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Wellengleichungen Vorlesung gehalten durchg¨ angig ab Wintersemester 2006-2007 von Prof. M. Reissig 1 Einf¨ uhrung Wir wollen uns in dieser Vorlesung mit der Theorie von Wellengleichungen u tt - c 2 4 u = 0, c 2 ist eine positive Konstante, 4 = n k=1 2 x k ist der Laplace- Operator, besch¨ aftigen. Diese Gleichung beschreibt die Ausbreitung einer Welle (oder einer St¨orung) und sie tritt bei der Behandlung zahlreicher technischer Modelle auf. Einige dieser Modelle sind die schwingende Saite, die schwingende Membran, longitudinale Schwingungen elastischer St¨abe oder Balken, oberfl¨achliche Wasser- wellen, akustische Probleme f¨ ur Fl¨ usse von Fluiden, in denen eine Schallausbreitung m¨oglichist, die ¨ Ubertragung von elektrischen Signalen in Kabeln, oder die Beschrei- bung elektrischer und magnetischer Felder. Letztere werden durch die Maxwellschen Gleichungen im R 3 t D - rot H =0 , t B + rot E =0 mit den Anfangsbedingungen (x =(x 1 ,x 2 ,x 3 ) R 3 ) D(0,x)= D 0 (x) , B(0,x)= B 0 (x) und den Nebenbedingungen div D = div B =0 beschrieben. Dabei bezeichnen mit (t, x) [0, ) × R 3 D =(D 1 ,D 2 ,D 3 )= D(t, x) den Verschiebungsstrom, H =(H 1 ,H 2 ,H 3 )= H (t, x) das magnetische Feld, B =(B 1 ,B 2 ,B 3 )= B(t, x) die magnetische Induktion, E =(E 1 ,E 2 ,E 3 )= E(t, x) das elektrische Feld. Elektrische und magnetische Str¨ome werden vernachl¨assigt. Dann beschreibt obiges partielles Differentialgleichungssystem 1. Ordnung elektromagnetische Wellen ohne D¨ampfungseffekt, d.h. die elektrische Leitf¨ahigkeit ist Null. Die zu bestimmenden Vektorfelder sind D = ε(E), B = μ(H ) (bzw. E = ε -1 (D), H = μ -1 (B)). Wir nehmen dabei an, daß ε, μ : R 3 R 3 glatte Bi- jektionen sind mit der Eigenschaft, daß die Jacobi-Matrizen ∂ε ∂E , ∂μ ∂H gleichm¨ aßig 1

Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

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Wellengleichungen

Vorlesung gehalten durchgangig ab Wintersemester 2006-2007von Prof. M. Reissig

1 Einfuhrung

Wir wollen uns in dieser Vorlesung mit der Theorie von Wellengleichungen

utt − c2 4 u = 0, c2 ist eine positive Konstante, 4 =n∑

k=1

∂2xk

ist der Laplace-

Operator, beschaftigen. Diese Gleichung beschreibt die Ausbreitung einer Welle(oder einer Storung) und sie tritt bei der Behandlung zahlreicher technischer Modelleauf. Einige dieser Modelle sind die schwingende Saite, die schwingende Membran,longitudinale Schwingungen elastischer Stabe oder Balken, oberflachliche Wasser-wellen, akustische Probleme fur Flusse von Fluiden, in denen eine Schallausbreitungmoglich ist, die Ubertragung von elektrischen Signalen in Kabeln, oder die Beschrei-bung elektrischer und magnetischer Felder. Letztere werden durch die MaxwellschenGleichungen im R3

∂tD − rot H = 0 , ∂tB + rot E = 0

mit den Anfangsbedingungen (x = (x1, x2, x3) ∈ R3)

D(0, x) = D0(x) , B(0, x) = B0(x)

und den Nebenbedingungen

div D = div B = 0

beschrieben. Dabei bezeichnen mit (t, x) ∈ [0,∞)× R3

D = (D1, D2, D3) = D(t, x) den Verschiebungsstrom,

H = (H1, H2, H3) = H(t, x) das magnetische Feld,

B = (B1, B2, B3) = B(t, x) die magnetische Induktion,

E = (E1, E2, E3) = E(t, x) das elektrische Feld.

Elektrische und magnetische Strome werden vernachlassigt. Dann beschreibt obigespartielles Differentialgleichungssystem 1. Ordnung elektromagnetische Wellen ohneDampfungseffekt, d.h. die elektrische Leitfahigkeit ist Null.Die zu bestimmenden Vektorfelder sind D = ε(E), B = µ(H) (bzw. E =ε−1(D), H = µ−1(B)). Wir nehmen dabei an, daß ε, µ : R3 → R3 glatte Bi-jektionen sind mit der Eigenschaft, daß die Jacobi-Matrizen ∂ε

∂E, ∂µ

∂Hgleichmaßig

1

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positiv definit sind bez. der Argumente auf jeder kompakten Menge des R3. Wirerinnern uns

∂ε

∂E=

∂ε1

∂E1

∂ε1

∂E2

∂ε1

∂E3∂ε2

∂E1

∂ε2

∂E2

∂ε2

∂E3∂ε3

∂E1

∂ε3

∂E2

∂ε3

∂E3

.

Der nichtlineare Ansatz D = ε(E) , B = µ(H) scheint doch recht allgemein, deshalbverwendet man haufig die Vereinfachungen

ε(E) = ε0E + O(|E|3) fur |E| → 0 , µ(H) = µ0H + O(|H|3) fur |H| → 0 .

Man nennt ε0 die Dielektrizitatskonstante und µ0 die Permeabilitat. Wir konnendiese o.B.d.A gleich 1 setzen. Verwenden wir nun die inversen Abhangigkeiten

ε−1(D) = D + O(|D|3) fur |D| → 0 , µ−1(B) = B + O(|B|3) fur |B| → 0 ,

dann erhalten wir

∂tD − rot B = rot F (B) , ∂tB + rot D = rot G(D) ,

mit glatten Vektorfunktionen F = F (B) und G = G(D). Diese besitzen das asymp-totische Verhalten F (B) = O(|B|3) fur |B| → 0 und G(D) = O(|D|3) fur |D| → 0.Wir vernachlassigen jetzt die ”kleinen Nichtlinearitaten” rot F (B) und rot G(D).Naturlich ist abzuklaren, ob das uberhaupt erlaubt ist, da man dadurch ein nichtlin-eares Modell zu einem linearen Modell abandert. Besser ist, das nichtlineare Modellbeizubehalten und in erster Instanz das ”linearisierte Modell”

∂tD − rot B = 0 , ∂tB + rot D = 0

zu studieren. Nach Differentiation ∂t ergibt sich

∂2t D − rot ∂tB = ∂2

t D + rot rot D = 0 ,

∂2t B + rot ∂tD = ∂2

t B + rot rot B = 0 .

Verwenden wir die aus der Vektoranalysis bekannte Beziehung 4B = grad div B−rot rot B, so erhalten wir mit der vorausgesetzten Divergenzfreiheit von B und Dsofort die Wellengleichungen

∂2t D −4D = 0, ∂2

t B −4B = 0

mit den Anfangsbedingungen

D(0, x) = D0(x), B(0, x) = B0(x),

∂tD(0, x) = rot H(0, x) = rot µ−1(B0(x)),

∂tB(0, x) = − rot E(0, x) = − rot ε−1(D0(x)).

2

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Mitunter fuhren Modellierungen zu Wellengleichungen mit Termen niederer Ord-nung.

Klein-Gordon Gleichung

Klein (1927) und Gordon (1926) haben folgende relativistische Gleichung fur eingeladenes Teilchen in einem elektromagnetischen Feld hergeleitet (m2 > 0 ist eineKonstante):

¤ u + m2u = ∂2t u−4u + m2u = 0 .

Mit ¤ bezeichnen wir den d’Alembertschen Operator ∂2t −4. Der Term m2u heißt

Masseterm oder Potential.

Telegraphen-Gleichung

Diese lautet mit positiven Konstanten a und b

utt − uxx + a ut + b u = 0 .

Sie tritt auf bei der Behandlung der Ausbreitung von elektrischen Signalen bei derDatenfernubertragung, bei der Ausbreitung von Druckwellen bei pulsierenden Blut-stromungen in Arterien oder bei der zufalligen Bewegung von Kafern entlang einerHecke. Mit b u wird wieder ein Masseterm, mit aut ein Dampfungsterm beschrieben(vgl. mit dem harmonischen Oszillator aus der Theorie der gewohnlichen Differen-tialgleichungen).

Wellengleichungen mit Konvektionsterm

Schließlich treten noch Modelle der Form

utt −4u +n∑

k=1

ak(t, x)∂xku = utt −4u + ~a(t, x) · grad u = 0

auf. Der Term ~a(t, x)· grad u beschreibt eine Konvektion oder ein Transportverhal-ten.

Merke: In allen eingefuhrten Modellen kann die homogene rechte Seite durch einerechte Seite f = f(t, x) (mitunter hangt die rechte Seite auch von der gesuchtenLosung oder deren Ableitungen ab - siehe Maxwellsche Gleichungen) ersetzt werden.Diese beschreibt Quellen oder Senken.

3

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2 Losungsdarstellungen fur Wellengleichungen

2.1 Klassische Losungsdarstellungen

2.1.1 Der Anschauungsraum R1

Wir wenden uns dem Cauchy-Problem

utt − uxx = 0, u(0, x) = f(x) , ut(0, x) = g(x)

zu. Neue Koordinaten ξ = x− t, η = x + t (motiviert uber den Begriff der Charak-teristik) transformieren die partielle Differentialgleichung zu −4uξη = 0. Diese hatdie allgemeine Losung u = u(ξ, η) = u1(ξ) + u2(η). Rucktransformation liefertu = u(t, x) = u1(x− t) + u2(x + t). Damit ist die allgemeine Losung u der Wellen-gleichung eine lineare Superposition von zwei Wellen. Der Term u1(x− t) stellt eineWelle (oder Storung) dar, die sich mit der Geschwindigkeit 1 nach rechts bewegt. DieWelle u2(x + t) bewegt sich nach links mit der Geschwindigkeit 1. Beide Losungen(vorausgesetzt, daß u1, u2 zweimal differenzierbar sind) nennt man traveling wavesolutions. Es bleibt noch, die Cauchy-Bedingungen zu verarbeiten, d.h.

u(0, x) = f(x) = u1(x) + u2(x), ut(0, x) = g(x) = −u′1(x) + u′2(x).

Integration der zweiten Gleichung liefert −u1(x) + u2(x) =x∫

x0

g(r)dr, x0 ist eine

beliebige Konstante. Damit erhalten wir

u1(x) =1

2f(x)− 1

2

∫ x

x0

g(r)dr, u2(x) =1

2f(x) +

1

2

∫ x

x0

g(r)dr.

Zusammenfassend erhalten wir die sogenannte d’Alembertsche Losungsdarstellung

u(t, x) =1

2

(f(x− t) + f(x + t)

)+

1

2

∫ x+t

x−t

g(r)dr.

2.1.2 Was liefert uns die d’Alembertsche Losungsdarstellung?

2.1.2.1 Regularitatsaussagen

Vorgelegt sei das Cauchy-Problem

utt − uxx = 0, u(0, x) = f(x), ut(0, x) = g(x) mit Daten f ∈ Ck(R1) undg ∈ Ck−1(R1).

Satz 2.1 Das obige Cauchy Problem besitzt genau eine Losung u ∈ Ck([0,∞) ×R1). Die Losung hangt stetig von den Daten ab, d.h. falls wir f und g bez. der

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Topologien von Ck(R1) und Ck−1(R1) ein wenig andern, dann andert sich die Losungein wenig in der Topologie des Ck([0,∞)× R1).

Beweis: Die Existenz einer Losung ergibt sich mit der d’AlembertschenLosungsformel. Die Eindeutigkeit ergibt sich aus der Tatsache, daß sich die allge-meine Losung von utt−uxx = 0 in der Form u(t, x) = u1(x− t)+u2(x+ t) darstellenlaßt. Die stetige Abhangigkeit von den Daten ergibt sich aus der Losungsdarstellung.

2

Aufgabe 1 Wir betrachten das Cauchy-Problem mit f = g = 0 außerhalb desIntervalls [−l, l]. Zeigen Sie, daß zu jedem Punkt x0 Zahlen T (x0) und U mitu(x0, t) = U fur t ≥ T (x0) existieren. Bestimmen Sie diese.

2.1.2.2 Qualitative Eigenschaften der Losungen

Aus der d’Alembertschen Losungsformel ergeben sich bemerkenswerte Eigenschaftender Losungen von Wellengleichungen, die nur fur Losungen hyperbolischer Differen-tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Reprasentant dieser Klasse) charakter-istisch sind.

Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von Storungen

Vorgelegt sei unser Cauchy-Problem mit Daten f ∈ C2(R1) und g ∈ C1(R1). Wirstoren diese Daten durch fs ∈ C2(R1) und gs ∈ C1(R1) nur auf einem Intervall[a, b]. Uns interessiert wie sich diese Storung fortpflanzt. Dazu studieren wir dasCauchy-Problem

utt − uxx = 0, u(0, x) = fs(x), ut(0, x) = gs(x)

mit fs = gs = 0 außerhalb von [a, b]. Als Losung erhalten wir

us(t, x) =1

2

(fs(x− t) + fs(x + t)

)+

1

2

∫ x+t

x−t

gs(r)dr.

Frage: Wann spuren wir die Storungen in einem Punkt x0 ∈ R1, der außerhalbvon [a, b] liegt? Es ist naturlich klar, daß fur kleine Zeiten in x0 Ruhe herrscht.

Antwort: Nach der endlichen Zeit T = dist (x0, [a, b]) spurt man die Storung. De-shalb spricht man von einer endlichen Ausbreitungsgeschwindigkeit von Storungenoder von der Existenz einer vorderen Wellenfront.

Abhangigkeitsmenge

Frage: Welche Informationen der Daten bestimmen die Losung u in einem Punkt(t0, x0)?

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Antwort: Wir benotigen zur Bestimmung von u(t0, x0) das Datum f an den Stellenx0−t0 und x0+t0 und das Datum g im Intervall [x0−t0, x0+t0]. Man nennt deshalbdas Intervall [x0−t0, x0 + t0] Abhangigkeitsmenge fur die Losung u im Punkt (t0, x0).

Huygens-Prinzip

Das Huygens-Prinzip beschreibt die Existenz einer hinteren Wellenfront, d.h. dieEigenschaft, daß in einem Ortspunkt x0 ∈ R1 nach einer gewissen Zeit T (x0) wiederRuhe herrscht, sofern man an der Ausbreitung von Storungen in einem Intervall[a, b] interessiert ist. Da fur u(t0, x0) die Abhangigkeitsmenge [x0 − t0, x0 + t0] ist,kann i.allg. keine hintere Wellenfront beoachtet werden. Gilt aber g ≡ 0, dann wirdu(t0, x0) nur durch f(x0 − t0) und f(x0 + t0) bestimmt. Somit mußte klar sein, daßab dem Zeitpunkt T = max(x0 − a, b− x0) in x0 Ruhe herrscht. Zusammenfassendgilt damit das Huygens-Prinzip eingeschrankt unter der Annahme g ≡ 0.

2.1.2.3 Wellenmodelle mit Quellen

Wenden wir uns dem Wellenmodell

utt − uxx = F (t, x), u(0, x) = f(x), ut(0, x) = g(x)

zu. Wir setzen voraus, daß die Quelle F geeignet integrierbar sei, so daß alle spaterenRechnungen sinnvoll sind (z.B. F ∈ L1

loc([0,∞) × R)). Fur die gesuchte Losungwahlen wir den Ansatz u = v + w, wobei v und w den Cauchy-Problemen (hierkommt die Linearitat unseres Ausgangsproblems zum Tragen)

vtt − vxx = F (t, x), v(0, x) = 0, vt(0, x) = 0,

wtt − wxx = 0, w(0, x) = f(x), wt(0, x) = g(x)

genugen. Die Bestimmung von w ist klar, so daß wir uns nur noch mit der von vbeschaftigen mussen.

Aufgabe 2 Leiten Sie die Losungsdarstellung

v(t, x) =1

2

∫ t

0

∫ x+(t−t′)

x−(t−t′)F (x′, t′)dx′dt′

her und uberprufen Sie, ob v tatsachlich das Cauchy-Problem lost. WelcheWerte von F bestimmen die Losung v im Punkt (t0, x0)? Bestimmen Sie dasAbhangigkeitsgebiet. Es ist in diesem Zusammenhang abzuklaren, in welchem Sinnev = v(t, x) eine Losung unter der Voraussetzung F ∈ L1

loc([0,∞)× R)) ist.

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2.1.3 Der Anschauungsraum R3 - Die Kirchhoffsche Losungsdarstellung

Wir wenden uns wieder dem Cauchy-Problem

utt −4u = 0, u(0, x) = f(x), ut(0, x) = g(x), x ∈ R3,

zu. Wir haben jetzt keine solche einfache Losungsprozedur wie im eindimensionalenFall. Starten werden wir aber mit einer einfachen Beobachtung.

Lemma 2.1 Es sei up = up(t, x) eine Losung von

utt −4u = 0, u(0, x) = 0, ut(0, x) = p(x),

p = p(x) sei hinreichend glatt. Dann erfullt ∂tup =: v das Cauchy-Problem

vtt −4v = 0, v(0, x) = p(x), vt(0, x) = 0.

Aufgabe 3 Beweisen Sie die Aussage dieses Lemmas.

Folgerung 2.1 Eine Losung u = u(t, x) von

utt −4u = 0, u(0, x) = f(x), ut(0, x) = g(x)

mit hinreichend glatten Daten f und g ergibt sich in der Form u(t, x) = ug(t, x) +∂tuf (t, x).

Wenden wir uns der Herleitung einer Formel fur up = up(t, x) zu. Dazu betrachtenwir das Cauchy-Problem

utt −4u = 0, u(0, x) = 0, ut(0, x) = δε(x), x ∈ R3,

mit δε(x) = (4πε)−32 exp(− |x|2

4ε), ε > 0.

Es gilt∫R3

δε(x)dx = 1 und limε→0

δε(x) = 0 fur alle x 6= 0.

Das Anfangsdatum δε(x) hangt nur vom Polarabstand r = |x| ab, es ist somit radi-alsymmetrisch. Man konnte erwarten, daß dann auch die Losung radialsymmetrischist, d.h. nur von r und t abhangt.

Aufgabe 4 Zeigen Sie, daß jede radialsymmetrische Losung u = u(t, r) von utt −4u = 0, x ∈ R3, in folgender Form darstellbar ist:

u(t, r) =u1(r + t)

r+

u2(r − t)

r

mit beliebigen zweimal differenzierbaren Funktionen u1, u2 (Umrechnung desLaplace-Operators in Kugelkoordinaten). Man bezeichnet u2 = u2(r − t) als ex-pandierende Welle und u1 = u1(r + t) als sich zusammenziehende Welle.

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Nutzen wir die Anfangsbedingungen dann folgt

u1(r) + u2(r) = 0, u′1(r)− u′2(r) = r δε.

Somit ist u1 = −u2 und u′2(r) = − r δε

2. Unbestimmte Integration liefert

u2(r) =

∫−r

2(4πε)−

32 exp

(− r2

)dr = ε (4πε)−

32 exp

(− r2

)+ C.

Damit ergibt sich die Losungsdarstellung

u(t, x) = Iε(r, t)− Jε(r, t) :=

1

4πr

1√4πε

exp

(−(r − t)2

)− 1

4πr

1√4πε

exp

(−(r + t)2

).

Das Datum p = p(y) ist stetig. Damit ist p in einem kleinen Volumen ∆y annaherndkonstant. Somit ergibt sich als Naherungslosung u = u(t, x) zu dem Datump(y)δε(|x− y|)∆y (∆y bedeutet lokalisiert um y!)

u(t, x) = p(y)(Iε(|x− y|, t)− Jε(|x− y|, t)

)∆y.

Durch Uberlagerung aller Einflusse von lokalisierten Daten erhalten wir

u(t, x) =

R3

p(y)(Iε(|x− y|, t)− Jε(|x− y|, t)

)dy.

Unsere gesuchte Losung ergibt sich dann als

u(t, x) = limε→0

R3

p(y)(Iε(|x− y|, t)− Jε(|x− y|, t)

)dy.

Da Jε gegen 0 strebt fur alle t > 0 schlußfolgern wir

u(t, x) = limε→0

R3

p(y)Iε(|x− y|, t)dy.

Nach Einfuhrung von Kugelkoordinaten y = x+ρω, ω ist ein Einheitsvektor im R3,bekommen wir

u(t, x) = limε→0

R3

p(y)1

4π|x− y|1√4πε

exp(− (|x− y| − t)2

)dy

= limε→0

1

∫ ∞

0

exp(− (ρ− t)2

) 1√4πε

(1

ρ

|ω|=1

p(x + ρω)ρ2dσω

)dρ.

8

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Setzen wir schließlich ρ − t = 2√

εz und vertauschen die Integrationsreihenfolge(gleichmaßige Konvergenz uberprufen, das Datum p = p(x) sei so beschaffen, daßIntegration und Grenzwertbildung vertauscht werden konnen), dann folgt

u(t, x) =1

|ω|=1

limε→0

∫ ∞

−t2√

ε

p(x + (t + 2√

εz)ω)(t + 2√

εz) exp(−z2)dz dσω

=t

|ω|=1

p(x + tω)dσω.

Das Flachenelement der Oberflache einer Kugel mit dem Radius t ist dσy = t2dσω.Setzen wir x + tω = y, dann erhalten wir die aquivalente Losungsdarstellung

u(t, x) =1

4πt

St(x)

p(y)dσy,

wobei St(x) die Kugeloberflache einer Kugel mit dem Zentrum x und dem Radius tbezeichnet.

Merke: Die Ausfuhrungen dieses Abschnittes dienten nur dazu, einen Kandidatenfur die Losung von utt −4u = 0, u(0, x) = 0, ut(0, x) = p(x), x ∈ R3, zu erhalten.

Lemma 2.2. Es sei p ∈ Ck(R3) mit k ≥ 2. Dann ist eine Losung des obigenCauchy-Problems durch die Kirchhoffsche Formel

up(t, x) =1

4πt

St(x)

p(y)dσy

gegeben. Diese Losung gehort zum Raum Ck([0,∞)× R3).

Beweis: Siehe Vorlesungsskript ”Partielle Differentialgleichungen”. 2

Satz 2.2 Das Cauchy-Problem

utt −4u = 0, u(0, x) = f(x), ut(0, x) = g(x)

mit Daten f ∈ Ck(R3) und g ∈ Ck−1(R3) besitzt eine Losung u ∈ Ck−1([0,∞)×R3).Diese Losung ist in der Form

u(t, x) =1

4πt

St(x)

g(y)dσy + ∂t

( 1

4πt

St(x)

f(y)dσy

)

darstellbar.

Frage: Wodurch unterscheiden sich die Aussagen der Satze 2.1 und 2.2.?

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Antwort: Im Satz 2.2 haben wir keine Eindeutigkeitsaussage. Weiterhin ist dieLosung aus Satz 2.2 nur aus dem Raum Ck−1([0,∞)×R3). Wir verlieren also eineRegularitatsordnung.

Aufgabe 5 (Duhamelsches Prinzip) (vgl. mit Aufgabe 2)Zeigen Sie, daß eine Losung u von

utt −4u = F (x, t), u(x, 0) = ut(x, 0) = 0, x ∈ R3,

in der Form

u(t, x) =

∫ t

0

w(x, t− τ, τ)dτ

gegeben ist, wobei w = w(x, t, τ) das folgende Cauchy-Problem lost:

wtt −4xw = 0, w(x, 0, τ) = 0, wt(x, 0, τ) = F (x, τ).

2.1.4 Energiemethode

Der Begriff der Energie einer Funktion (oder besser einer Losung der Wellengle-ichung) ist ein wesentliches Hilfsmittel zum Studium qualitativer Eigenschaften.Es sei u ∈ C([0, T ], H1(Rn)) ∩ C1([0, T ], L2(Rn)) eine vorgelegte Funktion (zurErklarung der verwendeten Bezeichnungen siehe Skript ”Partielle Differentialgle-ichungen”). Dann bezeichnet

E(u)(t) :=1

2

Rn

(|ut(t, x)|2 + |∇xu(t, x)|2

)dx =

1

2‖ut(t, ·)‖2

L2 +1

2‖∇xu(t, ·)‖2

L2

die Energie, die nur von der Zeitvariablen t abhangt. Mit 12‖ut(t, ·)‖2

L2 wird diekinetische Energie und mit 1

2‖∇xu(t, ·)‖2

L2 die elastische Energie bezeichnet.Ist man nicht an der totalen Energie interessiert, dann kann man zu einem BereichK ⊂ Rn (Abschluß eines Gebietes) die Energie

E(u,K)(t) :=1

2

K

(|ut(t, x)|2 + |∇xu(t, x)|2

)dx

definieren. Es sei (t0, x0), t0 > 0, ein fester Punkt im Rn+1. Durch die Punktmenge(t, x) : |x− x0| = |t− t0| wird die Mantelflache eines Doppelkegels mit der Spitzein (t0, x0) beschrieben. Der obere (untere) Kegel fur t ≥ t0 (t ≤ t0) ist der vorwarts(ruckwarts) gerichtete Kegel mit der Spitze in (t0, x0). Es sei T ≤ t0. Der Teil derEbene t = T , die durch den ruckwarts gerichteten Kegel herausgeschnitten wird,bezeichnen wir mit K(x0, t0 − T ). Dieser stellt offensichtlich eine abgeschlosseneKugel um x = x0 mit dem Radius t0 − T dar. Es gilt die folgende bemerkenswerteAussage:

10

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Satz 2.3. (Abhangigkeitsgebiet-Ungleichung)Es sei (t0, x0) ∈ Rn+1 mit t0 > 0. Mit Ω bezeichnen wir das kegelformige Gebietwelches durch den ruckwarts gerichteten Kegel mit der Spitze in (t0, x0) und derEbene t = 0 berandet wird. Es sei u ∈ C2(Ω) eine klassische Losung der Wellengle-ichung utt −4u = 0. Dann gilt

E(u,K(x0, t0 − t)) ≤ E(u, K(x0, t0)) fur t ∈ [0, t0].

Beweis: Siehe Skript ”Partielle Differentialgleichungen”. 2

Aus den Satzen 2.2 und 2.3 schlußfolgern wir sofort

Folgerung 2.2. Die in Satz 2.2 gegebene Losung von

utt −4u = 0 , u(0, x) = f(x) , ut(0, x) = g(x)

ist in der Menge aller Losungen u ∈ Ck−1([0,∞)× R3) eindeutig bestimmt.

Aufgabe 6 Nutzen Sie das Duhamelsche Prinzip und die KirchhoffscheLosungsdarstellung, um die Losung von

utt −4u = F (t, x) , u(0, x) = ut(0, x) = 0 , x ∈ R3,

herzuleiten. Wir setzen voraus, daß F ∈ C2([0, T ], C2(R3)) ist.

Aufgabe 7 Finden Sie die Losung von

utt −4u = 0 , u(0, x) = 1 , ut(0, x) =1

1 + |x|2 , x ∈ R3.

Satz 2.4. (Energieerhaltung)Es sei u ∈ C([0, T ], H1(Rn)) ∩ C1([0, T ], L2(Rn)) eine Sobolevlosung (Verallge-meinerung der klassischen Losung, siehe Skript ”Partielle Differentialgleichungen”)von

utt −4u = 0 , u(0, x) = f(x) , ut(0, x) = g(x) ,

mit Daten f ∈ H1(Rn) und g ∈ L2(Rn). Dann gilt

E(u)(t) = E(u)(0) =1

2

(‖u1‖2

L2 + ‖∇u0‖2L2

)fur alle t ≥ 0 .

Beweis: Da der Raum C∞0 (Rn) dicht in H1(Rn) ⊂ L2(Rn) liegt, konnen wir

die vorgelegten Daten f ∈ H1(Rn) und g ∈ L2(Rn) durch eine Folge von Daten

11

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fk , gk mit fk, gk ∈ C∞0 (Rn) approximieren. Wir betrachten die Familie von

Hilfsproblemen

utt −4u = 0 , u(0, x) = fk(x) , ut(0, x) = gk(x) .

Nach den Satzen 2.2 und 2.3 existiert genau eine Losung uk ∈ C∞([0, T ], C∞0 (Rn)).

Differenzieren wir nun E(uk)(t), dann ergibt sich

E ′(uk)(t) =

Rn

(∂tuk(t, x)∂2

t uk(t, x) +∇xuk(t, x) · ∇x∂tuk(t, x))ds .

Da fur jedes t ∈ [0, T ] die Funktion uk(t, ·) zum C∞0 (Rn) gehort, konnen wir partiell

integrieren und wissen, daß die Randintegrale verschwinden. Benutzen wir noch dieWellengleichung, dann ergibt sich insgesamt

E ′(uk)(t) =

Rn

(∂tuk(t, x)4 uk(t, x)−4uk(t, x)∂tuk(t, x))dx = 0 .

Somit folgt E(uk)(t) = E(uk)(0) = 12

(‖gk‖2

L2 + ‖∇fk‖2L2

). Nach Voraussetzung

haben wir limk→∞

E(uk)(0) = E(u)(0).

In Abschnitt 2.2 werden wir verstehen, daß auch limk→∞

E(uk)(t) = E(u)(t) gilt

(Korrektheit des Cauchy-Problems in Sobolevraumen). Damit ist der Beweis er-bracht. 2

2.1.5 Was liefert uns die Kirchhoffsche Losungsdarstellung?

Wir wollen jetzt fur den 3-d Fall die gleichen qualitativen Eigenschaften, wie fur den1-d Fall in Abschnitt 2.1.2.2 geschehen, diskutieren. Wir wissen, daß

u(t, x) =1

4πt

St(x)

g(y)dσy + ∂t

( 1

4πt

St(x)

f(y)dσy

)

die eindeutig bestimmte klassische Losung von

utt −4u = 0 , u(0, x) = f(x) , ut(0, x) = g(x) , x ∈ R3 ,

ist. Dabei benotigen wir geeignete Regularitatsvoraussetzungen an die Daten f undg.

Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von Storungen

Wir betrachten obiges Cauchy-Problem mit Daten f und g, die hinreichend regularsind und die außerhalb einer Kugel KR(x0) um x0 mit dem Radius R verschwinden.

12

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Frage: Zu welchen Zeiten herrscht in einem Punkt x1 ∈ Rn Ruhe, d.h. wann istu(t, x1) = 0?

Antwort: Falls St(x1) ∩ KR(x0) = ∅ gilt u(t, x1) = 0. Ist somit x1 6∈ KR(x0),dann gilt u(t, x1) = 0 fur t ≤ dist (x1, KR(x0)). Damit liegt eine endliche Ausbre-itungsgeschwindigkeit von Storungen vor.

Huygens-Prinzip

Nach der Zeit T (x1) = maxx∈∂KR(x0)

|x1−x| herrscht in x1 wieder Ruhe, d.h. u(t, x1) = 0

fur t ≥ T (x1). Damit gilt das Huygens-Prinzip uneingeschrankt fur den 3-d Fall.

Abhangigkeitsmenge

Frage: Welche Informationen der Daten bestimmen die Losung u in einem Punkt(t0, x0)?

Antwort: Wir benotigen zur Bestimmung von u(t0, x0) die Daten f und g auf derKugeloberflache

St0(x0) = x ∈ R3 : |x− x0| = t0 .

2.1.6 Der Anschauungsraum R2 - die Abstiegsmethode

Vorgelegt sei jetzt das Cauchy-Problem im 2-d Fall

utt −4u = 0 , u(0, x) = f(x) , ut(0, x) = g(x) , x ∈ R2.

Nach Satz 2.3 (dieser gilt fur alle Dimensionen) wissen wir, daß hochstens eineklassische Losung existiert sofern die Daten hinreichend glatt sind. An diese Losungkommt man uber die Kirchhoffsche Losungsdarstellung im R3

up(t, x) =1

4πt

St(x)

p(y)dσy

nach Anwendung der Abstiegsmethode. Dazu betrachten wir das gegebene Datump = p(x) = p(x1, x2) als Funktion im R3. Setzt man dieses Datum in die obigeLosungsdarstellung ein, dann ergibt sich

up(t, x1, x2, x3) =1

4πt

St(x1,x2,x3)

p(y1, y2)dσ(y1,y2,y3).

Falls die rechte Seite nicht von x3 abhangt, dann erhalten wir sofort die gesuchteLosung von

utt −4u = 0 , u(0, x) = 0 , ut(0, x) = p(x) , x ∈ R2 .

13

Page 14: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

Die Kugeloberflache St(x1, x2, x3) ist gegeben durch

y ∈ R3 : y3 = x3 ± (t2 − (y1 − x1)2 − (y2 − x2)

2)1/2, (y1, y2) ∈ Kt(x1, x2),wobei Kt(x1, x2) die Kugel mit dem Radius t um (x1, x2) ∈ R2 bezeichnet. Umrech-nung des Flachenelementes liefert auf beiden Halbkugeloberflachen

dσ(y1,y2,y3) =

(1 +

(∂y3

∂y1

)2

+

(∂y3

∂y2

)2)1/2

d(y1, y2)

=t√

t2 − (y1 − x1)2 − (y2 − x2)2d(y1, y2).

Somit erhalten wir die von x3 unabhangige Losung

up(t, x1, x2) =2

4πtt

Kt(x1,x2)

p(y1, y2)√t2 − (y1 − x1)2 − (y2 − x2)2

d(y1, y2)

=1

Kt(x1,x2)

p(y1, y2)√t2 − (y1 − x1)2 − (y2 − x2)2

d(y1, y2).

Aufgabe 8 Welchen wesentlichen Unterschied haben die KirchhoffschenLosungsdarstellungen im 2-d und im 3-d Fall?

Zusammenfassend haben wir folgende Aussage bewiesen:

Satz 2.5 Das Cauchy-Problem

utt −4u = 0 , u(0, x) = f(x) , ut(0, x) = g(x)

mit Daten f ∈ Ck(R2) und g ∈ Ck−1(R2), k ≥ 3, besitzt eine eindeutig bestimmteLosung u ∈ Ck−1([0,∞)× R2). Diese Losung ist in der Form

u(t, x) =1

Kt(x)

g(y)√t2 − |y − x|2dy + ∂t

( 1

Kt(x)

f(y)√t2 − |y − x|2dy

)

darstellbar.

Aufgabe 9 Leiten Sie mit Hilfe der Abstiegsmethode die d’AlembertscheLosungsformel aus Abschnitt 2.1.1 her.

Aufgabe 10 Untersuchen Sie die Eigenschaft der endlichen Ausbreitungs-geschwindigkeit von Storungen, beschreiben Sie die Abhangigkeitsmenge und zeigenSie schließlich, daß das Huygens-Prinzip im 2-d Fall nicht gilt.

Aufgabe 11 Gegeben sei das Cauchy-Probem im R2 mit kompakten Trager Daten,d.h. f(x) = g(x) = 0 außerhalb einer Kugel KR(0). Wie verhalt sich die Losungu = u(t, x) in einem festen Punkt x0 ∈ R2 falls t →∞ strebt?

14

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Aufgabe 12 Gegeben sei das Cauchy-Problem aus Aufgabe 11, betrachtet in R1,R2 und R3 (wir legen Wert darauf, daß die Daten f und g einen kompakten Tragerbesitzen, d.h. f = g ≡ 0 außerhalb einer Kugel KR(0)). Skizzieren Sie in jedem derdrei Falle Mengen im Rn+1

+ , n = 1, 2, 3, auf welchen die Losung verschwindet.

2.1.7 Wellengleichungen in den Raumen R2n+1(n ≥ 2)

Motiviert durch die Untersuchungen fur die Wellengleichungen in 1-d und 3-d Fallwollen wir jetzt einige Resultate fur den allgemeinen Fall ungerader Raumdimensio-nen bringen. Vorgelegt sei das Cauchy-Problem

utt −4u = 0 , u(0, x) = f(x) , ut(0, x) = g(x) , x ∈ R2n+1 , n ≥ 1 .

Satz 2.6. Gegeben seien Daten f ∈ Ck(R2n+1) und g ∈ Ck−1(R2n+1) mit k ≥n+2, n ≥ 1. Dann besitzt obiges Cauchy-Problem eine eindeutig bestimmte Losungu ∈ Ck−n([0,∞)× R2n+1). Die Losung ist darstellbar in der Form

u(t, x) =n−1∑j=0

((j + 1)ajt

j∂jt + ajt

j+1∂j+1t

) 1

ω2n+1

|y|=1

f(x + ty)dσy

+n−1∑j=0

ajtj+1∂j

t

1

ω2n+1

|y|=1

g(x + ty)dσy ,

wobei aj = aj(n) Konstanten sind mit an−1 6= 0, und ω2n+1 das Maß der Ein-heitssphare im R2n+1 bezeichnet.

Frage: Was liefert uns diese Losungsdarstellung?

Antwort: Wir erhalten sofort folgende Informationen:

• Der Ableitungsverlust betragt n.

• Die Eigenschaften der endlichen Ausbreitungsgeschwindigkeit von Storungen,der Existenz einer Abhangigkeitsmenge und das Huygens-Prinzip sind erfullt.

Frage: Wie beweist man die Eindeutigkeit der Losung?

Beispiel: Fur n = 1 ist a0 = 1, und wir erhalten die KirchhoffscheLosungsdarstellung im 3-d Fall

u(t, x) = (1 + t ∂t)1

|y|=1

f(x + ty)dσy +1

|y|=1

g(x + ty)dσy .

15

Page 16: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

2.1.8 Wellengleichungen in den Raumen R2n (n ≥ 2)

Als Verallgemeinerung des 2-d Falls wollen wir den allgemeinen Fall gerader Raumdi-mensionen behandeln. Vorgelegt sei das Cauchy-Problem

utt −4u = 0 , u(0, x) = f(x) , ut(0, x) = g(x) , x ∈ R2n , n ≥ 1 .

Satz 2.7. Gegeben seien Daten f ∈ Ck(R2n) und g ∈ Ck−1(R2n) mit k ≥ n +2, n ≥ 1. Dann besitzt obiges Cauchy-Problem eine eindeutig bestimmte Losungu ∈ Ck−n([0,∞)× R2n). Die Losung ist darstellbar in der Form

u(t, x) =n−1∑j=0

((j + 1)bjt

j∂jt + bjt

j+1∂j+1t

) 2Γ(2n+12

)√πΓ(n)t2n−1

×∫ t

0

r2n−1

ω2n(t2 − r2)1/2

|y|=1

f(x + ry)dσydr

+n−1∑j=0

bjtj+1∂j

t

2Γ(2n+12

)√πΓ(n)t2n−1

∫ t

0

r2n−1

ω2n(t2 − r2)1/2

|y|=1

g(x + ry)dσydr,

wobei bj = bj(n) Konstanten sind mit bn−1 6= 0, und ω2n das Maß der Einheitssphareim R2n bezeichnet.

Frage: Was liefert uns diese Losungsdarstellung?

Antwort: Wir erhalten sofort folgende Informationen:

• Der Ableitungsverlust betragt n.

• Die Eigenschaften der endlichen Ausbreitungsgeschwindigkeit von Storungenund die Existenz einer Abhangigkeitsmenge sind erfullt.

Beispiel: Fur n = 1 erhalten wir die Kirchhoffsche Losungsdarstellung im 2-d Fall

u(t, x) = (b0 + b0t ∂t)2Γ(3

2)√

πΓ(1)t

∫ t

0

r

ω2(t2 − r2)1/2

|y|=1

f(x + ry)dσydr

+b0

2Γ(32)√

πΓ(1)

∫ t

0

r

ω2(t2 − r2)1/2

|y|=1

g(x + ry)dσydr

= b0

2Γ(32)√

πΓ(1)

(∂t

Kt(x)

f(y)√t2 − |y − x|2dy +

Kt(x)

g(y)√t2 − |y − x|2dy

)

nach geeigneter Wahl von b0 6= 0.

Vortragsthema 1 Losungsdarstellungen von Wellengleichungen und Anwendungen

16

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2.2 Losungsdarstellungen in Form von Fouriermultiplika-toren

2.2.1 Anwendung der partiellen Fouriertransformation

Die notwendigen Hilfsmittel zur Fouriertransformation findet man im Skript ”Par-tielle Differentialgleichungen”.

Vorgelegt sei das Cauchy-Problem

utt −4u = 0 , u(0, x) = f(x) , ut(0, x) = g(x) , x ∈ Rn , n ≥ 1 .

Nach Anwendung der partiellen Fouriertransformation (v(t, ξ) = Fx→ξ(u(t, x))) er-halten wir das Hilfsproblem

vtt + |ξ|2v = 0 , v(0, ξ) = F (f)(ξ) , vt(0, ξ) = F (g)(ξ) .

Dieses Hilfsproblem ist ein Cauchy-Problem fur eine gewohnliche Differentialgle-ichung, die vom Parameter ξ ∈ Rn abhangt. Fur ξ 6= 0 erhalten wir als allgemeineLosung

v(t, ξ) = c1(ξ)e−i|ξ|t + c2(ξ)e

i|ξ|t .

Die Cauchy-Bedingungen implizieren

c1(ξ) + c2(ξ) = F (f)(ξ), −i|ξ|c1(ξ) + i|ξ|c2(ξ) = F (g)(ξ) .

Daraus folgt unmittelbar

c1(ξ) =1

2F (f)(ξ)− 1

2i|ξ| F (g)(ξ), c2(ξ) =1

2F (f)(ξ) +

1

2i|ξ| F (g)(ξ) .

Durch Einsetzen erhalten wir

v(t, ξ) = cos(|ξ|t)F (f)(ξ) +sin(|ξ|t)|ξ| F (g)(ξ) .

Unter Voraussetzung der Gultigkeit der Fourierschen Umkehrformelu(t, x) = F−1

ξ→x(Fx→ξ(u(t, x)) (das muß naturlich im Nachhinein uberpruft werden)folgt

u(t, x) = F−1ξ→x

(cos(|ξ|t)F (f)(ξ)

)+ F−1

ξ→x

(sin(|ξ|t)|ξ| F (g)(ξ)

).

17

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Damit ist eine Losungsdarstellung fur u gefunden. Man kann naturlich auch dieaquivalente Darstellung

u(t, x) = F−1ξ→x

(e−i|ξ|t 1

2F (f)(ξ)

)− F−1

ξ→x

(e−i|ξ|t 1

2i|ξ| F (g)(ξ)

)

+ F−1ξ→x

(ei|ξ|t 1

2F (f)(ξ)

)+ F−1

ξ→x

(ei|ξ|t 1

2i|ξ| F (g)(ξ)

)

benutzen. Diese Darstellung besteht aus Fouriermultiplikatoren

F−1ξ→x

(eiφ(t,ξ)a(t, ξ) F (u0)(ξ)

).

Man nennt φ = φ(t, ξ) Phasenfunktion und a = a(t, ξ) Amplitudenfunktion. Es seienjetzt Daten f ∈ Hs(Rn) und g ∈ Hs−1(Rn) gegeben mit s ≥ 1. Damit wird nachSatz 2.4 zumindest gesichert, daß fur alle Zeiten t ≥ 0 die Losung eine Energiebesitzt.

Satz 2.8. Es seien f ∈ Hs(Rn) und g ∈ Hs−1(Rn), s ≥ 1, n ≥ 1 im Cauchy-Problem

utt −∆u = 0, u(0, x) = f(x), ut(0, x) = g(x).

Dann existiert genau eine Losung u ∈ C([0, T ], Hs(Rn)) ∩ C1([0, T ], Hs−1(Rn)).

Beweis: Die Eindeutigkeit folgt nach Satz 2.4. Die Existenz einer Losung ist in derForm

u(t, x) = F−1ξ→x

(cos(|ξ|t)F (f)(ξ)

)+ F−1

ξ→x

(sin(|ξ|t)|ξ| F (g)(ξ)

)

gegeben, wenn wir zeigen konnen, dass u tatsachlich die geforderte Regularitat be-sitzt. Ubertragen wir die Voraussetzung an die Daten in das Fourierbild, dannerhalten wir

F (f)(ξ) ∈ L2,s, d.h. 〈ξ〉sF (f)(ξ) ∈ L2, 〈ξ〉 = (1 + |ξ|2)1/2,

F (g)(ξ) ∈ L2,s−1, d.h. 〈ξ〉s−1F (g)(ξ) ∈ L2.

Wir nutzen folgende Abschatzungen:

• | cos(|ξ|t)| ≤ 1,

• fur |ξ| ≤ ε und t ∈ [0, T ] gilt | sin(|ξ|t)| ≤ |ξ|t ≤ |ξ|T,

• fur |ξ| ≥ ε und t ∈ [0, T ] gilt | sin(|ξ|t)| ≤ 1.

18

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Mit diesen Abschatzungen folgt unmittelbar

|v(t, ξ)| ≤ |F (f)(ξ)|+ C(ε, T ) |F (g)(ξ)|〈ξ〉 ,

〈ξ〉s|v(t, ξ)| ≤ 〈ξ〉s|F (f)(ξ)|+ C(ε, T )〈ξ〉s−1|F (g)(ξ)|.Das bedeutet aber v ∈ L∞([0, T ], L2,s). Entsprechend erhalten wir fur die Ableitung∂tv ∈ L∞([0, T ], L2,s−1). Bleibt noch, v ∈ C([0, T ], L2,s)∩C1([0, T ], L2,s−1) zu zeigen.Die Eigenschaft v ∈ C([0, T ], L2,s) folgt aus lim

t1→t2||v(t1, ·)− v(t2, ·)||L2,s = 0.

Nutzen wir die explizite Losungsdarstellung fur v = v(t, ξ), dann schließen wir wiefolgt:

limt1→t2

∫Rn

|v(t1, ξ)− v(t2, ξ)|2〈ξ〉2sdξ

≤ limt1→t2

∫Rn

∣∣∣ sin( |ξ|(t1+t2)2

) sin( |ξ|(t1−t2)2

)∣∣∣2

|F (f)(ξ)|2〈ξ〉2sdξ

+ limt1→t2

∫Rn

∣∣∣ cos( |ξ|(t1+t2)2

) sin( |ξ|(t1−t2)2

)∣∣∣2

1|ξ|2 |F (g)(ξ)|2〈ξ〉2sdξ.

Es sei KR(0) ⊂ Rn eine hinreichend große Kugel um den Ursprung mit dem RadiusR. Wir zerlegen die Integrale

∫Rn

in∫

KR(0)

+∫

Rn\KR(0)

.

Dann gilt∫Rn

∣∣∣ sin( |ξ|(t1+t2)2

) sin( |ξ|(t1−t2)2

)∣∣∣2

|F (f)(ξ)|2〈ξ〉2sdξ

=∫

KR(0)

∣∣∣ sin( |ξ|(t1+t2)2

) sin( |ξ|(t1−t2)2

)∣∣∣2

|F (f)(ξ)|2〈ξ〉2sdξ

+∫

Rn\KR(0)

∣∣∣ sin( |ξ|(t1+t2)2

) sin( |ξ|(t1−t2)2

)∣∣∣2

|F (f)(ξ)|2〈ξ〉2sdξ

≤ ∫KR(0)

|ξ|2(t1−t2)4

2|F (f)(ξ)|2〈ξ〉2sdξ +∫

Rn\KR(0)

|F (f)(ξ)|2〈ξ〉2sdξ

fur |t1 − t2| < ε(R). Das erste Integral der rechten Seite wird abgeschatzt durchCR(t1 − t2)

2||F (f)||2L2,s . Das zweite Integral der rechten Seite wird wegen derStetigkeit des Lebesgue-Maßes abgeschatzt durch ε(R) → 0. Insgesamt bekommenwir also

limt1→t2

Rn

∣∣∣∣sin( |ξ|(t1 + t2)

2

)sin

( |ξ|(t1 − t2)

2

)∣∣∣∣2

|F (f)(ξ)|2〈ξ〉2sdξ

≤ limt1→t2

CR(t1 − t2)2||F (f)||2L2,s + ε(R) = ε(R).

19

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Fur R →∞ strebt ε(R) → 0, somit schlussfolgern wir

limt1→t2

Rn

∣∣∣∣sin( |ξ|(t1 + t2)

2

)sin

( |ξ|(t1 − t2)

2

)∣∣∣∣2

|F (f)(ξ)|2〈ξ〉2sdξ = 0.

Durch entsprechendes Vorgehen haben wir auch

limt1→t2

Rn

∣∣∣∣cos

( |ξ|(t1 + t2)

2

)sin

( |ξ|(t1 − t2)

2

)∣∣∣∣2 |F (g)(ξ)|2

|ξ|2 〈ξ〉2sdξ = 0,

wobei wir jetzt∫Rn

in∫

Kε(0)

+∫

KR(0)\Kε(0)

+∫

Rn\KR(0)

zerlegen.

Zusammenfassend haben wir gezeigt v ∈ C([0, T ], L2,s). Da die FourierscheUmkehrformel u = F−1

ξ→x(Fx→ξ(u(t, x))) gilt, ergibt sich sofort u ∈ C([0, T ], Hs).Eine analoge Vorgehensweise bringt v ∈ C1([0, T ], L2,s−1) bzw. u ∈ C1([0, T ], Hs−1),wobei auch hier die Umkehrformel ∂tu = F−1

ξ→x(Fx→ξ(∂tu(t, x))) strapaziert wird.Damit ist die Aussage von Satz 2.8 bewiesen. 2

Aufgabe 13 Fuhren Sie den Beweisschritt

limt1→t2

Rn

∣∣∣∣cos

( |ξ|(t1 + t2)

2

)sin

( |ξ|(t1 − t2)

2

)∣∣∣∣2 |F (g)(ξ)|2

|ξ|2 〈ξ〉2sdξ = 0

durch.

Die Ausfuhrungen dieses Abschnittes zeigen, dass das Cauchy-Problem Hs-korrektist.

Folgerung 2.3. Das Cauchy-Problem

utt −∆u = 0, u(0, x) = f(x), ut(0, x) = g(x), x ∈ Rn, n ≥ 1

ist Hs-korrekt, d.h. zu jedem f ∈ Hs(Rn), g ∈ Hs−1(Rn) existiert eine eindeutigbestimmte Losung u ∈ C([0, T ], Hs(Rn)) ∩ C1([0, T ], Hs−1(Rn)). Die Losung hangtstetig von den Daten ab, d.h. zu jedem ε > 0 existiert ein δ(ε) so, dass ||f1−f2||Hs +||g1 − g2||Hs−1 < δ sofort ||u1 − u2||C([0,T ],Hs)∩C1([0,T ],Hs−1) < ε impliziert.

Wir haben verschiedene Darstellungen fur Losungen von Wellengleichun-gen kennengelernt. Einerseits wurden wir vertraut gemacht mit klassis-chen Losungsdarstellungen wie der d’Alembertschen oder der KirchhoffschenLosungdarstellung. Andererseits fuhrte eine Integraltransformation zu Darstellun-gen in Form von Fouriermultiplikatoren. Es ergibt sich sofort die Frage, ob dieverschiedenen Darstellungen ineinander uberfuhrbar sind.

20

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Aufgabe 14 Im 1− d Fall erhalten wir die Losungsdarstellung

u(t, x) = F−1ξ→x

((eiξt + e−iξt

) 1

2F (f)(ξ)

)+ F−1

ξ→x

((eiξt − e−iξt

) 1

2iξF (g)(ξ)

).

Leiten Sie daraus die d’Alembertsche Losungsdarstellung her.

Aus der Losungsdarstellung

v(t, ξ) = cos(|ξ|t)F (f)(ξ) +sin(|ξ|t)|ξ| F (g)(ξ) = ∂t

sin(|ξ|t)|ξ| F (f)(ξ) +

sin(|ξ|t)|ξ| F (g)(ξ)

folgt

u(t, x) = ∂tF−1ξ→x

(sin(|ξ|t)|ξ| F (f)(ξ)

)+ F−1

ξ→x

(sin(|ξ|t)|ξ| F (g)(ξ)

).

Damit mussen wir nur

F−1ξ→x

(sin(|ξ|t)|ξ| F (g)(ξ)

)

verstehen.

Aufgabe 15 Worin liegt die Hauptschwierigkeit bei der Auswertung des letztenFouriermultiplikators? Welche Methoden benutzt man in der Literatur zur Uberwin-dung der Hauptschwierigkeit?

Frage: Worin liegen die Vorteile und worin die Nachteile der Anwendung der par-tiellen Fouriertransformation bei der Behandlung des Cauchy-Problems fur Wellen-gleichungen.

Antwort:

Vorteile: Die Daten konnen aus Sobolevraumen Hs gewahlt werden. Es tritt keinAbleitungsverlust auf. Falls f ∈ Hs und g ∈ Hs−1 gewahlt werden, dann liegt dieLosung in C([0, T ], Hs)∩C1([0, T ], Hs−1). Die Betrachtungsweise is unabhangig vonder Raumdimension n.

Nachteile: Spezielle qualitative Eigenschaften der Losungen wie Existenz vonvorderer oder hinterer Wellenfront, wie endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit oderAbhangigkeitsgebiet sind nicht so leicht aus der Losungdarstellung in Form vonFouriermultiplikatoren direkt zu erhalten.

21

Page 22: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

3 Wellengleichungen mit Termen niederer Ord-

nung

3.1 Klein-Gordon Gleichung

Das Cauchy-Problem fur die Klein-Gordon-Gleichung lautet

utt −4u + m2u = 0, u(0, x) = f(x), ut(0, x) = g(x)

mit einer Konstanten m2 > 0.

Es steht naturlich die Frage nach der Definition einer geeigneten totalen Energie.Der auftretende Masseterm m2u macht die Aufnahme einer dritten Energiekompo-nente, die der potentiellen Energie notwendig. Die Energie enthalt also neben derelastischen und kinetischen noch die potentielle Energiekomponente:

E(u)(t) :=1

2

Rn

(|∇xu(t, ·)|2 + |ut(t, ·)|2 + m2|u(t, x)|2) dx.

3.1.1 Energieabschatzungen

Entsprechend dem Vorgehen zum Beweis von Satz 2.4 lasst sich folgende Aussagebeweisen:

Satz 3.1. (Energieerhaltung)Es sei u ∈ C([0, T ], H1(Rn)) ∩ C1([0, T ], L2(Rn)) eine Sobolevlosung (Verallge-meinerung der klassischen Losung, siehe Skript ”Partielle Differentialgleichungen”)von

utt −4u + m2u = 0 , u(0, x) = f(x) , ut(0, x) = g(x) ,

mit Daten f ∈ H1(Rn) und g ∈ L2(Rn). Dann gilt

E(u)(t) = E(u)(0) =1

2

(‖g‖2

L2 + ‖∇f‖2L2 + m2‖f‖2

L2

)fur alle t ≥ 0 .

Aufgabe 16 Beweisen Sie die Aussage von Satz 3.1.

Die Energieerhaltung lasst sich auch mit Hilfe der partiellen Fouriertransformationzeigen. Die Fouriertransformierte v(t, ξ) = Fx→ξ(u)(t, ξ) erfullt mit (f,∇xf, g) ∈L2×L2×L2 die gewohnliche Differentialgleichung vtt + |ξ|2v+m2v = vtt +〈ξ〉2mv =0 mit 〈ξ〉2m = |ξ|2 + m2. Benutzen wir die expliziten Losungsdarstellungen fur

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v(t, ·) und vt(t, ·) und die Parsevalsche Gleichung aus der Theorie der Fouriertrans-formation, dann schlußfolgern wir wie folgt:

E(u)(t) =1

2

(‖∇xu(t, ·)‖2L2 + ‖ut(t, ·)‖2

L2 + m2‖u(t, ·)‖2L2

)

=1

2

(‖ |ξ| v(t, ·)‖2L2 + ‖vt(t, ·)‖2

L2 + m2‖v(t, ·)‖2L2

)

=1

2

(‖〈ξ〉mv(t, ·)‖2L2 + ‖vt(t, ·)‖2

L2

)

=1

2

(‖〈ξ〉mF (f)(ξ)‖2L2 + ‖F (g)(ξ)‖2

L2

)

=1

2

Rn

(|∇xf(x)|2 + |g(x)|2 + m2|f(x)|2) dx = E(u)(0).

Naturlich hinterfragt man sofort, ob auch eine entsprechende Aussage zu Satz 2.3gilt. Ist man nicht an der totalen Energie interessiert, dann kann man zu einemBereich K ⊂ Rn (Abschluß eines Gebietes) die Energie

E(u,K)(t) :=1

2

K

(|ut(t, x)|2 + |∇xu(t, x)|2 + m2|u(t, x)|2

)dx

definieren. Mit den Bezeichnungen aus Abschnitt 2.1.4 gilt die folgende be-merkenswerte Aussage:

Satz 3.2. (Abhangigkeitsgebiet-Ungleichung)Es sei (t0, x0) ∈ Rn+1 mit t0 > 0. Mit Ω bezeichnen wir das kegelformige Gebietwelches durch den ruckwarts gerichteten Kegel mit der Spitze in (t0, x0) und derEbene t = 0 berandet wird. Es sei u ∈ C2(Ω) eine klassische Losung der Klein-Gordon Gleichung utt −4u + m2u = 0. Dann gilt

E(u,K(x0, t0 − t)) ≤ E(u, K(x0, t0)) fur t ∈ [0, t0].

Aus dem Satz 3.2 schlußfolgern wir sofort

Folgerung 3.1. Das Cauchy-Problem

utt −4u + m2u = 0 , u(0, x) = f(x) , ut(0, x) = g(x)

besitzt hochstens eine klassische Losung u ∈ C2([0,∞) × Rn), sofern die Daten alshinreichend regular vorausgesetzt werden.

Aufgabe 17 Beweisen Sie die Aussage von Satz 3.2. Benutzen Sie dabei dasSkript ”Partielle Differentialgleichungen”.

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3.1.2 Losungsdarstellungen in Form von Fouriermultiplikatoren

Vorgelegt sei das Cauchy-Problem

utt −4u + m2u = 0 , u(0, x) = f(x) , ut(0, x) = g(x) , x ∈ Rn , n ≥ 1 .

Nach Anwendung der partiellen Fouriertransformation (v(t, ξ) = Fx→ξ(u(t, x))) er-halten wir das Hilfsproblem

vtt + 〈ξ〉2mv = 0 , v(0, ξ) = F (f)(ξ) , vt(0, ξ) = F (g)(ξ) ,

wobei 〈ξ〉2m = |ξ|2 + m2. Entsprechend dem Vorgehen in Abschnitt 2.2.1 erhaltenwir

v(t, ξ) = cos(〈ξ〉mt)F (f)(ξ) +sin(〈ξ〉mt)

〈ξ〉m F (g)(ξ) .

Unter Voraussetzung der Gultigkeit der Fourierschen Umkehrformelu(t, x) = F−1

ξ→x(Fx→ξ(u(t, x)) (das muß naturlich im Nachhinein uberpruft werden)folgt

u(t, x) = F−1ξ→x

(cos(〈ξ〉mt)F (f)(ξ)

)+ F−1

ξ→x

(sin(〈ξ〉mt)

〈ξ〉m F (g)(ξ)

).

Damit ist eine Losungsdarstellung fur u gefunden. Es seien jetzt Daten f ∈ Hs(Rn)und g ∈ Hs−1(Rn) gegeben mit s ≥ 1. Damit wird nach Satz 3.1 zumindest gesichert,daß fur alle Zeiten t ≥ 0 die Losung eine Energie besitzt. Analog dem Beweis zuSatz 2.8 zeigen wir folgende Aussage:

Satz 3.3. Es seien f ∈ Hs(Rn) und g ∈ Hs−1(Rn), s ≥ 1, n ≥ 1 im Cauchy-Problem

utt −∆u + m2u = 0, u(0, x) = f(x), ut(0, x) = g(x).

Dann existiert genau eine Losung u ∈ C([0, T ], Hs(Rn)) ∩ C1([0, T ], Hs−1(Rn)).

Merke: Die Aussagen der Satze 2.8 und 3.3 stimmen uberein. Wenn wir alsoDaten (f, g) ∈ Hs × Hs−1 voraussetzen, erhalten wir die gleiche Regularitat derLosung. Somit hat der Masseterm auf Regularitatsaussagen keinen wesentlichenEinfluß. Masseterme haben aber einen Einfluß auf Energieabschatzungen wie Satz3.1 belegt (im Gegensatz zur reinen Wellengleichung kann die potentielle Energiedurch die Anfangsenergie kontrolliert werden). Auch die Ausfuhrungen aus Ab-schnitt 2.3.2.3 und Aufgabe 21 zeigen Vorteile, die Masseterme garantieren.

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3.1.3 Der von Wahlsche Trick

Der von Wahlsche Trick gestattet die Zuruckfuhrung von Cauchy-Problemen furKlein-Gordon-Gleichungen auf Cauchy-Probleme fur Wellengleichungen. Vorgelegtsei mit x = (x1, · · · , xn) das Cauchy-Problem

utt −4u + m2u = 0, u(0, x) = f(x), ut(0, x) = g(x).

Wir definieren

v(t, x1, · · · , xn, xn+1) := e−i m xn+1u(t, x1, · · · , xn).

Damit gilt

vtt −4v = 0, v(0, x) = e−i m xn+1u0(x1, · · · , xn), vt(0, x) = e−i m xn+1u1(x1, · · · , xn).

Um Resultate aus Abschnitt 2.2 anwenden zu konnen, mussen wir geeignete Funk-tionenraume fur die Daten festlegen. Nach Abschnitt 2.2 benotigen wir (∇xv0, v1) ∈L2 × L2. Fur v1 gilt aber bereits:

Rn+1

|v1(x1, · · · , xn+1)|2dx =

Rn+1

|u1(x1, · · · , xn)|2dx

=

∫ ∞

−∞

Rn

|u1(x1, · · · , xn)|2dx dxn+1 = ∞.

Damit zerstort obige Transformation die geforderte L2-Eigenschaft der Daten. Sieist somit nicht unmittelbar fur das Studium von Klein-Gordon-Gleichungen nutzbar.

Frage: Warum konnte vor drei Dekaden der von Wahlsche Trick trotzdem erfol-greich eingesetzt werden?

Antwort: Falls wir z.B. an Korrektheitsaussagen fur das Cauchy-Problem

utt −4u + m2u = 0, u(0, x) = f(x), ut(0, x) = g(x)

bei vorgegebenen Daten (f, g) ∈ Ck(Rn)∩Ck−1(Rn) interessiert sind, dann kann dievon Wahlsche Transformation sofort angewendet werden. Man erhalt ein Cauchy-Problem fur die Wellengleichung mit Daten aus Ck(Rn+1) ∩ Ck−1(Rn+1). Damitsind dann sofort die Satze 2.6 oder 2.7 anwendbar. Zu prufen ist naturlich, obnach Rucktransformation die erhaltenen Resultate fur das Cauchy-Problem fur dieKlein-Gordon Gleichung optimal sind.

3.2 Gedampfte Wellengleichung

Bei der gedampften Wellengleichung beschreiben wir zusatzlich mit ut dieDampfung.

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Aufgabe 18 Wiederholen Sie das in den Vorlesungen zu Gewohnlichen Differen-tialgleichungen erworbene Wissen uber den gedampften harmonischen Oszillator.

Wir werden uns jetzt mit folgendem Cauchy-Problem

utt −4u + ut = 0, u(0, x) = f(x), ut(0, x) = g(x)

beschaftigen. Wie im Fall der einfachen Wellengleichung definieren wir die totaleEnergie

E(u)(t) =1

2

Rn

(|∇xu(t, x)|2 + |ut(t, x)|2

)dx.

3.2.1 Energieabschatzungen

Wir wollen zunachst eine erste Abschatzung fur die Energie mithilfe der Differenti-ation nach t und anschließender partieller Integration erhalten. Es gilt

E ′(u)(t) =1

2

Rn

(2∇xu · ∇xut + 2ututt)dx

=

Rn

(∇xu · ∇xut + ut(4u− ut))dx

=

Rn

−ut(t, x)2dx ≤ 0.

Die Energie fallt fur wachsende t. Das ist sicherlich nicht verwunderlich, da derDampfungsterm ein gewisses hemmendes Verhalten entwickelt. Von Interesse istaber i.allg. wie sich die Energie fur t → ∞ verhalt. Von besonderem Interesse istdabei, ob E(u)(t) fur t → ∞ gegen 0 strebt. Dieses Verhalten nennen wir decay-Verhalten.

3.2.2 Losungsdarstellungen in Form von Fouriermultiplikatoren

Vorgelegt sei das Cauchy-Problem

utt −4u + ut = 0, u(0, x) = f(x), ut(0, x) = g(x).

Schritt 1: Uberfuhrung der Dampfung in Potential oder Masse

Wir definieren eine Funktion w = w(t, x) durch w(t, x) := e12tu(t, x). Dann erfullt w

die partielle Differentialgleichung

wtt −4w − 1

4w = 0 , w(0, x) = f(x), wt(0, x) =

1

2f(x) + g(x).

Im Gegensatz zur Klein-Gordon-Gleichung tritt jetzt ein negativer Masseterm auf,der eine spezielle Beachtung erfordert.

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Schritt 2: Partielle Fouriertransformation

Die Anwendung der partiellen Fouriertransformation auf w liefert uns einegewohnliche Differentialgleichung mit v = v(t, ξ) = Fx→ξ(w)(t, ξ):

vtt + (|ξ|2 − 1

4)v = 0, v(0, ξ) = v0(ξ) = F (f)(ξ), vt(0, ξ) = v1(ξ) =

1

2F (f)(ξ) + F (g)(ξ).

Wir nehmen jetzt eine Fallunterscheidung vor, denn fur |ξ| < 12

ist der Masseterm|ξ|2 − 1

4im Phasenraum mit einem negativen und fur |ξ| > 1

2mit einem positiven

Vorzeichen versehen.

Fall 1: ξ : |ξ| > 12

Da |ξ|2 > 14

gilt, konnen wir eine neue positive Variable |η| definieren mit |η|2 :=|ξ|2 − 1

4> 0. So erhalten wir die gewohnliche Differentialgleichung vtt + |η|2v = 0.

Nutzen wir die Erkenntnisse aus Abschnitt 2.2, dann erhalten wir sofort die Losungv(t, ξ):

v(t, ξ) = cos(√

|ξ|2 − 1

4t)

v0(ξ) +sin

(√|ξ|2 − 1

4t)

√|ξ|2 − 1

4

v1(ξ).

Fall 2: ξ : |ξ| < 12

Die Losung fur die transformierte Differentialgleichung mit |ξ| < 12

lautet

v(t, ξ) =

(v0(ξ)

2− v1(ξ)√

1− 4|ξ|2

)e−

12

√1−4|ξ|2t +

(v0(ξ)

2+

v1(ξ)√1− 4|ξ|2

)e

12

√1−4|ξ|2t

= v0(ξ) cosh(1

2

√1− 4|ξ|2t

)+

2v1(ξ)√1− 4|ξ|2 sinh

(1

2

√1− 4|ξ|2t

).

Es sei jetzt das Cauchy-Problem

utt −4u + ut = 0, u(0, x) = f(x), ut(0, x) = g(x)

mit f ∈ Hs und g ∈ Hs−1 vorgegeben. Dann erhalten wir mit den obigen Unter-suchungen und der Tatsache, daß fur Regularitatsaussagen nur das Verhalten derLosung des transformierten Problems fur große Frequenzen von Bedeutung ist, so-fort die folgende Aussage (Stetigkeit der Losung bez. der Zeitvariablen t wird wieim Beweis zu Satz 2.8 gezeigt):

Satz 3.4. Es seien f ∈ Hs(Rn) und g ∈ Hs−1(Rn), s ≥ 1, n ≥ 1 im Cauchy-Problem

utt −∆u + ut = 0, u(0, x) = f(x), ut(0, x) = g(x).

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Dann existiert genau eine Losung u ∈ C([0, T ], Hs(Rn)) ∩ C1([0, T ], Hs−1(Rn)).

Merke: Die Aussagen der Satze 2.8 und 3.4 stimmen uberein. Wenn wir also Daten(f, g) ∈ Hs × Hs−1 voraussetzen, erhalten wir die gleiche Regularitat der Losung.Somit hat der Dampfungsterm auf Regularitatsaussagen keinen wesentlichen Ein-fluß. Dampfungsterme haben aber einen wesentlichen Einfluß auf Energieab-schatzungen, sie erzeugen ein decay der Energie, wie wir im folgenden Abschnittsehen werden.

Aufgabe 19 Vorgelegt sei das Cauchy-Problem fur eine sehr große, gedampfteMembran

utt − c2 4 u + kut = 0, u(0, x) = f(x), ut(0, x) = g(x), x ∈ R2.

Losen Sie dieses Problem nach Anwendung folgender Transformationen:

u(t, x) = exp(−kt/2)w(t, x), v(t, x1, x2, x3) = w(t, x1, x2) exp(kx3/(2c)).

Aufgabe 20 Vorgelegt sei das Cauchy-Problem

utt − uxx + εut = 0, u(0, x, ε) = f(x), ut(0, x, ε) = g(x), x ∈ R1,

mit hinreichend glatten Daten f und g. Es sei u = u(t, x, ε) die eindeutig bestimmteLosung dieses Problems. Zeigen Sie, daß fur jedes feste (t, x) gilt limε→0 u(t, x, ε) =w(t, x), wobei w = w(t, x) das Cauchy-Problem

wtt − wxx = 0, w(0, x) = f(x), wt(0, x) = g(x), x ∈ R1,

lost.

3.2.3 Decay-Verhalten und decay-Rate

Die Anwendung der Partiellen Fouriertransformation und eine anschließende WKBAnalysis (das ist eine prazise Analysis zur Auswertung der Fouriermultiplikatoren,die in den Losungsdarstellungen auftreten) ermoglicht uns die Energie fur Losungender gedampften Wellengleichung genauer abzuschatzen und ein optimales decay-Verhalten mit der genauen decay-Rate herzuleiten.

Satz 3.5. Vorgelegt sei das Cauchy-Problem

utt −4u + ut = 0, u(0, x) = f(x), ut(0, x) = g(x)

mit Daten f ∈ H1 und g ∈ L2. Dann gelten folgende Abschatzungen:

‖∇xu(t, ·)‖L2 ≤ C(1 + t)−12

(‖g‖L2 + ‖f‖H1

)

‖ut(t, ·)‖L2 ≤ C(1 + t)−1(‖g‖L2 + ‖f‖H1

)

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und folglich

E(u)(t) ≤ C(1 + t)−1(‖g‖2

L2 + ‖f‖2H1

).

Beweis: Schritt 1: Ubertragung der Energie in den Phasenraum

Sei u die Fouriertransformierte von u mit u(t, ξ) = Fx→ξ(u)(t, ξ). Wie in Abschnitt2.2 konnen wir die Energie wie folgt in den Phasenraum transformieren:

E(u)(t) =1

2

(‖∇xu(t, ·)‖2L2 + ‖ut(t, ·)‖2

L2

)=

1

2

(‖|ξ|u(t, ·)‖2L2 + ‖ut(t, ·)‖2

L2

).

Aus u(t, x) = e−12tw(t, x) und v(t, ξ) = Fx→ξ(w)(t, ξ) folgt u(t, ξ) = e−

12tv(t, ξ). Im

weiteren werden wir folgende Gleichungen nutzen: Fur die elastische Energie nutzenwir

|ξ|u(t, ξ) = e−12t |ξ|v(t, ξ),

fur die kinetische Energie nutzen wir

ut(t, ξ) = e−12t(vt(t, ξ) − 1

2v(t, ξ)

).

Schritt 2: Abschatzung der elastischen Energie

Wir schatzen zunachst den elastischen Energieterm ab, dazu nehmen wir wieder eineFallunterscheidung vor.

Fall 1: ξ : |ξ| > 12

Mit |ξ|u(t, ξ) = e−12t(

cos(√|ξ|2 − 1

4t) |ξ|v0(ξ) + t

sin(√|ξ|2− 1

4t)√

|ξ|2− 14t

|ξ|v1(ξ))

schatzen

wir die elastische Energie ‖∇xu(t, ·)‖2L2 ab. Wir erhalten

‖|ξ|u(t, ξ)‖2L2|ξ|> 1

2 =

|ξ|> 12

|ξ|2|u(t, ξ)|2dξ ≤ 2( ∫

|ξ|> 12

e−t|ξ|2|v0(ξ)|2dξ

+

∫12<|ξ|≤1

sin2(√|ξ|2 − 1

4t)

√|ξ|2 − 1

4

2

t2

︸ ︷︷ ︸sin2 α

α2 ≤C

t2e−t|ξ|2|v1(ξ)|2dξ +

|ξ|≥1

1

|ξ|2 − 14

|ξ|2︸ ︷︷ ︸

≤C

e−t|v1(ξ)|2dξ)

≤ 2e−t

Rn

|ξ|2|v0(ξ)|2dξ + Ct2e−t

Rn

|v1(ξ)|2dξ + Ce−t

Rn

|v1(ξ)|2dξ.

Insgesamt fallt dieser Term exponentiell. Es gilt∫

|ξ|> 12

|ξ|2|u(t, ξ)|2dξ ≤ Ct2e−t

Rn

(|ξ|2|v0(ξ)|2 + |v1(ξ)|2)dξ.

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Fall 2: ξ : |ξ| < 12

Fur die Abschatzung der elastischen Energie nutzen wir

|ξ|u(t, ξ) = |ξ|e− 12t((v0(ξ)

2− v1(ξ)√

1− 4|ξ|2)e−

12

√1−4|ξ|2t

+(v0(ξ)

2+

v1(ξ)√1− 4|ξ|2

)e

12

√1−4|ξ|2t

)

= v0(ξ)|ξ| cosh(1

2

√1− 4|ξ|2t

)e−

12t +

2v1(ξ)|ξ|√1− 4|ξ|2 sinh

(1

2

√1− 4|ξ|2t

)e−

12t.

Zur weiteren Untersuchung teilen wir das Intervall [0, 12) in zwei Teilintervalle.

a) ξ : |ξ| ∈ [14, 1

2):

Wir schatzen die elastische Energie wie folgt ab:

|ξ||u(t, ξ)| = | v0(ξ)|ξ| cosh(1

2

√1− 4|ξ|2t

)

︸ ︷︷ ︸≤ cosh(

√3

4t)

e−12t +

sinh(

12

√1− 4|ξ|2t

)

12

√1− 4|ξ|2t t

︸ ︷︷ ︸≤C cosh(

√3

4t)

v1(ξ)|ξ|e− 12t |

≤ | v0(ξ)|ξ| cosh(

√3

4t)e−

12t

︸ ︷︷ ︸≤ e−δt, δ>0

+ C v1(ξ)|ξ|︸ ︷︷ ︸≤ |v1(ξ)|

cosh(

√3

4t) e−

12t

︸ ︷︷ ︸≤ e−δt, δ>0

|,

und erhalten schließlich∫

14≤|ξ|< 1

2

|ξ|2|u(t, ξ)|2dξ ≤ Ce−δt

Rn

(|ξ|2|v0(ξ)|2 + |v1(ξ)|2)dξ.

b) ξ : |ξ| ∈ [0, 14):

Da fur |ξ| < 12

gilt −4|ξ|2 ≤ −1 +√

1− 4|ξ|2 ≤ −2|ξ|2, konnen wir jetzt wie folgtabschatzen:∫

|ξ|< 14

|ξ|2|u(t, ξ)|2dξ ≤∫

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|2|ξ|2 + |v0(ξ)|2|ξ|2)(e−t−√

1−4|ξ|2t︸ ︷︷ ︸≤ e−t

+ e−t+√

1−4|ξ|2t︸ ︷︷ ︸≤ e−2|ξ|2t

)dξ

≤ Ce−t

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|2|ξ|2 + |v0(ξ)|2|ξ|2)dξ

+ C

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2)|ξ|2e−2|ξ|2tdξ.

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Fur den zweiten Term der letzten Ungleichung erhalten wir mit der Normungleichung‖ · ‖L2 ≤ ‖ · ‖L∞‖ · ‖L2

C

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2)|ξ|2e−2|ξ|2tdξ

≤ C sup|ξ|< 1

4, t≥1

t|ξ|2t

e−2|ξ|2t

Rn

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2)dξ

≤ C1

tsup

|ξ|< 14, t≥1

t|ξ|2e−2|ξ|2t

︸ ︷︷ ︸≤C

Rn

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2)dξ.

Wir haben somit gezeigt, daß fur ξ : |ξ| < 14 gilt

|ξ|< 14

|ξ|2|u(t, ξ)|2dξ ≤ C(1 + t)−1

Rn

(|v0(ξ)|2 + |ξ|2|v0(ξ)|2 + |v1(ξ)|2)dξ.

Schritt 3: Abschatzung der kinetischen Energie

Wir wollen den kinetischen Energieterm auswerten und verwenden die bereitsgezeigte Beziehung

‖ut(t, ξ)‖2L2 = ‖ut(t, ξ)‖2

L2 mit ut(t, ξ) = e−12t(vt(t, ξ) − 1

2v(t, ξ)

).

Fall 1: ξ : |ξ| > 12

Wir benotigen

vt(t, ξ) = −√|ξ|2 − 1

4sin

(√|ξ|2 − 1

4t)v0(ξ) + cos

(√|ξ|2 − 1

4t)v1(ξ)

und erhalten daraus

ut(t, ξ) = e−12t(v1(ξ)

(cos(

√|ξ|2 − 1

4t) − 1

2

sin(√|ξ|2 − 1

4t)

√|ξ|2 − 1

4

)

− v0(ξ)(1

2cos(

√|ξ|2 − 1

4t) +

√|ξ|2 − 1

4sin(

√|ξ|2 − 1

4t)

)).

Beim Abschatzen verwenden wir die Resultate der Auswertung fur den elastischenEnergieterm und gewinnen die Ungleichung

‖ut(t, ·)‖2L2|ξ|> 1

2 ≤ C

|ξ|> 12

e−t|v1(ξ)|2(

cos(

√|ξ|2 − 1

4t)− 1

2

sin(√|ξ|2 − 1

4t)

√|ξ|2 − 1

4

)2

︸ ︷︷ ︸≤C t2

31

Page 32: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

+ C

|ξ|> 12

e−t|v0(ξ)|2(√

|ξ|2 − 1

4sin(

√|ξ|2 − 1

4t) +

1

2cos(

√|ξ|2 − 1

4t)

︸ ︷︷ ︸≤C

)2

dξ.

Mit (|ξ|2 − 14) sin2(

√|ξ|2 − 1

4t) ≤ |ξ|2 schlußfolgern wir fur ξ : |ξ| > 1

2

|ξ|> 12

|ut(t, ξ)|2dξ ≤ Ct2e−t

Rn

(|ξ|2|v0(ξ)|2 + |v1(ξ)|2)dξ.

Fall 2: ξ : |ξ| < 12

Nach der Berechnung von vt(t, ξ) erhalten wir

ut(t, ξ) =1

2e−

12t(√

1− 4|ξ|2 sinh(1

2

√1− 4|ξ|2t

)− cosh

(1

2

√1− 4|ξ|2t

))v0(ξ)

+ e−12t(

cosh(1

2

√1− 4|ξ|2t

)− 1√

1− 4|ξ|2 sinh(1

2

√1− 4|ξ|2t

))v1(ξ).

Jetzt fuhren wir erneut eine Teilung des Intervalls [0, 12) durch.

a) ξ : |ξ| ∈ [14, 1

2):

Hier konnen wir wieder das exponentielle Fallen der kinetischen Energie zeigen.Nutzen wir einerseits

cosh(1

2

√1− 4|ξ|2t

)+ sinh

(1

2

√1− 4|ξ|2t

)≤ 2 cosh(

√3

4t)

und andererseits

∣∣∣ 1√1− 4|ξ|2 sinh

(1

2

√1− 4|ξ|2t

)∣∣∣ ≤ Cεt fur1

2

√1− 4|ξ|2t ≤ ε

dann erhalten wir sofort

‖ut(t, ξ)‖2L2|ξ|∈[ 1

4, 1

2) ≤ Ce−δt

Rn

(|ξ|2|v0(ξ)|2 + |v1(ξ)|2)dξ

mit einem geeigneten positiven δ.

b) ξ : |ξ| < 14:

In diesem Fall erhalten wir

ut(t, ξ) =(v0(ξ)

4+

v1(ξ)

2√

1− 4|ξ|2)(√

1− 4|ξ|2 − 1)e−12t− 1

2

√1−4|ξ|2t.

32

Page 33: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

Somit konnen wir wie folgt abschatzen:

|ut(t, ξ)| ≤∣∣∣( v1(ξ)

2√

1− 4|ξ|2 +v0(ξ)

4

)( √1− 4|ξ|2 − 1︸ ︷︷ ︸≤−2|ξ|2

)e−

12t+ 1

2

√1−4|ξ|2t︸ ︷︷ ︸

≤ e−|ξ|2t, |ξ|< 12

∣∣∣.

Mit den Teilergebnissen fur die elastische Energie erhalten wir

‖ut(t, ξ)‖2L2|ξ|< 1

4 ≤ C

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2) |ξ|4

(e−t + e−2|ξ|2t

)dξ

≤ Ce−t

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2)dξ + C

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2) |ξ|4e−2|ξ|2tdξ

≤ Ce−t

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2)dξ

+ C1

t2sup

|ξ|< 14, t≥1

t2|ξ|4e−2|ξ|2t

︸ ︷︷ ︸≤ c

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2)dξ

≤ Ce−t

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2)dξ +

C

(1 + t)2

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2)dξ

≤ C

(1 + t)2

Rn

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2)dξ.

Damit sind alle Aussagen von Satz 3.5 bewiesen. 2

Frage: Wodurch wird das decay-Verhalten der Energie bestimmt?

Antwort: Das decay-Verhalten wird durch die kleinen Frequenzen ξ : |ξ| < 14

bestimmt.

Frage: Worauf haben große Frequenzen einen Einfluß?

3.2.4 Zusammenhang zur Warmeleitungsgleichung – Diffussion-sphanomene

Wir beginnen diesen Abschnitt mit einer Aufgabe.

Aufgabe 21 Vorgelegt sei das gemischte Problem

ε2utt − uxx + ut = 0, u(0, x, ε) = f(x), ut(0, x, ε) = g(x), x ∈ (0, L),

u(t, 0, ε) = u(t, L, ε) = 0,

mit hinreichend glatten Daten f und g. Wir setzen voraus, daß die Kompati-bilitatsbedingungen erfullt sind. Es sei u = u(t, x, ε) die eindeutig bestimmte Losung

33

Page 34: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

dieses Problems. Untersuchen Sie, ob fur jedes feste (t, x) gilt limε→0 u(t, x, ε) =w(t, x), wobei w = w(t, x) das gemischte Problem

wt − wxx = 0, w(0, x) = f(x), x ∈ (0, L), w(t, 0) = w(t, L) = 0

lost.

Frage: Worauf orientiert diese Aufgabenstellung?

Antwort: Mitunter wird anstelle der Warmeleitungsgleichung wt−wxx = 0, derenLosungen eine unendliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von Storungen besitzen, diegedampfte Wellengleichung ε2utt − uxx + ut = 0, ε2 > 0 ist klein, benutzt. DerenLosungen haben eine endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit.

Das Kernresultat dieses Abschnittes ist ein bemerkenswerter Zusammenhang zwis-chen Losungen der Warmeleitungsgleichung und der gedampften Wellengleichung.

Wir betrachten zunachst das Cauchy-Problem fur die Warmeleitungsgleichung

wt −∆w = 0, w(0, x) = f(x).

Die Anwendung der partiellen Fouriertransformation liefert fur w(t, ξ) =Fx→ξ(w(t, ·))(ξ) das Anfangswertproblem

wt + |ξ|2w = 0, w(0, ξ) = f(ξ),

dessen Losung offensichtlich

w(t, ξ) = e−|ξ|2tf(ξ)

ist. Nach Anwendung der inversen partiellen Fouriertransformation erhalten wir dieLosungsdarstellung

w(t, x) = F−1ξ→x

(e−|ξ|

2tf(ξ))

.

Lemma 3.1 Vorgelegt sei das Cauchy-Problem

wt −∆w = 0, w(0, x) = f(x).

Dann erhalt man folgende Abschatzungen fur die Ableitungen ∂kt ∂α

x w(t, ·) der Losungw:

‖∂kt ∂α

x w(t, ·)‖L2 ≤ Ck,α(1 + t)−k− |α|2 ‖f‖H2k+|α| .

Beweis: Mit den Eigenschaften der Fouriertransformation folgt unmittelbar

∂kt ∂α

x w(t, x) = F−1ξ→x

((−1)ki|α||ξ|2kξαe−|ξ|

2tf(ξ))

.

34

Page 35: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

Die Anwendung der Parsevalschen Gleichung liefert fur Zeiten t ≥ 1

‖∂kt ∂α

x w(t, ·)‖2L2 =

∥∥∥|ξ|2kξαe−|ξ|2tf(ξ)

∥∥∥2

L2≤

∥∥∥|ξ|2k+|α|e−|ξ|2tf(ξ)

∥∥∥2

L2

=

∥∥∥∥∥|ξ|2k+|α|tk+

|α|2

tk+|α|2

e−|ξ|2tf(ξ)

∥∥∥∥∥

2

L2

.

Der Term

|ξ|2k+|α|tk+|α|2 e−|ξ|

2t =(|ξ|2t)k+

|α|2 e−|ξ|

2t

ist fur alle Werte durch eine von k und α abangige Konstante Ck,α beschrankt.Demzufolge erhalten wir weiter die Abschatzung (Ck,α sei eine universelle Kon-stante.)

‖∂kt ∂α

x w(t, ·)‖2L2 ≤ Ck,αt−2k−|α|‖f‖2

L2 = Ck,αt−2k−|α|‖f‖2L2

bzw.‖∂k

t ∂αx w(t, ·)‖L2 ≤ Ck,αt−k− |α|

2 ‖f‖L2 ≤ Ck,αt−k− |α|2 ‖f‖H2k+|α| .

Fur kleine Zeiten t < 1 benotigen wir die Regularitat von f und erhalten die Ab-schatzung

‖∂kt ∂α

x w(t, ·)‖L2 ≤ C‖f‖H2k+|α| .

Die Kombination der letzten beiden Abschatzungen liefert die Behauptung. 2

Aufgabe 22 Fur die Losungen des Cauchy-Problems der gedampften Welle

utt −∆u + ut = 0, u(0, x) = f(x), ut(0, x) = g(x)

gilt die (scharfe) Abschatzung

‖u(t, ·)‖L2 ≤ C (‖g‖H−1 + ‖f‖L2) .

Wir betrachten nun noch einmal die Cauchy-Probleme

utt −∆u + ut = 0u(0, x) = f(x), ut(0, x) = g(x)

und

wt −∆w = 0w(0, x) = f(x) + g(x)

gemeinsam. Es bezeichne χ ∈ C∞0 (Rn) eine Abschneidefunktion mit χ(s) = 1 fur

|s| ≤ σ2

<< 1 und χ(s) = 0 fur |s| ≥ σ. Es gilt nun das folgende bemerkenswerteResultat:

Satz 3.6 Fur die Differenz der Losungen obiger Cauchy-Probleme gilt die Ab-schatzung

∥∥F−1ξ→x (χ(ξ) (u(t, ξ)− w(t, ξ)))

∥∥L2≤ C(1 + t)−1‖(f, g)‖L2 .

35

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Beweis: Fur die Losung u = u(t, x) bedienen wir uns der im Abschnitt 3.2.2erarbeiteten Losungsdarstellung fur |ξ| < 1

2

u(t, ξ) = e−12

t

[(1

2f(ξ)−

12f(ξ) + g(ξ)√

1− 4|ξ|2

)e−

12

√1−4|ξ|2 t

+

(1

2f(ξ) +

12f(ξ) + g(ξ)√

1− 4|ξ|2

)e

12

√1−4|ξ|2 t

].

Fur w = w(t, x) haben wir die Losungsdarstellung

w(t, ξ) = e−|ξ|2t(f(ξ) + g(ξ)).

Wir nutzen nun die asymptotischen Entwicklungen√

1 + s = 1 +s

2− s2

8+ O(s3)

und1√

1 + s= 1− s

2+ O(s2) fur s → 0 um die Darstellungen

√1− 4|ξ|2 = 1−2|ξ|2−2|ξ|4+O(|ξ|6) und

1√1− 4|ξ|2 = 1+2|ξ|2+O(|ξ|4)

fur ξ → 0 zu erhalten. Damit folgt nun

∥∥F−1ξ→x (χ(ξ) (u(t, ξ)− w(t, ξ)))

∥∥L2

= ‖χ(ξ) (u(t, ξ)− w(t, ξ))‖L2

=

∥∥∥∥χ(ξ)

[(1

2f(ξ)−

(1

2f(ξ) + g(ξ)

)+

(1

2f(ξ) + g(ξ)

)O(|ξ|2)

)e−

12t+O(|ξ|2)te−

12

t

+

(1

2f(ξ) +

(1

2f(ξ) + g(ξ)

)+

(f(ξ) + 2g(ξ)

)|ξ|2

+

(1

2f(ξ) + g(ξ)

)O(|ξ|4)

)e

12t−|ξ|2t−|ξ|4t+O(|ξ|6)te−

12

t − e−|ξ|2t(f(ξ) + g(ξ))

]∥∥∥∥L2

.

Wir schatzen jetzt die einzelnen Summanden ab. Zunachst erhalten wir

∥∥∥∥χ(ξ)

(−g(ξ) +

(1

2f(ξ) + g(ξ)

)O(|ξ|2)

)e(−1+O(|ξ|2))t

∥∥∥∥L2

≤ Ce−ct‖(f, g)‖L2

mit einer Konstanten c < 1, die vom Trager von χ abhangt. Nun bleibt noch derandere Summand auszuwerten:∥∥∥∥χ(ξ)

[(f(ξ) + g(ξ) +

(f(ξ) + 2g(ξ)

)|ξ|2 +

(1

2f(ξ) + g(ξ)

)O(|ξ|4)

)

36

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· e−|ξ|2t−|ξ|4t+O(|ξ|6)t − e−|ξ|2t(f(ξ) + g(ξ))

]∥∥∥L2

≤∥∥∥χ(ξ)

(f(ξ) + g(ξ)

) (e−|ξ|

2t−|ξ|4t+O(|ξ|6)t − e−|ξ|2t)∥∥∥

L2

+

∥∥∥∥χ(ξ)

((f(ξ) + 2g(ξ)

)|ξ|2 +

(1

2f(ξ) + g(ξ)

)O(|ξ|4)

)e−|ξ|

2t+O(|ξ|4)t

∥∥∥∥L2

.

Wir bezeichnen in obiger rechter Seite den ersten Summanden mit J1 und denzweiten mit J2 und setzen zunachst t ≥ 1 voraus. Wir erhalten zum einen dieAbschatzung

J1 =

∥∥∥∥∥∥∥∥χ(ξ)

(f(ξ) + g(ξ)

)(−|ξ|4t + O(|ξ|6)t)e−|ξ|2t

∫ 1

0

e(−|ξ|4t+O(|ξ|6)t)sds

︸ ︷︷ ︸≤1

∥∥∥∥∥∥∥∥L2

≤ C

∥∥∥∥χ(ξ)(f(ξ) + g(ξ)

) |ξ|4t2t

e−|ξ|2t

∥∥∥∥L2

≤ C t−1‖(f, g)‖L2

und zum anderen mit einer positiven Konstanten c

J2 ≤ C

∥∥∥∥χ(ξ)(|f(ξ)|+ |g(ξ)|

) |ξ|2tt

e−c|ξ|2t

∥∥∥∥L2

≤ C t−1‖(f, g)‖L2 .

Fur t < 1 erhalten wir naturlich fur k = 1, 2

Jk ≤ C ‖(f, g)‖L2 ,

also insgesamtJk ≤ C(1 + t)−1‖(f, g)‖L2 .

Damit ist der Satz bewiesen. 2

Frage: Wie ist das Resultat von Satz 3.6 zu interpretieren?

Antwort: Wir halten uns einerseits neben dem Resultat von Satz 3.6 die Ab-schatzungen

‖F−1ξ→x (χ(ξ)w(t, ·)) ‖L2 ≤ ‖(f, g)‖L2

und‖F−1

ξ→x (χ(ξ)u(t, ·)) ‖L2 ≤ C‖(f, g)‖L2

vor Augen, und erinnern uns andererseits daran, dass das decay-Verhalten immervon den kleinen Frequenzen bestimmt wird. Dann konnen wir, vom Standpunkt vondecay-Abschatzungen aus gesehen, mit gewisser Berechtigung behaupten, dass dasCauchy-Problem

utt −∆u + ut = 0u(0, x) = f(x), ut(0, x) = g(x)

37

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asymptotisch eine parabolische Struktur aufweist. Resultate dieser Art bezeichnetman als Diffusionsphanomene.

Ohne Beweis wollen wir im eindimensionalen Fall noch das folgende Resultatangeben:Wir betrachten abermals die Cauchy-Probleme

utt − uxx + ut = 0u(0, x) = f(x), ut(0, x) = g(x)

und

wt − wxx = 0w(0, x) = f(x) + g(x)

fur (x, t) ∈ R× [0,∞).

Satz 3.7 (Marcati, Nishihara)Es gilt die Abschatzung

∥∥∥∥(u− w)(t, ·)− 1

2e−

t2 (f(·+ t) + f(· − t))

∥∥∥∥L2

≤ C t−1‖(f, g)‖L2

fur t ≥ t0 > 0.

Bemerkung: Aus der d’Alembertschen Losungsdarstellung von Abschnitt 2.1.1ersehen wir, dass 1

2(f(x + t) + f(x − t)) Losung eines Cauchy-Problems der freien

Welle ist.

Kurzer Exkurs in die Theorie von Thermoelastizitatsmodellen:

Diffusionsphanomene lassen sich auch fur Thermoelastizitatsmodelle beobachten.Wir studieren das Cauchy-Problem fur das lineare klassische Thermoelas-tizitatsmodell im eindimensionalen Fall:

utt − a2uxx + γ1θx = 0,θt − b2θxx + γ2utx = 0,u(0, x) = u0(x), ut(0, x) = u1(x), θ(0, x) = θ0(x),

wobei a, b, γ1 und γ2 Konstanten sind mit a, b, γ1γ2 > 0. Die gesuchten Funktio-nen u = u(t, x) und θ = θ(t, x) bezeichnen die Verschiebung und die Temperatur(abzuglich einer Referenztemperatur).Mit u± = ut ± aux und U = (u+, u−, θ)T ist obiges Cauchy-Problem aquivalent zu

∂tU + A1∂xU − A2∂

2xU = 0,

U(0, x) = U0(x) = (u1 + au′0, u1 − au′0, θ0)T

mit den Matrizen

A1 =

−a 0 γ1

0 a γ1γ2

2γ2

20

und A2 = diag(0, 0, b2).

38

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Zunachst lassen sich uber Diagonalisierungsprozeduren im Phasenraum Lp-Lq decayAbschatzungen herleiten, also Abschatzungen der Form

‖(ux, ut, θ)(t, ·)‖Lq ≤ C(1 + t)−12(

1p− 1

q )‖(u′0, u1, θ0)‖H2,p

fur 1 ≤ p ≤ 2 ≤ q ≤ ∞ und 1p

+ 1q

= 1.Betrachten wir nun noch folgendes parabolisches Problem

∂tW1 − a2b2

a2 + γ1γ2

∂2xW1 = 0,

∂tW2 − b2γ1γ2

2(a2 + γ1γ2)∂2

xW2 +√

a2 + γ1γ2 ∂xW2 = 0,

∂tW3 − b2γ1γ2

2(a2 + γ1γ2)∂2

xW3 −√

a2 + γ1γ2 ∂xW3 = 0,

W (0, x) = E(D)U0(x)

mit einem geeigneten elliptischen Operator E(D).Dann erhalt man die Abschatzung

∥∥∥F−1ξ→x

(χ(ξ)

(U(t, ξ)−R(I − iξK1)W (t, ξ)

))∥∥∥Lq≤ C(1 + t)−

12(

1p− 1

q )− 12‖U0‖Lp

fur 1 ≤ p ≤ 2 ≤ q ≤ ∞ und 1p

+ 1q

= 1. Dabei sind R und K1 bekannte, konstante

Matrizen, und χ ∈ C∞0 (R) lokalisiert die kleinen Frequenzen.

Beachten wir noch, dass∥∥∥F−1

ξ→x

(χ(ξ)W (t, ξ)

)∥∥∥Lq≤ C(1 + t)−

12(

1p− 1

q )‖U0‖Lp ,

gilt, so schließen wir, dass die Differenz schneller fallt und das asymptotische Profildes Cauchy-Problems fur das klassische Thermoelastizitatsmodell gegeben ist durchdas Cauchy-Problem fur W . Das Cauchy-Problem fur das klassische Thermoelas-tizitatsmodell besitzt also vom Standpunkt von decay-Abschatzungen aus geseheneine asymptotisch parabolische Struktur.

Vortragsthema 2 Diffussionsphanomene in der Thermoelastizitat

4 Ausblick auf moderne Forschungsrichtungen

4.1 Wellengleichungen mit irregularen Koeffizienten

4.1.1 Lipschitz stetige Koeffizienten

Wir behandeln das strikt hyperbolische Cauchy-Problem

utt − a(t)uxx = 0, u(0, x) = ϕ(x), ut(0, x) = ψ(x)

39

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mit einem Koeffizienten a ∈ C1[0, T ], a(t) ≥ C > 0. Koppeln wir die Energiemeth-ode und das Gronwallsche Lemma so erhalten wir sofort die Korrektheit in denSobolevraumen Hs, das heißt, zu gegebenen ϕ ∈ Hs+1(Rn) und ψ ∈ Hs(Rn) existierteine eindeutig bestimmte Losung u ∈ C([0, T ], Hs+1) ∩ C1([0, T ], Hs) (s ∈ N0).

Aufgabe 23 Beweisen Sie diese Aussage!

Bemerkung: Im obigen Cauchy-Problem konnen wir anstelle von a ∈ C1[0, T ] dieLipschitz-Bedingung |a(t)− a(s)| ≤ A|t− s| fur t, s ∈ [0, T ] wahlen.

Das obige Resultat zeigt, daß wir keinen Ableitungsverlust haben. Mit Datenϕ ∈ Hs+1(Rn) und ψ ∈ Hs(Rn) existiert eine eindeutig bestimmte Losung u ∈C([0, T ], Hs+1)∩C1([0, T ], Hs) (s ∈ N0). Weiterhin gilt fur die Energie Es(u) s-terOrdnung die a-priori Abschatzung

Es(u)(t) := ‖(Dtu(t, ·),∇u(t, ·))‖Hs ≤ Cs‖(ψ,∇ϕ)‖Hs =: Es(u)(0).

Wenden wir uns noch einmal dem Cauchy-Problem

utt − a(t)uxx = 0, u(0, x) = ϕ(x), ut(0, x) = ψ(x)

mit einem Koeffizienten a ∈ C1[0, T ], a(t) ≥ C > 0, zu. Dann ergeben sich aus obi-gen Energieabschatzungen fur die Energie s-ter Ordnung sofort folgende Aussagen:

• Falls die Daten ϕ und ψ aus dem H∞(Rn) gewahlt werden, dann ist dasCauchy-Problem H∞-korrekt , das heißt, es existiert eine eindeutig bestimmteLosung aus C3([0, T ], H∞). Die Losung hangt stetig von den Daten ab.

• Nutzen wir die Existenz eines Abhangigkeitsgebietes, dann folgt aus der H∞-Korrektheit sofort die C∞-Korrektheit, das heißt, zu gegebenen Daten ϕ und ψaus dem C∞(Rn) existiert eine eindeutig bestimmte Losung aus C3([0, T ], C∞).Die Losung hangt stetig von den Daten ab.

Es steht naturlich die Frage nach allgemeinen Resultaten, die die Existenz einesAbhangigkeitsgebietes sichern. Wir geben nur ein Resultat an.

Satz 4.1 ([1])Gegeben sei das strikt hyperbolische Cauchy-Problem

utt −n∑

k,l=1

akl(t)uxkxl= f(t, x), u(0, x) = ϕ(x), ut(0, x) = ψ(x) .

Die Koeffizienten akl = alk der Matrix a sind reell und gehoren zu L1(0, T ). Außer-dem gelte

∑nk,l=1 akl(t)ξkξl ≥ λ0|ξ|2 with λ0 > 0. Falls dann u ∈ H2,1([0, T ],A′)

eine Losung zu gegebenen ϕ, ψ ∈ A′ und f ∈ L1([0, T ],A′) ist, dann folgt ausϕ ≡ ψ ≡ f ≡ 0 fur |x − x0| < ρ sofort u ≡ 0 in der Menge (t, x) ∈ [0, T ] × Rn :

40

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|x−x0| < ρ− ∫ t

0

√|a(s)|ds. Mit |a(t)| bezeichnen wir die Euklidische Matrixnorm,

mit A′ bezeichnen wir den Raum der Analytischen Funktionale.

Bemerkung: Wir wollen an dieser Stelle auf die Definition des Raumes der an-alytischen Funktionale verzichten, wollen aber hervorheben, daß dahinter ein sehrschwacher Losungsbegriff steht. Damit zeigen sehr schwache Losungen, insbesondereunsere Energielosungen, eine Abhangigkeitsgebietseigenschaft.

4.1.2 Endlicher Ableitungsverlust

In diesem Abschnitt wollen wir die Voraussetzung der Lipschitz-Stetigkeit des Ko-effizienten a = a(t) abschwachen. Das Ziel besteht darin, Energieabschatzungen derForm Es−s0(u)(t) ≤ CEs(u)(0) mit s0 ≥ 0 zu beweisen. Der Wert s0 beschreibt densogenannten Ableitungsverlust.

Eine globale Bedingung Die folgende Idee geht auf die Arbeit [1] zuruck. DieAutoren setzten dort die sogenannte Log-Lipschitz Eigenschaft von a voraus, dasheißt, der Koeffizient a erfullt

|a(t)− a(s)| ≤ C|t− s| | log |t− s| | fur alle t, s ∈ [0, T ], t 6= s .

Aufgabe 24 Versuchen Sie eine Funktion zu finden, die auf [0, 1] Log-Lipschitz-stetig, aber nicht Lipschitz-stetig ist.

Unter dieser Voraussetung konnte die Korrektheit in C∞ bewiesen werden.

Heute sind wir weiter und haben eine genaue Klassifizierung des Log-Lipschitz Ver-haltens bezuglich des zu erwartenden Ableitungsverlustes.

Satz 4.2 Vorgelegt sei das Cauchy-Problem

utt − a(t)uxx = 0, u(0, x) = ϕ(x), ut(0, x) = ψ(x).

Der Koeffizient a = a(t) erfulle die Bedingung |a(t)−a(s)| ≤ C|t−s| | log |t−s||γ furalle t, s ∈ [0, T ], t 6= s. Dann gilt die Energieabschatzung Es−s0(u)(t) ≤ C Es(u)(0),wobei

• s0 = 0 falls γ = 0 ,

• s0 ist beliebig klein und positiv falls γ ∈ (0, 1) ,

• s0 ist positiv falls γ = 1 ,

• es existiert keine positive Konstante s0 falls γ > 1 (unendlicher Ableitungsver-lust).

41

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Lokale Bedingung Eine zweite Moglichkeit der Abschwachung der LipschitzEigenschaft von a = a(t) geht auf die Arbeit [2] zuruck. Unter der Voraussetzung

a ∈ C[0, T ] ∩ C1(0, T ], |ta′(t)| ≤ C fur t ∈ (0, T ], (4.1)

bewiesen die Autoren C∞-Korrektheit fur das Cauchy-Problem

utt − a(t)uxx = 0, u(0, x) = ϕ(x), ut(0, x) = ψ(x).

Weiterhin beobachteten die Autoren einen moglichen endlichen Ableitungsverlust.

Bemerkung: Versuchen wir, die lokale mit der globalen Bedingung zu vergleichen.Falls a = a(t) ∈ Log-Lip[0, T ], dann kann der Koeffizient ein irregulares Verhal-ten (im Vergleich mit der Lipschitz-Eigenschaft) auf dem gesamten Intervall [0, T ]besitzen. Die lokale Bedingung beschreibt ein irregulares Verhalten nur in t = 0,entfernt von t = 0 ist der Koeffizient C1. Koeffizienten, die der Bedingung (4.1)genugen, sind i.allg. aber nicht Log-Lipschitz auf [0, T ].

4.1.3 Eine genauere Klassifizierung von Oszillationen

Wir setzen jetzt mehr Regularitat fur den Koeffizienten a = a(t) voraus, z.B., a ∈L∞[0, T ] ∩ C2(0, T ]. Diese hohere Regularitat erlaubt eine prazisere Klassifizierungvon Oszillationen einzufuhren.

Definition 4.1 Wir setzen neben der oben festgelegten Regularitat die Bedingung

|a(k)(t)| ≤ Ck

(1

t

(log

1

t

)γ)k

, fur k = 1, 2 (4.2)

voraus. Wir bezeichnen das oszillierende Verhalten von a als

• sehr langsam falls γ = 0 ,

• langsam falls γ ∈ (0, 1) ,

• schnell falls γ = 1 ,

• sehr schnell falls die Bedingung (4.2) fur γ = 1 nicht erfullt ist.

Beispiel: Gegeben sei a = a(t) = 2 + sin(log 1

t

)α. Dann sind die durch den

sin-Term erzeugten Oszillationen sehr langsam (langsam, schnell, sehr schnell) fallsα ≤ 1 (α ∈ (1, 2), α = 2, α > 2).

Wir werden im folgenden ein Resultat formulieren und beweisen, daß einegenaue Beziehung zwischen dem Typ der Oszillationen und dem Ableitungsver-lust beschreibt. Der Beweis beruht auf den Arbeiten [3] und [12]. Das Ziel ist

42

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die Konstruktion von WKB-Losungen. Die entwickelte Methode ist universell imSinne, daß sie auf allgemeinere Modelle der strikt hyperbolischen Theorie mit schwachregularen Koeffizienten, der schwach hyperbolischen Theorie, der Theorie von p-Evolutionsoperatoren, und der Theorie von Lp−Lq decay-Abschatzungen angewendetwerden kann.

Satz 4.3 Vorgelegt sei das strikt hyperbolische Cauchy-Problem

utt − a(t)uxx = 0 , u(0, x) = ϕ(x) , ut(0, x) = ψ(x) ,

wobei der Koeffizient a = a(t) ∈ L∞[0, T ] ∩ C2(0, T ] der Bedingung (4.2) genugt.Die Daten ϕ , ψ gehoren zu Hs+1, Hs. Dann gilt die folgende Energieungleichung:

E(u)(t) |Hs−s0 ≤ C(T )E(u)(0) |Hs fur alle t ∈ (0, T ] , (4.3)

wobei

• s0 = 0 falls γ = 0,

• s0 beliebig klein und positiv ist falls γ ∈ (0, 1),

• s0 positiv ist falls γ = 1,

• keine positive Konstante s0 existiert, die (4.3) erfullt falls γ > 1 ist, das heißt,wir haben einen unendlichen Ableitungsverlust.

Beweis: Der Beweis wird in verschiedene Schritte untergliedert. OhneBeschrankung der Allgemeinheit kann T als klein vorausgesetzt werden, warum?Nach Anwendung partieller Fouriertransformation erhalten wir

vtt + a(t)ξ2v = 0 , v(0, ξ) = ϕ(ξ) , vt(0, ξ) = ψ(ξ) . (4.4)

1. Schritt: Zonen

Wir unterteilen den erweiterten Phasenraum (t, ξ) ∈ [0, T ] × R : |ξ| ≥ M (nichtnur die ubliche Phasenvariable ξ, sondern auch die Zeitvariable bildet eine Phasen-variable) in zwei Zonen mit Hilfe der Funktion t = tξ welche tξ〈ξ〉 = N(log〈ξ〉)γ

lost.

Aufgabe 25 Warum durfen wir uns auf betragsmaßig große Frequenzen ξ : |ξ| ≥M, M ist groß , beschranken?

Die Konstante N wird spater bestimmt. Mit der Funktion tξ definieren wir diepseudodifferentielle Zone Zpd(N) bzw. die hyperbolische Zone Zhyp(N) durch

Zpd(N) = (t, ξ) : t ≤ tξ, Zhyp(N) = (t, ξ) : t ≥ tξ .

43

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2. Schritt: Symbole

Zu gegebenen reellen Zahlen m1,m2 ≥ 0, r ≤ 2, definieren wir die Symbolklassen

Srm1,m2 = d = d(t, ξ) ∈ L∞([0, T ]× R) :

|Dkt D

αξ d(t, ξ)| ≤ Ck,α〈ξ〉m1−|α|

(1

t

(log

1

t

)γ)m2+k

, k ≤ r, (t, ξ) ∈ Zhyp(N).

Diese Symbolklassen sind nur in der hyperbolischen Zone Zhyp(N) definiert. In derpseudodifferentiellen Zone sind Symbolklassen im Moment uninteressant.

Eigenschaften der Symbolklassen:

• Sr+1m1, m2 ⊂ Srm1,m2;• Srm1 − p,m2 ⊂ Srm1, m2 fur alle p ≥ 0;

• Srm1− p,m2 + p ⊂ Srm1,m2 fur alle p ≥ 0, das ergibt sich sofort unterBeachtung der Definition der hyperbolischen Zone Zhyp(N);

• falls a = a(t, ξ) ∈ Srm1,m2 und b = b(t, ξ) ∈ Srk1, k2, dann gilt a b ∈Srm1 + k1,m2 + k2;

• falls a ∈ Srm1,m2, dann ist Dta ∈ Sr−1m1,m2 +1, and Dαξ a ∈ Srm1−

α, m2.Aufgabe 26 Beweisen Sie diese Eigenschaften!

3. Schritt: Untersuchungen in der pseudodifferentiellen Zone Zpd(N)

Setzen wir V = (ξv, Dtv)T , dann kann die Gleichung aus (4.4) zu folgendem Systemerster Ordnung transformiert werden:

DtV =

(0 ξ

a(t)ξ 0

)V =: A(t, ξ)V . (4.5)

Wir sind interessiert an der Fundamentallosung X = X(t, r, ξ) zu dem System (4.5)mit der Bedingung X(r, r, ξ) = I (I bezeichnet die Einheitsmatrix). Nutzen wir densogenannten Matrizant, dann konnen wir die Fundamentallosung X = X(t, r, ξ) inexpliziter Form schreiben. Es gilt

X(t, r, ξ) = I +∞∑

k=1

ik∫ t

r

A(t1, ξ)

∫ t1

r

A(t2, ξ) · · ·∫ tk−1

r

A(tk, ξ)dtk · · · dt1 .

Aufgabe 27 Zeigen Sie die Gultigkeit dieser Darstellung! Kennen Sie solcheDarstellungen aus dem Kurs “Funktionalanalysis”?

44

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Die Norm ‖A(t, ξ)‖ der Matrix A (wir verwenden eine ubliche Matrixnorm) kannabgeschatzt werden durch C〈ξ〉. Folglich erhalten wir die Abschatzung

tξ∫

0

‖A(s, ξ)‖ds ≤ Ctξ〈ξ〉 = CN(log〈ξ〉)γ.

Die Losung des Cauchy-Problems fur (4.5) mit der Cauchy-Bedingung V (0, ξ) =V0(ξ) kann mit Hilfe der Fundamentallosung in der Form V (t, ξ) = X(t, 0, ξ)V0(ξ)

dargestellt werden. Aus ‖X(t, 0, ξ)‖ ≤ exp(t∫

0

‖A(s, ξ)‖ds) ≤ exp(CN(log〈ξ〉)γ)

ergibt sich sofort das folgende Resultat:

Lemma 4.1 Die Losung von (4.5) mit der Cauchy-Bedingung V (0, ξ) = V0(ξ)erfullt in der pseudodifferentiellen Zone Zpd(N) die Energieabschatzung

|V (t, ξ)| ≤ exp(CN(log〈ξ〉)γ)|V0(ξ)|.Bemerkung: In der pseudodifferentiellen Zone Zpd(N) sind wir sehr nah an derGeraden t = 0. Hier hat die Zeitableitung des Koeffizienten a = a(t) ein irregularesVerhalten. Es ist deshalb keine gute Idee, in dieser Zone die hyperbolische En-ergie (

√a(t)ξ v, Dtv) zu verwenden, da in diesem Falle das schlechte Verhalten von

a′ = a′(t) ins Spiel kommt. Um das zu vermeiden, definieren wir die Mikroenergie(ξ v, Dtv).

4. Schritt: Durchfuhrung von zwei Diagonalisierungsschritten

Setzen wir V := (√

a(t)ξ v, Dtv)T (ubliche hyperbolische Mikroenergie), dann erhal-ten wir das System erster Ordnung

DtV −(

0√

a(t)ξ√a(t)ξ 0

)V − Dta

2a

(1 00 0

)V = 0 . (4.6)

Die erste Matrix gehort zur Symbolklasse S21, 0, die zweite Matrix gehort zurSymbolklasse S10, 1. Wir wollen jetzt die erste Matrix diagonalisieren. Berechnenwir die Eigenwerte und die Eigenvektoren, dann ergibt sich als Diagonalisator die

Matrix M = 12

(1 −11 1

). Setzen wir V0 := MV , dann wird das System (4.6) wie

folgt transformiert:

DtV0 −M

(0

√a(t)ξ√

a(t)ξ 0

)M−1V0 −M

Dta

2a

(1 00 0

)M−1V0 = 0 ,

DtV0 −(

τ1 00 τ2

)V0 − Dta

4a

(0 11 0

)V0 = 0 ,

45

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mit τ1/2 := ∓√

a(t)ξ + 14

Dtaa

. Bezeichnen wir

D :=

(τ1 00 τ2

)∈ S11, 0 ; R0 =

1

4

Dta

a

(0 11 0

)∈ S10, 1,

dann lasst sich obiges System in der Form DtV0−DV0−R0V0 = 0 schreiben. DieserSchritt der Diagonalisierung ist

• die Diagonalisierung unseres Ausgangssystems (4.6) modulo dem Restterm R0 ∈S10, 1.Nun werden wir den Restterm R0 diagonalisieren. Dazu schlagen wir eine spezielleDiagonalisierungsprozedur vor. Ziel des nachsten Schrittes ist es, zu erreichen, daßder neue Restterm R1 in der Symbolklasse S0−1, 2 liegt. Diese ist bezuglich derDifferenzierbarkeit nach t schlechter, doch liefert die Abschatzung des Restes R1

eine bessere Schranke als die Abschatzung von R0 im Sinne der Symbolhierarchie.

Wir setzen

N (1) := −1

4

Dta

a

(0 1

τ1−τ21

τ2−τ10

)=

Dta

8a3/2ξ

(0 1

−1 0

).

Dann ist die Matrix N1 := I +N (1) invertierbar in der hyperbolischen Zone Zhyp(N)fur hinreichend große N . Das folgt aus der Definition der hyperbolischen ZoneZhyp(N), aus der Abschatzung

‖N1 − I‖ = ‖N (1)‖ ≤ Ca1

t|ξ|(

log1

t

≤ Ca

N

(log 1

t

log〈ξ〉)γ

≤ Ca

N≤ 1

2

falls N groß gewahlt wird, und aus log〈ξ〉 − log 1t≥ log N + log(log〈ξ〉)γ. Wir

beobachten einerseits DN1 − N1D = −R0 und andererseits (Dt − D − R0)N1 =N1(Dt−D−R1), wobei R1 := −N−1

1 (DtN (1)−R0N (1)) gesetzt wird. Berucksichtigenwir N (1) ∈ S1−1, 1, N1 ∈ S10, 0 und R1 ∈ S0−1, 2, dann fuhrt die Transfor-mation V0 =: N1V1 zu folgendem System erster Ordnung:

DtV1 −DV1 −R1V1 = 0 , D ∈ S11, 0 , R1 ∈ S0−1, 2 .

Der zweite Schritt der Diagonalisierung ist die

• Diagonalisierung unseres Ausgangssystems (4.6) modulo dem Restterm R1 ∈S0−1, 2.

5. step: Losungsdarstellung fur unser Cauchy-Problem

Wir wenden uns jetzt dem Cauchy-Problem

DtV1 −DV1 −R1V1 = 0 , V1(tξ, ξ) = V1,0(ξ) := N−11 (tξ, ξ)M V (tξ, ξ) (4.7)

46

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zu. Da wir nur in der hyperbolischen Zone arbeiten (t ≥ tξ), muß die Cauchy-Bedingung auf der Kurve t = tξ formuliert werden. Von Lemma 4.1 erhaltenwir die Kenntnis von V (tξ, ξ). Die obigen Transformationen liefern dann sofortV1(tξ, ξ). Falls wir umgekehrt eine Losung von (4.7) haben, dann lost V = V (t, ξ) =M−1N1(t, ξ)V1(t, ξ) sofort (4.6) with gegebenem Datum V (tξ, ξ) auf t = tξ.Die Matrix-wertige Funktion

E2(t, r, ξ) :=

exp

(i∫ t

r(−

√a(s)ξ + Dsa(s)

4a(s))ds

)0

0 exp(i∫ t

r(√

a(s)ξ + Dsa(s)4a(s)

)ds)

lost das Cauchy-Problem (Dt − D)E(t, r, ξ) = 0, E(r, r, ξ) = I. Wir definieren dieMatrix-wertige Funktion H = H(t, r, ξ), t, r ≥ tξ durch

H(t, r, ξ) := E2(r, t, ξ)R1(t, ξ)E2(t, r, ξ) .

Benutzen wirt∫

r

∂sa(s)4a(s)

ds = log a(s)1/4 |tr (dieses Integral hangt nur von a, aber

nicht von a′ ab), dann erfullt die Funktion H in der hyperbolischen Zone Zhyp(N)die Abschatzung

‖H(t, r, ξ)‖ ≤ C

〈ξ〉(

1

t

(log

1

t

)γ)2

. (4.8)

Schließlich definieren wir die Matrix-wertige Funktion Q = Q(t, r, ξ) durch

Q(t, r, ξ) :=∞∑

k=1

ik∫ t

r

H(t1, r, ξ)dt1

∫ t1

r

H(t2, r, ξ)dt2 · · ·∫ tk−1

r

H(tk, r, ξ)dtk .

Es erweist sich, daß mit Hilfe der Funktion Q die Matrix-wertige Funktion

V1 = V1(t, ξ) := E2(t, tξ, ξ)(I + Q(t, tξ, ξ))V1,0(ξ)

eine Losung von (4.7) darstellt.

6. Schritt: Grundlegende Abschatzung in der hyperbolischen Zone Zhyp(N)

Berucksichtigen wir (4.8) und die Abschatzungt∫

‖H(s, tξ, ξ)‖ds ≤ CN(log〈ξ〉)γ dann

erhalten wir aus der Darstellung fur Q sofort

‖Q(t, tξ, ξ)‖ ≤ exp( ∫ t

‖H(s, tξ, ξ)‖ds)≤ exp(CN(log〈ξ〉)γ) . (4.9)

47

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Alle Aussagen der vorhergehenden Schritte liefern zusammen mit (4.9) das folgendeResultat.

Lemma 4.2 Die Losung zu (4.6) mit der Cauchy-Bedingung auf t = tξ erfullt inder hyperbolischen Zone Zhyp(N) die Energieabschatzung

|V (t, ξ)| ≤ C exp(CN(log〈ξ〉)γ)|V (tξ, ξ)| .7. Schritt: Verifikation

Die Aussagen der Lemmata 4.1 und 4.2 liefern sofort

Lemma 4.3 Die Losung v = v(t, ξ) des Cauchy-Problems

vtt + a(t)ξ2v = 0 , v(0, ξ) = ϕ(ξ) , vt(0, ξ) = ψ(ξ)

erfullt die a-priori Abschatzung∣∣∣∣(

ξ v(t, ξ)vt(t, ξ)

)∣∣∣∣ ≤ C exp(CN(log〈ξ〉)γ)

∣∣∣∣(

ξ ϕ(ξ)

ψ(ξ)

)∣∣∣∣

fur alle (t, ξ) ∈ [0, T ]× R.

Aufgabe 28 Zeigen Sie, daß die Aussage von Lemma 4.3 sofort die Aussage vonSatz 4.3 fur γ ∈ [0, 1] nach sich zieht!

Die Aussage fur γ > 1 folgt aus Satz 4.4 (siehe nachster Abschnitt) wenn wir in

diesem ω(t) = logq C(q)t

mit q ≥ 2 wahlen. 2

Bemerkungen:

• Mit den Aussagen der Satze 4.1 und 4.3 erhalten wir sofort die C∞-Korrektheitdes Cauchy-Problems

utt − a(t)uxx = 0 , u(0, x) = ϕ(x) , ut(0, x) = ψ(x),

unter den Voraussetzungen a ∈ L∞[0, T ] ∩ C2(0, T ] and (4.2) for γ ∈ [0, 1].

• Ohne zusatzliche Schwierigkeiten kann Satz 4.3 auf das Cauchy-Problem

utt −n∑

k,l=1

akl(t)uxkxl= 0 , u(0, x) = ϕ(x), ut(0, x) = ψ(x),

mit den entsprechenden Voraussetzungen an akl = akl(t) verallgemeinert wer-den.

• Falls wir die Diagonalisierungsprozedur nach dem ersten Schritt beendenwurden, dann haben wir in Satz 4.3 die Bedingung (4.1) vorauszusetzen.

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Offenes Problem: In diesem Abschnitt habe wir eine sehr effektive Klassifizierungvon Oszillationen unter der Voraussetzung a ∈ L∞[0, T ] ∩ C2(0, T ] geliefert. ImMoment fehlt ein gutes Verstandnis dafur was wir im Fall a ∈ L∞[0, T ] ∩ C1(0, T ]mit |a′(t)| ≤ C 1

t

(log 1

t

)γ, γ > 0, erwarten durfen. Falls γ = 0, dann erhalten wir

aus der Arbeit [2] hochstens einen endlichen Ableitungsverlust. Was geschieht aberim Fall γ > 0?

Bemerkung: Wenden wir uns dem strikt hyperbolischen Cauchy-Problem

utt + b(t)uxt − a(t)uxx = 0 , u(0, x) = ϕ(x), ut(0, x) = ψ(x)

zu. Es tritt somit eine gemischte Ableitung zweiter Ordnung auf.

Frage: Andert dieser gemischte Term die in Definition 4.1 vorgeschlagene Klassi-fizierung von Oszillationen?

Antwort: Ja!!!! Mit der Arbeit [15] wissen wir, daß Koeffizienten a, b ∈ L∞[0, T ]∩C2(0, T ] existieren, die der Bedingung (4.2) mit γ > 0 genugen und fur welche dasentsprechende Cauchy-Problem nicht C∞-korrekt ist. Es existiert demnach auchkeine Konstante s0, fur welche die Energieungleichung (4.3) erfullt ist.

Bemerkung: Das Mischen verschiedener nicht regularer EffekteDer Ubersichtsartikel [8] liefert Resultate uber die Wirkung verschiedener nichtregularer Effekte wie globale Holderstetigkeit von a = a(t) auf [0, T ] und Lp-Integrierbarkeit einer gewichteten Ableitung auf [0, T ]. Unter allen Resultatenwahlen wir nur eins aus. Dieses liefert die C∞-Korrektheit des Cauchy-Problems

utt − a(t)uxx = 0 , u(0, x) = ϕ(x) , ut(0, x) = ψ(x),

falls a = a(t) der Bedingung tq∂ta ∈ Lp(0, T ) fur q + 1/p = 1 genugt.

Vortragsthema 3 Mischen nicht regularer Effekte in der Theorie strikt hyperbolis-cher Differentialgleichungen

4.1.4 Hirosawas Gegenbeispiel

Es gibt heute recht verschiedene Strategien, um Gegenbeispiele zu konstruieren.Um die Aussage von Satz 4.3 fur γ > 1 verifizieren zu konnen, zitieren wir nur einResultat aus [3]. Diese Resultat zeigt uns, daß sehr schnelle Oszillationen einenverheerenden Einfluß auf die C∞ Korrektheit haben.

Satz 4.4 (siehe [3])Es sei ω : (0, 1/2] → (0,∞) eine stetige und monoton fallende Funktion. Dieseerfulle lim ω(s) = ∞ fur s → +0 und ω(s/2) ≤ c ω(s) fur alle s ∈ (0, 1/2]. Dannexistiert eine Funktion a ∈ C∞(R \ 0) ∩ C0(R) mit den folgenden Eigenschaften:

• 1/2 ≤ a(t) ≤ 3/2 fur alle t ∈ R;

49

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• es existiert eine positive Konstante T0 und zu jedem p eine positive KonstanteCp so, daß

|a(p)(t)| ≤ Cpω(t)(1

tlog

1

t

)p

fur alle t ∈ (0, T0)

gilt;

• es existieren zwei Funktionen ϕ und ψ aus C∞(R) so, daß das Cauchy-Problemutt − a(t)uxx = 0, u(0, x) = ϕ(x), ut(0, x) = ψ(x), keine Losung ausC0([0, r), D′(R)) fur alle r > 0 besitzt. Dabei bezeichnet D′(R) den Raumder auf R definierten Distributionen.

Der Koeffizient a = a(t) besitzt die Regularitat a ∈ C∞(R \ 0). Um das offeneProblem aus Abschnitt 4.1.3 attackieren zu konnen, sollte man sich an das schoneGegenbeispiel aus [12] erinnern. In diesem hat der Koeffizient a = a(t) die niedereRegularitat a ∈ C2(R \ 0). Das Verstandnis dieses Gegenbeispiels erhalten wirmit Hilfe des Cauchy-Problems

utt − b((log

1

t)q

)2

4 u = 0 , u(1, x) = ϕ(x), us(1, x) = ψ(x). (4.10)

Die Resultate aus [12] liefern die folgende Aussage:

Satz 4.5 Es sei b = b(s) eine positive, 1-periodische, nicht konstante Funktionaus C2. Falls q > 2, dann existieren Daten ϕ, ψ ∈ C∞(Rn) so, daß (4.10) keineLosung in C2([0, 1],D′(Rn)) besitzt.

Beweis: Der Beweis beruht auf der Anwendung der Floquet-Theorie. Diese The-orie wird in heutiger Zeit im Laufe eines Mathematikstudiums nicht mehr gelehrt.Einen Einstieg in diese Theorie findet man z.B. in [9] oder in [23]. Im nachstenAbschnitt werden wir anhand eines sehr einfache Beispiels das Hilfsmittel Floquet-Theorie kennenlernen. 2

Bemerkung: Die Idee, Resultate der Floquet-Theorie einzusetzen, geht auf dieArbeit [41] zuruck. In dieser wurde die C∞-Korrektheit fur schwach hyper-bolische Cauchy-Probleme studiert. Diese Idee wurde in [39] ausgenutzt zumStudium von Lp − Lq decay-Abschatzungen fur Losungen von Wellengleichungenmit zeitabhangigen Koeffizienten. Der Verdienst der Arbeit [12] besteht in derAnwendung der Floquet-Theorie zum Studium von strikt hyperbolischen Cauchy-Problemen mit nicht-Lipschitz stetigen Koeffizienten. Die vorausgesetzte Regu-laritat b ∈ C2 hangt mit benotigten Hilfsmitteln der Floquet-Theorie zusammen.Die Arbeit [30] stellt einen Versuch dar, die strikt hyperbolische Theorie mit nichtLipschitz-stetigen Koeffizienten, die schwach hyperbolische Theorie und die The-orie von Lp − Lq decay-Abschatzungen fur Losungen von Wellengleichungen mit

50

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zeitabhangigen Koeffizienten von einem einheitlichen Standpunkt aus zu unter-suchen.

Vortragsthema 4 Anwendung der Floquet-Theorie - Hirosawas Gegenbeispiel

4.2 Langzeitverhalten von Energien

4.2.1 Blow-up der Energie

Satz 4.6 Vorgelegt sei das Cauchy-Problem

utt − b(t)2 4 u = 0, u(0, x) = ϕ(x), ut(0, x) = ψ(x) , (4.11)

wobei der Koeffizient b = b(t) eine 1-periodische, nicht konstante, glatte, und positiveFunktion ist. Dann existieren keine Konstanten q, p, C, L und keine nichtnegativeFunktion f , die auf N definiert ist so, daß fur beliebige Daten ϕ, ψ ∈ C∞

0 (R) dieAbschatzung

‖ut(m, ·)‖Lq + ‖∇xu(m, ·)‖Lq ≤ C f(m)(‖ϕ‖Hp,L + ‖ψ‖Hp,L) (4.12)

fur alle m ∈ N erfullt ist, wobei die zahlentheoretische Funktion f = f(m) denBedingungen f(m) →∞, log f(m) = o(m) fur m →∞ genugt.

Insbesondere haben wir damit gezeigt, daß keine Konstanten s, s0 existieren mit

‖ut(m, ·)‖Hs−s0 + ‖∇xu(m, ·)‖Hs−s0 ≤ C f(m)(‖ϕ‖Hs + ‖ψ‖Hs) (4.13)

fur alle m ∈ N erfullt ist, wobei die zahlentheoretische Funktion f = f(m) denBedingungen f(m) →∞, log f(m) = o(m) fur m →∞ genugt.

Bemerkung: Die Bedingungen fur f = f(m) in (4.13), (4.12) sind fast optimal.Wenden wir das Gronwallsche Lemma an, dann bekommen wir ohne Schwierigkeitendie Energie-Abschatzung

‖ut(t, ·)‖L2 + ‖∇xu(t, ·)‖L2 ≤ C exp(C0t)(‖ϕ‖H1 + ‖ψ‖L2), t ∈ [0,∞),

fur die Losungen von (4.11). Wahlen wir t = m, m ∈ N, p = q = 2, L = 1, dannerhalten wir eine Ungleichung (4.12) mit log f(m) = O(m) fur m →∞.

Bemerkung: Wir werden im Beweis eine spezielle Folge von Daten (ϕM , ψM)M∈Nwahlen. Die zugehorigen Losungen uMM∈N werden eine Abschatzung der Form(4.12) fur große Werte von M nicht erfullen. Eine interessante Frage ist die nacheiner Klassifizierung von Daten: Daten, die eine Abschatzung der Form (4.12)erfullen und solche, die eine Abschatzung der Form (4.12) nicht erfullen.

Beweis: Der Beweis wird in verschiedene Schritte untergliedert.

51

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1. Schritt: Ein Lemma fur gewohnliche Differentialgleichungen mit periodischenKoeffizienten

Vorgelegt sei die gewohnliche Differentialgleichung mit periodischem Koeffizienten

wtt + λ b(t)2w = 0 . (4.14)

Es sei weiterhin die von λ abhangige Matrix-wertige Funktion X = X(t, t0) eineLosung des Cauchy-Problems

dtX =

(0 −λ b(t)2

1 0

)X , X(t0, t0) =

(1 00 1

). (4.15)

Damit ist X = X(t, t0) eine Fundamentallosung zu dem System

dtW =

(0 −λ b(t)2

1 0

)W, (4.16)

welches wir aus (4.14) erhalten wenn wir den Vektor W = (wt, w)T einfuhren. DieMatrix X(t + 1, t) ist unabhangig von t ∈ N, diese Matrix transportiert die Losungvom Zeitpunkt t zum Zeitpunkt t + 1, d.h.,

W (t + 1) = X(t + 1, t)W (t).

Wir definieren

X(1, 0) :=

(b11 b12

b21 b22

).

Bilden wir det X(t, t0), dann ergibt sich sofort aus (4.15) und mit der Tatsache, daßdie Spur der Matrix gleich 0 ist, det X(t, t0) = det X(t0, t0) = 1. Damit hat dieMatrix X(1, 0) die Determinante 1 und es existieren Eigenwerte µ0 und µ−1

0 .Das folgende Lemma außerst sich zu den Eigenwerten µ0 und µ−1

0 der Matrix X(1, 0).Das Lemma, welches ein zentrales Resultat der Floquet Theorie darstellt, ergibt sichaus den Untersuchungen in [7] und stellt ein wesentliches Beweishilfsmittel dar.

Lemma 4.4. ([9],[23],[41])Es sei der Koeffizient b = b(t) eine 1-periodische, nicht konstante, glatte, und pos-itive Funktion. Dann existiert ein positives λ0 so, daß die entsprechende MatrixX(1, 0) aus (4.15) Eigenwerte µ0 und µ−1

0 mit |µ0| > 1 besitzt.

Bemerkung: Dieses Lemma sichert die Existenz instabiler Losungen, das sindLosungen, die fur t → ∞ nicht beschrankt bleiben. Erinnern wir uns an diegewohnliche Differentialgleichung zweiter Ordnung wtt+λw = 0, dann wurde gezeigt,daß fur λ ≤ 0 instabile Losungen existieren, wogegen fur λ > 0 alle Losungen stabilsind. Hat man aber wtt + λb(t)2w = 0 vorgelegt, dann existieren unter gewissen

52

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Voraussetzungen positive Werte λ, die instabile Losungen zulassen. Darin bestehtdie Kernaussage von Lemma 4.4.

Einige wenige Erklarungen zur Floquet-Theorie: (siehe z.B. [23])

• Liouville-Transformation Die Differentialgleichung wtt + λb(t)2w = 0, b(t) > 0,kann transformiert werden zu yxx + (λγ2 + Q(x))y = 0. Dazu benotigen wir b seizweimal differenzierbar. Alle weiteren Voraussetzungen aus Satz 4.6 seien erfullt.

• Damit kann man zeigen, daß die Floquet-Theorie fur wtt + λb(t)2w = 0 mit π-periodischem b aquivalent ist zur Floquet-Theorie fur yxx + (λγ2 + Q(x))y = 0 mitπ-periodischem Q und

∫ π

0Q(x)dx = 0.

• Die Funktion Q ist konstant dann und nur dann falls b(t) = (αt2 + 2βt + δ)−1.

• Wir betrachten jetzt Hills Gleichung in Normalform yxx + (λγ2 + Q(x))y = 0 mitperiodischem und zweimal differenzierbaren Q.

• Satz uber OszillationenEs existieren zwei Folgen λkk≥0 und µkk≥1 mit λ0 < µ1 ≤ µ2 < λ1 ≤ λ2 < µ3 ≤µ4 < λ3 ≤ λ4 < · · · und folgenden Eigenschaften fur die Losungen:Die Losungen sind stabil in den Intervallen (λ0, µ1), (µ2, λ1), (λ2, µ3), (µ4, λ3), · · ·.An den Endpunkten der Intervalle sind die Losungen im Allgemeinen instabil, dasist immer der Fall in λ0. In den Intervallen (µ1, µ2), (λ1, λ2), (µ3, µ4) existiereninstabile Losungen.

• Stabilitatsintervalle bzw. Instabilitatsintervalle konnen niemals zu einem Punktdegenerieren.

• Das Instabilitatsintervall (−∞, λ0] existiert immer. Nur diese Instabilitatsintervallexistiert genau dann, wenn Q(x) konstant ist.

2. Schritt: Eine untere Schranke fur die Energie

Wir benutzen die Periodizitat von b und den Eigenwert µ0 von X(1, 0) zur Konstruk-tion einer Losung von (4.14) mit vorgeschriebenen Werten fur w auf einer diskretenMenge. Auf diese Weise erhalten wir untere Schranken fur die Energie auf dieserMenge.

Lemma 4.5 Es sei w = w(t) eine Losung von (4.14) mit λ = λ0 und mit Cauchy-Daten w(0) = 1, wt(0) = b12/(µ0 − b11). Dann erfullt die Losung fur jedes positiveganzzahlige M ∈ N die Bedingung w(M) = µM

0 .

Beweis: Als Losung w = w(t) ergibt sich(

dtw(M)w(M)

)= (X(1, 0))M

(dtw(0)

w(0)

).

Die Matrix

B :=

(b12

µ0−b111

1 b21µ−1

0 −b22

)

53

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ist ein Diagonalisator fur X(1, 0), d.h.,

X(1, 0)B = B

(µ0 00 µ−1

0

).

Diese wird gebildet aus Eigenvektoren von X(1, 0) zu den Eigenwerten µ0 und µ−10 .

Somit ergibt sich(

dtw(M)w(M)

)= µM

0

(b12

µ0−b11

1

), w(M) = µM

0 .

Damit ist der Beweis erbracht. 2

3. Schritt: Konstruktion instabiler Losungen

Wir konstruieren eine Familie von Losungen uM fur (4.11) zu einer gegebenenFamilie von Daten (ϕM , ψM). Diese Losungen werden fur große M nicht der Ab-schatzung (4.12) genugen. Deshalb nennen wir diese Losungen instabile Losungen.Mit einer abschneidenden Funktion χ ∈ C∞

0 (Rn), χ(x) = 1 fur |x| ≤ 1, χ(x) = 0fur |x| ≥ 2, wahlen wir die Cauchy-Daten

ϕM(x) = eix·yχ( xM2 ) , ψM(x) = eix·yχ( x

M2 )b12

µ0−b11. (4.17)

Dabei wahlen wir y mit |y|2 = λ0. Nutzen wir qualitative Aussagen der strikt hy-perbolischen Theorie dann existiert eine eindeutig bestimmte Losung uM = uM(t, x)fur das Cauchy-Problem (4.11), (4.17). Die Losungen uM haben kompakten Tragerfur jedes gegebene t ∈ [0,∞). Es sei B1(0) ⊂ Rn die Kugel mit dem Radius 1 umden Ursprung. Wir setzen die Gultigkeit der Bedingung (4.12) voraus. Somit gilt

‖∂tuM(M, ·)‖Lq(B1(0)) + ‖∇xuM(M, ·)‖Lq(B1(0)) ≤ ‖∂tu(M, ·)‖Lq + ‖∇xu(M, ·)‖Lq

≤ C f(M)‖eix·yχ( xM2 )‖Hp,L ≤ CL f(M) M2n/p. (4.18)

4. Schritt: Die Rolle des Abhangigkeitsgebietes

Nach Satz 4.1 konnen wir die Existenz eines Abhangigkeitsgebietes voraussetzen.Damit ist die Losung uM in B1(0) zur Zeit t = M darstellbar als

uM(M, x) = eix·yw(M) , ∂t uM(M, x) = eix·ywt(M) , (4.19)

wobei w aus Lemma 4.5 genommen wird. Um das zu verstehen berechnen wir fur

die Menge

(x, t); |x| ≤ 1, t = M

die untere Grundflache auf t = 0 des ruckwarts

gerichteten Kegels mit der Steigung maxt∈[0,1]

b(t) und der Hohe M . Die Grundflache ist

fur hinreichend große M in der Kugel

Bdepend,M :=

x ∈ Rn : |x| ≤ 2M max

t∈[0,1]b(t)

54

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in der Hyperebene t = 0 enthalten. Falls x ∈ Bdepend,M , dann gilt | xM2 | ≤ 1 fur große

M . Folglich haben wir χ( xM2 ) = 1 auf Bdepend,M fur große M .

Die Funktion eix·yw(t) lost (4.11) und nimmt auf t = 0 die Daten (4.17) an sofern|x| ≤ M2 erfullt ist. Die Eigenschaft des Abhangigkeitsgebietes liefert sofort (4.19).

5. Schritt: Verifikation

Die bisherigen Uberlegungen implizieren

‖∂tuM(M, ·)‖Lq(B1(0)) + ‖∇xuM(M, ·)‖Lq(B1(0)) = (|wt(M)|+ λ1/20 |w(M)|)(measB1(0))1/q.

Aus der vorausgesetzten Ungleichung (4.18) ergibt sich

|w(M)|+ |wt(M)| ≤ CL f(M)M2n/p

fur alle großen M . Das steht aber im Widerspruch zur Aussage von Lemma 4.5.Damit ist die Aussage des Satzes 4.6 vollstandig bewiesen. 2

4.2.2 Verallgemeinerte Energieerhaltung

Ausgangspunkt der Untersuchungen sind die Aussagen der Satze 2.4, 3.1, 3.5 und4.6. Definieren wir die klassische Energie von Losungen der Wellengleichung durchEW (u)(t) und von Losungen der Klein-Gordon Gleichung durch EKG(u)(t) dannhaben wir

EW (u)(t) = EW (u)(0) fur Losungen von utt −4u = 0,

EKG(u)(t) = EKG(u)(0) fur Losungen von utt −4u + m2u = 0,

EW (u)(t) ≤ C(1 + t)−1EKG(u)(0), m2 = 1, fur Losungen von utt −4u + ut = 0.

Demgegenuber haben wir in Form von Satz 4.6 ein Beispiel fur ein blow-up derEnergie

EW (u)(t = m) ≥ C f(m)EKG(u)(t = 0) , f(m) →∞ , log f(m) = o(m)

fur m →∞ und fur Losungen von utt − b(t)2 4 u = 0

kennengelernt.

Fur allgemeinere Modelle sind Energieerhaltungen kaum zu erwarten. Man kannjedoch verallgemeinerte Energieerhaltungen definieren. Hierfur gibt es verschiedeneMoglichkeiten.

1. Scattering-Resultate: Man vergleicht EW (u)(t) mit EW (v)(t) , wobeiv die klassische Wellengleichung vtt − 4v = 0 und u eine allgemeinereWellengleichung lost.

55

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2. Verallgemeinerte Energieerhaltung wird uber die Beziehung EW (u)(t) ∼EW (u)(0) definiert, d.h. C−1EW (u)(0) ≤ EW (u)(t) ≤ C EW (u)(0) miteiner geeigneten, von den Daten unabhangigen, Konstanten C. Damit ist jedesEnergie-decay und jedes blow-up der Energie fur t →∞ ausgeschlossen.

3. Beide Moglichkeiten lassen sich auch fur EKG(u)(t) untersuchen.

4.2.3 Scattering-Resultate

Als Modell betrachten wir das Cauchy-Problem fur die gedampfte Wellengleichung

utt −4u + b(t)ut = 0 , u(0, x) = ϕ(x), ut(0, x) = ψ(x) ,

und vergleichen die Losung u = u(t, x) mit der Losung v = v(t, x) des Cauchy-Problems

vtt −4v = 0 , v(0, x) = ϕ(x), vt(0, x) = ψ(x) .

Der Vergleich wird beschrieben mit Hilfe der Operatoren

S(t, s) := (u(s, ·), ut(s, ·))T → (u(t, ·), ut(t, ·))T ,

S0(t, s) := (v(s, ·), vt(s, ·))T → (v(t, ·), vt(t, ·))T ,

die die Evolution der Losungen u und v fur t, s ∈ R beschreiben. Der Vektor(u(s, ·), ut(s, ·)) wird im Energieraum |D|−1L2 × L2 betrachtet, d.h.

‖(u(s, ·), ut(s, ·))‖2E = ‖ |D|u(s, ·)‖2

L2 + ‖ut(s, ·)‖2L2 = ‖∇xu(s, ·)‖2

L2 + ‖ut(s, ·)‖2L2 ,

= 2EW (u)(s) mit |D| u = F−1ξ→x(|ξ|Fx→ξ(u)).

Um ein Scattering-Resultat zu formulieren, benotigen wir den Operator W+ :=limt→∞

S0(0, t)S(t, 0) .

Aufgabe 29 Was beschreibt dieser Operator?

Satz 4.7 Vorgelegt seien die Cauchy-Probleme

utt −4u + b(t)ut = 0 , u(0, x) = ϕ(x) , ut(0, x) = ψ(x),

vtt −4v = 0 , v(0, x) = ϕ(x) , vt(0, x) = ψ(x),

mit∞∫0

|b(t)|dt < ∞. Dann gilt:

• limt→∞

‖W+ − S0(0, t)S(t, 0)‖L(E→E) = 0 ,

56

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• der Operator W+ ∈ L(E → E) : (ϕ, ψ) ∈ E → (ϕ, ψ) ∈ E ist ein Isomor-phismus. Die Losungen u und v zu den Daten (ϕ, ψ) und (ϕ, ψ) erfullendie a-priori Abschatzung

‖(u(t, ·), ut(t, ·))− (v(t, ·), vt(t, ·))‖E ≤ C ‖(ϕ(·), ψ(·))‖E

∫ ∞

t

b(τ)dτ,

wobei die Konstante C nur von ‖b‖L1 abhangt.

Bemerkung: Fur sehr große Zeiten t nahert sich EW (u)(t) immer mehr

EW (v)(t) = EW (v)(0) =1

2‖(ϕ, ψ)‖E =

1

2‖W+(ϕ, ψ)‖E.

Beispiele fur solche Dampfungen b = b(t) :

b(t) = (1 + t)−a, b(t) =1

(e[n] + t)log(e[n] + t) · · · log[n](e[n] + t)(log[n](e[n] + t))a

mit a > 1.

Bemerkung: Falls a = 1 in obigen Dampfungen, dann ist∞∫0

b(t)dt = +∞ und

obige Aussagen von Satz 4.7 nicht gultig (siehe Abschnitt 4.3).

4.2.4 A-priori Abschatzung fur die Energie

Wir wenden uns jetzt dem Cauchy-Problem fur die Wellengleichung mitzeitabhangiger Ausbreitungsgeschwindigkeit

utt − a(t)4 u = 0 , u(0, x) = ϕ(x) , ut(0, x) = ψ(x) (4.20)

zu.

Satz 4.8 Der Koeffizient a = a(t) erfulle folgende Bedingungen:

• 0 < C1 ≤ a(t) ≤ C2 , a ∈ C2[0,∞) ,

• |Dkt a(t)| ≤ Ck

(1t

)kfur k = 1, 2, und fur große t.

Dann gilt EW (u)(t) ≤ C EW (u)(0), wobei die Konstante C unabhangig von ϕ undψ ist. Die Daten sind so gewahlt, daß EW (u)(0) existiert.

Beweisskizze: Der Beweis ist dem zu Satz 4.3 ahnlich. Wir skizzieren deshalb nurdie Hauptschritte.

1. Schritt: Zonen

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Wir unterteilen den erweiterten Phasenraum (t, ξ) ∈ [0,∞) × Rn \ 0 in zweiZonen, in die pseudodifferentielle Zone und die hyperbolische Zone

Zpd(N) = (t, ξ) : |ξ|(t + e3) ≤ N, Zhyp(N) = (t, ξ) : |ξ|(t + e3) ≥ N.

Wir definieren die Funktion tξ durch |ξ|(tξ + e3) = N . Die hyperbolische Zone

Zhyp(N) besteht aus zwei Teilen Z(1)hyp(N) := (t, ξ) ∈ [tξ,∞) × |ξ| ≤ p0 und

Z(2)hyp(N) := (t, ξ) ∈ [tξ,∞)× |ξ| ≥ p0 .

Frage: Durfen wir uns jetzt auf große Frequenzen ξ : |ξ| ≥ M beschranken?

Antwort: Nein, im Gegensatz zu Regularitatsuntersuchungen mussen wir alle ξ ∈Rn \ 0 untersuchen.

2. Schritt: Symbole

Zu gegebenen reellen Zahlen m1, m2 mit m2 ≥ 0, r ≤ 2 , definieren wir dieSymbolklassen

Srm1,m2 =

d = d(t, ξ) ∈ L∞loc([0,∞)× Rn) :

|Dkt D

αξ d(t, ξ)| ≤ Ck,α|ξ|m1−|α|

( 1

t + e3

)m2+k

, k ≤ r, (t, ξ) ∈ Z(1)hyp(N)

.

Entsprechende Symbolklassen definieren wir in Z(2)hyp(N).

3. Schritt: Untersuchungen in der pseudodifferentiellen Zone

Mit V = (|ξ|v,Dtv)T erhalten wir

V (t, ξ) = E(t, 0, ξ)V0(ξ), E(t, 0, ξ) = I +∞∑

k=1

∫ t

0

A(t1, ξ)

∫ t1

0

A(t2, ξ) · · ·∫ tk−1

0

A(tk, ξ)dtk · · · dt1,

mit A(t, ξ) := i

(0 |ξ|

a(t)|ξ| 0

).

Lemma 4.6 Fur t ∈ [0, tξ] erhalten wir

|ξ|v(t, ξ) = E11(t, 0, ξ)|ξ|F (ϕ) + E12(t, 0, ξ)F (ψ),

Dtv(t, ξ) = E21(t, 0, ξ)|ξ|F (ϕ) + E22(t, 0, ξ)F (ψ), |Ekl(t, 0, ξ)| ≤ CN .

4. Schritt: Durchfuhrung von zwei Diagonalisierungsschritten

Wie im Schritt 4 im Beweis zu Satz 4.3 erhalten wir nach zwei Diagonalisierungss-chritten in Z

(1)hyp(N)

DtV1 −DV1 −R1V1 = 0 , V1(tξ, ξ) = V1,0(ξ)

58

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mit

D(t, ξ) :=

(−

√a(t)|ξ|+ Dta(t)

4a(t)0

0√

a(t)|ξ|+ Dta(t)4a(t)

), R1 ∈ SN−1, 2.

5. Schritt: Losungsdarstellung fur das Cauchy-Problem in Z(1)hyp(N)

Auch hier konnen wir den Schritt 5 im Beweis zu Satz 4.3 nachvollziehen und erhal-ten mit den gewahlten Transformationen die Losungsdarstellung

V (t, ξ) = M N1(t, ξ)E2(t, 0, ξ)E2(0, tξ, ξ)Q(t, tξ, ξ)

N1(tξ, ξ)−1M−1

( √a(tξ) 00 1

)E(tξ, 0, ξ)V0(ξ).

Im Gegensatz zum Beweis von Satz 4.3 ist Q = Q(t, s, ξ) eine Losung von

DtQ = H(t, s, ξ)Q, Q(s, s, ξ) = I mit |H(t, s, ξ)| ≤ C1

|ξ|(t + e3)2. (4.21)

Auf gleiche Weise konnen wir eine explizite Losungsdarstellung in Z(2)hyp(N) her-

leiten.

6. Schritt: Globale WKB-Losungsdarstellungen

Die vorhergehenden Schritte implizieren sofort die folgenden WKB-Losungen fur dasCauchy-Problem

vtt + a(t)|ξ|2v = 0 , v(0, ξ) = F (ϕ)(ξ) , vt(0, ξ) = F (ψ)(ξ).

Lemma 4.7 Es gelten folgende WKB-Losungsdarstellungen:

|ξ|v(t, ξ) =2∑

k=1

b(1)k1 (t, ξ)e(−1)ki|ξ| ∫ t

0

√a(s)ds|ξ|F (ϕ)(ξ)

+2∑

k=1

b(1)k2 (t, ξ)e(−1)ki|ξ| ∫ t

0

√a(s)dsF (ψ)(ξ);

Dtv(t, ξ) =2∑

k=1

b(2)k1 (t, ξ)e(−1)ki|ξ| ∫ t

0

√a(s)ds|ξ|F (ϕ)(ξ)

+2∑

k=1

b(2)k2 (t, ξ)e(−1)ki|ξ| ∫ t

0

√a(s)dsF (ψ)(ξ).

Die Amplituden b(p)kl erfullen die Abschatzung |b(p)

kl (t, ξ)| ≤ C mit einer geeignetenKonstanten C fur (t, ξ) ∈ [0,∞)× Rn \ 0.

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7. Schritt: Verifikation

Die Aussage von Lemma 4.7 liefert sofort

EW (u)(t) ≤ C(‖ | · |v(t, ·)‖2L2 + ‖Dtv(t, ·)‖2

L2)

≤ C(‖ | · |F (ϕ)(·)‖2L2 + ‖F (ψ)(·)‖2

L2)

≤ C EW (u)(0)

mit einer von ϕ und ψ unabhangigen universellen Konstanten C. Damit ist dieAussage von Satz 4.8 bewiesen. 2

Im Satz 4.8 haben wir EW (u)(t) ≤ C EW (u)(0) fur t ∈ [0,∞) bewiesen. Bleibtnoch, uber die zweite Ungleichung C−1EW (u)(0) ≤ EW (u)(t) nachzudenken. Wieweit sind wir von dieser Ungleichung entfernt? Es ist klar, daß wir uns auf dieexplizite Losungsdarstellung

V (t, ξ) = M N1(t, ξ)E2(t, 0, ξ)E2(0, tξ, ξ)Q(t, tξ, ξ)

× N1(tξ, ξ)−1M−1

( √a(tξ) 00 1

)E(tξ, 0, ξ)V0(ξ)

berufen werden. Aus den einzelnen Schritten zur Herleitung dieser explizitenLosungsdarstllung wissen wir, daß viele der Matrizen invertierbar sind. Somit er-halten wir

E(tξ, 0, ξ)V0(ξ) =

( √a(tξ)

−10

0 1

)MN1(tξ, ξ)Q(t, tξ, ξ)

−1E2(tξ, 0, ξ)

× E2(0, t, ξ)N1(t, ξ)−1M−1V (t, ξ).

Aufgabe 30 Zeigen Sie die Invertierbarkeit von Q(t, tξ, ξ).

Daraus folgt unmittelbar die Abschatzung |V (t, ξ)| ≥ C−1|V (tξ, ξ)|. Bleibt noch,|V (tξ, ξ)| ≥ C−1|V0(ξ)| nachzuweisen. Dann ergibt sich sofort C−1EW (u)(0) ≤EW (u)(t). Wenden wir uns noch einmal dem 3. Schritt des Beweises von Satz 4.8zu. Dann ergibt sich sofort aus der eindeutigen Losbarkeit des ruckwarts gestelltenCauchy-Problems

DtV =

(0 |ξ|

a(t)|ξ| 0

)V, V (t = tξ, ξ) ist vorgegeben,

die a-priori Abschatzung V0(ξ) := V (t = 0, ξ) ≤ CV (tξ, ξ). Zusammenfassend habenwir somit folgende Aussage gezeigt:

Satz 4.9 Unter den Voraussetzungen von Satz 4.8 gilt sogar C−1EW (u)(0) ≤C EW (u)(t) mit einer von ϕ und ψ unabhangigen Konstanten C. Damit liegt eineverallgemeinerte Energieerhaltung C−1EW (u)(0) ≤ C EW (u)(t) ≤ CEW (u)(0) miteiner von ϕ und ψ unabhangigen Konstanten C vor.

60

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4.2.5 Hohere Regularitat des Koeffizienten und verallgemeinerte En-ergieerhaltung

Wir wenden uns noch einmal dem Cauchy-Problem (4.20) zu. Im Abschnitt 4.2.4haben wir Koeffizienten a ∈ C2[0,∞) mit zusatzlichen Bedingungen zugelassen. Esergibt sich folgende Frage:

Konnen wir aus einer zusatzlichen Regularitat a ∈ Cm[0,∞), m > 2, Vorteile erzie-len?

Zusatzliche Regularitat erlaubt mehr Diagonalisierungsschritte, exakt m, in der hy-perbolischen Zone. Fuhren wir diese aus, dann erhalten wir nach m Diagonal-isierungsschritten ein System der Form

DtVm−1 −DVm−1 + Fm−1Vm−1 + Rm−1Vm−1 = 0 , Vm−1(tξ, ξ) = Vm−1,0(ξ)

mit einer diagonalen Matrix Fm−1 ∈ S1−1, 2 und einem Rest Rm−1 ∈S0−(m− 1),m. Verfolgen wir die Abschatzungstechniken, dann ergeben sichkeine Vorteile, wir reproduzieren nur die Aussagen der Satze 4.8 und 4.9.

In der Arbeit [13] wurde eine alte Idee aus der schwach hyperbolischen Theorie (vgl.z.B. mit dem Ubersichtsartikel [8]) aufgefrischt. Durch Einfuhrung einer zusatzlichenglobalen Bedingung fur den Koeffizienten a = a(t) auf dem Intervall [0,∞) konntegezeigt werden, daß eine hohere Regularitatsstufe a ∈ Cm[0,∞) Vorteile bringt. DerVerdienst der Arbeit [13] besteht im Finden dieser globalen Bedingung.

Diese globale Bedingung ist eine Stabilisierungsbedingung an den Koeffizienten, diewie folgt beschrieben wird:

Es existiert ein p ∈ [0, 1) so, daß

∫ t

0

|a(s)− a∞|ds ≤ Ctp. (4.22)

Dabei ist a∞ eine geeignete positive Konstante. Es ist klar, daß die Bedingung(4.22) mit p = 1 fur unseren Koeffizienten aus Satz 4.8 erfullt ist, aber i.allg. nichtfur p < 1.

Aufgabe 31 Finden Sie Koeffizienten, die der Bedingung (4.22) genugen. Dabeisollten die Koeffizienten naturlich ein oszillierendes Verhalten beibehalten.

In [13] ist folgendes Resultat bewiesen.

Satz 4.10 Vorgelegt ist das Cauchy-Problem

utt − a(t)4 u = 0 , u(0, x) = ϕ(x) , ut(0, x) = ψ(x)

unter folgenden Voraussetzungen:• a ∈ Cm[0,∞), m ≥ 2, a(t) ≥ C > 0,• |dk

t a(t)| ≤ Ck(1 + t)−kq fur ein q ∈ [0, 1] und fur k = 1, · · · ,m,

61

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• ∫ t

0|a(s)− a∞|ds ≤ Ctp fur ein p ∈ [0, 1],

• die Anfangsenergie EW (u)(0) existiert.

Falls q ≥ p− (p− 1)/m gilt EW (u)(t) ≤ CEW (u)(0).Falls q < p − (p − 1)/m gilt EW (u)(t) ≤ C exp(νtp−q−(p−1)/m)EW (u)(0) mit einerpositiven Konstanten ν.Falls q < p − (p − 1)/m kann eine Abschatzung der Form EW (u)(t) ≤C exp(νtr)EW (u)(0) mit einer positiven Konstanten ν und mit r < p−q−(p−1)/mnicht erwartet werden.

Frage: Welche Aussagen beinhaltet dieser Satz?

Antwort: Falls p = 1, dann spielt m keine Rolle. Eine starkere Stabilisierungbenotigt ein schwacheres decay der Ableitungen und umgekehrt. Die Bedingungq ≥ p − (p − 1)/m ist optimal fur die verallgemeinerte Energieerhaltung in demSinne, daß fur q < p− (p− 1)/m keine solche verallgemeinerte Energieerhaltung zuerwarten ist.

Aufgabe 32 Prufen Sie, ob die Aussage von Satz 4.9 im Fall q ≥ p− (p− 1)/mgilt.

Falls der Koeffizient a ∈ C∞[0,∞) ist, erhalten wir direkt aus Satz 4.10 die folgendeAussage:

Folgerung 4.1 Vorgelegt ist das Cauchy-Problem

utt − a(t)4 u = 0 , u(0, x) = ϕ(x) , ut(0, x) = ψ(x)

unter folgenden Voraussetzungen:• a ∈ C∞[0,∞), a(t) ≥ C > 0,• |dk

t a(t)| ≤ Ck(1 + t)−kq fur ein q ∈ [0, 1] und fur k ≥ 1,• ∫ t

0|a(s)− a∞|ds ≤ Ctp fur ein p ∈ [0, 1],

• die Anfangsenergie EW (u)(0) existiert.

Falls q > p gilt EW (u)(t) ≤ CEW (u)(0).Falls q < p gilt EW (u)(t) ≤ C exp(νtp−q)EW (u)(0) mit einer positiven Konstantenν.Falls q < p kann eine Abschatzung der Form EW (u)(t) ≤ C exp(νtr)EW (u)(0) miteiner positiven Konstanten ν und mit r < p− q nicht erwartet werden.

Es soll nur die grundlegende Idee des Beweises zu Satz 4.10 vorgestellt werden.

Durch die Stabilisierungsbedingung (4.22) mit p < 1 kann die pseudodifferentielleZone Zpd(N) grosser gewahlt werden. Sie wird im wesentlichen durch (t, ξ) :(t+e3)p|ξ| ≤ N festgelegt. Damit ist die hyperbolische Zone kleiner, und es konnenSymbolklassen bzw. Symbolhierarchien eingefuhrt werden, in welchen die MatrizenFk bzw. Rk nach jedem neuen Diagonalisierungsschritt in echt besseren (vom asymp-totischen Verhalten aus gesehen) Symbolklassen liegen.

62

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4.3 Wellengleichungen mit zeitabhangiger Dampfung

Zu Beginn dieses Abschnittes wollen wir noch einmal an das Resultat aus Satz 3.5erinnern. Dazu definieren wir die totalen Energien

EW (u)(t) =1

2

Rn

(|∇xu(t, x)|2 + |ut(t, x)|2

)dx,

dabei steht der Index W fur Welle, und die Energie

EKG(u)(t) =1

2

Rn

(|∇xu(t, x)|2 + |ut(t, x)|2 + m2|u(t, x)|2

)dx, m2 > 0,

dabei steht der Index KG fur Klein-Gordon. Dann laßt sich die Energieungleichungaus Satz 3.5 fur Losungen der klassisch gedampften Wellengleichung in der Form

EW (u)(t) ≤ C(1 + t)−1EKG(u)(0)

schreiben.

Wenden wir uns jetzt einem allgemeineren Fall zu. Die Resultate dieses Abschnittessind den Arbeiten [34], [44], [45] und [46] entnommen.

Vorgelegt sei das Cauchy-Problem

utt −4u + b(t)ut = 0, u(0, x) = ϕ(x), ut(0, x) = ψ(x), (4.23)

wobei b(t) ≥ 0 vorausgesetzt wird. Wie in Abschnitt 3.2.1 konnen wir zeigen, daßdie Energie fallt, ohne zu wissen, ob sie gegen 0 strebt fur t gegen ∞.

Frage: Welche Erwartungen an mogliche Resultate sollten wir haben?

Antwort:• Falls der Dampfungskoeffizient b einen kleinen Einfluß hat, d.h.

∫∞0

b(s)ds < ∞,dann haben wir schon in Abschnitt 4.2.3 Scattering-Resultate erwahnt (siehe auchAbschnitt 4.3.5).

• Falls der Dampfungskoeffizient einen etwas grosseren Einfluß besitzt, dann solltedie Energie gegen 0 streben, aber wahrscheinlich langsamer als fur den im Abschnitt3.2.3 diskutierten klassisch gedampften Wellenfall. Solche Dampfungen werden wirnicht effektive Dampfungen nennen (siehe auch Abschnitt 4.3.2).

• Dann gibt es Dampfungskoeffizienten, die sehr nah am klassisch gedampftenWellenfall liegen. Solche Dampfungen werden wir effektive Dampfungen nennen(siehe auch Abschnitt 4.3.3).

• Schließlich mussen wir uns noch uberlegen was passiert wenn derDampfungskoeffizient sehr stark in der Zeit wachst (siehe auch Abschnitt 4.3.4).

63

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4.3.1 Ein Modellfall

Wir wenden uns einem Spezialfall von (4.23) zu, dem Cauchy-Problem

utt −4u +µ

1 + tut = 0, µ > 0, u(0, x) = ϕ(x), ut(0, x) = ψ(x). (4.24)

Wie in vielen ahnlichen Fallen ermoglicht die Existenz einer Scaling-Eigenschaft denEinsatz der Theorie spezieller Funktionen. Mit Hilfe von Besselfunktionen wurdein [44] folgende Abschatzung fur den Energie-Operator E(t) : (〈D〉ϕ, ψ) ∈ L2 →(ut(t, ·), |D|u(t, ·)) ∈ L2 gezeigt:

Satz 4.11 Der Energie-Operator E erfullt die L2 − L2 Abschatzung

‖E(t)‖L2→L2 ≤ C(1 + t)max−µ2,−1, (4.25)

d.h. mit den oben eingefuhrten Bezeichnungen

EW (u)(t) ≤ C(1 + t)max−µ,−2EKG(u)(0).

Beweis: Vorgelegt sei das Cauchy-Problem

utt −4u +µ

1 + tut = 0, u(0, x) = ϕ(x), Dtu(0, x) = ψ(x).

1. Schritt: Transformation auf die Besselsche Differentialgleichung

Nach Anwendung der partiellen Fouriertransformation erhalten wir

utt + |ξ|2u +µ

1 + tut = 0, u(0, ξ) = ϕ(ξ), Dtu(0, ξ) = ψ(ξ).

Wir substituieren τ := (1 + t)|ξ| und erhalten

uττ +µ

τuτ + u = 0.

Nach Einsetzen des Ansatzes u(τ) = τ ρw(τ) in die letzte Gleichung ergibt sich

τ ρw′′ + 2ρτ ρ−1w′ + ρ(ρ− 1)τ ρ−2w +µ

τ(ρτ ρ−1w + τ ρw′) + τ ρw

= τ ρ−2(τ 2w′′ + (2ρ + µ)τw′ + (τ 2 + ρ(ρ− 1 + µ))w).

Wahlen wir schließlich 2ρ + µ = 1, d.h. ρ = −µ−12

und somit ρ − 1 + µ = −ρ, sobekommen wir die Besselsche Differentialgleichung

τ 2w′′ + τw′ + (τ 2 − ρ2)w = 0.

64

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Da wir µ > 0 voraussetzen, liegt ρ in (−∞, +12). Die Besselsche Differentialgleichung

besitzt als System linear unabhangiger Losungen die Hankel-Funktionen H+ρ (τ) und

H−ρ (τ). Damit ergibt sich die allgemeine Losungsdarstellung

u(τ) = C1τρH+

ρ (τ) + C2τρH−

ρ (τ).

2. Schritt: Rucktransformation und allgemeine Losungsdarstellung

Nach Rucktransformation erhalten wir als allgemeine Losung

u(t, ξ) = C1(ξ)(1 + t)ρ|ξ|ρH+ρ ((1 + t)|ξ|) + C2(ξ)(1 + t)ρ|ξ|ρH−

ρ ((1 + t)|ξ|).Wir sind interessiert an einer Losungsdarstellung der Form u(t, ξ) = Φ1(t, 0, ξ)ϕ(ξ)+Φ2(t, 0, ξ)ψ(ξ), wobei die Multiplikatoren die Bedingungen Φ1(0, 0, ξ) =1, DtΦ1(0, 0, ξ) = 0, Φ2(0, 0, ξ) = 0, DtΦ2(0, 0, ξ) = 1 erfullen. Aus einersolchen Losungsdarstellung ist sofort klar, daß u den beiden Anfangsbedingungenu(0, ξ) = ϕ(ξ) und Dtu(0, ξ) = ψ(ξ) genugt (vgl. mit der Konstruktion der Funda-mentalmatrix).Wir erhalten folgendes Bestimmungssystem fur die gesuchten Koeffizienten C1(ξ)und C2(ξ):

u(0, ξ) = C1(ξ)|ξ|ρH+ρ (|ξ|) + C2(ξ)|ξ|ρH−

ρ (|ξ|) = ϕ(ξ),

Dtu(0, ξ) = C1(ξ)Dt

((1 + t)ρ|ξ|ρH+

ρ ((1 + t)|ξ|))|t=0

+C2(ξ)Dt

((1 + t)ρ|ξ|ρH−

ρ ((1 + t)|ξ|))|t=0 = ψ(ξ).

Die Ableitungen von H±ρ wertet man mit Hilfe der Rekurrenzformeln ρH±

ρ (z) +

z ddz

H±ρ (z) = zH±

ρ−1(z) aus. Mit Hilfe geradliniger Berechnungen erhalten wir

Φ1(t, 0, ξ) =iπ

4|ξ|(1 + t)ρ

∣∣∣∣H−

ρ−1(|ξ|) H−ρ ((1 + t)|ξ|)

H+ρ−1(|ξ|) H+

ρ ((1 + t)|ξ|)∣∣∣∣ ,

Φ2(t, 0, ξ) =π

4(1 + t)ρ

∣∣∣∣H−

ρ (|ξ|) H−ρ ((1 + t)|ξ|)

H+ρ (|ξ|) H+

ρ ((1 + t)|ξ|)∣∣∣∣ ,

DtΦ1(t, 0, ξ) =π

4|ξ|2(1 + t)ρ

∣∣∣∣H−

ρ−1(|ξ|) H−ρ−1((1 + t)|ξ|)

H+ρ−1(|ξ|) H+

ρ−1((1 + t)|ξ|)∣∣∣∣ ,

DtΦ2(t, 0, ξ) =iπ

4(1 + t)ρ

∣∣∣∣H−

ρ (|ξ|) H−ρ−1((1 + t)|ξ|)

H+ρ (|ξ|) H+

ρ−1((1 + t)|ξ|)∣∣∣∣ .

3. Schritt: Verhalten eines Model-Multiplikators

Schauen wir uns die Struktur von Φl, DtΦl fur l = 1, 2, an, dann erscheint einStudium des Model-Multiplikators

Ψk,ρ,δ(t, ξ) = |ξ|k∣∣∣∣

H−ρ (|ξ|) H−

ρ+δ((1 + t)|ξ|)H+

ρ (|ξ|) H+ρ+δ((1 + t)|ξ|)

∣∣∣∣

65

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angebracht, da

Φ1(t, 0, ξ) =iπ

4(1 + t)ρΨ1,ρ−1,1(t, ξ), Φ2(t, 0, ξ) =

π

4(1 + t)ρΨ0,ρ,0(t, ξ),

DtΦ1(t, 0, ξ) =π

4(1 + t)ρΨ2,ρ−1,0(t, ξ), DtΦ2(t, 0, ξ) =

4(1 + t)ρΨ1,ρ,−1(t, ξ).

Unser Ziel ist es, ‖Ψk,ρ,δ(t, ·)‖L∞(Rnξ ) abzuschatzen.

Frage: Warum ist eine Abschatzung von ‖Ψk,ρ,δ(t, ·)‖L∞(Rnξ ) fur unsere Zielstellung

ausreichend?

Dazu benotigen wir eine Zoneneinteilung des erweiterten Phasenraums R+ × Rnξ :

Z1 := |ξ| ≥ K , Z2 := |ξ| ≤ K ≤ (1 + t)|ξ| , Z3 := (1 + t)|ξ| ≤ K,wobei K eine positive, wenn notwendig große, Konstante ist.

Abschatzung in Z1:

Wir benotigen folgende Eigenschaft der Hankel-Funktionen H±ρ (τ) fur große Argu-

mente τ :

Fur τ ≥ K gilt H±ρ (τ) = e±iτa±ρ (τ) mit |a±ρ (τ)| ≤ CKτ−

12 .

Mit dieser Eigenschaft schlußfolgern wir

|Ψk,ρ,δ(t, ξ)| ≤ CK |ξ|k−1(1 + t)−12 fur alle (t, ξ) ∈ [0,∞)× |ξ| ≥ K.

Abschatzung in Z2:

Wir benotigen zusatzlich folgende Eigenschaft der Hankel-Funktionen H±ρ (τ) fur

kleine Argumente τ :

Fur 0 < τ ≤ c < 1 haben wir |H±ρ (τ)| ≤ −C log τ fur ρ = 0, |H±

ρ (τ)| ≤ Cτ−|ρ| furρ 6= 0.

Damit schlußfolgern wir

|Ψk,ρ,δ(t, ξ)| ≤ CK |ξ|k−|ρ|− 12 (1 + t)−

12 fur ρ 6= 0,

|Ψk,ρ,δ(t, ξ)| ≤ CK |ξ|k− 12 log

2K

|ξ| (1 + t)−12 fur ρ = 0.

Abschatzung in Z3:

Hier benutzen wir die Darstellung H±ρ (τ) = Jρ(τ)± iYρ(τ), wobei Jρ(τ) die Bessel-

Funktionen 1. Art der Ordnung ρ und Yρ(τ) die Weber-Funktionen der Ordnung ρbezeichnen. Diese sind definiert fur nicht ganzzahlige ρ durch

Yρ(z) =Jρ(z) cos(ρπ)− J−ρ(z)

sin(ρπ).

66

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Fur den Fall, daß ρ und ρ + δ nicht ganzzahlig sind gilt

H−ρ (|ξ|)H+

ρ+δ((1 + t)|ξ|)−H+ρ (|ξ|)H−

ρ+δ((1 + t)|ξ|)= 2i

(Jρ(|ξ|)Yρ+δ((1 + t)|ξ|)− Yρ(|ξ|)Jρ+δ((1 + t)|ξ|)

).

Wir sind nur an den Fallen δ = 0, δ = ±1 interessiert. In diesen kann man zeigen,daß

Jρ(|ξ|)Yρ+δ((1 + t)|ξ|)− Yρ(|ξ|)Jρ+δ((1 + t)|ξ|)∼ Jρ(|ξ|)J−(ρ+δ)((1 + t)|ξ|)− J−ρ(|ξ|)Jρ+δ((1 + t)|ξ|)

gilt. Beachten wir schließlich Jρ(τ) ≤ c τ ρ , dann ergibt sich sofort

|Ψk,ρ,δ(t, ξ)| ≤ CK |ξ|k(|ξ|ρ((1 + t)|ξ|)−(ρ+δ) + |ξ|−ρ((1 + t)|ξ|)ρ+δ

)

≤ CK |ξ|k(|ξ|−δ(1 + t)−(ρ+δ) + |ξ|δ(1 + t)(ρ+δ)

)

≤ CK ((1 + t)|ξ|)k−δ(1 + t)−ρ−k + CK((1 + t)|ξ|)k+δ(1 + t)ρ−k.

Lemma 4.8 Unter den Voraussetzungen k ≥ |δ|, δ = 0 oder δ = ±1, ρ ist nichtganzzahlig, gilt in der Zone Z3 die Abschatzung

|Ψk,ρ,δ(t, ξ)| ≤ CK (1 + t)|ρ|−k.

Durch entsprechende Untersuchungen kann man folgende Aussage zeigen:

Lemma 4.9 Ersetzen wir in den Voraussetzungen von Lemma 4.8 die Bedin-gung, ρ ist nicht ganzzahlig, durch, ρ ist ganzzahlig, dann gilt in der Zone Z3 dieAbschatzung

|Ψk,ρ,δ(t, ξ)| ≤

CK (1 + t)|ρ|−k, ρ 6= 0,CK (1 + t)−k log(e + t), ρ = 0.

4. Schritt: Verhalten unserer Multiplikatoren

Wir bekommen mit den Aussagen der Lemmata 4.8 und 4.9 und den Abschatzungenin Z1 und Z2

|Φ1(t, 0, ξ)| . (1 + t)ρ|Ψ1,ρ−1,1(t, ξ)| .

(1 + t)ρ− 12 in Z1,

|ξ| 12−|ρ−1|(1 + t)−12+ρ in Z2,

(1 + t)ρ−1+|ρ−1| in Z3.

Wegen ρ < 12

bzw. 12− |ρ − 1| < 0 konnen wir in Z2 die Zoneneigenschaft |ξ|−1 ≤

K(1 + t) benutzen und bekommen damit |ξ| 12−|ρ−1|(1 + t)−12+ρ . (1 + t)|ρ−1|−1+ρ.

Insgesamt ergibt sich somit |Φ1(t, 0, ξ)| . 1.

67

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Analog erhalten wir

|Φ2(t, 0, ξ)| . (1 + t)ρ|Ψ0,ρ,0(t, ξ)| .

(1 + t)−12 in Z1,

(1 + t)2ρ in Z2 ∪ Z3, ρ ∈ (0, 12),

log(e + t) in Z2 ∪ Z3, ρ = 0,1 in Z2 ∪ Z3, ρ < 0.

Damit wird eine Abschatzung von |Φ2(t, 0, ξ)| durch die Abschatzungen in Z2 ∪ Z3

bestimmt. Fur |DtΦ1(t, 0, ξ)| schlußfolgern wir

|DtΦ1(t, 0, ξ)| . |ξ|(1 + t)−

12+ρ in Z1,

(1 + t)−12+ρ in Z2 ∪ Z3.

Schließlich ergibt sich fur |DtΦ2(t, 0, ξ)| die Abschatzung

|DtΦ2(t, 0, ξ)| . (1 + t)maxρ− 12,− 1

2.

5. Schritt: Abschatzung der Energieterme

Auszuwerten haben wir

|ξ|u(t, ξ) = Φ1(t, 0, ξ)|ξ|ϕ(ξ) + Φ2(t, 0, ξ)|ξ|ψ(ξ),

Dtu(t, ξ) = DtΦ1(t, 0, ξ)ϕ(ξ) + DtΦ2(t, 0, ξ)ψ(ξ).

Fur die zweite Beziehung erhalten wir sofort mit den Abschatzungen aus dem 4.Schritt

|Dtu(t, ξ)| ≤ C〈ξ〉(1 + t)−12+ρ|ϕ(ξ)|+ C(1 + t)maxρ− 1

2,−1|ψ(ξ)|.

Daraus folgt

‖ut(t, ·)‖L2 ≤ C(1 + t)ρ− 12‖ϕ‖H1 + C(1 + t)maxρ− 1

2,−1‖ψ‖L2 .

Die erste Beziehung erklart, daß wir anstelle von |Φk(t, 0, ξ)|, k = 1, 2, den Term|ξ||Φk(t, 0, ξ)|, k = 1, 2, abschatzen mussen. Die Vorgehensweise aus dem 4.Schrittliefert

|ξ||Φ2(t, 0, ξ)| . (1 + t)ρ|Ψ1,ρ,0(t, ξ)| . (1 + t)maxρ− 12,−1.

Fur |ξ||Φ1(t, 0, ξ)| verwenden wir in Z1 die Abschatzung aus dem 4.Schritt, in Z2∪Z3

nutzen wir aber die Existenz von |ξ|, die dann ein zusatzliches decay liefert. Wirkonnen dann schlußfolgern

|ξ||Φ1(t, 0, ξ)| . (1 + t)ρ|Ψ2,ρ−1,1(t, ξ)| . (1 + t)ρ− 12 〈ξ〉.

68

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Das liefert sofort

‖∇xu(t, ·)‖L2 ≤ C(1 + t)ρ− 12‖ϕ‖H1 + C(1 + t)maxρ− 1

2,−1‖ψ‖L2 .

6. Schritt: Verifikation

Wir erhalten sofort mit ρ− 12

= −µ2

EW (u)(t) ≤ C(1 + t)max(−µ,2)EKG(u)(0).

Damit ist der Beweis erbracht. 2

Bemerkung: Mit den gewonnenen Abschatzungen erhalten wir folgende Beziehungfur die Losung u = u(t, x):

‖u(t, ·)‖L2 ≤ C‖ϕ‖L2 + C‖ψ‖H−1

(1 + t)2ρ, ρ ∈ (0, 12),

log(e + t), ρ = 0,1, ρ < 0.

Aufgabe 33 Versuchen Sie, diese Beziehung herzuleiten.

Beispiel: Wenden wir uns der Abschatzung fur µ = 2 zu. Wahlen wir dieTransformation v(t, x) = (1 + t)u(t, x), dann wird (4.24) in die Gleichung 2v =0 uberfuhrt. Fur diese haben wir trivialerweise EW (v)(t) ≤ CEKG(v)(0). NachRucktransformation erhalten wir sofort das Resultat aus Satz 4.11 wenn wir nochin Betracht ziehen, daß sich ‖v(t, ·)‖L2 wie O(1 + t) verhalt.

Bemerkung: Die Norm des Energie-Operators aus Satz 4.11 ist nur abhangig vonµ fur µ ≤ 2. Ist µ sehr klein, dann ist das decay schwach, so sind die Dampfungen alseher nicht effektiv einzuordnen (vgl. mit Abschnitt 4.3.2). Ist µ > 2, dann erhaltenwir ein von µ unabhangiges decay. Jetzt sind die Dampfungen als eher effektiveinzuordnen (vgl. mit Abschnitt 4.3.3). Der Fall µ = 2 stellt einen kritischen Falldar.

Aufgabe 34 Welche anderen Modelle besitzen eine Scaling-Eigenschaft, undlassen sich deshalb mit der Theorie spezieller Funktionen auswerten?

Merke: Fixieren wir Daten ϕ ∈ H1 and ψ ∈ L2, dann kann man mit den Methodenaus [14] sogar beweisen, daß limt→∞(1 + t)2EW (u)(t) = 0 fur µ > 2 gilt.

Aufgabe 35 Machen Sie sich den Unterschied zwischen der letzen Bemerkungund der Aussage von Satz 4.11 klar.

69

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4.3.2 Nicht effektive Dampfungen

Nicht effektive Dampfungen werden nach [34] und [45] durch folgende Voraussetzun-gen beschrieben:

(A1)∫ t

0b(τ)dτ = ∞;

(A2) b′(t) < 0;(A3) b2(t) ≤ −Cb′(t);(A4) lim supt→∞ tb(t) < 1.

Die Bedingung (A4) entspricht dem Ausnahmefall µ = 1 bzw. ρ = 0 in Lemma 4.9(Auftreten des log-Terms).

Satz 4.12 Unter den Voraussetzungen (A1) bis (A4) erfullt der Energie-OperatorE(t) die Abschatzung

‖E(t)‖L2→L2 ≤ Cλ(t)−1, λ(t) = exp(1

2

∫ t

0

b(s)ds), (4.26)

d.h. mit den oben eingefuhrten Bezeichnungen

EW (u)(t) ≤ Cλ(t)−2EKG(u)(0).

Beweis: Wie schon gewohnt transformieren wir utt − 4u + b(t)ut = 0 nachpartieller Fouriertransformation in das System erster Ordnung

DtV =

(0 |ξ||ξ| i b(t)

)V.

Diese Transformation wird nur ausgefuhrt, um die Definition der Zonen zu verstehen.

1. Schritt: Definition der Zonen

Die Definition der Zonen beruht auf der Beziehung Nb(tξ) = |ξ|. Hier wird diestrenge Monotonie von b ausgenutzt. Dann definieren wir die dissipative ZoneZdiss(N) = (t, ξ) : 0 ≤ t ≤ tξ. In dieser Zone ist der Term ib(t) der bes-timmende in obiger Matrix. Außerdem definieren wir die hyperbolische ZoneZhyp(N) = (t, ξ) : t ≥ tξ. In dieser Zone ist der Term |ξ| der bestimmende inobiger Matrix.

2. Schritt: Definition der Mikroenergien

In der dissipativen Zone verwenden wir die Mikroenergie V =(

N1+t

v,Dtv)T

,in der hyperbolischen Zone verwenden wir die hyperbolische MikroenergieV = (|ξ|v, Dtv)T , dabei ist v eine Losung von vtt + |ξ|2v + b(t)vt = 0.

3. Schritt: Einige wichtige Beziehungen

70

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• Unter der Voraussetzung (A3) gilt t ≤ Ct∫

0

−b′(s)b2(s)

ds = C(

1b(t)− 1

b(0)

), folglich

bleibt tb(t) beschrankt.

• Unter den Voraussetzungen (A1) und (A4) gilt fur die Hilfsfunktion λ = λ(t)aus (4.26) die Beziehung

∫ t

0

λ2(τ)∼ t

λ2(t).

Dabei ist die Funktion tλ2(t)

streng monoton wachsend und strebt fur t → ∞gegen ∞.

Beweis: Partielle Integration liefert∫ t

0

λ2(τ)=

t

λ2(t)+

∫ t

0

τb(τ)

λ2(τ)dτ.

Nutzen wir tb(t) ≤ c < 1 fur t ≥ t0, t0 ist eventuell groß, dann ergibt sich fur dasletzte Integral

∫ t

0

τb(τ)

λ2(τ)dτ ≤ C + c

∫ t

t0

1

λ2(τ)dτ ≤ C + c

∫ t

0

λ2(τ).

Mit c < 1 folgt sofort die behauptete Aquivalenz. Die Monotonie folgt aus

d

dt

t

λ2(t)=

1− tb(t)

λ2(t)> 0 fur große t. 2

4. Schritt: Abschatzung der Fundamentallosung in der dissipativen Zone

Erinnern wir uns an die Mikroenergie V =(

N1+t

v, Dtv)T

und an D2t v − |ξ|2v −

ib(t)Dtv = 0, dann ergibt sich

DtV =

( i1+t

N1+t

(1+t)|ξ|2N

ib(t)

)V, V (0, ξ) = V0(ξ).

Wir sind interessiert an einer Abschatzung fur die Fundamentallosung X =X(t, s, ξ), das ist die Losung von

DtX =

( i1+t

N1+t

(1+t)|ξ|2N

ib(t)

)X, X(s, s, ξ) = I.

Lemma 4.10 Unter den Voraussetzungen (A1), (A2) und (A4) gilt

‖X(t, s, ξ)‖ ≤ Cλ2(s)

λ2(t)fur alle 0 ≤ s ≤ t ≤ tξ.

71

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Beweis: Fur die Elemente X11 und X21 der Matrix X bekommen wir

DtX11 =i

1 + tX11 +

N

1 + tX21, DtX21 =

(1 + t)|ξ|2N

X11 + ib(t)X21,

und mit X11(s, s, ξ) = 1, X21(s, s, ξ) = 0 folgt daraus

X11(t, s, ξ) =1 + s

1 + t+ i

N

1 + t

∫ t

s

X21(τ, s, ξ)dτ,

X21(t, s, ξ) = i|ξ|2

Nλ2(t)

∫ t

s

(1 + τ)λ2(τ)X11(τ, s, ξ)dτ.

Multiplizieren wir nun beide Gleichungen mit λ2(t)λ2(s)

, so ergibt sich

λ2(t)

λ2(s)X11(t, s, ξ) =

λ2(t)

λ2(s)

1 + s

1 + t+ i

Nλ2(t)

1 + t

∫ t

s

1

λ2(τ)

(λ2(τ)

λ2(s)X21(τ, s, ξ)

)dτ,

λ2(t)

λ2(s)X21(t, s, ξ) = i

|ξ|2N

∫ t

s

(1 + τ)

(λ2(τ)

λ2(s)X11(τ, s, ξ)

)dτ.

Setzen wir jetzt die erste Gleichung in die zweite ein, dann erhalten wir folgende

Volterrasche Integralgleichung 2. Art fur y(t, s, ξ) := λ2(t)λ2(s)

X21(t, s, ξ):

y(t, s, ξ) = i|ξ|2N

∫ t

s

(1 + s)λ2(τ)

λ2(s)dτ − |ξ|2

∫ t

s

λ2(τ)

∫ τ

s

1

λ2(θ)y(θ, s, ξ)dθ dτ .

Wir konnen jetzt die gleiche Prozedur wie bei den Matrizant-Abschatzungen anwen-den. Zur Abschatzung von |y(t, s, ξ)| benotigen wir

|ξ|2∫ t

s

λ2(τ)

∫ τ

s

1

λ2(θ)dθ dτ ∼ |ξ|2

∫ t

s

(1 + τ)dτ

≤ C|ξ|2(1 + t)2 ≤ CNb(t)2(1 + t)2 ≤ CN ,

hier wurde die zweite Beziehung aus dem 3. Schritt, die Zonendefinition |ξ| ≤ Nb(t)und die Voraussetzung (A4) verwendet. Nach dieser gilt |ξ|(1 + t) ≤ Nb(t)(1 + t) ≤CN . Außerdem benotigen wir die Monotonieeigenschaft von t/λ2(t) und schlußfol-gern

|ξ|2∫ t

s

(1 + s)λ2(τ)

λ2(s)dτ ≤ |ξ|2

∫ t

s

(1 + τ)dτ ≤ CN .

Insgesamt folgt damit |y(t, s, ξ)| ≤ CN bzw. |X21(t, s, ξ)| ≤ CNλ2(s)λ2(t)

.

72

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Setzen wir diese Beziehung in die Gleichung fur X11 ein, dann ergibt sich unmittelbar

|X11(t, s, ξ)| ≤ CNλ2(s)

λ2(t).

Aufgabe 36 Zeigen Sie die Beziehung

|X12(t, s, ξ)| + |X22(t, s, ξ)| ≤ CNλ2(s)

λ2(t).

Damit ist die Aussage vollstandig bewiesen. 2

5. Schritt: Abschatzung der Fundamentallosung in der hyperbolischen Zone

Unter Verwendung der ublichen hyperbolischen Mikroenergie starten wir von

DtV =

(0 |ξ||ξ| ib(t)

)V.

Wie schon in den Abschnitten 4.1.3 und 4.2.4 dargestellt, fuhren wir die erstenbeiden Diagonalisierungsschritte aus und erhalten das System

(Dt −D(ξ)− F0(t)−R1(t, ξ))V1 = 0

mit

D(ξ) =

( |ξ| 00 −|ξ|

), F0(t) =

ib(t)

2

(1 00 1

),

R1(t, ξ) = −N1(t, ξ)−1

(− b2(t)

8|ξ|b′(t)4|ξ|

− b′(t)4|ξ|

b2(t)8|ξ|

).

Damit benotigen wir nur die Existenz einer Ableitung von b. Naturlich gilt‖N1(t, ξ)

−1‖ ≤ CN . Benutzen wir die Voraussetzung (A3), dann kann der RestR1 wie folgt abgeschatzt werden

‖R1(t, ξ)‖ ≤ −Cb′(t)|ξ| .

Die Fundamentallosung X1(t, s, ξ), die

(Dt −D(ξ)− F0(t)−R1(t, ξ))X1(t, s, ξ) = 0, X1(s, s, ξ) = I,

genugt, wird wie ublich in der Form X1(t, s, ξ) = E2(t, s, ξ)Q(t, s, ξ) bestimmt.Fuhren wir die gewohnten Schritte aus und nutzen

∫ t

‖R1(s, ξ)‖ds ≤∫ ∞

‖R1(s, ξ)‖ds ≤ C

∫ ∞

−b′(s)|ξ| ds ≤ C

b(tξ)

|ξ| = CN

73

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dann folgt sofort

Lemma 4.11 Unter den Voraussetzungen (A1), (A2) und (A3) gilt

‖X1(t, s, ξ)‖ ≤ Cλ(s)

λ(t)fur alle tξ ≤ s ≤ t.

6. Schritt: Verifikation

Nutzen wir |ξ||v| = |ξ|(1+t)1+t

|v| ≤ CN|v|1+t

, dann ergibt sich aus Lemma 4.10 sofort

|(|ξ|v, Dtv)(t, ξ)| ≤ C

λ2(t)|(v, Dtv)(0, ξ)| fur 0 ≤ t ≤ tξ.

Aus Lemma 4.11 ergibt sich

|V1(t, ξ)| ≤ Cλ(tξ)

λ(t)|V1(tξ, ξ)|,

und nach Rucktransformation folgt daraus

|(|ξ|v,Dtv)(t, ξ)| ≤ Cλ(tξ)

λ(t)|(|ξ|v,Dtv)(tξ, ξ)|.

Beide Ungleichungen ergeben zusammen

|(|ξ|v, Dtv)(t, ξ)| ≤ C

λ(t)|(v, |ξ|v, Dtv)(0, ξ)| fur t ≥ 0.

Das impliziert (4.26) bzw. EW (u)(t) ≤ Cλ(t)−2EKG(u)(0). 2

Merke: Das Energie-decay ergibt sich aus dem Verhalten der Amplituden in derhyperbolischen Zone. In der dissipativen Zone haben wir ein besseres decay.

Bemerkung: Wegen der Voraussetzung (A4) erhalten wir aus (4.26) die Ab-schatzung (4.25) nur fur µ < 1. Die Funktion λ−1 kann beliebig langsam gegen0 streben wie folgendes Beispiel zeigt:b(t) = µ

(e[n]+t) log(e[n]+t)··· log[n](e[n]+t)liefert λ(t) = (log[n](e[n] + t))µ/2.

Mit log[n] bezeichnen wir die n-malige Anwendung von log, mit e[n] bezeichnen wirdie n-malige Anwendung von e hoch.

4.3.3 Effektive Dampfungen

Effektive Dampfungen werden nach [34] und [46] durch folgende Voraussetzungenbeschrieben:

74

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(B1) b(t) > 0;(B2) b ist monoton;(B3) |b′(t)| = o(b2(t)) fur t →∞;(B4) |dk

t b(t)| ≤ Ckb(t)(1

1+t)k, k = 1, 2.

Falls b = b(t) monoton fallend ist, dann kann b nicht zu schnell gegen 0 streben. Esgilt(B3)’ tb(t) →∞ fur t →∞.Das folgt aus

−b′

b2= o(1) und damit o(t) =

t∫

0

−b′(s)b2(s)

ds =1

b(t)− 1

b(0).

Satz 4.13 Unter den Voraussetzungen (B1) bis (B4) erfullt der Energie-OperatorE(t) die Abschatzung

‖E(t)‖L2→L2 ≤ C(1 +

∫ t

0

b(s)−1ds)− 1

2, (4.27)

d.h. mit den oben eingefuhrten Bezeichnungen gilt

EW (u)(t) ≤ C(1 +

∫ t

0

b(s)−1ds)−1

EKG(u)(0).

Bemerkung: Falls b−1 ∈ L1(0,∞), dann erhalten wir aus der Abschatzung (4.27)kein decay obwohl der Dampfungskoeffizient b = b(t) sehr stark in t anwachsen darf(siehe Abschnitt 4.3.4).

Beweis von Satz 4.13: Durch Einfuhrung einer neuen Funktion w(t, x) =

λ(t)u(t, x) mit λ(t) = exp(

12

t∫0

b(τ)dτ)

wird die Gleichung utt − 4u + b(t)ut = 0

transformiert zu

2w = λ′′(t)u + 2λ′(t)ut + λ(t)utt − λ(t)4 u =(1

4b2(t) +

1

2b′(t)

)w.

Nach partieller Fouriertransformation v(t, ξ) = Fx→ξ(w)(t, ξ) erhalten wir

vtt + m(t, ξ)v = 0 mit m(t, ξ) = |ξ|2 − 1

4b2(t)− 1

2b′(t).

Jetzt wird die Voraussetzung (B3) wirksam. Nach dieser konnen wir den Term b′(t)vernachlassigen und sollten |ξ|2 − 1

4b2(t) analysieren. Dazu fuhren wir die Separa-

tionskurve

Γsep := (t, ξ) : |ξ| = 1

2b(t)

75

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ein. Die Monotonievoraussetzung (B2) sichert, daß jede Gerade (t, ξ) : |ξ| = constdie Kurve Γ hochstens in einem Punkt schneidet.

1. Schritt: Definition von Regionen

Durch die Separationskurve wird der erweiterte Phasenraum in zwei Regionen, indie hyperbolische Region Rhyp = (t, ξ) : |ξ| > 1

2b(t) und in die elliptische Region

Rell = (t, ξ) : |ξ| < 12

b(t) unterteilt. Die Gestalt der Regionen hangt sehr von derDampfung ab. Fur eine schwache effektive Dampfung (b′(t) < 0 in (B2)) “uberwiegt”die hyperbolische Region. Fur eine starke effektive Dampfung (b′(t) > 0 in (B2))“uberwiegt” die elliptische Region.

Aufgabe 37 Machen Sie sich fur b′(t) < 0, b′(t) = 0, b′(t) > 0 die beidenRegionen klar. Fuhren Sie die obigen Transformationen fur den Modellfall utt −4u + µ

1+tut = 0 aus. Fur welche µ entsteht eine elliptische Region?

2. Schritt: Definition von Zonen

Beide Regionen werden in Zonen eingeteilt. Zur Beschreibung dieser benotigen wir

die Bezeichnung 〈ξ〉b(t) :=√||ξ|2 − b2(t)

4|. Dann definieren wir

die reduzierte Zone Zred(ε) = (t, ξ) : 〈ξ〉b(t) ≤ ε b(t)2, ε > 0 ist geeignet gewahlt;

die dissipative Zone Zdiss(c0) = (t, ξ) : (1+ t)|ξ| ≤ c0, c0 > 0 ist geeignet gewahlt;

die hyperbolische Zone Zhyp(ε) = (t, ξ) : 〈ξ〉b(t) ≥ ε b(t)2 ∩Rhyp;

die elliptische Zone Zell(c0, ε) = (t, ξ) : (1 + t)|ξ| ≥ c0 ∩ 〈ξ〉b(t) ≥ ε b(t)2 ∩Rell.

3. Schritt: Abschatzung der Fundamentallosung in der reduzierten Zone

In dieser Zone fuhren wir die Mikroenergie V = (ε b(t)2

v,Dtv)T ein. Mit D2t v −

m(t, ξ)v = 0 ergibt sich dann

DtV =

Dtb(t)b(t)

ε b(t)2

|ξ|2− 14

b2(t)− 12

b′(t)

εb(t)2

0

V.

Wahlen wir die Definition der reduzierten Zone und die Voraussetzung (B3), dannerhalten wir die Abschatzungen:

•∣∣∣∣Dtb(t)

b(t)

∣∣∣∣ = o(b(t)),

•∣∣∣∣|ξ|2 −

1

4b2(t)− 1

2b′(t)

∣∣∣∣ ≤ ε2 b(t)2

4+ o(b(t)2).

Damit erhalten wir fur t ≥ t0 = t0(ε) die Abschatzung der Norm der Koeffizienten-matrix durch ε b(t). Die entsprechende Fundamentallosung

Xred = Xred(t, s, ξ), t ≥ s ≥ t0(ε), (t, ξ), (s, ξ) ∈ Zred(ε)

76

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laßt sich mit dem Matrizanten wie folgt abschatzen:

Lemma 4.12 Unter den Voraussetzungen (B1) bis (B3) erhalten wir die Ab-schatzung

‖Xred(t, s, ξ)‖ ≤ exp(ε

∫ t

0

b(τ)dτ)

fur t ≥ s ≥ t0(ε), (t, ξ), (s, ξ) ∈ Zred(ε).

Beachte: Wir haben eine kompakte Menge (t, ξ) ∈ Zred(ε) : t ≤ t0(ε) herausge-lassen. Das ist fur Abschatzungen der Fundamentallosung unwesentlich.

4. Schritt: Abschatzungen der Fundamentallosung in der dissipativen Zone

Wir gehen vor wie im Beweis von Lemma 4.10.

Lemma 4.13 Unter den Voraussetzungen (B1) und (B3) gilt die Abschatzung

‖Xdiss(t, s, ξ)‖ ≤ CN1 + s

1 + tfur 0 ≤ s ≤ t ≤ tξ.

Beweis: Wie im Beweis zum Lemma 4.10 erhalten wir

X11(t, s, ξ) =1 + s

1 + t+ i

N

1 + t

∫ t

s

X21(τ, s, ξ)dτ,

X21(t, s, ξ) = i|ξ|2

N λ2(t)

∫ t

s

(1 + τ)λ2(τ) X11(τ, s, ξ)dτ.

Setzen wir die zweite Integralgleichung in die erste ein, dann bekommen wir

1 + t

1 + sX11(t, s, ξ) = 1− |ξ|2

∫ t

s

∫ τ

s

λ2(θ)

λ2(τ)︸ ︷︷ ︸≤1

1 + θ

1 + sX11(θ, s, ξ)dθdτ.

Fur y = y(t, s, ξ) := X11(t, s, ξ)(1 + t)/(1 + s) schlußfolgern wir

|y(t, s, ξ)| ≤ 1 + |ξ|2∫ t

s

∫ τ

s

|y(θ, s, ξ)|dθdτ.

Daraus folgt |y(t, s, ξ)| ≤ C, da |ξ|2 (1+t)2

2≤ c2o

2mit der Definition der dissipativen

Zone. Multiplizieren wir die zweite Gleichung mit 1+t1+s

dann ergibt sich

1 + t

1 + s|X21(t, s, ξ)| ≤ |ξ|2(1 + t)

N λ2(t)

∫ t

s

λ2(τ)∣∣∣1 + τ

1 + sX11(τ, s, ξ)

∣∣∣dτ

≤ CN |ξ|2∫ t

s

λ2(τ)dτ1 + t

λ2(t).

77

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Nun nutzen wir die Voraussetzung (B3). Mit dieser verifizieren wir das monotoneFallen von t

λ2(t)fur große t. Somit schlußfolgern wir

CN |ξ|2∫ t

s

λ2(τ)dτ1 + t

λ2(t)≤ CN |ξ|2

∫ t

s

(1 + τ)λ2(τ)

1 + τ

1 + t

λ2(t)dτ ≤ CN |ξ|2(1 + t)2 ≤ CN .

Aufgabe 38 Zeigen Sie die Beziehung

|X12(t, s, ξ)|+ |X22(t, s, ξ)| ≤ CN1 + s

1 + t.

Damit ist die Aussage vollstandig bewiesen. 2

5. Schritt: Abschatzung der Fundamentallosung in der hyperbolischen Zone

Wir definieren die Mikroenergie V = (〈ξ〉b(t)v, Dtv)T zur transformierten Gleichungvtt + (|ξ|2 − 1

4b′(t)− 1

2b′(t))v = 0. Es ergibt sich

DtV −(

0 〈ξ〉b(t)〈ξ〉b(t) 0

)V −

Dt〈ξ〉b(t)〈ξ〉b(t) 0

b′(t)2〈ξ〉b(t) 0

V = 0.

Ein einfacher Diagonalisierungsschritt V =(

1 −11 1

)V (0) uberfuhrt obiges System in

DtV(0) −

(〈ξ〉b(t) 0

0 − 〈ξ〉b(t)

)V (0) − 1

2

Dt〈ξ〉b(t)〈ξ〉b(t) + b′(t)

2〈ξ〉b(t)−Dt〈ξ〉b(t)〈ξ〉b(t) − b′(t)

2〈ξ〉b(t)−Dt〈ξ〉b(t)〈ξ〉b(t) + b′(t)

2〈ξ〉b(t)Dt〈ξ〉b(t)〈ξ〉b(t) − b′(t)

2〈ξ〉b(t)

V (0) = 0.

Jetzt fuhren wir die ubliche Konstruktion der Fundamentallosung Xhyp(t, s, ξ) wiein Abschnitt 4.2.4 (5. Schritt) aus. Die erste Matrix hat wegen der Hyperbolizitatdes Problems keinen Einfluß. Zur Konstruktion von Q mit Hilfe des Matrizantenbenotigen wir die Integrale

∫ t2

t1

∣∣∣∣∂t〈ξ〉b(t)〈ξ〉b(t)

∣∣∣∣ dt =

∣∣∣∣∫ t2

t1

d〈ξ〉b(t)〈ξ〉b(t)

∣∣∣∣ = log〈ξ〉b(t2)

〈ξ〉b(t1)

fur alle (t1, ξ), (t2, ξ) ∈ Zhyp(ε). Dabei benutzten wir die Monotonie von b = b(t).In der hyperbolischen Zone gilt 〈ξ〉b(t) ∼ |ξ|, d.h. C1|ξ| ≤ 〈ξ〉b(t) ≤ C2|ξ| fur alle(t, ξ) ∈ Zhyp(ε). Somit ist obiges Integral gleichmaßig beschrankt. Fur das zweiteIntegral erhalten wir

∫ t2

t1

∣∣∣∣b′(t)〈ξ〉b(t)

∣∣∣∣ dt =

∣∣∣∣∣∣

∫ t2

t1

db(t)√|ξ|2 − b2(t)

4

∣∣∣∣∣∣=

∣∣∣∣arc sinb(t2)

|ξ| − arc sinb(t1)

|ξ|

∣∣∣∣ .

78

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Da in der hyperbolischen Region Rhyp die Beziehung |ξ| > b(t)2

erfullt ist, folgtauch die gleichmaßige Beschranktheit fur alle (t1, ξ), (t2, ξ) ∈ Zhyp(ε). Damit istQ = Q(t, s, ξ) in Zhyp(ε) beschrankt und wir erhalten folgende Aussage:

Lemma 4.14 Unter den Voraussetzungen (B1) und (B2) gilt in Zhyp(ε) die Ab-schatzung

‖Xhyp(t, s, ξ)‖ ≤ C

fur jedes (t, ξ), (s, ξ) ∈ Zhyp(ε), wobei C unabhangig von t, s und ξ ist.

6. Schritt: Abschatzung der Fundamentallosung in der elliptischen Zone

Wir fuhren die Mikroenergie V = (〈ξ〉b(t)v,Dtv)T ein. Mit D2t v−m(t, ξ)v = 0 ergibt

sich dann

DtV −(

0 〈ξ〉b(t)−〈ξ〉b(t) 0

)V −

( Dt〈ξ〉b(t)〈ξ〉b(t) 0

− b′(t)2〈ξ〉b(t) 0

)V = 0.

Wir fuhren zwei Diagonalisierungsschritte in dieser Zone aus. Dazu benotigenwir u.a.die Voraussetzung (B4). Das Durchfuhren von Diagonalisierungsschrittenbenotigt Symbolklassen. In [33] und [45] sind die folgenden eingefuhrt.

Definition 4.2 Die Amplituden a = a(t, ξ) gehoren zur elliptischen SymbolklasseSl1,l2

ell,ε m1,m2,m3 beschrankter Glattheit (l1, l2) falls

|Dkt D

αξ a(t, ξ)| ≤ Ck,α〈ξ〉m1−|α|

b(t) |ξ|m2

( 1

1 + t

)m3+k

fur alle (t, ξ) ∈ Zell(c0, ε) und fur alle k ≤ l1 and |α| ≤ l2 gilt.

Setzen wir V =: M V (0), M =(

i −i1 1

), dann ergibt sich nach dem ersten Diagonal-

isierungsschritt

DtV(0) −D(t, ξ)V (0) −R(t, ξ)V (0) = 0 mit

D(t, ξ) =

( −i〈ξ〉b(t) 00 i〈ξ〉b(t)

)∈ Sl,∞

ell,ε 1, 0, 0,

R(t, ξ) =

Dt〈ξ〉b(t)2〈ξ〉b(t) − i b′(t)

4〈ξ〉b(t) − Dt〈ξ〉b(t)2〈ξ〉b(t) + i b′(t)

4〈ξ〉b(t)

−Dt〈ξ〉b(t)2〈ξ〉b(t) − i b′(t)

4〈ξ〉b(t)Dt〈ξ〉b(t)2〈ξ〉b(t) + i b′(t)

4〈ξ〉b(t)

∈ Sl,∞

ell,ε0, 0, 1.

In der Matrix F0(t, ξ) = diag R(t, ξ) stimmen die Elemente der Hauptdiagonalenicht uberein. Deshalb mussen wir uns Gedanken uber die Differenz δ = δ(t, ξ) derGlieder von D + F0 machen. Diese fließt in den nachsten Diagonalisierungsschritt

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ein. Es gilt fur t hinreichend groß unter Verwendung der Voraussetzung (B3) dieBeziehung

i δ(t, ξ) = 2〈ξ〉b(t) +b′(t)

2〈ξ〉b(t) ∼ 〈ξ〉b(t).

Außerdem gehort δ−1 zur Symbolklasse Sl,∞ell,ε−1, 0, 0. Fur große t ≥ t0 kann jetzt

der zweite Diagonalisierungsschritt wie ublich ausgefuhrt werden. Beachtet mannoch, daß Symbole von Sl,∞

ell,ε−1, 0, 2 integrierbar sind uber die elliptische Zone,dann ergibt sich wie schon in anderen Fallen

(Dt −D(t, ξ)−R(t, ξ))N1(t, ξ) = N1(t, ξ)(Dt −D(t, ξ)− F0(t, ξ)−R1(t, ξ)).

Die Matrix R1 gehort zur Symbolklasse Sl,∞ell,ε−1, 0, 2. Nach (B4) durfen wir nur

zwei Diagonalisierungsschritte ausfuhren. Unser Ziel ist es jetzt, eine Darstellung furdie Fundamentallosung X1 = X1(t, s, ξ) des transformierten Systems (Dt−D(t, ξ)−F0(t, ξ) − R1(t, ξ))V1 = 0 herzuleiten. Wir konnen nicht der ublichen Prozedurfolgen, da jetzt in D nicht reelle Elemente vorliegen. Wir konnen uns deshalb nichtauf hyperbolische WKB-Analysis stutzen, sondern mussen eine elliptische WKB-Analysis entwickeln. Dazu benotigen wir folgende Beziehung:

√〈ξ〉b(t)b(t) + 〈ξ〉2b(t)√〈ξ〉b(s)b(s) + 〈ξ〉2b(s)

∼ b(t)

b(s)∼ 〈ξ〉b(t)

〈ξ〉b(s)

gleichmaßig in Zell(c0, ε) ∩ t ≥ t0.

Lemma 4.15 Unter den Voraussetzungen (B1) bis (B4) hat die Fundamen-tallosung X1 = X1(t, s, ξ) die Darstellung

X1(t, s, ξ) =〈ξ〉b(t)〈ξ〉b(s) exp

( ∫ t

s

〈ξ〉b(τ)dτ)Qell,1(t, s, ξ)

fur alle (t, ξ), (s, ξ) ∈ Zell(c0, ε) ∩ t ≥ t0, t ≥ s, und mit einer gleichmaßigbeschrankten Matrix Qell,1(t, s, ξ).

Beweis: Wir transformieren das System fur X1 = X1(t, s, ξ), das heißt

(Dt −D(t, ξ)− F0(t, ξ)−R1(t, ξ))X1 = 0, X1(s, s, ξ) = I,

in eine Integralgleichung fur Qell,1 = Qell,1(t, s, ξ). Differenzieren wir

exp(− i

∫ t

s

(D(τ, ξ) + F0(τ, ξ))dτ)X1(t, s, ξ)

80

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bezuglich t, dann liefert die Diagonalstruktur von D + F0 sofort

Dt

(exp

(− i

∫ t

s

D(τ, ξ) + F0(τ, ξ))dτ)X1(t, s, ξ)

)

= exp(− i

∫ t

s

D(τ, ξ) + F0(τ, ξ))dτ)R1(t, ξ)X1(t, s, ξ).

Integrieren wir die letzte Beziehung uber [s, t], dann ergibt sich

X1(t, s, ξ) = exp(i

∫ t

s

D(τ, ξ) + F0(τ, ξ))dτ)X1(s, s, ξ)

+i

∫ t

s

exp(i

∫ t

θ

(D(τ, ξ) + F0(τ, ξ))dτ)R1(θ, ξ)X1(θ, s, ξ)dθ.

Beachten wir die Struktur von D = D(t, ξ), dann erkennen wir das ”schlechte Ver-

halten” von exp (it∫

s

· · · dτ). Um dieses schlechte Verhalten kompensieren zu konnen,

fuhren wir ein Gewicht w = w(t, ξ) ein und setzen

Qell,1(t, s, ξ) = exp(−

∫ t

s

w(τ, ξ)dτ)X1(t, s, ξ).

Multiplikation der letzten Beziehung mit diesem gewichteten Term ergibt

Qell,1(t, s, ξ) = exp( ∫ t

s

(iD(τ, ξ) + i F0(τ, ξ)− w(τ, ξ)I)dτ)

+

∫ t

s

exp( ∫ t

θ

(iD(τ, ξ) + i F0(τ, ξ)− w(τ, ξ)I)dτ)R1(θ, ξ)Qell,1(θ, s, ξ)dθ.

Die Matrix R1 ist integrierbar uber die elliptische Zone. Die Elemente von iD(t, ξ)+i F0(t, ξ) sind gegeben durch

〈ξ〉b(t) +∂t〈ξ〉b(t)2〈ξ〉b(t) +

b′(t)2〈ξ〉b(t) , −〈ξ〉b(t) +

∂t〈ξ〉b(t)2〈ξ〉b(t) − b′(t)

2〈ξ〉b(t) .

Der erste Term dominiert den zweiten, deshalb wahlen wir das Gewicht

w(t, ξ) = 〈ξ〉b(t) +∂t〈ξ〉b(t)2〈ξ〉b(t) +

b′(t)2〈ξ〉b(t) .

Bleibt noch auszuwerten

∫ t

s

(∂τ 〈ξ〉b(τ)

2〈ξ〉b(τ)

+b′(τ)

2〈ξ〉b(τ)

)dτ =

1

2log

〈ξ〉b(t)b(t) + 〈ξ〉2b(t)〈ξ〉b(s)b(s) + 〈ξ〉2b(s)

.

81

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Die rechte Seite ist aquivalent zu log(〈ξ〉b(t)/〈ξ〉b(s)). Damit folgt

X1(t, s, ξ) ∼〈ξ〉b(t)〈ξ〉b(s) exp

( ∫ t

s

〈ξ〉b(τ)dτ)Qell,1(t, s, ξ).

Das ist die zu beweisende Aussage. 2

Merke: Die zweite Zeile von Qell,1(t, s, ξ) erfullt in der elliptischen Zone die Ab-schatzung

|Q(21)ell,1(t, s, ξ)| + |Q(22)

ell,1(t, s, ξ)| . b(s)

b(t)exp(−2

∫ t

s

〈ξ〉b(τ)dτ) . b(s)

b(t)

(1 + s)

(1 + t).

Die erste Zeile von Qell,1(t, s, ξ) erfullt nur

|Q(11)ell,1(t, s, ξ)| + |Q(12)

ell,1(t, s, ξ)| . 1 .

Wenden wir die Rucktransformation aus dem zweiten Diagonalisierungsschritt an,dann erhalten wir das gleiche Verhalten der ersten und zweiten Zeile von

Qell,0(t, s, ξ) = N1(t, ξ) Qell,1(t, s, ξ)N−11 (s, ξ).

Die erste Zeile bleibt beschrankt, die zweite fallt wie S(0,0)ell,ε −1, 0, 1.

7. Schritt: Beziehungen zum Energie-Operator

In den vergangenen Schritten haben wir die Fundamentallosung geeigneter Systemein den verschiedenen Zonen abgeschatzt.

Reduzierte Zone: In dieser Zone haben wir Xred(t, s, ξ) abgeschatzt. Fur die Ab-schatzung des Energie-Operators benotigen wir die Darstellung von U = U(t, ξ) :=(|ξ|u(t, ξ), Dtu(t, ξ))T . Es gilt

U(t, ξ) = T (t, ξ)V (t, ξ) = T (t, ξ)Xred(t, s, ξ)V (s, ξ)

= T (t, ξ)Xred(t, s, ξ)T (s, ξ)−1U(s, ξ)

mit T (t, ξ) =

|ξ|ε

b(t)2

λ(t)0

2iελ(t)

1λ(t)

.

Nutzen wir die Zonendefinition, dann folgt sofort ‖T (t, ξ)‖ ≤ λ(t)−1.

Dissipative Zone:

82

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In dieser Zone haben wir Xdiss(t, s, ξ) abgeschatzt. Fur die Abschatzung des Energie-Operators benotigen wir die Darstellung von U = U(t, ξ) := ( c0

1+tu(t, ξ), Dtu(t, ξ))T .

Es gilt

U(t, ξ) = Xdiss(t, s, ξ)U(s, ξ) und U(t, ξ) = T (t, ξ)V (t, ξ)

mit T (t, ξ) =

c0(1+t)〈ξ〉b(t)λ(t)

0

ib(t)〈ξ〉b(t)λ(t)

1λ(t)

und V (t, ξ) = (〈ξ〉b(t)v, Dtv)T .

Hyperbolische Zone:

In dieser Zone haben wir Xhyp(t, s, ξ) abgeschatzt. Fur die Abschatzung des Energie-Operators benotigen wir die Darstellung von U = U(t, ξ) := (|ξ|u(t, ξ), Dtu(t, ξ))T .Es gilt

U(t, ξ) = T (t, ξ)V (t, ξ) = T (t, ξ)Xhyp(t, s, ξ)T (s, ξ)−1U(s, ξ)

mit T (t, ξ) =

|ξ|〈ξ〉b(t)λ(t)

0

ib(t)〈ξ〉b(t)λ(t)

1λ(t)

.

Elliptische Zone:

In dieser Zone haben wir die Fundamentallosung X1 = X1(t, s, ξ) abgeschatzt. Beze-ichnen wir die Fundamentallosung von Dt−D−R mit X0 = X0(t, s, ξ), dann ergibtsich sofort die Abschatzung

|X0(t, s, ξ)| .〈ξ〉b(t)〈ξ〉b(s) exp

( ∫ t

s

〈ξ〉b(τ)dτ)|Qell,0(t, s, ξ)|.

Mit den gleichen Bezeichnungen wie bei der Behandlung der hyperbolischen Zoneerhalten wir

U(t, ξ) =

|ξ|〈ξ〉b(t)λ(t)

0

ib(t)〈ξ〉b(t)λ(t)

1λ(t)

MX0(t, s, ξ)M

−1

〈ξ〉b(s)λ(s)

|ξ| 0

−ib(s)λ(s)|ξ| λ(s)

U(s, ξ).

Benutzen wir die Definitionen von M und M−1 und die Aquivalenz 〈ξ〉b(t) ∼ b(t) inder elliptischen Zone, dann ergibt sich sofort U(t, ξ) = Xell(t, s, ξ)U(s, ξ) mit

(|X(kl)ell (t, s, ξ)|)2

k,l=1 ≤ C exp( ∫ t

s

(〈ξ〉b(τ) − b(τ))dτ) ( |ξ| |ξ|

b(t) b(t)

)|Qell,0(t, s, ξ)|

(1|ξ|

1b(s)

1|ξ|

1b(s)

)

≤ C exp( ∫ t

s

(〈ξ〉b(τ) − b(τ))dτ) (

1 |ξ|b(s)

b(t)|ξ|

b(t)b(s)

).

83

Page 84: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

Berucksichtigen wir jetzt noch die Beziehung

exp( ∫ t

s

(〈ξ〉b(τ) − b(τ))dτ)≤ C exp

(− |ξ|2

∫ t

s

1

b(τ)dτ

)

dann ergibt sich

(|X(kl)ell (t, s, ξ)|)2

k,l=1 ≤ C exp(− |ξ|2

∫ t

s

1

b(τ)dτ

) (1 |ξ|

b(s)b(t)|ξ|

b(t)b(s)

)for k = 1, 2.

Frage: Konnen wir mit dieser Abschatzung etwas anfangen?

Antwort: Zumindestens in dem Fall, dass b = b(t) monoton wachsend ist, erhaltenwir durch die zweite Zeile der letzten Matrix eine Abschatzung, die einen Wider-spruch zu der Tatsache darstellen konnte, dass die Energie der gedampften Wellefallt.

8. Schritt: Eine prazisere Abschatzung fur |Xell(t, s, ξ)|Zumindestens fur wachsende b = b(t) stellt das folgende Lemma eine prazisere Aus-sage dar.

Lemma 4.16 Es seien (t, ξ), (s, ξ) ∈ Zell(c0, ε) mit t ≥ s. Dann gilt

(|X(kl)ell (t, s, ξ)|)2

k,l=1

. exp(− |ξ|2

∫ t

s

1

b(τ)dτ

) (1 |ξ|

b(s)|ξ|b(t)

|ξ|2b(t)b(s)

)+

λ2(s)

λ2(t)

(0 00 1

)for k = 1, 2.

Beweis: Einerseits haben wir U(t, ξ) = Xell(t, s, ξ)U(s, ξ) mit U = U(t, ξ) :=(|ξ|u(t, ξ), Dtu(t, ξ))T . Andererseits haben wir u(t, ξ) = Φ1(t, ξ)ϕ(ξ) + Φ2(t, ξ)ψ(ξ).Schreiben wir die letzte Beziehung fur |ξ|u und Dtu auf, dann ergibt sich durch

Vergleich X(11)ell = Φ1, X

(12)ell = |ξ|Φ2, X

(21)ell = DtΦ1

|ξ| , X(22)ell = DtΦ2. Damit erhalten

wir folgende Abschatzungen

|Φ1(t, s, ξ)| ≤ C exp(− |ξ|2

∫ t

s

1

b(τ)dτ

), |Φ2(t, s, ξ)| ≤ C

1

b(s)exp

(− |ξ|2

∫ t

s

1

b(τ)dτ

),

|DtΦ1(t, s, ξ)| ≤ Cb(t) exp(− |ξ|2

∫ t

s

1

b(τ)dτ

),

|DtΦ2(t, s, ξ)| ≤ Cb(t)

b(s)exp

(− |ξ|2

∫ t

s

1

b(τ)dτ

).

Die Multiplikatoren Φ1 und Φ2 sind Losungen von vtt + |ξ|2v + b(t)vt = 0. Setzenwir ∂tΦk =: Ψk, k = 1, 2, dann erhalten wir sofort

∂tΨ1 + b(t)Ψ1 = −|ξ|2Φ1(t, s, ξ), Ψ1(s, s, ξ) = 0,

∂tΨ2 + b(t)Ψ2 = −|ξ|2Φ2(t, s, ξ), Ψ2(s, s, ξ) = i.

84

Page 85: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

Wir werten jetzt zwei inhomogene gewohnliche Differentialgleichungen erster Ord-nung mit der rechten Seite −|ξ|2Φk(t, s, ξ), k = 1, 2, aus. Mit den obigen Ab-schatzungen fur Φk ergibt sich nach Duhamelschen Prinzip

Ψ1(t, s, ξ) = −|ξ|2t∫

s

λ2(τ)

λ2(t)Φ1(τ, s, ξ)dτ,

Ψ2(t, s, ξ) = iλ2(s)

λ2(t)− |ξ|2

t∫

s

λ2(τ)

λ2(t)Φ2(τ, s, ξ)dτ.

Die Funktion Ψ2 schatzen wir wie folgt ab:

|Ψ2(t, s, ξ)| . λ2(s)

λ2(t)+

|ξ|2λ2(t)b(s)

t∫

s

λ2(τ) exp(− |ξ|2

∫ τ

s

1

b(θ)dθ

)dτ.

Nutzen wir ∂tλ2(t) = b(t)λ2(t), dann ergibt sich nach Anwendung partieller Integra-

tion

|Ψ2(t, s, ξ)| . λ2(s)

λ2(t)+

|ξ|2b(t)b(s)

exp(− |ξ|2

∫ t

s

1

b(τ)dτ

).

Aufgabe 39 Leiten Sie die Abschatzung

|Ψ2(t, s, ξ)| . |ξ|2b(t)

exp(− |ξ|2

∫ t

s

1

b(τ)dτ

)

her.

Mit dieser Abschatzung und den obigen Aquivalenzen X(11)ell = Φ1, X

(12)ell =

|ξ|Φ2, X(21)ell = DtΦ1

|ξ| , X(22)ell = DtΦ2 ergibt sich die Aussage von Lemma 4.16. 2

9.Schritt: L2 − L2 Abschatzungen

1. Fall: Die Dampfung b sei streng monoton fallend

Wir zeigen die gewunschte Beziehung nur fur kleine Frequenzen. Fur große Fre-quenzen kann man analog vorgehen, hat nur weniger Zonen zu berucksichtigen.Also starten wir mit Zdiss, kommen dann zu Zell, danach zu Zred und schließlich zuZhyp.

In der dissipativen Zone Zdiss verwenden wir( |ξ|u(t, ξ)

Dtu(t, ξ)

)=

( |ξ|(1 + t) u(t,ξ)1+t

Dtu(t, ξ)

)bzw. mit der Zonendefinition

∣∣∣∣( |ξ|u(t, ξ)

Dtu(t, ξ)

)∣∣∣∣ ≤∣∣∣∣(

c0u(t,ξ)1+t

Dtu(t, ξ)

)∣∣∣∣ ≤C

1 + t

∣∣∣∣( 〈ξ〉b(0) u(0, ξ)

Dtu(0, ξ)

)∣∣∣∣ .

85

Page 86: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

Zu zeigen haben wir

∣∣∣∣( |ξ|u(t, ξ)

Dtu(t, ξ)

)∣∣∣∣ ≤ C

(1 +

∫ t

0

1

b(s)ds

)−1/2 ∣∣∣∣( 〈ξ〉 u(0, ξ)

Dtu(0, ξ)

)∣∣∣∣ .

Nutzen wir tb(t) →∞ fur t →∞ dann folgt sofort

1 +

∫ t

0

1

b(s)ds ≤ C

(1 +

∫ t

0

s

Nds

)≤ C(1 + t)2.

Damit ist die Abschatzung in der dissipativen Zone besser als die gewunschte Ab-schatzung.

Bezeichnen wir die obere Berandungslinie der dissipativen Zone mit tξ, dann ergibtsich

( |ξ|u(t, ξ)Dtu(t, ξ)

)= Xell(t, tξ, ξ)

( |ξ|u(tξ, ξ)Dtu(tξ, ξ)

)bzw. mit Lemma 4.16

( |ξ||u(t, ξ)||Dtu(t, ξ)|

)≤ C exp

(−|ξ|2

∫ t

1

b(τ)dτ

)(1 |ξ|

b(tξ)|ξ|b(t)

|ξ|2b(tξ)b(t)

)1

1 + tξ

( 〈ξ〉 |u(0, ξ)||Dtu(0, ξ)|

).

Verwenden wir jetzt |ξ| ∼ 11+tξ

und exp

(−|ξ|2

tξ∫0

dτd(τ)

)∼ 1, dann ergibt sich sofort

die Abschatzung

( |ξ||u(t, ξ)||Dtu(t, ξ)|

)≤ C exp

(−|ξ|2

∫ t

0

b(τ)

) (|ξ| |ξ||ξ|2b(t)

|ξ|2b(t)

)( 〈ξ〉 |u(0, ξ)||Dtu(0, ξ)|

).

Wenden wir uns der ersten Zeile zu. Es gilt

|ξ| exp

(−|ξ|2

∫ t

0

b(τ)

)≤ C

(1 +

∫ t

0

b(τ)

)− 12

.

Fur die zweite Zeile erhalten wir

|ξ|2b(t)

exp

(−|ξ|2

∫ t

0

b(τ)

)≤ C

1

b(t)

(1 +

∫ t

0

b(τ)

)−1

.

Benutzen wir schließlich

b2(t)

∫ t

0

b(τ)→∞ fur t →∞,

86

Page 87: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

dann folgt daraus sofort die gewunschte Abschatzung

∣∣∣∣( |ξ|u(t, ξ)|Dtu(t, ξ)|

)∣∣∣∣ ≤ C

(1 +

∫ t

0

1

b(s)ds

)−1/2 ∣∣∣∣( 〈ξ〉u(0, ξ)

Dtu(0, ξ)

)∣∣∣∣ .

Zu beachten haben wir aber, daß das Maximum c1 von y exp(−y) bzw. c2 vony2 exp(−y) entlang der Linie |ξ|2 ∫ t

0dτ

b(τ)= ck, k = 1, 2, angenommen wird. Diese

Linie liegt in der elliptischen Zone.

Gehen wir jetzt zur reduzierten Zone. Dann ergibt sich mit tξ als obere Berandungder elliptischen Zone

( |ξ||u(t, ξ)||Dtu(t, ξ)|

)≤ |ξ| exp

(−|ξ|2

∫ tξ

0

b(τ)+

∫ t

(ε− 1

2)b(τ)dτ

) (1 11 1

)( 〈ξ〉 |u(0, ξ)||Dtu(0, ξ)|

).

Benutzen wir in der reduzierten Zone Zred

|ξ|2 ≤ (1

2− ε)b2(t) bzw. (ε− 1

2)b(t) ≤ −|ξ|

2

b(t),

dann ergibt sich sofort die gewunschte Abschatzung aus( |ξ||u(t, ξ)||Dtu(t, ξ)|

)≤ |ξ| exp

(−|ξ|2

∫ t

0

b(τ)

)(1 11 1

)( 〈ξ〉 |u(0, ξ)||Dtu(0, ξ)|

).

Wenden wir uns schließlich der hyperbolischen Zone zu. Es gilt mit jedem C ≤ 1

( |ξ||u(t, ξ)||Dtu(t, ξ)|

)≤ |ξ| exp

(−C|ξ|2

∫ tξ

0

b(τ)

)exp

(−1

2

∫ t

b(τ)dτ

) (1 11 1

)( 〈ξ〉 |u(0, ξ)||Dtu(0, ξ)|

).

Untersuchen wir

exp

(−C|ξ|2

∫ tξ

0

b(τ)− 1

2

∫ t

b(τ)dτ

), 〈ξ〉b(tξ) = ε

b(tξ)

2,

dann kann man zeigen, daß die Ableitung

∂|ξ| exp

(−C|ξ|2

∫ tξ

0

b(τ)− 1

2

∫ t

b(τ)dτ

)< 0

ausfallt falls |ξ| → 0 strebt. Dabei benutzt man, daß C ≤ 1 beliebig gewahlt werdenkann. Fixieren wir ein t > 0, dann nimmt somit der Ausdruck

|ξ| exp

(−C|ξ|2

∫ tξ

0

b(τ)− 1

2

∫ t

b(τ)dτ

)

87

Page 88: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

sein Maximum nicht nur auf der Trennlinie tξ zur reduzierten Zone, sondern sogar

in tξ in der elliptischen Zone an. Fur ein solches tξ verschwindet das Integral∫ t

und der obige Ausdruck lasst sich durch

maxξ∈Rn

|ξ| exp

(−C1|ξ|2

∫ t

0

b(τ)

)

abschatzen. Das liefert die Aussage des Satzes.

2. Fall: Die Dampfung b sei streng monoton steigend

In diesem Fall fuhrt ein analoges Vorgehen zur gewunschten Abschatzung. DieReihenfolge der Zonen andert sich. Wir beginnen mit der hyperbolischen Zone Zhyp,kommen dann zur reduzierten Zone Zred, um dann in der elliptischen Zone Zell zuenden. 2

Merke: Das Energie-decay ergibt sich aus dem Verhalten der Amplituden in einerUmgebung der Trennlinie Γsep.

Bemerkung: Typische Beispiele effektiver Dampfungen sind

b(t) = log[n](e[n]+t)1+t

; b(t) = (1 + t)−κ, κ ∈ (−1, 1); b(t) = 1

log[n](e[n]+t);

b(t) = log[n](e[n] + t), b(t) = (e[n] + t) log(e[n] + t) · · · log[n](e[n] + t).

Wahlen wir b(t) ≡ 1, dann liefert Satz 4.13 sofort die Aussage von Satz 3.5.

4.3.4 Uberdampfungen

Die rechte Seite von (4.27) liefert kein decay falls b−1 ∈ L1(0,∞) ist, obwohl derDampfungskoeffizient b(t) extrem anwachsen kann fur t → ∞. Dieser Feststellungwollen wir in diesem Abschnitt auf die Spur gehen. Was steckt dahinter?

Wir wenden uns zuerst dem Lemma 4.15 zu. Nach diesem haben wir fur die Fun-damentallosung in der elliptischen Zone die Darstellung

X1(t, s, ξ) =〈ξ〉b(t)〈ξ〉b(s) exp

(∫ t

s

〈ξ〉b(τ)dτ

)Qell,1(t, s, ξ).

Fur uns interessant ist der Fall b′(t) > 0 und∞∫0

dτb(τ)

< ∞. Dann liegt die elliptische

Zone “oberhalb” der reduzierten und der hyperbolischen Zone. Die folgende Aussageenthalt eine Konvergenzeigenschaft fur Qell,1(t, s, ξ) fur t →∞.

Lemma 4.17 Fur b′(t) > 0 (ohne Einfuhrung einer dissipativen Zone) gilt

limt→∞

Qell,1(t, s, ξ) = Qell,1(∞, s, ξ), s À 1,

88

Page 89: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

gleichmaßig auf kompakten Mengen in |ξ| ∈ [0, b(∞)), und definiert hier eine stetigeFunktion Qell,1(∞, s, ξ).

Beweis: Im Beweis zu Lemma 4.15 haben wir die Funktion

H(t, s, ξ) := exp

(∫ t

s

(iD(τ, ξ) + iF0(τ, ξ)− w(τ, ξ)I)dτ

)

verwendet mit

w(t, ξ) := 〈ξ〉b(t) +∂t〈ξ〉b(t)2〈ξ〉b(t) +

b′(t)2〈ξ〉b(t) .

Diese Wahl liefert

H(t, s, ξ) = diag(1,

b(s) + 2〈ξ〉b(s)b(t) + 2〈ξ〉b(t) exp

(− 2

∫ t

s

〈ξ〉b(τ)dτ))

→ diag(1, 0) fur t →∞.

Aus dem Beweis von Lemma 4.15 kennen wir schon die folgende Integralgleichungfur Qell,1:

Qell,1(t, s, ξ) = H(t, s, ξ) +

∫ t

s

H(t, θ, ξ)R1(θ, ξ)Qell,1(θ, s, ξ)dθ.

Wir verwenden wieder die Matrizantdarstellung und erhalten

Qell,1(t, s, ξ) = H(t, s, ξ) +∞∑

k=1

ik∫ t

s

H(t, t1, ξ)R1(t1, ξ)

∫ t

s

H(t1, t2, ξ)R1(t2, ξ)

· · ·∫ tk−1

s

H(tk−1, tk, ξ)R1(tk, ξ)dtk · · · dt2dt1.

Wahlen wir jetzt s À 1 und wissen, das R1(θ, ξ) eine L1-Funktion in θ darstellt, dannkonvergiert die Reihe stetiger Funktionen gleichmaßig auf kompakten Teilmengen in|ξ| ∈ [0, b(∞)). Damit ist die Funktion Qell,1(∞, s, ξ) stetig. 2

Merke: Fur große s (s → ∞) strebt Qell,1(t, s, ξ) → Qell,1(∞, s, ξ), wobei dieerste Zeile von Qell,1(∞, s, ξ) von der Zeile (0, 0) verschieden ist. Beachten wirN1(t, ξ) → I fur t → ∞, dann bleibt diese Eigenschaft auch fur Qell,0(t, s, ξ) =N1(t, ξ)Qell,1(t, s, ξ)N

−11 (s, ξ) erhalten, d.h.

limt→∞

Qell,0(t, s, ξ) = Qell,0(∞, s, ξ), s À 1,

gleichmaßig auf kompakten Mengen in |ξ| ∈ [0, b(∞)), und die erste Zeile vonQell,0(∞, s, ξ) ist verschieden von (0, 0). Speziell gilt: lim

s→∞Qell,0(∞, s, ξ) = diag

(1, 0). Im folgenden betrachten wir den Grenzwert

S(s, ξ) = (1, 0) limt→∞

1

λ(t)〈ξ〉b(t)X0(t, s, ξ)

89

Page 90: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

mit

X0(t, s, ξ) =〈ξ〉b(t)〈ξ〉b(s) exp

( ∫ t

s

〈ξ〉b(τ)dτ)Qell,0(t, s, ξ).

Lemma 4.18 Unter den Voraussetzungen (B1), (B2), (B4) und 1/b(t) ∈ L1

existiert der Grenzwert S(s, ξ) gleichmaßig auf kompakten Mengen in |ξ| ∈ [0, b(∞))und ist verschieden vom Nullvektor.

Beweis: Es gilt

1

λ(t)〈ξ〉b(t) X0(t, s, ξ) =1

λ(s)〈ξ〉b(s) exp( ∫ t

s

(〈ξ〉b(τ) − b(τ)

2

)dτ

)Qell,0(t, s, ξ).

Verwenden wir

b(τ)

2− 2|ξ|2

b(τ)≤ 〈ξ〉b(τ) − b(τ)

2≤ b(τ)

2− |ξ|2

b(τ)

dann erhalten wir

exp(− 2|ξ|2

∫ t

s

1

b(τ)dτ

)≤ exp

( ∫ t

s

(〈ξ〉b(τ) − b(τ)

2

)dτ

)≤ exp

(− |ξ|2

∫ t

s

1

b(τ)dτ

).

Da 1/b(t) ∈ L1, konvergiert exp

(t∫

s

(〈ξ〉b(τ) − b(τ)

2

)dτ

)fur t → ∞ und fur s ≥ tξ.

Nach Lemma 4.17 und der Folgerung wissen wir, daß Qell,0(t, s, ξ) fur t →∞ gegenQell,0(∞, s, ξ) konvergiert. Fur sehr große s ist Qell,0(∞, s, ξ) annahernd diag (1, 0).Damit ist fur sehr große s die erste Komponente des Vektors S(s, ξ) ungleich 0. 2

Wenden wir noch einmal dem Grenzwert S(s, ξ) zu. Was leistet dieser? Mit denBezeichnungen aus Abschnitt 4.3.3 (Schritt 6) gilt V (0)(t, ξ) = X0(t, s, ξ)V

(0)(s, ξ)mit V (0) = M−1V, V = (〈ξ〉b(t)v,Dtv)T . Damit ist

limt→∞

(1, 0)V (0)(t, ξ)

λ(t)〈ξ〉b(t) = limt→∞

(1, 0)X0(t, s, ξ)

λ(t)〈ξ〉b(t) V (0)(s, ξ) = S(s, ξ)V (0)(s, ξ) bzw.

limt→∞

(1, 0)M−1

( 〈ξ〉b(t)vDtv

)

λ(t)〈ξ〉b(t) = limt→∞

(1, 0)M−1

(λ(t)〈ξ〉b(t)uDt(λ(t)u)

)

λ(t)〈ξ〉b(t)= S(s, ξ) M−1

( 〈ξ〉b(s)λ(s)uDs(λ(s)u)

).

Einfache Berechnungen liefern

2 u(∞; ξ) + limt→∞

∂tu(t, ξ)

〈ξ〉b(t)= S(s, ξ) ·

(〈ξ〉b(s)λ(s)u(s, ξ) + ∂t(λ(t)u)(s, ξ),−λ(s)〈ξ〉b(s)u(s, ξ) + ∂t(λ(t)u)(s, ξ)

).

90

Page 91: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

Da die erste Komponente des Vektors S ungleich 0 ist fur sehr große s sehen wir, daßi.allg. Daten auf t = s zu einem Grenzwert 2u(∞, ξ) + lim

t→∞∂tu(t,ξ)〈ξ〉b(t) fuhren, der fur

|ξ| ∈ [0, b(∞)) verschieden von 0 ist. Damit sind decay Verhalten von |ξ|u(t, ξ) und∂tu(t, ξ) fur t →∞ ausgeschlossen. Insgesamt haben wir folgenden Satz bewiesen:

Satz 4.14 Vorgelegt sei das Cauchy-Problem

utt −4u + b(t)ut = 0, u(0, x) = ϕ(x), ut(0, x) = ψ(x)

mit ϕ ∈ H1, ψ ∈ L2. Die Dampfung erfulle die Voraussetzungen (B1), (B2), (B4)und 1/b ∈ L1. Dann kann i.allg. kein decay der Energie EW (u)(t) fur t → ∞erwartet werden.

4.3.5 Beweis eines Scattering-Resultates

Wir haben schon in Abschnitt 4.2.3 Grundlagen der Scattering-Theorie kurz disku-tiert. In diesem Abschnitt wollen wir uns dem Beweis von Satz 4.7 zuwenden.

Beweis von Satz 4.7 Wir fuhren den Beweis fur n ≥ 2, fur n = 1 lauft er analog.Dazu muß nur |ξ| durch ξ oder−ξ ersetzt werden. Wir wollen im Fourierbild arbeitenund nutzen dafur

utt + |ξ|2u + b(t)ut = 0, u(0, ξ) = ϕ(ξ), ut(0, ξ) = ψ(ξ),

vtt + |ξ|2v = 0, v(0, ξ) = ˆϕ(ξ), vt(0, ξ) = ˆψ(ξ).

Nach Einfuhrung der Energie U(t, ξ) = (|ξ|u, Dtu)T erhalten wir nach einem Diag-onalisierungsschritt

DtU(0) −D(ξ)U (0) −R(t)U (0) = 0, D(ξ) =

( |ξ| 00 −|ξ|

), R ∈ L1(R+).

Dazu haben wir die Substitution U (0) = M−1U, M =

(1 −11 1

), verwendet. Die

Fundamentallosung zum diagonalen Teil Dt−D(ξ) ist gegeben durch X0(t− s, ξ) =(ei(t−s)|ξ| 0

0 e−i(t−s)|ξ|

). Betrachten wir jetzt das Cauchy-Problem

vtt + |ξ|2v = 0, v(s, ξ) = v0(ξ), vt(s, ξ) = v1(ξ),

dann ergibt sich

(|ξ|v(t, ξ)

Dtv(t, ξ)

)= MX0(t− s, ξ)M−1

(|ξ|v(s, ξ)

Dtv(s, ξ)

),

91

Page 92: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

bzw. im physikalischen Raum

S0(t− s,D) :

(|D|v(s, x)

Dtv(s, x)

)→

(|D|v(t, x)

Dtv(t, x)

).

Wenden wir uns jetzt der Fundamentallosung X = X(t, s, ξ) zum System Dt −D(ξ)−R(t) zu. Somit haben wir

DtX −D(ξ)X −R(t)X = 0, X(s, s, ξ) = I

zu losen. Wir konnen wieder der ublichen Prozedur mit Hilfe des Matrizanten folgenund erhalten im physikalischen Raum

S(t, s, D) :

(|D|u(s, x)

Dtu(s, x)

)→

(|D|u(t, x)

Dtu(t, x)

),

bzw. im Fourierbild(|ξ|u(t, ξ)

Dtu(t, ξ)

)= MX(t, s, ξ)M−1

(|ξ|u(s, ξ)

Dtu(s, ξ)

)

= MX0(t− s, ξ)Q(t, s, ξ)M−1

(|ξ|u(s, ξ)

Dtu(s, ξ)

)

mit

Q(t, s, ξ) = I +∞∑

k=1

ik∫ t

s

R(t, s, ξ)

∫ t1

s

R(t2, s, ξ) · · ·∫ tk−1

s

R(tk, s, ξ)dtk · · · dt1,

als Losung von

DtQ−R(t, s, ξ)Q = 0, Q(s, s, ξ) = I,

und

R(t, s, ξ) = X0(s− t, ξ)R(t)X0(t− s, ξ).

Beachten wir die Struktur von X0 und die Voraussetzung an b (b ∈ L1(R+)), danngilt |R(t, s, ξ)| ≤ |R(t)| ∈ L1(R+).

Wir wenden uns schließlich dem Møllerschen Wellenoperator W+ zu. Dazu wahlenwir Daten ϕ, ψ aus dem Energieraum |D|−1L2 × L2. Darauf wenden wir denLosungsoperator S(t, 0) an, der uns (u(t, ·), ut(t, ·))T zu den Daten (ϕ, ψ)T liefert.Dann betrachten wir die freie Wellengleichung vtt − 4v = 0 mit Daten v(t, ·) =u(t, ·), vt(t, ·) = ut(t, ·) und wenden den Losungsoperator S0(0, t) an. Dieser liefert

92

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die Losung des ruckwarts gerichteten Cauchy-Problems auf t = 0. Der MøllerscheWellenoperator ist dann wie folgt definiert:

W+ = limt→∞

S0(0, t)S(t, 0) = limt→∞

MX0(−t,D)X(t, 0, D)M−1

= limt→∞

MX0(−t,D)X0(t,D)Q(t, 0, D)M−1

= limt→∞

MQ(t, 0, D)M−1.

Da die Matrix M konstant ist, haben wir auf dem Fourierlevel zu entscheiden, oblimt→∞

Q(t, 0, ξ) existiert, und wenn ja, in welchem Sinne dieser Grenzwert interpretiert

werden muß. Eine formale Rechnung liefert

Q(t, 0, ξ)−Q(s, 0, ξ) =∞∑

k=1

ik∫ t

s

R(t1, 0, ξ)

∫ t1

0

R(t2, 0, ξ) · · ·∫ tk−1

0

R(tk, 0, ξ)dtk . . . dt1.

Damit gilt

‖Q(t, 0, ·)−Q(s, 0, ·)‖L∞(Rnξ ) ≤

∞∑

k=1

∫ t

s

|R(t1)| 1

(k − 1)!

( ∫ t1

0

|R(τ)|dτ)k−1

dt1

=

∫ t

s

|R(t1)|∞∑

k=0

1

k!

( ∫ t1

0

|R(τ)|dτ)k

dt1 =

∫ t

s

|R(t1)| exp( ∫ t1

o

|R(τ)|dτ)dt1 → 0

fur s, t → ∞, da R ∈ L1(R+) erfullt ist. Damit ist Q(tk, 0, ·)k≥0, tk → ∞,eine Cauchy-Folge in L∞(Rn

ξ ). Der Grenzwert fur tkk≥0 → ∞ existiert und istunabhangig von der gewahlten Folge tkk≥0. Somit existiert auch

W+(ξ) = limt→∞

MQ(t, 0, ξ)M−1 = M limt→∞

Q(t, 0, ξ)M−1 ∈ L∞(Rnξ ).

Der Møllersche Wellenoperator W+ = limt→∞

S0(0, t)S(t, 0) erfullt die Behauptungen

von Satz 4.7. Im Fourierbild gilt

(|ξ|u(t, ξ)

Dtu

)−

(|ξ|v(t, ξ)

Dtv

)= MX0(t, ξ)Q(t, 0, ξ)M−1

(|ξ|ϕψ

)−MX0(t, ξ)M

−1

(|ξ| ˆϕψ

)

= MX0(t, ξ)M−1(MQ(t, 0, ξ)M−1 −W+)

(|ξ|ϕψ

).

Der Ausdruck in den Klammern strebt gegen 0 fur t → ∞. Damit strebt‖(u(t, ·), ut(t, ·))− (v(t, ·), vt(t, ·))‖E gegen 0 fur t →∞.Im nachsten Schritt zeigen wir, daß W+ ∈ L(E → E) ist. Dazu erinnern wir uns andie Beziehungen

DtQ−R(t, s, ξ)Q = 0, Q(s, s, ξ) = I, W+(ξ) = M limt→∞

Q(t, 0, ξ)M−1.

93

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Einerseits haben wir

0 = Dt(Q ·Q−1) = DtQ Q−1 + QDtQ−1 = R + QDtQ

−1,

und somit auch

DtQ−T (t, s, ξ) +RT (t, s, ξ)Q−T (t, s, ξ) = 0, Q−T (s, s, ξ) = I.

Damit kann man die gleiche Prozedur verwenden, um die Existenz vonlimt→∞

Q−T (t, 0, ξ) bzw. von limt→∞

Q−1(t, 0, ξ) in L∞(Rn) zu beweisen. Andererseits

haben wir W−1+ (ξ) = M lim

t→∞Q−1(t, 0, ξ)M−1. Damit ist W+(ξ) invertierbar, es gilt

W−1+ ∈ L∞(Rn). Das liefert auf dem Operatorlevel sofort W+ ∈ L(E → E).

Bleibt nun noch

‖(u(t, ·), ut(t, ·))− (v(t, ·), vt(t, ·))‖E ≤ C‖(ϕ(·), ψ(·))‖E

∫ ∞

t

b(τ)dτ

nachzuweisen. Das folgt aber sofort aus

MQ(t, 0, ξ)M−1 −W+ = M(Q(t, 0, ξ)−Q(∞, 0, ξ))M−1

und aus

Q(∞, 0, ξ)−Q(t, 0, ξ) =∞∑

k=1

ik∫ ∞

t

R(t1, 0, ξ)

∫ t1

0

R(t2, 0, ξ) . . .

∫ tξ−1

0

R(tξ, 0, ξ)dtξ · · · dt1.

Daraus ergibt sich

‖Q(∞, 0, ·)−Q(t, 0, ·)‖L∞(Rn) ≤∫ ∞

t

|R(τ)|dτ exp( ∫ ∞

0

|R(τ)|dτ)≤ C

∫ ∞

t

b(τ)dτ.

Somit sind alle Aussagen von Satz 4.7 bewiesen. 2

4.3.6 Ein modifiziertes Scattering-Resultat

Vergleichen wir die Aussagen der Satze 4.7 und 4.12, dann kann man naturlich keinScattering Resultat zwischen dem nicht-effektiv gedampften Wellenoperator unddem klassischen Wellenoperator erhalten. Der klassische Wellenoperator erlaubteine Erhaltung der Energie, im Fall des nicht-effektiv gedampften Wellenoperatorsfallt der Energieoperator wie λ(t)−2.

Frage: Ist im Falle des nicht-effektiv gedampften Wellenoperators das Fallen desEnergieoperators wie λ(t)−2 scharf?

94

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Antwort: Ja! Die Optimalitat des Fallens wird mit Hilfe eines modifizierten Scat-tering Resultates gezeigt. Dazu benotigen wir den Energieoperator

E(t,D) : (〈D〉ϕ, ψ) ∈ L2 × L2 → (|D|u(t, ·), ∂tu(t, ·)) ∈ L2 × L2

fur Losungen des Cauchy-Problems fur die nicht-effektiv gedampfte Wellengleichung

utt −4u + b(t)ut = 0, u(0, x) = ϕ(x), ut(0, x) = ψ(x),

und den Energieoperator

E0(t, s, D) = MX0(t, s, D)M−1, M =

(1 −11 1

), X0(t, s, ξ) =

(ei(t−s)|ξ| 0

0 e−i(t−s)|ξ|

).

Dabei verfolgen wir folgende Strategie:

Wir multiplizieren den Energieoperator E(t,D), der wie λ(t)−1 fallt, mit λ(t) undvergleichen λ(t)E(t,D) mit E0(t, 0, D)−1. Mittels des modifizierten MøllerschenWellenoperators

W+(D) = limt→∞

λ(t)E0(t, 0, D)−1E(t, D)

beweisen wir folgendes modifizierte Scattering-Resultat.

Satz 4.15: Vorgelegt seien die Cauchy-Probleme

utt −4u + b(t)ut = 0, u(0, x) = ϕ(x), ut(0, x) = ψ(x),

vtt −4v = 0, v(0, x) = ϕ(x), vt(0, x) = ψ(x),

wobei b = b(t) den Voraussetzungen von Satz 4.12 genugt. Dann gilt

• limt→∞

‖W+ − λ(t)E0(0, t, D)−1E(t, 0)‖L(L2×L2→L2×L2) = 0,

• der Operator W+ ∈ L(L2×L2 → L2×L2) : (〈D〉ϕ, ψ) ∈ L2×L2 → (〈D〉ϕ, ψ) ∈L2 × L2 besitzt einen trivialen Kern,

• die Losungen u und v zu den Daten (ϕ, ψ) und (ϕ, ψ) erfullen die a-prioriAbschatzung‖E0(t, 0, D)(〈D〉ϕ, ψ)− λ(t)E(t,D)(〈D〉ϕ, ψ)‖L2×L2 → 0 fur t →∞.

Bemerkung: Fur sehr große Zeiten t nahert sich λ(t)2EW (u)(t) immer mehrEW (v)(t) = EW (v)(0). Damit ist das Decay scharf. Im Gegensatz zu Satz 4.7 habenwir nur eine Kerneigenschaft von W+(D), aber keine Isomorphismus-Eigenschaft.

95

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Wir wenden uns (ubersetzt in den Phasenraum) limt→∞

λ(t)E0(t, 0, D)−1E(t,D) zu. Es

gilt

λ(t)E0(t, 0, ξ)−1E(t, ξ)

= λ(t)E0(−tξ, ξ)MX0(tξ, t, ξ)N1(t, ξ)λ(tξ)

λ(t)X0(t, tξ, ξ)Q(t, tξ, ξ)N

−11 (tξ, ξ)M

−1E(tξ, ξ)

= E0(−tξ, ξ)M X0(tξ, t, ξ)N1(t, ξ)X0(t, tξ, ξ)Q(t, tξ, ξ)N−11 (tξ, ξ)M

−1λ(tξ)E(tξ, ξ).

Fixieren wir jetzt ein c > 0 und betrachten ξ : |ξ| ≥ c, dann zeigt man wie imBeweis von Satz 4.7, daß Q(t, tξ, ξ) → Q(∞, tξ, ξ) gleichmaßig auf ξ : |ξ| ≥ cerfullt ist. Dabei wird R1(·, ξ) ∈ L1(tξ,∞) gleichmaßig auf ξ : |ξ| ≥ c ausgenutzt.Betrachten wir schließlich noch

limt→∞

X0(tξ, t, ξ)N1(t, ξ)X0(t, tξ, ξ) = I,

dann ergibt sich sofort die Existenz von

limt→∞

λ(t)E0(t, 0, ξ)−1E(t, ξ) = E0(−tξ, ξ)M Q(∞, tξ, ξ)N

−1(tξ, ξ)M−1λ(tξ)E(tξ, ξ)

gleichmaßig auf ξ : |ξ| ≥ c. Das heißt, falls wir U ∈ L2 wahlen mit dist (0, suppU) ≥ c, dann gelten obige Untersuchungen gleichmaßig auf ξ : |ξ| ≥ c.Wir definieren deshalb den Unterraum

Bc = U ∈ L2(Rn) : dist (0, suppU) ≥ c.

Dann zeigen die obigen Rechnungen, daß W+(D) als Abbildung von Bc in sichexistiert, d.h. W+(D) ∈ L(Bc → Bc). Das gilt naturlich fur alle c > 0, d.h. auf⋃c>0

Bc. Diese Menge liegt dicht in L2(Rn).

Somit haben wir gezeigt, limt→∞

W+(D)U existiert fur alle U ∈ ⋃c>0

Bc.

Nutzen wir die Aussage von Satz 4.12, dann sind die Normen‖λ(t)E0(t, 0, D)−1E(t,D)‖L(L2→L2) ≤ C gleichmaßig fur alle t ∈ [0,∞). DieseTatsache erlaubt den Einsatz des Satzes von Banach-Steinhaus. Setzen wir miteiner Folge tn → ∞

An U = λ(tn)E0(tn, 0, D)−1E(tn, D)U,

dann gilt ‖An‖L(L2→L2) ≤ C und An Un konvergiert gegen W+(D)U fur alle U ausder dichten Menge

⋃c>0

Bc des L2. Nach dem Satz von Banach-Steinhaus ist damit

W+(D) auf L2 definiert und es gilt

limn→∞

‖W+(D)− An‖L(L2→L2) = 0.

96

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Dieser Operator ist unabhangig von der gewahlten Folge tn → ∞. Der MøllerscheWellenoperator wird beschrieben durch

W+(ξ) = E0(−tξ, ξ)M Q(∞, tξ, ξ)N−1(tξ, ξ)M

−1λ(tξ)E(tξ, ξ).

Die gewunschte Datenzuordnung erhalten wir durch

(〈ξ〉 ˆϕ, ˆψ)T = W+(ξ)(〈ξ〉ϕ, ψ)T .

Bleibt nur noch die Kerneigenschaft von W+(D) zu prufen. Diese folgt aber sofort

aus det E(t, ξ) = 1λ2(t)

|ξ|〈ξ〉 bzw. aus det W+(ξ) = lim

t→∞λ2(t) det E(t, ξ) = |ξ|

〈ξ〉 , da

det E0(t, 0, ξ)−1 = 1 gilt. 2

5 Optimalitatsbeweise

Im Satz 4.6 haben wir mit Hilfe der Floquet-Theorie, insbesondere mit Lemma 4.4,ein Optimalitatsresultat bewiesen. Wir wollen jetzt zeigen wie dieses Lemma bzw.gewisse Erweiterungen zum Beweis der Optimalitat von Resultaten in der Theorievon Wellengleichungen mit zeitabhangigen Koeffizienten genutzt werden konnen.Als Erweiterung von Lemma 4.4 sehen wir das folgende Resultat an.

Lemma 5.1 Es sei b = b(t) eine nicht konstante, 1-periodische, glatte und positiveFunktion. Wir untersuchen das Cauchy-Problem

utt − b2(t)uxx = 0, u(0, x) = exp(ixξ), ut(0, x) = 0,

wobei die positive reelle Zahl ξ2 zu einem Instabilitatsintervall fur den Koeffizientenb2(t) gehort. Dann existiert eine eindeutige Losung u = u(t, x) = exp(ixξ)w(t),wobei w der asymptotischen Beziehung |w(M)| ∼ |µ0|M mit |µ0| > 1 fur alle hinre-ichend großen M ∈ N genugt.In der Arbeit [22] wurde im wesentlichen folgendes Resultat gezeigt:

Satz 5.1 Gegeben sei mit einer reellen Konstanten a das Cauchy-Problem

utt − λ2(t)b2(t)uxx − aλ2(t)

Λ(t)ux = 0, u(0, x) = ϕ(x), ut(0, x) = ψ(x),

unter den folgenden Voraussetzungen an die Funktion λ = λ(t) ∈ C[0, T ]∩C2(0, T ],welche ein Entartungsverhalten des Koeffizienten in t = 0 beschreibt:

λ(0) = 0, λ(t) > 0, λ′(t) > 0, t ∈ (0, T ],

d0λ(t)Λ(t)

≤ λ′(t)

λ(t)≤ d1

λ(t)Λ(t)

, d0, d1 > 0, Λ(t) =∫ t

0λ(s)ds,

|λ′′(t)| ≤ d2λ(t)( λ(t)Λ(t)

)2.

97

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Weiterhin benotigen wir eine positive und monoton fallende Funktion ν = ν(t), t ∈(0, T ], die das oszillierende Verhalten des Koeffizienten beschreibt. Dieses Verhaltenwird beschrieben durch

c0 := inft∈(0,T ]

b(t) ≤ b(t) ≤ c1 := supt∈(0,T ]

b(t), t ∈ (0, T ], c0, c1 > 0,

|b(k)(t)| ≤ Ck(λ(t)Λ(t)

ν(t))k, k = 1, 2.

Unter diesen Voraussetzungen existiert zu jedem ϕ ∈ Hs, ψ ∈ (Λ−1( N〈Dx〉))

−1Hs, Nist eine feste positive Konstante, eine eindeutig bestimmte Losung u, die zu folgendenFunktionenraumen gehort:

1. falls 0 < limt→0Λ(t)

|a|c0

λ(t)≤ +∞,

dann gilt u ∈ C([0, T ], exp (Cαν((Λν)−1( N2

〈Dx〉)))Hs)⋂

C1([0, T ], exp (Cαν((Λν)−1( N2

〈Dx〉)))Hs−1)

mit nichtnegativen Konstanten Cα und N2,

2. falls limt→0Λ(t)

|a|c0

λ(t)= 0,

dann gilt u ∈ C([0, T ],λ

12 ((Λ

ν)−1(

N2〈Dx〉 ))

Λ|a|2c0 ((Λ

ν)−1(

N2〈Dx〉 ))

exp (Cαν((Λν)−1( N2

〈Dx〉)))Hs)

⋂C1([0, T ],

λ12 ((Λ

ν)−1(

N2〈Dx〉 ))

Λ|a|2c0 ((Λ

ν)−1(

N2〈Dx〉 ))

exp (Cαν((Λν)−1( N2

〈Dx〉)))Hs−1)

mit nichtnegativen Konstanten Cα und N2.

Beispiele: Was haben wir mit diesem Satz bewiesen?

Aus Satz 5.1 schließen wir fur a = 0, b(t) ≡ 1, das folgende Losungsverhalten furschwach hyperbolische Cauchy-Probleme der Form

utt − λ2(t)uxx = 0, u(0, x) = ϕ(x), ut(0, x) = ψ(x) :

1. λ(t) ≡ 1 (klassische Wellengleichung)ϕ ∈ Hs, ψ ∈ Hs−1 =⇒ u ∈ C([0, T ], Hs)

⋂C1([0, T ], Hs−1),

2. λ(t) = (log[n] 1t)−1 (logarithmisch entarteter Fall)

ϕ ∈ Hs, ψ ∈ (Λ−1( N〈Dx〉))

−1Hs =⇒ u ∈ C([0, T ], Hs)⋂

C1([0, T ], Hs−1),

Λ(t) = O(t(log[n] 1t)−1),

3. λ(t) = tl (endlich entarteter Fall)

ϕ ∈ Hs, ψ ∈ Hs− 1l+1 =⇒ u ∈ C([0, T ], Hs)

⋂C1([0, T ], Hs−1),

4. λ(t) = 1t2

exp(−1t) (unendlich entarteter Fall)

ϕ ∈ Hs, ψ ∈ log〈Dx〉Hs =⇒ u ∈ C([0, T ], Hs)⋂

C1([0, T ], Hs−1),

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5. λ(t) = ddt

exp(− exp[n](1t)) (super unendlich degenerierter Fall)

ϕ ∈ Hs, ψ ∈ log[n]+1〈Dx〉Hs =⇒ u ∈ C([0, T ], Hs)⋂

C1([0, T ], Hs−1).

Interpretation der Beispiele: Je “großer” die Entartung ist, desto kleiner ist derRegularitatsunterschied zwischen ϕ und ψ, der ein Regularitatsverhalten der Losungwie im klassischen Wellenfall impliziert.

Sind diese Resultate scharf?

Mit Hilfe der Theorie spezieller Funktionen kann man zeigen, daß die Resultate aus3. und 4. scharf sind.

Wir erklaren jetzt den Einfluß verschiedener Funktionen ν, die unterschiedlichesoszillierendes Verhalten der Koeffizienten beschreiben. Wir setzen wieder vorausϕ ∈ Hs, ψ ∈ (Λ−1( N

〈Dx〉))−1Hs. Dann gehort nach Satz 5.1 die eindeutig bestimmte

Losung u zu folgenden Funktionenraumen:

1. ν(t) ≤ C =⇒ u ∈ C([0, T ], Hs)⋂

C1([0, T ], Hs−1),

2. ν(t) = log 1Λ(t)

=⇒ u ∈ C([0, T ], 〈Dx〉CαHs)⋂

C1([0, T ], 〈Dx〉CαHs−1),

3. ν(t) = (log 1Λ(t)

)γ, γ ∈ (0, 1), =⇒u ∈ C([0, T ], 〈Dx〉Cα(log

〈Dx〉N

)γ−1Hs)

⋂C1([0, T ], 〈Dx〉Cα(log

〈Dx〉N

)γ−1Hs−1),

4. ν(t) = (log 1Λ(t)

)γ1(log[2] 1Λ(t)

)γ2 · · · (log[n] 1Λ(t)

)γn , γ1 ∈ (0, 1), γk > 0, k =2, · · · , n,

=⇒ u ∈ C([0, T ], 〈Dx〉Cα(log〈Dx〉

N)γ1−1(log[2] 〈Dx〉

N)γ2 ···(log[n] 〈Dx〉

N)γn

Hs)⋂C1([0, T ], 〈Dx〉Cα(log

〈Dx〉N

)γ1−1(log[2] 〈Dx〉N

)γ2 ···(log[n] 〈Dx〉N

)γnHs−1).

Interpretation der Beispiele: Je “schneller” das oszillierende Verhalten ist, destogroßer scheint der Regularitatsverlust der Losung gegenuber den Daten zu sein.

Sind diese Resultate scharf?

Es ist noch nichts daruber bekannt, ob ein Ableitungsverlust tatsachlich eintritt.

5.1 Welcher Regularitatsverlust tritt wirklich auf?

In diesem Abschnitt wollen wir zeigen, daß in Satz 5.1 fur ν(t) = log 1Λ(t)

tatsachlichein endlicher Ableitungsverlust eintritt. Satz 5.1 sagt uns nur, daß hochstens einendlicher Ableitungsverlust auftritt.

Strategie unseres Vorgehens

• Da alle Voraussetzungen aus Satz 5.1 bez. der Variablen t gleichmaßig bezuglich(0, T ] sind, kann anstelle des Cauchy-Problems aus Satz 5.1 das Cauchy-Problem

utt − λ2(t)b2(t)uxx − aλ2(t)

Λ(t)ux = 0, u(t0, x) = ϕ(x), ut(t0, x) = ψ(x), t0 ∈ (0, T ],

99

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untersucht werden, ohne daß sich die Aussage von Satz 5.1 andert.

• Anstelle des obigen Cauchy-Problems erzeugen wir zu einer vorgegebenen Funk-tion b = b(t), die den Voraussetzungen von Lemma 5.1 genugt, eine Familie vonKoeffizienten bk = bk(t)k und betrachten die Familie von schwach hyperbolischenCauchy-Problemen

utt − λ2(t)b2k(t)uxx = 0, u(tk, x) = u0,k(x), ut(tk, x) = u1,k(x), tk ∈ [0, T ].

Fur diese Familie kann aus Satz 5.1 die folgende Aussage geschlossen werden:

Satz 5.2 Wir setzen voraus, daß die Koeffizienten λ(t) und bk(t) den Vorausset-zungen von Satz 5.1 genugen mit Konstanten, die unabhangig von k und tk sind,und mit ν(t) = log 1

Λ(t). Dann existiert zu vorgegebenen Daten u0,k ∈ Hs, u1,k ∈

(Λ−1( N〈Dx〉))

−1Hs, N ist eine feste positive Konstante, eine eindeutig bestimmteLosung

uk ∈ C([0, T ], 〈Dx〉CαHs) ∩ C1([0, T ], 〈Dx〉CαHs−1),

wobei die nichtnegative Konstante Cα unabhangig von k und tk ist.

• Der Satz 5.2 impliziert zusammen mit dem Beweis zu Satz 5.1, daß fur die Familieder Losungen ukk von k und t1, t2 ∈ [0, T ] unabhangige Konstanten C und p1

existieren mit

‖uk(t2, ·)‖Hs−p1 (R) ≤ C(‖uk(t1, ·)‖Hs(R) + ‖∂tuk(t1, ·)‖(Λ−1( N〈Dx〉 ))

−1Hs(R))

fur beliebige t1, t2 ∈ [0, T ]. Damit tritt hochstens ein endlicher Ableitungsverlustauf.

• Im folgenden Satz zeigen wir die tatsachliche Existenz eines endlichenAbleitungsverlustes. Wir untersuchen im folgenden nur den Fall unendlicher En-tartung.

Satz 5.3 Es seien die Voraussetzungen von Satz 5.1 und die zusatzliche Vo-raussetzung Λ(t)

λ(t)= o(t) erfullt. Dann existiert zu jeder beliebig vorgegebenen 1-

periodischen, positiven, nicht konstanten und glatten Funktion b = b(t), die kon-stant in einer Umgebung von t = 0 ist, eine Familie von Koeffizienten bk =bk(t)k, die den Voraussetungen von Satz 5.1 mit von k unabhangigen Konstan-ten erfullt, es existiert eine Familie von Daten u0,k = u0,k(x), u1,k = u1,k(x)k aus

Hs(R) × (Λ−1( N〈Dx〉))

−1Hs(R), die auf t = t(1)k vorgeschrieben werden, und es ex-

isitieren zwei Nullfolgen t(1)k k, t(2)

k k so, daß die folgenden Abschatzungen erfulltsind:

‖uk(t(2)k , ·)‖Hs−p0 (R) ≥ Ck‖uk(t

(1)k , ·)‖Hs(R).

Dabei ist die positive Konstante p0 unabhangig von k. Weiterhin gilt supk Ck = ∞.

Die Aussage von Satz 5.3 liefert sofort einen endlichen Ableitungsverlust.

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5.2 Der Beweis zu Satz 5.3

Proof. Wir unterteilen den Beweis in mehrere Schritte.

Schritt 1: Folgen von Parametern

Fur den Beweis benotigen wir Parameterfolgen

• (A1) Nullfolgen tkk, ρkk, und δkk,

• (A2) eine gegen ∞ strebende Folge hkk.

Weiterhin benotigen wir zwei Nullfolgen t′kk und t′′kk mit t′k = tk + ρk undt′′k = tk − ρk. Schließlich brauchen wir drei Folgen von Intervallen Ikk, I ′kk undI ′′kk, die wie folgt definiert sind:

Ik =[tk − ρk

2, tk +

ρk

2

], I ′k =

[t′k −

ρk

2, t′k +

ρk

2

], I ′′k =

[t′′k −

ρk

2, t′′k +

ρk

2

].

Damit Ik, I ′k, I ′′k in (0, T ] enthalten sind, fordern wir

• (A3) ρk = o(tk) fur k →∞.

Aufgaben der Parameterfolgen

• Die Parameterfolge tkk legt die Lokalisierung der Intervalle Ik, I ′k und I ′′k fest.• Die Parameterfolge ρkk legt die Lange der Intervalle Ik, I ′k und I ′′k fest.• Die Parameterfolge δkk stellt eine Beziehung zum Verhalten des monotonen Teilsλ(t)2 des Koeffizienten ak(t) = λ(t)2bk(t)

2 auf dem Intervall [tk − 4ρk

3, tk + 4ρk

3] dar

(vergleiche mit Voraussetzung (A5)).• Die Parameterfolge hkk ist eine Folge von Frequenzen und beschreibt das oszil-lierende Verhalten des oszillierenden Teils bk(t)

2 des Koeffizienten ak(t) = λ(t)2bk(t)2

auf dem Intervall [tk − rhok

2, tk + ρk

2]. Dabei strebt die Anzahl der Oszillationen

O(hkρk) gegen unendlich fur k gegen unendlich.

Schritt 2: Konstruktion einer geeigneten Familie von Koeffizienten

Zur Konstruktion der Familie von Koeffizienten benotigen wir eine monoton wach-sende Funktion µ ∈ C∞(R), die wie folgt definiert ist:

µ(x) =

0, x ∈ (−∞,−1

3],

1, x ∈ [13, +∞).

Die Familie von Koeffizienten ak = ak(t)k mit ak = λ2(t)b2k(t) wird wie folgt

definiert:

101

Page 102: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

ak(t) =

λ2(t), t ∈ [0, T ] \ (I ′k ∪ Ik ∪ I ′′k );

δkb2(hk(t− tk)), t ∈ Ik;

δkb(0)2(1− µ(t−t′kρk

)) + λ2(t)µ(t−t′kρk

), t ∈ I ′k;

δkb(0)2µ(t−t′′kρk

) + λ2(t)(1− µ(t−t′′kρk

)), t ∈ I ′′k ,

wobei b(0) gerade die positive reelle Zahl ist, die b(t) in Umgebung von t = 0 (bist konstant in einer Umgebung von t = 0) annimmt. Damit die Koeffizientenbeim Ubergang vom Intervall Ik zu I ′k und I ′′k unendlich oft differenzierbar bleiben,benotigen wir die Forderung

• (A4)hkρk

2∈ N

fur die Parameter hk und ρk.

Wir wollen diese Definition naher verstehen.

• Beginnen wir mit dem Intervall [0, tk− 32ρk]. Auf diesem Intervall ist ak(t) = λ2(t),

wobei λ = λ(t) den Voraussetzungen von Satz 5.1 erfullt. Damit ist ak auf diesemIntervall monoton wachsend.

• Die Definition auf dem Intervall I ′′k = [tk − 32ρk, tk − 1

2ρk] ist wie folgt gewahlt:

Auf dem Intervall [tk − 32ρk, tk − 4

3ρk] bleibt der Koeffizient ak(t) = λ2(t). Auf dem

Intervall [tk − 23ρk, tk − 1

2ρk] ist der Koeffizient ak konstant mit ak(t) = δkb(0)2.

Dazwischen ist der Koeffizient ak unendlich oft differenzierbar fortgesetzt ohne einwesentliches oszillierendes Verhalten zu besitzen.

• Kommen wir zu dem interessanten Intervall Ik = [tk− 12ρk, tk+ 1

2ρk]. In t = tk− 1

2ρk

gilt ak(t) = δkb2(−hkρk

2). Nach der Voraussetzung (A4) ist das Argument von b2 eine

ganze Zahl. Da b als 1-periodisch vorausgesetzt ist und b(t) = b(0) in einer kleinenUmgebung von t = 0 ist, gibt es ein kleines Intervall um tk − 1

2ρk, in welchem

ak(t) = δkb(0)2 konstant ist. Damit ist der Ubergang von I ′′k zu ak unendlich oft dif-ferenzierbar. Nach diesem konstanten Verhalten setzen Oszillationen ein, ein wildesoszillierendes Verhalten, welches durch das Verhaltnis von hk zu ρk beschrieben wer-den kann. Die gleiche Argumentation wie fur t = tk − 1

2ρk liefert fur t = tk + 1

2ρk,

daß ak = δkb(0)2 konstant in einem kleinen Intervall um t = tk + 12ρk ist.

• Die Definition auf dem Intervall I ′k = [tk + 12ρk, tk + 3

2ρk] ist wie folgt gewahlt: Auf

dem Intervall [tk + 12ρk, tk + 2

3ρk] ist der Koeffizient ak konstant mit ak(t) = δkb(0)2.

Auf dem Intervall [tk + 43ρk, tk + 3

2ρk] bleibt der Koeffizient ak(t) = λ2(t). Dazwischen

ist der Koeffizient ak unendlich oft differenzierbar fortgesetzt ohne ein wesentlichesoszillierendes Verhalten zu besitzen.

102

Page 103: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

• Schließen wir mit dem Intervall [tk + 32ρk, T ]. Auf diesem Intervall ist ak(t) = λ2(t),

wobei λ = λ(t) den Voraussetzungen von Satz 5.1 erfullt. Damit ist ak auf diesemIntervall monoton wachsend.

Um eine entsprechende Struktur des Koeffizienten aus Satz 5.1 zu erhalten,definieren wir die Familie bk = bk(t)k oszillierender Teile von akk durch

b2k(t) =

1, t ∈ [0, T ] \ (I ′k ∪ Ik ∪ I ′′k );

1λ2(t)

δkb2(hk(t− tk)), t ∈ Ik;

1λ2(t)

δkb(0)2(1− µ(t−t′kρk

)) + µ(t−t′kρk

), t ∈ I ′k;

1λ2(t)

δkb(0)2µ(t−t′′kρk

) + (1− µ(t−t′′kρk

)), t ∈ I ′′k .

Schritt 3: Konkrete Wahl der Parameter

Wir wahlen die Parameterfolgen tkk, ρkk, δkk, hkk mit

tk = Λ−1(exp(−k)), ρk =[(Λ(tk)

λ(tk)

)−1]−1

,

δk = [λ(tk)−1]−2, hk = 2

[λ(tk)

Λ(tk)

][log

1

Λ(tk)

],

wobei [a] das Grosste Ganze von a bezeichnet. Kontrollieren wir die Voraussetzun-gen.

• (A1) tk strebt gegen 0, ρk ist im wesentlichen gleich Λ(tk)λ(tk)

, strebt somit auch

gegen 0, δk ist im wesentlichen gleich λ2(tk), strebt also auch gegen 0,

• (A2) hk ist im wesentlichen gleich λ(tk)Λ(tk)

log 1Λ(tk)

, strebt somit gegen unendlich,

• (A3) ρk verhalt sich wie Λ(tk)λ(tk)

, nach Voraussetzung von Satz 5.3 verhalt sich

dieser Ausdruck wie o(tk),

• (A4) wir erhalten sofort hkρk

2=

[log 1

Λ(tk)

].

Außerdem setzen wir voraus

• (A5) d0 ≤ infk

λ(tk)

λ(tk ± 43ρk)

≤ supk

λ(tk)

λ(tk ± 43ρk)

≤ d1

mit positiven Konstanten d0 und d1.

Beispiel: Wir diskutieren anhand eines Beispiels die Voraussetzung (A5).Vorgelegt sei

λ(t) =d

dtexp

(− exp[n] 1

t

)=

1

t2exp

(− exp[n] 1

t

)exp[n] 1

t· · · exp

1

t,

folglich Λ(t) = exp(− exp[n] 1

t

), und Λ−1(s) =

1

log[n+1] 1s

.

103

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Entsprechend obiger Wahl erhalten wir

tk = Λ−1(

exp(− exp[n] k))

=1

kmit k ∈ N,

ρk ∼ 1

2

Λ(tk)

λ(tk)=

1

2

t2kexp[n] 1

tk· · · exp 1

tk

=1

2k2 exp[n] k · · · exp k.

Somit ergibt sich limk→∞λ(tk)

λ(tk± 12ρk)

= 1.

Aufgabe 40 Beweisen Sie diese Beziehung!

Schritt 4: Eigenschaften von bk

Wir wollen jetzt zeigen, daß der im 2.Schritt konstruierte Koeffizient b = b(t) denVoraussetzungen von Satz 5.1 erfullt. Die zusatzlich eingefuhrte Voraussetzung (A5)liefert

0 < b0 ≤ inft∈[0,T ]

bk(t) ≤ supt∈[0,T ]

bk(t) ≤ b1 < ∞,

wobei die Konstanten b0 und b1 unabhangig von k sind. Berucksichtigen mussen wirdabei nur, daß δk ∼ λ2(tk) gilt und daß δk nur in dem Intervall [tk − 4

3ρk, tk + 4

3ρk]

in der Definition von bk(t) auftritt.

Zu zeigen haben wir folgende Ungleichungen auf der Menge Ik ∪ I ′k ∪ I ′′k :

|b′k(t)| ≤ Cλ(t)

Λ(t)log

1

Λ(t); |b′′k(t)| ≤ C

(λ(t)

Λ(t)log

1

Λ(t)

)2

,

wobei die Konstante C unabhangig von k ist. Hierfur benutzen wir naturlich die Vo-raussetzungen (A1) bis (A5) fur λ = λ(t), insbesondere folgt aus (A5) die BeziehungΛ(t) ∼ Λ(tk) auf dem Intervall [tk − 4

3ρk, tk + 4

3ρk], und die konkrete Parameterwahl

aus Schritt 3. Wir werden uns das Verhalten der ersten Ableitung b′k(t) auf Ik an-schauen. Wir haben auf Ik die Darstellung b2

k(t) = δk

λ2(t)b2(hk(t − tk)). Als erste

Ableitung erhalten wir

b′k(t) = −2λ′(t)λ(t)

δk

λ2(t)b2(hk(t− tk)) + 2hk

δk

λ2(t)b(hk(t− tk))b

′(hk(t− tk)).

Nutzen wir

λ′(t)λ(t)

∼ λ(t)

Λ(t), hk ∼ λ(tk)

Λ(tk)log

1

Λ(tk), λ(t) ∼ λ(tk), Λ(t) ∼ Λ(tk) auf Ik,

dann folgt sofort die Abschatzung

|b′k(t)| ≤ Cλ(t)

Λ(t)log

1

Λ(t)auf Ik

104

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mit einer von k unabhangigen Konstanten C.

Schritt 5: Konkrete Wahl der Daten

Es sei χ = χ(r) ∈ [0, 1] eine abschneidende Funktion aus C∞0 (R), wobei χ ≡ 1 fur

|r| ≤ 1 und χ ≡ 0 fur |r| ≥ 2 definiert wird. Wir wahlen fur große k die folgendenDaten:

u0,k(x) = exp(i

hk√δk

xξ)χ( x

(log 1Λ(tk)

)2Pk

), u1,k(x) = 0 fur alle x ∈ R,

wobei

Pk = 2π

√δk

hkξ∼ Λ(tk)

(log

1

Λ(tk)

)−1

definiert ist. Nach dieser Fixierung wollen wir fur s ≥ 0 die Norm ‖u0,k‖Hs(R)

abschatzen. Es sei zuerst s ganzzahlig. Dann gilt fur m ∈ N, m ≤ s

‖u0,k‖2Hm(R) =

|x|≤2(log 1Λ(tk)

)2Pk

|dmx u0,k(x)|2dx

=

|x|≤2(log 1Λ(tk)

)2Pk

∣∣∣∑

0≤m1≤m

( mm1

)dm1

x exp(i

hk√δk

xξ)dm−m1

x χ( x

(log 1Λ(tk)

)2Pk

)∣∣∣2

dx

≤ Cm

(( hk√δk

)m

+1

(Λ(tk) log 1Λ(tk)

)m+ 1

)2(log

1

Λ(tk)

)2

Pk.

Zusammenfassend ergibt sich somit fur alle s ≥ 0, s ∈ N,

‖u0,k‖Hs(R) ≤ C(( hk√

δk

)s

+1

(Λ(tk) log 1Λ(tk)

)s+ 1

)(log

1

Λ(tk)

)√Pk.

Durch Interpolation erhalten wir diese Beziehung auch fur alle nicht ganzzahligens ≥ 0.

Aufgabe 41 Versuchen sie ausgehend von einem Interpolationssatz die letzteBeziehung fur alle nicht ganzzahligen s herzuleiten.

Schritt 6: Cauchy-Probleme auf Ik

Wir studieren folgende Cauchy-Probleme auf Ik:

utt − δkb2(hk(t− tk))uxx = 0, u(tk, x) = u0,k(x), ut(tk, x) = 0, t ∈ [tk − ρk

2, tk +

ρk

2].

Spater interessieren wir uns fur die eindeutig bestimmte Losung uk = uk(tk + ρk

2, x)

auf der Menge |x| ≤ Pk. Bestimmen wir das Abhangigkeitsgebiet der Losungen

105

Page 106: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

uk auf t = tk + ρk

2uber der Menge |x| ≤ Pk bezuglich dem Datum u0,k auf t = tk.

Falls wir auf t = tk± ρk

2die Variable x aus der Menge |x| ≤ Pk nehmen, dann wird

die Losung u(tk + ρk

2, x) durch die Daten auf der Menge |x| ≤ Pk + O(ρk

√δk

2) bee-

influßt. Nutzen wir ρk

√δk = O(Λ(tk)) und Pk = Λ(tk)(log 1

Λ(tk))−1, dann benotigen

wir Informationen uber die Daten auf der Menge |x| ≤ O(log( 1Λ(tk)

)Pk). Der

Anfangswert u0,k verhalt sich auf dieser Menge wie u0,k(x) = exp(i hk√

δkxξ

).

Die Transformationen s = hk(t − tk), v(s, x) := u(t, x) uberfuhren obiges Cauchy-Problem in das folgende:

vss − δk

h2k

b2(s)vxx = 0, v(0, x) = u0,k(x), vs(0, x) = 0, s ∈[− hkρk

2,hkρk

2

],

wobei wir jetzt das Datum u0,k mit u0,k(x) = exp(i hk√

δkxξ

)voraussetzen. Es existiert

eine eindeutig bestimmte Losung uk = uk(s, x) in der Form uk(s, x) = u0,k(x)w(s),wobei w = w(s) dem Cauchy-Problem

w′′(s) + ξ2b2(s)w(s) = 0, w(0) = 1, w′(0) = 0, s ∈[− hkρk

2,hkρk

2

],

genugt und wobei ξ wie im Lemma 5.1 gewahlt wird. Nach Anwendung von Lemma5.1 und Rucktransformation erhalten wir fur |x| ≤ Pk

uk

(tk +

ρk

2, x

)= exp

(i

hk√δk

xξ)w

(ρkhk

2

), uk(tk, x) = exp

(i

hk√δk

xξ)w(0),

mit∣∣∣w

(ρkhk

2

)∣∣∣ ∼ |µ0|ρkhk

2 .

Schritt 7: Mindestens ein endlicher Ableitungsverlust

Zuerst kummern wir uns um die Norm ‖uk(tk + ρk

2, ·)‖Hs−p0 (|x|≤Pk). Es gilt

‖uk(tk +ρk

2, ·)‖Hs−p0(|x|≤Pk) ∼

(( hk√δk

)s−p0

+ 1)√

Pk|µ0|ρkhk

2 .

Diese Berechnung ergibt sich wie im Schritt 5. Schauen wir uns dieLosungsdarstellung

uk

(tk +

ρk

2, x

)= exp

(i

hk√δk

xξ)w

(ρkhk

2

)

genau an, dann ergibt sich Dxuk = i hk√δk

ξuk fur |x| ≤ Pk. Damit konnen wirschlußfolgern

log〈Dx〉 ∼ loghk√δk

∼ log1

Λ(tk)∼ hkρk.

106

Page 107: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

Folgende Abschatzungen fuhren jetzt zum Ziel, dabei setzen wir t(1)k = tk, t

(2)k =

tk + ρk

2, beide Folgen t(1)

k k, t(2)k k sind Nullfolgen:

‖uk(t(2)k , ·)‖Hs−p0(R) ≥ ‖uk(t

(2)k , ·)‖Hs−p0 (|x|≤Pk) ≥ C

(( hk√δk

)s−p0

+ 1)√

Pk|µ0|ρkhk

2 ,

‖uk(t(1)k , ·)‖Hs(R) ≤ C

(( hk√δk

)s

+1

(Λ(tk) log 1Λ(tk)

)s+ 1

)(log

1

Λ(tk)

)√Pk.

Berucksichtigen wir schließlich mit a = log |µ0| > 0, |µ0| > 1

|µ0|ρkhk

2 ∼ exp(a log

( hk√δk

))∼

( hk√δk

)a

,hk√δk

→∞ fur k →∞,

dann impliziert die Wahl p0 < a sofort die gewunschte Abschatzung

‖uk(t(2)k , ·)‖Hs−p0(R) ≥ Ck‖uk(t

(1)k , ·)‖Hs(R)

mit supk Ck = ∞. Somit tritt der endliche Ableitungsverlust tatsachlich auf. Damitist der Satz 5.3 vollstandig bewiesen.

Bemerkung: Der endlich degenerierte Fall (λ(t) = tl, l > 0) kann in gleicher Weisestudiert werden. Wir wahlen die Parameterfolgen ρkk = 2−(k+3)k, tkk =2−kk, δkk = λ2(tk) = 2−2k`k, hk = 32k2kk. Dabei benotigen wir nicht die

Voraussetzung Λ(t)λ(t)

= o(t).

Aufgabe 42 Vollziehen sie die Schritte 1 bis 7 fur den endlich degenerierten Fallnach!

Weitere Aufgabenstellungen: Aus den obigen Untersuchungen ergeben sich direktdie folgenden Aufgabenstellungen:

1. Im Satz 5.3 haben wir nur den Fall ν(t) = log 1Λ(t)

studiert. Wir habengezeigt, daß in diesem Fall ein endlicher Ableitungsverlust entsteht. Esergibt sich sofort die Frage, ob mit dem gleichen Beweisschema der Fall

ν(t) =(

log 1Λ(t)

, γ ∈ (0, 1) behandelt werden und gezeigt werden kann,

daß ein beliebig kleiner Ableitungsverlust tatsachlich auftritt.

5.3 Unendlicher Regularitatsverlust

Im Gegensatz zum Beweis der Optimalitat der Bedingungen, die zu einem endlichenAbleitungsverlust fuhren (siehe Satz 5.3) konnen wir explizit Beispiele von Cauchy-Problemen angeben, die zu einem unendlichen Ableitungsverlust fuhren. Dazustudieren wir wie gehabt das schwach hyperbolische Cauchy-Problem

utt − λ2(t)b2(t)uxx = 0, u(0, x) = ϕ(x), ut(0, x) = ψ(x).

107

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Wir setzen aber jetzt voraus, daß der Koeffizient b = b(t) eine ganz spezielle Strukturbesitzt. Der Koeffizient soll in der Form

b(t) := b((

log1

Λ(t)

)2

log[n] 1

Λ(t)

)

vorgegeben sein, wobei n ≥ 1 und b = b(s) eine glatte, positive, nicht konstante und1-periodische Funktion sind.

Bemerkung: Falls n = 0 ist, dann sind die Voraussetzungen von Satz 5.1 mitν(t) = log 1

Λ(t)erfullt, somit haben wir hochstens einen endlichen Ableitungsverlust.

Fur n ≥ 1 sind die Voraussetzungen von Satz 5.1 mit ν(t) = log 1Λ(t)

log[n] 1Λ(t)

erfullt,das ist eine schwachere Bedingung als im kritischen Fall n = 0. Deshalb erwartenwir einen unendlichen Ableitungsverlust, d.h. wir haben i.a. keine Sobolevlosung zuvorgegebenen Daten aus einem Sobolevraum. Falls n ≥ 1 ist, dann kommen wir mitwachsendem n beliebig nah an den kritischen Fall n = 0 heran.

Wenden wir uns jetzt dem Cauchy-Problem

utt − λ2(t)b2((

log1

Λ(t)

)2

log[n] 1

Λ(t)

)uxx = 0, u(0, x) = ϕ(x), ut(0, x) = ψ(x),

zu.

Satz 5.4 Vorgelegt sei das obige Cauchy-Problem, wobei λ = λ(t) den Vorausset-zungen von Satz 5.1 genugt. Falls n ≥ 1 ist, dann ist das Cauchy-Problem nichtC∞ korrekt gestellt, d.h. zu vorgegebenen Daten ϕ, ψ ∈ C∞(R) exisitiert i.a. keineLosung u ∈ C2([0, T ], C∞(R)).

Beweis: Philosophie des Vorgehens

Wir setzen voraus, daß das vorgelegte Cauchy-Problem C∞-korrekt ist. Benutzenwir die Abhangigkeitsgebietseigenschaft, dann konnen wir die Untersuchungen derC∞-Korrektheit auf die der H∞- Korrektheit reduzieren, d.h. zu vorgegebenenDaten ϕ, ψ ∈ H∞(R) exisitiert i.a. keine Losung u ∈ C2([0, T ], H∞(R)).

Wie schon nach der Formulierung von Satz 5.2 konnen wir auch jetzt bemerken, daßdie H∞-Korrektheit die Existenz von t, t0 ∈ [0, T ] unabhangigen Konstanten p1 undC sichert mit

Es−p1(u)(t) ≤ CEs(u)(t0),

d.h. ‖(∇u, ∂tu)(t, ·)‖Hs−p1 (R) ≤ ‖(∇u, ∂tu)(t0, ·)‖Hs(R)

gilt, wie zu sehen bezeichnet Es(u)(t) die Wellenenergie auf der Basis von Hs.

Die H∞-Korrektheit kann nach [26] auch wie folgt charakterisiert werden:

108

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Es existieren zwei nichtnegative Konstanten r und C so, daß fur jede Losung u,und fur beliebige t(1), t(2) ∈ [0, T ] und ξ ∈ R die partielle Fouriertransformierteu = u(t, ξ) der folgenden Abschatzung genugt:

|u(t(2), ξ)|+∣∣∣ d

dtu(t(2), ξ)

∣∣∣ ≤ C(1 + |ξ|)r(|u(t(1), ξ)|+

∣∣∣ d

dtu(t(1), ξ)

∣∣∣).

Am Ende des Beweises werden wir eine Folge von Losungen um(t, ξ)m der partiellFouriertransformierten Ausgangsgleichung

utt + λ2(t)b2((

log1

Λ(t)

)2

log[n] 1

Λ(t)

)ξ2u = 0,

eine Folge von Frequenzen ξmm mit limm→∞ |ξm| → ∞, und eine Folge von Zeit-

paaren (t(1)m , t

(2)m )m mit 0 < t

(1)m < t

(2)m < T , und limm→∞ t

(1)m = limm→∞ t

(2)m = 0

konstruieren mit folgender Eigenschaft:

|um(t(2)m , ξm)|+

∣∣∣ d

dtum(t(2)

m , ξm)∣∣∣

≥ C0 exp(C1 log |ξm|(log[n] |ξm|) 12 )

(|um(t(1)

m , ξm)|+∣∣∣ d

dtum(t(1)

m , ξm)∣∣∣).

Das widerspricht der aus [26] bekannten Charakterisierung der H∞-Korrektheit.

Schritt 1: Herleitung einer Hilfsgleichung

Wir setzen s = log[n] 1Λ(t)

(log 1Λ(t)

)2 und definieren w(s, ξ) := τ12 (s)u(t(s), ξ) mit

τ(s) := −dsdt

(t(s)). Dann erhalten wir die Hilfsgleichung

wss(s, ξ) + b2(s)λ(s, ξ)w(s, ξ) = 0, (s, ξ) ∈ [s(T ),∞)× R,

wobei sich der Teil λ(s, ξ) des Koeffizienten in folgender Form ergibt:

λ(s, ξ) = λ1(s, ξ)+λ2(s), λ1(s, ξ) =λ2(t(s))|ξ|2

τ 2(s), λ2(s) =

θ(s)

b2(s)τ 2(s), θ =

(τ ′)2 − 2τ ′′τ4

.

Diese Art der Transformation ist dazu geeignet, den oszillierenden Teil des Koef-fizienten in der Form b2(s) (entsprechend der Form der Floquet Theorie) zu erhalten.

Zuerst zeigen wir, daß der Anteil λ2(s) von λ(s, ξ) unwesentlich ist und damit nurλ1(s, ξ) von Bedeutung ist. Formale Berechnungen ergeben

τ ′(s)2 − 2τ ′′(s)τ(s)

τ 2(s)=

1

τ 4(s)

(3(d2s

dt2

)2

− 2d3s

dt3ds

dt

)

∼(2λ(t)

Λ(t)log

1

Λ(t)log[n] 1

Λ(t)

)−4(12

(λ(t)

Λ(t)

)4(log[n] 1

Λ(t)

)2

109

Page 110: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

+12(λ′(t)Λ(t)− λ2(t)

Λ2(t)log

1

Λ(t)log[n] 1

Λ(t)

)2

−8λ(t)

Λ(t)

λ′′(t)Λ(t)− λ′(t)λ(t)

Λ2(t)

(log

1

Λ(t)log[n] 1

Λ(t)

)2

+16(λ(t)

Λ(t)

)2λ′(t)Λ(t)− λ2(t)

Λ2(t)

(log

1

Λ(t)log[n] 1

Λ(t)

)2).

Damit gilt lims→∞ λ2(s) = 0.

Fur die weiteren Berechnungen benotigen wir (wir studieren nur noch den Fall n ≥ 2)

s = log[n] 1

Λ(t)

(log

1

Λ(t)

)2

liefert(

log1

Λ(t)

)2

∼ s

log[n−1] s12

.

Schritt 2: Zum asymptotischen Verhalten

Wir definieren eine Funktion sξ = s(ξ) implizit durch

λ(s, ξ) ∼ 1

4

1

s log[n−1] s12 exp

(2(

s

log[n−1] s12

) 12) |ξ|2 + λ2(s) = λ0,

wobei die Konstante λ0 spater gewahlt wird. Wir verraten an dieser Stelle, daßλ0 aus einem Instabilitatsintervall fur den Koeffizienten b2(s) gewahlt wird. DieDefinition fur sξ impliziert sξ →∞ falls ξ →∞ strebt. Damit ist fur sehr große |ξ|wegen λ2(s) → 0 fur s →∞ folgende Beziehung naherungsweise erfullt:

1

4

1

s log[n−1] s12 exp

(2(

s

log[n−1] s12

) 12) |ξ|2 ∼ λ0.

Wir interessieren uns spater fur große s, d.h. in Konsequenz fur kleine t in der Nahevon t = 0. Aus diesem Grunde benotigen wir das asymptotische Verhalten von λ1

und λ2 um große Werte sξ.

Im folgenden Lemma fuhren wir eine Variable δ ein. Es ist dabei einerseits zubeachten, daß δ sehr groß werden darf fur sξ →∞, daß aber andererseits die obereGrenze fur δ im Vergleich zu sξ klein sein muß fur sξ →∞.

Lemma 5.2 Fur 0 ≤ δ ≤ log |ξ|(log[n] |ξ|) 12 , und hinreichend große sξ gilt

|λ1(sξ − δ, ξ)− λ1(sξ, ξ)| ≤ Cλ1(sξ, ξ)(log[n] |ξ|)− 12 ,

|λ2(sξ − δ)− λ2(sξ)| ≤ Cλ2(sξ)((log |ξ| log[n] |ξ|) 12 )−1.

Daraus ergibt sich sofort

|λ(sξ − δ, ξ)− λ(sξ)| ≤ Cλ(sξ, ξ)(log[n] |ξ|)− 12 .

110

Page 111: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

Beweis: Aus der impliziten Definition von sξ erhalten wir

1

4(log |ξ|)2 ≤ sξ

log[n−1] s12ξ

≤ (log |ξ|)2.

Folglich giltC1(log |ξ|)2 log[n] |ξ| ≤ sξ ≤ C2(log |ξ|)2 log[n] |ξ|.

Fur große |ξ| und 0 ≤ δ ≤ log |ξ|(log[n] |ξ|) 12 haben wir

∣∣∣ δ

∣∣∣ ≤ C1

log |ξ|(log[n] |ξ|) 12

,

und, folglich,

|λ1(sξ − δ, ξ)− λ1(sξ, ξ)|

=

∣∣∣∣∣∣∣∣

|ξ|2

(sξ − δ) log[n−1](sξ − δ)12 exp

(2(

sξ−δ

log[n−1](sξ−δ)12

) 12) − λ1(sξ, ξ)

∣∣∣∣∣∣∣∣

∣∣∣∣∣∣∣∣

|ξ|2

(sξ − δ) log[n−1] s12ξ exp

(2(

sξ−δ

log[n−1](sξ−δ)12

) 12) − λ1(sξ, ξ)

∣∣∣∣∣∣∣∣

∼ λ1(sξ, ξ)

∣∣∣∣∣∣(1− δ

)−1

exp(− 2

( sξ

log[n−1] s12ξ

) 12((

1− δ

) 12 − 1

))− 1

∣∣∣∣∣∣≤ Cλ1(sξ, ξ)(log[n] |ξ|)− 1

2 .

Beachten wir λ2(s) ∼ 1

s log[n−1] s12, dann konnen wir schlußfolgern

|λ2(sξ − δ)− λ2(sξ)|∼

∣∣∣ 1

(sξ − δ) log[n−1](sξ − δ)12

− λ2(sξ)∣∣∣ ≤

∣∣∣ 1

(sξ − δ) log[n−1](sξ)12

− λ2(sξ)∣∣∣

∼ λ2(sξ)∣∣∣(1− δ

)−1

− 1∣∣∣ ≤ Cλ2(sξ)

1

log |ξ|(log[n] |ξ|) 12

.

2

Bemerkung Berucksichtigen wir λ2(s) → 0 fur s → ∞ dann liefert uns die letzteAbschatzung noch einmal die unwesentliche Rolle von λ2(s). Im weiteren konzen-trieren wir uns somit auf λ(s, ξ) = λ1(s, ξ).

111

Page 112: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

Schritt 3: Anwendung der Floquet-Theory

In Abschnitt 4.2 haben wir uns fur die Fundamentallosung X = X(s, s0) als Losungdes Cauchy Problems

d

dsX =

(0 −λ0b

2(s)1 0

)X =: A(s)X, X(s0, s0) =

(1 00 1

)

interessiert. Wir haben dort die Verbindung dieser Fundamentallosung zu Losungenvon wss + λ0b

2(s)w = 0 dargestellt und Eigenschaften dieser studiert. Aus dervorausgesetzten 1-Periodizitat von b = b(s) folgt sofort die Unabhangigkeit vonX(s0 − 1, s0) von s0 ∈ N. Das folgende wichtige Resultat der Floquet-Theoriewiederholen wir noch einmal (vgl. mit Lemma 4.4).

Lemma 5.3 (Floquet-Theorie, vgl. mit [23]) Es sei b = b(s) ∈ C2 eine nichtkonstante und positive 1-periodische Funktion auf R. Dann exisitert ein positives λ0

aus einem Instabilitatsintervall fur wss +λ0b2(s)w = 0, d.h., die Fundamentalmatrix

X(s0 − 1, s0) hat Eigenwerte µ0 und µ−10 mit |µ0| > 1.

Wir starten jetzt von einem großen sξ ∈ N und werden die Fundamentalmatrix furkleiner werdende s untersuchen. Dabei wird die untere Grenze moglicher s durchdie obere Grenze von δ aus Lemma 5.2 bestimmt. Dieses Vorgehen entspricht inKonsequenz einem kleinen tξ, und kleiner werdende s entsprechen der Untersuchungder Fundamentalmatrix fur wachsende t. Wir setzen dazu

X(sξ − 1, sξ) =

(x11 x12

x21 x22

).

Das Lemma 5.3 liefert die Eigenwerte µ0 und µ−10 . Deshalb gilt

x11 + x22 = µ0 + µ−10 ,

bzw.|x11 − µ0|+ |x22 − µ0| ≥ |µ0 − µ−1

0 |.Daraus folgt

max|x11 − µ0|, |x22 − µ0| ≥ 1

2|µ0 − µ−1

0 |.Unter der Voraussetzung

|x11 − µ0| ≥ 1

2|µ0 − µ−1

0 |,

der andere Fall kann analog behandelt werden, haben wir

|x22 − µ−10 | ≥ 1

2|µ0 − µ−1

0 |.

112

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Fur ganzzahliges m ≥ 0, dabei stimmt die obere Grenze von m im wesentlichen mitder von δ uberein, betrachten wir folgende Gleichung:

wss+1

4

1

(sξ −m + s) log[n−1](sξ −m + s)12 exp

(2(

sξ−m+s

log[n−1](sξ−m+s)12

) 12) |ξ|2b2(sξ−m+s)w = 0,

die sich wegen der 1-Periodizitat von b = b(s) in der Form

wss+1

4

1

(sξ −m + s) log[n−1](sξ −m + s)12 exp

(2(

sξ−m+s

log[n−1](sξ−m+s)12

) 12) |ξ|2b2(sξ+s)w = 0

schreiben lasst. Wir gehen also im wesentlichen m Schritte von sξ zuruck. Es seiXm(s, s1) die dazu assoziierte Losung des folgenden Systems erster Ordnung:

d

dsXm(s, s1)

=

0 −14

1

(sξ−m+s) log[n−1](sξ−m+s)12 exp

(2

(sξ−m+s

log[n−1](sξ−m+s)12

) 12) |ξ|2b2(sξ + s)

1 0

Xm(s, s1),

Xm(s1, s1) =

(1 00 1

).

Lemma 5.4 Es gilt maxs,s1∈[−1,0] ‖Xm(s, s1)‖ ≤ exp(Cλ0) fur 0 ≤ m ≤log |ξ|(log[n] |ξ|) 1

2 (vergleiche die Intervalle fur δ und m). Somit sind alle Funda-mentallosungen Xm(s, s1) gleichmaßig normbeschrankt sofern m obiger Bedingunggenugt.

Beweis: Bezeichnen wir mit Am die Koeffizientenmatrix obigen Systems dannerhalten wir mit dem Matrizanten die Losungsdarstellung

Xm(s, s1) = I +∞∑

j=1

∫ s

s1

Am(r1, ξ)

∫ r1

s1

Am(r2, ξ) · · ·∫ rj−1

s1

Am(rj, ξ)drj · · · dr1.

Mit Lemma 5.2 haben wir

maxs,s1∈[−1,0] ‖Xm(s, s1)‖ ≤ exp(1 + b21|λ(sξ −m, ξ)− λ(sξ, ξ) + λ0|)

≤ exp(1 + b21(1 + ε)λ0) ≤ exp(Cλ0),

wobei b1 = maxsb(s) und 0 ≤ m ≤ log |ξ|(log[n] |ξ|) 12 verwendet werden. 2

Lemma 5.5 Es gilt

‖Xm(−1, 0)−X(sξ − 1, sξ)‖ ≤ C(log[n] |ξ|)− 12

113

Page 114: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

fur 0 ≤ m ≤ log |ξ|(log[n] |ξ|) 12 . Damit ist fur große ξ die Matrix Xm(−1, 0) nur

unwesentlich von X(sξ − 1, sξ) entfernt.

Aufgabe 43 Machen Sie sich noch einmal klar was es bedeutet, daß die MatrixXm(−1, 0) nur unwesentlich von X(sξ − 1, sξ) entfernt liegt. Welche Konsequenzenkann man daraus ziehen?

Beweis: Zuerst bemerken wir, daß X(sξ + s, sξ) = X(s, 0) gilt wegen sξ ∈ N undder 1-Periodizitat von b(s). Es gilt

dds

Xm(s, 0) =

(0 −λ(sξ, ξ)b

2(s)1 0

)Xm(s, 0)

+

(0

(λ(sξ, ξ)− λ(sξ −m + s, ξ)

)b2(s)

0 0

)Xm(s, 0)

mit Xm(0, 0) = I. Deshalb erhalten wir

dds

(Xm(s, 0)−X(s, 0)

)=

(0 −λ(sξ, ξ)b

2(s)1 0

) (Xm(s, 0)−X(s, 0)

)

+

(0

(λ(sξ, ξ)− λ(sξ −m + s, ξ)

)b2(s)

0 0

)Xm(s, 0)

mit dem Anfangsdatum Xm(0, 0)−X(0, 0) = 0.

In diesem System 1.Ordnung konnen wir unsere Strategie gut erlautern. Einerseitsist λ(sξ, ξ)b

2(s) = λ0b2(s), dadurch kommt Instabilitat ins Spiel. Andererseits folgt

aus Lemma 5.2

|λ(sξ, ξ)− λ(sξ −m + s, ξ)| ≤ Cλ0(log[n] |ξ|)− 12

fur 0 ≤ m ≤ log |ξ|(log[n] |ξ|) 12 . Mit der gleichmaßigen Beschranktheit von

‖Xm(r, 0)‖ aus Lemma 5.4 ergibt sich

‖Xm(s, 0)−X(s, 0)‖ ≤∣∣∣∫ s

0

Cλ0‖Xm(r, 0)−X(r, 0)‖dr+

∫ s

0

Cλ0(log[n] |ξ|)− 12‖Xm(r, 0)‖dr

∣∣∣.

Mit Hilfe der Gronwallschen Ungleichung schlußfolgern wir fur s = −1

‖Xm(−1, 0)−X(−1, 0)‖ = ‖Xm(−1, 0)−X(sξ − 1, sξ)‖ ≤ Cλ0(log[n] |ξ|)− 12 .

Damit ist die Aussage des Lemmas bewiesen. 2

Lemma 5.6 Es gilt

‖Xm(−1, 0)−Xm−1(−1, 0)‖ ≤ C(log |ξ| log[n] |ξ|)−1

114

Page 115: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

fur 0 < m ≤ log |ξ|(log[n] |ξ|) 12 .

Beweis: Wie im Beweis von Lemma 5.5 haben wir

d

ds

(Xm(s, 0)−Xm−1(s, 0)

)=

(0 −λ(sξ −m + s, ξ)b2(s)1 0

) (Xm(s, 0)−Xm−1(s, 0)

)

+

(0

(λ(sξ − (m− 1) + s, ξ)− λ(sξ −m + s, ξ)

)b2(s)

0 0

)Xm−1(s, 0)

mit Anfangsdatum Xm(0, 0)−Xm−1(0, 0) = 0. Gehen wir analog wie im Beweis von

Lemma 5.2 vor, dann ergeben sich fur 0 < m ≤ log |ξ|(log[n] |ξ|) 12 die Abschatzungen

|λ(sξ −m + r, ξ)− λ(sξ − (m− 1) + r, ξ)|∼ λ(sξ − (m− 1) + r, ξ)

∣∣∣(1− 1

sξ − (m− 1) + r

)−1

× exp(− 2

( sξ − (m− 1) + r

log[n−1](sξ − (m− 1) + r)12

) 12((

1− 1

sξ − (m− 1) + r

) 12 − 1

))− 1

∣∣∣

≤ Cλ0

sξ − (m− 1) + r

( sξ − (m− 1) + r

log[n−1](sξ − (m− 1) + r)12

) 12 ≤ Cλ0(log |ξ| log[n] |ξ|)−1.

Wie am Ende des Beweises von Lemma 5.5 schlußfolgern wir die gewunschte Ab-schatzung

‖Xm(−1, 0)−Xm−1(−1, 0)‖ ≤ Cλ0(log |ξ| log[n] |ξ|)−1

fur 0 < m ≤ log |ξ|(log[n] |ξ|) 12 . 2

Die Eigenwertbeziehungen

det(Iµ0 −X(sξ − 1, sξ)) = 0, det(Iµm −Xm(−1, 0)) = 0

und die aus Lemma 5.5 bekannte Abschatzung

‖Xm(−1, 0)−X(sξ − 1, sξ)‖ ≤ C(log[n] |ξ|)− 12

sichern fur die Matrix Xm(−1, 0), mit der Eigenschaft det Xm(−1, 0) = 1, Eigen-werte µm und µ−1

m , die folgender Relation genugen:

|µm − µ0| ≤ C(log[n] |ξ|)− 12 ≤ ε

fur jedes positive ε und fur hinreichend große sξ. Wahlen wir ε ≤ |µ0|−12

, dann gilt

|µm| ≥ 1

2(|µ0|+ 1) ≥ 1 + ε.

115

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Somit sind die Eigenwerte µm gleichmaßig großer als 1, und µm und µ−1m gleichmaßig

verschieden fur jedes m. Mit der Bezeichnung

Xm(−1, 0) =

(x11(m) x12(m)x21(m) x22(m)

)

haben wir

|x11(m)− µm| ≥ |x11 − µ0| − (|x11(m)− x11|+ |µ0 − µm|) ≥ 1

4|µ0 − µ−1

0 |.

Entsprechend gilt

|x22(m)− µ−1m | ≥ 1

4|µ0 − µ−1

0 |.Nach Lemma 5.6 ist

|xij(m)− xij(m− 1)| ≤ C(log |ξ| log[n] |ξ|)−1

bzw.|µm − µm−1| ≤ C(log |ξ| log[n] |ξ|)−1.

Schritt 4: Energieabschatzung fur ein Modellproblem

Die folgende Aussage stellt das Herzstuck unseres Beweises dar.

Lemma 5.7 Es sei m0 die grosste ganze Zahl, die 0 ≤ m ≤ log |ξ|(log[n] |ξ|) 12

erfullt. Dann erfullt fur (s, ξ) ∈ [s(1),∞)× R die Losung w = w(s, ξ) des Cauchy-Problems

wss(s, ξ) + b2(s)λ(s, ξ)w(s, ξ) = 0, w(sξ, ξ) = 1,d

dsw(sξ, ξ) =

x12(0)

µ0 − x11(0)

die Abschatzung

∣∣∣ d

dsw(sξ −m0 − 1, ξ)

∣∣∣ + |w(sξ −m0 − 1, ξ)| ≥ C exp(C1 log |ξ|(log[n] |ξ|) 12 ).

Aufgabe 44 Machen Sie sich die Bedeutung der letzten Abschatzung noch einmalklar, insbesondere wenn Sie diese in der Form

∣∣∣ d

dsw(sξ −m0 − 1, ξ)

∣∣∣ + |w(sξ −m0 − 1, ξ)|

≥ C exp(C1 log |ξ|(log[n] |ξ|) 12 )

(∣∣∣ d

dsw(sξ, ξ)

∣∣∣ + |w(sξ, ξ)|)

schreiben.

116

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Beweis: Die Funktion w(sξ −m0 + s, ξ) genugt

d2

ds2w + λ(sξ −m + s, ξ)b(sξ + s)w = 0

mit m = m0. Damit ergibt sich folgende Beziehung:(

dds

w(sξ −m0 − 1, ξ)w(sξ −m0 − 1, ξ)

)= Xm0(−1, 0)Xm0−1(−1, 0) · · ·X0(−1, 0)

(dds

w(sξ)w(sξ)

).

Die Matrix

Bm =

(x12(m)

µm−x11(m)1

1 x21(m)

µ−1m −x22(m)

)

ist ein Diagonalisator fur Xm(−1, 0), d.h.,

Xm(−1, 0)Bm = Bm

(µm 00 µ−1

m

).

Hier wird das Verhalten der Eigenwerte von Xm(−1, 0) berucksichtigt. Mitdet Xm(−1, 0) = 1 und der Spur von Xm(−1, 0) ist gleich µm + µ−1

m erhalten wir

det Bm =µm − µ−1

m

µ−1m − x22(m)

.

Lemma 5.4 liefert uns die Informationen

|µ−1m − x22(m)| ≤ C, |xij(m)| ≤ C,

und mit |µm| ≥ 1 + ε ergibt sich

| det Bm| ≥ C > 0, ‖Bm‖ ≤ C, ‖B−1m ‖ ≤ C

fur 0 ≤ m ≤ log |ξ|(log[n] |ξ|) 12 . Weiterhin schlußfolgern wir aus

|xij(m)− xij(m− 1)| ≤ C(log |ξ| log[n] |ξ|)−1

sofort

‖B−1m−1Bm − I‖ = ‖B−1

m−1(Bm −Bm−1)‖ ≤ C(log |ξ| log[n] |ξ|)−1.

Mit den Bezeichnungen Gm := B−1m−1Bm − I haben wir

Xm0(−1, 0)Xm0−1(−1, 0) · · ·X0(−1, 0)

= Bm0

(µm0 00 µ−1

m0

)(I + Gm0) · · · (I + G1)

(µ0 00 µ−1

0

)B−1

0 .

117

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Wir zeigen schließlich, daß das (1, 1) Element y11 der Matrix

(µm0 00 µ−1

m0

)(I + Gm0) · · · (I + G1)

(µ0 00 µ−1

0

)

nach unten abgeschatzt werden kann durch C0 exp(C1 log |ξ|(log[n] |ξ|) 12 ). Zuerst

haben wir

‖B−1m−1Bm − I‖ = ‖B−1

m−1(Bm −Bm−1)‖ ≤ C(log |ξ| log[n] |ξ|)−1.

Es gilt

(y11 y12

y21 y22

)=

m0∏k=1

µk 0

0m0∏k=1

µ−1k

+ M1 + · · ·+ Mm0 ,

wobei Ml die Matrix der Summe aller Faktoren ist, die exakt l der Matrizen Gk, k =1, · · · ,m0, enthalten. Es gilt naturlich die Abschatzung

‖Ml‖ ≤(

m0∏

k=1

|µl|)( ∑

1≤i1<···<il≤m0

l∏j=1

‖Gij‖)

.

Nutzen wir

‖Gl‖ ≤ C(log |ξ| log[n] |ξ|)−1, l = 1, · · · ,m0,

dann gilt

‖Ml‖ ≤(

m0∏

k=1

|µl|) (

m0

l

)C(log |ξ| log[n] |ξ|)−l.

Folglich ist

|y11| ≥(

m0∏

k=1

|µk|)

2−(

1 +C

log |ξ| log[n] |ξ|

)log |ξ|(log[n] |ξ|)1/2 ≥ 1

2

m0∏

k=1

|µk|.

Andererseits ist |ymp| ≤ νm0∏k=1

|µk|, ν > 0 beliebig klein, fur (m, p) 6= (1, 1). Damit

wird die gewunschte Aussage wegen

m0∏

k=1

|µk| ≥ C(1 + ε)m0 ≥ C(1 + ε)log |ξ|(log[n] |ξ|) 12

118

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erhalten. 2

Schritt 5: Verifikation der Aussage von Satz 5.4

Jetzt haben wir alle Vorbereitungen fur den Beweis von Satz 5.4 getroffen. Wirwahlen eine Folge ξmm positiver Frequenzen mit |ξm| → ∞ fur m → ∞. Furgroße ξm sei wm(s, ξ) die Losung aus Lemma 5.7 mit ξ = ξm. Außerdem wahlen wir

t(1)m = t(sξm), t(2)

m = t(sξm −m0(ξm)− 1), um(t, ξm) = τ−12 (s(t))wm(s(t), ξm).

Beachten wirΛ−1

( c1

|ξm|)≤ t(1)

m < t(2)m ≤ Λ−1

( c2

|ξm|),

dann sind beide Folgen t(1)m m, t(2)

m m Nullfolgen. Fur 0 < t ≤ T haben wir∣∣∣ d

dswm(s(t), ξ)

∣∣∣ ≤ 1

2τs(s(t))τ

− 12 (s(t))|um(t, ξ)|+ τ−

12 (s(t))

∣∣∣ d

dtum(t, ξ)

∣∣∣.

Deshalb durfen wir wie folgt schlußfolgern:

|wm(s(t), ξ)|+∣∣∣ d

dswm(s(t), ξ)

∣∣∣ ≤ τ12 (s(t))

(1 +

τs(s(t))

2τ(s(t))

)|um(t, ξ)|+ τ−

12

∣∣∣ d

dtum(t, ξ)

∣∣∣

≤ 2τ12 (s(t))|um(t, ξ)|+ τ−

12 (s(t))

∣∣∣ d

dtum(t, ξ)

∣∣∣

≤ Cτ12 (s(t))

(|um(t, ξ)|+

∣∣∣ d

dtum(t, ξ)

∣∣∣),

|um(t, ξ)|+∣∣∣ d

dtum(t, ξ)

∣∣∣ ≤ Cτ12 (s(t))

(|wm(s(t), ξ)|+

∣∣∣ d

dswm(s(t), ξ)

∣∣∣).

Jetzt wenden wir die erste Ungleichung fur t = t(2)m , die zweite Ungleichung fur

t = t(1)m und die Aussage von Lemma 5.7 an. All das liefert

|um(t(2)m , ξm)|+

∣∣∣ d

dtum(t(2)

m , ξm)∣∣∣

≥ Cτ−12 (s(t(2)

m ))(|wm(s(t(2)

m ), ξm)|+∣∣∣ d

dswm(s(t(2)

m ), ξm)∣∣∣)

≥ Cτ−12 (s(t(2)

m )) exp(C1 log |ξm|(log[n] |ξm|) 12 )

≥ Cτ−12 (s(t(2)

m ))τ−12 (s(t(1)

m )) exp(C1 log |ξm|(log[n] |ξm|) 12 )

(|um(t(1)

m , ξm)|+∣∣∣ d

dtum(t(1)

m , ξm)∣∣∣)

≥ C exp(C2 log |ξm|(log[n] |ξm|) 12 )

(|um(t(1)

m , ξm)|+∣∣∣ d

dtum(t(1)

m , ξm)∣∣∣),

wobei C, C1 und C2 universelle positive Konstanten sind. Fur den Fall unendlicherEntartung berechnen wir

s(t) =1

t2log[n−1] 1

t, t ∼

√log[n−1] s

12

s,

119

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τ(s) = 21

t3log[n−1] 1

t

∣∣∣t=t(s)

∼ 2s

√s

log[n−1] s12

,

sξ, sξ −m0 − 1 ∼ (log |ξ|)2 log[n] |ξ|,

τ(sξ), τ(sξ −m0 − 1) ∼ s32ξ

(log[n−1] s12ξ )

12

∼ (log |ξ|)3(log[n] |ξ|) 32

(log[n−1]

((log |ξ|)(log[n] |ξ|) 1

2

)) 12

.

Damit gilt die gewunschte Aussage. Weiterhin berechnen wir fur den Fall endlicherEntartung

s(t) =(

logl + 1

tl+1

)2

log[n] l + 1

tl+1, t ∼ (l + 1)

1l+1 exp

(− 1

l + 1

( s

log[n−1] s12

) 12),

τ(s) = 2l + 1

tlog

l + 1

tl+1log[n] l + 1

tl+1

∣∣∣t=t(s)

∼ 2(l+1)( 1

l + 1

) 1l+1

sexp

(1

l+1

(s

log[n−1] s12

) 12)

(s

log[n−1] s12

) 12

,

sξ, sξ −m0 − 1 ∼ (log |ξ|)2 log[n] |ξ|,τ(sξ), τ(sξ −m0 − 1)

∼ log |ξ|(log[n] |ξ|) 12

(log[n−1]

(log |ξ|(log[n] |ξ|) 1

2

)) 12exp

(1

l+1log |ξ|(log[n] |ξ|) 1

2

(log[n−1](log |ξ|(log[n] |ξ|) 12 ))

12

).

Die gewunschte Aussage gilt ebenfalls, da ξm →∞ fur m →∞ gilt. Damit ist derBeweis von Satz 5.4 abgeschlossen. 2

Bemerkung Mit dem Beweis von Satz 5.4 haben wir Familien von Koeffizientenλ2(t)b2(t) konstruiert fur welche das zugrunde gelegte Cauchy-Problem

utt − λ(t)2b(t)2uxx = 0, u(0, x) = ϕ(x), ut(0, x) = ψ(x),

nicht H∞ und damit auch nicht C∞-korrekt ist.

Bemerkung Wir sollten einige Beispiele von Cauchy-Problemen bringen.

Beispiel 1 Wir wahlen λ(t) = exp(−t−α), α > 0. Dann sind nach Satz 5.4 dieCauchy-Probleme

utt−e−2t−α(2+sin

( 1

t2αlog[n−1] 1

))uxx = 0, u(0, x) = ϕ(x), ut(0, x) = ψ(x), n ≥ 2,

nicht H∞ bzw. nicht C∞ korrekt. Damit wird das Resultat aus [41] verbessert.Danach ist das Cauchy-Problem

utt − e−2t−α(2 + sin

(1

t

))uxx = 0, u(0, x) = ϕ(x), ut(0, x) = ψ(x),

120

Page 121: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

H∞ bzw. C∞-korrekt genau dann, wenn α ≥ 1/2.

Beispiel 2 Wir wahlen λ(t) = tl, l > 0. Dann sind nach Satz 5.4 die Cauchy-Probleme

utt−t2l(2+sin

((log

1

t

)2(log[n] 1

t

)))uxx = 0, u(0, x) = ϕ(x), ut(0, x) = ψ(x), n ≥ 2,

nicht H∞ bzw. nicht C∞ korrekt.

Aufgabe 45 Finden Sie noch andere Beispiele!

5.4 Optimalitat von Levi-Bedingungen

Vorgelegt sei das folgende lineare Cauchy-Problem

Lu := ∂mt u +

m∑j=1

aj(t, ∂x)∂m−jt u = 0, ∂j

t u(t0, x) = uj(x)

fur j = 0, ..., m − 1 und fur t0 ∈ [0, T ], d.h. wir stellen die Cauchy-Bedingungennicht notwendig auf t0 = 0. Die Koeffizienten von aj sind glatt auf [0, T ].

Definition 5.1 Wir sagen, daß das obige Cauchy-Problem gleichmaßig H∞-korrekt in der positiven Zeitrichtung (oder in der Zukunft) ist, falls zu jedem

uj ∈ H∞(Rn) :=∞⋂

k=1

Hk(Rn), j = 0, ..., m − 1, eine eindeutige Losung u ∈Cm([t0, T ], H∞) existiert.

Betrachten wir das nach partieller Fouriertransformation erhaltene Cauchy-Problem

∂mt v +

m∑j=1

aj(t, iξ)∂m−jt v = 0, ∂j

t v(t0, ξ) = vj(ξ), j = 0, ..., m− 1

mit v = Fx→ξ(u) und vj = F (uj), dann haben wir folgende notwendige und hinre-ichende Aussage fur die gleichmaßige H∞-Korrektheit:

Satz 5.5 Das vorgelegte Cauchy-Problem ist gleichmaßig H∞-korrekt genau dann,wenn folgende Ungleichung gilt fur t ∈ [t0, T ], wobei die Konstanten C(T ) und punabhangig von t0 und den Daten uj, j = 0, ..., m− 1 sind:

m−1∑j=0

|∂jt v(t, ξ)| ≤ C(T )(1 + |ξ|)p

m−1∑j=0

|∂jt v(t0, ξ)|.

Als Anwendung von Satz 5.5 wenden wir uns dem Cauchy-Problem

∂2t u− t2l∂2

xu− a tk∂xu = 0, u(t0, x) = u0(x), ∂tu(t0, x) = u1(x)

121

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zu. In t = 0 ist die gegebene Differentialgleichung schwach hyperbolisch, fur t > 0strikt hyperbolisch. In einer Umgebung von t = 0 kann a tk∂xu nicht als Termniederer Ordnung betrachtet werden. Dabei ist a eine reelle Konstante.

Satz 5.6 Das vorgelegte Cauchy-Problem mit l ≥ 1 ist gleichmaßig H∞-korrektfur t ≥ 0 genau dann, wenn k ≥ l − 1 gilt.

Beweis: Zuerst beweisen wir die Notwendigkeit der Bedingung k ≥ l − 1. Es seia 6= 0. Wir setzen voraus k < l− 1 und zeigen, daß das vorgelegte Cauchy-Problemin diesem Fall nicht gleichmaßig H∞-korrekt ist. Wir studieren nach partieller Fouri-ertransformation das Cauchy-Problem

∂2t v + t2lξ2v − i a tkξ v = 0, v(t0, ξ) = v0(ξ), ∂tv(t0, ξ) = v1(ξ).

Angenommen dieses ist gleichmaßig H∞-korrekt, dann gilt nach Satz 5.5

|v(t, ξ) + |∂tv(t, ξ)| ≤ C(T )(1 + |ξ|)p(|v(t0, ξ)|+ |∂tv(t0, ξ)|).

Wir zeigen jedoch, daß fur kein C(T ) und p diese Ungleichung fur alle t ∈ [t0, T ]und t0 ∈ [0, T ] erfullt werden kann.

1. Schritt: Diagonalisierung

Wir werden unsere Untersuchungen in einem Teil des Phasenraumes, in(t, ξ) ∈ [1/ξ, tξ], ξ → +∞ durchfuhren.Mit einem spater zu wahlenden σ ∈ (0, 1) definieren wir tξ = ξ−σ fur ξ À 1. Damitist 1/ξ < tξ und außerdem

t2l−kξ ξ = ξ−σ(2l−k)+1 → 0 fur ξ →∞

falls 12l−k

< σ < 1. Somit gilt auch t2l−kξ → 0 fur t ∈ [1/ξ, tξ] fur ξ → ∞.Vergleichen wir die Glieder

t2lξ2v und iatkξv

in obigem Teil des Phasenraums, dann erweist sich iatkξv als der bestimmende Term,da

t2lξ2v = t2l−kξ︸ ︷︷ ︸→0

(tkξv).

Der bestimmende Term legt die Diagonalisierungsstrategie fest. Wir setzen w0 =t

k2 ξ

12 v, w1 = ∂tv, und mit W = (w0, w1)

T erhalten wir

∂tW =

(0 1ia− t2l−kξ 0

)t

k2 ξ

12 W +

k

2t

(1 00 0

)W.

122

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Die Eigenwerte der Matrix

(0 1ia 0

)sind ± λ = ±

√ia.

Da a 6= 0 als reell vorausgesetzt wird, konnen wir annehmen <√ia > 0. Wirdefinieren den Diagonalisator

N =

(λ 1

−λ 1

), λ =

√ia

und erhalten

N−1 =1

(1 −1λ λ

), N

(1 00 0

)N−1 =

1

2

(1 −1

−1 1

),

N

(0 1ia 0

)N−1 =

(λ 00 −λ

).

Setzen wir W = (w0, w1)T := NW , dann schlußfolgern wir folgendes System 1.

Ordnung fur W :

∂tW =

( √ia + p11(t, ξ) p12(t, ξ)

p21(t, ξ) −√ia + p22(t, ξ)

)t

k2 ξ

12 W +

k

4t

(1 −1

−1 1

)W ,

wobei pij(t, ξ) gleichmaßig gegen 0 streben fur t ∈ [1/ξ, tξ] und fur ξ → ∞. Dabeibedeutet gleichmaßig, daß zu vorgelegtem ε > 0 ein M(ε) so existiert mit |pij(t, ξ)| <ε fur (t, ξ) ∈ [1/ξ, tξ]× ξ ≥ M(ε).Beachte: Da t ∈ [1/ξ, tξ] und tξ = ξ−σ gewahlt werden, haben wir fur ξ ≥ M(ε)

|w0(t, ξ)| ≤ ξ−k2σξ

12 |v(t, ξ)|, |v(t, ξ)| ≤ ξ

k2 ξ−

12 |w0(t, ξ)|.

Diese und die im Moment vorausgesetzte Beziehung

|v(t, ξ) + |∂tv(t, ξ)| ≤ C(T )(1 + |ξ|)p(|v(t0, ξ)|+ |∂tv(t0, ξ)|)

liefern sofort

|W (t, ξ)| ≤ C(T )(1 + |ξ|)p|W (t0, ξ)| fur t0 ∈ [1/ξ, tξ], t ∈ [t0, tξ]

mit eventuell neuen Konstanten C(T ) und p. Eine entsprechende Ungleichung giltfur W , da N eine konstante Matrix ist, also

|W (t, ξ)| ≤ C(T )(1 + |ξ|)p|W (t0, ξ)| fur t0 ∈ [1/ξ, tξ], t ∈ [t0, tξ]

123

Page 124: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

mit einer eventuell neuen Konstanten C(T ).

Unsere weitere Strategie: Wir werden zeigen, daß die letzte Ungleichung fur keineC(T ) und p gelten kann.

2. Schritt: Ljapunov-Funktional gegen Energie-Funktional

Wir definieren das Ljapunov-Funktional S(W )(t, ξ) = 12(|w0(t, ξ)|2 − |w1(t, ξ)|2).

Bekannt ist uns das Energie-Funktional E(W )(t, ξ) = 12(|w0(t, ξ)|2 + |w1(t, ξ)|2).

Trivialerweise gilt −E(W )(t, ξ) ≤ S(W )(t, ξ) ≤ E(W )(t, ξ).

Wir wahlen auf t = 1/ξ die Daten

w0(1/ξ, ξ) = χ(ξ) exp(−ξρ), χ(ξ) ∈ C∞(R), χ(ξ) =

1 fur ξ ≥ 2M(ε)0 fur ξ ≤ M(ε)

, w1(1/ξ, ξ) = 0,

mit einem spater zu wahlenden ρ > 0. Dann gilt

S(W )(1/ξ, ξ) = E(W )(1/ξ, ξ) =1

2χ(ξ)2 exp(−2ξρ).

Außerdem erhalten wir

∂tS(W )(t, ξ) = <(w0, ∂tw0)−<(w1, ∂tw1)

= <(w0,√

iatk2 ξ

12 w0) + <(w1,

√iat

k2 ξ

12 w1)

+<(w0, p11(t, ξ)tk2 ξ

12 w0) + <(w0, p12(t, ξ)t

k2 ξ

12 w1) +

k

4t(w0, w0)− k

4t<(w0, w1)

−<(w1, p21(t, ξ)tk2 ξ

12 w0)−<(w1, p22(t, ξ)t

k2 ξ

12 w1) +

k

4t<(w1, w0)− k

4t(w1, w1)

≥ 2(<√

ia)tk2 ξ

12 E(W )(t, ξ)− ε t

k2 ξ

12 E(W )(t, ξ) +

k

4tS(W )(t, ξ).

Nutzen wir schließlich

<√

ia > 0 , k > 0 und E(W )(t, ξ) ≥ S(W )(t, ξ),

dann ergibt sich mit einem δ > 0 sofort

dtS(W )(t, ξ) ≥ δ tk2 ξ

12 S(W )(t, ξ) fur (t, ξ) ∈ [1/ξ, tξ]× |ξ| ≥ M.

Nach Integration uber t ∈ [1/ξ, tξ] folgt mit einem universellen positiven δ > 0

S(W )(tξ, ξ) ≥ exp(δξ

12

∫ tξ

1/ξ

τk2 dτ

)S(W )(1/ξ, ξ)

≥ exp(δξ

12 t

k2+1

ξ

)S(W )(1/ξ, ξ) = exp(δξ

12−σ( k

2+1))S(W )(1/ξ, ξ).

124

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Jetzt fixieren wir unser σ so, daß σ(k2

+ 1) < 12.

Die beiden Bedingungen

1

2l − k< σ <

12

k2

+ 1bedeuten k < l − 1,

das wird gerade vorausgesetzt.Definieren wir ein σ welches beiden Bedingungen genugt und setzen wir ρ = 1/2−σ(k

2+ 1) > 0, dann schlußfolgern wir schließlich

E(W )(tξ, ξ) ≥ S(W )(tξ, ξ) ≥ exp(δξρ)S(W )(1/ξ, ξ)

= exp(δξρ)E(W )(1/ξ, ξ) ≥ exp(δξρ − ξρ) fur ξ ≥ M(ε).Wahlen wir ρ ∈ (0, ρ), dann kann niemals gelten

|W (t, ξ)| ≤ C(T )(1 + |ξ|)p|W (t0, ξ)| fur t0 ∈ [1/ξ, tξ], t ∈ [t0, tξ]

im Widerspruch zur Annahme.

3. Schritt: Beziehung zu unserem Ausgangsproblem

Wir haben die Daten w0(1/ξ, ξ) = χ(ξ) exp(−ξρ) und w1(1/ξ, ξ) = 0 vorgeschrieben.Damit erhalten wir

(v(1/ξ, ξ)

∂tv(1/ξ, ξ)

)=

k2− 1

2 00 1

)N−1

(χ(ξ) exp(−ξρ)

0

).

Wenn ρ > 0 gewahlt ist, dann haben v(1/ξ, ξ) und ∂tv(1/ξ, ξ) ein hinreichend großesdecay fur ξ → ∞. Nun untersuchen wir das ruckwarts gerichtete Cauchy-Problem∂2

t v + t2lξ2v − ia tkξv = 0, v(1/ξ, ξ), ∂tv(1/ξ, ξ) vorgegeben, fur t ∈ [0, 1/ξ] undξ ≥ M(ε). Fuhren wir V = (v, ∂tv)T ein, dann ergibt sich das System erster Ordnung

∂tV =

(0 1

ia tkξ − t2lξ2 0

)V, V (1/ξ, ξ) vorgegeben.

Nach Integration erhalten wir fur ξ ≥ M(ε)

|V (0, ξ)| ≤ C exp(C

∫ 1/ξ

0

(τ kξ + τ 2lξ2 + 1)dτ)|V (1/ξ, ξ)|

≤ C exp(C + ξ1−(k+1) + ξ2−(2l+1)

)|V (1/ξ, ξ)|

≤ C | V (1/ξ, ξ)| ≤ C exp(−ξρ).

Da V (1/ξ, ξ) = 0 fur ξ ≤ M(ε), 1/ξ := T falls 1/ξ > T haben wir |V (0, ξ)| ≤C exp(−|ξ|ρ). Somit gehoren die Daten u0 und u1 unseres Ausgangsproblems

∂2t u− t2l∂2

xu− atk∂xu = 0 , u(0, x) = u0(x), ut(0, x) = u1(x)

125

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zum Raum H∞. Fur kein t > 0 gehort aber die Losung u(t, ·) zum Raum H∞.

Bleibt die Hinlanglichkeit der Bedingung k ≥ l − 1 zu zeigen.

Aufgabe 46: Beweisen Sie die Hinlanglichkeit der Bedingung k ≥ l − 1, l > 0,mit Hilfe der Methode der Zonen. Dabei reicht es, die Ungleichung

|v(t, ξ)|+ |∂tv(t, ξ)| ≤ C(T )(1 + |ξ|p)(|v(t0, ξ)|+ |∂tv(t0, ξ)|)

fur t0 ∈ [0,∞) und t ∈ [t0, T ] , T < ∞ beliebig, nachzuweisen.

Mit dem Losen der Aufgabe ist der Beweis von Satz 5.6 vollstandig erbracht. 2

6 Lp − Lq decay-Abschatzungen

6.1 Lp − Lq decay-Abschatzungen fur Losungen derWarmeleitungsgleichung

6.1.1 Verwendung expliziter Losungsdarstellungen

Wir wenden uns dem vowarts gerichteten Cauchy-Problem fur dieWarmeleitungsgleichung

ut −∆u = 0, u(0, x) = u0(x)

zu.

Aufgabe 47 Zeigen Sie, dass unter gewissen Voraussetzungen an u0 (u0 ∈Lp(Rn), 1 ≤ p ≤ ∞) durch

u(t, x) = (4πt)−n2

Rn

e−|x−y|2

4t u0(y)dy =:

Rn

K(t, x− y)u0(y)dy

eine Losung des obigen Cauchy-Problems gegeben ist. Wir sehen, daß das Integral

eine Faltungsstruktur mit der speziellen Kernfunktion K(t, x) = e−|x|24t besitzt.

Frage: Welche Eigeschaften hat die Losung in Abhangigkeit des gegebenen Da-tums u0?

Antwort: Naturlich ist die Losung C∞ in x fur t > 0. Das ergibt sich aus demglattenden Effekt perabolischer Operatoren. Eine solche Aussage reicht uns abernicht, insbesondere sind wir interessiert an dem Verhalten der Losung fur t → +0.

126

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Man kann verschiedene Strategien im Auge haben.Definieren wir die Energie E(u)(t) := ‖u(t, ·)‖2

L2(Rn), dann ergibt sich durch mehr

oder weniger standardmaßige Uberlegungen

d

dtE(u)(t) + 2‖∇u(t, ·)‖2

L2(Rn) = 0.

Nach Integration ergibt sich

E(u)(t) + 2

∫ t

0

‖∇u(s, ·)‖2L2(Rn)ds = E(u)(0),

E(u)(t) ≤ E(u)(0) fur alle t ≥ 0.

Damit haben wir eine L2 − L2 Abschatzung der Losung hergeleitet, da‖u(t, ·)‖L2(Rn) ≤ ‖u0‖L2(Rn) fur alle t ≥ 0 gezeigt wurde. Versuchen wir jetzt, eineL1−L∞ Abschatzung der Losung herzuleiten, d.h. das Datum u0 wird als Elementdes L1(Rn) vorausgesetzt. Aus obiger Losungsdarstellung erhalten wir sofort

|u(t, x)| ≤ (4π)−n2 t−

n2

Rn

|u0(y)|dy ≤ Ct−n2 ‖u0‖L1(Rn),

woraus sofort ‖u(t, ·)‖L∞(Rn) ≤ Ct−n2 ‖u0‖L1(Rn) folgt. Diese Abschatzung liefert uns

ein parabolisches decay fur t → ∞. Dabei ist C eine universelle, von t und u0

unabhangige Konstante.

Frage: Was stort uns an dieser Abschatzung?

Antwort: Fur t → +0 strebt t−n2 gegen +∞. Wir mussen versuchen, fur kleine t

eine Abschatzung herzuleiten, in der die Abschatzungskonstante beschrankt bleibt.Dazu benotigen wir eine zusatzliche Regularitat von u0 wie die folgenden Unter-suchungen zeigen werden. Wir verwenden noch einmal die Losungsdarstellung ausAufgabe 47. Dann gilt

|u(t, x)| =∣∣∣∫

Rn

(4πt)−n2 e−

|x−y|24t u0(y)dy

∣∣∣ ≤∫

Rn

(4πt)−n2 e−

|x−y|24t dy ‖u0‖L∞(Rn).

Zur Berechnung des Integrals setzen wir z := x−y√t. Dann haben wir

Rn

t−n2 e−

|x−y|24t dy =

Rn

e−|z|24 dz = C,

und somit ‖u(t, ·)‖L∞(Rn) ≤ C‖u0‖L∞(Rn). Fur große t reichte die L1-Eigenschaft vonu0. Nach dem Sobolevschen Einbettungssatz ist der W n,1(Rn) stetig eingebettetin dem Raum L∞(Rn). Das liefert sofort die gewunschte L1 − L∞ Abschatzung||u(t, ·)||L∞(Rn) ≤ C||u0||W n,1(Rn) fur t ∈ [0, 1].

127

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Fazit: Wir haben sowohl eine L2 − L2 Abschatzung, als auch eine L1 − L∞ Ab-schatzung hergeleitet.

L2 − L2 Abschatzung: ||u(t, ·)||L2(Rn) ≤ ||u0||L2(Rn);

L1 − L∞ Abschatzung: ||u(t, ·)||L∞(Rn) ≤ C(1 + t)−n2 ||u0||W n,1(Rn).

Die Idee, Lp − Lq Abschatzungen fur 1p

+ 1q

= 1, 1 < p < 2, zu erhalten, besteht in

der Anwendung von Interpolationsresultaten. Wir zitieren ein solches aus [29].

Satz 6.1 Ein vorgelegter linearer Operator T habe die folgenden Eigenschaften:

• T ∈ L(W n,1(Rn) → L∞(Rn)) mit der Norm M0,

• T ∈ L(L2(Rn) → L2(Rn)) mit der Norm M1.

Es seien p, q, θ und N vorgelegt mit 1 < p < 2 < q < ∞, 1p

+ 1q

= 1, θ := 2q, N ∈ N

mit N > n(1− θ). Dann ist

• T ∈ L(WN,p(Rn) → Lq(Rn)) mit der Norm M ,wobei M ≤ cM1−θ

0 M θ1 mit c = c(p, n) erfullt ist.

Durch Anwendung dieses Satzes erhalten wir mit M0 = C(1 + t)−n2 , M1 = 1 sofort

die folgende Aussage:

Folgerung 6.1 Lp − Lq decay Abschatzungen

Fur die Losung u von ut −∆u = 0, u(0, x) = u0(x), u0 ∈ S(Rn), gilt die Lp − Lq

decay Abschatzung

||u(t, ·)||Lq(Rn) ≤ C(1 + t)−n2 (1− 2

q )||u0||W N,p(Rn) = C(1 + t)−n2 (

1p− 1

q )||u0||W N,p(Rn)

fur 2 < q < ∞, 1p

+ 1q

= 1, N > n(1− 2

q

)= n

(1p− 1

q

).

Wir mussen uns nicht auf Lp − Lq decay Abschatzungen auf der konjugierten Linie1p

+ 1q

= 1 beschranken wie folgende Aussage zeigt.

Satz 6.2 Vorgelegt sei das Cauchy-Problem ut−∆u = 0, u(0, x) = u0(x) ∈ S(Rn).Dann gelten folgende Abschatzungen:

• ||u(t, ·)||Lp(Rn) ≤ ||u0||Lp(Rn) fur t ≥ 0 und 1 ≤ p ≤ ∞;

• ||Dαxu(t, ·)||Lq(Rn) ≤ Ct−( n

2r+|α|2

)||u0||Lp(Rn) fur t > 0, 1p

= 1q

+ 1r, 1 ≤ r, q ≤ ∞

und mit C = C(p, q, r, α).

128

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Beweis: Wir verwenden die Kernfunktion K(t, x− y) = K(t, y − x) aus Aufgabe47. Es gilt

Rn

K(t, x− y)dy =

Rn

K(t, x− y)dx = 1.

Nach Anwendung der Holderschen Ungleichung haben wir fur 1p

+ 1q

= 1 sofort

|u(t, x)| ≤∫

Rn

K(t, x− y)|u0(y)|dy =

Rn

K(t, x− y)( 1p+ 1

q)|u0(y)|dy

≤( ∫

Rn

K(t, x− y)|u0(y)|pdy) 1

p( ∫

Rn

|K(t, x− y)|dy) 1

q=

( ∫

Rn

K(t, x− y)|u0(y)|pdy) 1

p.

Damit erhalten wir∫

Rn

|u(t, x)|pdx ≤∫

Rn

( ∫

Rn

K(t, x− y)|u0(y)|pdy)dx

=

Rn

( ∫

Rn

K(t, x− y)dx)|u0(y)|pdy = ||u0||pLp(Rn),

das ist gerade die erste Ungleichung. Zum Beweis der zweiten Ungleichung nutzenwir folgende Ungleichung fur Faltungsintegrale:

||f ∗ g||Lq(Rn) ≤ ||f ||Ls(Rn)||g||Lp(Rn) fur1

p+

1

s=

1

q+ 1, 1 ≤ p, q, s ≤ ∞.

Mit 1r

+ 1s

= 1 haben wir

||K(t, ·)||Ls(Rn) ≤ C( ∫

Rn

1

tns2

e−s|x|24t dx

) 1s ≤ Ct−

n2(1− 1

s) = Ct−

n2r ,

||∂xiK(t, ·)||Ls(Rn) ≤ C

( ∫

Rn

1

tns2

( |xi|t

)s

e−s|x|24t dx

) 1s ≤ Ct−

n2r− 1

2 .

Allgemein erwarten wir die Abschatzung

||∂αx K(t, ·)||Ls(Rn) ≤ Ct−( n

2r+|α|2

).

Schließlich ergibt sich

||Dαxu(t, ·)||Lq(Rn) = ||Dα

x (K(t, ·) ∗ u0)||Lq(Rn) ≤ ||DαxK(t, ·)||Ls(Rn)||u0||Lp(Rn)

≤ Ct−( n2r

+|α|2

)||u0||Lp(Rn).

Damit ist auch die zweite Ungleichung bewiesen. 2

129

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6.1.2 Verwendung von Fouriermultiplikatoren

Im Abschnitt 6.1.1 haben wir explizite Losungsdarstellungen fur das Cauchy-Problem

ut −4u = 0, u(0, x) = u0(x)

zur Herleitung von Lp−Lq decay Abschatzungen herangezogen. In diesem Abschnittwollen wir Eigenschaften der Fouriertransformation auf Losungsdarstellungen inForm von Fouriermultiplikatoren anwenden. Nach Anwendung der partiellen Fouri-ertransformation und ihrer Inversen erhalten wir sofort die Losungsdarstellung

u(t, x) = F−1ξ→x(e

−|ξ|2tF (u0)(ξ)).

Herleitung einer L2 − L2 Abschatzung

Nutzen wir die Eigenschaften der Fouriertransformation (siehe Abschnitt 4.2.3 derVorlesung “Partielle Differentialgleichungen I”) im Raum L2(Rn), dann ergibt sichsofort

‖u(t, ·)‖L2(Rnx) = ‖e−|ξ|2tF (u0)(·)‖L2(Rn

ξ ) ≤ ‖F (u0)‖L2(Rnξ ) = ‖u0‖L2(Rn

x).

Damit erhalten wir die gewunschte L2−L2 Abschatzung ‖u(t, ·)‖L2(Rn) ≤ ‖u0‖L2(Rn).

Herleitung einer L1 − L∞ Abschatzung

Nutzen wir die Eigenschaften der Fouriertransformation (siehe Abschnitt 4.2.3 derVorlesung “Partielle Differentialgleichungen I”) im Raum L1(Rn), dann ergibt sichsofort mit einer universellen Konstanten C

‖u(t, ·)‖L∞(Rnx) ≤ C ‖e−|ξ|2tF (u0)(·)‖L1(Rn

ξ )

≤ C ‖e−|ξ|2t‖L1(Rnξ )‖F (u0)‖L∞(Rn

ξ ) ≤ C ‖e−|ξ|2t‖L1(Rnξ )‖u0‖L1(Rn

x).

Fur t > 0 gilt

‖e−|ξ|2t‖L1(Rnξ ) =

Rnξ

e−|ξ|2tdξ ≤ C

tn2

Rnξ

e−|ξ|2td(ξ

√t)

=C

tn2

Rnz

e−|z|2

dz ≤ C t−n2 .

Damit erhalten wir die gewunschte L1 − L∞ Abschatzung ‖u(t, ·)‖L∞(Rn) ≤C t−

n2 ‖u0‖L1(Rn). Nun stort naturlich wieder der fur t → +0 unbeschrankte Term

t−n2 . Deshalb schatzen wir

Rnξ

e−|ξ|2tF (u0)(ξ)dξ

130

Page 131: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

fur t ∈ (0, 1] wie folgt ab:

∣∣∣∫

Rnξ

e−|ξ|2tF (u0)(ξ)dξ

∣∣∣ ≤∫

|ξ|≤1

e−|ξ|2t|F (u0)(ξ)|dξ +

|ξ|≥1

e−|ξ|2t|F (u0)(ξ)|dξ

≤ C ‖F (u0)(·)‖L∞(Rnξ ) +

|ξ|≥1

1

|ξ|n+ε|ξ|n+ε|F (u0)(ξ)|dξ

≤ C ‖F (u0)(·)‖L∞(Rnξ ) +

|ξ|≥1

1

|ξ|n+ε〈ξ〉n+ε|F (u0)(ξ)|dξ

≤ C ‖F (u0)(·)‖L∞(Rnξ ) + ‖F (〈D〉n+εu0)(·)‖L∞(Rn

ξ )

|ξ|≥1

1

|ξ|n+εdξ

≤ Cε(‖u0‖L1(Rnx) + ‖〈D〉n+εu0‖L1(Rn

x))

≤ Cε ‖u0‖W n+ε,1(Rnx)

fur jedes ε > 0.

Fazit: Wir haben sowohl eine L2 − L2 Abschatzung, als auch eine L1 − L∞ Ab-schatzung hergeleitet.

L2 − L2 Abschatzung: ‖u(t, ·)‖L2(Rn) ≤ ‖u0‖L2(Rn);

L1 − L∞ Abschatzung: ‖u(t, ·)‖L∞(Rn) ≤ Cε(1 + t)−n2 ‖u0‖W n+ε,1(Rn).

Durch Anwendung des Interpolationsresultates Satz 6.1 erhalten wir die folgendeAussage:

Folgerung 6.2 Lp − Lq decay Abschatzungen

Fur die Losung u von ut −4u = 0, u(0, x) = u0(x), u0 ∈ S(Rn), gilt die Lp − Lq

decay Abschatzung

‖u(t, ·)‖Lq(Rn) ≤ C(N, p)(1 + t)−n2( 1

p− 1

q)‖u0‖W N,p(Rn)

fur 2 < q < ∞ , 1p

+ 1q

= 1 , N > n(1p− 1

q).

Bemerkung: Damit haben wir auf zwei verschiedenen Wegen (explizite Losungsdar-stellungen, Abschatzungen von Fouriermultiplikatoren) die gleiche Aussage in Formvon Folgerungen 6.1 und 6.2 bewiesen.

Wenden wir uns schließlich noch Lp − Lq decay Abschatzungen fur ∂αx u zu. Wir

konnen wie im Fall α = 0 vorgehen und erhalten

L2−L2 Abschatzung: ‖∂αx u(t, ·)‖L2(Rn) ≤ C(1 + t)−

|α|2 (‖u0‖L2(Rn) + ‖∂α

x u0‖L2(Rn));

L1 − L∞ Abschatzung: ‖∂αx u(t, ·)‖L∞(Rn) ≤ Cε(1 + t)−

n2− |α|

2 ‖u0‖W |α|+n+ε,1(Rn).

131

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Durch Anwendung des Interpolationsresultates Satz 6.1 erhalten wir die folgendeAussage:

Folgerung 6.3 Lp − Lq decay Abschatzungen

Fur die Losung u von ut −4u = 0, u(0, x) = u0(x), u0 ∈ S(Rn), gilt die Lp − Lq

decay Abschatzung

‖∂αx u(t, ·)‖Lq(Rn) ≤ C(N, p)(1 + t)−

|α|2−n

2( 1

p− 1

q)‖u0‖W |α|+N,p(Rn)

fur 2 < q < ∞ , 1p

+ 1q

= 1 , N > n(1p− 1

q).

6.2 Lp − Lq decay-Abschatzungen fur die Energie vonLosungen der gedampften Wellengleichung

Wir wenden uns in diesem Abschnitt dem Cauchy-Problem fur die gedampfteWellengleichung

utt −4u + ut = 0, u(0, x) = u0(x), ut(0, x) = u1(x)

zu. Unser Ziel besteht darin, Lp − Lq decay-Abschatzungen fur die Wellenenergie

EW (u)(t) :=1

2(‖∇xu(t, ·)‖2

L2 + ‖ut(t, ·)‖2L2)

von Sobolev-Losungen obigen Cauchy-Problems herzuleiten. Dabei bedienen wiruns der Methode der Darstellung der Losung in Form von Fouriermultiplikatoren.

Herleitung einer L2 − L2 Abschatzung

Satz 6.3 Die elastische und kinetische Energie von Losungen des Cauchy-Problems

utt −4u + ut = 0, u(0, x) = u0(x), ut(0, x) = u1(x)

mit Daten u0 ∈ H1 und u1 ∈ L2 erfullt die folgenden Abschatzungen:

‖∇xu(t, ·)‖L2 ≤ C(1 + t)−12

(‖u1‖L2 + ‖u0‖H1

),

‖ut(t, ·)‖L2 ≤ C(1 + t)−1(‖u1‖L2 + ‖u0‖H1

),

und somit genugt die Energie EW (u)(t) der L2 − L2 Abschatzung

EW (u)(t) ≤ C(1 + t)−1(‖u1‖2

L2 + ‖u0‖2H1

).

132

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Beweis: Schritt 1 Transformation der Energie in den Phasenraum

Es bezeichne u die Fouriertransformierte zu u, d.h., u(t, ξ) = Fx→ξ(u)(t, ξ). DieEnergie EW (u)(t) wird wie folgt in den Phasenraum transformiert:

EW (u)(t) =1

2

(‖∇xu(t, ·)‖2L2 + ‖ut(t, ·)‖2

L2

)=

1

2

(‖|ξ|u(t, ·)‖2L2 + ‖ut(t, ·)‖2

L2

).

Transformieren wir u(t, x) = e−12tw(t, x) und v(t, ξ) = Fx→ξ(w)(t, ξ), dann folgt

u(t, ξ) = e−12tv(t, ξ). Fur die Abschatzung der elastischen Energie benutzen wir

|ξ|u(t, ξ) = e−12t |ξ|v(t, ξ),

fur die Abschatzung der kinetischen Energie benutzen wir

ut(t, ξ) = e−12t(vt(t, ξ) − 1

2v(t, ξ)

).

Schritt 2 Abschatzung der elastischen Energie

Wir unterscheiden folgende Falle.

Fall 1 ξ : |ξ| > 12

Wir verwenden die Darstellung |ξ|u(t, ξ) = e−12t(

cos(√|ξ|2 − 1

4t) |ξ|v0(ξ) +

tsin(√|ξ|2− 1

4t)√

|ξ|2− 14t|ξ|v1(ξ)

). Es gilt

‖|ξ|u(t, ξ)‖2L2|ξ|> 1

2 =

|ξ|> 12

|ξ|2|u(t, ξ)|2dξ ≤ 2( ∫

|ξ|> 12

e−t|ξ|2|v0(ξ)|2dξ

+

∫12<|ξ|≤1

sin2(√|ξ|2 − 1

4t)

√|ξ|2 − 1

4

2

t2

︸ ︷︷ ︸sin2 α

α2 ≤C

t2e−t|ξ|2|v1(ξ)|2dξ +

|ξ|≥1

1

|ξ|2 − 14

|ξ|2︸ ︷︷ ︸

≤C

e−t|v1(ξ)|2dξ)

≤ 2e−t

Rn

|ξ|2|v0(ξ)|2dξ + Ct2e−t

Rn

|v1(ξ)|2dξ + Ce−t

Rn

|v1(ξ)|2dξ.

Damit fallen alle diese Terme exponentiell in t und wir erhalten die Abschatzung

|ξ|> 12

|ξ|2|u(t, ξ)|2dξ ≤ Ct2e−t

Rn

(|ξ|2|v0(ξ)|2 + |v1(ξ)|2)dξ.

Fall 2 ξ : |ξ| < 12

133

Page 134: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

Zur Abschatzung der elastischen Energie verwenden wir die Darstellung

|ξ|u(t, ξ) = |ξ|e− 12t((v0(ξ)

2− v1(ξ)√

1− 4|ξ|2)e−

12

√1−4|ξ|2t

+(v0(ξ)

2+

v1(ξ)√1− 4|ξ|2

)e

12

√1−4|ξ|2t

)

= v0(ξ)|ξ| cosh(1

2

√1− 4|ξ|2t

)e−

12t +

2v1(ξ)|ξ|√1− 4|ξ|2 sinh

(1

2

√1− 4|ξ|2t

)e−

12t.

Wir unterteilen das Intervall [0, 12) in zwei Teilintervalle.

a) ξ : |ξ| ∈ [14, 1

2):

Hier schatzen wir wie folgt ab:

|ξ||u(t, ξ)| = | v0(ξ)|ξ| cosh(1

2

√1− 4|ξ|2t

)

︸ ︷︷ ︸≤ cosh(

√3

4t)

e−12t +

sinh(

12

√1− 4|ξ|2t

)

12

√1− 4|ξ|2t t

︸ ︷︷ ︸≤C cosh(

√3

4t)

v1(ξ)|ξ|e− 12t |

≤ | v0(ξ)|ξ| cosh(

√3

4t)e−

12t

︸ ︷︷ ︸≤ e−δt, δ>0

+ C v1(ξ)|ξ|︸ ︷︷ ︸≤ |v1(ξ)|

cosh(

√3

4t) e−

12t

︸ ︷︷ ︸≤ e−δt, δ>0

|,

und schlußfolgern

∫14≤|ξ|< 1

2

|ξ|2|u(t, ξ)|2dξ ≤ Ce−δt

Rn

(|ξ|2|v0(ξ)|2 + |v1(ξ)|2)dξ.

b) ξ : |ξ| ∈ [0, 14):

Hier nutzen wir fur |ξ| < 12

die Ungleichung −4|ξ|2 ≤ −1 +√

1− 4|ξ|2 ≤ −2|ξ|2.Mit dieser Ungleichung verfahren wir wie folgt:

|ξ|< 14

|ξ|2|u(t, ξ)|2dξ ≤∫

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|2|ξ|2 + |v0(ξ)|2|ξ|2)(e−t−√

1−4|ξ|2t︸ ︷︷ ︸≤ e−t

+ e−t+√

1−4|ξ|2t︸ ︷︷ ︸≤ e−2|ξ|2t

)dξ

≤ Ce−t

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|2|ξ|2 + |v0(ξ)|2|ξ|2)dξ

+ C

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2)|ξ|2e−2|ξ|2tdξ.

134

Page 135: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

Mit Hilfe der Normungleichung ‖ · ‖L2 ≤ ‖ · ‖L∞‖ · ‖L2 erhalten wir fur den zweitenTerm der rechten Seite der letzten Ungleichung

C

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2)|ξ|2e−2|ξ|2tdξ

≤ C sup|ξ|< 1

4, t≥1

t|ξ|2t

e−2|ξ|2t

Rn

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2)dξ

≤ C1

tsup

|ξ|< 14, t≥1

t|ξ|2e−2|ξ|2t

︸ ︷︷ ︸≤C

Rn

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2)dξ.

Damit gilt fur kleine Frequenzen∫

|ξ|< 14

|ξ|2|u(t, ξ)|2dξ ≤ C(1 + t)−1

Rn

(|v0(ξ)|2 + |ξ|2|v0(ξ)|2 + |v1(ξ)|2)dξ.

Schritt 3 Abschatzung der kinetischen Energie

Wenden wir uns jetzt der Abschatzung der kinetischen Energie zu. Wir benutzendie Identitat ‖ut(t, ξ)‖2

L2 = ‖ut(t, ξ)‖2L2 mit ut(t, ξ) = e−

12t (vt(t, ξ) − 1

2v(t, ξ)).

Fall 1 ξ : |ξ| > 12

Verwenden wir

vt(t, ξ) = −√|ξ|2 − 1

4sin

(√|ξ|2 − 1

4t)v0(ξ) + cos

(√|ξ|2 − 1

4t)v1(ξ).

und die obige Formel fur ut(t, ξ), dann ergibt sich

ut(t, ξ) = e−12t(v1(ξ)

(cos(

√|ξ|2 − 1

4t) − 1

2

sin(√|ξ|2 − 1

4t)

√|ξ|2 − 1

4

)

− v0(ξ)(1

2cos(

√|ξ|2 − 1

4t) +

√|ξ|2 − 1

4sin(

√|ξ|2 − 1

4t)

)).

Wiederholen wir die Ideen zur Abschatzung der elastischen Energie, dann folgt

‖ut(t, ·)‖2L2|ξ|> 1

2 ≤ C

|ξ|> 12

e−t|v1(ξ)|2(

cos(

√|ξ|2 − 1

4t)− 1

2

sin(√|ξ|2 − 1

4t)

√|ξ|2 − 1

4

)2

︸ ︷︷ ︸≤C t2

+ C

|ξ|> 12

e−t|v0(ξ)|2(√

|ξ|2 − 1

4sin(

√|ξ|2 − 1

4t) +

1

2cos(

√|ξ|2 − 1

4t)

︸ ︷︷ ︸≤C

)2

dξ.

135

Page 136: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

Die Ungleichung (|ξ|2 − 14) sin2(

√|ξ|2 − 1

4t) ≤ |ξ|2 liefert fur ξ : |ξ| > 1

2 die

Abschatzung∫

|ξ|> 12

|ξ|2|u(t, ξ)|2dξ ≤ Ct2e−t

Rn

(|ξ|2|v0(ξ)|2 + |v1(ξ)|2)dξ.

Fall 2: ξ : |ξ| < 12

Nach der Bestimmung von vt(t, ξ) erhalten wir sofort

ut(t, ξ) =1

2e−

12t(√

1− 4|ξ|2 sinh(1

2

√1− 4|ξ|2t

)− cosh

(1

2

√1− 4|ξ|2t

))v0(ξ)

+ e−12t(

cosh(1

2

√1− 4|ξ|2t

)− 1√

1− 4|ξ|2 sinh(1

2

√1− 4|ξ|2t

))v1(ξ).

Wir unterteilen das Intervall [0, 12) wie folgt:

a) ξ : |ξ| ∈ [14, 1

2):

Hier zeigen wir wieder das exponentielle Fallen der kinetischen Energie. Einerseitsnutzen wir

cosh(1

2

√1− 4|ξ|2t

)+ sinh

(1

2

√1− 4|ξ|2t

)≤ 2 cosh(

√3

4t),

andererseits strapazieren wir

∣∣∣ 1√1− 4|ξ|2 sinh

(1

2

√1− 4|ξ|2t

)∣∣∣ ≤ Cεt fur1

2

√1− 4|ξ|2t ≤ ε.

Beides zusammen gibt

‖ut(t, ξ)‖2L2|ξ|∈[ 1

4, 1

2) ≤ Ce−δt

Rn

(|ξ|2|v0(ξ)|2 + |v1(ξ)|2)dξ

mit einem geeigneten positiven δ.

b) ξ : |ξ| < 14:

In diesem Fall erhalten wir

ut(t, ξ) =(v0(ξ)

4+

v1(ξ)

2√

1− 4|ξ|2)(√

1− 4|ξ|2 − 1)e−12t− 1

2

√1−4|ξ|2t.

Damit schatzen wir wie folgt ab:

|ut(t, ξ)| ≤∣∣∣( v1(ξ)

2√

1− 4|ξ|2 +v0(ξ)

4

)( √1− 4|ξ|2 − 1︸ ︷︷ ︸≤−2|ξ|2

)e−

12t+ 1

2

√1−4|ξ|2t︸ ︷︷ ︸

≤ e−|ξ|2t, |ξ|< 12

∣∣∣.

136

Page 137: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

Eine fast analoge Untersuchung zur Behandlung der elastischen Energie fuhrt zu

‖ut(t, ξ)‖2L2|ξ|< 1

4 ≤ C

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2) |ξ|4

(e−t + e−2|ξ|2t

)dξ

≤ Ce−t

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2)dξ + C

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2) |ξ|4e−2|ξ|2tdξ

≤ Ce−t

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2)dξ

+ C1

t2sup

|ξ|< 14, t≥1

t2|ξ|4e−2|ξ|2t

︸ ︷︷ ︸≤ c

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2)dξ

≤ Ce−t

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2)dξ +

C

(1 + t)2

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2)dξ

≤ C

(1 + t)2

Rn

(|v1(ξ)|2 + |v0(ξ)|2)dξ.

Damit sind alle Aussagen von Satz 6.3 bewiesen. 2

Aufgabe 48 Wir sind interessiert an L2 − L2 Abschatzungen fur ‖∂αx u(t, ·)‖L2

und fur ‖∂αx ut(t, ·)‖L2 , wobei u = u(t, x) eine Losung von

utt −4u + ut = 0, u(0, x) = u0(x), ut(0, x) = u1(x)

ist. Was ergibt sich? Wie gehen wir vor?

Herleitung einer L1 − L∞ Abschatzung

Wir wenden uns der elastischen Energie (jetzt auf der Basis der L∞-Norm)‖∇u(t, ·)‖L∞ zu. Dann gilt wieder mit den Regeln der Fouriertransformation

‖∇u(t, ·)‖L∞ = ‖|ξ|ut(t, ·)‖L1 .

Fur |ξ|ut(t, ξ) verwenden wir die in den einzelnen Bereichen bekannten explizitenLosungsdarstellungen.Wir unterscheiden folgende Falle.

Fall 1 ξ : |ξ| > 12

Wir verwenden die Darstellung |ξ|u(t, ξ) = e−12t(

cos(√|ξ|2 − 1

4t) |ξ|v0(ξ) +

tsin(√|ξ|2− 1

4t)√

|ξ|2− 14t|ξ|v1(ξ)

). Es gilt

‖|ξ|u(t, ξ)‖L1|ξ|> 12 =

|ξ|> 12

〈ξ〉−n−ε|ξ|〈ξ〉n+ε|u(t, ξ)|dξ

137

Page 138: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

≤ Ce−t

Rn

〈ξ〉−n−εdξ(‖〈ξ〉n+ε|ξ||v0(ξ)|+ 〈ξ〉n+ε|v1(ξ)|‖L∞)

≤ Ce−t(‖u0‖W n+ε+1,1 + ‖u1‖W n+ε,1).

Damit benotigen wir fur Abschatzungen uber die großen Frequenzbereiche einezusatzliche Regularitat der Daten. Wir erhalten sogar ein exponentielles decay.

Fall 2 ξ : |ξ| < 12

Wir verwenden die Darstellung

|ξ|u(t, ξ) = |ξ|e− 12t((v0(ξ)

2− v1(ξ)√

1− 4|ξ|2)e−

12

√1−4|ξ|2t

+(v0(ξ)

2+

v1(ξ)√1− 4|ξ|2

)e

12

√1−4|ξ|2t

)

= v0(ξ)|ξ| cosh(1

2

√1− 4|ξ|2t

)e−

12t +

2v1(ξ)|ξ|√1− 4|ξ|2 sinh

(1

2

√1− 4|ξ|2t

)e−

12t.

Wir unterteilen das Intervall [0, 12) in zwei Teilintervalle.

a) ξ : |ξ| ∈ [14, 1

2):

Hier schatzen wir wie folgt ab:

|ξ||u(t, ξ)| = | v0(ξ)|ξ| cosh(1

2

√1− 4|ξ|2t

)

︸ ︷︷ ︸≤ cosh(

√3

4t)

e−12t +

sinh(

12

√1− 4|ξ|2t

)

12

√1− 4|ξ|2t t

︸ ︷︷ ︸≤C cosh(

√3

4t)

v1(ξ)|ξ|e− 12t |

≤ | v0(ξ)|ξ| cosh(

√3

4t)e−

12t

︸ ︷︷ ︸≤ e−δt, δ>0

+ C v1(ξ)|ξ|︸ ︷︷ ︸≤ |v1(ξ)|

cosh(

√3

4t) e−

12t

︸ ︷︷ ︸≤ e−δt, δ>0

|,

und schlußfolgern

∫14≤|ξ|< 1

2

|ξ||u(t, ξ)|dξ ≤ Ce−δt

∫14≤|ξ|< 1

2

1dξ (‖|ξ||v0(ξ)|+ |v1(ξ)|‖L∞)

≤ Ce−δt(‖u0‖W 1,1 + ‖u1‖L1).

Damit benotigen wir fur Abschatzungen uber diesen Frequenzbereich keinezusatzliche Regularitat der Daten. Wir erhalten sogar ein exponentielles decay.

b) ξ : |ξ| ∈ [0, 14):

138

Page 139: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

Hier nutzen wir fur |ξ| < 12

die Ungleichung −4|ξ|2 ≤ −1 +√

1− 4|ξ|2 ≤ −2|ξ|2.Mit dieser Ungleichung verfahren wir wie folgt:∫

|ξ|< 14

|ξ||u(t, ξ)|dξ ≤∫

|ξ|< 14

(|v1(ξ)||ξ|+ |v0(ξ)||ξ|)(e− 12(t+√

1−4|ξ|2t)︸ ︷︷ ︸≤ e−t/2

+ e−12(t−√

1−4|ξ|2t)︸ ︷︷ ︸≤ e−|ξ|2t

)dξ

≤ Ce−12t

|ξ|< 14

(|v1(ξ)||ξ|+ |v0(ξ)||ξ|)dξ

+ C

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|+ |v0(ξ)|)|ξ|e−|ξ|2tdξ.

Mit Hilfe der Normungleichung ‖ · ‖L1 ≤ ‖ · ‖L∞‖ · ‖L1 erhalten wir fur den zweitenTerm der rechten Seite der letzten Ungleichung

C

|ξ|< 14

(|v1(ξ)|+ |v0(ξ)|)|ξ|e−|ξ|2tdξ

≤ C

|ξ|< 14

|ξ|e−|ξ|2tdξ (‖|v1(ξ)|+ |v0(ξ)|‖L∞)

≤ C(1 + t)−12−n

2 (‖u1‖L1 + ‖u0‖L1) fur t ≥ 1.

Wir schlußfolgern∫

|ξ|< 14

|ξ||u(t, ξ)|dξ ≤ C(1 + t)−12−n

2 (‖u1‖L1 + ‖u0‖L1).

Zusammenfassend haben wir damit gezeigt

‖∇xu(t, ·)‖L∞ ≤ Cε(1 + t)−12−n

2 (‖u0‖W n+ε+1,1 + ‖u1‖W n+ε,1)

fur alle ε > 0.

Aufgabe 49 Wir sind interessiert an einer L1−L∞ Abschatzung fur ut(t, ·), wobeiu = u(t, x) eine Losung von

utt −4u + ut = 0, u(0, x) = u0(x), ut(0, x) = u1(x)

ist. Was ergibt sich? Wie gehen wir vor?

Wir sammeln jetzt die L2 − L2 Abschatzungen und die L1 − L∞ Abschatzungenund wenden das Interpolationsresultat von Satz 6.1 an. Dann erhalten wir folgendeAussagen:

L2 − L2 decay Abschatzungen:

‖∇xu(t, ·)‖L2 ≤ C(1 + t)−12 (‖u0‖H1 + ‖u1‖L2),

‖ut(t, ·)‖L2 ≤ C(1 + t)−1(‖u0‖H1 + ‖u1‖L2).

139

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L1 − L∞ decay Abschatzungen:

‖∇xu(t, ·)‖L∞ ≤ Cε(1 + t)−12−n

2 (‖u0‖W n+ε+1,1 + ‖u1‖W n+ε,1),

‖ut(t, ·)‖L∞ ≤ Cε(1 + t)−1−n2 (‖u0‖W n+ε+1,1 + ‖u1‖W n+ε,1)

fur alle ε > 0.

Lp − Lq decay Abschatzungen:

Folgerung 6.4 Lp − Lq decay Abschatzungen

Fur die elastische und kinetische Energien der Losungen u vonutt − 4u + ut = 0, u(0, x) = u0(x), ut(0, x) = u1(x), u0, u1 ∈ S(Rn), gelten diefolgenden Lp − Lq decay Abschatzungen:

‖∇xu(t, ·)‖Lq(Rn) ≤ C(N, p)(1 + t)−12−n

2( 1

p− 1

q)(‖u0‖W N+1,p(Rn) + ‖u1‖W N,p(Rn)),

‖ut(t, ·)‖Lq(Rn) ≤ C(N, p)(1 + t)−1−n2( 1

p− 1

q)(‖u0‖W N+1,p(Rn) + ‖u1‖W N,p(Rn))

fur 2 < q < ∞ , 1p

+ 1q

= 1 , N > n(1p− 1

q).

Aufgabe 50 Vergleichen Sie die Aussagen der Folgerungen 6.3 und 6.4!

6.3 Lp − Lq decay-Abschatzungen fur die Energie vonLosungen der Wellengleichung

Vorgelegt sei das Cauchy-Problem

utt −∆u = 0, u(0, x) = u0(x), ut(0, x) = u1(x).

Wir konnen naturlich Losungsdarstellungen in Form von Fouriermultiplikatorenherleiten. Nach Anwendung der partiellen Fouriertransformation, der Losung vonCauchy-Problemen fur gewohnliche Differentialgleichungen mit dem Parameter |ξ|und anschließender Anwendung der inversen partiellen Fouriertransformation erhal-ten wir die Losungsdarstellung

u(t, x) = F−1ξ→x

(1

2

(eit|ξ| + e−it|ξ|

)F (u0)(ξ) +

1

2i|ξ|(eit|ξ| − e−it|ξ|

)F (u1)(ξ)

).

Da wir durch Energieuntersuchungen sofort L2−L2 Abschatzungen herleiten konnen,mussen wir nur noch L1 − L∞ Abschatzungen der Modell-Fouriermultiplikatoren

F−1ξ→x(cos(t|ξ|)F (u0)(ξ)), F−1

ξ→x

(sin(t|ξ|)|ξ| F (u1)(ξ)

)

herleiten. Dazu werden wir das know-how des Abschnittes 6.5 nutzen. Im folgendenAbschnitt werden wir noch einmal explizite Losungsdarstellungen (vgl. auch mitden Aussagen der Satze 2.6 und 2.7 der Abschnitte 2.1.7 und 2.1.8) zur Herleitungvon L1 − L∞ Abschatzungen der Energie heranziehen.

140

Page 141: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

6.3.1 Die Verwendung expliziter Losungsdarstellungen

Nach Satz 2.2 und Folgerung 2.2 ist die eindeutig bestimmte Losung des obigenCauchy-Problems im R3 gegeben durch

u(t, x) =1

4πt

St(x)

u1(y)dσy + ∂t

( 1

4πt

St(x)

u0(y)dσy

)

=t

|ω|=1

u1(x + tω)dσω + ∂t

( t

|ω|=1

u0(x + tω)dσω

).

Damit konzentrieren wir uns zuerst auf L1 − L∞ Abschatzungen der Modellopera-toren

P1 := u1 → t

|ω|=1

u1(x + tω)dσω, P2 := u1 → 1

|ω|=1

u1(x + tω)dσω.

Wir setzen voraus, daß das Datum u1 gerade die richtige Regularitat fur die nachfol-genden Umformungen besitzt. In jedem Fall konnen wir u1 ∈ S(R3) voraussetzen.

Satz 6.4 Es gelten folgende L1 − L∞ decay Abschatzungen:

‖P1u1(t, ·)‖L∞(R3) ≤ C(1 + t)−1‖u1(·)‖W 2,1(R3),

‖P2u1(t, ·)‖L∞(R3) ≤ C(1 + t)−2‖u1(·)‖W 3,1(R3).

Beweis: Wenden wir uns zuerst P2 zu. Es sei t ≥ 1. Dann gilt

−∫

|ω|=1

u1(x + tω)dσω =

|ω|=1

∫ ∞

t

d

dsu1(x + sω)dsdσω

=

|ω|=1

∫ ∞

t

(∇u1)(x + sω) · ωdsdσω =

|ω|=1

∫ ∞

t

s2

s3(∇u1)(x + sω) · (sω)dsdσω

=

|y|>t

1

|y|3 (∇u1)(x + y) · ydy.

Im letzten Schritt haben wir y := sω gesetzt. Nutzen wir schließlich 1|y| ≤ 1

t, dann

erhalten wir aus der letzten Ungleichungskette sofort

‖P2u1(t, ·)‖L∞(R3) ≤ C

t2

R3

|(∇u1)(x + y)|dy ≤ C

t2‖u1‖W 1,1(R3).

Fur P1u1 ergibt sich daraus fur t ≥ 1 die Abschatzung

‖P1u1(t, ·)‖L∞(R3) ≤ C

t

R3

|(∇u1)(x + y)|dy ≤ C

t‖u1‖W 1,1(R3).

141

Page 142: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

Wenden wir uns jetzt P2 fur t ∈ [0, 1] zu. Es lassen sich die Ideen von den Ab-schatzungen fur t ≥ 1 nachvollziehen. Es gilt

−∫

|ω|=1

u1(x + tω)dσω =

|ω|=1

∫ ∞

t

d

dsu1(x + sω)dsdσω

= −∫

|ω|=1

∫ ∞

t

(s− t)d2

ds2u1(x + sω)dsdσω =

|ω|=1

∫ ∞

t

(s− t)2

2

d3

ds3u1(x + sω)dsdσω

=

|y|>t

(|y| − t)2

2|y|53∑

i,j,k=1

yiyjyk∂i∂j∂ku1(x + y)dy.

Wenn wir also die dritte Ableitung von u1 kontrollieren, dann ist

(|y| − t)2

2|y|53∑

i,j,k=1

yiyjyk

beschrankt auf der Menge y : |y| > t und wir erhalten fur t ∈ [0, 1] die Ab-schatzung

‖P2u1(t, ·)‖L∞(R3) ≤ C

R3

3∑

i,j,k=1

|∂i∂j∂ku1(x + y)|dy ≤ C‖u1‖W 3,1(R3).

Analog gehen wir fur P1 und t ∈ [0, 1] vor. Da wir den Faktor t zusatzlich haben,mussen wir nur zwei Ableitungen kontrollieren, da jetzt schon der Term

(|y| − t)t

2|y|42∑

i,j=1

yiyj

auf der Menge y : |y| > t beschrankt ist. Insgesamt bekommen wir damit furt ∈ [0, 1] die Abschatzung

‖P1u1(t, ·)‖L∞(R3) ≤ C

R3

2∑i,j=1

|∂i∂ju1(x + y)|dy ≤ C‖u1‖W 2,1(R3).

Fassen wir die Abschatzungen fur P2u1 und P1u1 fur t ≥ 1 und t ∈ [0, 1] zusammen,

‖P1u1(t, ·)‖L∞(R3) ≤ C

t‖u1‖W 1,1(R3), ‖P2u1(t, ·)‖L∞(R3) ≤ C

t2‖u1‖W 1,1(R3) fur t ≥ 1,

‖P1u1(t, ·)‖L∞(R3) ≤ C‖u1‖W 2,1(R3), ‖P2u1(t, ·)‖L∞(R3) ≤ C‖u1‖W 3,1(R3) fur t ∈ [0, 1],

dann erhalten wir die gewunschten Aussagen. 2

142

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Folgerung 6.5 Es gelten folgende L1 − L∞ decay Abschatzungen im R3:

‖u(t, ·)‖L∞(R3) ≤ C(1 + t)−1(‖u0(·)‖W 3,1(R3) + ‖u1(·)‖W 2,1(R3)),

‖∇u(t, ·)‖L∞(R3) ≤ C(1 + t)−1(‖∇u0(·)‖W 3,1(R3) + ‖∇u1(·)‖W 2,1(R3)),

‖ut(t, ·)‖L∞(R3) ≤ C(1 + t)−1(‖∇u0(·)‖W 3,1(R3) + ‖u1(·)‖W 3,1(R3)).

Hier ist u = u(t, x) die eindeutig bestimmte Losung von

utt −∆u = 0, u(0, x) = u0(x), ut(0, x) = u1(x)

mit Daten u0 und u1 aus S(R3).

Beweis: Wir haben folgende Losungsdarstellungen:

u(t, x) = P1u1(t, x) + P1(∇u0 · ω)(t, x) + P2u0(t, x),

∇u(t, x) = P1(∇u1)(t, x) + P1((∇(∇u0 · ω))(t, x) + P2(∇u0),

ut(t, x) = P2u1(t, x) + P1(∇u1 · ω)(t, x) + 2P2(∇u0 · ω) + P1(∇(∇u0 · ω) · ω)(t, x).

Durch Anwendung von Satz 6.4 erhalten wir aus diesen Darstellungen sofort diegewunschten Abschatzungen. 2

Nach der d’Alembertschen Losungsdarstellung im R1 wissen wir, daß keine decayAbschatzungen fur die Energie der Losungen zu erwarten sind. Wenden wir deshalbnun dem Fall n = 2 zu. Nach Satz 2.5 haben wir folgende Losungsdarstellung:

u(t, x) =1

Kt(x)

u1(y)√t2 − |y − x|2dy + ∂t

( 1

Kt(x)

u0(y)√t2 − |y − x|2dy

).

Hier ist u = u(t, x) die eindeutig bestimmte Losung von

utt −∆u = 0, u(0, x) = u0(x), ut(0, x) = u1(x)

mit Daten u0 und u1 aus S(R2). Die letzte Losungsdarstellung konnen wir auch inder Form

u(t, x) = (P1u0)(t, x) + t(∂t(P1u0)(t, x) + (P1u1)(t, x)

)

mit

(P1u0)(t, x) =1

2πt

∫ t

0

|ω|=1

r√t2 − r2

u0(x + rω)dσωdr.

Hier haben wir ausgenutzt∫

Kt(x)

u0(y)√t2 − |y − x|2dy =

∫ t

0

|ω|=1

r√t2 − r2

u0(x + rω)dσωdr

= t

∫ 1

0

|ω|=1

s√1− s2

u0(x + stω)dσωds,

143

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im letzten Schritt haben wir r =: st gesetzt.

Wir erinnern uns jetzt an die Umformung aus Abschnitt 2.1.6 (Abstiegsmethode)

1

4πt

St(x1,x2,x3)

p(y1, y2)dσ(y1,y2,y3) =1

Kt(x1,x2)

p(y1, y2)√t2 − (y1 − x1)2 − (y2 − x2)2

d(y1, y2).

Demnach gilt auch

(P1u0)(t, x) =1

4πt2

St(x1,x2,x3)

u0(y1, y2)dσ(y1,y2,y3)

=1

|ω|=1

u0(x1 + tω1, x2 + tω2)dσ(ω1,ω2,ω3).

Die letzte Darstellung fur P1u0 ist eine Form, in welcher Differentiationen sehr schonerklart werden konnen. So erhalten wir ohne weitere Probleme

∂t(P1u0)(t, x) =1

|ω|=1

∂tu0(x1 + tω1, x2 + tω2)dσ(ω1,ω2,ω3)

=1

|ω|=1

(∇u0)(x1 + tω1, x2 + tω2) · ωdσ(ω1,ω2,ω3).

Wir wollen im folgenden verstehen wie wir eine L1−L∞ Abschatzung fur den Model-lausdruck P1u0 erhalten. Mit ahnlichen Uberlegungen erhalten wir dann L1 − L∞

Abschatzungen fur t∂tP1u0, tP1u1, damit also auch fur u selbst. Die Ableitungen ut

und ∇u lassen sich entsprechend behandeln, da wir sofort

ut(t, x) = 2∂t(P1u0)(t, x) + t∂2t (P1u0)(t, x) + (P1u1)(t, x) + t∂t(P1u1)(t, x),

(∇u)(t, x) = (∇P1u0)(t, x) + t(∂t(∇P1u0)(t, x) + (∇P1u1)(t, x)

)

bekommen. Wenden wir uns P1u0 zu. Fur t ∈ [0, 1] schließen wir wie folgt:

sup(t,x)∈[0,1]×R2

|(P1u0)(t, x)| = sup(t,x)∈[0,1]×R2

∣∣∣∫ 1

0

|ω|=1

s√1− s2

u0(x + stω)dσωds∣∣∣

≤ C‖u0‖L∞(R2) ≤ C‖u0‖W 2,1(R2)

nach Anwendung des Sobolevschen Einbettungssatzes. Damit wird die notwendigeRegularitat festgelegt.

Beachte: Man sollte diese W 2,1(R2)-Regularitat von u0 auch erhalten, wenn manwie bei der Behandlung des 3-d Falls zwei Ableitungen in das Integral “mogelt”.Diese Bemerkung ist wichtig, um die W 1,1(R2)-Regularitat von u1 in tP1u1 zu ver-stehen. Wie im 3-d Fall hilft der Faktor t, eine Regularitatsstufe fur u1 wenigervorauszusetzen als fur u0.

144

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Fur t ≥ 1 schließen wir nach [42] wie folgt.

1. Fall: 0 ≤ r ≤ t− ε mit ε > 0 ist klein.

Es gilt

∣∣∣ 1

2πt

∫ t−ε

0

|ω|=1

r√t2 − r2

u0(x + rω)dσωdr∣∣∣

=∣∣∣ 1

2πt

∫ t−ε

0

|ω|=1

r√(t− r)(t + r)

u0(x + rω)dσωdr∣∣∣

≤ C√εt3

∣∣∣∫ t−ε

0

|ω|=1

ru0(x + rω)dσωdr∣∣∣ ≤ C√

εt3‖u0‖L1(R2).

2. Fall: t− ε ≤ r ≤ t mit ε > 0 ist klein.

Es gilt

∣∣∣ 1

2πt

∫ t

t−ε

|ω|=1

r√t2 − r2

u0(x + rω)dσωdr∣∣∣

=∣∣∣ 1

2πt

∫ t

t−ε

|ω|=1

r√(t− r)(t + r)

u0(x + rω)dσωdr∣∣∣

≤ C√

ε√t3

sup(r,x)∈[t−ε,t]×R2

∣∣∣r∫

|ω|=1

u0(x + rω)dσω

∣∣∣.

Bleibt das Supremum abzuschatzen. Durch das Hineinmogeln einer Ableitung er-halten wir

r

|ω|=1

u0(x + rω)dσω = −r

|ω|=1

∫ ∞

r

∂su0(x + sω)dsdσω

= −r

|ω|=1

∫ ∞

r

∇u0(x + sω) · ωdsdσω

= −∫

|ω|=1

∫ ∞

r

r

s∇u0(x + sω) · sωdsdσω.

Daraus folgt sofort

sup(r,x)∈[t−ε,t]×R2

∣∣∣r∫

|ω|=1

u0(x + rω)dσω

∣∣∣ ≤∫

|y|>t/2

|∇u0(y)|dy ≤ C‖u0‖W 1,1 .

Insgesamt konnen wir damit folgende L1−L∞ Abschatzung fur P1u0 schlußfolgern:

‖(P1u0)(t, ·)‖L∞ ≤ C(1 + t)−32‖u0‖W 2,1(R2).

Werten wir analog die obigen Modelloperatoren aus, dann erhalten wir im 2-d Fallfolgende Aussagen:

145

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Satz 6.5 Es gelten folgende L1 − L∞ decay Abschatzungen im R2:

‖u(t, ·)‖L∞(R2) ≤ C(1 + t)−12 (‖u0(·)‖W 2,1(R2) + ‖u1(·)‖W 1,1(R2)),

‖∇u(t, ·)‖L∞(R2) ≤ C(1 + t)−12 (‖∇u0(·)‖W 2,1(R2) + ‖∇u1(·)‖W 1,1(R2)),

‖ut(t, ·)‖L∞(R2) ≤ C(1 + t)−12 (‖∇u0(·)‖W 2,1(R2) + ‖u1(·)‖W 2,1(R2)).

Hier ist u = u(t, x) die eindeutig bestimmte Losung von

utt −∆u = 0, u(0, x) = u0(x), ut(0, x) = u1(x)

mit Daten u0 und u1 aus S(R2).

Einige Erlauterungen zu Verallgemeinerungen:

In entsprechender Weise lassen sich Lp−Lq decay Abschatzungen auch fur Losungender Cauchy-Probleme fur die Wellengleichung in Dimensionen n > 3 erzielen. Dazuverwenden wir die expliziten Losungsdarstellungen der Satze 2.6, 2.7 und die Ideenzur Herleitung der L1−L∞ Abschatzungen fur die Modelloperatoren P1, t∂tP1 undtP1.

6.4 Lp − Lq decay-Abschatzungen fur Losungen der Klein-Gordon Gleichung

Vorgelegt sei das Cauchy-Problem fur die Klein-Gordon Gleichung

utt −∆u + m2u = 0, u(0, x) = u0(x), ut(0, x) = u1(x).

Wir konnen naturlich Losungsdarstellungen in Form von Fouriermultiplikatorenherleiten. Nach Anwendung der partiellen Fouriertransformation, der Losungvon Cauchy-Problemen fur gewohnliche Differentialgleichungen mit dem Parame-ter 〈ξ〉m := (|ξ|2 + m2)1/2 und anschließender Anwendung der inversen partiellenFouriertransformation erhalten wir die Losungsdarstellung

u(t, x) = F−1ξ→x

(1

2

(eit〈ξ〉m + e−it〈ξ〉m

)F (u0)(ξ) +

1

2i〈ξ〉m(eit〈ξ〉m − e−it〈ξ〉m

)F (u1)(ξ)

).

Da wir aus der Erhaltung der Klein-Gordon Energie sofort L2 − L2 Abschatzungenherleiten konnen, mussen wir nur noch L1 − L∞ Abschatzungen der Modell-Fouriermultiplikatoren

F−1ξ→x(cos(t〈ξ〉m)F (u0)(ξ)), F−1

ξ→x

(sin(t〈ξ〉m)

〈ξ〉m F (u1)(ξ))

herleiten. Dazu werden wir das know-how des Abschnittes 6.5 nutzen. Im folgendenAbschnitt werden wir noch einmal versuchen, explizite Losungsdarstellungen zurHerleitung von L1−L∞ Abschatzungen der Energie heranziehen. Dazu konnen wirauf den Wellenfall zuruckgreifen.

146

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6.4.1 Die Verwendung expliziter Losungsdarstellungen

Wenden wir uns dem Cauchy-Problem fur die Klein-Gordon Gleichung

utt −∆u + m2u = 0, u(0, x) = u0(x), ut(0, x) = u1(x)

zu. Wir interessieren uns jetzt fur die Raumdimensionen n = 1 und n = 2. Dannkonnen wir nach [42] folgende Transformationen strapazieren:

im Fall n = 1 : v(t, x, y) = exp(−imy)u(t, x),

im Fall n = 2 : v(t, x, y, z) = exp(−imz)u(t, x, y).

Diese Transformationen uberfuhren

utt − uxx + m2u = 0, u(0, x) = u0(x), ut(0, x) = u1(x)

in

vtt − vxx − vyy = 0, v(0, x, y) = exp(−imy)u0(x), vt(0, x, y) = exp(−imy)u1(x),

und

utt − uxx − uyy + m2u = 0, u(0, x, y) = u0(x, y), ut(0, x) = u1(x, y)

in

vtt − vxx − vyy − vzz = 0,

v(0, x, y, z) = exp(−imz)u0(x, y), vt(0, x, y, z) = exp(−imz)u1(x, y).

Damit haben wir zwei Cauchy-Probleme fur die Wellengleichung in den Fallen n = 2und n = 3 erhalten und konnen eigentlich die Resultate aus Abschnitt 6.3.1 stra-pazieren. Dort haben wir allerdings die Daten aus S(R2) oder S(R3) vorausgesetzt.Die Terme exp(−imy) und exp(−imz) in den Cauchy-Daten zerstoren die Voraus-setzungen S(R2) oder S(R3).

Wir folgen dabei der folgenden Strategie. Wir benutzen die Losungsdarstellungenaus Abschnitt 6.3.1 und zeigen, daß sich die Terme exp(−imy) und exp(−imz) nichtnegativ auf die Abschatzungen auswirken. Hierbei laßt sich die Analytizitat dieserTerme benutzen. Speziell erhalten wir

fur die Klein-Gordon Gleichung im Fall n = 1 die Losungsdarstellung

v(t, x, y) =1

Kt(x,y)

u1(ξ) exp(−imη)√t2 − ((x− ξ)2 + (y − η)2)

d(ξ, η)

+∂t

( 1

Kt(x,y)

u0(ξ) exp(−imη)√t2 − ((x− ξ)2 + (y − η)2)

d(ξ, η)),

147

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fur die Klein-Gordon Gleichung im Fall n = 2 die Losungsdarstellung

v(t, x, y, z) =1

4πt

St(x,y,z)

u1(ξ, η) exp(−imρ)dσ(ξ,η,ρ)

+ ∂t

( 1

4πt

St(x,y,z)

u0(ξ, η) exp(−imρ)dσ(ξ,η,ρ)

)

=t

|ω|=1

u1(x + tω1, y + tω2) exp(−im(z + tω3))dσω

+∂t

( t

|ω|=1

u0(x + tω1, y + tω2) exp(−im(z + tω3))dσω

).

Durch eine genaue Analysis kann man entsprechende Abschatzungen zu denen derAbschnitte 6.3.1 herleiten. Man muß nur geschickt die Modelloperatoren aus Ab-schnitt 6.3.1 auswerten. Es sollten sich dann die folgenden Resultate zeigen lassen:

Satz 6.6 Es gelten folgende L1 − L∞ decay Abschatzungen fur die Losungen von

utt − uxx + m2u = 0, u(0, x) = u0(x), ut(0, x) = u1(x)

im R1:

‖u(t, ·)‖L∞(R1) ≤ C(1 + t)−12 (‖u0(·)‖W 2,1(R1) + ‖u1(·)‖W 1,1(R1)),

‖∇u(t, ·)‖L∞(R1) ≤ C(1 + t)−12 (‖∇u0(·)‖W 2,1(R1) + ‖∇u1(·)‖W 1,1(R1)),

‖ut(t, ·)‖L∞(R1) ≤ C(1 + t)−12 (‖∇u0(·)‖W 2,1(R1) + ‖u1(·)‖W 2,1(R1))

mit Daten u0 und u1 aus S(R1).

Satz 6.7 Es gelten folgende L1 − L∞ decay Abschatzungen im R2:

‖u(t, ·)‖L∞(R2) ≤ C(1 + t)−1(‖u0(·)‖W 3,1(R2) + ‖u1(·)‖W 2,1(R2)),

‖∇u(t, ·)‖L∞(R2) ≤ C(1 + t)−1(‖∇u0(·)‖W 3,1(R2) + ‖∇u1(·)‖W 2,1(R2)),

‖ut(t, ·)‖L∞(R2) ≤ C(1 + t)−1(‖∇u0(·)‖W 3,1(R2) + ‖u1(·)‖W 3,1(R2))

mit Daten u0 und u1 aus S(R2).

Bemerkungen:

• Der Masseterm erzeugt eine um 1/2 bessere decay-Ordnung im Vergleich zurWellengleichung im Falle gleicher Raumdimension.• In den obigen Aussagen benotigen wir eine um eine Ordnung hohere Regularitatder Daten. Man kann aber zeigen, daß das nur im Fall n = 1 notwendig ist. Im Falln ≥ 2 erhalt man die decay-Abschatzung unter der gleichen Regularitat der Datenwie im gleichdimensionalen Wellenfall.

148

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6.5 Oszillierende Integrale

6.5.1 Oszillierende Integrale in einer Variablen

Wesentliche Fragen aus der Theorie partieller Differentialgleichungen benotigen Ken-ntnisse uber oszillierende Integrale. Das sind Integrale der Form

I(λ) :=

∫ b

a

eiλφ(x)ψ(x)dx,

wobei die Phasenfunktion φ = φ(x) reellwertig und glatt ist, wobei die Amplituden-funktion ψ = ψ(x) komplexwertig und glatt ist und wobei λ eine große positive Zahlist. Im allgemeinen interessiert uns das Verhalten solcher Integrale fur große Wertevon λ.

6.5.1.1 Lokalisierung

Falls ψ einen kompakten Trager im Intervall (a, b) besitzt, dann ist das asymptotischeVerhalten von I(λ) bestimmt durch die Nullstellen von φ′.

Lemma 6.1 Vorgelegt seien glatte Phasen- und Amplitudenfunktionen ϕ und ψ,wobei ψ einen kompakten Trager in (a, b) und φ′ keine Nullstellen auf [a, b] besitzt.Dann gilt

I(λ) = O(λ−N) fur λ →∞ und fur alle N ≥ 0.

Beweis: Mit L bezeichnen wir den Differentialoperator L = (iλφ′)−1 ddx

. Dann istder transponierte Operator LT gegeben durch LT = − d

dx1

iλφ′ . Fur jedes N ≥ 0

haben wir LN(eiλφ) = eiλφ. Partielle Integration und die Voraussetzungen bez. ψund φ′ sichern

I(λ) =

∫ b

a

eiλφψdx =

∫ b

a

LN(eiλφ)ψdx =

∫ b

a

eiλφ(LT )Nψdx.

Daraus folgt sofort

|I(λ)| =∣∣∣∫ b

a

eiλφ(LT )Nψdx∣∣∣ ≤ CNλ−N .

2

Merke: Falls die Amplitudenfunktion ψ nicht kompakten Trager in (a, b) besitzt,dann entstehen im Prozess der partiellen Integration noch Terme in den Randpunk-ten a und b. Das beste, was man erwarten kann, ist I(λ) = O(λ−1) wie das Beispiel

∫ b

a

eiλxdx =eiλb − eiλa

149

Page 150: Wellengleichungen - tu-freiberg.de...tialgleichungen (die Wellengleichung ist ein Repr˜asentant dieser Klasse) charakter-istisch sind. Endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit von St˜orungen

zeigt. Das Lokalisierungsprinzip beschreibt das asymptotische Verhalten von I(λ)durch das Verhalten von φ′ auf [a, b] und durch das Verhalten von φ und ψ in denEndpunkten a und b.

6.5.1.2 Skalierung

Vorgelegt sei jetzt J(λ) =∫ b

aeiλφ(x)dx. Wie verhalt sich J(λ) fur λ → ∞, falls

|dkxφ(x)| ≥ 1 auf [a, b] mit einem gewissen k erfullt ist? Im Abschnitt 6.5.1.1 haben

wir |dxφ(x)| ≥ C > 0 auf [a, b] vorausgesetzt. Die Variablentransformation x →λ−

1k x′ liefert als einzige mogliche Abschatzung J(λ) = O(λ−

1k ).

Lemma 6.2 (van der Corput)Die Phasenfunktion φ sei reellwertig, glatt und |φ(k)| ≥ 1 fur alle x ∈ [a, b]. Danngilt unter den Voraussetzungen

• k ≥ 2,

• k = 1 und φ′ ist monoton

die Abschatzung

|J(λ)| ≤ Ckλ− 1

k ,

wobei die Konstante Ck unabhangig von φ und λ ist.

Beweis: Wenden wir uns zuerst dem Fall k = 1 zu. Mit dem Operator L aus demBeweis zu Lemma 6.1 erhalten wir

J(λ) =

∫ b

a

L(eiλφ)dx =

∫ b

a

eiλφLT 1dx + (iλφ′)−1eiλφ∣∣∣b

a.

Die Randterme konnen jeweils durch 1/λ abgeschatzt werden. Weiterhin gilt unterder Ausnutzung der Monotonie von φ′

∣∣∣∫ b

aeiλφLT 1dx

∣∣∣ =∣∣∣∫ b

aeiλφ(iλ)−1 d

dx

(1φ′

)dx

∣∣∣

≤ λ−1∫ b

a

∣∣∣ ddx

1φ′

∣∣∣dx = λ−1∣∣∣∫ b

addx

1φ′dx

∣∣∣ = λ−1∣∣∣ 1φ′(b) − 1

φ′(a)

∣∣∣.

Damit ist die Aussage fur k = 1 und mit C1 = 3 bewiesen.Wir beweisen die Aussage fur k ≥ 2 durch Induktion. Nach eventuellem Ersatzvon φ zu −φ konnen wir voraussetzen φ(k+1)(x) ≥ 1 auf [a, b]. Es sei x = c dereindeutig bestimmte Punkt in [a, b], in welchem |φ(k)(x)| sein Minimum annimmt.Falls φ(k)(c) = 0, dann gilt außerhalb des Intervalls (c − δ, c + δ) die Abschatzung

150

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|φ(k)(x)| ≥ δ (im Fall k = 1 ist φ′ monoton). Wir zerlegen∫ b

a=

∫ c−δ

a+

∫ c+δ

c−δ+

∫ b

c+δ.

Nach der Induktionsvoraussetzung gilt

∣∣∣∫ c−δ

a

eiλφdx∣∣∣ ≤ Ck(λδ)−

1k ,

∣∣∣∫ b

c+δ

eiλφdx∣∣∣ ≤ Ck(λδ)−

1k .

Nutzen wir schließlich∣∣∣∫ c+δ

c−δeiλφdx

∣∣∣ ≤ 2δ, dann ergibt sich

|J(λ)| ≤ 2Ck

(λδ)1k

+ 2δ.

Falls φ(k)(c) 6= 0 ist und somit c eines der Endpunkte a oder b ist, erhalten wir durcheine analoge Schlussweise

|J(λ)| ≤ Ck

(λδ)1k

+ δ.

Man wird jetzt δ = δ(λ) so bestimmen, dass δ und (λδ)−1k einen gleichen Einfluss

auf das asymptotische Verhalten von J(λ) haben, somit δ = λ−1

k+1 . Damit ist

|J(λ)| ≤ Ck+1λ− 1

k+1 und die Aussage fur k ≥ 2 bewiesen. 2

Folgerung 6.6. Unter den Voraussetzungen an φ aus Lemma 6.2 gilt

∣∣∣∫ b

a

eiλφ(x)ψ(x)dx∣∣∣ ≤ Ckλ

− 1k

(|ψ(b)|+

∫ b

a

|ψ′(x)|dx).

Aufgabe 51 Beweisen Sie diese Aussage.

6.5.1.3 Asymptotisches Verhalten

Wir sind jetzt an dem prazisen asymptotischen Verhalten von I(λ) interessiert.Falls die Amplitudenfunktion ψ = ψ(x) einen kompakten Trager in (a, b) besitzt,dann wird das Verhalten von I(λ) im wesentlichen durch die kritischen Punkte derPhasenfunktion φ = φ(x), d.h. durch die Nullstellen von φ′, bestimmt. Wir setzenvoraus, dass der Trager von ψ genau einen kritischen Punkt x0 von φ besitzt. Derfolgende Satz ist eines der Kernresultate der Methode der stationaren Phase.

Satz 6.8. Fur k ≥ 2 setzen wir voraus φ(x0) = · · · = φ(k−1)(x0) = 0, aberφ(k)(x0) 6= 0. Falls ψ einen Trager in einer hinreichend kleinen Umgebung von x0

besitzt, dann gilt

I(λ) ∼ λ−1k

∞∑j=0

ajλ− j

k im folgenden Sinne :

151

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drλ

(I(λ)− λ−

1k

N∑j=0

ajλ− j

k

)= O

(λ−r−N+2

k

)fur λ →∞

und fur alle nichtnegativen N und r.

Beweis: Wir liefern den Beweis fur k = 2. Er wird in vier Schritte untergliedert.

1. Schritt: Wir zeigen

∫ +∞

−∞eiλx2

xle−x2

dx ∼ λ−l+12

∞∑j=0

c(l)j λ−j

fur jedes nichtnegative ganze l. Falls l ungerade ist, verschwindet das Integral.Untersuchen wir das Integral

∫ +∞

−∞e−(1−iλ)x2

xldx ,

dann liefert die Variablentransformation z = (1− iλ)1/2x und die Tatsache, dass dasFallen von e−z2

den Ersatz der Integrationsgerade (1 − iλ)1/2R durch R gestattet,sofort

∫ +∞

−∞e−(1−iλ)x2

xldx = (1− iλ)−l+12

∫ +∞

−∞e−x2

xldx.

Wir nutzen den Hauptzweig von z−l+12 in der komplexen Ebene, aufgeschnitten

entlang der negativen rellen Halbachse. Dann gilt

(1− iλ)−l+12 = λ−

l+12 (λ−1 − i)−

l+12 fur λ > 0.

Die Potenzreihenentwicklung von (w− i)−l+12 in der Kreisscheibe w ∈ C : |w| < 1

liefert die obige asymptotische Darstellung fur w = λ−1 → 0.

2. Schritt: Wir zeigen fur eine Funktion a ∈ C∞0 (R) die Abschatzung

∣∣∣∫ +∞

−∞eiλx2

xla(x)dx∣∣∣ ≤ Cλ−

l+12 .

Es sei χ = χ(x) eine Funktion aus C∞(R) mit χ(x) = 1 fur |x| ≤ 1 und χ(x) = 0fur |x| ≥ 2. Mit einem ε > 0 splitten wir obiges Integral

∫ +∞

−∞eiλx2

xla(x)dx =

∫ +∞

−∞eiλx2

xla(x)χ(x

ε

)dx +

∫ +∞

−∞eiλx2

xla(x)(1− χ

(x

ε

))dx.

152

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Der Betrag des ersten Integrals der rechten Seite kann abgeschatzt werden durchCεl+1. Berucksichtigen wir den einzigen stationaren Punkt 0 der Phasenfunktionφ(x) = x2, dann konnen wir wieder den Operator L aus dem Beweis zu Lemma 6.1strapazieren. Damit erhalten wir nach N -maliger partieller Integration

∫ +∞

−∞eiλx2

xla(x)(1− χ

(x

ε

))dx =

∫ +∞

−∞eiλx2

(LT )N(xla(x)

(1− χ

(x

ε

)))dx.

Der Betrag der rechten Seite kann abgeschatzt werden durch

CN

λN

|x|≥ε

|x|l−2Ndx = CNλ−Nεl−2N+1 fur l − 2N < −1.

Somit schlussfolgern wir

∣∣∣∫ +∞

−∞eiλx2

xla(x)dy∣∣∣ ≤ CNεl+1 + λ−Nεl−2N+1.

Jetzt wird ε = ε(λ) = λ−12 so gewahlt, dass beide Summanden einen gleichen

Einfluss auf die Abschatzung haben. Somit ist die obige Abschatzung gezeigt, sofernN > l+1

2gewahlt wird.

3. Schritt: Wir beweisen die Aussage des Satzes fur φ(x) = x2. Dazu benutzen wir

∫ +∞

−∞eiλx2

ψ(x)dx =

∫ +∞

−∞eiλx2

e−x2

(ex2

ψ(x))χ(x)dx,

wobei χ ∈ C∞0 (R) gleich 1 ist auf dem Trager von ψ. Fur jedes N wahlen wir die

Taylorsche Formel mit Restglied

ex2

ψ(x) =N∑

j=0

bjxj + xN+1RN(x) = P (x) + xN+1RN(x).

Einsetzen in obiges Integral liefert

∫ +∞

−∞eiλx2

ψ(x)dx =N∑

j=0

bj

∫ +∞

−∞eiλx2

e−x2

xjdx

+

∫ +∞

−∞eiλx2

P (x)e−x2(χ(x)− 1

)dx +

∫ +∞

−∞eiλx2

xN+1RN(x)e−x2

χ(x)dx.

Fur die Summe der Integrale nutzen wir die Abschatzung aus dem 1. Schritt. Furdas letzte Integral nutzen wir die Abschatzung aus dem 2. Schritt. Zur Abschatzungdes vorletzten Integrals beachten wird, dass P (x)e−x2

(χ(x) − 1) = 0 fur |x| ≤

153

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ε. Damit liefern partielle Integration und die Tatsache, dass P (x)e−x2(χ(x) − 1)

eine schnell fallende Funktion aus S(R) ist, sofort das gewunschte asymptotischeVerhalten aus Satz 6.8 fur φ(x) = x2.

4. Schritt: Wir beweisen die Aussage des Satzes fur k = 2 und fur eine allge-meine Phasenfunktion φ = φ(x). Da ψ einen hinreichend kleinen Trager in einerUmgebung von x0 besitzt, brauchen wir nur dort das Verhalten der Phasenfunktionberucksichtigen und erhalten φ(x) = c(x − x0)

2(1 + ε(x)), wobei ε = ε(x) glatt istmit ε(x) = O(|x − x0|) und damit |ε(x)| < 1 fur x in der Nahe von x0. Außerdemgilt φ′(x) 6= 0 fur x 6= x0. Es sei U ein kleines Intervall um x0 so, dass alle obi-

gen Bedingungen erfullt sind. Die Variablentransformation y = (x− x0)(1 + ε(x))12

erzeugt einen Diffeomorphismus von U auf ein Intervall um y = 0 mit cy2 = φ(x).Somit erhalten wir

∫ +∞

−∞eiλφ(x)ψ(x)dx =

∫ +∞

−∞eiλcy2

ψ(y)dy

mit ψ ∈ C∞0 (R) falls der Trager von ψ in U(x0) liegt. Auf diese Weise ist der

allgemeine Fall mit k = 2 auf den im dritten Schritt behandelten Fall zuruckgefuhrt.2

Bemerkung: Der Beweis fur k ≥ 3 verlauft ahnlich und basiert auf der Identitat

∫ ∞

0

eiλxk

e−xk

xldx = Ck,l(1− iλ)−l+1k .

Jede Konstante aj, die in der asymptotischen Entwicklung aus Satz 6.8 auftritt,hangt nur von endlich vielen Ableitungen von φ und ψ in x0 ab. Fur k = 2 ergibtsich z.B.

a0 =

(2π

−iφ′′(x0)

) 12

ψ(x0).

Ebenfalls hangen die Fehlerterme O(λ−r−N+2

k

)von endlich vielen Ableitungen von

φ und ψ auf dem Trager von ψ, von dem Maß des Tragers von ψ und der unterenGrenze von |φ(k)(x0)| ab.

6.5.1.4 Beispiele

a) In Abschnitt 2.2.1 haben wir Losungsdarstellungen fur Wellengleichungen in Formvon Fouriermultiplikatoren kennengelernt. Ein solcher Fouriermultiplikator hat im

1 − d Fall die Gestalt F−1ξ→x

(eitξa(ξ)

). Wir setzen jetzt voraus, dass die glatte

154

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Funktion a(ξ) = F (b(x)) einen kompakten Trager im Intervall (a, b) besitzt. Danngilt mit x = ty

F−1ξ→x

(eitξa(ξ)

)(t, x) =

1√2π

∫ b

a

ei(x+t)ξa(ξ)dξ =1√2π

∫ b

a

eit(y+1)ξa(ξ)dξ.

Damit ist Folgerung 6.1 anwendbar. Fur y 6= −1 gilt mit λ = t, mit dξφ = y+1 6= 0und somit fur große Zeiten t

∣∣∣F−1ξ→x

(eitξa(ξ)

)(t, ty

)∣∣∣ ≤ C1t−1

∫ b

a

|a′(ξ)|dξ.

Frage: Kann man noch ein starkeres Fallen in t herausholen?

Fur y = −1 bzw. x = −t erhalten wir

F−1ξ→x

(eitξa(ξ)

)(t, x) =

1√2π

∫ b

a

a(ξ)dξ = b(0).

Damit ist i. allg. entlang (t, x) : x = −t kein Fallen des Fouriermultiplikators zuerwarten.

b) Die Besselfunktionen Jm(r) ganzzahliger Ordnung m sind definiert durch

Jm(r) =1

∫ 2π

0

eir sin θe−imθdθ.

Uns interessiert das Verhalten von Jm(r) fur r → ∞. Mit λ = r und φ(θ) = sin θhaben wir φ′(θ) = 0 fur θ = π

2und θ = 3π

2. An diesen Stellen ist φ′′(θ) 6= 0. Setzen

wir die Zerlegung 1 = χ1 + χ2 + χ3, dabei ist χ1 = χ1(θ) aus C∞0 (R1) mit χ1 ≡ 1 in

einem kleinen Intervall um π2, dabei ist χ3 = χ3(θ) aus C∞

0 (R1) mit χ3 ≡ 1 in einemkleinen Intervall um 3π

2, in das Integral fur Jm(r) ein, dann erhalten wir

Jm(r) =1

∫ 2π

0

eir sin θχ1(θ)e−imθdθ

+1

∫ 2π

0

eir sin θχ3(θ)e−imθdθ +

1

∫ 2π

0

eir sin θχ2(θ)e−imθdθ.

Nach Anwendung von Folgerung 6.6 wissen wir, dass sich die ersten beiden Inte-grale wie r−

12 und das dritte Integral wie r−1 fur r → ∞ verhalten. Insgesamt

schlussfolgern wir Jm(r) = O(r−12 ) fur r →∞.

Aufgabe 52 Leiten Sie die vollstandige asymptotische Darstellung fur Jm(r) furr →∞ her.

155

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6.5.2 Oszillierende Integrale in mehreren Variablen

In diesem Abschnitt interessiert uns das oszillierende Integral

I(λ) =

Rn

eiλφ(x)ψ(x)dx.

Dann hat die Phasenfunktion φ = φ(x) in x0 einen kritischen oder stationaren Punkt,falls ∇φ(x0) = 0 gilt.

6.5.2.1 Anwendung partieller Integration

Als Verallgemeinerung von Lemma 6.1 haben wir folgende Aussage:

Lemma 6.3 Vorgelegt seien glatte Phasen- und Amplitudenfunktionen φ und ψ,wobei ψ einen kompakten Trager besitzt. Falls die reellwertige Phasenfunktion φkeinen stationaren Punkt auf dem Trager von ψ besitzt, dann gilt

I(λ) = O(λ−N) fur λ →∞ und fur alle N ≥ 0.

Beweis: Der Beweis verlauft analog dem von Lemma 6.1, wenn wir den OperatorL = 1

iλ|∇φ|2∇φ · ∇ wahlen. 2

6.5.2.2 Der Fall nicht entarteter kritischer Punkte

Die Phasenfunktion φ = φ(x) habe in x0 einen stationaren Punkt. Falls die Hesse-Matrix

Hφ(x0) = (∂2xkxl

φ)nk,l=1(x0)

in x0 invertierbar ist, dann heißt der stationare Punkt nicht entartet. Als Verallge-meinerung von Satz 6.8 fur k = 2 gilt folgende Aussage:

Satz 6.9 Es sei φ(x0) = 0 und φ habe in x0 einen nicht entarteten stationarenPunkt. Falls die glatte Amplitudenfunktion ψ = ψ(x) ihren Trager in einer kleinenUmgebung von x0 besitzt, dann gilt

I(λ) =

Rn

eiλφ(x)ψ(x)dx ∼ λ−n2

∞∑j=0

ajλ−j fur λ →∞.

Dabei ist das asymptotische Verhalten im gleichen Sinne wie in Satz 6.8 zu verstehen.

Beweis: Der Beweis verallgemeinert in vielen Schritten den von Satz 6.8 fur k = 2.

Es sei Q(x) =m∑

k=1

x2k −

n∑k=m+1

x2k eine quadratische Form mit 0 ≤ m ≤ n.

156

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1. Schritt: Wie im Beweis zu Satz 6.8 zeigt man

Rn

eiλQ(x)e−|x|2

xαdx ∼ λ−n+|α|

2

∞∑j=0

cj(m, l)λ−j

fur jeden Multiindex α = (α1, · · · , αn) und mit xα =n∏

k=1

xαkk .

Aufgabe 53 Zeigen Sie diese asymptotisch Entwicklung.

2. Schritt: Wir zeigen fur eine Funktion a ∈ C∞0 (Rn) die Abschatzung

∣∣∣∫

Rn

eiλQ(x)xαa(x)dx∣∣∣ ≤ Cλ−

n+|α|2 .

Dazu wahlen wir Kegel Γk = x : |xk|2 ≥ |x|2/2n und Γ0k = x : |xk|2 ≥ |x|2/n,

k = 1, · · · , n.

Dan⋃

k=1

Γ0k = Rn ist, konnen wir Funktionen Ω1, · · · , Ωn, die glatt fur x 6= 0 und

homogen vom Grad 0, d.h. Ωk(x) = Ωk(βx) fur β ∈ R, sind finden, die der Bedin-

gungn∑

k=1

Ωk(x) = 1 fur x 6= 0 (Zerlegung der 1) genugen. Dabei hat jedes Ωk seinen

Trager in Γk. Zu untersuchen haben wir somit

Rn

eiλQ(x)xαa(x)dx =n∑

k=1

Rn

eiλQ(x)xαa(x)Ωk(x)dx.

Im Kegel Γk nutzen wir partielle Integration

LkeiλQ(x) = eiλQ(x) mit Lk = ±(2iλxk)

−1∂xk.

Da außerdem |xk| ≥ (2n)−12 |x| in Γk erfullt ist, schlussfolgern wir

∣∣(LTk )N(xαa(x)Ωk(x))

∣∣ ≤ CNλ−N |x|−2N .

Ein analoges Vorgehen wie im 2.Schritt des Beweises zu Satz 6.8 liefert diegewunschte Aussage.

Die restlichen Schritte laufen analog. Damit ist die Aussage des Satzes fur Q(x) =m∑

k=1

x2k −

n∑k=m+1

x2k bewiesen.

3. Schritt: Der Beweis fur den allgemeinen Fall basiert auf dem sogenanntenMorse-Lemma. Da φ(x0) = 0,∇φ(x0) = 0 und der stationare Punkt x0 nicht en-tartet ist, existiert ein Diffeomorphismus einer kleinen Umgebung von x0 im x-Raum auf eine kleine Umgebung des Ursprungs im y-Raum so, dass φ = φ(x)

157

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inm∑

k=1

y2k −

n∑k=m+1

y2k transformiert wird. Damit ist der allgemeine Fall auf den

vorhergehenden Fall zuruckgefuhrt. Zeigen wir noch die Gultigkeit des Morse-Lemmas. Es reicht den Fall x0 = 0 zu untersuchen. Nach Voraussetzung gilt

φ(x) =n∑

k,l=1

xkxlφkl(x) mit glatten Funktionen φkl = φkl(x), φkl = φlk. Weiterhin

haben wir φkl(0) = 12∂2

xkxlφ(0).

Nach einer linearen Koordinatentransformation konnen wir in jedem Falle sichernφ11(0) 6= 0. Wir fuhren nun neue Variablen

y1 = (±φ11(x))12

(x1 +

k>1

xkφk1(x)

±φ11(x)

), yk = xk, k ≥ 2,

ein. Dabei ist ± das Vorzeichen von φ11(0), das liefert ±φ11(x) = |φ11(x)|. Diesenichtlineare Koordinatentransformation liefert

φ(x) = ±y21 +

n∑

k,l≥2

ykylφkl(y)

mit glatten Funktionen φkl = φkl(y). Eine lineare Koordinatentransformation sichertφ22(0) 6= 0. Wir fuhren jetzt ein y′k = yk fur k 6= 2 und

y′2 = (±φ22(y))1/2(y2 +

k>2

ykφk2(y)

±φ22(y)

).

Diese Transformation liefert

φ(x) = ±y′21 ± y′22 ±n∑

k,l≥3

y′ky′lφkl(y

′).

Schritt fur Schritt erhalten wir die Aussage des Morse-Lemma. 2

6.5.2.3 Beispiel

Im Zusammenhang mit der Herleitung von Lp − Lq decay-Abschatzungen sind Ab-schatzungen von

supx∈Rn

∣∣∣F−1ξ→x

(eit|ξ|a(ξ)

)∣∣∣

von Interesse, wobei der sich der Trager der glatten Amplitudenfunktion a = a(ξ)in der Kugelschale ξ ∈ Rn : |ξ| ∈ [1/2, 2] befindet. Setzen wir x = ty, dann kannobiger Ausdruck aquivalent umgeformt werden zu

supy∈Rn

∣∣∣∫

Rn

eit(y·ξ+|ξ|)a(ξ)dξ∣∣∣.

158

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Die Phasenfunktion φ = φ(y, ξ) = y · ξ + |ξ|, der große Parameter λ ist in unseremFalle t. Die stationaren oder kritischen Punkte ergeben sich durch

∇ξ(y · ξ + |ξ|) = y +ξ

|ξ| = 0.

Es sei y ∈ Rn vorgegeben.

Aufgabe 54 Welche Abschatzung erhalten wir fur obigen Ausdruck falls y nichtauf der Einheitssphare liegt?

Es liege nun y auf der Einheitssphare, d.h. |y| = 1. Dann liegen alle stationarenPunkte ξ ∈ Rn auf dem Strahl durch den Ursprung, auf welchem der Vektor −yliegt. Damit sind naturlich die kritischen Punkte nicht isoliert, da sie ja auf einemStrahl liegen. Als Hesse-Matrix Hφ(ξ) ergibt sich

Hφ(ξ) =1

|ξ|3

|ξ|2 − ξ2

1 −ξ1ξ2 ... −ξ1ξn

ξ2ξ1 |ξ|2 − ξ22 ... −ξ2ξn

−ξnξ1 −ξnξ2 ... |ξ|2 − ξ2n

=1

|ξ|

1− η21 −η1η2 ... −η1ηn

−η2η1 1− η22 ... −η2ηn

−ηnη1 −ηnη2 ... 1− η2n

,

wobei η = ξ/|ξ| auf der Einheitssphare liegt.

Aufgabe 55 Zeigen Sie, daß die Hesse-Matrix im stationaren Punkt ξ nicht in-vertierbar ist.

Damit scheint die Anwendung von Satz 6.9 hoffnungslos. Mann kann jetzt folgendeszeigen:

• Zu vorgegebenem y ∈ Rn gibt es genau einen kritischen Punkt η = η(y) auf derEinheitssphare, nach den obigen Ausfuhrungen sollte das klar sein.• Die Hesse-Matrix, gebildet in η = η(y) nach den n − 1 Koordinaten, die dieKugeloberflache in einer kleinen Umgebung von η = η(y) aufspannen, ist invertier-bar.

Somit gelingt es doch Satz 6.9 anzuwenden und wir erwarten auf Grund der Reduk-tion der Koordinaten um 1 eine Abschatzung der Form

supy∈Rn

∣∣∣∫

Rn

eit(y·ξ+|ξ|)a(ξ)dξ∣∣∣ ≤ Ct−

n−12

fur große Werte von t.

Aufgabe 56 Versuchen Sie einige der Untersuchungen dieses Abschnittes fur denAusdruck

supy∈Rn

∣∣∣∫

Rn

eit(y·ξ+〈ξ〉m)a(ξ)dξ∣∣∣

159

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nachzuvollziehen. Solche Ausdrucke sind im Zusammenhang mit Lp − Lq decay-Abschatzungen fur Losungen von Klein-Gordon Gleichungen abzuschatzen.

6.5.2.4 Der Fall degenerierter kritischer Punkte

Dieser Fall ist i.allg. sehr schwierig zu behandeln. Wir haben aber eine zumindesteine abgeschwachte Form des Lemmas von van der Corput.

Satz 6.10 Die Amplitudenfunktion ψ = ψ(x) sei glatt und getragen in der Ein-heitskugel. Die Phasenfunktion φ = φ(x) sei reellwertig und erfulle |∂α

x φ| ≥ 1 aufdem Trager von ψ. Dann gilt

∣∣∣∫

Rn

eiλφ(x)ψ(x)dx∣∣∣ ≤ Ck(φ)λ−

1k

(‖ψ‖L∞ + ‖∇ψ‖L1

)

mit k = |α|. Die Konstante Ck(φ) ist unabhangig von λ und ψ und bleibt beschrankt,solange die Ck+1-Norm von φ beschrankt bleibt.

Bemerkung: Die obige Abschatzung ist in vielen Fallen nicht optimal, da dieDimension n auf der rechten Seite der Abschatzung nicht spurbar ist. Wahlen wirz.B. im R2 die Phasenfunktion φ(x) = x1 · x2, dann erhalten wir λ−

12 in der rechten

Seite, da ∂2x1x2

φ = 1. Der Punkt (0,0) ist aber ein nicht entarteter stationarer Punkt.Somit liefert Satz 6.9 sogar λ−1.

References

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