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x 0 f 00 (x 0 )=0 x 0

Wendepunkte - Heidelberg Universitythaeter/surprises/...Wendepunkte bestimmt man oft im Rahmen der Kurvendiskussion. Dabei werden ver-schiedene Eigenschaften einer unktionF untersucht,

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Page 1: Wendepunkte - Heidelberg Universitythaeter/surprises/...Wendepunkte bestimmt man oft im Rahmen der Kurvendiskussion. Dabei werden ver-schiedene Eigenschaften einer unktionF untersucht,

Wendepunkte

Jutta Schlumberger

Ausarbeitung zum Vortrag im Proseminar Überraschungen und Gegenbeispielein der Analysis

(Sommersemester 2009, Leitung PD Dr. Gudrun Thäter)

Zusammenfassung:In dieser Ausarbeitung wird ein wichtiger Aspekt der Kurvendiskussion behandelt, nämlichdie Wendepunkte. Der Hauptteil der Arbeit widmet sich der Begri�sklärung, d.h. es werdenverschiedene De�nitionen von Wendepunkten vorgestellt und erläutert. Hierbei gewinnen wirüberraschende Erkenntnisse über Wendepunkte, nämlich dass es Funktionen gibt, die einenWendepunkt besitzen, an dem die notwendige Bedingung für einen Wendepunkt nicht erfülltist. D.h. dass am Wendepunkt x0 nicht f ′′(x0) = 0 gilt. Auÿerdem lernen wir Funktionenkennen, die an einer Stelle x0 nur einige De�nitionen für Wendepunkte erfüllen aber nach an-deren De�nitionen keinen Wendepunkt an dieser Stelle haben. Dabei werden Zusammenhängezwischen einzelnen De�nitionen hergestellt. Es werden Fälle dargestellt, in denen die verschie-denen De�nitionen äquivalent sind, aber es werden auch Beispiele aufgeführt, bei denen dieseÄquivalenz nicht gegeben ist. Anschlieÿend befasst sich ein kleiner Teil der Ausarbeitung mitder Vorgehensweise zur Bestimmung von Wendepunkten. Diese wird anhand zwei einfachenBeispielen erläutert. Ein kurzes Resümee bildet den Abschluss der Arbeit.

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 3

2 De�nitionen: Was sind Wendepunkte? 32.1 De�nition 1: geometrisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.2 De�nition 2: analytisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.3 De�nition 3: geometrisch-analytisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.4 De�nition 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

2.4.1 Theorem 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.4.2 Theorem 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.4.3 Theorem 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

3 Wie bestimmt man Wendepunkte? 13

4 Resümee 15

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Abbildungsverzeichnis

1.1 Kurvendiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.1 Tangente am Wendepunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42.2 Tangente an einem beliebigen anderen Punkt . . . . . . . . . . . . . . . 42.3 zu a): Graph der Funktion f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.4 zu b): Graph der Funktion f(x) = x

13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2.5 Konkav und Konvex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.6 f ′′ ≥ 0 auf einer Seite von x0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.7 f ′′ ≤ 0 auf der anderen Seite von x0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.8 Theorem 1 (i): Fall 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.9 Theorem 1 (i): Fall 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.10 Theorem 2 (i): Skizze der Funktion f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.11 Theorem 2 (ii): Skizze der Funktion h . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.12 Theorem 3: Fall 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122.13 Theorem 3: Fall 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133.1 Graph der Funktion f aus Beispiel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133.2 Graph der Funktion f aus Beispiel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

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1 Einleitung

Wendepunkte bestimmt man oft im Rahmen der Kurvendiskussion. Dabei werden ver-schiedene Eigenschaften einer Funktion untersucht, die sich auch im Graphen der Funk-tion wieder�nden. Diese Eigenschaften sind unter anderem: Nullstellen (N 1, N 2,N 3), Hoch-(H) und Tiefpunkte(T), Polstellen, Symmetrie, Verhalten für x → ±∞und Wendepunkte(W). Die Untersuchung dieser Eigenschaften erleichtert die graphi-sche Darstellung, wie hier in Abbildung 1.1, und die Auswertung der Funktion.

Abbildung 1.1: Kurvendiskussion

2 De�nitionen: Was sind Wendepunkte?

2.1 De�nition 1: geometrisch

De�nition 2.1 Ein Wendepunkt ist ein Punkt einer glatte Kurve C, an dem die Tan-gente die Kurve C nicht nur berührt, sondern auch schneidet. Die Tangente an einenWendepunkt wird Wendetangente genannt.Spezialfall: ein Wendepunkt, an dem die Wendetangente die Steigung 0 hat, also parallelzur x-Achse ist, heiÿt Sattelpunkt.

geometrische Erläuterung:Wenn man die Tangente am Wendepunkt zeichnet, dann wechselt diese in einer Um-gebung um den Wendepunkt von der einen Seite auf die andere Seite der Kurve. Wennman das rein geometrisch betrachtet, muss die Tangente die Kurve der stetigen Funk-tion überqueren, also schneiden. Ein Beispiel für eine Wendetangente ist in Abbildung2.1 dargestellt. Die Abbildung zeigt den Spezialfall einer waagrechten Wendetangente,der Wendepunkt in diesem Beispiel ist also ein Sattelpunkt.Wenn man die Tangente an einem beliebigen anderen Punkt betrachtet, dann be�ndetsich diese - zumindest in einer bestimmten Umgebung um den Punkt - immer auf dergleichen Seite der Kurve, also schneidet sie die Kurve der Funktion nicht, wie man inAbbildung 2.2 sehen kann.

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Abbildung 2.1: Tangente am Wendepunkt

Abbildung 2.2: Tangente an einem beliebigen anderen Punkt

2.2 De�nition 2: analytisch

De�nition 2.2 Ein Wendepunkt ist ein Übergangspunkt zwischen zwei Kurvenabschnit-ten, einem Abschnitt, in dem f ′′ ≥ 0 und einem, in dem f ′′ ≤ 0.

Ausgehend von De�nition 2.2 könnte man annehmen, dass am Wendepunkt x0 dieBedingung f ′′(x0) = 0 gelten müsste. Diese Annahme ist aber falsch, was man durchGegenbeispiele beweisen kann. Wir werden im Folgenden zwei Fälle betrachten, bei de-nen an der Stelle x0 ein Wendepunkt vorliegt, aber die zweite Ableitung an der Stellex0 nicht de�niert ist:a) die zweite Ableitung hat eine Unstetigkeitsstelle am Wendepunkt x0.b) die Wendetangente ist parallel zur y-Achse.

Zu a): Sei

f(x) =

{38x2 − 4x + 29

2für 2 ≤ x < 6

− 516

x2 + 174x− 41

4für 6 ≤ x ≤ 10

(2.1)

siehe Abbildung 2.3

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Abbildung 2.3: zu a): Graph der Funktion f

f ′(x) =

{34x− 4 für 2 ≤ x < 6

−58x + 17

4für 6 ≤ x ≤ 10

(2.2)

Die Kurve der Funktion ist aus zwei parabolischen Segmenten zusammengesetzt. DieFunktion ist o�ensichtlich stetig di�erenzierbar, aber

f ′′(x) =

{34

für 2 ≤ x < 6

−58

für 6 ≤ x ≤ 10(2.3)

Wie man aus Gleichung 2.3 sofort sehen kann, ist der Punkt (6 | 4) ein Übergangs-punkt zwischen zwei Kurvenabschnitten, einem Abschnitt, in dem f ′′ ≥ 0 und einemAbschnitt, in dem f ′′ ≤ 0. D.h. der Punkt (6 | 4) ist nach De�nition 2.2 ein Wende-punkt, aber an dieser Stelle ist f ′′ 6= 0 und eine Unstetigkeitsstelle.

Zu b): Seif(x) = x

13 (2.4)

Die Kurve der Funktion f(x) = x13 ist in Abbildung 2.4 dargestellt.

Nach zweimaligem Ableiten der Funktion f erhält man f ′′(x) = −29x−

53 . Es gilt also

f ′′(x) ≤ 0 für x > x0 = 0 und f ′′(x) ≥ 0 für x < x0 = 0. D.h. an der Stelle x0 = 0 ist einWendepunkt nach De�nition 2.2, aber die zweite Ableitung ist am Wendepunkt nichtde�niert. Der Grund dafür ist die Tatsache, dass für x → 0− gilt, dass f ′′(x) → +∞und für x→ 0+ gilt, dass f ′′(x)→ −∞. D.h. f ′′ ist am Wendepunkt nicht de�niert.Man sieht, dass die Wendetangente parallel zur y-Achse, also senkrecht ist.

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Abbildung 2.4: zu b): Graph der Funktion f(x) = x13

2.3 De�nition 3: geometrisch-analytisch

De�nition 2.3 Der Punkt x0 ist ein Wendepunkt der Funktion f , falls genügend nahan x0 die Funktion auf einer Seite von x0 linksgekrümmt und auf der anderen Seitevon x0 rechtsgekrümmt ist. D.h. die Kurve der Funktion f wechselt am Wendepunktvon einer Linkskrümmung in eine Rechtskrümmung oder umgekehrt.

Eine linksgekrümmte Kurve ist konvex und es ist f ′′ ≥ 0. Ein Beispiel für eine links-gekrümmte Kurve sieht man in Abbildung 2.5 (rechts). Die Kurve der Funktion g istkonvex, sie ist nach oben o�en und jede Verbindungsstrecke zwischen zwei Punkten derKurve (Q 1 und Q 2) liegt an keiner Stelle unterhalb der Kurve.

Eine rechtsgekrümmte Kurve ist konkav und es ist f ′′ ≤ 0. Die Kurve der Funktion f inAbbildung 2.5 (links) ist konkav. Sie ist nach unten o�en und jede Verbindungsstreckezwischen zwei Punkten der Kurve (P 1 und P 2) liegt an keiner Stelle oberhalb derKurve.

Abbildung 2.5: Konkav und Konvex

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Mit diesem Vorwissen wollen wir nun, ausgehend von De�nition 2.2, auf eine weitereDe�nition hinführen. Nach De�nition 2.2 soll für die zweite Ableitung an einem Wen-depunkt x0 gelten, dass f ′′ ≥ 0 auf einer Seite von x0 und f ′′ ≤ 0 auf der anderen Seitevon x0 ist.

Zunächst betrachten wir die Seite, auf der f ′′ ≥ 0 ist. f ′′ ≥ 0 bedeutet, dass dieerste Ableitung f ′ monoton steigend ist. Die Steigung der Funktion f wird in diesemFall mit zunehmendem x gröÿer. D.h. die Tangenten an f an der Stelle x werden fürzunehmende x steiler, wie in Abbildung 2.6 ersichtlich ist. Folglich ist die Kurve derFunktion linksgekrümmt.

Abbildung 2.6: f ′′ ≥ 0 auf einer Seite von x0

Auf der anderen Seite des Wendepunkts x0 ist f ′′ ≤ 0, also ist die erste Ableitungmonoton fallend. Die Steigung der Funktion wird also mit zunehmendem x kleiner unddie Tangenten an f an der Stelle x werden in x-Richtung �acher. In diesem Fall ist dieKurve der Funktion rechtsgekrümmt wie in Abbildung 2.7. Voraussetzung ist in beidenFällen, dass f di�erenzierbar ist, also dass die Ableitungen existieren.

Abbildung 2.7: f ′′ ≤ 0 auf der anderen Seite von x0

Die bisherigen De�nitionen haben die zweite Ableitung benutzt, um Wendepunkte zucharakterisieren.

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2.4 De�nition 4

Die folgende De�nition umfasst drei Bedingungen für Wendepunkte, die nur eine ersteAbleitung von f brauchen, aber nicht notwendig eine zweite Ableitung. Diese De�ni-tionen sind nicht zwangsläu�g äquivalent.

De�nition 2.4 Der Punkt x0 ist ein Wendepunkt der Funktion f , die auf dem Intervall(a,b) gegeben ist, wenn gilt:A) Es existiert ein o�enes Intervall I ⊂ (a, b), x0 ∈ I, so dass auf If ′ auf einer Seite von x0 zunimmt und auf der anderen Seite von x0 abnimmt.B) Es existiert ein o�enes Intervall I ⊂ (a, b), x0 ∈ I, so dass auf If ′ an der Stelle x0 ein Maximum oder Minimum annimmt.C)Es existiert ein o�enes Intervall I ⊂ (a, b), x0 ∈ I, so dass für T (Tangente an fan der Stelle x0) gilt:T ≥ f auf einer Seite von x0 und T ≤ f auf der anderen Seite von x0.

Im Folgenden stellen wir einen Zusammenhang zwischen den drei Bedingungen her.Die Beziehungen zwischen den Bedingungen werden durch drei Theoreme aufgezeigt.

2.4.1 Theorem 1

Sei f di�erenzierbar auf (a,b) und sei x0 ∈ (a, b), dann gilt:(i): A) ⇒ B)(ii): B) ⇒ C)

Beweis zu (i):Fall 1:x→ x−0 ⇒ f ′(x)↘ f ′(x0), für x < x0 nimmt f ′ in x-Richtung ab.x→ x+

0 ⇒ f ′(x)↘ f ′(x0), für x > x0 nimmt f ′ in x-Richtung zu.⇒ aus der Monotonie folgt, dass f ′(x0) ≤ f ′(x) ∀x in einer Umgebung um x0. f ′ nimmtalso auf I an der Stelle x0 ein Minimum an.

Abbildung 2.8: Theorem 1 (i): Fall 1

Fall 2:x→ x−0 ⇒ f ′(x)↗ f ′(x0), für x < x0 nimmt f ′ in x-Richtung zu.x→ x+

0 ⇒ f ′(x)↗ f ′(x0), für x > x0 nimmt f ′ in x-Richtung ab.⇒ aus der Monotonie folgt, dass f ′(x0) ≥ f ′(x) ∀x in einer Umgebung um x0. In diesem

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Fall nimmt f ′ auf I an der Stelle x0 ein Maximum an.q.e.d.

Abbildung 2.9: Theorem 1 (i): Fall 2

Beweis zu (ii):o.B.d.A. sei f ′ maximal an der Stelle x0. Der Beweis geht für f ′ minimal an der Stellex0 völlig analog.o.B.d.A. sei T ′ ≡ 0, d.h. die Funktion wird so gedreht, dass T (die Tangente an f ander Stelle x0) parallel zur x-Achse ist.Es gilt also, dass f ′(x) ≤ f ′(x0) = T ′(x0) = 0 ∀x aus einer Umgebung um x0.

für x > x0: f ′(x) = limx0→x−

f(x)−f(x0)x−x0

≤ 0 (zentraler Di�erenzenquotient)

da x > x0 ⇒ f(x) ≤ f(x0) = T (x0) = T (x). D.h., dass f(x) ≤ T (x) für x > x0, alsoauf einer Seite von x0.

für x < x0: f ′(x) = limx0→x+

f(x)−f(x0)x−x0

≤ 0 (zentraler Di�erenzenquotient)

da x < x0 ⇒ f(x) ≥ f(x0) = T (x0) = T (x). D.h., dass f(x) ≥ T (x) für x < x0, alsoauf der anderen Seite von x0.q.e.d.

2.4.2 Theorem 2

(i): Es existieren unendlich oft di�erenzierbare Funktionen, die in einer Umgebung vonx0 C) erfüllen, aber nicht B).(ii): Es existieren unendlich oft di�erenzierbare Funktionen, die in einer Umgebungvon x0 B) erfüllen, aber nicht A)

Beweis:Zu (i): de�niere eine Funktion f mit

f(x) =

(e−x−2 · sin( 1

x))2 für x > 0

0 für x0 = 0

−(e−x−2 · sin( 1x))2 für x < 0

(2.5)

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Abbildung 2.10: Theorem 2 (i): Skizze der Funktion f

Skizze siehe Abbildung 2.10.f ist unendlich oft di�erenzierbar, da f aus Sinus- und e-Funktion zusammengesetztist. Die Voraussetzung von Theorem 2 ist also erfüllt.Alle Ableitungen verschwinden an der Stelle x0 = 0. Daraus folgt, dass T (Tangentean f an der Stelle x0) identisch mit der x-Achse ist, also an allen Stellen den Wert 0hat (T ≡ 0).Auÿerdem ist f(x) ≤ 0 für x < x0 und f(x) ≥ 0 für x > x0.Es gilt also T ≥ f für x < x0 und T ≤ f für x > x0, folglich ist C) erfüllt.Aber B) ist nicht erfüllt, denn die Funktion f oszilliert stark, und zwar so stark, dasssie in jedem Intervall mit x0 als Endpunkt sowohl zu- als abnimmt. Daraus kann manableiten, dass f ′ in jedem Intervall mit x0 als Endpunkt sowohl positive als auch nega-tive Werte annimmt, f ′(x0) = 0 kann also nur zwischen lokalen Maxima und Minimaliegen. Demzufolge kann f ′ an der Stelle x0 kein lokales Maximum oder Minimum an-nehmen so dass B) nicht erfüllt sein kann.q.e.d.

Zu (ii): nehme eine Funktion g mit

g(x) =

∫ x

0

h(t)dt (2.6)

und

h(x) =

{(e−x−2 · sin( 1

x))2 für x 6= 0

0 für x0 = 0(2.7)

Skizze von h siehe Abbildung 2.11.

Die Funktion g ist in einer Umgebung um den Ursprung unendlich oft di�erenzierbar,da g aus Sinus- und e-Funktion zusammengesetzt ist. g erfüllt also die Voraussetzungvon Theorem 2. Auÿerdem ist g′(x) ≥ 0 ∀x in der Umgebung um x0 = 0 und es istg′(x0) = 0.

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Abbildung 2.11: Theorem 2 (ii): Skizze der Funktion h

Daraus folgt, dass g′ an der Stelle x0 = 0 ein lokales Minimum annimmt und somit B)erfüllt ist.Aber A) ist nicht erfüllt, denn g′ nimmt in jedem Intervall mit x0 = 0 als Endpunktsowohl zu als auch ab (siehe (i)). Das sieht man auch wenn man g′′ betrachtet, denn g′′

nimmt in jedem Intervall mit x0 = 0 als Endpunkt sowohl positive als auch negativeWerte an. Das ist ein Widerspruch zu A).q.e.d.

Funktionen wie die in unserem Beispiel sind überraschend, da sie nach einer De�nitioneinen Wendepunkt haben, der aber nach einer anderen De�nition kein Wendepunkt ist.Wie wir gesehen haben, macht auch die beliebig häu�ge Di�erenzierbarkeit die De�ni-tionen nicht äquivalent. Das Problem ist, dass sich in diesem Fall schwer Aussagen überdie Existenz von Wendepunkten machen lassen. Es gibt aber eine Klasse von Funktio-nen, für welche die De�nitionen äquivalent sind, nämlich die analytischen Funktionen,also diejenigen Funktionen, die an allen Stellen durch eine konvergente Potenzreiheangenähert werden können. Mit diesen Funktionen befasst sich nun Theorem 3.

2.4.3 Theorem 3

Sei f analytisch auf einem Intervall (a,b), das x0 enthält. Dann sind die BedingungenA), B) und C) äquivalent.

z.Z. ist also, dass unter dieser Voraussetzung gilt: C) ⇒ A).Bemerkung:Wenn die Funktion f analytisch ist, dann kann man sie in jedem Punkt durch einekonvergente Potenzreihe annähern. D.h. es gibt in jedem Punkt x eine Potenzreihe,die gegen f(x) konvergiert. Wenn f analytisch ist, dann ist auch f ′′ analytisch, dennwenn man eine Potenzreihe ableitet, dann erhält man wieder eine Potenzreihe. f ′′ kannalso auf einer Menge von Punkten, die x0 als Häufungspunkt haben, nicht verschwin-den (auÿer wenn f linear ist), da es durch seine Werte auf so einer Menge bestimmtist. Aus dieser Tatsache kann man schlieÿen, dass für x0 ∈ (a, b) ein o�enes Intervall

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I ⊂ (a, b) existiert , so dass auf I, f ′ auf beiden Seiten von x0 monoton ist.(Genaueres in Funktionentheorie)

Um Theorem 3 zu beweisen, nehmen wir an, dass die Funktion f De�nition C) erfüllt.Dann ist T ≤ f auf einer Seite von x0 und T ≥ f auf der anderen Seite von x0.Wir müssen nun zeigen, dass f dann De�nition A) erfüllt, d.h. dass f ′ auf einer Seitevon x0 monoton steigend, auf der anderen Seite monoton fallend ist. Aufgrund derBemerkung braucht man nur noch die Art der Monotonie zu untersuchen (fallend odersteigend).

Beweis:Sei o.B.d.A. T ≤ f auf einer Seite von x0. Der Beweis für T ≥ f geht analog.Sei o.B.d.A. T ′ ≡ 0.

Fall 1: T ≤ f für x > x0. Dieser Fall ist in Abbildung 2.12 dargestellt.Es gilt f ′(x0) = T ′(x0) = 0 und f(x0) = T (x0).Für x > x0 gilt f(x) ≥ T (x) = T (x0) = f(x0).Steigung an Stellen x > x0: f ′(x) = lim

x0→x−

f(x)−f(x0)x−x0

≥ 0 ⇒ f ′(x0) ≤ f ′(x) für x0 < x.

Da f ′ monoton ist, ist f ′ monoton steigend.

Abbildung 2.12: Theorem 3: Fall 1

Fall 2: T ≤ f für x < x0. Diesen Fall zeigt Abbildung 2.13.Es gilt f ′(x0) = T ′(x0) = 0 und f(x0) = T (x0).Für x < x0 gilt f(x) ≥ T (x) = T (x0) = f(x0).Steigung an Stellen x < x0: f ′(x) = lim

x0→x+

f(x)−f(x0)x−x0

≤ 0. ⇒ f ′(x) ≤ f ′(x0) für x < x0.

Da f ′ monoton ist, ist f ′ monoton steigend.q.e.d.

analog gilt für T ≥ f , dass f ′ monoton fallend ist.

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Abbildung 2.13: Theorem 3: Fall 2

3 Wie bestimmt man Wendepunkte?

gegeben ist eine Funktion f .Um die Wendepunkte zu bestimmen, geht man nach folgendem Schema vor:

1. Identi�ziere die Punkte, an denen f ′′ = 0 oder an denen f ′′ unde�niert ist.2. Bestimme die Vorzeichen von f ′′ über die Intervalle, welche die bei 1. bestimmtenPunkte trennen.3. Man hat einen Wendepunkt gefunden, wenn an dem bestimmten Punkt ein Vorzei-chenwechsel von f ′′ vorliegt.

Beispiel 1: Ganzrational

Abbildung 3.1: Graph der Funktion f aus Beispiel 1

f(x) = x4 + 2x3 − 12x2 (3.1)

f ′(x) = 4x3 + 6x2 − 24x (3.2)

f ′′(x) = 12x2 + 12x− 24 (3.3)

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zu 1.f ′′ ist an allen Stellen de�niert. Die Nullstellen der zweiten Ableitung bestimmt man,indem man 12x2 + 12x− 24 = 0 setzt. Das gilt genau dann, wenn x2 + x− 2 = 0 ist.So kann man nun die Kandidaten für Wendepunkte mithilfe der Mitternachtsformelberechnen: x1/2 = −1±

√1+8

2= −1±3

2⇒ x1 = 1, x2 = −2.

zu 2.Als Intervalle kann man z.B. I1 = [0, 2] und I2 = [−3,−1] wählen. Es bleibt das Be-stimmen der Vorzeichen der zweiten Ableitung über diese Intervalle. I1 = [0, 2] →f ′′(0) = −24, f ′′(2) = 48. Es liegt also ein Vorzeichenwechsel der zweiten Ableitungvor.I2 = [−3,−1]→ f ′′(−3) = 48, f ′′(−1) = −24. Über das Intervall I2 wechselt die zweiteAbleitung das Vorzeichen.

zu 3.Die Funktion hat also zwei Wendepunkte, nämlich W1(1 | −9) und W2(−2 | −48).

Beispiel 2: Gebrochenrational

Abbildung 3.2: Graph der Funktion f aus Beispiel 2

f(x) =x3 − 4x2 + 4x

4x2 − 8x + 4=

x(x− 2)2

4(x− 1)2(3.4)

f ′(x) =(x− 2)(x2 − x + 2)

4(x− 1)3(3.5)

f ′′(x) =4− x

2(x− 1)4(3.6)

zu 1.f ′′ ist an allen Stellen auÿer x = 1 de�niert. x = 1 ist also ein Kandidat für einenWendepunkt. ⇒ x1 = 1

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Weitere Kandidaten für Wendepunkte sind Nullstellen der zweiten Ableitung, also Lö-sungen der Gleichung 4−x

2(x−1)4= 0 bzw. der Gleichung 4 − x = 0. Diese Gleichungen

werden genau durch x = 4 gelöst. ⇒ x2 = 4

zu 2.Als geeignete Intervalle kann man z.B. I1 = [0, 2] und I2 = [3, 5] wählen, und über dieseIntervalle die Vorzeichen der zweiten Ableitung bestimmen.I1 = [0, 2] → f ′′(0) = 2, f ′′(2) = 1. D.h. für diesen Kandidaten erhalten wir keinenVorzeichenwechsel der zweiten Ableitung, der Kandidat ist also kein Wendepunkt.I2 = [3, 5]→ f ′′(3) = 1

32, f ′′(5) = − 1

512. Die zweite Ableitung wechselt also das Vorzei-

chen.

zu 3.Die Funktion hat einen Wendepunkt: W (4 | 4

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4 Resümee

Im Rückblick auf die Arbeit ergeben sich einige überraschende und interessante Ergeb-nisse. Zum Einen stellt sich die Bedingung, die in der Schule als notwendige Bedingungfür einen Wendepunkt gelehrt wird, nämlich dass am Wendepunkt x0 gilt: f ′′(x0) = 0,als gar nicht notwendig heraus. Tatsächlich muss diese Bedingung am Wendepunktnämlich nicht erfüllt sein. Es kann sein, dass die zweite Ableitung am Wendepunktnicht de�niert ist. In den zwei vorgeführten Beispielen war am Wendepunkt eine Uns-tetigkeitsstelle der zweiten Ableitung, bzw. die zweite Ableitung war am Wendepunktnicht de�niert und die Wendetangente war parallel zur y-Achse. Ein weiteres überra-schendes Resultat ist die Tatsache, dass ein Punkt einer bestimmten Funktion nacheiner De�nition ein Wendepunkt sein kann, eine andere De�nition für Wendepunkteaber nicht erfüllt. Dies resultiert daraus, dass die entsprechenden De�nitionen nichtäquivalent sind. Der Grund dafür liegt in der Eigenschaft der Funktion, dass die Ab-leitung f ′ an allen Punkten, an denen sie nicht verschwindet, unstetig ist.

Literatur

[1] A.R. Rajwade und A.K. Bhandari: Surprises and Counterexamples in Real Func-tion Theory, Kapitel 5.5, 126-133, Hindustan Book Agency (2008)

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[3] A.M. Bruckner, some nonequivalent de�nitions of in�ection points,Amer.Math.Monthly, 69 (1962), 787-789.

[4] A.W. Walker, What is a point of in�ection?, Amer.Math.Monthly, 63 (1956), 182-183.

[5] Graphiken: MatheGra�x.de

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