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272 Robert Feix – »Halbjude« unter Himmlers Schutz Robert Feix – »Halbjude« unter Himmlers Schutz Der 1893 in Wien geborene Robert Feix war ein erfolgreicher Chemi- ker, der das Geliermittel Opekta erfunden hatte, das das Herstellen von Marmeladen und Fruchtgelees erleichterte. Sein Vater, Ludwig Feix, heiratete in erster Ehe Maria Scheinberger, die einer jüdischen Familie aus Ungarn entstammte. Nach der mittleren Reife trat Feix in das Unternehmen seiner Familie ein. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldete er sich freiwillig zur österreichischen Armee, wurde Frontsoldat und als Oberleutnant bei Kriegsende entlassen. Danach ging er als Geschäftsführer zu den Pomo- sin Werken nach Frankfurt am Main und befasste sich vorwiegend mit der Entwicklung und dann der Produktion von Pektin. Pektine sind bei der Lebensmittelherstellung, in der Pharmaindustrie oder für Kosme- tika als Gelier- oder Stabilisierungsmittel unverzichtbar. Sie wurden aber auch bei der Stahlerzeugung und als blutstillende Mittel in der Medizin verwendet. 1 1928 gründeten Robert Feix und Richard Fackeldey die Opekta GmbH (der Name der Firma war ein aus »Obstpektin aus dem Apfel« hergeleitetes Kunstwort), die Pektin für den Haushaltsbedarf herstellte und verkaufte. Aufgrund des großen Erfolgs der Firma beschloss Feix, die Produktion in Köln weiter aufrechtzuerhalten und Niederlassungen in der Schweiz, Österreich, der Tschechoslowakei und den Niederlan- den zu gründen. Erster Geschäftsführer der Zweigstelle in Amsterdam war Otto Frank, der Vater von Anne Frank. Im Visier der Nationalsozialisten Nach eigenem Bekunden war Robert Feix gegen den Nationalsozialis- mus eingestellt, da er Anhänger der österreichischen Monarchie und zudem kein »Arier« war. 2 Nach NS-Kategorisierung war er nämlich »Halbjude«. Bis 1938 blieb er weitgehend unbehelligt, wurde aber Brought to you by | Brown University Rockefeller Lib Authenticated | 128.148.252.35 Download Date | 6/2/14 4:05 PM

"Wer Jude ist, bestimme ich" ("Ehrenarier" im Nationalsozialismus) || Robert Feix – »Halbjude« unter Himmlers Schutz

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272 Robert Feix – »Halbjude« unter Himmlers Schutz

Robert Feix – »Halbjude« unter Himmlers Schutz

Der 1893 in Wien geborene Robert Feix war ein erfolgreicher Chemi-ker, der das Geliermittel Opekta erfunden hatte, das das Herstellen von Marmeladen und Fruchtgelees erleichterte.

Sein Vater, Ludwig Feix, heiratete in erster Ehe Maria Scheinberger, die einer jüdischen Familie aus Ungarn entstammte.

Nach der mittleren Reife trat Feix in das Unternehmen seiner Familie ein. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldete er sich freiwillig zur österreichischen Armee, wurde Frontsoldat und als Oberleutnant bei Kriegsende entlassen. Danach ging er als Geschäftsführer zu den Pomo-sin Werken nach Frankfurt am Main und befasste sich vorwiegend mit der Entwicklung und dann der Produktion von Pektin. Pektine sind bei der Lebensmittelherstellung, in der Pharmaindustrie oder für Kosme-tika als Gelier- oder Stabilisierungsmittel unverzichtbar. Sie wurden aber auch bei der Stahlerzeugung und als blutstillende Mittel in der Medizin verwendet.1

1928 gründeten Robert Feix und Richard Fackeldey die Opekta GmbH (der Name der Firma war ein aus »Obstpektin aus dem Apfel« hergeleitetes Kunstwort), die Pektin für den Haushaltsbedarf herstellte und verkaufte. Aufgrund des großen Erfolgs der Firma beschloss Feix, die Produktion in Köln weiter aufrechtzuerhalten und Niederlassungen in der Schweiz, Österreich, der Tschechoslowakei und den Niederlan-den zu gründen. Erster Geschäftsführer der Zweigstelle in Amsterdam war Otto Frank, der Vater von Anne Frank.

Im Visier der Nationalsozialisten

Nach eigenem Bekunden war Robert Feix gegen den Nationalsozialis-mus eingestellt, da er Anhänger der österreichischen Monarchie und zudem kein »Arier« war.2 Nach NS-Kategorisierung war er nämlich »Halbjude«. Bis 1938 blieb er weitgehend unbehelligt, wurde aber

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Im Visier der Nationalsozialisten 273

nach dem »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich am 13. März 1938 wegen »staatsfeindlicher Manipulationen« von der Gestapo ver-haftet, weil man ihm Devisenvergehen und die Bestechung von Beamten vorwarf. Seine Firmen wurden »arisiert«, das heißt vom Staat konfis-ziert, wobei es offensichtlich zu Unregelmäßigkeiten gekommen war. In einem Bericht vom 11. Juli 1938 an den Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Wilhelm Keppler, hieß es dazu, dass eine schon im Sommer des Vorjahrs durchgeführte »Arisierung« des Opekta-Unternehmens nicht ordnungsgemäß war: So betonte Regierungsrat Wolfgang Schneider, dass Rückverträge zugunsten von Feix inzwischen auch wieder gelöst waren und dass er sich auf die »glänzende Mitarbeit von Herrn Dr. Pabst« stützen konnte, »der ja seinerzeit in die Geschäftsführung ein-getreten war, um für saubere und von jüdischem Einfluss unabhängige Verhältnisse zu sorgen«.3

Einmal ins Visier der Gestapo geraten, wurde Feix wiederholt verhaf-tet, unter anderem wegen des Vorwurfs einer »getarnten Arisierung«. Dazu gab Keppler am 15. Juli 1938 bekannt, dass abgesehen von der nicht ordnungsgemäßen »Arisierung« inzwischen noch andere Dinge ans Tageslicht gekommen seien, die Feix belasteten. So sei ein ostafrika-nischer Glimmerbetrieb, der dem genannten Regierungsrat Schneider gehörte, »durch den Juden Feix finanziert worden«. Schneider werde begreifen, »dass es natürlich peinlich ist, sich von einem Juden derartige Gefälligkeiten erweisen zu lassen«. Keppler räumte aber auch ein, dass Feix Opfer der politischen Umstände war: »Die Angelegenheit Feix hat auch politische Hintergründe; denn es ist ja ein eigenartiger Vorgang, wenn dieser Herr – offensichtlich unter Verletzung der Devisengesetzge-bung – dem Otto von Habsburg ein Auto dezidiert [sic!].«4

Einige Wochen nach seiner ersten Verhaftung wurde Feix freigelas-sen, inzwischen war sein österreichischer Besitz im Wert von 1,8 Millio-nen Schilling beschlagnahmt worden. Nach und nach »arisierten« die Nationalsozialisten sein gesamtes Vermögen.

1939 wurde Feix erneut verhaftet – diesmal wegen Devisentransfers aus Deutschland an die Niederlassungen im Ausland. Er blieb zwanzig Monate in Untersuchungshaft. Im anschließenden Strafprozess wurde er freigesprochen. Die Gestapo verhaftete ihn aber erneut. Nach vier Wochen wurde er für kurze Zeit in die Freiheit entlassen. Ein drittes Mal wurde er auf Veranlassung von Martin Bormann, dem Chef der Partei-

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274 Robert Feix – »Halbjude« unter Himmlers Schutz

Kanzlei der NSDAP, am 20. Juli 1942 »wegen dringenden Verdachts der staatsfeindlichen Betätigung im Limburger Hof festgenommen und durch Sondertransport dem RSHA überstellt«.5

Die Pektin-Produktion lief in dieser Zeit weiter, da das Unternehmen von den Gau-Wirtschaftsverwaltungen sowie den Industrie- und Han-delskammern als »arisiert« weitergeführt wurde.

Entscheidend für die Fortführung der Opekta-Werke war vor allem, dass sie am 12. Februar 1943 vom Reichsministerium für Ernährung- und Landwirtschaft als Wehrwirtschaftsbetrieb – und damit als »kriegs- und lebenswichtig« – anerkannt wurden.6 Da das nationalsozi-alistische Regime andere Erfindungen von Robert Feix – das blutstil-lende Mittel Polygal und das Kartoffelbreipulver – für die Soldaten dringend benötigte, genoss Feix die Protektion des Reichsführers-SS, Heinrich Himmler.

Forschungsarbeiten im KZ Dachau

Robert Feix wurde am 29. Januar 1943 ins Konzentrationslager Dachau gebracht, wo er schon zwei Tage nach seiner Ankunft als »Sonderhäft-ling« mit kleinen Vergünstigungen geführt wurde. Nach einigen Mona-ten wurde er der wissenschaftlichen Versuchsstation des Lagers zuge-wiesen und war damit dem berüchtigten SS-Arzt Sigmund Rascher unterstellt, der vor allem durch seine grausamen, verbrecherischen Unterdruck- und Unterkühlungsversuche bekannt wurde.

In der KZ-Versuchsstation arbeitete Feix mit Rascher an der Weiter-entwicklung der blutstillenden Wirkung von Pektin, das bislang injiziert oder in Sirupform eingenommen werden musste, um seine Wirkung zu entfalten. Nun versuchte Feix, es in Tablettenform zu bringen, denn die Einnahme wäre vor allem an der Front eine große Erleichterung gewe-sen. Das neue Mittel »Polygal« würde die Blutgerinnungs- und Blu-tungszeit verkürzen und bei größeren äußeren oder nicht verbindbaren inneren Verletzungen, etwa Lungendurchschüssen, besonders geeignet sein.

Feix blieb Häftling, was im Schriftverkehr der SS immer wieder zum Ausdruck kam, wenn auch mit einer Vorzugsbehandlung. So schrieb der Geschäftsführer der Forschungsgemeinschaft Ahnenerbe, Wolfram Sie-

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Forschungsarbeiten im KZ Dachau 275

vers, am 15. Juni 1944, es solle bald mit »Polygal«-Großversuchen begonnen werden. »Da die geforderten Sicherungsmaßnahmen beste-hen, arbeitet Feix dort weiter«, betonte Sievers und fuhr dann fort: »Liegen die Abschlussergebnisse vor, so wird SS-Obergruppenführer Pohl die weiteren Anordnungen für die Herstellung geben und die Beteiligung des Feix regeln.« Ein handschriftlicher Vermerk auf dem Papier besagte, dass die »Beurlaubung« von Feix verlängert werden musste.7

Immer wieder wurde Robert Feix aus dem KZ »beurlaubt«, um seine Forschungen sicherstellen zu können. Zusammen mit Rascher hatte er zum Beispiel am 5. Oktober 1943 in München die Kalichemie AG besichtigt. Das Werk war bei Fliegerangriffen schwer beschädigt worden und sollte nun zur Herstellung des blutstillenden Mittels wieder hergerichtet werden. Schriftlich vereinbart wurde sogar, dass der KZ-Häftling und »Halbjude« Robert Feix an den Erlösen aus dem Verkauf des blutstillenden Mittels beteiligt werden sollte. Ferner hatte Himmler am 27. Oktober 1943 entschieden, »dass der im Lager Dachau befindli-che Schutzhäftling Feix die Genehmigung erhält, mit SS-H’Stuf Rascher in Zivil nach Vorarlberg zu fahren«.8

Vom Amt A (Ahnenerbe), das Himmler unterstand und für die Men-schenversuche in Dachau verantwortlich war, erhielt KZ-Kommandant SS-Sturmbannführer Martin Weiß hinsichtlich der Abstammung von Feix folgende Weisung: »Als kürzlich im Zusammenhang mit einem von Reichsmarschall Hermann Göring erteilten geheimen Sonderauf-trag der stellvertretende Reichsärzteführer Kurt Blome in Dachau war, hatte er dort auch Feix gesehen.« Ihm sei der »Fall Feix« bekannt, hatte Blome erklärt, er sei als Beauftragter der Partei-Kanzlei mit dem Abstammungsbescheid befasst und selbst der Ansicht, dass es sich bei Feix um einen »Mischling 1. Grades« handle. Das sollte berücksichtigt werden, falls irgendwelche Maßnahmen gegen Feix beabsichtigt seien.9

Wegen seiner Unverzichtbarkeit genoss Feix zahlreiche Vergünsti-gungen, so durfte er beispielsweise Zivil tragen und Reisen unterneh-men. Vor dem Nürnberger Militärtribunal kam zur Sprache, dass Feix sogar nach München geschickt wurde, um dem stellvertretenden Reichs-arzt Blome ein im KZ Dachau repariertes Radio zurückzubringen.10

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276 Robert Feix – »Halbjude« unter Himmlers Schutz

Aus »Polygal« wurde »Styptoral«

Ursprünglich war unter Regie des SS-Instituts für Wehrwissenschaftli-che Zweckforschung das blutstillende Mittel unter dem Namen »Poly-gal« entwickelt worden. Doch nachdem KZ-Arzt Rascher und seine Frau im März 1943 unter anderem wegen Kindesentführung verhaftet worden waren, sollte auch der Name des Mittels nicht an mehr an Rascher erinnern. Es wurde daher in »Styptoral« umbenannt. Himm-ler und Göring als Präsident des Reichsforschungsrats wiesen der Her-stellung von »Styptoral« für Heereszwecke die Dringlichkeitsstufe SS zu, wodurch es möglich war, die erforderlichen Materialien auch in Zei-ten der kriegsbedingten Knappheit zu bekommen. Feix erwies sich ein-mal mehr als unentbehrlich. Ahnenerbe-Geschäftsführer Wolfram Sie-vers unterstrich dies zum Beispiel am 22. Juli 1944 in einem Brief an SS-Standartenführer Rudolf Brandt:

Für die zu dazu erforderlichen Mengen und gegebenenfalls Verbesserungen ist Feix unentbehrlich. Seine Beurlaubung [aus dem KZ] läuft am 22.7.44 ab. Ich bitte Sie deshalb um Veranlassung, dass dieselbe bis auf weiteres verlängert wird, d.h. dass Feix wie bisher in Schlachters arbeiten kann.11

Dies war auch Himmlers Wille, sodass sich am Status von Feix nichts änderte.

In einem Zwischenbericht über den Stand der »Styptoral«-For-schungsarbeiten vom 1. Oktober 1944 wurde darauf verwiesen, dass in einer KZ-Außenstelle in Schlachters nun laufend wirksames Pektin erzeugt werden konnte.12 Dabei gab es methodische und technische Schwierigkeiten zu überwinden, bei deren Behebung Feix sich besonders eingesetzt hatte. Allein in der Außenstelle Schlachters sollten täglich 20 000 Dosen »Styptoral« hergestellt werden, wozu es allerdings nicht mehr kam.

In der Schlussphase des »Dritten Reichs« war SS-Arzt Kurt Fried-rich Plötner, der am 11. Juli 1967 im Kriminalkommissariat Freiburg vernommen wurde, an den Forschungen beteiligt.13 Er gab an, er habe sich gegen die unmenschlichen Versuche Raschers gewandt. Dass über-haupt Versuche gegen den Willen der Häftlinge durchgeführt wurden, wollte er lediglich von verschiedenen Häftlingen gehört haben, die sich

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Kartoffelbreipulver für die Front 277

wie Robert Feix über Rascher beschwert hatten. Auf die Frage, warum Feix im Mai 1944 festgenommen worden sei, erklärte Plötner, davon wisse er nichts:

Feix war natürlich zu einem viel früheren Zeitpunkt inhaftiert worden, sonst wäre er nicht als Häftling in Dachau anwesend gewesen. Dort habe ich ihn persönlich kennengelernt. Er fuhr dann auch nach Schlachters und kehrte später wieder nach Dachau zurück. Feix hatte ebenso wie andere Häftlinge in Schlachters sehr weitgehende Freiheit, wie sie sonst einem Häftling kaum gewährt werden.14

Kartoffelbreipulver für die Front

Eine weitere Trumpfkarte für Feix war seine Erfindung des Kartoffel-breipulvers: Aus einem Kilo Pulver ließen sich entweder zehn Liter Suppe oder fünf bis sieben Kilo Kartoffelbrei herstellen, was für den Einsatz an der Front besonders geeignet war. Rascher reklamierte den Großteil der erhofften Erlöse zunächst für sich. Doch am 31. Januar 1944 vereinbarten der Essener Hersteller von Fruchtpasten, Fruchtaro-men, Essenzen und ätherischen Ölen, Johann Joseph Hennes, Sigmund Rascher und Robert Feix die gemeinsame Herstellung von Kartoffel-breipulver.15 Hennes erwarb damit das Recht, den Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion, die Zentrale der Organisation Todt, Abt. Waffen und Munition, sowie die Reichsautobahn-Raststätten GmbH zu beliefern. Feix sollte dabei Rascher in dessen Abwesenheit vertreten. Daraufhin wurde dem Unternehmer Hennes ein Rezept zur Herstellung von Kartoffelbreipulver übergeben, das von Feix stammte. Rascher erhielt von Hennes einen Scheck über 10 000 RM, und Feix erklärte sich mit der Drittelung der Lizenzsumme – Ahnenerbe, Rascher, er – einverstanden. Ahnenerbe-Reichsgeschäftsführer Sievers genehmigte den Vertrag, als Treuhänder der »Damen Feix« – gemeint waren wohl Ehefrau und Tochter – sollte Rechtsanwalt Hans Rudolf Nelken in Frankfurt am Main fungieren.

Unter Punkt VI der Vereinbarung hieß es:

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278 Robert Feix – »Halbjude« unter Himmlers Schutz

Herr Robert Feix verpflichtet sich, gegen eine noch näher festzusetzende Vergütung den Lizenzinhaber bei der Ausweitung des Verfahrens und die Produkte laufend zu kontrollieren sowie Verbesserungen des Verfahrens dem Lizenznehmer Herrn Hennes zur Verfügung zu stellen.16

Obwohl »Mischling 1. Grades« und KZ-Häftling konnte also Feix am 21. Februar 1944 mit Hennes einen Mitarbeitervertrag schließen, nach dem er sich verpflichtete, sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Produktion von Kartoffelbreipulver den Unternehmer zu beraten, die Produktion zu überwachen und das Produktionsverfahren zu verbes-sern. Hierfür erhielt er ein monatliches Honorar von 400 RM zuzüglich Reisekosten.

Am 14. März 1944 bekräftigte Hennes, dass er für die Aufnahme der industriellen Kartoffelbreipulverherstellung Feix als Sachverständigen dringend benötigte.17 Er bat dann Rascher »zu versuchen, die Wieder-herstellung der vorher bestandenen Reichsbürgerschaft (Halbarisie-rung) des Herrn Feix dringlichst zu betreiben«. Er müsse nun forciert Kartoffelbreipulver in großen Mengen sowohl an das Reichsministe-rium für Rüstung und Kriegsproduktion, für die Baubelegschaften des Rüstungsausbaus und der Lufteinsätze als auch für das Oberkommando des Heeres liefern. »Wie Sie sich vorstellen können, ist es für mich als Großkaufmann selbst in einer so wichtigen Sache, wie sie das Kartoffel-breipulver darstellt, einfach unmöglich, mit einem Volljuden in näherer Arbeitsbeziehung zu stehen.« Mit Feix stehe und falle die Herstellung, beschwor Hennes den KZ-Arzt. Angesichts der Bedeutung Feix’ für die NS-Wirtschaft müsse er vom »Volljuden« – wie Hennes ihn fälschli-cherweise bezeichnete zum »Mischling 1. Grades« heraufgestuft wer-den.

Am 5. April 1944 wurde Feix in das KZ-Außenlager Schlachters-Sig-marzell bei Lindau verlegt, am 7. April 1945 ins Außenlager Lochau und am selben Tag zurück nach Schlachters. Dort setzte er in der ehemaligen Edelweiß-Fabrik in Sigmarzell (Milchwerk Schlachters) die in Dachau begonnenen Versuche fort. Den Einwohnern von Schlachters war der Kontakt zu den KZ-Häftlingen untersagt, doch scheint die Überwa-chung nicht so strikt durchgeführt worden zu sein. So berichten Ortsbe-wohner, dass Häftlinge gelegentlich Nahrungsmittel zugesteckt beka-men und Personen in Häftlingskleidung abends durch den Ort spaziert

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Kartoffelbreipulver für die Front 279

seien. Im April 1945 erging der Befehl, die Häftlinge ins KZ Dachau zurückzuüberstellen. Doch dieser Befehl erreichte den Kommandofüh-rer nicht, da der Häftling, der die Post abholte, den Brief öffnete und beseitigte. Die Häftlinge entwaffneten das Wachpersonal und warteten im nahen Wald, bis französische Soldaten Schlachters besetzten und sie befreiten.

Nach Kriegsende wurde Feix von den Alliierten interniert, konnte aber glaubhaft nachweisen, dass er zur Zusammenarbeit mit der SS gezwungen worden war. Nach seiner Entlassung und mehreren Prozes-sen erhielt er 1952 die Opekta-Werke zurück.

Mit Aufkommen des neu erfundenen Gelierzuckers durch Pfeifer & Langen 1965 wurde »Opekta« überflüssig. Deshalb entschlossen sich die Witwe von Robert Feix und ihre fünf Kinder zu einem Verkauf an die Kölner Firma Pfeifer & Langen. Die Produktion wurde inzwischen eingestellt, die Markenrechte hält Dr. Oetker.

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