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© Getty Images/iStockphoto/thinkstockfotos.de FORTBILDUNG_ÜBERSICHT Andreas Mertens Facharzt für Psychiatrie, MVZ Praxis City Ost Berlin-Friedrichshain Medizinisches Versorgungszentru m und HIV-Schwerpunktpraxis für Allge m ein m edizin, Innere Medizin, Infektiologie, Neurologie und Psychiatrie Komorbide psychiatrische Störungen Wenn die Seele unter HIV leidet Viele HIV-positive Patienten zeigen komorbide psychiatrische Störungen, die oft unerkannt bleiben, den Erfolg der HIV-Therapie gefährden und Kompli- kationen nach sich ziehen können. Nicht nur wegen der Folgen für die körper- liche Gesundheit verdient diese Tatsache besondere Aufmerksamkeit. Depressionen, Angststörungen und Psychosen stellen erhebliche gesundheit- liche Störungen dar; auch die psychosozialen Folgen können gravierend sein. An der Schnittstelle von biologischen, psychischen und sozialen Faktoren wird dieses Problem am Beispiel der Depression beleuchtet. _ Depression und Substanzmissbrauch sind die häufigsten seelischen Störungen bei HIV-Patienten. Die Lebenszeitpräva- lenz für depressive Erkrankungen ist bis zu doppelt so hoch wie in der Allgemein- bevölkerung. Eine Depression kann die Lebensfüh- rung erheblich beeinträchtigen. Sie führt in mindestens 50% der Fälle zu Rezidiven und kann lebensbedrohlich sein. Etwa 50% aller Suizide ereignen sich in einer Depression. Bis zu 80% aller depressiv Er- krankten entwickeln den Wunsch, an ei- ner unheilbaren Krankheit zu sterben. Kritische autoprotektive Ressourcen Psychisch Kranke können auch heute an den Folgen einer HIV-Infektion erkran- ken, pflegebedürſtig werden oder ver- sterben. Psychiatrische Komorbidität begünstigt Substanzmissbrauch, sexuell riskantes Verhalten, schlechte CART- ( Combined Anti-Retroviral erapy-) Adhärenz und schlechten Immunstatus. This article is part of a supplement not sponsored by the industry. MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (Supplement 1) 15

Wenn die Seele unter HIV leidet

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eFORTBILDUNG_ÜBERSICHT

Viele HIV-Patienten verlässt der Lebenswille.

Andreas MertensFacharzt für Psychiatrie, MVZ Praxis City Ost Berlin-FriedrichshainMedizinisches Versorgungszentrum und HIV-Schwerpunktpraxis für Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Infektiologie, Neurologie und Psychiatrie

Komorbide psychiatrische Störungen

Wenn die Seele unter HIV leidetViele HIV-positive Patienten zeigen komorbide psychiatrische Störungen, die oft unerkannt bleiben, den Erfolg der HIV-Therapie gefährden und Kompli-kationen nach sich ziehen können. Nicht nur wegen der Folgen für die körper-liche Gesundheit verdient diese Tatsache besondere Aufmerksamkeit. Depressionen, Angststörungen und Psychosen stellen erhebliche gesundheit-liche Störungen dar; auch die psychosozialen Folgen können gravierend sein. An der Schnittstelle von biologischen, psychischen und sozialen Faktoren wird dieses Problem am Beispiel der Depression beleuchtet.

_ Depression und Substanzmissbrauch sind die häu� gsten seelischen Störungen bei HIV-Patienten. Die Lebenszeitpräva-lenz für depressive Erkrankungen ist bis zu doppelt so hoch wie in der Allgemein-bevölkerung.

Eine Depression kann die Lebensfüh-rung erheblich beeinträchtigen. Sie führt in mindestens 50% der Fälle zu Rezidiven und kann lebensbedrohlich sein. Etwa 50% aller Suizide ereignen sich in einer Depression. Bis zu 80% aller depressiv Er-

krankten entwickeln den Wunsch, an ei-ner unheilbaren Krankheit zu sterben.

Kritische autoprotektive RessourcenPsychisch Kranke können auch heute an den Folgen einer HIV-Infektion erkran-ken, p� egebedür� ig werden oder ver-sterben. Psychiatrische Komorbidität begünstigt Substanzmissbrauch, sexuell riskantes Verhalten, schlechte CART-(Combined Anti-Retroviral � erapy-)Adhärenz und schlechten Immunstatus.

■ This article is part of a supplement not sponsored by the industry.

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Psychosoziale Folgen für depressive Pa-tienten können beru� iche und soziale Marginalisierung mit Arbeitslosigkeit und Erwerbsunfähigkeit sein. Betro� ene gehen o� den Weg in o� den Weg in o� die soziale Isolation. Sie er-leben sich als Objekt kumulativer Stigma-tisierung durch psychische Krankheit, HIV-Infektion, Homosexualität oder Drogenabhängigkeit. Gefährdung sozialer Identität mit Angst vor Zurückweisung in Beruf, Familie, Partnerscha� und intimen Beziehungen ist ein chronischer Stressor und belastet die individuelle Resilienz. Mit dem Verlust sozialer Unterstützung und bei älteren depressiven Patienten steigt das Risiko einer ungünstigen Prognose.

Somatopsychische Di� erenzialdiagnostik Trotz ihrer Häu� gkeit wird eine Depres-sion o� erst spät oder gar nicht erkannt und behandelt. Körpernahe Symptomeder Depression wie Energiemangel, Ap-petitmangel und Schlafstörungen kön-nen schwer von Symptomen der HIV-In-fektion, einer Hepatitis-Koinfektion oder von unerwünschten Arzneimittel-wirkungen (UAW) abzugrenzen sein.

Komorbide psychische Störungen der HIV-Infektion sind ein komplexes dia-gnostisches Problem der Interaktion psy-chischer und biologischer und biologischer r Faktoren. Die r Faktoren. Die rDi� erenzialdiagnose von Depression und Angst ist bei vielen körperlichen Symp-tomen zu erwägen. Hierzu zählen u. a. Ge-wichtsverlust, gastrointestinale Symptome, Libidostörungen, Schwindel, Palpitatio-nen, Tachykardien, Engegefühl, Lu� not, Parästhesien oder Kopfschmerzen. Eine belastende Berufssituation, der Nachweis einer HIV-Infektion, Beginn, Pause oder Wechsel der CART, die Diagnose einer Ko-infektion oder Verlust- und Trennungser-fahrungen können Angst, depressive Sym-ptome und damit psychogen auch körper-liche Beschwerden hervorrufen.

Umgekehrt kann eine biogene Psy-chopathologie erster Hinweis auf HIV-assoziierte A� ektionen des ZNS oder andere körperliche Erkrankungen sein.

Substanzinduzierte psychiatrische StörungenSubstanzmissbrauch kann eine biogene Psychopathologie mit depressiven oder

psychotischen Symptomen aufrufen. Sub-stanzinduzierte psychiatrische Störungen sind auch als UAW von Pharmaka oder durch Interaktion mit der CART möglich.

Unter Interferon in der HCV-� erapie ist die Inzidenz von Depressionen deutlich erhöht und eine antidepressive � erapie wird empfohlen, wenn in der Anamnese eine depressive Episode bestanden hat.

Seelische und körperliche Faktoren be-sitzen bei der HIV-Infektion hohes Inter-aktionspotenzial, und es kommt darauf an, den diagnostischen Blick nicht zu ver-engen. Die Diagnostik sollte nicht abge-schlossen sein, wenn die zerebrale Bildge-bung, die internistische, endokrinologi-sche oder neurologische Untersuchung keinen wegweisenden Befund liefert. Die gezielte Exploration des seelischen Be� n-dens kann helfen, die Diagnose zu sichern.

Symptome der Depression Im Hinblick auf diagnostische Kriterien unterscheidet die ICD-10 zwischen typi-schen und weiteren Symptomen einer de-pressiven Episode. Einen Überblick gibt Tabelle 1. Weitere Merkmale depressiver Psychopathologie sind erwähnenswert. Betro� ene können eine innere Leere schildern, in der sie sich wie leblos emp-� nden („Gefühl der Gefühllosigkeit“). Antriebs- und Motivationsverlust könnenzu mangelnder Selbstfürsorge und sozia-lem Rückzug führen. Arztbesuche oder Medikamenteneinnahme können aus-bleiben. Depressive Patienten können psychomotorisch verlangsamt oder agi-tiert sein. Reizbarkeit und Aggressivität können eine Depression maskieren. Falls neben depressiven auch manische Phasen

bestehen, ist eine bipolare Störung abzu-grenzen. Bei psychotischer Depression wird das Denken durch wahnha� e Ideen dominiert, in denen der völlige Ruin des eigenen Lebens als unabwendbares Schicksal vorgestellt wird. Kognitive Stö-rungen wie Gedankenkreisen, Entschei-dungsunfähigkeit, Verlangsamung des Denkens, Störung von Konzentration und Gedächtnis können au� reten und schwer von einem HIV-assoziierten neu-rokognitiven De� zit (HAND)rokognitiven De� zit (HAND)rokognitiven De� zit abgrenzbarsein.

Antidepressive Therapie und CART Wirksamkeit und Verträglichkeit von Antidepressiva können bei HIV-Patien-ten durch Interaktionen mit der CARTbeein� usst werden. Die Bioverfügbarkeit wird u.a. durch die Metabolisierung durch das CYP-450-Enzymsystem beein-� usst. NNRTI (Non Nucleoside Reverse Transcriptase Inhibitor) wie Nevirapin und Efavirenz sind CYP3A-Induktoren. Proteaseinhibitoren (PI) wie Ritonavir, Indinavir, Nel� navir und Saquinavir sind CYP3A-Inhibitoren. Potente enzyminhi-bierende Wirkung besitzen speziell Ri-tonavir und Cobicistat.

Viele Antidepressiva, einige Neurolep-tika und auch Benzodiazepine werden über die Enzyme 2D6 und 3A4 metaboli-siert. Damit sind relevante Interaktionen mit der CART gegeben.

Plasmaspiegel von Psychopharmaka können durch NNRTI gesenkt und durch PI (speziell Ritonavir) und Cobicistat an-gehoben werden. � erapieversagen bzw. vermehrte UAW sind möglich. Substrate mit geringer therapeutischer Breite und

Katastrophisierender Denkstil und Vermeidungsverhalten

Häu� ge Ängste der HIV-Patienten

Syndrome von Angst und Depression treten in 50% der Fälle gemeinsam auf. Angst-symptome können sich so deutlich entwickeln, dass eine Angststörung abzugrenzen ist. Bei vielen HIV-Patienten steht soziale Angst mit Angst vor Versagen, Zurückweisung und Entwertung im Vordergrund. Angst wird geschildert als di� uses Gefühl, das den Tag begleiten, sich phobisch auf bestimmte Situationen beziehen oder sich zu Panik-anfällen steigern kann.

Angst führt oft in Vermeidungsverhalten. Der Patient ö� net z.B. die Post nicht, verlässt tagsüber nicht das Haus und meidet ö� entliche soziale Exposition. Bei geringen Anläs-sen können große Gefahren antizipiert werden („katastrophisierender Denkstil“). Die In-tensität sozialer Angst kann sich zum Gefühl von Beobachtung oder Beeinträchtigungsteigern und nicht leicht von psychotischen Symptomen abgrenzbar sein.

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langer Elimination wie z. B. Trizyklische Antidepressiva (TZA), Fluoxetin und eini-ge Benzodiazepine können problematisch sein. Plasmaspiegel außerhalb des thera-peutischen Bereichs können sich auch durch andere Medikamente, bei Substanz-missbrauch, Lebererkrankungen oder Slow-/Rapid-Metabolizern ergeben.

Vorgehen in der PraxisIn der Praxis zeigen sich meist wenige Probleme, wenn man einige Regeln be-achtet. Eine antidepressive � erapie bei HIV-Patienten ist meist gut verträglich und der Nutzen überwiegt in der Regel deutlich die UAW, die manchmal au� re-ten. Man sollte mit der halben Startdosis eines Antidepressivums beginnen und langsam in kleinen Schritten titrieren. Enges Monitoring, Spiegelkontrollen und internetbasierte Interaktionsdatenban-ken sind hilfreich, um Überdosierung oder � erapieversagen zu vermeiden.

Die Wirkung vieler Antidepressiva tritt erst nach zwei bis vier Wochen ein. Die häu� gsten Gründe für Non-Respon-se sind eine zu geringe Dosis und zu kur-ze � erapiedauer. Eine Dosissteigerung kann erforderlich sein. Danach sollte mit der niedrigsten wirksamen Dosis weiter behandelt werden.

Bei Non-Response oder UAW ist der Wechsel des Antidepressivums anzura-ten. Zu � erapiebeginn werden bei SSRI und SNRI vereinzelt paradoxe E� ekte beschrieben, die aber meist in kurzer Zeit abklingen. Patienten mit Suizid-ideen sollten besonders beobachtet wer-den. Vor � erapiebeginn ist eine bipola-re Störung und eine Psychose auszu-schließen, da Antidepressiva eine Manie auslösen oder Symptome einer Psychose verstärken können. Abruptes Absetzen von SSRI und SNRI kann zu Sympto-men wie Schwindel, Myalgien und Übel-keit führen. Eine � erapie sollte nur schrittweise beendet werden.

Pharmakotherapie der DepressionEine Auswahl häu� g verwendeter Anti-depressiva soll hier kurz besprochen werden. Einen Überblick gibt Tabelle 2. Die SSRI Citalopram und Escitalopram werden o� in der HIV-� erapie empfoh-len. Zu beachten ist aber eine Kontrain-

dikation bei verlängerter QT-Zeit. Die SSRI Fluoxetin und Paroxetin besitzen höheres Interaktionspotenzial als Ser-tralin und (Es-)Citalopram. Fluvoxamin kann wegen hohen Interaktionspotenzi-als zu UAW der CART führen. Fluoxe-tin kann wegen seiner langen Eliminati-on kritisch sein. SSRI werden unter CART meist gut toleriert. Ihre Kumula-tion bei forcierter CYP-Inhibition kannaber UAW und im Extremfall ein sero-tonerges Syndrom hervorrufen (intes-tinale Symptome, Kleinhirnzeichen, Myoklonien, Verwirrtheit, Agitiertheit, Schwitzen, Tachykardie, Hypertonie). Unter dem SNRI Venlafaxin sind Plas-maspiegel von Indinavir vermindert. Venlafaxin ist aber meist gut mit der CART kombinierbar. Bei hohen Dosen kann der Blutdruck steigen, eine Kont-rolle wird auch bei Duloxetin empfohlen.Der NDRI Bupropion ist bei Epilepsie kontraindiziert.

Mirtazapin kann wegen des sedieren-den E� ektes bei agitierten Patienten oder bei Schlafstörungen hilfreich sein.Erhöhte Plasmaspiegel (z. B. unter PI) können den sedierenden E� ekt verstär-ken. Auch bei den meisten TZA wird de-ren Abbau durch PI und Cobicistat ge-hemmt. TZA sind u. a. bei Engwinkel-glaukom, Prostatahypertrophie, intesti-nalen Stenosen und kardialer Vorschä-digung kontraindiziert. Hohe Plasma-spiegel sind wegen anticholinerger und kardiotoxischer Wirkung kritisch. TZA sollten daher kein Mittel der ersten Wahl sein. Johanniskraut ist kontraindi-ziert, da subtherapeutische Plasmaspie-gel der CART au� reten können.

Bei � erapieresistenz werden Antide-pressiva z. B. mit Lithium oder (bei psy-chotischer Depression) mit Neurolepti-ka kombiniert. Hier ist der psychiatri-sche Fachkollege gefordert. U. a. kom-men Olanzapin, Risperidon, Aripiprazol

Tabelle 1

Kriterien für die Diagnose einer Depressiven Episode nach ICD-10

I. Typische Symptome einer Depression

− Depressive Stimmung

− Interessensverlust und Anhedonie

− Antriebsminderung und erhöhte Ermüdbarkeit

II. Häu� ge Symptome einer Depression

− Verminderung der Konzentration und Aufmerksamkeit

− Verminderung des Selbstwertgefühls und Selbstvertrauens

− Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit

− Negative und pessimistische Zukunftsperspektive

− Suizidgedanken, Selbstverletzungen oder Suizidhandlungen

− Schlafstörungen

− Appetitminderung

Leichte depressive Episode

Zwei Symptome aus Gruppe I und zwei Symptome aus Gruppe II. Mindestdauer 2 Wochen. Symptome nicht besonders ausgeprägt. Alltagsaktivität nur teilweise ein-geschränkt.

Mittelschwere depressive Episode

Zwei Symptome aus Gruppe I und drei oder vier Symptome aus Gruppe II.Mindestdauer 2 Wochen. Einzelne Symptome besonders ausgeprägt oder Vielzahl von Symptomen dauernd vorhanden. Alltagsaktivität erheblich einschränkt.

Schwere depressive Episode

Alle Symptome der Gruppe I und mindestens vier Symptome der Gruppe II. Mindestdauer 2 Wochen. Einzelne Symptome besonders ausgeprägt. Alltagsaktivität praktisch nicht mehr möglich

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oder Amisulprid in Betracht; Quetiapin ist mit einem PI kontraindiziert.

Psychotherapie der DepressionDie Konfrontation mit chronischerKrankheit in einer frühen Lebensphase, und die Breite des Kon� iktpotenzials in Sexualität und wichtigen sozialen Bezie-hungen identi� ziert die HIV-Infektion als seelische Belastung, die in eine Depression führen, deren Bearbeitung aber auch eine Chance für persönliche Reifung sein kann.

Psychotherapie kann helfen, � era-pieadhärenz und Verlauf der HIV-Infek-tion zu verbessern. Sie soll depressiveKognitionen und Verhaltensmuster än-dern und Kon� iktfähigkeit stärken.

Bei leichter Depression kann Psy-chotherapie ausreichen; ansonsten zeigt die Kombination von Antidepressiva und Psychotherapie in Bezug auf Re-mission und Rezidivprophylaxe die besten Resultate. Verhaltenstherapie oder analytische Verfahren können in-diziert sein. Aktive Mitarbeit, O� enheit und Vertrauen sind wichtige Vorausset-zungen für eine gelungene � erapie. HIV-Beratungsstellen sind o� bei der Suche von � erapeuten behil� ich, die in der � erapie von HIV-Patienten er-fahren sind. Bei schwerer Depression oder fehlendem psychosozialem Netz kann eine psychiatrische Tagesklinik, bei Gefährdung der Erwerbsfähigkeit

eine psychosomatische Rehabilitation indiziert sein.

Komplementäre psychosoziale HilfenSensibilisierung für psychische Ge-sundheit bei HIV-Patienten hat in Be-ratungsstellen Angebote für Betro� ene entstehen lassen. Unterstützung und Kontakte zu anderen Betro� enen helfen Stigmatisierung zu bewältigen. Vonpsychischer Erkrankung häu� g über-forderte Angehörige können ebensoUnterstützung � nden. Kommunale so-zialpsychiatrische Dienste informieren über regionale Träger von betreuten Wohnformen und Einzelfallhilfen. Eine anonyme Kontaktaufnahme bie-ten Internetportale; sie können wichti-ge Informationsquellen in weniger gut versorgten Regionen sein.

Literatur beim Verfasser

Anschrift des VerfassersAndreas Mertens, Facharzt für Psychiatrie, MVZ Praxis City Ost,Gubener Straße 37, D-10243 BerlinE-Mail: [email protected]

Interessenkon� iktDer Autor erklärt, dass er sich bei der Erstellung des Beitrages von keinen wirtschaftlichen Interes-sen leiten ließ und dass keine Interessenkon� ikte bestehen.

Keywords

HIV-Infection and depression

HIV – depression – psychiatric comor-bidity

Fazit für die Praxis

Die HIV-Infektion zeigt hohe psychiatri-sche Komorbidität, speziell für depres-sive Störungen. Psychische Störungen können die HIV-Therapie gefährden, die körperliche Gesundheit schädigen und schwere psychosoziale Folgen ha-ben. Eine umfassende Behandlung von HIV-positiven Patienten darf nicht auf die körperliche Gesundheit beschränkt sein. Sie muss auch die psychische Ver-fassung unserer Patienten im Blick ha-ben. Bei komorbider Depression kön-nen antidepressive Therapie und Psy-chotherapie entscheidende Hilfen sein, um seelische und körperliche Gesund-heit zu verbessern und den Erfolg der HIV-Therapie zu sichern.

Tabelle 2

Häu� g verwendete Antidepressiva

Klasse Anti-depressivum

Start-dosis

Dosis-bereich

Nebenwirkungen

SSRI Citalopram 10 mg 20–40 mg Sexuelle Dysfunktion, Gewichtszu-nahme, Schwindel, Schwitzen, Übel-keit, Diarrhö, lebhafte Träume, Schlafstörungen, Agitiertheit, Kopf-schmerzen, Beeinträchtigung der Gerinnung

Escitalopram 5 mg 10–20 mg

Sertralin 25 mg 50–200 mg

Paroxetin 10 mg 20–40 mg

SNRI Venlafaxin 37,5 mg

75–375 mg Übelkeit, Schwitzen, Schwindel, Sexuelle Dysfunktion, RR-Erhöhung, Obstipation, Mund-trockenheit, Kopfschmerzen, lebhaf-te Träume, Schlafstörungen

Duloxetin 30 mg 60–120 mg

NDRI Bupropion 150 mg

150–300 mg Unruhe, Tremor, Tachykardie, Schlaf-störungen, Kopfschmerzen, Appetit-verlust, Mundtrockenheit, Schwindel, Erregung, Tinnitus

NaSSA Mirtazapin 7,5 mg

15–45 mg Sedierung, Appetitsteigerung, Gewichtszunahme

TZA Amitriptylin 25 mg 50–150 mg Mundtrockenheit, Obstipation, Mik-tionsstörungen, Akkomodations-störungen, Glaukomprovokation, Sedierung, orthostatische Hypo-tonie, Re� extachykardie, Gewichts-zunahme, Sexuelle Dysfunktion, kardiale Reizleitungsstörungen, delirante Symptome

Trimipramin 25 mg 50–150 mg

Doxepin 25 mg 50–150 mg

Imipramin 25 mg 50–150 mg

Clomipramin 25 mg 50–150 mg

SSRI = Serotonin-Wiederaufnahmehemmer; SNRI = Serotonin-Noradreanlin-Wiederaufnahmehemmer; NDRI = Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmer; NaSSA = Noradrenerges und spezi� sch serotoner-ges Antidepressivum); TZA = trizyklische Antidepressiva

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18 MMW-Fortschr. Med. 2014; 156 (Supplement 1)