kommendie Hersteller von Nutzfahrzeugennicht mehr aus. Diese helfen, dieProduktentwicklung zu optimierenoder den Zustand von Maschinen zuüberwachen.

Text: Evdoxia Tsakiridou

Christa Schraivogel
www.nutzfahrzeugcluster.
Christa Schraivogel
fraunhofer.de
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- 33INFORMATIONSTECHNOLOGIEweiter.vorn 2.09

vom IESE. Dabei handelt es sich um eine kleineBox mit Mess-Elektronik und Mini-PC, die imNutzfahrzeug eingebaut ist. Eine Software wer-tet die Sensorsignale aus und übermittelt überein integriertes Funkmodul die Daten an einenzentralen Server.

Stimmt ein vorher festgelegter Wert nicht odergibt es Unregelmäßigkeiten, benachrichtigt dasSystem per SMS den zuständigen Mitarbeiter.»Es ist aber so, dass sich hydraulische Systemestark voneinander unterscheiden. Das heißt, dieCMS-Software muss für jede Anlage individuellangepasst werden«, berichtet Trapp. Das istauch der Grund, warum die LöSi GmbH (Kai-

serslautern) mit dem IESE zusammenarbeitet.Die Firma stellt hydraulische Komponenten undSysteme her. Als mittelständisches Maschinen-bau-Unternehmen mit 20 Mitarbeitern gehörtdie Software-Entwicklung nicht zu ihren Kern-kompetenzen, so dass Fraunhofer-Know-howgenutzt wurde, kostengünstig maßgeschneider-te Programme zu entwickeln.

In einem gemeinsamen Projekt haben die IESE-Fachleute eine Konfigurationssoftware entwi-ckelt, die es den LöSi-Ingenieuren ermöglicht,das CMS ohne manuellen Programmieraufwandanzupassen. Das Besondere dabei ist, dass dieLöSi-Mitarbeiter ihre graphischen Lösungen ein-

fach per »Drag and Drop« in die Software über-führen können. Ein Rechner übernimmt die ei-gentliche Programmierung. Experten nennendieses Verfahren »Autocode-Generierung«. »DerMensch muss hier gar nicht mehr eingreifen.Dadurch lassen sich Fehler vermeiden, die Quali-tät stimmt und die Kosten sinken«, berichtetMario Trapp. Die passende CMS-Software aufkonventionelle Weise zu entwickeln, würdemehrere Wochen kosten. Die IESE-Lösung ver-kürzt den Arbeitsaufwand auf ein bis zwei Tage.Für LöSi hat die Zusammenarbeit aber noch ei-nen weiteren Vorteil gebracht: Die Firma hat einneues Geschäftsfeld gewonnen und stärkt soihre Marktposition.

In LKWs sind mechanische, elektronische und informati-onstechnische Elemente aktiv. © MEV

In Nutzfahrzeugen steckt viel Hightech.© Volvo

Bis zu 30 Steuergeräte sind in Landmaschinen, Baggernund Co. aktiv. © Deere & Company

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34 - INFORMATIONSTECHNOLOGIE weiter.vorn 2.09

»Eine exzellente Universität in unmittelbarer Nähe, ein Gebäude, das umgeben ist von inno-vativen Spin-off Unternehmen, gut ausgebilde-te Ingenieure und eine Bevölkerung, die aufge-schlossen ist gegenüber neuen Informations-technologien – Porto, die zweitgrößte StadtPortugals bietet ein ideales Umfeld für das neueFraunhofer Center for Assistive Information andCommunication Solutions«, erklärt Fraunhofer-Präsident Prof. Hans-Jörg Bullinger. Das neueCenter ist das erste, das Fraunhofer-Portugal,die erst vor wenigen Monaten gegründeteTochter der Fraunhofer-Gesellschaft, eröffnet.»Wie alle unsere Einrichtungen wird auch dasportugiesische Center an der Schnittstelle ste-hen zwischen theoretischer Erkenntnis und Pra-xis«, ergänzt der Präsident.

»Das Ziel des Centers wird es sein, die digitaleSchere, die sich derzeit immer weiter öffnet, zu

schließen. Die Gesellschaft ist gespalten: Aufder einen Seite gibt es Menschen, für die Infor-mationstechnologie zum täglichen Leben ge-hört, die Internet, Handy, Laptop oder Blackber-ry selbstverständlich nutzen, um zu kommuni-zieren und Informationen zu bekommen. Aufder anderen Seite stehen Gesellschaftsgruppen,die keinerlei Zugang haben zu den neuen Tech-nologien«, sagt Prof. Dirk Elias, der neue Leiterdes Centers, der auch an der Spitze von Fraun-hofer Portugal steht. Zusammen mit seinemTeam will er am Fraunhofer-Center in Porto IT-Lösungen für Zielgruppen entwickeln, die bishervon der IT-Industrie kaum wahrgenommen wur-den: für Menschen, die alt oder gebrechlichsind, die in ländlichen Gebieten leben, die nichtlesen und nicht schreiben können oder einfachkeine Lust haben auf komplizierte Technik. »Da-bei wollen wir das Rad nicht neu erfinden, son-dern bestehende Lösungen nutzen, um neue

Produkte zu generieren – Computernetzwerkeund Sensoren beispielsweise oder W-LAN undMobilfunknetze für die Datenübertragung«, er-läutert Elias.

Dieser Ansatz ist neu: Bisher wurden für speziel-le Zielgruppen spezielle Lösungen entwickelt,die dann meist zu teuer waren, um sich durch-zusetzen. »Eine eigene IT-Lösung für Pflegehei-me ist für die Industrie nicht interessant, weilder Markt zu klein ist. Nutzt man hingegen einbestehendes System wie das Telefonnetz undbindet den Provider und vielleicht auch noch ei-nen Rettungs- oder Pflegedienst mit ein, sokönnen – ohne große Investitionskosten – at-traktive neue Angebote entstehen, die auchwirtschaftlich interessant sind.«

Ein Zukunftsmarkt: intuitiv bedienbare, robuste Elektronik

»Für das Fraunhofer-Center gibt es dabei eineFülle von Kooperationsmöglichkeiten«, sagt Elias. Er will mit der Abteilung für Smart Envi-ronments am Fraunhofer-Institut für OffeneKommunikationssysteme FOKUS in Berlin zu-sammenarbeiten und mit den Instituten derFraunhofer-Allianz Ambient Assisted Living – dazu gehören die Fraunhofer-Institute für Ar-beitswirtschaft und Organisation IAO, für Expe-rimentelles Software Engineering IESE, für Gra-phische Datenverarbeitung IGD, für IntegrierteSchaltungen IIS, für Mikroelektronische Schal-tungen und Systeme IMS sowie für Softwareund Systemtechnik ISST.

Porto, die zweitgrößte Stadt Portugals, bietet ein idealesUmfeld für die Entwicklung von IT-Lösungen. © mauritius images

Gemeinsam forschen füreine bessere ZukunftFraunhofer hat eine neue Tochter: Fraunhofer-Portugal. Das erste Forschungs-zentrum - das Fraunhofer Center for Assistive Information and CommunicationSolutions - wurde unlängst gegründet. Zusammen mit Wissenschaftlern an derrenommierten Universität Porto wollen die Forscher dort eine neue Generationvon elektronischen Geräten entwickeln für all diejenigen, denen der Umgangmit IT – vom Handy über Computer bis zu Fernsehern und HIFI Anlagen – zukompliziert ist.

Text: Monika Weiner

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- 35weiter.vorn 2.09

Pfiffige Produktideen haben die Forscher in Hül-le und Fülle: ein auf Funk-Chips gestütztes Loka-lisierungssystem für Kinder in Einkaufszentren,das auf dem Radio Frequency Idenification Sys-tem, kurz RFID, basiert; robuste und leicht zuwartende Kiosksysteme für Internetcafés inländlichen Gegenden; Fahrkartenautomaten, diesich intuitiv bedienen lassen, auch wenn mandie Landessprache nicht versteht oder sie nichtlesen kann; intelligente Set-Top-Boxen für Fern-seher, die an Dinge erinnern, die leicht verges-sen werden – beispielsweise daran, die Medika-mente einzunehmen.

»Wer solche Ideen umsetzen will, der muss wissen, welche Bedürfnisse und Anforderungendie jeweilige Zielgruppe hat«, erläutert Elias. Der Rechner, der in ländlichen Gegenden einge-setzt werden soll, muss robust und wartungs-arm sein. Eine Elektronik, die alte, gebrechlicheMenschen in ihrem Alltag unterstützt und bei-spielsweise bei einem Sturz Alarm schlägt, solltevon ihrem Besitzer möglichst gar nicht wahrge-

nommen werden. »Mindestens genauso wich-tig für unsere Entwicklungen ist jedoch diepraktische Umsetzbarkeit«, betont Elias. »Wir arbeiten daher eng mit der Industrie zusam-men.« Das neue Center hat sich zusammen mitder spanischen Telefongesellschaft Telefonicaund anderen Unternehmen schon um eine gan-ze Reihe von Projekten beworben. Eines davonsoll Ärzte und Pflegedienste bei der Betreuungvon älteren Patienten unterstützen. Geplant istder Aufbau eines Systems, in dem die Patientenüber elektronische Gesundheitskarten identifi-ziert und dann individuell betreut beziehungs-weise versorgt werden können – beispielsweisemit den Medikamenten, die genau so dosiertund abgepackt sind, wie der Arzt es verordnethat. Ein spezielles Terminal erlaubt der zu be-treuenden Person, jederzeit Kontakt zum Pflege-dienst aufzunehmen.

»Portugal ist ein ideales Land, um solche assisti-ven Informations- und Kommunikationslösun-gen zu entwickeln«, so Elias. »Die portugiesi-

sche Gesellschaft ist Informationstechnologiengegenüber wesentlich aufgeschlossener als dasGros der Europäer.« Die Nutzung von IT-Servicesist in Portugal weiter verbreitet als anderswo:Das Gros der Kinobesucher reserviert heuteschon Sitzplätze elektronisch via SMS; vierzigProzent der berufstätigen Bevölkerung gibt dieSteuererklärung über Internet ab; das innovativeAutobahnmautsystem Via Verde wurde in Por-tugal entwickelt und erstmals eingesetzt, das-selbe gilt für die neue Generation multifunktio-naler Bankterminals.

Das Center in Porto ist nach Prof. Bullinger eineBereicherung: »Wir werden in Portugal künftigPräsenz zeigen: forschen, die Akzeptanz neuerTechniken prüfen und Erfahrungen sammeln.Wir werden uns mit den Forschern vor Ort ver-netzen, Kontakte zu Industriepartnern knüpfen,den Markt kennen lernen und erschließen. Vonall dem werden nicht nur die Fraunhofer-Institu-te in Deutschland, sondern auch deren Industrie-partner profitieren.«

Informationen und Online-Anmeldungunter: www.nanokonferenz.de

2. NRW Nano-KonferenzKongresszentrum Westfalenhallen Dortmund

22. bis 23. Juni 2009

Wir verbinden Nano.

INFORMATIONSTECHNOLOGIE

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36 - INFORMATIONSTECHNOLOGIE weiter.vorn 2.09

Designer von Autobauteilen müssen nicht nurdarauf achten, dass die Optik ihrer Entwürfestimmt, sondern auch an die spätere Montagedenken: Lässt sich das entworfene Armaturen-brett problemlos in das neue Automodell ein-bauen? Wie müssen die Montagewege ausse-hen, damit das Bauteil nirgendwo aneckt unddabei die Karosserie verkratzt? Mit einer geeig-neten Software können die MontageplanerBauteile, die bis dato nur als CAD-Daten existie-

ren, bereits virtuell in das neue Automodellmontieren. Ist das Bauteil zu groß für die Mon-tage und klemmt, gibt das Programm konkreteHinweise, an welcher Stelle die Form verändertwerden muss.

Forscher des Fraunhofer-Chalmers ResearchCentre for Industrial Mathematics FCC in Göte-borg, Schweden, und des Fraunhofer-Institutsfür Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM

in Kaiserslautern haben diese Software entwi-ckelt und nun weiter verbessert. »Wir könnenbei der Montagesimulation erstmals auch dieFlexibilität von Bauteilen berücksichtigen«, sagtDr.-Ing. Joachim Linn, Gruppenleiter am ITWM.»In den CAD-Daten erscheinen flexible Bauteile,etwa Plastikbauteile im Fahrzeug-Cockpit, starr.Bei der Montage müssen die Teile jedoch etwasgebogen und gedrückt werden.« Welche Kräftebraucht man, um beispielsweise das Armaturen-brett so weit zu verbiegen, dass es sich in dasAuto einbauen lässt? Schafft das ein einzelnerMitarbeiter oder braucht man Spezialwerkzeu-ge? Wie lassen sich biegsame Bremsschläucheam besten montieren? Auch den Einsatz vonRobotern simulieren die Forscher: Die biegsa-men Versorgungsleitungen können bei derMontage an der Karosserie entlangscheuernund kleine Kratzer hinterlassen. Das Programmerrechnet, wie sich der Roboter bewegen darfund die Teile montieren muss, um mit den Ka-beln nicht an die Karosserie zu stoßen.

Die Berechnungen laufen ebenso schnell, wiedie Konstrukteure es aus den CAD-Program-men gewohnt sind. »Man kann interaktiv mitdem Programm arbeiten, ein Bauteil innerhalbweniger Sekunden zum Beispiel länger oder kürzer machen. Um dies zu erreichen, habenwir die hochgenauen strukturmechanischen Berechnungsverfahren abgespeckt: Die Ergeb-nisse sind dadurch noch ausreichend genau, liegen aber in Echtzeit vor«, sagt Linn. AuchMontagepfade berechnet das Programm inner-halb weniger Minuten. Auf der Hannover-Messeführen die Forscher das Programm live vor. Essoll noch in diesem Jahr auf den Markt kom-men, Support und Schulungsmaterial stehen bereits zur Verfügung.

Eine Software simuliert Montageprozesse: Virtuelle Roboter schweißen eine ebenso virtuelle Autokarosseriezusammen. © Fraunhofer ITWM

Ein Armaturenbrett ist nicht starr, sondern lässt sich ver-formen. Eine Software berücksichtigt erstmals auch die Bieg-samkeit von Bauteilen und simuliert Montagewege.

Text: Janine Drexler

Software »montiert«biegsame Bauteile

Christa Schraivogel
ITWM
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Die finanzielle Basis der Stiftung liefern die Erlö-se der mp3-Lizenzeinnahmen. »Der sorgfältigeUmgang mit geistigem Eigentum oder, wie manauch sagt, Intellectual Property (kurz IP) ist füreine staatlich geförderte Forschungseinrichtungwie Fraunhofer von strategischer Bedeutung«,so Prof. Ulrich Buller, Vorstand Forschungspla-nung bei der Fraunhofer-Gesellschaft. »Bei Pa-tenten, die in unseren Kooperationsprojektenmit der Industrie oder mit Partnern aus der öf-fentlich geförderten Forschung entstehen, liegtnatürlich in der Regel eine vielschichtige Interes-senslage vor. Indem wir nun mit Mitteln aus derStiftung ausgewählte Eigenforschungsprojektefördern, können wir IP aufbauen, das uneinge-schränkt bei Fraunhofer liegt.« Für ihre Aktivitä-ten erhält die Stiftung zunächst ein Grundstock-vermögen von fünf Millionen Euro sowie Ver-brauchskapital in Höhe von 95 Millionen Euro,das in den kommenden Jahren für Forschungs-projekte zur Verfügung steht.

Die Organisation und Struktur der Zukunfts-stiftung waren Thema der ersten Sitzung desStiftungsrates, dem Aufsichtsgremium. Der Stiftungsrat wählte Fraunhofer-Präsident Prof.Hans-Jörg Bullinger zu seinem Vorsitzenden, alsStellvertreter fungiert Ministerialrat Paul Hocksaus dem Bundesministerium für Bildung undForschung BMBF. Weitere Mitglieder sind dieBerichterstatter aus dem Haushaltsausschussdes deutschen Bundestages, Klaus Hagemannund Klaus-Peter Willsch, der Präsident des Stif-terverbands Dr. Arend Oetker sowie der Senats-vorsitzende der Fraunhofer-Gesellschaft Dr. Ekkehard Schulz, Vorstandsvorsitzender vonThyssenKrupp. Aus der Fraunhofer-Gesellschaftsind weiterhin vertreten: Vorstandsmitglied Prof.Marion Schick, Prof. Dieter Prätzel-Wolters, derVorsitzende des Wissenschaftlich-TechnischenRates sowie Prof. Heinz Gerhäuser, unter dessenLeitung das weltweit bekannte Audiocodierver-fahren mp3 am Fraunhofer-Institut für Integrier-te Schaltungen IIS in Erlangen entwickelt wurde.Der Stiftungsrat wählte zudem den Vorstandder Stiftung: Vorsitzender ist Fraunhofer-For-schungsvorstand Prof. Ulrich Buller, als Stellver-

treter wurde Dr. Alexander Imbusch benannt.Fraunhofer-Finanzvorstand Dr. Alfred Gossner istebenfalls im Stiftungsvorstand. Dieses Gremiumist für den Wirtschaftsplan verantwortlich, defi-niert die inhaltlichen und fachlichen Leitzieledes Förderprogramms, entscheidet über die Pro-jekte, verwaltet die Gelder und berichtet demStiftungsrat jährlich über die Entwicklung derStiftung. Folgende Projekte werden zurzeit vonder Stiftung gefördert:

Solarzellen auf Basis von metallur-gischem SiliziumBei der Inertcell wird das metallurgische Siliziumvor und nach dem Casting sowie als Wafer phy-sikalisch aufgereinigt und mit einem an die iner-tisierten Verunreinigungen angepassten Cell-Konzept zur Solarzelle verarbeitet.

Mikrobrennstoffzellen in Multilayer-keramik für die MassenproduktionMikrobrennstoffzellen werden heute aus Einzel-komponeneten montiert. Im Projekt werdenkompakte Brennstoffzellen in integrierter Ferti-gungstechnik auf Basis der in der Mikroelektro-nik eingeführten Multilayerkeramik-Technik ent-wickelt: 100W-SOFC und 1W-PEM.

Tissue Engineering on DemandZiel des Projekts in der ersten Phase ist die auto-matisierte Produktion von zweischichtigen Haut-modellen als Testsysteme für die Kosmetik- undPharmaforschung zum Ersatz von In-vivo-Prü-fungen an Tieren. Eine Erweiterung auf vasku-larisierte Hautmodelle ist geplant.

Fernsehen in drei DimensionenAufbauend auf den Standards für die Codierungund Übertragung von Medieninhalten mit hoch-aufgelösten Bildern und Filmen, z.B. H.264, sol-len rückwärtskompatible Standards für dreidi-mensionale Medieninhalte im gesamten Prozessvon der Aufnahmetechnik über das Postproces-sing, die Übertragung und die Wiedergabe ent-wickelt werden. Zukünftige Anwendungsfelderliegen bei Spielen sowie beim mobilen undbeim stationären Fernsehen.

Aufgabe der Fraunhofer-Zukunftsstiftung ist es, Vorlaufforschung inTechnologiefeldern zu fördern, in denen sich gezielt umfassende Pa-tentcluster aufbauen lassen. Mit Übergabe der Stiftungsurkunde star-tete die Zukunftsstiftung offiziell. Der Stiftungsrat legte wesent-liche Eckpunkte für den Aufbau und die Arbeit der Stiftung fest.

Text: Beate Koch

Zukunftsstiftung startet

Laser Beam Coupler for Singlemode fiber

inclined fiber coupling axis

Kieler Straße 212 • D-22525 Hamburg • [email protected] www.SuKHamburg.de

Beam profile

Laser Line-, Micro Focus- and Laser Pattern Generators

Wavelength 405 – 980 nm (optional 370 or 2020 nm) • Line width > 0.008 mm • Laser lines with uniform intensity distribution and constant line width P1 + P2

P1P2

CCD Line Scan Cameras

with fiber optics from Schäfter+KirchhoffLaser Sources

1

512 to 12 000 pixels, monochrome and colorCCD line scan cameras with modular interface concept Analog: RS422 Digital: LVDS CameraLink USB 2.0

Machine Vision Components

Fiber optics polarization maintaining, for Laser beam sources 350-1700nm

A1

A

B

D

C

E

A1 Adapter 60A19,5-F-SB Fiber cable PMC-...C Fiber collimator 60FC-...D Micro focus optic 5M-...E Laser beam sources

Color

monochrom1. 0

0.0400 600

W l h ( )800 1000

Spectralrange

Spectralrange

TM

SK 9170: Gray Scale Line Signal – 0

SK 9170: Gray Scale Line Signal – 1

255

255

00

00

ZOOM

ZOOM

MicrosoftWindows xpProfessional

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A Laser Beam Coupler 60SMS-1-4-… for diode, gas, and solid state lasers 350 to 2300 nm

1 HeNe laser 2 DPSS laser (two fiber system) 3 Diode laser 405 - 1083 nmNot shown: EC laser, Argon laser, …

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38 - MEDIZIN weiter.vorn 2.09

Die Lebenserwartung in Deutschland steigt stetig. Mittlerweile werden Männer etwa 77Jahre alt, Frauen können sogar auf mehr als 82 Lenze hoffen. Eine Grundlage für eine hoheLebensqualität selbst im hohen Alter ist eineumfassende medizinische Versorgung. Dazu gehören auch langlebige Implantate für Hüft-oder Kniegelenke. Wissenschaftler vom Fraun-hofer-Institut für Fertigungstechnik und Ange-wandte Materialforschung IFAM in Bremen ent-wickeln neue Materialien von Metallen überKunststoffe bis zu Keramiken. Mit speziell konzi-pierten Produktionsverfahren soll so günstig derwachsende Bedarf an biologisch verträglichenImplantaten gedeckt werden.

Über 200 000 Patienten erhalten pro Jahr allein in Deutschland eine neue, künstliche Hüf-te. Die Ersatzgelenke bestehen meist aus Titan-legierungen und verursachen nach der Operati-on nur selten Infektionen. »Ein Hüftgelenk muss möglichst frei beweglich und reibungs-arm sein«, weiß IFAM-Forscher Philipp Imgrund.Dieses Ziel im Blick, will er das tägliche Zusam-menspiel zwischen hartem, metallischem Im-plantat und weichem, biologischem Gewebeverbessern.

»Die Mikrostruktur der Oberfläche spielt einewichtige Rolle dafür, dass die lebenden Zellenbesser wachsen können«, sagt Imgrund. Dafür

Anziehende ImplantateForscher arbeiten an neuen Werkstoffen für künstliche Gelenke. Der Vorteil:Dank einer genoppten Oberfläche wachsen Zellen besonders gut am Implantat an.

Text: Jan Oliver Löfken

Serienfertigung eines winzigen Replikats des Gehör-knöchelchens, dem Steigbügel. © Fraunhofer IFAM

Christa Schraivogel
IFAM
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- 39MEDIZINweiter.vorn 2.09

werden Implantate heute noch aufwändig mitÄtz- und Sandstrahlverfahren nachbehandelt.Ganz ohne diese Nachbearbeitung kommenerste Werkstücke aus, die Imgrunds Arbeits-gruppe »Biomaterial-Technologie« in einem von der Volkswagenstiftung geförderten Ver-bundprojekt mit der Gruppe von Arie Bruinink

am Materialforschungsinstitut EMPA in St. Gallen entwickelt hat. Gefertigt aus biokom-patiblem Edelstahl, erheben sich auf der Ober-fläche – symmetrisch angeordnet – zahlreichewinzige Noppen mit einem Durchmesser vonnur 50 Millionstel Metern. Dadurch übt das Metall eine geradezu anziehende Wirkung auflebende Zellen aus. »Die Zellen haften an dergenoppten Oberfläche besser als auf glattemMetall. So lässt sich die Verträglichkeit eines Implantats verbessern«, erläutert Bruinink.Jüngst zeigten Versuche mit Zellkulturen an der EMPA die wachstumsfördernde Wirkung der Bremer Mikrostruktur-Oberflächen.

Imgrund macht allerdings nicht allein die Mikro-noppen für diese Materialeigenschaft verant-wortlich. »Wir haben ein Verfahren entwickelt,mit dem sich winzigen Nanoteilchen aus Eiseneinbringen lassen, welche die Rauigkeit der metallischen Prototypen gezielt erhöhen«, sagtder Wissenschaftler. Dafür werden in das Basis-pulver für den biologisch verträglichen EdelstahlEisenpartikel mit einem Durchmesser zwischen17 Nanometern und 1,4 Mikrometern gemischt.Hieraus bereiten die Forscher mit Bindemateria-lien aus Wachsen und Polymeren eine Form-masse für die Weiterverarbeitung im Mikro-spritzguss auf. »Die Kunst dabei ist es, die fürden Mikrospritzguss ideale Mischung zu fin-den«, erklärt der IFAM-Forscher. Denn die Form-masse muss nicht nur rasch bis in die letzteEcke der mikrostrukturierten Gussform fließen.Nach nach dem Guss soll sie sich auch leichtaus der Form lösen lassen.

Herzklappenringe aus Titan undder Steigbügel im Ohr

Ob die IFAM-Forscher das richtige Rezept wirk-lich gefunden haben, zeigt sich nach dem Sin-tern bei Temperaturen von bis zu 1200 GradCelsius. Hierbei entsteht erst das stabile, um et-wa 15 Prozent geschrumpfte und zugleich ander Oberfläche mikrostrukturierte Werkstück.Die zuvor zugesetzten Bindesubstanzen müssendurch die Hitze vollständig ausgetrieben wer-den. »Die gegossenen Spritzlinge einfach in denOfen zu stecken, reicht nicht aus. Das Sintern isteine Wissenschaft für sich«, sagt Imgrund.

Dass am IFAM die Wissenschaft um das Mikro-Metallpulver-Spritzgießen – kurz μ-MIM – mitanschließendem Sintern bis ins Detail beherrschtwird, beweisen anwendungsreife medizinischeImplantate. Mit der Technologie werden filigra-ne Herzklappenringe aus Titan und sogar Nach-bauten des kleinsten Knochens im menschlichenKörper, dem Steigbügel im Ohr, in großer Zahlproduziert. Nach diesen Erfolgen will sich dasBremer Institut aber nicht auf reine Stahllegie-rungen beschränken.

»Wir haben alle drei Materialklassen – Metalle,Kunststoffe und Keramiken – für neue biome-dizinische Werkstoffe im Blick«, sagt KuroschRezwan, Leiter der Arbeitsgruppe und Professoran der Universität Bremen. Vor allem hochfeste

Keramiken sind für zukünftige Implantate inte-ressant. »Denn Keramiken kommen an den na-türlichen Aufbau und die Eigenschaften vonKnochen am nächsten«, sagt Rezwan. In seinemFachgebiet »Biokeramik« an der Universität legtRezwan die Grundlagen für bessere Implantat-werkstoffe, die in Zusammenarbeit mit demIFAM an eine Serienproduktion für günstige me-dizinische Ersatzteile angepasst werden sollen.

Bessere Anpassung an die natürliche Umgebung

Die Chancen dieser Partnerschaft reichen weit.Rezwan kann sich nicht nur einen keramischenKnochenersatz für Operationen im Kieferbereichvorstellen. So haben mikrostrukturierte und so-gar nanoporöse Keramiken das Potenzial, sichweit besser als Metalle an die natürliche Umge-bung im Körper anzupassen. Sie könnten alsGerüst für nachwachsende Zellen dienen unddauerhaft ohne schädliche Nebenwirkungen imKörper eines Patienten verbleiben.

»Ich kann mir auch völlig neue Komposite ausMetallen, Keramiken und Kunststoffen vorstel-len«, so Rezwan. Denn häufig sind keramischeWerkstoffe allein zu spröde und bruchgefähr-det. Mit Kunststoffen versetzt, ließe sich lautRezwan die unerwünschte Sprödigkeit deutlichverringern. Auf der Basis neuer Kompositekönnten auch sich selbst abbauende Schraubenmöglich werden. Damit wären Folgeoperatio-nen überflüssig, bei denen die heute nach kom-plizierten Knochenbrüchen verwendeten Titan-schrauben wieder entfernt werden.

Rezwan und Imgrund erhoffen sich viel von ih-rer Zusammenarbeit. Sobald der Experte in sei-nem Team für Biokeramiken an der UniversitätBremen vielversprechende Kandidaten für neueImplantate und Werkstoffe ausgemacht hat,wird zusammen mit den IFAM-Spezialisten ander günstigen Serienproduktion geforscht. »DieKompetenzen dafür sind alle vorhanden. Undunsere Spritzgussverfahren eignen sich für alledrei Materialklassen«, sagt Imgrund. Dabei hater immer ein offenes Ohr für die Wünsche sei-ner Zielgruppe, die Implantathersteller. Denn dieLabormuster aus den neuen Werkstoffen sollenkeine unerschwinglichen Einzelteile bleiben,sondern in Zukunft möglichst vielen Patientendas Leben erleichtern.

Kraftfeste Kunststoffe

Die Serienproduktion von mikrostrukturiertenWerkstoffen ist nicht nur für medizinische Implantate geeignet. So entwickeln PhilippImgrund und seine Kollegen zahlreiche neueMaterialien, die Anwendungen vom Karosse-riebau bis zum Computerchip finden können.Im Spritzguss gefertigte Kunststofflinsen las-sen sich beispielsweise durch eine spezielleRezeptur kratzfester gestalten. Wichtig ist da-bei der Brechungsindex für Licht, der über dieGröße und Menge der Zusätze variabel einge-stellt werden kann. Dabei müssen die Linsenvollkommen durchsichtig bleiben.

Die Mikrostrukturen helfen auch, Kunststoffeauf der Basis von Chitosan – nutzbar fürleichtere Autos oder Plastikgehäuse von Elek-tronikgeräten – bruchfester und an der Ober-fläche widerstandsfähiger zu machen. Eineeffizientere Ableitung von Wärme haben dieIFAM-Forscher mit filigran strukturiertenSpritzgussteilen aus Metallen wie Wolframund Kupfer im Sinn. In Serie produziert, kanndies zu besseren Kühlkörpern für Computer-chips oder Laserdioden führen.

Kratzfeste Kunststoffe

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Konzentriert blickt Kay-Ingo Ahlers auf einenMonitor. Seine linke Hand ruht auf dem Griff eines Endoskops – ein medizinisches Spezialge-rät, mit dem sich Bilder aus dem Körperinnerenauf den Bildschirm übertragen lassen. In diesemFall ist es ein Endoskop für eine Blasenspiege-lung. »Jetzt befinden wir uns direkt in der Harn-blase«, erläutert Ahlers. »Was wir auf dem Monitor sehen, ist die mit Adern überzogeneBlasenwand.«

Dann schwenkt er den Griff des Endoskops einwenig nach rechts. Damit wandert auch derBildausschnitt auf dem Monitor ein Stückchenweiter. Auf diese Weise sucht Ahlers systema-tisch das gesamte Organ ab – bis er plötzlichauf einen verdächtigen Flecken stößt, der deut-lich dunkler ist als das umliegende Gewebe. Dieknappe Diagnose: »Wahrscheinlich ein Tumor!«

Doch den Patienten lässt die Nachricht gänzlichkalt: Es ist kein Mensch, sondern eine Maschine– eine Plexiglas-Box, kaum größer als ein Post-paket, vorn ragt der Griff eines Endoskops he-raus. Es handelt sich um einen Simulator, andem angehende Ärzte ausgebildet werden. Ent-wickelt wurde er von KARL STORZ, Weltmarkt-führer in Sachen Endoskopie, in enger Koopera-tion mit dem Fraunhofer-Institut für Rechner-architektur und Softwaretechnik FIRST in Berlin.»Wir haben, wie man es aus Computerspielenkennt, ein virtuelles Szenario des realen Lebensprogrammiert«, erläutert Informatiker Ahlers.»Wir simulieren den Patienten in einem virtuel-len Modell und haben versucht, sämtliche Ei-genschaften eines Endoskops nachzubilden.«

Das virtuelle Endoskop simuliert die Bilder ausdem Körperinneren verblüffend realistisch. Au-ßerdem fühlt es sich praktisch genauso an wieein echtes Endoskop. Denn die Fraunhofer-For-scher haben den Griff des Geräts mit einer me-chanischen Rückkopplung versehen. DiverseSensoren registrieren, was die Hand des trainie-

renden Arztes am Endoskop-Griff gerade macht.Daraus berechnet ein Computer den mechani-schen Widerstand, den das Gerät dem Medizi-ner in der jeweiligen Situation zu bieten hat.

Ärzte können ihr Feingefühl trainieren

Sechs Elektromotoren übertragen die ent-sprechenden Kräfte auf den Endoskopgriff.Stößt der Arzt mit der Endoskop-Spitze etwagegen die Blasenwand, spürt er am Griff ei-nen deutlichen Widerstand. Damit können die Ärzte ihr Feingefühl trainieren. Das näm-lich ist beim Umgang mit einem Endoskop ganz besonders gefragt.

Mit dem virtuellen Endoskop kann der ange-hende Mediziner die Harnblase aber nicht nuruntersuchen, sondern auch operieren – undzwar minimalinvasiv, also äußerst schonend.Kay-Ingo Ahlers zeigt auf den Bildschirm: »Wir

haben ein Schneidinstrument, mit dem wir denTumor entfernen können.« Das Instrument isteine kleine Schlinge, deutlich auf dem Monitorzu erkennen. Per Fernsteuerung kann Ahlers dieSchlinge unter Strom setzen, dadurch wird sieheiß. Gleichzeitig drückt er sie wie ein winzigesBrandeisen auf das Geschwür. Umgehend wirddas Tumorgewebe blass – es verödet und kannnicht weiter wachsen.

Plötzlich erscheint auf dem Monitor eine Warn-meldung: Cut too deep! »Jetzt habe ich einenFehler begangen, der einem Arzt nie unterlau-fen sollte«, sagt Ahlers. »Ich habe zu tief ge-schnitten.« Stoßweise quillt Blut aus der Wundeund steigt wie rotes Magma aus einem Vulkanempor. Die Sicht wird schlecht, das Blut trübt

Ärzte arbeiten immer häufiger minimalinvasiv. So wirdzum Beispiel auch die Gallenblase per Endoskop unter-sucht. © SPL / Agentur Focus

Virtuelle BlasenspiegelungMit einem Simulator können Ärzteminimalinvasive Diagnosen undEingriffe üben.

Text: Frank Grotelüschen

Christa Schraivogel
FIRST
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das Bild. Zum Glück lässt sich der virtuelle Patzerausbügeln – mit Hilfe eines schwachen Stromsan der Spitze des Instruments. Auf diese Weisestillt Ahlers behutsam mehrere kleine Blutungs-herde – und lehnt sich erleichtert zurück. »DerPatient verliert jetzt kein Blut mehr. Nun könnenwir mit unserer Diagnose weitermachen.«

Um zu gewährleisten, dass der Simulator wirk-lichkeitsgetreu arbeitet, haben die Forscherwährend der Entwicklung mit Medizinern zu-sammengearbeitet. Wichtig war unter anderemdie realistische Darstellung von Blut, verödetemGewebe und der verschiedenen Tumorarten.Und damit die Ärzte nicht immer dasselbe trai-nieren, kann der Endoskopie-Trainer auf Knopf-druck ganz unterschiedliche Szenarien »auswür-feln«: Mal ist die virtuelle Blase von weniger, malvon mehr ebenso virtuellen Tumoren befallen.2003 hat KARL STORZ das Gerät erstmals unter

dem Namen »TUR-Simulator« vorgestellt undauf den Markt gebracht. In seiner ersten Versionkonnte es Blasenspiegelungen und -behandlun-gen simulieren. Dann wurden seine Fähigkeitenschrittweise erweitert. Heute vermag das Gerätauch Prostata-Eingriffe nachzubilden. »Viele Me-diziner haben sich sehr begeistert über dieseneue Trainingsmethode geäußert«, sagt Ahlers.»Sie erleichtert es angehenden Ärzten, sich behutsam an die Materie heranzutasten.«

Jetzt arbeiten die Forscher an weiteren, komple-xeren Simulatoren für die Schlüsselloch-Chirur-gie, zum Beispiel für Operationen an Gallenbla-se, Leber oder Blinddarm. Das Problem dabei:Bei diesen Eingriffen muss nicht nur ein Instru-ment in den Körper eingeführt werden, sonderngleich zwei – was natürlich deutlich schwerer zusimulieren ist. »Im Moment ist das noch ein For-schungsprojekt«, erläutert Ahlers. »Doch wir

hoffen, eines Tages daraus ein Produkt machenzu können.« Nachdem er die Vorführung been-det hat, kann sich Ahlers am Monitor die Aus-wertung ansehen – ganz anschaulich an einemBild der Harnblase. »Für eine genaue Diagnosemuss man jede Stelle in der Blase wenigstenszwei Sekunden lang aus einem bestimmten Ab-stand betrachten«, erklärt er. »Nur dann ist dasOrgan gründlich untersucht.« Die Stellen, dieman sich lange genug angeschaut hat, sind aufdem Bild grün eingefärbt. Doch auf der Aus-wertung von Kay-Ingo Ahlers überwiegt die Far-be Rot. Und das bedeutet: »Ich habe dieseÜbung nicht sehr sorgfältig gemacht!« Aber dasist nicht wirklich schlimm. Schließlich ist Ahlerskein Arzt, sondern Informatiker am FraunhoferFIRST in Berlin.

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MEDIZIN

Christa Schraivogel
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Im Auftrag der Zukunft

Vor 60 Jahren - am 26. März 1949 - wurde die Fraunhofer-Gesellschaftgegründet. Ziel der neuen Organisation war es, die angewandte For-schung zu fördern und so zu helfen, die Zukunftsfähigkeit Deutsch-lands zu sichern. Der damals kleine Verein mit nur drei Angestelltenhat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu der führenden Organisati-on für angewandte Forschung in Europa entwickelt. Heute erwirtschaf-ten 15 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Forschungsvolumenvon mehr als 1,4 Milliarden Euro.

Wie ist es der Fraunhofer-Gesellschaft gelungen, sich vom belächel-ten Emporkömmling zu einer festen Größe in der Forschungslandschaftzu entwickeln? Welche Herausforderungen mussten gemeistert werden?Wie muss sich die Forschungsorganisation in Zukunft wandeln, um auch künftig ein attraktiver Forschungspartner zu sein? Im Gesprächmit »weiter.vorn« lassen die ehemaligen Präsidenten der Fraunhofer-Gesellschaft Professor Max Syrbe und Professor Hans-Jürgen Warneckedie Geschichte Revue passieren. Präsident Professor Hans-Jörg Bul-linger stellt die geplante weitere Entwicklung vor und verrät, warumdie Fraunhofer-Gesellschaft auch noch in einigen Jahrzehnten einwichtiger Forschungs- und Entwicklungspartner sein wird.

Die Gespräche führte Birgit Niesing

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Sie wurden 1983 zum Präsidentender Fraunhofer-Gesellschaft ge-wählt. Damals gabe es etwa 3500Mitarbeiter in 32 Instituten. Das Forschungsvolumen belief sich auf 360 Millionen Mark. Was waren Ihre Ziele?

Ich habe drei Schwerpunkte gesetzt. Als erstesgalt es, »Bewährtes zu erhalten«. Zum Beispieldas Fraunhofer-Modell der erfolgsabhängigenGrundfinanzierung und die Organisationsstruk-tur, in der die Institute als selbstständig agie-rende Know-how- und Profit-Center arbeiten.Denn diese Prinzipien haben erst den Erfolg der Fraunhofer-Gesellschaft ermöglicht. Zudemwollte ich die Leistungsfähigkeit steigern, unteranderem durch eine bessere Informationsbereit-stellung, Verbreiterung rechnergestützter For-schungs- und Entwicklungsmethoden, Verstär-kung des nationalen und internationalen Wis-senschaftleraustauschs und gezielte Weiterbil-dungsmaßnahmen. Ein weiteres Ziel war es,mehr Vorlauf für mittelfristige Bedarfsschwer-punkte zu gewinnen.

Gab es besondere Herausforderun-gen, die Sie während Ihrer Präsi-dentschaft meistern mussten?

Es waren mehrere Aufgaben, die es zu meis-tern galt. Eine große Herausforderung war es,das quantitative Wachstum der Fraunhofer-Gesellschaft mit einem qualitativen zu verbin-den. Die Fraunhofer-Gesellschaft sollte von den anderen Forschungsorganisationen und in der Öffentlichkeit als eine Gleiche unter Glei-chen anerkannt werden. Außerdem stand derAufbau einer Corporate Identity an und schließ-lich galt es, einen deutlichen Beitrag zur Deut-schen Einheit zu leisten.

In Ihre Amtszeit fiel die deut-sche Wiedervereinigung. Bereitskurz nach der Maueröffnung be-teiligte sich die Fraunhofer-Gesellschaft am Neuaufbau derWissenschaftslandschaft in denneuen Bundesländern. Welche Überlegungen standen da im Vor-dergrund?

In der DDR gab es in dem Bereich der Natur-und Ingenieurwissenschaften durchaus leis-tungsfähige Forschungs- und Entwicklungsgrup-pen. Es kam darauf an, den Menschen eine Per-spektive für ihre Tätigkeit und ihre Familien zugeben – zuerst in der freien DDR und dann imvereinigten Deutschland. Und es galt, sie alsneue Leistungsträger für Fraunhofer zu sichern.

Wie gelang die äußerst erfolg-reiche Integration der For-schungseinrichtungen und der Wissenschaftler?

Wir haben den administrativ üblichen, aber sehr zeitaufwändigen Weg zur Gründung vonInstituten deutlich abgekürzt. Dies haben wirmit Patenschaften und Außenstellen der Fraun-hofer-Institute erreicht, die auf Vorstands- undInstitutsebene beschlossen werden konnten.Weiter wurden die Mitarbeiterinnen und Mitar-beiter aus den neuen Bundesländern sofort und gleichberechtigt in die Fraunhofer-Gremieneinbezogen.

Bereits 1984 beschloss die Fraun-hofer-Gesellschaft in einem The-senpapier, Ausgründungen aus denInstituten zu unterstützen. Waswaren die Gründe dafür?

Innovationen sind erst mit ihrem Erfolg amMarkt abgeschlossen. Allerdings konnte nichtimmer eine Firma gefunden werden, die zeitnahden in Fraunhofer-Instituten erfolgreich geführ-ten Innovationsprozess am Markt vollendete.Deshalb waren unternehmerisch begabte Wis-senschaftler zunehmend bereit, dies durch eineFirmengründung selbst zu tun. Die Fraunhofer-Gesellschaft hat diesen Weg im Sinne ihrer ei-genen Zielsetzung gern gefördert.

Im gleichen Jahr wurde auch dererste Verbund gegründet, derFraunhofer-Verbund für Mikroelek-tronik. Was waren die Ziele?

Die Mikroelektronik war und ist eine Schlüssel-technik, die die Innovationsgeschwindigkeit sowohl bei Produkten als auch bei der Produkti-on, dem Vertrieb und der Unternehmensfüh-rung bestimmt. Die USA und Asien waren vonAnfang an Trendsetter. Deutschland und Europawollten und mussten eine eigene Kompetenz

auf diesem Feld halten. Die Fraunhofer-Gesell-schaft hatte – unterstützt durch die Bundes-länder – sechs wettbewerbsfähige Institute aufgebaut und wollte deren Leistungsfähigkeitdurch Zusammenarbeit und Abstimmung wei-ter stärken.

Wenn Sie heute eine Bilanz IhrerAmtszeit ziehen, wie würde sieaussehen?

Meine Tätigkeit für Fraunhofer begann 1966 alsSenatsmitglied – damals war die Fraunhofer-Ge-sellschaft das Schmuddelkind im Wissenschafts-bereich. 1969 übernahm ich die Leitung einesFraunhofer-Instituts und von 1970 an habe ichals Mitglied der »Gemeinsamen Kommission«gearbeitet. Von 1983 bis 1993 war ich als Präsi-dent tätig und habe danach als Betreuer vonDoktoranten und Diplomanden des alten Insti-tuts gearbeitet – das heißt, ich habe fast meinganzes Leben für die Fraunhofer-Gesellschaftgearbeitet. Deshalb greife ich als Bilanz – nichtnur für meine Arbeit, sondern auch für das Wir-ken meiner Nachfolger – eine Aussage unseresBundespräsidenten Horst Köhler auf. Er sagte:»Deutschland braucht Zukunft, Deutschlandbraucht Fraunhofer.«

Prof. Dr. Max Syrbe. © Fraunhofer

Prof. Dr. Max Syrbe 1983–1993 Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft

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Sie wurden 1993 zum Präsidentender Fraunhofer-Gesellschaft ge-wählt. 44 Jahre nach der Gründungarbeiteten dort etwa 8000 Perso-nen in 47 Instituten. Die Organi-sation erwirtschaftete erstmalsmehr als eine Milliarde Mark Um-satz. Mit welchen Zielen habenSie die Aufgabe übernommen?

Ein wichtiges Ziel war es, den Bezug zur Wirt-schaft und vor allem die Erträge aus der Wirt-schaft zu steigern. Ich bin der Ansicht, dass Innovationen nur in Zusammenarbeit mit derWirtschaft erreicht werden können. Ohne diese Kooperation bleiben Forschungsergebnis-se nur Erkenntnisse. Eine Innovation, sprich: ei-ne »Neuerung«, beschreibt aber die Umsetzungvon neuen Ideen in Produkte, Dienstleistungenund Strukturen. Erst wenn die neuen Erkennt-nisse in der Wirtschaft und Gesellschaft ange-wendet werden, findet eine Innovation statt.

Eine Ihrer Vorgaben war also dieSteigerung der Wirtschaftserträgeder Institute. Warum haben Siegerade hier angesetzt?

Es ist die besondere Aufgabe der Fraunhofer-Gesellschaft, eine Brücke zwischen der For-schung und der Wirtschaft zu bilden. Bei einerOrganisation, die angewandte Forschung be-treibt, sind Aufträge aus der Wirtschaft uner-lässlich. Denn die Wirtschaft hat den direktenKontakt zum Kunden und zum Markt. Sie weiß,was gefragt und benötigt wird. Während mei-ner Präsidentschaft gelang es der Fraunhofer-Gesellschaft, ihre Wirtschaftserträge deutlich zusteigern. Mein Ziel war es, dass etwa 40 Pro-zent des Umsatzes durch Aufträge aus der In-dustrie erwirtschaftet werden. Und das habendie Institute auch erreicht.

Sie haben den Aufbau von Verbün-den und Allianzen in der Fraunho-fer-Gesellschaft voran getrieben.Wo liegen die Vorteile einer Ver-bundstruktur?

Heute entsteht Fortschritt gerade in technischenGebieten vor allem zwischen den einzelnen Disziplinen. Das bedeutet aber auch, dass ver-schiedene Institute mit unterschiedlichen Kom-petenzen zusammenarbeiten müssen. Durch die Bildung von Verbünden und Allianzen ist esgelungen, die Kooperation zwischen den Insti-tuten zu verbessern.

Während Ihrer Amtszeit begann dieFraunhofer-Gesellschaft, sichauch international zu engagieren.Was waren die Gründe dafür?

Bereits unter dem Präsidenten Max Syrbe hatdie Fraunhofer-Gesellschaft begonnen, sich in-ternational zu etablieren. Das habe ich ausge-baut. Anfang der 90er Jahre haben wir die ers-ten Niederlassungen in den USA gegründet. DieGründe hierfür sind klar: Wenn unsere Partnerin der Wirtschaft global handeln, muss sich

auch die Fraunhofer-Gesellschaft internationalaufstellen. Wir brauchen internationale Erfah-rung, um ein kompetenter Forschungspartnerfür die Unternehmen zu bleiben.

In Ihre Amtszeit fällt die Inte-gration der GMD - Forschungszen-trum Informationstechnik GmbH.Warum haben Sie sich dafür starkgemacht?

In Deutschland sind wir gut darin, neue Er-kenntnisse zu sammeln. Allerdings hapert es oftan der Umsetzung in Produkte und Service –insbesondere im Bereich der Informations- undKommunikationstechnik. Um hier besser zuwerden, sollte die Forschungsorganisation GMDin die Fraunhofer-Gesellschaft integriert werden.Das Ziel war, Forschungserkenntnisse besserund schneller in der Wirtschaft umzusetzen undso Innovationen voranzutreiben.

Wenn Sie heute eine Bilanz IhrerAmtszeit ziehen, wie würde sieaussehen?

Während meiner Amtszeit befand sich dieFraunhofer-Gesellschaft nach wie vor in einerAufbauphase. Es ist uns gelungen, dem Ziel nä-her zu kommen, die Fraunhofer-Gesellschaft zueiner anerkannten Forschungsorganisation zumachen. 1949 wurde die Organisation als Hoff-nungsschimmer gegründet, um nach Zerstörungund Demontage Perspektiven für einen wirt-schaftlichen Neuanfang zu eröffnen. Aber dieGesellschaft musste viele Jahre um Anerken-nung und eine gesicherte Finanzierung kämp-fen. Erst in den 70er Jahren begann der Ausbauder Fraunhofer-Gesellschaft zu einer leistungsfä-higen Trägerorganisation für angewandte For-schung. Heute ist sie ein anerkannter Partnerund aus der Forschungslandschaft in Deutsch-land nicht mehr wegzudenken.

Prof. Dr. Hans-Jürgen Warnecke 1993-2002 Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft

Prof. Hans-Jürgen Warnecke. © Fraunhofer

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Herr Professor Bullinger, Sie haben 2002 das Amt des Präsiden-ten der Fraunhofer-Gesellschaftübernommen. In diesem Jahr betrugdas Finanzvolumen erstmals eineMillarde Euro. Insgesamt warenknapp 13 000 Mitarbeiterinnen undMitarbeiter beschäftigt. WelcheZiele hatten Sie bei Ihrem Amts-antritt?

Mein Ziel war es nicht, den Umsatz oder dieAnzahl der Mitarbeiter zu erhöhen. Mein Zielwar es vielmehr, die hervorragende Arbeit mei-ner Vorgänger weiterzutreiben. Darüber hinauswollte ich die Leistungsfähigkeit der Gesell-schaft steigern. Durch diese erhöhte Effizienz ist die Fraunhofer-Gesellschaft natürlich auchweiter gewachsen. Ich glaube, dass Wachstumfür Fraunhofer nicht ein originäres Ziel ist, son-dern dass es sich aus unserem Tun heraus ent-wickelt – darin unterscheiden wir uns von ei-nem Unternehmen.

Sie haben in der Fraunhofer-Gesellschaft einen neuen Stra-tegieprozess angestoßen. 2003 hat die Forschungsgesellschaftzwölf Leitinnovationen festgelegt- das sind Felder mit einem gro-ßen Marktpotenzial, in denenFraunhofer-Institute signifikantmitwirken. Später wurden die Perspektiven für Zukunftsmärktedefiniert. Wie wirkt dieser Strategieprozess?

Natürlich haben die Institute schon vor 2002 je-weils Strategien erarbeitet. Allerdings warendiese schwer zu vergleichen. Wenn man abergemeinsam mehr erreichen will, müssen diestrategischen Prozesse miteinander abgeglichenwerden. Darüber hinaus haben auch die Ver-bünde übergreifende Strategien entwickelt. Dasist der Bottom-up-Planungsprozess. Was jedochbis 2002 fehlte, war ein Top-down-Prozess. Dasheißt, die Institute und Verbünde konnten ihreEntwicklungsziele nicht mit den Zielen der ge-samten Gesellschaft abgleichen. Mit den Leitin-novationen haben wir – unter Einbindung desneuen Präsidiums, in dem die Fachkompetenzder Verbünde vertreten ist – einen Strategiepro-

zess für die gesamte Fraunhofer-Gesellschaftangestoßen. Diesen führen wir kontinuierlichweiter und beziehen dabei auch die Institute,die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie unsere Kuratoren ein. Heute haben wir einen Strategieprozess, der im Vergleich zu anderenForschungsorganisationen sehr ausgefeilt ist.Das hat uns geholfen, im Außenraum Profil zu gewinnen.

Lange Jahre hatte die Fraunhofer-Gesellschaft es schwer, sich alsanerkannte Forschungsorganisationzu behaupten. Welchen Stand hatFraunhofer heute?

Alle Präsidenten haben ihren Beitrag dazu ge-leistet, dass die Fraunhofer-Gesellschaft heutezu den anerkannten Forschungsorganisationenin Deutschland gehört. So hat zum Beispielmein Vorgänger Prof. Warnecke sehr viel für dasAnsehen der Fraunhofer-Gesellschaft in derWirtschaft getan. Davon profitieren wir heutenoch. Fraunhofer hat nicht eine so lange Traditi-on wie Max-Planck oder andere Forschungsor-ganisationen. Fraunhofer war gewissermaßender Emporkömmling. Durch die Anbindung derInstitute an die Universitäten, aber auch durch

die Kooperationen mit der Max-Planck-Gesell-schaft, dem Massachusetts Institute of Techno-logy MIT oder der Johns Hopkins University inBaltimore ist es uns gelungen, unser Profil imWissenschaftsbereich zu stärken. Auch im politi-schen Raum sind wir mittlerweile gut verortet.Fraunhofer arbeitet in vielen Gremien mit undengagiert sich auch in dem von der Bundes-kanzlerin Angela Merkel ins Leben gerufenenRat für Innovationen. Hier kommt es uns zugu-te, dass das Land Innovationen braucht.

In den vergangenen Jahren hat dieFraunhofer-Gesellschaft zahlrei-che Innovationscluster initiiertund aufgebaut. Was macht dieseCluster aus?

Grundgedanke der Cluster ist es, Stärken zustärken. Die Frage war: Mit wem können wirunsere Stärken ausbauen und wo? Am Beispieldes Innovationsclusters Optische Technologienin Jena lässt sich das Prinzip gut erklären. In Je-na gibt es das Fraunhofer-Institut für Ange-wandte Optik und Feinmechanik IOF, eine Uni-versität, die im Bereich optischen Technologiengut aufgestellt ist, und es ist mittelständischeIndustrie vorhanden. So lassen sich Grundlagen-forschung, angewandte Forschung und die Um-setzung in die Industrie miteinander verbinden.Ein Vorteil für uns ist die Finanzierung: Die Part-ner beteiligen sich jeweils zu einem Drittel anden Kosten des Clusters. Das ist etwas, was inden Finanzierungsmöglichkeiten der Fraunhofer-Gesellschaft liegt. Die Cluster haben sich sehrgut bewährt. Mittlerweile bauen auch andereOrganisationen Cluster auf. Und das Bundesfor-schungsministerium fördert Spitzencluster.

Fraunhofer wächst: In diesem Jahrkam die MeVis Research GmbH dazu,im Februar wurde die Gründung ei-nes neuen Instituts bekannt gege-ben, und die Forschungsgesell-schaft für Angewandte Naturwis-senschaften e.V. (FGAN) soll zuFraunhofer kommen. Was sind dieGründe für das Wachstum?

Bei der Aufnahme neuer Einheiten gilt immerfolgender Grundsatz: Wir bauen neue Einrich-tungen um Kerngruppen von hervorragendenMenschen auf. Wenn wir das Gefühl haben,

Prof. Dr. Hans-Jörg Bullinger. © Fraunhofer

Prof. Dr. Hans-Jörg Bullinger seit Oktober 2002 Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft

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dass diese zur Fraunhofer-Kultur passen, überexzellente wissenschaftliche Kenntnisse verfü-gen und auch bereit sind, mit der Wirtschaft zu-sammenzuarbeiten, schauen wir uns die Einrich-tungen näher an. Bei der Integration der MeVisgab es nicht nur einen Evaluationsprozess, son-dern wir haben offen mit den Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern gesprochen und ihnen dieFraunhofer-Grundsätze vorgestellt. Wir habensie gefragt, ob es zusammenpasst und es hathervorragend gematcht.

Wie sieht es bei der geplantenIntegration der FGAN aus?

Hier ist die Situation anders. Der Impuls zur In-tegration ging vom Verteidigungsministeriumaus. Die Idee ist es, die deutsche Sicherheits-und Verteidigungsforschung zu konzentrieren.Nach den Anschlägen vom 11. September stehtdie Sicherheitsforschung vor neuen Herausfor-derungen. So hat die Bundesregierung erstmalsein Forschungsprogramm zur Verteidigungsfor-schung mit Schwerpunkt Sicherheit aufgelegt.Die FGAN-Institute waren in der Vergangenheitvor allem in der Verteidigungsforschung aktiv.Der Aspekt der Sicherheitsforschung kommtnun noch hinzu. Auch hier haben wir viele Ge-spräche mit den Mitarbeitern geführt.

Warum hat Fraunhofer das Institutfür Windenergie und Energiesys-temtechnik IWES gegründet?

In dem neuen Institut fassen wir bereits vorhan-dene Aktivitäten in der Fraunhofer-Gesellschaftim Bereich Windenergie zusammen. Im Laufedes Jahres wird zudem das auf die Stromversor-gung aus regenerativen Quellen spezialisierte In-stitut für Solare Energieversorgungssysteme ISETin das IWES integriert. Ziel ist es, eine genügendgroße Einheit zu haben, um jetzt schnell aufdiesem aktuellen Forschungsgebiet voranzu-kommen. Der Bereich Windenergie ist ein gutesBeispiel dafür, wie wir unseren Strategieprozessausweiten. Im Konsens mit der Gesellschaftmüssen wir Zukunftsfelder für neue Institute fin-den. Ein Gebiet, das sich im Moment abzeich-net, ist die Elektromobilität. Gemeinsam mit denInstituten, die zu diesem Themenfeld etwas bei-tragen können, versuchen wir, die richtige Or-ganisationsform zu finden. In Zukunft wird dasIdentifizieren von solchen strategischen Themenan Bedeutung gewinnen. Natürlich werden wir

auch weiter die Augen offen halten, wo es her-vorragende Forschergruppen gibt, die zu Fraun-hofer passen.

Wie wird sich Fraunhofer in denkommenden Jahren entwickeln?

Wir müssen kontinuierlich prüfen, ob die Themen der Institute noch stimmen oder ob sie neue Themenfelder aufnehmen sollten. Aber auch die Gesellschaft insgesamt muss prüfen, ob sich Fraunhofer in neuen For-schungsgebieten engagieren soll. Ein Beispielaus der Vergangenheit ist das Gebiet Life Sciences. Als erkennbar wurde, dass sich hierein Megatrend entwickelt, hat die Fraunhofer-Gesellschaft in diesem Bereich Kapazitäten aufgebaut. Ein weiterer Megatrend sind erneu-erbare Energien. Hier ist Fraunhofer bereits hervorragend aufgestellt. Nun kommen neueFragestellungen hinzu, zum Beispiel die Frageder Energie-Speicherung. Hier müssen wir dievorhandenen Kompetenzen in der Fraunhofer-Gesellschaft noch besser bündeln. Künftig wer-den die Institute stärker unter der DachmarkeFraunhofer agieren. Wir müssen erkennen, dass das Netzwerk Fraunhofer ein großen Wertist und dass die Institute noch stärker sind,wenn sie im Verbund agieren.

Europa gewinnt an Bedeutung. Wiemuss sich Fraunhofer hier posi-tionieren?

Die ausländischen Erträge sind in den vergan-genen Jahren deutlich gestiegen. Heute kommtfast jeder fünfte Euro aus dem Ausland – zu einem erheblichen Maß aus Europa. Wir sind ei-ne deutsche Forschungsgesellschaft: UnsereAufgabe ist es, die deutsche Wirtschaft zu stär-ken. Aber je mehr aus Europa eine vereinigteEuropäische Gemeinschaft wird, desto mehrmuss auch aus der deutschen Fraunhofer-Ge-sellschaft eine europäische werden. Wenn manaber die Geschwindigkeit dieses Einigungspro-zesses sieht, haben wir hier noch etwas Zeit.Fraunhofer arbeitet mit zahlreichen anderen eu-ropäischen Forschungsorganisationen zusam-men. Schritt für Schritt sollen die vorhandenenFraunhofer-Aktivitäten ausgebaut werden. Aneinzelnen Punkten wollen wir künftig auch dieChance nutzen, eigene Institute aufbauen. Die-sen Prozess haben haben wir in Portugal mitUnterstützung der portugiesischen Regierung

begonnen. Und gerade wurde Fraunhofer-Österreich gegründet.

Die Weltwirtschaft steckt in ei-ner großen Krise. Wirkt sich dasauch auf die Fraunhofer-Gesell-schaft aus?

Die Krise bewegt uns. Wir bekommen ja mit,welche gravierenden Auswirkungen sie auf un-sere Kunden hat. Was wir feststellen, ist, dasssich die Inhalte unserer Aufträge sehr stark ge-wandelt haben. Die Kunden wünschen keineEntwicklungen mehr, die eine Technologie-Roadmap bis 2030 haben. Unsere Entwicklun-gen sollen bereits in diesem oder spätestens imkommenden Jahr greifbare Ergebnisse zeigen.Das Erfreuliche ist, dass die Fraunhofer-Mitar-beiterinnen und -Mitarbeiter in der Lage sind,solche Aufträge zu erfüllen. Derzeit haben wirmehr Aufträge als im Vorjahr, in dem wir einAllzeithoch aller betrieblichen Kennzahlen hat-ten. Was aber passieren kann, ist, dass die Kun-den in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenund nicht mehr zahlen können. Wir stellen fest,dass viele Firmen begriffen haben, dass man nurmit Forschung und Entwicklung und reduziertenKosten aus der Krise kommt.

60 Jahre sind ein Alter, in demviele Menschen beginnen, sich mit ihrem künftigen Ruhestand zubeschäftigen. Wie kann es derFraunhofer-Gesellschaft gelingen,auch künftig ein attraktiver Forschungspartner zu sein?

Die Fraunhofer-Gesellschaft hat einen großenVorteil: Uns gelingt es immer wieder, junge mo-tivierte Mitarbeiter zu gewinnen. Die meistenWissenschaftler arbeiten fünf bis zehn Jahre beiFraunhofer und gehen dann in die Forschungoder die Wirtschaft. Das Erfolgsgeheimnis vonFraunhofer waren, sind und bleiben auch in Zu-kunft die Mitarbeiter. Sie müssen bei uns eineUnternehmenskultur, einen Wertekanon undKarrieremöglichkeiten finden, damit sie sich hierentfalten können. Ein wichtiger Aspekt derWertschöpfung ist die Wertschätzung. Wennuns das gelingt, dann werden wir auch in Zu-kunft neue Themen und neue Marktsegmenteerschließen und auch mit 80 oder 100 Jahrenein attraktiver Forschungspartner sein.

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»Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben bei Fraunhofer die Möglich-keit, in interdisziplinären Teams und mit einer hoch-wertigen Ausstattung an Lösungen für ein besseres Leben zu arbeiten.«

Prof. Dr. Dr. Ann-Kristin Achleitner, Technische Universität München

60 JAHRE IM AUFTRAGDER ZUKUNFT.

www.fraunhofer.de

Foto: Matthias Heyde

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Die Deutschen sind Weltmeister im Exportieren.Autos, Medizintechnik, Werkzeugmaschinen,hochqualitative Kameras »Made in Germany«sind auf der ganzen Welt gefragt. Aber nichtnur Produkte, auch Forschungsleistungen sindExportschlager, weiß Dr. Georg Rosenfeld, Leiterder Hauptabteilung Unternehmensentwicklungbei Fraunhofer: »Die Bilanz ist positiv: Ausländi-sche Unternehmen investieren mehr in deutscheForschung, als einheimische Unternehmen imAusland für Forschung und Entwicklung ausge-ben. Fraunhofer profitiert von diesen Investitio-nen: 140 Millionen Euro wurden 2008 im Aus-land erwirtschaftet. Das bedeutet, dass – direktbei Fraunhofer – 1700 Arbeitsplätze in Deutsch-land durch die Auslandsaktivitäten unserer Insti-tute finanziert werden. Für unser KerngeschäftAuftragsforschung heißt das: Jeden fünftenEuro zahlt ein ausländischer Auftraggeber.«

Fraunhofer ist international geworden: Inner-halb der vergangenen Jahre wurden Represen-tative Offices in Brüssel, Dubai, Moskau, Seoul,Jakarta, Peking und Tokio gegründet. Forscheraus den deutschen Instituten arbeiten in Europain Projektgruppen mit polnischen, ungarischen,russischen, österreichischen, portugiesischen,griechischen und französischen Kollegen zusam-men. In den USA gibt es sieben Fraunhofer-Forschungszentren unter dem Dach der Fraun-hofer USA Inc. »Hier geht es um weit mehr als ums Geldverdienen«, erklärt Rosenfeld: »Für die Auslandsaktivitäten der Fraunhofer-Gesellschaft sprechen vor allem strategische

Gründe – personelle, organisatorische und for-schungspolitische.«

Präsenz im Ausland schafft Zugang zu exzellenten Ideen

Die Globalisierung hat die Welt verändert. DieZeit der rein national agierenden Forschungsor-ganisationen ist vorbei: Wer im internationalenWettbewerb um die besten Ideen und Mitarbei-ter die Nase vorne haben will, der muss dortvertreten sein, wo die kreativen Köpfe sind: Anden besten Universitäten und Forschungsein-richtungen der Welt. Fraunhofer-Forscher erar-beiten zusammen mit Medizintechnikern derberühmten amerikanischen John Hopkins Uni-versität in Baltimore den Operationssaal der Zukunft. Bei der Entwicklung von verlässlichenMethoden des Risikocontrolling für die Finanz-wirtschaft kooperieren Fraunhofer-Mathemati-ker mit der Universität Cambridge, einer derführenden Einrichtungen in Europa und derWelt. Am neuen Center for Sustainable EnergySystems CSE in Boston arbeiten Experten vonFraunhofer mit Wissenschaftlern vom renom-mierten Massachusetts Institute of TechnologyMIT zusammen. Mit den anwendungsorientier-ten Carnot-Instituten in Frankreich arbeiten dieFraunhofer-Institute mittlerweile in vielen Pro-jekten zusammen. »Fraunhofer ist heute einge-bunden in ein internationales Exzellenznetz-werk. Dieses Netzwerk sichert uns ein sehrhohes wissenschaftliches Niveau und schafftgleichzeitig Zugang zu hochqualifizierten Mit-

arbeitern. Es handelt sich um eine typische Win-win-Situation«, resümiert Fraunhofer-PäsidentHans-Jörg Bullinger.

Immer mehr Kunden erwartenAuslandserfahrung

Von den Erfahrungen, die Mitarbeiter bei ihrenProjekten mit ausländischen Partnern machenprofitieren auch die 57 Fraunhofer-Institute inDeutschland: »Bei der Akquisition neuer Projek-te ist Auslandserfahrung ein Pluspunkt. UnsereAuftraggeber in der Wirtschaft denken globalund erwarten, dass auch wir es tun. Viele pro-duzieren im Ausland oder haben dort Kunden,andere wollen erst noch außerhalb Deutsch-lands Fuß fassen. Doch alle erwarten von uns,dass wir uns in diesen Ländern auskennen –dass wir die Kultur kennen, die markttypischenBesonderheiten, die richtigen Ansprechpartner.Dieses Know-how bekommen sie nur von Leu-ten, die selbst vor Ort gearbeitet und Kundenbetreut haben«, so Bullinger. Und auch die Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter selbst profitieren:Für viele ist Fraunhofer die Durchgangsstationzu anspruchsvollen Tätigkeiten in der Wirtschaft.Da ist Erfahrung in Auslandsmärkten ein echterPluspunkt.

Tatsächlich hat Fraunhofer hier einiges zu bie-ten: Vom Nordkap bis nach Südafrika, von Chilebis nach Indien, China und Japan gibt es Ko-operationen oder Projekte mit Fraunhofer-Insti-tuten. Viele sind zusätzlich vernetzt mit den Eli-

Forschung alsExportschlagerForschung kennt keine Grenzen: Bereits heute erwirtschaftetFraunhofer 140 Millionen Euro im Ausland – ein Neuntel desForschungsbudgets. Die meisten Kunden und Kooperationspart-ner stammen aus der EU. Fraunhofer ist damit auf dem bestenWege, sich zu einer europäischen Forschungsorganisation zuentwickeln.

Text: Monika Weiner

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teuniversitäten der Welt. »Die engen Verbin-dungen in die wirtschaftlich aufstrebenden Re-gionen und die Zusammenarbeit mit den Exzel-lenzzentren garantieren nicht nur erstklassigeForschungsergebnisse, sondern helfen uns auch,Trends frühzeitig zu erkennen und uns zu posi-tionieren«, erläutert Rosenfeld. »Wir beobach-ten ständig den globalen Forschungsmarkt undsetzen Schwerpunkte.« Derzeit steht seiner An-sicht nach Europa an erster Stelle; USA würdenauch weiterhin wachsen; Asien nehme an Be-deutung zu, wobei Japan, Korea und China diewichtigsten Partner seien.

Die Einkünfte, die Fraunhofer durch Projekte miteuropäischen Partnern erzielt, haben sich in denvergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt:1997 waren es noch knapp 40 Millionen Euro,2007 bereits 97 Millionen Euro. Etwa die Hälftedavon entfällt auf Projekte, die von der EU-Kommission finanziert wurden und werden. »Eshandelt sich um eine aus unserer Sicht äußerstpositive Entwicklung«, sagt Rosenfeld. DurchAuftragsforschung, Beteiligung an europäischenVerbundprojekten, Vernetzung mit exzellentenPartnern öffne sich Fraunhofer neues Wissenund ergänze das Angebotsportfolio in Koopera-tion mit den europäischen Nachbarn.«

Fraunhofer als europäischeForschungseinrichtung?

Wir sind auf dem Weg, eine europäische For-schungseinrichtung zu werden«, resümiert Ro-senfeld. In der »Europastrategie 2020« hatFraunhofer als Ziel definiert, dass Auftragsfor-schung für europäische Kunden zukünftig zumTagesgeschäft ihrer Institute gehört und in die-sem Sinne europäisch agiert. In Österreich undPortugal werden derzeit die ersten europäischenTochtergesellschaften gegründet. In den nächs-ten Jahren werden neue Fraunhofer-Projekt-gruppen und Kooperationen mit Forschungs-partnern in Europa dazukommen. »Nicht nurunsere Forscherinnen und Forscher, auch Fraun-hofer als Organisation wird dabei lernen undsich weiterentwickeln«, erklärt Rosenfeld: »Ichglaube, dass wir als große Einrichtung für ange-wandte Forschung in Europa auch eine beson-dere Verpflichtung haben, den europäischenForschungsraum aktiv zu gestalten.«

Europa vorn: In der EU erwirtschaftet Fraunhofer die meisten Erträge. © EC

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Materialprüfung XXL: In einer eigens errichteten 85 Meterlangen und 25 Meter hohen Halle lassen sich die Rotor-blätter von Windkraftanlagen prüfen. © Fraunhofer IWES

Mit Windkraft vorausWindkraft ist im Aufwind: 2007 investierten die Europäer 13 Milliarden Euro in neue Anlagen. Zehntausende von Windanlagen sind bereits in Betrieb, weitere in Planung. Damit sie auch zuverlässig funktionieren, entwickeln interdisziplinäre Teams neue Technologien für Bau, Qualitäts-sicherung und Wartung.

Text: Monika Weiner

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Ökostrom ist im Trend: Bei der Nutzung von Sonnen-, Wind-und Wasserenergie entstehen keine giftigen Abgase, keineradioaktiven Abfälle, keine Treibhausgase. Umweltschützerfordern schon lange mehr Ökostrom. Mittlerweile unterstüt-zen auch Politiker die sanfte Energie: Bis 2020 sollen in derEU 20 Prozent – statt wie noch 2005 fünf Prozent – desEnergieverbrauchs durch regenerative Energien gedeckt wer-den – so hat es der Europäische Rat im Dezember 2008 be-schlossen. Für das Jahr 2020 wird deutschen Unternehmen,die regenerative Energiequellen erschließen, ein Umsatz von24 bis 30 Milliarden Euro prognostiziert.

Vor allem die Windenergie boomt: Zwei Drittel der »SanftenEnergie« sollen künftig Windräder liefern. Der Gesamtumsatzder Branche betrug bereits 2007 15,4 Milliarden Euro. Deut-sche Hersteller und Zulieferer hatten daran einen Anteil von37 Prozent und sind somit Marktführer. Wenn die Voraussa-gen der European Wind Energy Association zutreffen, wirdsich die Zahl der Jobs im Windenergiesektor von 2007 bis2020 europaweit auf mehr als 300 000 verdoppeln. DieDeutschen Unternehmen rechnen mit Umsätzen von 16 bis20 Milliarden Euro.

Die ständig wachsende Zahl von Windparks ist eine enormeHerausforderung für Ingenieure und Techniker: Immer mehrAnlagen müssen geplant, produziert, montiert und gewartetwerden. »Um den gesamten Lebenszyklus einer Windkraftan-lage zu erfassen und zu optimieren, braucht man interdiszip-linäre Teams, in denen Anlagenbauer, Produktionstechniker,Entwickler von zerstörungsfreien Prüfverfahren und Mathe-matiker, die die Stromausbeute simulieren, zusammenarbei-ten«, erklärt Dr. Mario Ragwitz vom Fraunhofer-NetzwerkWindenergie. »Die Fraunhofer-Institute verfügen über exzel-lente Fachleute in all diesen Disziplinen. Seit der Gründungdes Netzwerks 2005 arbeiten Expertengruppen aus zehn In-stituten erfolgreich zusammen.«

In der Bundesrepublik gibt es mittlerweile 20 000 Windkraft-anlagen. Sie lieferten im vergangenen Jahr 41 000 Gigawatt-stunden – sechs Prozent des Gemsamtenergieverbrauchs. Dieregenerative Energie schont dabei nicht nur Klima und Um-welt, sondern auch die Geldbeutel der Verbraucher, dennWindenergie senkt die Strompreise. Zu diesem Ergebniskommt eine Studie, die Forscher vom Fraunhofer-Institut fürSystem- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe durchge-führt haben. Die Preissenkung ist das Ergebnis eines komple-xen Zusammenspiels: Verglichen mit Gas- oder Kohlekraft-werken, haben Windkraftanlagen sehr geringe Betriebskos-ten. Diese wiederum sind entscheidend für die Berechnungdes Strompreises: Je niedriger sie sind, desto billiger wird dieKilowattstunde. Die Folge: An windigen Tagen müssen dieteuersten Kohle- oder Gaskraftwerke, welche den Preis ander Strombörse bestimmen, heruntergefahren oder abge-schaltet werden – die lohnen sich nicht mehr. »Das Vorurteil,Windenergie führe zu hohen Strompreisen, ist damit wider-legt«, resümiert Ragwitz. Dass der Verbraucher von dieserEntlastung bisher nichts gemerkt hat, obwohl in den vergan-genen Jahren immer mehr Windkraftanlagen ans Netz gin-

gen, hat seiner Ansicht nach einen einfachen Grund: »DiePreise für fossile Energie sind im selben Zeitraum so stark ge-stiegen, dass die durch Windenergie verursachte Verbilligungvon den Verbrauchern nicht registriert wurde.«

Mit interdisziplinärer Kompetenz einenneuen Markt erobern

»Sowohl die politischen Rahmenbedingungen als auch dieaktuelle Preisentwicklung sprechen dafür, dass die Nachfrageweiter steigen wird«, prognostiziert Dr. Hans-Gerd Busmann,kommissarischer Leiter des im Januar gegründeten Fraun-hofer-Instituts für Windenergie und EnergiesystemtechnikIWES in Bremerhaven. Unter dem Dach des neuen Institutswerden künftig Experten verschiedener Disziplinen zusam-menarbeiten: Die Ingenieure vom früheren Fraunhofer-Cen-ter für Windenergie und Meerestechnik CWMT in Bremerha-ven bringen ihre Erfahrungen in Materialprüfung und Simu-lation mit ein, während die Forscher vom Institut für SolareEnergieversorgungstechnik ISET in Kassel spezialisiert sind aufelektrotechnische Fragestellungen. »Die Gruppen ergänzensich hervorragend«, sagt Busmann. »Gemeinsam können wirein Kompetenzzentrum bilden, das alle Dienstleistungen vonEntwicklung und Bau der Komponenten bis hin zu Betriebs-steuerung und Prüfung anbietet.«

Tatsächlich decken die Forscher ein breites Spektrum ab: DieIngenieure in Kassel sind spezialisiert auf die Netzintegrationvon Kraftwerken und prognostizieren mit Hilfe von Compu-tersimulationen die Stromproduktion. Solche Hochrechnun-gen helfen, fossile Rohstoffe zu sparen: Wenn die Betreibervon Gas- oder Kohlekraftwerken vorher wissen, wann Wind-kraftanlagen Strom liefern, können sie die Produktion recht-zeitig drosseln. Mittlerweile lassen sich mit Computerpro-grammen die Leistungen von Windkraftanlagen 24 Stundenim Voraus sehr genau vorhersagen.

Damit die Anlagen auch tatsächlich die theoretisch errechne-ten Leistungen erbringen, müssen sie in technisch einwand-freiem Zustand sein. Schon kleine Materialfehler können ver-heerende Folgen haben. Die Prüfung der Bauteile – allenvoran der 70 Meter langen Rotorblätter – ist eine Wissen-

Die Institute im Fraunhofer-Netzwerk Wind

– Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystem-technik IWES

– Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und-automatisierung IFF

– Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS/EAS– Fraunhofer-Anwendungszentrum Systemtechnik IITB/AST – Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE– Fraunhofer-Institut für System- und

Innovationsforschung ISI– Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschafts-

mathematik ITWM– Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren IZFP– Fraunhofer-Institut für Holzforschung WKI

Christa Schraivogel
IWES
Christa Schraivogel
IFF
Christa Schraivogel
IIS/EAS
Christa Schraivogel
IITB/AST
Christa Schraivogel
ISE
Christa Schraivogel
ISI
Christa Schraivogel
ITWM
Christa Schraivogel
IZFP
Christa Schraivogel
WKI
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52 - ENERGIE weiter.vorn 2.09

schaft für sich. Die Fraunhofer-Ingenieure in Bremerhavensind spezialisiert auf die überdimensionalen Material- undZuverlässigkeitstests: In einer 85 Meter langen und 25 Meterhohen Halle können Dr. Arno van Wingerde und seine Kolle-gen Rotorblätter prüfen: Der zu untersuchende Flügel wirdan einem fest im Boden verankerten Betonblock festge-schraubt und dann mit Seilen unter Zug gesetzt. Um genaunachvollziehen zu können, wie sich das Rotorblatt unter Be-lastung verformt, haben die Wissenschaftler vom Fraunho-fer-Institut für Informations- und Datenverarbeitung IITB eineigenes Messsystem entwickelt und in Bremerhaven instal-liert: Auf dem zu prüfenden Rotorblatt und in der Halle wer-den Markierungen angebracht, die während des Versuchsvon einer Kamera registriert werden. Eine Software wertetdie Bilder aus, bestimmt die genaue Position der markiertenPunkte im Raum und berechnet, wo sich das Rotorblatt wieweit gebogen oder verdreht hat. »Diese Informationen sindwichtig, um daraus Rückschlüsse auf Materialbelastungenund mögliche Schadensursachen zu ziehen«, erklärt Dr. Mar-tin Ruckhäberle vom IITB.

Fünfzehn Meter Verbiegung muss ein 70 Meter langes Blattunbeschadet aushalten, damit es den Sicherheitsanforderun-gen entspricht. »Unsere Prüfeinrichtung ist eine der größtender Welt«, erklärt Dr. Holger Huhn vom IWES. »Das Interesseder Rotorblatthersteller an einer Nutzung des Prüfstands istenorm hoch.« Auch die dynamische Belastung können dieForscher in Bremerhaven simulieren: Das Rotorblatt wird ein-gespannt und mit Hilfe von Hydraulikzylindern in Schwin-gung versetzt. »Durch Nutzung der Eigenfrequenz erzeugenwir große Biegeverformungen, die mit den Verformungen ander Windenergieanlage vergleichbar sind. Während einesPrüfzyklus von mehreren Millionen Schwingungen wird dasBlatt immer wieder inspiziert, damit wir feststellen können,ob die Beanspruchung Schäden im Material hervorgerufenhat«, berichtet Huhn. Um in einem zyklischen Schwingungs-test mehrere Zonen eines Rotorblattquerschnitts gleichzeitigzu prüfen, entwickeln die Forscher derzeit ein mehrachsigesTestsystem. Es soll in einer kürzeren Zeit und mit geringeremEnergieaufwand als bei der bisherigen Prüfmethode zuverläs-sige Ergebnisse liefern.

Die Anforderungen der Zukunft simulieren

Die Qualitätsanforderungen der Industrie werden in dennächsten Jahren steigen, davon sind die Forscher am IWESüberzeugt. »Platz wird immer knapper. Es ist nur noch eineFrage der Zeit, bis Deutschland Windparks in die Nordseebaut«, sagt Hans-Gerd Busmann. »Im Offshore-Bereich gel-ten jedoch andere Gesetze als an Land: Die Anlagen müssenso geplant und gebaut werden, dass sie Jahre bis JahrzehnteWind, Wetter und Wellen trotzen. Man braucht Verankerun-gen für die Türme, die sogar einer Sturmflut standhalten. Esgilt, neue Konzepte für die Wartung zu entwickeln, denn In-spektionen durch einen Prüfer, der mit dem Schiff kommen,den Turm besteigen und sich dann auch noch an den Rotor-blättern abseilen muss, sind – witterungsbedingt – nur anwenigen Tagen im Jahr möglich.«

Die Ingenieure an den verschiedenen Instituten entwickelnbereits jetzt die Technologien für den Offshore-Markt vonmorgen: Am Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfver-fahren IZFP entwickelt Bernd Frankenstein mit seinem TeamSensoren, die Materialermüdungen frühzeitig erkennen.»Diese Sensoren detektieren im Rotorblatt Verbiegungen,und sie registrieren kleine Brüche im Material.« Auf der Han-nover Messe zeigen die Forscher, wie sich mit Hilfe der Sen-sormessungen größere Schäden voraussagen lassen: Ein Ro-torblattsegment wird unter Druck gesetzt. Bevor es zerbricht,hört man ein Knacken. Auf der Oberfläche befestigte Senso-ren registrieren das Geräusch und schlagen – wenn das Kna-cken einen bestimmten Wert übersteigt – Alarm. »Die Sen-sormessungen sind für das Langzeitmonitoring auf See gutgeeignet, weil sie kostengünstig und – wenn die Sensoren indie Glasfaserlaminate integriert werden – absolut wetterbe-ständig sind«, so Frankenstein.

Andere Forschergruppen arbeiten an Prüfgeräten, die mit Ul-traschall oder Licht (siehe dazu Artikel auf Seite 54). Defektein den Rotorblättern aufspüren. »Neben den Rotorblätternsteht die Tragstruktur der Offshore-Anlagen im Fokus derWissenschaftler«, berichtet Huhn: »Die ‘Aeroelastische Simu-lation’ von Offshore-Windanlagen, die wir zusammen mitdem Ingenieurbüro Aero Dynamik Consult weiter entwickelthaben, erlaubt uns das Zusammenspiel von Baugrund, Wind-und Wellenlasten durch Finite Elemente zu berechnen. Mitunserem Produkt haben wir im internationalen Vergleich ei-nen Spitzenplatz erreicht. Ziel ist es, die technische Zuverläs-sigkeit von Windenergieanlagen durch eine optimierte Ge-samtsimulation zu verbessern und dadurch Offshore-Wind-parks besser planbar zu machen.«

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Übermenschlich: Bei der Prüfung von Material und Zuverlässigkeit sindenorme Kräfte im Spiel. Die Rotorblätter müssen daher fest in der Wandverankert werden. © Fraunhofer IWES

Christa Schraivogel
www.fraunhofer.de/audio:
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54 - ENERGIE weiter.vorn 2.09

Auf den ersten Blick betrachtet, wirkt das Rotorblattmakellos. Doch Otto Lutz weiß, dass auf äußere Schönheitkein Verlass ist. Er klopft die Oberfläche ab, lauscht. DerSachverständige hat Tausende von Rotorblättern geprüft unddabei ein Ohr entwickelt für die Töne, die beim Abklopfeneines Rotorblatts entstehen: Ein satter, tiefer Ton entsteht,wenn das Laminat homogen ist, ein eher flacher, hohler Tondeutet auf Unstetigkeiten im Material hin. Lutz streicht überdie Oberfläche: Erhebungen deuten auf oberflächennaheDelaminationen und Hohlstellen hin. Viele Materialfehler las-sen sich auf diese Weise aufspüren – aber nicht alle.

Fehler im Material sind gefährlich. Sie können, wenn das Ro-torblatt den Belastungen des Alltags ausgesetzt wird, zu me-chanischen Spannungen führen, zum Aufreißen des Laminatsund unter Umständen um Bruch. Daher werden hohe Anfor-derungen an die Produktion gestellt: Bei der Herstellung ei-nes 60 Meter langen Rotorblatts müssen Hunderte von Glas-faser-Matten oder -Gewebestreifen plan aufeinandergelegtund im Vakuum mit speziellen Harzen verklebt werden.»Schon kleine Fehler und Unregelmäßigkeiten können dazuführen, dass sich Luftblasen, Wellen oder Falten bilden«, er-klärt Dr. Hiltrud Brocke vom Fraunhofer-Institut für Holzfor-schung, Wilhelm-Klauditz-Institut WKI in Braunschweig.

Zusammen mit ihren Kollegen hat die Forscherin ein Verfah-ren entwickelt, das Fehler sichtbar macht: »Die Infrarot-Ther-

mographie ist für die Materialprüfung gut geeignet, denn sieist schnell, verhältnismäßig preisgünstig und verursacht keineSchäden«, so Brocke. »Die Oberfläche wird nur kurz mit einem Infrarotstrahler erwärmt, anschließend kann man mit einer Spezialkamera sichtbar machen, wie sich die Wärme-front im Material ausbreitet. Stößt die Front beispielweiseauf Lufteinschlüsse oder Delaminationen, wird sie gestaut,weil sich Wärme in Luft schlechter ausbreitet als in festemLaminat.« Mit der Infrarot-Thermographie können die For-scher jetzt einige Zentimeter tief in das Material hineinsehen.Dabei werden alle Einschlüsse sichtbar, die eine andere Wärmeleitfähigkeit haben als Glasfaser: beispielsweise Luft,Metall oder Wasser. Auf der Hannover Messe zeigen die For-scher, wie sich mit der Technik verschiedene Fehler in einemStück Rotorblatt aufspüren lassen.

»Ein großer Vorteil des Systems ist, dass wir damit zum Kun-den fahren können«, ergänzt Brocke. »Das Equipment, beste-hend aus Infrarotstrahler, Kamera und Rechner, passt in denKofferraum eines PKWs. Wir haben damit bereits Rotorblät-ter während der Fertigung geprüft, am Ende des Transport-wegs und nach der Montage.« Derzeit arbeiten die Fraun-hofer-Forscher zusammen mit dem SachverständigenbüroOtto Lutz an einer einfach zu bedienenden Thermographie-Messstation, mit der Prüfer Defekte, die unter einer makello-sen Oberfläche verborgen sind, schneller und zuverlässigerals bisher aufspüren können.

Risse, Lufteinschlüsse, Delaminationen – Wärme macht Materialfehler in Rotorblättern sichtbar.

Text: Monika Weiner

Verräterische Wärme

Mit der Wärmefluss-Thermographie können die häufigsten Fehler, wie Risse,Verklebungen oder Lufteinschlüsse, gefunden werden. © Fraunhofer WKI

Christa Schraivogel
WKI
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56 - ENERGIE weiter.vorn 2.09

20-20-20: Wer bei dieser Zahlenkombination andie Maße eines besonders mageren Modelsdenkt, liegt falsch. Die Zahlen sind vielmehr dieKurzform für ein Umweltziel der EuropäischenUnion: Bis 2020 sollen Energieverbrauch undEmissionen um 20 Prozent gesenkt und 20 Pro-zent des Energiebedarfs über regenerative Ener-giequellen gedeckt werden. Eine intelligenteVerknüpfung von Stromerzeugern, Netzen undVerbrauchern soll dabei helfen: Das »SmartGrid« wird alle Akteure verbinden, alternativeEnergiequellen optimal nutzen, Belastungsspit-zen ausgleichen und einen konstanten Energie-fluss sichern, so als gäbe es kein Wetter undkeine Tageszeiten.

Noch ist dieses »Smart Grid« eine Vision. Dochdie Forscher arbeiten bereits an innovativenTechnologien und Konzepten für die Zukunft.Die Bundesregierung fördert die Entwicklungenim Projekt E-Energy, das im vergangenen Jahrauf dem IT-Gipfel der Bundeskanzlerin beschlos-sen wurde. Die insgesamt sechs Teilprojektewerden von den Bundesministerien für Wirt-schaft und Technologie BMWi sowie für Um-welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit BMUgefördert. An drei Teilprojekten sind Fraunhofer-Forscher beteiligt.

Wie ein Energie-Internet praktisch aussehenkönnte, untersuchen das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg unddas Fraunhofer-Anwendungszentrum AST in Ilmenau im Teilprojekt eTelligence. Das Ziel istes, ein halbes Dutzend Blockheizkraftwerke inCuxhaven so ins Netz einzubinden, dass derEnergieversorger EWE in Oldenburg damit Eng-pässe bei der Einspeisung erneuerbarer Energienausgleichen kann. Normalerweise liefern Block-heizkraftwerke kontinuierlich Wärme. Stromsteht damit hauptsächlich zur Deckung derGrundlast zur Verfügung. ISE und AST wollendie Anlagen jetzt so flexibel steuern, dass dieStromerzeugung hochfährt, wenn Bedarf bezie-hungsweise Vergütung hoch sind. Wird wenigerStrom im Netz benötigt, lässt sich die über-

Das »Smart Grid« verbindet Energieerzeuger und Kunden.Es hilft, alternative Energiequellen optimal zu nutzen undeinen konstanten Energiefluss zu sichern. © Fraunhofer

Energie verbindetEin intelligentes Stromnetz soll Erzeuger und Verbraucherenger miteinander verknüpfen und Energie einsparen – dasist das Ziel des E-Energy-Projekts der Bundesregierung.Auch Fraunhofer-Institute sind beteiligt an der Entwicklungdes »Internets der Energie«.

Text: Bernd Müller

Christa Schraivogel
ISE
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- 57ENERGIEweiter.vorn 2.09

schüssige Energie in einem Schwimmbad spei-chern: »Ein Temperaturband von einem Grad beider Wassertemperatur ist komfortabel für dieBadegäste und ermöglicht die Speicherung vonthermischer Energie im Megawattstundenbe-reich«, erläutert Dr. Christof Wittwer, Gruppen-leiter beim ISE. Über Wärmetauscher kann dieEnergie bei Bedarf zurückgewonnen werden.Die überschüssige Energie lässt sich aber auchals Kälte speichern: Die Aggregate der Kühlhäu-ser am Cuxhavener Fischmarkt verwandelnüberflüssigen Strom in Kälte – sie kühlen damitquasi auf Vorrat. Wenn der Strombedarf derVerbraucher wieder steigt, können die Kühlag-gregate abgeschaltet werden. Weil die Däm-mung gut und der Kälteverlust gering sind,kommen die Kühlhäuser bis zu einer Stunde ohne Strom aus.

Energie speichern im Schwimmbadoder Kühlhaus

Das eTelligence-Konzept soll sich durch das libe-ralisierte Marktmodell auch finanziell auszahlen:Auf einem virtuellen Marktplatz lassen sichStrom und Wärme ins Netz eingespeisen, wennBedarf und Strompreis gerade hoch sind. Sinktdie Nachfrage der Verbraucher – zum Beispielnachts – und damit auch der Preis, puffernSchwimmbad und Kühlhäuser die überschüssigeEnergie. Dieser Energiehandel soll eines Tagesvollautomatisch ablaufen. Die Forscher entwi-ckeln derzeit eine Datenbank, in der Informatio-nen über die Betreiber von Netzen beziehungs-weise dezentralen Energieanlagen, aber auchüber Kunden hinterlegt sind. Durch diese Da-tenbank werden eines Tages Erzeuger ihr Strom-profil für den Tag anbieten und an den Meist-bietenden verkaufen.

Auch das Stromnetz ist ein Akteur auf diesemvirtuellen Marktplatz. Die Liberalisierung desEnergiemarkts fordert von den Unternehmen eine wirtschaftliche Entflechtung von Erzeu-gung und Netz. »In einem intelligenten Strom-netz der Zukunft müssen der Netzbetrieb und

die Erzeugung besser aufeinander abgestimmtsein. Mit reguliertem Netzbetrieb lassen sich die Nachteile der Liberalisierung beheben«, erklärt Dr. Peter Bretschneider vom AST in Il-menau. Bretschneider entwickelt eine Software,die das physikalische Netz auf dem virtuellenMarktplatz abbildet. So sollen künftig kurzeTransportwege durch eine flexible Berechnungder Netznutzungsgebühr besser gestellt wer-den, um das Pendeln großer Energiemengendurch halb Europa und damit die Netzbelas-tung zu begrenzen. Auch rechtliche Fragen sind dabei zu beachten.

Klappt alles wie geplant, ist das Netz der Zu-kunft nicht mehr nur ein Geflecht aus Kabeln,sondern koordiniert Einspeiser sowie Verbrau-cher über IT-Systeme und sorgt für einen gleich-mäßigeren Lastverlauf, der Verbrauchsspitzenvermeidet. Schon heute spielt Bretschneider solche Szenarien im Energielabor des AST in Ilmenau durch. Das Labor ist mit Energieanbie-tern beziehungsweise -konsumenten verbundenund generiert daraus Steuersignale für einemöglichst effiziente Energienutzung. Noch würden die Steuersignale nur virtuell gesendet,sagt Bretschneider, »wir tun so, als ob«. Ein weiterer Aspekt, der im Labor untersucht wird,sind Schutzmaßnahmen gegen Stromausfälle.Bisher floss der Strom immer nur in eine Rich-tung – vom Kraftwerk zum Verbraucher –, inZukunft muss das Netz Energie überall hintrans-portieren können. Die Forscher entwickeln derzeit die hierfür notwendigen mathemati-schen Algorithmen.

Auch die Rolle der Verbraucher wird sich im»Smart Grid« verändern. Strom wird bislang zufesten Tarifen angeboten. Künftig müssen dieEnergieversorger differenzierte Tarife anbieten,die effizientes Verhalten belohnen – in Deutsch-land wird diese EU-Verordnung von 2010 anumgesetzt. Das Fraunhofer-Institut für Integrier-te Schaltungen IIS in Erlangen entwickelt im E-Energy-Teilprojekt Smart Watts ein intelligen-tes Steuerungssystem: Dieses Kommunikations-

Gateway ist modular mit dem Stromzähler ver-bunden und übermittelt Preissignale vom Ener-gieversorger bis ins Wohnzimmer des Kunden.Die einfachste Variante ist eine Stromampel: Rot bedeutet teurer Strom, Grün bedeutet billigerStrom – der Kunde entscheidet. Auf Wunsch ermöglicht die Weiterleitung von Preissignalenan intelligente Geräte im Haushalt einen auto-matisierten Betrieb – die Spülmaschine bei-spielsweise läuft nur dann an, wenn der Strombillig ist.

Abrechung von dezentral erzeugtenStrom inklusive

Und das ist noch nicht alles: Im Gegensatz zuherkömmlichen intelligenten Zählern, die schonauf dem Markt sind, unterstützt die Entwicklungaus Erlangen auch die Abrechnung von dezen-tral erzeugtem Strom – etwa einer Photovoltaik-anlage auf dem Dach oder eines Mikro-Block-heizkraftwerks im Keller des Kunden. Ver-brauchszähler für Gas, Wärme und Wasser las-sen sich mit anbinden. Eine Herausforderung fürdie Fraunhofer-Forscher ist die durchgängigeVernetzung der Komponenten über Hersteller-grenzen hinweg bis hinein in die Abrechnungs-systeme. Das Angebot an intelligenten Strom-zählern ist bisher durch unterschiedliche,untereinander unverträgliche Datenstandardsgeprägt. »Wir streben offene Standards an«,sagt Karlheinz Ronge vom IIS.

Dass die Stromkunden tatsächlich ihr Ver-brauchsverhalten ändern, will der Auftraggeberutilicount gemeinsam mit dem EnergieversorgerSTAWAG und weiteren Partnern in Aachennachweisen. In einem früheren Pilotversuch inKarlsruhe-Stutensee, der unter dem Slogan»Waschen mit der Sonne« vermarktet wurde,bekamen die Kunden den Strom sogar ge-schenkt, wenn sie ihre Waschmaschine nach einer Aufforderung per SMS einschalteten –und machten begeistert mit. Sebastian Gölz,Psychologe am ISE: »Wir wollen, dass Energie-sparen Spaß macht.«

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Fassaden als KraftwerkeFarbstoffsolarzellen in der Fassade sind günstiger als vergleichbare Produkte aus Silizium, gleichzeitig eröffnensie Architekten und Designern neue Gestaltungsmöglichkeiten.

Text: Claudia Treffert

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- 59ENERGIEweiter.vorn 2.09

Sonnenstrom ist blau. So war es schon immer,so ist es noch heute: Solarzellen aus Siliziumsind traditionell dunkelblau. Große Flächen wir-ken zwangsläufig etwas düster und wenig ab-wechslungsreich. Kein Wunder, dass Architektenbisher kaum Solarzellen nutzen, um Fassaden zugestalten. Dabei wären die sonnenbeschiene-nen Außenwände hoher Gebäude durchaus ge-eignet, um Solarstrom zu gewinnen.

Farbstoffsolarzellen sollen diese Marktlückeschließen: »Sie lassen sich kostengünstig her-stellen und bieten Architekten völlig neue Ge-staltungsmöglichkeiten«, erklärt Andreas Hinschvom Freiburger Fraunhofer-Institut für SolareEnergiesysteme ISE. Zusammen mit seinemTeam arbeitet er seit zehn Jahren an der Ent-wicklung von Farbstoffsolarzellen. Kernstück der Zellen ist ein organischer Farbstoff, der innanokristalline Elektroden aus Titandioxid ein-gebettet ist. Dieser wandelt das auftreffendeLicht in elektrischen Strom um. Mittlerweile sindaus den ersten Labormodellen handfeste Proto-typen geworden: Die Freiburger Forscher habenProduktionsverfahren erarbeitet, Materialprüfun-gen durchgeführt, Werkstoffe getestet und im-mer weiter verbessert. Im Projekt »ColorSol –Nachhaltige Produktinnovationen durch Farb-stoffsolarzellen« arbeiteten die Freiburger For-scher dann auch mit Ingenieuren und Wissen-schaftlern aus Unternehmen und Forschungs-instituten zusammen. Gemeinsam haben sieFarbstoffmodule und Produktionsverfahren biszur Serienreife weiterentwickelt. »Es galt, An-wendungsfelder und Einsatzmöglichkeiten he-rauszuarbeiten, die Umweltwirkung der Zellenund Module abzuschätzen sowie ein Gestal-tungskonzept für eine umweltgerechte Produkt-entwicklung aufzuzeigen«, erläutert Claus Lang-Koetz vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirt-schaft und Organisation IAO in Stuttgart, dasdie Projektarbeiten koordinierte.

Die neuen Module sind für den Einsatz in Fassa-den attraktiv und können in mehreren Farbvari-anten hergestellt werden: Mit Filter und farbi-gen Pasten lässt sich die Oberfläche gestalten –je nach Wunsch des Kunden kann die Versiege-lungsstruktur hervorgehoben oder die Oberflä-che einheitlich gefärbt werden. »Durch Bedru-cken mit streuenden Schichten können wir

innerhalb der Module Bilder oder Schriftzügeeinarbeiten«, so Hinsch. »Das lässt sich ohnenennenswerten Leistungsverlust realisieren.«

Die Einsatzmöglichkeiten der Farbstoffmodulesind fast unbegrenzt: Nach Schätzungen der In-ternational Energy Agency eignen sich allein inEuropa, USA, Kanada und Japan 23 000 Qua-dratkilometer Fassadenfläche für die gebäude-integrierte Photovoltaik. »Selbst wenn für Farb-stoffsolarzellen davon nur 0,01 Prozent zur Ver-fügung stünden, würde sich der Aufbau vonProduktionskapazitäten lohnen«, meint SeverinBeucker vom Projektpartner Borderstep-Institutin Berlin. Zu den Gebäudefassaden kommendann noch sonnenbeschienene Flächen an Brü-cken, Stadien und Außentreppen. Auch hierkönnten Farbstoffsolarmodule für die Strompro-duktion angebracht werden.

Damit die neuen Module auch im großen Maß-stab gefertigt werden können, entwickeln dieForscher am ISE zusammen mit Kollegen amFraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO neue Verfahren für die Pro-duktion und Qualitätssicherung. Der achtstufigeHerstellprozess beginnt durch das Beschichtender Glasplatten mit einem transparenten, leit-fähigen Oxid. Die Schicht wird strukturiert undper Standard-Siebdruckverfahren mit den erfor-derlichen Materialien bedruckt. Nach dem Sin-tern folgen das Positionieren der beiden Glas-elektroden zueinander und das Fusen, bei demdie Glaslot-Stege miteinander verschmelzen.Schließlich werden die Farbstofflösung einge-füllt und die Öffnungen zum Befüllen versiegelt. »Alles in allem ist es ein kostengünstiger Pro-zess«, fasst Hinsch zusammen. »Und er ist ver-gleichsweise einfacher als entsprechende Pro-duktionsverfahren in der Siliziumtechnik.«

Dass der Herstellungsprozess auch zuverlässigist, beweisen Untersuchungen an Prototypen:Alterungstests haben gezeigt, dass das Glaslot,das die Platten miteinander verschweißt, dieempfindlichen Materialien im Inneren zuverläs-sig schützt. Die Forscher erwarten, dass Farb-stoffsolarmodule eine ähnlich lange Lebens-dauer haben wie andere Solarmodule. Auch In-door- und Outdoor-Leistungstests verliefen viel-versprechend: Die Farbstoffmodule steigertenbeim Aufheizen sogar ihre Effizienz – was ver-gleichbare Dünnschichtmodule nicht tun. Zu-dem nutzen Farbstoffzellen diffuses Licht besseraus und liefern selbst bei schlechterem Lichtein-

fall noch relativ gute Leistungswerte. Insgesamtsind die Forscher mit der Leistung allerdingsnoch nicht ganz zufrieden, sagt Lang-Koetz:»Der im Projekt gemessene Wirkungsgrad derModule liegt momentan bei fünf Prozent. Aberschon allein wenn sich die Drucktechnik verbes-sert, wird er steigen. Das ließe sich in einem Pi-lotprojekt durchaus realisieren.« In einem sol-chen Zusatzprojekt könnten die Module auchgleich zertifiziert werden.

Positive Ergebnisse brachten auch die Bewertun-gen der Umweltwirkung und der Umweltver-träglichkeit: Die verwendeten Materialien habeneine positive Ökobilanz, und die Module amorti-sieren sich schnell. Die Forscher sind daher zu-versichtlich, dass sich die Farbstofftechnik – vorallem in der Baubranche – schon bald durchset-zen wird: Farbstoffsolarzellen liefern zwar weni-ger Strom als Module aus Silizium, doch sie sindbilliger in der Produktion – tatsächlich sollen sienicht viel mehr kosten als herkömmliche Glas-fassaden – und lassen sich dazu noch gestalte-risch einsetzen.

Der Boom der dekorativen Solartechnik sollschon bald beginnen: »Bis 2010 erwartet dieEuropean Photovoltaic Industry Association EPIAerste Produktionsmöglichkeiten für Farbstoffso-larzellen«, weiß Andreas Hinsch.

Zwischen zwei Glasplatten befindet sich die für dieStromproduktion relevanten Schichten. © Zuckerfabrik

Die Projektpartner des ColorSol-Projekts

– Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaftund Organisation IAO, Stuttgart (Koordina-tion, Anwendungsszenarien, Design undUmweltwirkungsbewertung)

– Fraunhofer-Institut für Solare Energiesyste-me ISE, Freiburg (technologische Weiter-entwicklung und Anwendungsszenarien)

– Borderstep-Institut für Innovation undNachhaltigkeit, Berlin (Marktanalyse)

– Pröll, Weißenburg i. Bayern (Entwicklungvon Nanopartikeln und Druckpasten);

– Engco Advanced Technologies, Stuttgart(Anwendung)

– Ionic Liquids Technologies, Denzlingen(Elektrolytentwicklung)

– BGT Bischoff Glastechnik, Bretten (Glasbe-arbeitung und Siebdruck)

– Bundesverband Deutscher Fertigbau (BDF),Bad Honnef (Ergebnistransfer)

Christa Schraivogel
IAO
Christa Schraivogel
ISE.
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60 - ENERGIE weiter.vorn 2.09

»Mais gehört auf den Teller, nicht in Biogas-anlagen.« Solche Einwände werden immer öfter laut. Sie richten sich gegen die Vergärungvon Lebensmitteln in Biogasanlagen, mit denenStrom und Wärme erzeugt werden. Die Gegner befürchten, dass diese Art der Energieerzeu-gung nicht nur die Lebensmittelpreise nachoben treibt, sondern dass auch Brachflächen zunehmend dem Maisanbau weichen müssenund Monokulturen gefördert werden.

Dass es auch anders geht, zeigen Forscher des Fraunhofer-Instituts für Keramische Tech-nologien und Systeme IKTS in Dresden. Sie ha-ben gemeinsam mit kleinen und mittelständi-schen sächsischen Unternehmen eine Biogas-anlage entwickelt, die gänzlich ohne lebensmit-teltaugliche Rohstoffe auskommt. »In unsererBiogasanlage verwenden wir ausschließlichReststoffe aus der Landwirtschaft und Nah-rungsmittelindustrie, beispielsweise Grünschnittund pflanzliche Reststoffe, die als Stroh oder Silage vorliegen. Damit erzeugen wir 30 Pro-zent mehr Biogas als in herkömmlichen Anla-gen, weil wir die Substrate optimal vorbehan-deln und eine ausgefeilte Verfahrenstechnik einsetzen«, sagt Dr. Michael Stelter, Abteilungs-leiter am IKTS. »Herkömmliche Anlagen verkraf-ten nur einen gewissen Anteil an Silage und anderen Reststoffen, da diese meist nur schwerin Biogas umgewandelt werden können.« Einweiterer Vorteil der neuen Anlage: Die Verweil-zeit des Faulguts in der Biogasanlage kann umetwa 50 bis 70 Prozent reduziert werden, dasheißt, die Biomasse gärt statt 80 Tage nur noch etwa 20 bis 40 Tage. Es reicht daher, einen alb so großen Fermenter einzusetzen, was Kosten und Flächenverbrauch für die Anlage reduziert.

Doch wie haben die Forscher es geschafft, dieVerweilzeit so drastisch zu reduzieren? »Pflanz-liche Stoffe enthalten Zellulose, die nicht direkt

vergoren werden kann. Für gewöhnlich liegtdiese im Fermenter wie ungekautes Sauerkrautim Magen. In unserer Anlage haben wir einen speziellen Hydrolysetank eingebaut. Enzymespalten die Zellulose auf. Sie verdauen sie ge-wissermaßen, bevor die Silage in den Fermenterkommt«, verrät Stelter. Was nach der primärenFermentierung übrig bleibt – normalerweisesind dies etwa 20 Prozent der eingesetzten Biomasse –, kommt in einen zweiten Tank zurNachvergärung.

Dieser zweite Fermenter ist in herkömmlichenAnlagen die meiste Zeit nicht ausgelastet. An-ders im neuen System: Hier wird die Silage ge-waschen und das Wasser aus ihr herausge-presst, bevor sie in den Hydrolysetank kommt.Das Waschwasser enthält viele sofort abbauba-re Substanzen. Die Forscher geben es daher di-rekt in den zweiten Fermenter und lasten dieTechnik so besser aus. »Die Zugabe des Wasch-wassers wirkt wie Glukose im Körper. Brauchtman schnell Energie, hilft es, beispielsweise einStück Traubenzucker zu essen. Ähnlich ist dasbeim Fermenter: Die Nährstofflösung aus demWaschwasser liefert der Anlage schnell Ener-gie«, erklärt Stelter.

Reste lassen sich als Dünger weiter nutzen

Stoffe, die auch im zweiten Fermenter nicht vergären, lassen sich als Dünger nutzen. Sie enthalten noch alle Mineralien und Humusbild-ner – und das in einer Form, die der Boden besser aufnehmen kann als beim Stehenlassenund Verrotten der Pflanzenreste auf dem Feld.So bekommt der Boden all die Nährstoffe zu-rück, welche die Pflanzen ihm entzogen haben.

Eine weitere Besonderheit des neuen Anlagen-konzepts: Mit dem Biogas wird eine Hochtem-peraturbrennstoffzelle betrieben und kein Ver-

brennungsmotor. Die Brennstoffzelle hat – jenach Größe – einen elektrischen Wirkungsgradvon 40 bis 55 Prozent. Das heißt: Mit 1000Watt Biogas lassen sich zwischen 400 und 550Watt Strom erzeugen. »Ein Gasmotor arbeitetnicht so effizient. Hier liegt der Wirkungsgraddurchschnittlich nur bei etwa 36 bis 38 Pro-zent«, sagt Stelter.

Ein zusätzlicher Vorteil der Hochtemperatur-brennstoffzelle: Sie arbeitet bei 850 Grad Celsi-us. Diese Wärme lässt sich weiternutzen undzum Beispiel ins Nahwärmenetz einspeisen.Rechnet man den elektrischen und thermischenWirkungsgrad zusammen, kommt die Brenn-stoffzelle auf eine Effizienz von bis zu 85 Pro-zent. Zum Vergleich: Das Kühlwasser eines Verbrennungsmotors erreicht lediglich eineTemperatur von 90 Grad Celsius. Diese Abwär-me lässt sich nur schlecht nutzen. Den Gesamt-wirkungsgrad des Verbrennungsmotors kannman daher kaum steigern, er entspricht meistdem elektrischen Wirkungsgrad von etwa 38Prozent. Zudem versprechen sich die Forschervon einer Brennstoffzelle einen weitgehendwartungsfreien, leisen Betrieb.

Wasser ist eine weitere wertvolle Ressource, diebei der Herstellung von Biogas benötigt wird.Sollen die Rohstoffe gären, muss man sie mitWasser vermengen. Die Experten sprechen vomMaischen. Oft fließt daher wertvolles Trinkwas-ser in Biogasanlagen. Technisches Brauchwasser,wie es Kläranlagen in die Vorfluter abgeben,reicht für diese Prozesse jedoch aus. In der Pi-lotanlage, die nahe einer Kläranlage steht, ha-ben die Forscher Trinkwasser durch Brauchwas-ser ersetzt. Weiterhin soll eine keramischeMembran am Ende der Biogasanlage künftigdas Wasser aus den Fermentern so weit aufrei-nigen, dass die Forscher es wieder in die Anlagezurückleiten können – es entsteht ein geschlos-sener Wasserkreislauf.

Strom aus StrohForscher haben eine Biogasanlage entwickelt, die nur mit Reststoffen betrie-ben wird. Die Anlage erzeugt 30 Prozent mehr Biogas als herkömmliche – unddas dreimal so schnell. Eine Brennstoffzelle nutzt das Biogas effektiv.

Text: Janine Drexler

Christa Schraivogel
IKTS
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- 61ENERGIEweiter.vorn 2.09

Auch Brennstoffzellen brauchen üblicherweiseWasser, um aus dem eingespeisten Gas einwasserstoffreiches Brenngas zu erzeugen. »Dieneue Brennstoffzelle ist so konstruiert, dass sievom Kohlendioxid im Biogas profitiert. Das CO2übernimmt die Rolle des Wassers, so könnenwir das Biogas direkt in die Brennstoffzelle lei-ten«, erläutert Stelter.

Kleinere Fermenter arbeiten sehr effektiv

Die Wissenschaftler setzen auf geschlosseneStoffkreisläufe – sowohl bei den Nährstoffenals auch beim Wasser. »Dies ist nicht nur beiuns wichtig, sondern vor allem in trockenenLändern«, betont Stelter. »Unser Anlagenkon-zept ist zwar technisch komplexer als Modellenach dem heutigen Stand der Technik, aber mit-

telfristig betriebswirtschaftlich überlegen. DieFermenter werden kleiner, lassen sich effektivernutzen und riechen nicht. Das senkt die Be-triebskosten«, fasst Stelter zusammen.

Eine Pilotanlage mit 1,5 Kilowatt elektrischerLeistung haben die Forscher bereits realisiert.Das reicht aus, um den Strombedarf eines Eigenheims zu decken. »Mit der Versuchsanlagekonnten wir zeigen, dass es generell möglichist, eine Biogasanlage effektiv mit Reststoffen zu betreiben«, sagt der Abteilungsleiter desIKTS. Die Herausforderung lag dabei vor allemin der Regelungstechnik. So musste beispiels-weise eine Sensorik entwickelt werden, mit derdie Prozesse einzeln gesteuert werden können.

Wie hoch ist der Säurewert? Wie ist die Kon-zentration der Enzyme im Hydrolysetank? Und

wie weit ist die Silage im Fermenter gegoren?Mit der neuen Sensorik hat man den Vergä-rungsprozess stets im Blick. Auch die Brenn-stoffzelle ist mit Regelungstechnik bestückt. Siereagiert auf eine schwankende Zusammenset-zung des Biogases und passt die Leistung an.Gefördert wurde das Projekt vom europäischenFond für regionale Entwicklung und dem Frei-staat Sachsen.

Die Wissenschaftler des IKTS planen schon weiter. Gemeinsam mit ihren IndustriepartnernÖkotec Anlagenbau GmbH, Stowasser BauGmbH, IWE mbH und Lehmann Maschinen-bau GmbH wollen sie die Reaktoren, Verfahrenund Prozesse soweit entwickeln und hochskalie-ren, dass innerhalb weniger Monate eine Bio-gasanlage mit zwei Megawatt Leistung errichtetwerden kann.

In herkömlichen Anlagen gärt die Biomasse 80 Tage imFermenter, wobei Biogas entsteht. © mauritius

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Energie sparen und wohlfühlenDurch die Sanierung von Altbauten können bis zu 80 ProzentEnergie gespart werden. Forscher arbeiten an ausgefeiltenProdukten zum schnellen und einfachen Umbau.

Text: Marion Horn

Alte Fenster, ungedämmte Fassaden – Altbautenverbrauchen zuviel Energie. © VISUM

62 - ENERGIE weiter.vorn 2.09

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- 63ENERGIEweiter.vorn 2.09

»Wirklich gemütlich war es in diesem kaltenWinter nicht auf unserem Sofa», erzählt der Ei-gentümer einer kleinen Dreizimmerwohnungaus den fünfziger Jahren. Die Berliner FamilieMüller möchte nicht länger am zugigen Fenstersitzen. Sie diskutieren mit der Hausverwaltung.Zuerst Fenster austauschen? Die Heizung mo-dernisieren? Wo anfangen? Die Räume kühlenschnell aus, Heizen kostet immer mehr Geldund die Immobilie verliert an Wert, wenn sie dieneuen gesetzlich vorgeschriebenen Energiestan-dards nicht erfüllt. Wie dieser Familie geht esvielen Bewohnern von Altbauten.

»Unser Lebensstil ist ein Auslaufmodell«, stelltProfessor Klaus Sedlbauer fest, einer der beidenLeiter des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBPund Sprecher der neu gegründeten Fraunhofer-Allianz Bau. »Wir müssen rasch neue Wege ein-schlagen. Dabei stehen wir vor großen Heraus-forderungen: Die Städte wachsen, die Mobilitätnimmt zu und das Klima wandelt sich. Wir set-zen an den Gebäuden an, um Energie zu sparenund Emissionen zu reduzieren.« Bisher gehörenkonventionelle Häuser zu den größten Energie-fressern. In Deutschland verbrauchen privateHaushalte über ein Drittel der Primärenergiezum Heizen und Kühlen, also etwas mehr alsVerkehr oder Industrie. Von den 17,3 MioWohnbauten mit 39 Mio Wohnungen sowieden 1,5 Mio Gewerbe-, Sport- und Kulturbau-ten ist nur ein kleiner Teil neu oder energetischsaniert. Genauer gesagt: 77 Prozent der Gebäu-de zählen zum Altbestand, verbrauchen aber 95Prozent der Energie. Zu den Altbauten gehörenHäuser, die vor 1984 gebaut wurden. Mit guterDämmung, effizienter Heizung und Kühlung las-sen sich jedoch bis zu 80 Prozent der Energieeinsparen.

Fraunhofer-Allianz Bauwww.bau.fraunhofer.de

»Von 2020 an müssen alle Neubauten sogarPlusenergiehäuser sein. Das heißt, sie erzeugennicht nur die notwendige Energie selbst, son-dern stellen wie Minikraftwerke Strom zur Ver-fügung. So haben die Bewohner in Zukunft bei-spielsweise die Möglichkeit, ihr Elektroautodaheim zu betanken«, prophezeit ProfessorGerd Hauser, Leiter des IBP. Er hat den Energie-ausweis für Gebäude entwickelt. Jeder weiß,was sein Auto an Benzin schluckt, aber kaum,wie viel Energie ein gut temperiertes Haus be-nötigt. Er rät: »Wohnungseigentümer solltenjetzt handeln und einen bedarfsorientierten

Energieausweis für ihr Eigentum erstellen las-sen. Mit den ermittelten Daten lässt sich für je-des Haus eine energetische Sanierung planen.«

Jetzt beginnt auch die Hausverwaltung mit demUmbauprojekt. Die Eigentümer haben die Bau-maßnahmen lange vor sich hergeschoben, dennsie befürchteten die finanzielle Belastung, Lärmund Schmutz oder Ärger mit Handwerkern. Einneues Dienstleistungsangebot erleichtert die Sa-nierung. Forscher und Unternehmer habenNetzwerke für die Planung, Organisation undDurchführung der Renovierungsarbeiten entwi-ckelt. Der Vorteil für den Bauherrn: Er erhält alleLeistungen aus einer Hand. »Zimmerer, Dachde-cker, Trockenbauer, Maler, Installateure, Fenster-bauer, Baustoffhandel sind Partner. Ein Koordi-nator hat den Umbau fest im Griff und stimmtalle Arbeitsschritte im Gebäude ab. In drei Wo-chen ist die Wohnung saniert und die Familieerholt sich im Idealfall währenddessen auf Mal-lorca«, erklärt Hauser die Idee. Die intensive Zu-sammenarbeit aller Gewerke wird bereits umge-setzt. Auf dem Fraunhofer-Forum »Mehr als nurFassade – Energieeffizienter Altbau« Ende 2008stellte Jürgen Hohmeier, Vorstand Vertrieb undMarketing Saint-Gobain Isover G+H AG, die er-folgreiche Zusammenarbeit am Beispiel desEnergiesparnetzwerks vor.

Energiesparnetzwerkwww.energiesparnetzwerk.de

Bevor die Umbauten beginnen, müssen alle Details geklärt werden. Die Experten nehmendas gesamte Gebäude unter die Lupe und er-stellen ein umfassendes Konzept. Sie planen dieReduzierung von Wärmeverlusten durch zusätz-liche Dämmung, wählen energieoptimierteFenster, spüren Wärmebrücken auf, die entste-hen können, wenn Bauteile in der Gebäudehül-le aneinander stoßen. Eine elegante Möglich-keit, Altbauten energieeffizient zu sanieren, sindinnovative Fassadenteile. In den Modulen ver-stecken sich auch Lüftungskanäle oder Heiz-und Kühltechnik. Mit speziellen Wärmeaus-tauschsystemen sind die Räume immer mit fri-scher Luft versorgt und sommers wie wintersgut temperiert. Oder es werden Photovoltaikele-mente in die Fassadenteile integriert. Die Au-ßenwand muss für den Umbau nicht aufgeris-sen werden. Die Bauherren können auf vieleweitere Innovationen zurückgreifen, wie Putzoder Bauplatten mit integrierten Phasenwech-selmaterialien in Mikrokapseln. Die Kapseln kön-nen Energie speichern und wieder abgeben. So

sorgen sie für ein ausgeglichenes Raumklima.Die Anlagentechnik im Haus analysieren die Pla-ner ebenfalls und verbessern Heizanlage undWärmepumpe.

Doch lässt sich die Wirkung der Umbauten messen? Ingenieure der CalCon Holding GmbH,einer Ausgründung vom Fraunhofer-Institut fürBauphysik IBP, berechnen mit der Softwareepiqr® die Wirtschaftlichkeit. Sie belegen, dasssich die Investition schnell amortisiert, wenn Ei-gentümer die Immobilie selbst bewohnen. Beivermieteten Wohnungen profitiert einerseits derMieter, weil sein Energieverbrauch sinkt und dieWohnung behaglicher wird. Andererseits ziehtauch der Eigentümer langfristig Gewinn durchmehr Komfort und Wertsteigerung und damitweniger Leerstand. Effiziente Sanierung basiertauf ausgefeilten Technologien. »Mit Hilfe derNanotechnologie erweitern wir die Grenzenheutiger Materialien. Antibakterielle und selbst-reinigende Schichten sorgen für saubere Ober-flächen, Antireflexschichten erhöhen die Ener-gieausbeute«, erklärt Hauser. »Die Eigenschaftender Werkstoffe lassen sich je nach Einsatzort an-passen. Selbst dünne Schichten und kleine Men-gen reichen aus, um den gewünschten Effektzur erzielen. Ein weiterer Vorteil der neuartigenBaustoffe: sie sind gut zu verarbeiten.«

Hauser möchte Energieeffizienz als »Germanway of Life« etablieren und innovative Produkteaus Deutschland für den internationalen Marktfit machen. Ziel ist, mit minimalem Energieein-satz die Bedürfnisse der Bewohner abzudecken,bei bestmöglichem Wohnkomfort. »Es gibt vielForschungsbedarf«, betont Sedlbauer. »Was wirheute in der Forschung erreichen, könnte kurz-fristig umgesetzt werden und die Wettbewerbs-fähigkeit der deutschen Baubranche stärken.«Denn wie in fast allen Wirtschaftszweigen for-dert der Markt steigende Produktqualität beigeringeren Kosten. »Diesem hohen Innovations-druck stellen wir uns und arbeiten in der Fraun-hofer-Allianz Bau konsequent an der Entwick-lung oder Verbesserung von Produkten, Bau,Arbeits- und Produktionsabläufen.«

Das Forschungsthema »Energieeffizienter Alt-bau« ist eines der zwölf Zukunftsthemen, diedie Fraunhofer-Gesellschaft verstärkt bearbeitet.Denn es geht darum, den nachfolgenden Gene-rationen, den Kindern und Enkeln der BerlinerFamilie Müller, so viel wie möglich von denwertvollen Ressourcen unseres Planeten übrigzu lassen und das Klima zu schützen.

Christa Schraivogel
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Christa Schraivogel
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64 - KOMMUNIKATION weiter.vorn 2.09

Persönliche HörsystemeFraunhofer-Forscher wollen innovativeHörgeräte-Technik in Handys, Fernseher und mp3-Player integrieren.

Text: Frank Grotelüschen

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- 65KOMMUNIKATIONweiter.vorn 2.09

Michael Buschermöhle tippt auf die Tastatur sei-nes Laptops. Aus dem Lautsprecher ertönt eineberühmte Melodie – das Leitmotiv von Beetho-vens 5. Sinfonie. Doch dann, nach einem weite-ren Mausklick, klingt das opulente Werk plötz-lich sehr duf, verzerrt und deutlich leiser. Dieleisen Passagen sind kaum wahrzunehmen, dielauten hören sich unangenehm und dröhnendan. »So klingt Beethoven für einen Schwerhö-renden«, erklärt Buschermöhle. »Die Softwareauf meinem Laptop ist ein Schwerhörenden-Simulator. Mit ihm lässt sich veranschaulichen,wie Menschen mit geschädigtem Gehör ihreUmwelt wahrnehmen.«

Die Software wurde am HörTech-Koetenzzen-trum für Hörgeräte-Systemtechnik in Oldenburgentwickelt. Seit Jahren gilt die niedersächsischeStadt als ein weltweit führendes Zentrum derHörforschung. Hier wurden viele Grundlagen fürdie neue Generation von digitalen Hörgerätengeschaffen. Nach und nach ersetzen sie die al-ten analogen Geräte mit ihrer mäßigen Klang-qualität und dem häufigen und lästigen Rück-kopplungspfeifen.

»Der Wechsel von der Analog- zur Digitaltech-nik hat sich bei den Hörgeräten sehr nachhaltigvollzogen«, sagt Birger Kollmeier, Professor fürMedizinische Physik an der Universität Olden-burg und Leiter der neu gegründeten Fraunho-fer-Projektgruppe für »Hör-, Sprach- und Audio-technologie«. Heute sind analoge Hörgerätepraktisch ausgestorben, denn die Digitaltechnikist deutlich überlegen: Sie bietet ein angeneh-meres Klangbild, lässt sich besser an das Gehöranpassen und unterdrückt das lästige Rück-kopplungspfeifen wirkungsvoll.

Unterhaltungselektronik mit digitaler Hörtechnik

Digitale Hörgeräte sind regelrechte Hightech-Wunder im Ohr. In ihnen stecken Algorithmen,die den Schall intelligent verstärken und Störge-räusche wirkungsvoll unterdrücken können.Eben diese Algorithmen, so die Vision derFraunhofer-Forscher, könnten künftig auch inanderen Geräten ihren Dienst tun. »Warum soll-ten nicht auch Handys, Fernsehapparate odermp3-Player Algorithmen enthalten, mit denender Nutzer das Schallsignal besser an sein Hör-vermögen anpassen kann?«, meint Jens Appell,stellvertretender Projektgruppenleiter. Apellund seine Kollegen planen also, modernste

Hörgeräte-Technik in ganz normale Consumer-Elektronik einzubauen. Davon könnten unteranderem jene Menschen profitieren, die zwarnicht mehr perfekt hören können, aber nochkein Hörgerät brauchen. »Das Gehör ist ja nichtauf einen Schlag krank«, erläutert Appell. »Es istein schleichender Prozess, der bei vielen Men-schen bereits im Alter von 40 Jahren anfängt.Und gerade die Versorgung solcher schwachenHörverluste interessiert uns besonders.«

Diese schwachen Hörverluste machen sich oftdadurch bemerkbar, dass man Schwierigkeitenhat, einen Sprecher zu verstehen, der vor einerlauten Geräuschkulisse spricht. Genau hier kön-nen Algorithmen helfen, wie sie in modernenHörgeräten stecken. Einfache Algorithmen ar-beiten zum Beispiel so: In den Sprachpausenschätzen sie das Hintergrundgeräusch ab, um es dann vom Gesamtspektrum zu subtrahieren.Was im Idealfall bleibt, ist allein die Stimme des Sprechers. Dagegen ist das störende Hinter-grundgeräusch wie weggezaubert.

Gerade beim Radiohören und Fernsehen könntedas für viele Menschen hilfreich sein. »Oft istSprache in einem Film oder im Radio mit Musikoder Geräuschen unterlegt«, erklärt Birger Koll-meier. Die Folge: Der Schwerhörende greift zurFernbedienung und dreht, um das Geschehenverfolgen zu können, die Lautstärke auf – undgeht damit womöglich dem Rest der Familieoder den Nachbarn gehörig auf die Nerven.Kollmeier: »Mit unserer Technik ist die Sprachebesser hörbar und klarer zu verstehen, ohnedass sie dabei zu laut wird.«

Wie das in der Praxis aussehen könnte, zeigtHörTech-Forscher Rainer Huber in seinem Schalllabor. Er steht vor einem Fernsehbild-schirm und greift zu einer Fernbedienung. Dort läuft ein TV-Bericht aus Slowenien, derSprecher redet vor einer ziemlich lauten Ge-räuschkulisse. Nicht für jeden sind seine Worteleicht zu verstehen. Deshalb drückt Huber einen Knopf auf seiner Fernbedienung und aktiviert die Störgeräusch-Unterdrückung.

Der Effekt ist beeindruckend: »Man hört deut-lich, wie das Hintergeräusch abgesenkt wird«,beschreibt Huber. »Aber man hört auch, dassdie Sprache verändert klingt und etwas verfrem-det wirkt.« Diese Veränderung der Sprachquali-tät nehmen die meisten Schwerhörenden in derPraxis gern in Kauf, wenn sie dafür die Sätze

leichter verstehen können. Hilfreich könnte auchdie »Dynamik-Kompression« sein, die in digita-len Hörgeräten heute zum Standard gehört: Beiihr werden die leisen Signalanteile mehr ver-stärkt als die lauten. Dadurch vermeidet man,dass das verstärkte Signal die Schmerzgrenze er-reicht oder gar überschreitet.

Fernseher werden auf inviduellesHörvermögen eingestellt

Angedacht ist, dass der Nutzer diese Algorith-men an seine individuelle Hörfähigkeit anpassenkann. Die Idee: Per Fernbedienung ruft er aufdem Fernsehbildschirm eine Art Testprogrammauf. Dieses spielt ihm verschiedene Testsignalevor, und der Nutzer gibt ein, wann er Sprachegut versteht und Klänge als besonders ange-nehm empfindet. Der TV-Apparat speichert dieEinstellungen und präsentiert dem Nutzer künf-tig ein individuell angepasstes Klangbild.

»Die nötige Hardware ist in viele Fernsehgerä-te bereits eingebaut«, sagt Jens Appell. »ImPrinzip müsste man nur eine zusätzliche Soft-ware integrieren.« Neben Radio- und Fernseh-geräten sehen die Forscher aber weitere An-wendungen für die neue Technik. »Die Störge-räusch-Reduktion ist auch für Flugzeug-Cock-pits, Pkws oder Telekonferenzen interessant«,meint Appell. »Und auch für Telefon und Handykommt sie in Frage.«

Denn wer kennt das nicht: Das Handy klingelt,der Gesprächspartner meldet sich aus einer lauten Kneipe, und man kann ihn kaum verste-hen. Auch hier könnte die Störgeräusch-Unter-drückung helfen und die Sprachverständlich-keit steigern.

Seit August 2008 gibt es die Projektgruppe»Hör-, Sprach- und Audiotechnologie«. Sie sitztim Oldenburger »Haus des Hörens« und ist andas Fraunhofer-Institut für Digitale Medientech-nologie IDMT in Ilmenau angegliedert. Fünf Jah-re lang wird die Projektgruppe Techniken fürpersönliche Hörsysteme gemeinsam mit ihrenKooperationspartnern wie der HörTech gGmbHweiterentwickeln. Hat das Projekt Erfolg, könntees die Keimzelle für ein neues Fraunhofer-Insti-tut in Oldenburg bilden.

www.fraunhofer.de/audio:online ab 11. Mai 2009

Christa Schraivogel
www.fraunhofer.de/audio:
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66 - KOMMUNIKATION weiter.vorn 2.09

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Er hängtan liebgewonnen Denkweisen, Arbeitsabläufen,Ritualen und Kommunikationsformen. Änderun-gen sind oft schwer durchsetzbar – im privatenwie im beruflichen Bereich. Die Um- oder Neu-strukturierung von Unternehmen entpuppt sichdaher oft als schwierig, Fusionen sind oft nachJahren noch nicht in den Köpfen der der Mitar-beiter angekommen.

Den Managern der Santander Consumer Bankin Mönchengladbach waren diese Probleme be-wusst, als sie ihre Tochter, die CC-Bank, mit derneu erworbenen Kölner AKB-Bank verschmelzenwollten. Bevor die Banker für rund 1200 Mitar-beiter, die bis dahin auf zwei Städte und meh-rere Gebäude verteilt gearbeitet hatten, einneues Hauptquartier in Mönchengladbach er-richteten ließen, wandten sie sich ans Fraun-hofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organi-sation IAO in Stuttgart. Dort entwickeln die Forscher im Projekt »Office 21« innovative Kon-zepte für die Arbeitswelt der Zukunft. Zwanzignamhafte Unternehmen beteiligen sich an dempraxisnahen Langzeit-Projekt und finanzieren es– von Microsoft bis zur Deutschen Bank. AuchSantander sitzt mit im Boot.

Die Planung der neuen Bürowelt in Mönchen-gladbach war für die Forscher eine echte He-rausforderung: Die Bank wollte den Umzug mitder Einführung einer zeitgemäßen Unterneh-menskultur verbinden – Arbeitsabläufe solltengestrafft, Stimmung, Wohlbefinden und Motiva-tion der Mitarbeiter verbessert werden. Es galtzudem die Identifikation der Beschäftigten mitdem Unternehmen zu fördern. »Auf der einenSeite stand die AKB-Bank mit ihren klassischenZellenbüros, auf der anderen Seite die interna-tional aufgestellte CC-Bank, die auf Großraum-büros setzte«, erläutert Dr. Wilhelm Bauer, stell-vertretender Institutsleiter des IAO.

In dem neuen Gebäude gibt es weder das einenoch das andere. Begegnung und Kommunika-

tion stehen im Vordergrund, statt langer kahlerFlure gibt es helle Atrien, die einladend gestaltetsind, damit man sich gerne dort aufhält. Innen-höfe, die jeder unter einem anderen Motto ste-hen – Holz, Luft, Wasser und Stein – sorgen füreinen abwechslungsreichen Ausblick. Sitzeckenund Chill-Outs auf jeder Etage bieten ein ange-nehmes Umfeld für Besprechungen oder Unter-haltungen. Denn eines wissen die Arbeitsfor-scher inzwischen ganz genau: Nur wermiteinander spricht, kann sich als Team fühlen.Glaswände unterstützen das Gefühl von Trans-parenz, stärken die Zusammengehörigkeit stär-ken und überbrücken Hierarchiebarrieren.

Die Gestaltung der Räume fördertKommunikation und Kreativität

In den Räumen arbeiten jeweils 80 bis 100 Be-schäftigte. Es handelt sich dabei jedoch nicht umGroßraumbüros, sondern um »Multispace Of-fices«, wie die Experten sagen. Tatsächlich erfül-len diese Räume mehrere Funktionen: Da gibt esSchreibtische, die eigens für das Gebäude ent-worfen wurden. Sie sind ergonomisch gestaltet,und die Tischplatte lässt sich so weit anheben,dass man auch im Stehen daran arbeiten kann.Daneben bieten die Räume alles, was die Kom-munikation und Kreativität fördert: Sitzecken,Besprechungskabinen, Ruhezonen. So sollen dieMitarbeiter zwanglos ins Gespräch kommen. Daserspart viele der herkömmlichen formalisiertenBesprechungen, die Tage vorher einberaumtwerden und oft nur wenig bringen. Transparenzist auch im Büro Programm. Nichts läuft im Ver-borgenen ab, selbst der schallgeschützte Bespre-chungsraum hat gläserne Wände.

Gewöhnungsbedürftig für die Mitarbeiter wardas »non-territoriale Arbeiten«: Niemand hat ei-nen persönlichen Schreibtisch, jeder sucht sicham Morgen einen freien Platz und verlässt ihnam Abend wieder sauber abgeräumt. Auf dieseWeise lassen sich die Büroräume optimal auslas-ten. Erfahrungsgemäß sind fast nie alle Mitar-

beiter da. Manche machen Dienstreisen, anderehaben Urlaub, besuchen eine Schulung odersind krank. In manchen Betrieben ist permanentdie halbe Belegschaft außer Haus. Warum alsomehr Arbeitsplätze bereit halten als nötig? InMönchengladbach kommen auf jeweils 110Mitarbeiter 100 Schreibtische.

Nur in einigen Sonderfällen lässt sich das Platzund Geld sparende Desk-Sharing nicht umset-zen: Wer besondere Geräte braucht, kann nichtständig umziehen. Doch die meisten Mitarbeiterbenötigen nicht viel mehr als einen Anschlussan den Zentralrechner. Mit dem Umzug wurdenauch die Arbeitsabläufe digitalisiert und die Pa-pierflut reduziert: Anstatt ein Formular aus dem

Schönerschuften

Wie sieht das Büro der Zukunftaus? Im Projekt »Office 21« habenStuttgarter Fraunhofer-Forscherneue Konzepte entwickelt. EineBank in Mönchengladbach hat diesekonsequent umgesetzt.

Text: Klaus Jacob

Christa Schraivogel
IAO
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- 67KOMMUNIKATIONweiter.vorn 2.09

Das neue Bürogebäude Santander Consumer Bank ist sehr offen und transparent gestaltet. Das fördert die Begung und Kommunikation. © Santander

Schrank zu holen, klicken sich die Mitarbeiternun den Vordruck auf den Bildschirm. Was sie sonst noch brauchen, passt in einen Piloten-koffer, den sie während ihrer Abwesenheit im»Locker« einschliessen.

Das Modell macht bereits Schule: Immer mehrUnternehmen praktizieren non-territoriales Ar-beiten. Befürchtungen, dass sich solche Arbeits-systeme negativ auf das Wohlbefinden der Mit-arbeiter auswirken könnten, sind nach Ansichtvon Bauer unbegründet: Umfragen hätten erge-ben, dass der Wunsch nach einem eigenenSchreibtisch »erstaunlich weit unten rangiert«. Die Angestellten bei Santander jedenfalls sindzufrieden. Erst vor wenigen Monaten stellten sie

dem neuen Konzept ein gutes Zeugnis aus. DieBefragung der Bereichsleiter, etwa ein halbesJahr nach dem Bezug des Neubaus, ergab in al-len Punkten eine deutliche Verbesserung, sei esbeim Wohlbefinden der Mitarbeiter, bei derenMotivation oder bei der Produktivität.

Ganz überraschend kam dieser Erfolg freilichnicht: Die IAO-Experten haben während desfünf Jahre dauernden Vorhabens mehr als 100Workshops angesetzt, um die Belegschaft aufden Wandel einzuschwören. Sie haben mit allenVorgesetzten und vielen Mitarbeitern überChancen und Risiken diskutiert, damit es späterkeine bösen Überraschungen geben würde. DieForscher wissen: Das beste Konzept läuft ins

Leere, wenn die Menschen nicht mitziehen. Wie flexibel und belastbar das IAO-Konzept ist,wird sich schon bald zeigen. Die SantanderConsumer Bank hat zwei weitere Banken über-nommen. Auch die neuen Mitarbeiter sollen inder Zentrale unterkommen, ein Neubau ist ersteinmal nicht geplant. Das Stuttgarter Konzeptbietet viele Stellschrauben zur Verdichtung,nicht zuletzt über das Verhältnis von Arbeits-plätzen zu Mitarbeitern, davon ist Bauer über-zeugt: »So kann das Unternehmen atmen, eskann, je nach Auftragslage und Konjunktur,wachsen und schrumpfen«.

www.fraunhofer.de/audio:online ab 20. April 2009

Christa Schraivogel
www.fraunhofer.de/audio:
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68 - UMWELT weiter.vorn 2.09

Das Häusermeer erstreckt sich bis zum Horizont.Tag und Nacht wälzt sich ein nie versiegenderStrom aus Bussen, Autos und Fahrrädern durchdie Stadt. 15 bis 20 Millionen Menschen – diegenaue Zahl kennt niemand – leben in Peking,fahren zur Schule, zur Arbeit, zum Einkaufen.Selbst die sechsspurigen Verbindungsstraßensind häufig überlastet. Wer Peking komplettdurchqueren will, sollte sich Zeit nehmen – dieFahrt kann durchaus einen halben Tag in An-spruch nehmen.

Weltweit wachsen die Megastädte – auch Pe-king wird immer größer. Die chinesische Haupt-stadt erstreckt sich über 16 000 Quadratkilome-ter: Wo einst die Bauern Weizen anbauten unddas Vieh weiden ließen, sieht man heute nurnoch Hochhäuser, Straßen und betonierte Plätze.Wie ein Krake greift Peking weiter um sich, ver-leibt sich ein Dorf nach dem anderen ein. Immerneue Satellitenstädte entstehen. Trotz des Bau-booms ist Wohnraum knapp, denn immer mehrMenschen kommen in der Hoffung auf ein bes-seres Leben. Peking ist kein Einzelfall: Die Me-gastädte der Welt – egal, ob Tokio oder SãoPaulo, Mexico City, Mumbai oder Jakarta – zie-hen die Menschen an wie Magneten.

Doch welche Folgen hat es, wenn Land Hektarfür Hektar zubetoniert wird? Was passiert mitdem Regenwasser, wenn es nicht mehr versi-ckern kann? Wie stark sinkt der Grundwasser-spiegel, wenn der natürliche Kreislauf unterbro-chen wird? Welche ökologischen Folgen hat derenorme Wasserverbrauch einer Megastadt fürdie Umgebung?

Die Entwicklung der Wasser-versorgung ist vorhersehbar

»All diese Fragen sind bisher in China kaum ge-stellt und noch nie systematisch beantwortetworden«, weiß Prof. Dr. Hartwig Steusloff. ImProjekt »Bejing Water« hat er mit einem Teamvom Fraunhofer-Institut für Informations- undDatenverarbeitung IITB in Karlsruhe untersucht,welche Faktoren die Wasserversorgung einerMegastadt beeinflussen, wie sich Engpässe vor-hersagen lassen, welche Alternativen zur Verfü-gung stehen und welche Auswirkung diese ha-ben. Das Ergebnis ist ein Simulationsprogramm,mit dem die Wasserbehörde der Stadt Pekingdie künftige Entwicklung vorhersehen und pla-nen kann. Die Pekinger Trinkwasserversorgungstellt besonders hohe Anforderungen an die In-

genieurskunst: Die Stadt liegt inmitten einerHalbwüste. Regen fällt, wenn überhaupt, nurwährend der Monsunzeit zwischen Juli und Sep-tember. Der Niederschlag reicht seit Jahren nichtmehr aus, um die Grundwasservorräte wiederaufzufüllen, die während des Jahres durch Brun-nen abgepumpt wurden. Die Folge: Der Grund-wasserspiegel sinkt jedes Jahr um etwa 1,5 Me-ter. Zusätzliches Wasser kommt aus den Flüssenund Stauseen der Umgebung. Außerdem wer-den aus dem Jangtse-Flussgebiet über mehr als1200 Kilometer lange Kanäle etwa 300 Kubik-meter Wasser pro Sekunde in die nordchinesi-sche Ebene gepumpt. Doch auch das wird baldnicht mehr reichen: »Die Landwirtschaft hat ei-nen hohen Bedarf. Und das rasante WachstumPekings verschärft die Lage zusätzlich: DieNachfrage steigt von Jahr zu Jahr, während im-mer weniger Grundwasser gebildet wird, weilimmer mehr Flächen durch neue Bauvorhabenversiegelt werden«, erklärt Steusloff. Die For-scherteams vom IITB sowie vom Fraunhofer-Anwendungszentrum für Systemtechnik AST inIlmenau machten jetzt am Computer sichtbar,wie sich das Wachstum Pekings auf den Was-serverbrauch, den Grundwasserspiegel oder denPegelstand der Reservoire und Flüsse auswirkt.

Wasser für MillionenPeking wächst und wächst. Immer mehr Menschen ziehen in die Megastadt. Um die20 Millionen leben dort mittlerweile. Alle Bewohner mit Wasser zu beliefern,ist schon heute schwierig. Um die Wasserversorgung in Zukunft sichern zu kön-nen, haben Fraunhofer-Forscher ein Simulationsprogramm entwickelt, das hilft,Engpässe frühzeitig zu erkennen und Alternativen zu erkunden.

Text: Monika Weiner

Christa Schraivogel
IITB
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- 69UMWELTweiter.vorn 2.09

Die Zusammenhänge sind so komplex, dass dieWissenschaftler zunächst drei verschiedene Si-mulationsmodelle entwickelt haben, die dannzu einem großen Ganzen zusammengefügtwurden. Das erste Modell beschreibt die Ver-fügbarkeit von Oberflächenwasser: Auf einerLandkarte lässt sich ablesen, wie viel Wasser ausRegen, Flüssen, Kanälen und Stauseen in diechinesische Metropole hineinfließt. Das zweiteModell erlaubt einen Blick in die Tiefe: Man er-kennt, wo wie viel Grundwasser entnommenwird, wie viel Wasser von oben nachfließt, obund wie stark sich der Grundwasserspiegelsenkt. Das dritte Modell veranschaulicht denTrink- und Brauchwasserbedarf.

»Die wissenschaftliche Herausforderung bestanddarin, die Modelle zu kombinieren«, erläutertSteusloff. »Bisher wurden Grund- und Oberflä-chenwasser überwiegend getrennt dargestellt,obwohl jeder weiß, dass es Wechselwirkungengibt: Oberflächenwasser versickert und wird zuGrundwasser, Grundwasser wiederum wird zurOberfläche gepumpt und verlässt das Gesamt-system, indem es abfließt oder bei der Bewässe-rung zumindest teilweise verdunstet. Mit unse-ren Simulationsprogrammen können wir dieseWechselwirkungen jetzt erstmals geschlossendarstellen.« Die zweite große Herausforderungwar die Dimension, erinnert sich der Forscher:Nie zuvor seien derart detaillierte Wassermodel-le für eine Fläche von 16 000 Quadratkilometererstellt worden.

Kann ein Computerprogramm tatsächlich eineEntwicklung voraussehen, die für den Men-schen völlig unüberschaubar ist? Um die Zuver-lässigkeit der Simulation zu überprüfen, hat das Fraunhofer-Team die Gegenwart berech-net: Messwerte – beispielsweise Pegelständeoder Wetterwerte –, welche die chinesischen

Behörden in der Vergangenheit gesammelt und archiviert haben, wurden in das System eingespeist. Das Programm ermittelte auf Basisdieser historischen Daten die Entwicklung biszum Jahr 2008. »Tatsächlich kommen die Be-rechnungen dem Status quo sehr nahe«, berich-tet Steusloff. »Wir können daher annehmen,dass auch die Simulation künftiger Entwicklun-gen realistisch ist.«

Das Programm wird bereits von der PekingerWasserbehörde eingesetzt, um künftige Ent-wicklungen besser vorhersehen zu können: »DieAnwender erkennen beispielsweise, wo und umwie viel das Grundwasser sinkt, wenn wiederQuadratkilometer von Land versiegelt werden«,so der Projektkoordinator. Doch das Programm

zeigt nicht nur Probleme, es hilft auch beim Fin-den von Lösungen. Die Wasserbilanz im Modelllässt sich durch verschiedene Maßnahmen posi-tiv beeinflussen: zum Beispiel die Nutzung vonRegenwasser, das durch die Anlage von Vorhal-tebecken aufgefangen wird oder die Anlagevon Grünflächen – kurz: durch die Veränderungder Landnutzung.

Auch die Bewässerung der Weizenproduktionlässt sich mit dem Simulationsprogramm lang-fristig planen: Das Getreide ist im Norden Chi-nas ein Grundnahrungsmittel und wird in gro-ßen Mengen angebaut. Für die Produktionbenötigen die Bauern viel Wasser – Wurzelbe-wässerung ist noch unbekannt, bewässert wirdmit traditionellen Methoden. »Die Abhängigkeitder Weizenproduktion vom Wasserangebot ist

hochbrisant: Wenn die Stauseen oder Flüsseaustrocknen oder der Grundwasserspiegel unterdas Niveau der Brunnen sinkt, können ganzeErnten ausfallen. Und wenn das passiert, wer-den die Chinesen ihren Bedarf auf dem Welt-markt stillen. Diese plötzliche Nachfrage wirddie Preise in die Höhe treiben, was in den ar-men Ländern Hungersnöte auslösen kann«, er-klärt Steusloff. »Nur, wenn an solche Entwick-lungen voraussieht, lassen sich rechtzeitigGegenmaßnahmen einleiten und beispielsweisesukzessive die landwirtschaftlich genutzte Flä-che reduzieren oder effizientere Bewässerungs-

methoden einführen. Unser simulationsbasiertesEntscheidungshilfesystem macht Engpässe vor-hersehbar, unterstützt die Entwicklung von Al-ternativen und hilft damit, lokale und globaleKatastrophen zu verhindern.«

Das Projekt »Bejing Water« ist mittlerweile fastabgeschlossen. »Wir haben gelernt, wie wir die in Europa entwickelten Methoden der Was-sersystemmodellierung auf ein sehr großes Mo-dellgebiet übertragen konnten. Und wir wissennun, dass unsere empirisch gewonnenen Er-kenntnisse auch in anderen Gegenden dieserWelt anwendbar sind«, resümiert Steusloff. Das gesammelte Know-how wollen die Fraun-hofer-Forscher jetzt nutzen, um auch in ande-ren Städten der Welt das Wassermanagementzu optimieren.

»Wir können sichtbar machen, wie sich der Bedarf an Trinkwasserunter bestimmten Voraussetzungen entwickelt, und welche Folgen Baumaßnahmen haben.«

Peking wächst. Damit steigt auch der Bedarf an Trink-wasser. Doch immer mehr Quellen versiegen. © John Warburton-Lee / mauritius images

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70 - PRODUKTION weiter.vorn 2.09

Meister aller Lagen Kratzfest, leicht, verschleißarm, wasserabweisend, schmutz- oder UV-resistent - mit funktionalen Flächen lassen sich die Eigenschaften von Oberflächen gestalten.

Text: Gerhard Samulat

Beschichtete Kurbelwelle für den Rennsport.© Rainer Meier, BFF

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Fast zärtlich streicht die Kundin mit der Handüber die Motorhaube des Sportwagens. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. Keine Frage:Das neue Auto sieht nicht nur schön aus, esfühlt sich auch gut an. Neben ästhetischen Ge-sichtspunkten haben Oberflächen aber auchstets funktionale Aspekte: Sie bilden die Schnitt-stelle zur Umwelt, grenzen ab, schützen. AlleObjekte haben eine solche Grenzfläche. Undseit Urzeiten versucht der Mensch, sie nach seinen Vorstellungen zu verändern: sie einzu-färben, zu entspiegeln, Wasser abweisend zumachen, glatt oder hart.

»Die Dünnschichttechnik ist eine moderne Tech-nologie, mit der heute ganz vielfältige Funktionenauf der Oberfläche erzeugt werden können«, er-läutert Wolfgang Diehl, stellvertretender Leiterdes Fraunhofer-Instituts für Schicht- und Ober-flächentechnik IST in Braunschweig. Zusammenmit Forschern am Fraunhofer-Institut für Werk-stoff- und Strahltechnik IWS in Dresden und amFraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWMin Freiburg arbeitet er an Beschichtungen. EinSchwerpunkt seiner Arbeit sind dabei Schichtenaus Kohlenstoff: »Wir können vom harten Dia-manten bis zum weichen Kohlenstoff alles her-stellen«, sagt Diehl. »Durch Zugabe von Wasser-stoff oder Metallen stellen wir die Schichteigen-schaften gezielt ein.« Auf diese Weise entstehenWerkstoffe mit Eigenschaften, die es sonst nir-gendwo in der Natur gibt.

Milliardenverluste durch Reibung

Mit diesen Werkstoffen lassen sich unter ande-rem Verschleiß und Reibung verringern. Etwa imAuto: Je nach Fahrzeug und Fahrweise gehenweniger als 40 Prozent der Energie, die imKraftstoff stecken, in die Vorwärtsbewegung.Der überwiegende Teil verpufft: größtenteils alsWärme – aber auch, um Widerstände zu über-winden, die beim Laufen der Kolben im Zylinderentstehen oder in den zahlreichen Lagern, Kur-belwellen oder durch das Abrollen der Räderauf der Fahrbahn.

Nach Schätzungen der Gesellschaft für Tribolo-gie – das ist die Lehre von der Reibung ein-schließlich dem Verschleiß und der Schmierung– erleidet die deutsche Volkswirtschaft durchdieses Aneinanderschrammen von Unebenhei-ten jährlich Verluste in Höhe von mehr als 30

Milliarden Euro. Durch konsequente Forschunglassen sich viele Milliarden davon einsparen. Dassichert Ressourcen, steigert die Effizienz undvermeidet Umweltschäden.

Gewinnen mit diamantähnlichenOberflächen

Viele Techniken nahmen im Formel-1-Rennsportihren Anfang – so auch verschleißfeste und rei-bungsarme diamantähnliche Schichten ausamorphem Kohlenstoff. »Mit Hilfe von Beschich-tungen können wir zum Beispiel Leichtbaukom-ponenten produzieren, die viel robuster sind alsherkömmliche Bauteile«, sagt Sven Meier, Be-reichsleiter am IWM. Überzüge aus wasserstoff-haltigen, diamantähnlichen Kohlenstoffen – dieDLC-Schichten – eignen sich für Ventilklappenebenso wie für Kolben, Pleuelstangen, Nocken-wellen oder Motorkomponenten.

Neue Oberflächen ermöglichen weitere Innova-tionen: »Ohne die breite Einführung von dia-mantartigen Kohlenstoffschichten wäre dieschnelle Durchsetzung der Diesel-Hochdruckein-spritztechnik im vergangenen Jahrzehnt nichtmöglich gewesen«, weiß Matthias Müller, LeiterTechnologien im Zentralbereich Forschung undVorausentwicklung der Stuttgarter Robert BoschGmbH: »Dabei war die Zusammenarbeit mitden Fraunhofer-Instituten besonders wichtig.«Und es wird weiter geforscht: »Durch Variationder DLC-Schichten mit verschiedenen Elementenund Kombinationen mit Mikrostrukturierungenlassen sich neben Reib- und Verschleißverhalteneine Vielzahl weiterer Eigenschaften wie etwaHärte, Haftung oder Benetzbarkeit gezielt ein-stellen«, erklärt Jochen Brand, Experte für tribo-logische Schichten am IST.

Oberflächen folgen ihren eigenenGesetzen

Am unauffälligsten sind Oberflächen, durch die man einfach hindurchsieht: Windschutz-scheiben beispielsweise, aber auch die Abde-ckungen von Scheinwerfern, Rücklichtern odervon Innenraumarmaturen sowie von Spiegeln.»Heute gibt es kaum ein transparentes Bauteil,dessen Oberfläche nicht veredelt ist«, erklärtBernd Szyszka, Experte des Fraunhofer IST fürdie Beschichtung von Kunststoff und Glas. Dievon ihm und seinen Kolleginnen und Kollegen

im Plasmaverfahren hergestellten Schichten sindelastisch und oft härter als Lacke und schützengegen Verschleiß und Kratzer. Wichtige Funktio-nen sind zudem der Schutz vor schädlicher Ul-traviolettstrahlung der Sonne sowie schmutzab-weisende oder Antireflex-Eigenschaften.

»Ein wichtiger Trend im Automobilbau ist derErsatz von Glas durch Polycarbonat. Der Schlüs-sel hierzu sind glasartige Beschichtungen mit in-tegriertem UV-Schutz. Künftig lassen sich aufdiese Weise federleichte Karosserieelemente auseinem einzigen Guss fertigen«, schwärmt Szysz-ka. Designer können so ihrer Fantasie freienLauf lassen und Geometrien verwirklichen wiemit keinem anderen Werkstoff.

Ein weiteres Augenmerk gilt dem Abperlverhal-ten von Wasser – und das nicht nur im Auto-mobilbau. »Mit unseren Verfahren können wirdie Benetzung von Oberflächen gezielt beein-flussen«, erklärt Diehl. Auf Spiegeln bringt manbeispielsweise hydrophile Oberflächen auf, dieWassertröpfchen fein verlaufen lassen, so dassein dünner Film entsteht, durch den man ein-fach hindurchblicken kann. Auf der Windschutz-scheibe wählen die Ingenieure dagegen den Be-netzungsgrad so, dass Schmutz möglichsteffektiv weggeschwemmt wird.

Werkstoffe, die mitdenken

Doch nicht nur im Automobilbau sind Beschich-tungen gefragt: Neuartige Oberflächen machenauch Werkzeuge, die täglich Tausende von Blechen biegen, stanzen oder fräsen müssen,widerstandsfähig und intelligent: »Wir habenbeispielsweise eine Dünnschichtsensorik entwi-ckelt, um im laufenden Prozess Kräfte und Tem-peraturen zu messen zu können«, erläutert Sas-kia Biehl, Gruppenleiterin Mikro- und Sensor-technologie am IST. Techniker können auf dieseWeise immer das Optimum aus dem Werkzeugherauszuholen und wissen sich trotzdem stetsauf der sicheren Seite.

»Die Arbeiter müssen sich nicht mehr aus-schließlich auf ihre Erfahrung verlassen, sondernhaben einen genauen Überblick, wie stark siedas Werkzeug belasten können«, sagt die For-scherin. Die Lebensdauer des Werkzeugs lässtsich dadurch verlängern, die Wartungsintervallewerden kürzer – das alles spart Kosten.

Christa Schraivogel
IST
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Für die Entwicklung des Videostandards H.264hat das Joint Video Team seinen zweiten Tech-nik-Emmy erhalten. Das Verfahren komprimiertdie Datenmenge von Videos bei gleichbleiben-der Qualität um mehr als die Hälfte und be-schleunigt damit die Übertragung erheblich. Erstdurch eine effiziente Komprimierung werdenAnwendungen wie Videos aufs Handy, HDTVoder Blu-Ray Discs möglich.

Für sein Verfahren wurde das Entwicklerteammit dem Technology & Engineering Emmy

Award 2009 in der Kategorie »Daytime« ausge-zeichnet. Den Preis nahmen die Leiter desTeams entgegen: Fraunhofer-Forscher ThomasWiegand vom Institut für Nachrichtentechnik,Heinrich-Hertz-Institut HHI mit seinen KollegenGary J. Sullivan (Microsoft), Ajay K. Luthra (Mo-torola) und Jens-Rainer Ohm (RWTH Aachen).Im vorigen Jahr hatten sie die Auszeichnung be-reits in der Kategorie »Primetime« erhalten. DerEmmy ist der bedeutendste Fernsehpreis derUSA und wird jährlich in mittlerweile 91 Kate-gorien vergeben.

Zweiter Emmy für Videostandard H.264

Messen und VeranstaltungenApril

20. – 24. AprilHannover MesseTechnologiemesse zu den Themen Automa-tion, Energie, Antriebs- und Fluidtechnik, Mobilität, Zulieferung und Nachwuchs

24. April Start des Science-Expresswww.expedition-zukunft.org

Mai

5. – 8. Mai Control, StuttgartInternationale Fachmesse fürQualitätssicherung

12. – 15. Mai Transport und Logistik, MünchenInternationale Fachmesse für Logistik,Telematik, Verkehr

Juni

15. – 18. JuniLaser, MünchenLASER World of PHOTONICS

Informationen zu allen Messen:www.fraunhofer.de/messenwww.fraunhofer.de/veranstaltungen

Welf ZöllerTelefon +49 89 [email protected]

Thomas Wiegand kann sich über zwei Emmys freuen. © Volker Steger

Hoher Besuch in der Fraunhofer-Zentrale: Derportugiesische Staatspräsident Aníbal CavacoSilva war zu Gast in München. Der Hintergrundfür die Stippvisite: Portugal und die Forschungs-organisation wollen künftig eng zusammenar-beiten. Kernstück ist ein neues Fraunhofer-Cen-ter in Porto (siehe Seite 34).

Zusammen mit Wissenschaftlern an der Univer-sität Porto wollen Forscher dort eine neue Generation intuitiv bedienbarer elektronischerGeräte entwickeln. »Der Standort Porto bietetein ideales Umfeld für das neue Fraunhofer-

Center«, erklärte Dr. Alfred Gossner, Finanzvor-stand der Fraunhofer-Gesellschaft, bei der Be-grüßung des Staatspräsidenten.

Ein weiterer Programmpunkt war die Besichti-gung der Labore des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM. Dortinformierte sich Präsident Silva über das Forschungsfeld Polytronik. Wissenschaftler ar-beiten daran, elektronische Bauteile komplettauf Basis von Kunststoffen aufzubauen.

Portugiesischer Präsident bei Fraunhofer

Dr. Alfred Gossner begrüßte Präsident Prof. Aníbal Cavaco Silva und Staatsminister Dr. Wolfgang Heubisch (v.r.n.l.).© Kai-Uwe Nielsen

72 - PANORAMA weiter.vorn 2.09

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HHI
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- 73PANORAMAweiter.vorn 2.09

Schluckbare Minikameras, Stromgewinnung ausKörperwärme – diese und weitere technischeEntwicklungen aus dem Hause Fraunhofer wer-den in einem Forschungstruck vorgestellt. Inte-ressenten können sich in der fahrenden Ausstel-lung über Innovationen aus den BereichenGesundheit, Energie, Sicherheit, Kommunikati-on, Umwelt und Mobilität informieren. DerTruck startet seine Tour quer durch Deutschlandam 26. März in München. In den kommendenzwei Jahren macht er an vielen Fraunhofer-Insti-tuten und Universitäten Station. Mehr Informa-tionen unter www.truck.fraunhofer.de.

Prof. Dr. Matthias Jarke, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Angewandte InformationstechnikFIT, wurde zum Vizepräsidenten des EuropeanResearch Consortium for Informatics and Ma-thematics (ERCIM) gewählt. Jarke übernimmtdie Verantwortung für den Bereich External Relations.

Für ihre herausragende akademische Laufbahnhat Zona-International Jutta Kühn mit demAmelia-Earhart-Preis ausgezeichnet. Zonta-Inter-national ist ein weltweiter Zusammenschluss be-rufstätiger Frauen, die sich zum Dienst am Men-schen verpflichtet haben. Seit April 2006 forschtdie Doktorandin am Freiburger Fraunhofer-Insti-tut für Angewandte Festkörperphysik IAF anhocheffizienten Galliumnitrid-Leistungsverstär-kern für Luft- und Raumfahrtanwendungen.

Die Europäische Union hat das Jahr 2009 zumEuropäischen Jahr der Kreativität und Innovati-on erklärt. Damit soll die herausragende Bedeu-tung geistigen Schaffens für die Zukunftsfähig-keit Europas deutlich gemacht werden. EinEU-Botschafter für Kreativität und Innovation ist der Leiter des Ilmenauer Fraunhofer-Institutsfür Digitale Medientechnologie IDMT, Prof.Karlheinz Brandenburg.

Für seine herausragenden Verdienste auf demGebiet der Bauphysik erhielt Prof. Dr.-Ing.(em.) Karl Gertis das Verdienstkreuz am Bande.Gertis leitete unter anderem 20 Jahre das Fraun-hofer-Institut für Bauphysik IBP in Stuttgart undHolzkirchen.

Die Regierung für Mittelfranken hat den Auszu-bildenden Gerhard Braun vom Fraunhofer-Insti-tut für Integrierte Schaltungen IIS für seine Leis-tungen an der Berufsschule Erlangen mit demStaatspreis ausgezeichnet.

PersonalienForschungs-Truck

Impressum

Fraunhofer Magazin:Zeitschrift für Forschung, Technik und Innovation.Das Magazin der Fraunhofer Gesellschaft erscheint viermal pro Jahr. Kunden, Partner, Mitarbeiter, Medien und Freunde können es kostenlos beziehen.ISSN 1434-7113 (Printausgabe)ISSN 1617-142X (Internetausgabe)

Herausgeber:Fraunhofer-GesellschaftHansastraße 27c, 80686 MünchenRedaktionsanschrift wie HerausgeberTelefon +49 89 1205-1301Telefax +49 89 [email protected]/magazin

Abonnement:Telefon +49 89 [email protected]

Redaktion:Franz Miller, Birgit Niesing (Chefredaktion)Janine Drexler, Stefanie Heyduck, Marion Horn,Beate Koch, Isolde Rötzer, Monika Weiner,Christa Schraivogel (Bild und Produktion)

Redaktionelle Mitarbeit:Andreas Beuthner, Britta Danger, FrankGrotelüschen, Klaus Jacob, Jan Oliver Löfken,Bernd Müller, Hellmuth Nordwig, Brigitte Osterath, Gerhard Samulat, Claudia Treffert,Evdoxia Tsakiridou

Graphische Konzeption: BUTTER., DüsseldorfLayout: Vierthaler & Braun, MünchenTitelbild: Bernd MüllerLithos: drm-Desktop Repro MunichDruck: J. Gotteswinter GmbH, München

Anzeigen: Heise Zeitschriften VerlagTechnology Review, Helstorfer Straße 7, 30625 Hannover, Telefon +49 511 5352-0www.heise.de/mediadatenNächster Anzeigenschluss: 25.05.2009.

Bezugspreis im Mitgliedspreis enthalten.© Fraunhofer-Gesellschaft, München 2009

Der Fraunhofer-Truck geht ab dem 26. März auf Tour. Die erste Station ist München. © Scholz & Friends

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IDMT,
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IAF
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IIS
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74 - PRODUKTION weiter.vorn 2.09

Straßenbahnfahrer chauffieren Fahrgäste durch dichtes Verkehrsgewühl –vorbei an Staus und Baustellen – sicher ans Ziel. Verkehrslärm, aber auchFahr- und Maschinengeräusche stören die Konzentration der Fahrer aberoft erheblich und lösen zusätzlichen Stress aus. Deutlich hörbar ist dasmonotone Brummen des Kolbenkompressors. Er ist in einem Klimagerätüber dem Fahrerstand untergebracht und sorgt dafür, das die Fahrerkabi-ne immer angenehm temperiert ist. Im laufenden Betrieb entstehen Vi-brationen, die über das Dach der Straßenbahn ins Innere dringen. Inge-nieure am Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässig-keit LBF in Darmstadt haben jüngst im Projekt InMAR (Intelligent Materi-als for Active Noise Reduction) ein aktives Interface entwickelt, das die Vibrationen des Kompressors isoliert. Damit wird verhindert, dass sie indas Bahndach übertragen werden. Für den Fahrer bedeutet das: wenigerLärm – und damit weniger Stress.

»Wir reduzieren die vom Kompressor übertragenen Schwingungen mithil-fe von drei aktiven Lagern sowohl in einem breiten Frequenzbereich alsauch bei einzelnen selektierbaren Frequenzen um bis zu 15 Dezibel«, er-klärt Christoph Axt, Mitarbeiter des Mechatronik-Adaptronik-Teams desLBF. Der für InMAR entwickelte Prototyp wurde nun mit dem Kooperati-onspartner ISYS Adaptive Solutions weiterentwickelt und auf der Hanno-ver-Messe präsentiert.

Der Hersteller des Klimageräts hat den Kompressor als Verursacher desLärms identifiziert. Experimentelle Untersuchungen ergaben, dass zur Re-duzierung der Schwingungen ein größerer Stellweg vonnöten ist, als ihnherkömmliche Piezostapelaktoren, wie sie etwa für Einspritzsysteme imAutomobilbereich genutzt werden, bieten können. Diese bringen nur ca.ein Tausendstel ihrer Länge als Stellweg auf.

»Da wir nur wenig Bauraum für das Lager nutzen konnten, haben wir eine Übersetzung für die Aktoren umgesetzt«, sagt Axt. In der neuen La-gerung drücken vier Aktoren auf große Stempel, die über ein Elastomerals Übertragungsmedium auf einen kleinen Stempel wirken, ähnlich einerhydraulischen Übersetzung. Durch die horizontale Anordnung der Akto-ren und den vertikalen Abgriff der Kraft wird die erforderliche flache Bau-weise erreicht. Der modulare Aufbau mit dem Elastomerbereich in derMitte und den Aktoren seitlich links und rechts hat zudem den Vorteil,dass sich defekte Teile leicht austauschen lassen. Zusätzlich wurde dasBauteil mit einem robusten Gehäuse versehen, welches das empfindlicheInnenleben vor Umwelteinflüssen schützt. Die Spannungsversorgung derPiezoaktoreinheit wird mit einem Low-Cost-Piezoverstärker realisiert. DasBesondere: Er kann mit zwölf Volt betrieben werden – dies entspricht derBordspannung heutiger Fahrzeuge. »Auch bei den elektromechanischenKomponenten haben wir auf ein kostengünstiges, kompaktes und modu-lares Design geachtet. Brauchen wir mehr elektrische Leistung, könnenwir modular erweitern.«, erläutert Dr. Frerk Haase, der ebenfalls an derEntwicklung beteiligt ist.

Die Wissenschaftler versuchen, den Aufbau der aktiven Strukturlösungenmit Blick auf Serienprodukte zu vereinfachen, und nutzen dafür, soweitmöglich, Standardbauteile. Das reduziert die Kosten schon bei kleinenStückzahlen. Ein Beispiel dafür sind im Kompressorlager die Piezoaktorenaus der Kfz-Einspritztechnik. »Neben der eindrucksvollen technischen Per-formance solcher Systeme ist der Verkaufsaspekt entscheidend. Daherstehen im Dialog mit den Kunden Kosten und technische Zuverlässigkeitim Vordergrund«, sagt Abteilungsleiter Dr. Tobias Melz. Im Moment prü-fen die Forscher die aktive Lagerung im Labor. Anschließend muss dasBauteil in den Lebensdauertest.

Aktiv gelagertViele Maschinen vibrieren,schwingen und dröhnen. Menschen,die sie bedienen leiden unter dem Lärm und den Schwingungen.Aktive adaptronische Bauteilehelfen dabei, diese zu reduzie-ren: Entspannteres Arbeiten wird möglich.

Text: Isolde Rötzer

Im laufenden Betrieb entstehen durch das Brummen des Kolbenkompressors Vibrationen, die über das Dachder Straßenbahn ins Innere dringen. © Rüdiger Wölk

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Lebensqualität erhaltenSchlaganfall vorbeugen

Science For A Better Life

Ein Schlaganfall kann das Leben von heute

auf morgen total verändern. Einfachste Tätig-

keiten, wie sich anziehen, Schnürsenkel binden

oder Geschichten vorlesen, werden plötzlich zu

einem großen Problem.

Weltweit leiden rund 15 Millionen Menschen

jährlich an den Folgeschäden eines Schlagan-

falls, zum Beispiel Lähmungen.

Ursache dieser Erkrankung sind Gerinnsel

und Gefäßveränderungen, die zu Sauerstoff-

mangel im Gehirn führen.

Hoffnung gibt eine neue Substanz aus der

Pharma-Forschung von Bayer zur Vorbeugung

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helfen, das Schlaganfall-Risiko zu senken.

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