13
Jan-Heiner Tück, Wien WERDEN WIR WIEDERKOMMEN? Zur Unvereinbarkeit von Auferstehungsglauben und Reinkarnationsvorstellung Vortrag in der Paulus-Akademie, Zürich – 8. April 2014 «Die verlorene Hoffnung auf Resurrektion hinterlässt eine spürbare Leere», hat Jürgen Habermas in seiner Friedenspreisrede vom Oktober 2001 ange- sichts der Terror-Anschläge vom 11. September nicht ohne einen Anflug von Resignation notiert.Was ist mit dem Unrecht «an den unschuldig Miss- handelten, Entwürdigten und Ermordeten, das über jedes Maß menschli- cher Wiedergutmachung hinausgeht?» 1 Die Gründe für den Hoffnungsverlust und die Krise des Auferstehungs- glauben sind vielfältig: Da ist zunächst die historische Kritik, die seit dem 18. Jahrhundert die Authentizität der neutestamentlichen Erzählungen er- schütterte und die Entstehung des Osterglaubens mit Scheintod-, Betrugs- oder Visionshypothesen erklären zu können glaubte. 2 Noch vor wenigen Jahren hat der Göttinger Exeget Gerd Lüdemann eine tiefenpsychologisch unterfütterte Neuauflage der subjektiven Visionshypothese vertreten, als er behauptete, die Christophanien der Apostel gingen auf deren Schuldge- fühle zurück, angesichts des Kreuzes versagt zu haben. 3 Nachhaltig dürf- ten darüber hinaus der Projektionsverdacht Feuerbachs und Marx’Vorwurf der Jenseitsverströstung dem Auferstehungscredo zugesetzt haben. Ist der Auferstehungsglaube nicht eine illusionäre Wunschprojektion, die über die irdische Misere hinwegtröstet, anstatt praktische Maßnahmen zu treffen, das soziale Elend zu mildern? Nicht zu verkennen sind auch eine positivistisch verengte und sich als «wissenschaftlich» deklarierende Weltsicht, die sich auf das experimentell Feststellbare oder intersubjektiv Überprüfbare beschränkt und ein Wirken Gottes in der Zeit von vornherein in den Bereich der Spekulation verbannt, sowie eine konsumistische Massenkultur, die sich im Gehäuse der Immanenz einzuschließen droht und Fragen des Glaubens mit nonchalanten Desinteresse quittiert. 4 Wohl nicht ganz zufällig hat Niklas

Werden wir wiederkommen...Ps 73, 23f.; 49, 16). in apokalyptischen Texten wird darauf ge setzt, dass mit der Aufrichtung der Gottesherrschaft die Gottlosen vernich- tet und das ungerechte

  • Upload
    others

  • View
    3

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

  • Jan-Heiner Tück, Wien

    Werden Wir Wiederkommen?Zur Unvereinbarkeit von Auferstehungsglauben

    und Reinkarnationsvorstellung

    Vortrag in der Paulus-Akademie, Zürich – 8. April 2014

    «die verlorene Hoffnung auf Resurrektion hinterlässt eine spürbare Leere», hat Jürgen Habermas in seiner Friedenspreisrede vom oktober 2001 ange-sichts der Terror-Anschläge vom 11. September nicht ohne einen Anflug von resignation notiert. Was ist mit dem Unrecht «an den unschuldig miss-handelten, entwürdigten und ermordeten, das über jedes maß menschli-cher Wiedergutmachung hinausgeht?»1

    die Gründe für den Hoffnungsverlust und die krise des Auferstehungs-glauben sind vielfältig: da ist zunächst die historische kritik, die seit dem 18. Jahrhundert die Authentizität der neutestamentlichen erzählungen er-schütterte und die entstehung des osterglaubens mit Scheintod-, Betrugs- oder Visionshypothesen erklären zu können glaubte.2 noch vor wenigen Jahren hat der Göttinger exeget Gerd Lüdemann eine tiefenpsychologisch unterfütterte neuauflage der subjektiven Visionshypothese vertreten, als er behauptete, die Christophanien der Apostel gingen auf deren Schuldge-fühle zurück, angesichts des kreuzes versagt zu haben.3 nachhaltig dürf-ten darüber hinaus der Projektionsverdacht Feuerbachs und marx’ Vorwurf der Jenseitsverströstung dem Auferstehungscredo zugesetzt haben. ist der Auferstehungsglaube nicht eine illusionäre Wunschprojektion, die über die irdische misere hinwegtröstet, anstatt praktische maßnahmen zu treffen, das soziale elend zu mildern? nicht zu verkennen sind auch eine positivistisch verengte und sich als «wissenschaftlich» deklarierende Weltsicht, die sich auf das experimentell Feststellbare oder intersubjektiv Überprüfbare beschränkt und ein Wirken Gottes in der Zeit von vornherein in den Bereich der Spekulation verbannt, sowie eine konsumistische massenkultur, die sich im Gehäuse der immanenz einzuschließen droht und Fragen des Glaubens mit nonchalanten desinteresse quittiert.4 Wohl nicht ganz zufällig hat niklas

  • 2 Jan-Heiner Tück

    Luhmann der Theologie schon vor Jahren empfohlen, doch «auf den Zu-satzmythos der Auferstehung zu verzichten» und das Warum auf Golgotha «ohne happy end» stehen zu lassen.5 mit diesem Votum ist eine reduktion der Christologie auf das Leben und Wirken des irdischen Jesus verbunden. der nazarener erscheint als eine interessante Figur der Vergangenheit, ohne dass mit seinem Wirken in der Gegenwart noch ernsthaft gerechnet wird.

    die Theologie von Paulus über Augustinus bis hin zu karl Barth hat sich von solchen empfehlungen wenig beeindrucken lassen. im Brief des Paulus an die Gemeinde von korinth heißt es: «Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, dann ist auch Christus nicht auferweckt worden. ist aber Chris-tus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos ... nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der erste der entschlafenen» (1kor 15, 13f. 20). karl Barth sekundiert dem Apostel, wenn er das Christentum mit dem Auferweckungsglauben stehen oder fallen sieht. «Wenn es ein christlich-theologisches Axiom gibt, so ist es dieses: Jesus Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstan-den! eben dieses Axiom kann sich aber niemand aus den Fingern saugen. man kann es nur nachsprechen daraufhin, dass es uns als Zentralaussage des biblischen Zeugnisses in der erleuchteten kraft des Heiligen Geistes vorgesprochen ist.»6 So zutreffend Barths Hinweis auf die Unableitbarkeit des Glaubens sein mag, so wichtig ist es doch auch zu versuchen, vom menschen her gleichsam die Grammatik freizulegen, in der dieser Glaube zu buchstabieren wäre. Ließen sich von der menschlichen Selbsterfahrung keine Zugänge aufweisen, hinge die christliche Auferstehungshoffnung ge-wissermaßen in der Luft.7

    1. Anthropologische Zugänge zum Auferstehungsglauben

    einen ersten Wink gibt Pascal, der in seinen Pensées einmal bemerkt, der mensch überschreite unendlich den menschen.8 diese Fähigkeit, über sich, die Welt und den eigenen Tod hinauszufragen, ist unlöslich verknüpft mit der Sehnsucht nach dauer. Wer hätte nicht schon einmal den drang ver-spürt, etwas Bleibendes in das vergängliche material der Geschichte einzu-zeichnen, durch eine außergewöhnliche Leistung ein Gedächtnis an seinen namen zu stiften? Politiker hoffen, in die Annalen einzugehen, auch bei Schriftstellern und künstlern ist dieser drang nach ruhm und Unsterb-lichkeit immer wieder thematisch geworden. So heißt es bereits bei Pindar: «Wenn die Stadt, die ich rühme, untergegangen sein wird, und die männer, zu denen ich singe, der Vergessenheit anheimgefallen sein werden, werden meine Worte noch bestehen.» Und von Horaz stammt der Vers: «ein denk-mal habe ich mir gesetzt, dauernder als erz» (Exegi monumentum aere per-

  • Werden wir wiederkommen? 3

    ennius). die literarischen Zeugnisse ließen sich leicht bis in die Gegenwart fortsetzen.9 Aber sitzt die Zuflucht zur ars longa angesichts der vita brevis nicht einem Trugschluss auf, wenn sie davon ausgeht, dass die kunst der Witterung der Zeiten entzogen ist? Und wird der drang zu überdauern, den der dichter Paul Éluard in die unvergessliche Wendung le dur désir de durer gegossen hat10, nicht durchkreuzt vom Hintergrundgeräusch des To-des, das mit zunehmendem Alter lauter wird? die Zeit ist gefräßig – wird sie am ende nicht alle namen schlucken?

    Ähnlich steht es mit dichten zwischenmenschlichen erfahrungen, die ein Versprechen enthalten, das über den Tod hinausweist. nicht zufällig ist das biblische motiv, die Liebe sei so stark wie der Tod (Hl 8, 6), in dichtung, kunst und musik immer wieder aufgenommen worden. «einen menschen lieben, heißt sagen: du wirst nicht sterben»11, heißt ein viel zitiertes Wort von Gabriel marcel. Wer den anderen nicht um bestimmter Vorteile oder interessen willen in den Blick nimmt, sondern als Person, das heißt um sei-ner selbst willen, unbedingt bejaht, der wird den Tod, die radikale Verneinung des andern, nicht akzeptieren. die schönen momente gelingenden Zusam-menseins sollen sie im ozean des Vergessens ausgelöscht werden, die rück-haltlose Hingabe an den anderen soll sie mit dem Tod zu ende sein? Aber wer kann schon garantieren, dass der Protest gegen den Tod des Anderen im namen der Liebe erhört wird?

    Schließlich gibt es eklatante Unrechtserfahrungen, die nach Gott und seiner rettenden macht schreien lassen. die Sehnsucht, dass die Täter nicht auf dauer über ihre opfer triumphieren, zielt auf nichts weniger als auf die postmortale Aufrichtung der Gerechtigkeit. die Sieger der Geschichte, die zumeist mit unlauteren mitteln ihre Position erkämpft haben, sollen nicht auf dauer über die Besiegten den Sieg davontragen. Schon das Buch Hiob zeigt sich tief beunruhigt durch die erfahrung, dass es den Guten schlecht und den Schlechten gut geht. es stellt den Grundsatz der Weisheits-Theolo-gie, den sog. Tun-ergehens-Zusammenhang, in Frage, dass es dem Gerech-ten infolge seines Handelns gut und dem Frevler infolge seiner ungerechten Taten schlecht geht. Gerade im Schrei nach Gerechtigkeit bricht in den späten Schriften des Alten Testaments die Hoffnung durch, dass Gott den Frevler richtet und den leidenden Gerechten der machtsphäre der Scheol entreißt (vgl. Ps 73, 23f.; 49, 16). in apokalyptischen Texten wird darauf ge-setzt, dass mit der Aufrichtung der Gottesherrschaft die Gottlosen vernich-tet und das ungerechte Leiden beendet wird (vgl. Jes 26, 7–21; dan 12, 1–4). die Vergeltungslogik, die mit der rettung der Gerechten zugleich die Ver-nichtung der Feinde erwartet, stößt noch nicht zum Gedanken der allge-meinen Totenerweckung vor, der sich dann aber in außerbiblischen Texten des Frühjudentums findet und um die Zeitenwende immer mehr Anhänger findet.

  • 4 Jan-Heiner Tück

    Aus motiven der Gerechtigkeit postuliert noch immanuel kant ei-nen moralischen Welturheber, der die Zusammenstimmung von sittlicher Glückswürdigkeit und Glückseligkeit garantiert. Und Walter Benjamin und max Horkheimer ringen in den 1930er Jahren um die Frage, ob das Ver-gangene um der Geschlagenen willen nicht unabgeschlossen sein müsse.12 Während Horkheimer die These vertritt, dass die Geschichte abgeschlossen sei und die Toten definitiv tot seien, markiert Benjamin eine Gegenposi-tion, wenn er die Tradition der Unterdrückten stark macht und aus dem Leidensgedächtnis heraus für eine Zukunft der Vergangenheit votiert. «im eingedenken des Leidens machen wir eine erfahrung, die uns verbietet, die Geschichte rein a-theologisch (= ohne rekurs auf Gott) zu begreifen.» mag die Forderung nach erinnerungssolidarität mit den opfern moralisch um einer besseren Zukunft willen unverzichtbar sein, sie gerät leicht zu einer Überforderung, wenn sie nicht von der Hoffnung unterfangen ist, dass die namen der opfer in das Gedächtnis Gottes eingeschrieben sind. menschliches Gedenken allein ist ohne rettende und erlösende kraft.

    Halten wir fest: die Sehnsucht nach Überdauern des eigenen namens (1), die Hoffnung auf rettung des geliebten Anderen (2), das Postulat der Gerechtigkeit für die opfer (3) – an diese anthropologischen Grundgege-benheiten kann die Botschaft der Auferstehung anknüpfen. im Selbstver-ständnis des menschen gibt es eine Grammatik, in die der Auferstehungs-glaube hineinbuchstabiert werden kann, gibt es Anknüpfungspunkte für die erschließung der osterbotschaft, die damit allerdings nicht einfach als kor-relat menschlicher Wunschvorstellungen gedeutet werden kann. denn von den genannten anthropologischen Zugängen her – darin hat karl Barth un-vermindert recht – kann der Auferstehungsglaube nicht einfach abgeleitet werden. es gibt keine Beweise für die Auferstehung Jesu, allenfalls sprechende Indizien.

    2. Indizien für die Auferstehung Jesu als Basis der Hoffnung

    ein erstes indiz für die Auferweckung Jesu ist der erstaunliche neuaufbruch der Jünger nach der «katastrophe» des kreuzes. Traut man dem Zeugnis der evangelien, dann hatte Jesus in Parabeln von unvergleichlicher kraft das nahekommen des reiches Gottes verkündet und in außergewöhnlichen Zeichenhandlungen die rettende nähe des barmherzigen Vaters erfahrbar gemacht. Sein einfordernder ruf zur Umkehr, seine Botschaft von einer Liebe, die niemanden ausschließt, sein ungewöhnlicher Anspruch als Lehrer stießen indes auf zunehmenden Widerstand der religiösen Autoritäten des damaligen Judentums, die ihn der römischen kapitalgerichtsbarkeit auslie-ferten und ans kreuz schlagen ließen. mit dem Tod des Boten aber war

  • Werden wir wiederkommen? 5

    die Botschaft selbst tödlich getroffen, und Jesus von nazareth schien mit seiner Sendung gescheitert zu sein. den Juden galt das kreuz als Fluch (dtn 21, 23), die Vorstellung eines gekreuzigten messias kam im vielgestaltigen erwartungshorizont des Frühjudentums nicht vor; den römern aber galt die Hinrichtung am Pfahl als mors turpissima (Tacitus), als schändlichste Form des Todes. man muss sich diesen Tiefpunkt, der zu recht als «epi-stemologischer Bruch»13 bezeichnet wurde, unverstellt vor Augen führen, um den dann völlig überraschend einsetzenden neuanfang angemessen zu würdigen. die versprengten, untergetauchten und verschüchterten Jünger beginnen plötzlich unter Lebensgefahr freimütig zu bezeugen, dass Jesus lebt. Auch die radikale Wende des Pharisäers und Christenverfolgers Paulus zum emphatischen Christusbekenner und missionar der frühen kirche ge-hört in diesen Zusammenhang (vgl. Apg. 9, 1–21)

    nach dem einhelligen Zeugnis des neuen Testamentes geht diese über-raschende Wende des Jüngerverhaltens auf die Selbsterschließung des Aufer-standenen zurück, sie verdankt sich also einem impuls von außen und wur-zelt nicht in psychogenen Halluzinationen, die auf Trauerverarbeitung oder Schulderfahrungen zurückgehen.14 die Schriften des neuen Testaments sind dabei nicht als historische Berichte zu lesen, die ein möglichst objek-tives Protokoll der ereignisse bieten wollen, sie sind vielmehr ausnahmslos aus nachösterlicher Perspektive verfasst, sie setzten die Auferweckung des Gekreuzigten voraus und wollen für den Glauben an Christus werben. es sind unterschiedliche literarische Genera, in denen die osterbotschaft be-zeugt wird: kurze Bekenntnisformeln (vgl. 1 Thess 1, 10; röm 10, 9, Apg 2, 32), die Predigten der Apostel, wie sie die Apostelgeschichte stenogram-martig festhält (vgl. Apg 2, 14–36; 4, 8–12; 17, 22–31, aber auch die unter-schiedlichen erscheinungsberichte in den evangelien (vgl. mt 28, 16–20; Lk 24, 13–53; Joh 20, 19–29; 21, 1–23) und die erzählungen vom leeren Grab (vgl. mk 16, 1–8 par; Joh 20, 1–18). Traditionsgeschichtlich sind die Bekenntnisformeln in den Briefen älter als die evangelien und die Apos-telgeschichte. ereignisgeschichtlich aber stehen die erfahrungen mit dem Auferstandenen an erster Stelle, sie führen zur überraschenden Wende im Verhalten der Jünger, sie werden erzählt und bezeugt, diese erzählungen werden dann in Predigten kerygmatisch verdeutlicht und finden schließlich in den Bekenntnisformeln eine liturgische Prägung.15 ohne diese Zusam-menhänge ausführlich aufzuarbeiten, lässt sich Folgendes sagen:

    nach biblischem Zeugnis ist Jesus nicht im Tod geblieben, sondern «am ersten Tag der Woche» auferweckt worden (mk 16, 9). der Auferstandene erschien – dem markus-Schluss zufolge – zunächst maria von magdala, dann den beiden anderen Frauen, schließlich den Aposteln, welche die Bot-schaft der Frauen zunächst mit ungläubiger Skepsis aufnahmen. es ist un-wahrscheinlich, dass die Jünger nach dem schändlichen Tod Jesu am kreuz

  • 6 Jan-Heiner Tück

    durch krankhafte Halluzinationen oder psychische Projektionen von selbst dazu übergangen wären, zu behaupten, Jesus sei von den Toten auferstan-den, wie es psychologisierende erklärungsmodelle bis heute nahelegen. der apostolischen osterver kündigung liegt vielmehr ein singuläres Geschehen voraus, das die Wende im Jüngerverhalten motiviert und in der ntl. osterbot-schaft bezeugt wird.

    es handelt sich bei den erscheinungen um unverfügbare Selbstbekun-dungen des Auferstandenen aus der Verborgenheit des göttlichen Lebens heraus. Unterschieden werden Wiedererkennungs erzählungen, in denen Je-sus zunächst in unbekannter Gestalt erscheint (Lk 24, 13–35; Joh 20, 11–18), und erzählungen, in denen die identität des Auferstandenen vorausgesetzt wird ( Joh 20, 19–23). das motiv der Beauftragung durch den Auferstande-nen (mt 28, 16–20; Joh 20) ist ebenso zu beachten wie die Aussageabsicht, die identität des Auferstandenen mit dem Gekreuzigten hervorzuheben. die Wundmale kennzeichnen als bleibende Spuren der Passion den Leib des Auferstandenen, der allerdings nicht mehr an die Bedingungen raumzeitli-chen existierens gebunden ist, sondern kommen und gehen kann, wohin er will. Gleichzeitig wird ein doketisch-spirituelles Leibverständnis durch die erscheinungserzählungen abgewiesen, welche von gemeinsamen mählern mit dem Auferstandenen berichten.

    die Erzählungen vom leeren Grab (mk 16, 1–8; mt 28, 18; Lk 24, 1–12; Joh 20, 1–10) unterstützen die erscheinungsberichte. manche exegeten ha-ben in der Überlieferung vom leeren Grab eine nachträgliche literarische inszenierung des osterglaubens gesehen. nach dem Zeugnis der evange-lien wurde der Leichnam Jesu noch am Abend der kreuzigung durch Josef von Arimathäa (und – nach Joh 19, 39 – nikodemus) bestattet. das Grab Jesu war demnach bekannt und konnte am ostermorgen leer vorgefunden werden. nirgends findet sich ein Hinweis darauf, man habe den Christen vorgeworfen, der Leichnam Jesu befinde sich noch im Grab. Wie der Be-trugsvorwurf zeigt, wurde nicht das Faktum des leeren Grabes bestritten, kontrovers war vielmehr die deutung. da das Faktum des leeren Grabes in der Tat mehrdeutig ist – das Grab könnte verwechselt, der Leichnam gestoh-len oder umgebettet worden sein –, liefert es keinen Beweis für die Aufer-weckung des Gekreuzigten, wohl aber ein Zeichen. «die Auferstehungsbot-schaft der nach Jerusalem zurückkehrenden Jünger hätte sich in der Stadt kaum eine Stunde halten können, wenn man den Leichnam Jesu im Grabe hätte nachweisen können» ( Jürgen moltmann). neben den erscheinungen des erhöhten sind die erzählungen vom leeren Grab daher ein weiteres in-diz. Sie sind der literarische niederschlag der bahnbrechenden erfahrung, dass Jesus lebt. Auch wenn sie legendarisch ausgestaltet sind und sich in einzelheiten widersprechen,16 so enthalten sie doch den Hinweis, dass die urkirchliche erfahrung «er ist auferstanden» keine Fiktion von menschen

  • Werden wir wiederkommen? 7

    ist, sondern auf Gottes Wort – übermittelt durch die Verkündigungsengel – zurückgeht. Auch haben sie eine deutlich antignostische Sinnspitze, wenn sie veranschaulichen, dass der Auferstandene identisch ist mit dem Gekreu-zigten. Sein Leib ist sichtbar, er ist als Person ansprechbar. Auch wenn der verklärte Leib des Auferstandenen nicht einfach mit dem biochemischen Substrat des irdischen Leibes identisch ist und die Auferstehung Jesu daher nicht notwendig das leere Grab voraussetzt, so kann es doch als sprechendes Zeichen für die eschatologische markierung gewertet werden, die Gottes Handeln am Gekreuzigten in der Zeit hinterlassen hat.17

    die Hoffnung auf Leben über den Tod hinaus erhält durch den Ge-danken der leiblichen Auferweckung eine scharfe kontur. Als medium der kommunikation mit anderen und sichtbarer Spiegel der individuellen Le-bensgeschichte gehört der Leib zur unverwechselbaren identität einer Per-son. Wenn nun nicht nur der name eines jeden menschen in die memoria Dei eingeschrieben ist, sondern auch die Freiheitsgeschichte einer Person unverkürzt in die Wirklichkeit des erlösten Lebens hinübergerettet wird, dann steht die Auferstehungsbotschaft quer zu jener Vorstellung, der «göttli-che» Personkern eines menschen könne sich wieder verkörpern. entwertet man den Leib zu einer beliebig austauschbaren Hülle, lässt sich der sittliche ernst und die einmalige Würde einer Lebensgeschichte nicht mehr auf-rechterhalten. Was in diesem Leben nicht erreicht wurde, kann im nächsten angegangen werden – eine Sichtweise, die übrigens auch auf eine proble-matische Verharmlosung des Todes zu einer Art metamorphose hinausläuft. dem Trugbild einer sukzessiven Selbstvervollkommnung durch reinkarna-tion hält der christliche Glaube daher entgegen, dass das Leben einer Per-son mit dem Tod das Siegel der endgültigkeit erhält und nur durch Gottes vergebende Liebe in den Status der Vollendung gelangen kann.18

    damit bin ich bei der Frage, ob der christliche Auferstehungsglaube mit der reinkarnationsvorstellung vereinbar ist oder nicht.

    3. Auferstehungsglaube und Reinkarnationsvorstellung – vereinbar?19

    die Faszination an der Wiedergeburtslehre scheint ungebrochen. nicht nur Anhänger von Spiritismus, esoterik und new Age, auch intellektuelle, die ihren Lessing gelesen haben oder anthroposophisch sozialisiert sind, fühlen sich angesprochen. religionssoziologische Studien zeigen überdies, dass die reinkarnationsvorstellung zunehmend auch in den kirchen einzug hält. ein bemerkenswertes Zeichen der Zeit, denn die Wiedergeburtslehre ist mit dem christlichen Bekenntnis zur Auferstehung der Toten nicht verein-bar.

  • 8 Jan-Heiner Tück

    doch was macht ihre anhaltende Faszination aus? ich möchte zunächst drei Faktoren nennen:

    (1) Alle Spielarten der Wiedergeburtslehre widersprechen der materia-listischen Sicht, dass mit dem Tod das menschliche Bewusstsein endgültig ausgelöscht wird. es gibt eine Hoffnung über den Tod hinaus – und das ist, wie Goethe bereits bemerkte, allemal tröstlich.

    (2) Zugleich steht mit dem karmagedanken ein Gesetz im Hintergrund, welches das Tun des menschen mit einer automatisch wirksamen Vergeltung verknüpft. der oft als ungerecht empfundene Unterschied der menschli-chen Schicksale wird ebenso erklärbar wie die bedrängende Frage, warum es den Guten schlecht, den Bösen aber gut geht. Jeder ist selbst für sein Schicksal verantwortlich, das er durch seine Taten verdient hat. die einen haben für Versäumnisse und Sünden zu büßen, die sie in einem früheren Leben auf sich geladen haben; andere profitieren von Verdiensten, die sie in vormaligen existenzen erworben haben. nach vorne gewendet heißt dies: Alle werden auch künftig für ihre Taten, wenn sie moralisch schlecht sind, Sanktionen, wenn sie moralisch gut sind, Gratifikationen erhalten. «Jeder begangene Fehler, jede begangene Sünde», so Allan kardec, der Begründer des Spiritismus, «ist eine Schuld, die der mensch auf sich lud und die bezahlt werden muss. Wenn dies nicht in einem Leben geschieht, dann im folgen-den oder in den kommenden.»20 diese Vergeltungslogik, die jede Form von Gnade vermissen lässt, scheint im denken und Fühlen vieler Zeitgenossen durchaus Anklang zu finden.

    (3) Über die moralische idee eines sühnenden Ausgleichs hinaus sind westliche Spielarten der reinkarnation für viele schließlich auch deshalb attraktiv, weil sie von einem dynamischen Lern- und entwicklungsprozess ausgehen, der sich über viele inkarnationen erstrecken kann und letztlich zur Vollendung führt – eine Vorstellung, die mit der gesellschaftlich ver-breiteten Fortschritts- und Leistungsmentalität gut zusammengeht. man ist selbst der ingenieur seines Heils und braucht sich im Letzten nichts geben zu lassen. der homo faber, der selbst herstellt, was er nötig hat, glaubt stark zu sein, wenn er nicht angewiesen ist auf eine Liebe, die unentgeltlich verzeiht.

    die antimaterialistische Stoßrichtung ist der Seelenwanderungslehre und dem christlichen Auferstehungsglauben gemeinsam: in der Hoffnung auf ein Leben über den Tod hinaus kommen beide überein. Auch besteht eine gewisse konvergenz in der einschätzung der Situation des menschen: seine Freiheitsgeschichte ist von Schuld belastet, die über die persönlich zu verantwortende Schuld zurückreicht in ein soziales, mehrere Generationen umgreifendes Geflecht der Schuldverstrickung. die christliche Theologie-Tradition hat dafür den interpretationsbedürftigen Begriff der Ursünde (peccatum originale) geprägt, der die universale erlösungsbedürftigkeit aller menschen anzeigt. darüber hinaus ist die Lebensführung des menschen

  • Werden wir wiederkommen? 9

    nicht gleichgültig, im Gegenteil: die ethische Qualität des Verhaltens hat Auswirkungen auf sein weiteres Geschick. Schließlich besteht eine gewisse Übereinstimmung im motiv der Läuterung. neben Himmel und Hölle kennt die eschatologie seit dem mittelalter das Purgatorium, in dem ein von Schuld belastetes Leben über einen therapeutischen Prozess der Läu-terung die Vollendung erlangt. das Fegefeuer ist nicht, wie in pastoralen drohpredigten oft vorgestellt, eine postmortale Folterkammer, in der Stra-fen durchexerziert werden, vielmehr ist es der «ort», an dem eine voll-endungsbedürftige Biographie angesichts der offenbar gewordenen Liebe Gottes durch einen schmerzlichen Prozess der Umkehr vollendungsfähig wird.

    Gleichwohl gibt es erhebliche differenzen, die die von Gisbert Greshake, Walter kasper und medard kehl vertretene These von der prinzipiellen Unvereinbarkeit beider Vorstellungen stützen. Auch hier möchte ich drei nennen, sie betreffen (1) das Zeitverständnis, (2) das menschenbild und (3) die konkrete Ausgestaltung des Vervollkommnungs gedankens:

    Zum Zeitverständnis: die reinkarnationsvorstellung denkt Zeit nach dem modell des Zyklus oder der Spirale. Für die christliche Geschichtssicht sind demgegenüber die momente der einmaligkeit, der Befristung und der Unwiederbringlichkeit wesentlich. Wie Gott sich zu einem ganz bestimm-ten Zeitpunkt der Geschichte, dem kairos des Heils, in der Person Jesu geoffenbart hat, so ist jedem menschen eine bestimmte Lebensspanne ge-geben, in der er seine Begabungen entfalten oder auch vergeuden kann. der Hebräerbrief hat dieses die biblischen Schriften bestimmende Zeitverständ-nis prägnant ins Wort gebracht: «Wie es dem menschen bestimmt ist, ein einziges mal (hapax) zu sterben, worauf dann das Gericht folgt, so wurde auch Christus ein einziges mal (hapax) geopfert, um die Sünden vieler hin-wegzunehmen» (Hebr. 9, 27f ). die Betonung der einmaligkeit einer jeden Biographie, die durch den Tod besiegelt wird, widerspricht dem motiv der Wiederholbarkeit, die dem Begriff der «re»-inkarnation eingeschrieben ist. Was geschehen ist, ist geschehen und kann nicht in einem späteren Leben durch moralische Besserung rückgängig gemacht oder aufgehoben werden. der Tod, dessen Skandalcharakter in der Wiedergeburtslehre verharmlost wird, markiert das definitive «ende des menschlichen Pilgerstandes», wie die Schultheologie sagt.

    Menschenbild: Hinzu kommt, dass der anthropologische dualismus der Wiedergeburtslehre mit dem menschenbild der jüdisch-christlichen Über-lieferung nicht in einklang zu bringen ist (auch wenn es durch die rezepti-on des platonischen denkens auch in der christlichen Theologie-Tradition Tendenzen der Leibverachtung gegeben hat). Statt die identität der Person in einen sich durchhaltenden Träger, die Seele, und wechselnde Ausdrucks-medien, die Leiber, auseinanderzureißen, insistiert der Glaube darauf, dass

  • 10 Jan-Heiner Tück

    der Leib als medium der kommunikation konstitutiv zur identität der Per-son gehört. Aus christlicher Sicht ist es inakzeptabel, den Leib zu einer aus-tauschbaren Hülle abzuwerten und damit die einmalige Freiheitsgeschichte einer Person zu einer vorläufigen etappe im kreislauf der Wiedergeburten herabzuwürdigen. die Leib- und Geschichtsverachtung, die mit der rein-karnationsvorstellung verbunden ist, gilt es zurückzuweisen. die identität der menschlichen Person ist an Leib und Geschichte gebunden. Wie der Leib ohne Seele tot ist, so ist die Seele ohne Leib eine kommunikationslose monade. Anima unica forma corporis, heißt die klassische Formel bei Thomas von Aquin (vgl. S. th. i, q. 76, a. 1 und 3), der zugleich betont, dass eine von ihrem Leib getrennte Seele – die anima separata – keine Person mehr ist.

    Modus der Vervollkommnung: der dritte differenzpunkt betrifft die Vorstellung, sich selbst durch moralische Leistungen verbessern und ver-vollkommnen zu können. dabei ist es unstrittig, dass menschliches Leben faktisch immer vervollkommnungsbedürftig ist. die Frage ist nur, wie die Vervollkommnung konkret erreicht wird. die Auffassung, was man in die-sem Leben nicht geschafft habe, was misslungen und bruchstückhaft geblie-ben sei, das könne man im nächsten anders und besser machen, entspricht sicher einer evolutionistisch getönten Vorstellung, die beiseiteschiebt, dass die Lebenszeit einer Frist unterliegt. Auch lässt sich die westliche Adapti-on der Wiederverkörperung durchaus als metamorphose des neuzeitlichen Fortschrittsgedankens lesen. es wird schon besser werden, wenn wir uns nur genügend anstrengen. das Christentum setzt mit seinem Glauben an die zuvorkommende Gnade Gottes allerdings deutlich andere Akzente. er-lösung von Sünde und Schuld ist danach nicht das Produkt menschlicher Leistung, sondern zunächst und vor allem unverdiente Gnade Gottes. diese Gnade anzunehmen und in einer konkreten existenz Fleisch werden zu lassen, dazu reicht ein Leben aus. die momente von Schuld und Versagen, die jede Biographie mehr oder weniger durchziehen, sind kein einwand da-gegen. Auch davon kann man sich erlösen lassen, wenn man es aufgibt, ver-zweifelt man selbst (oder eben nicht man selbst) sein zu wollen. Wer sich auf das Gnadenangebot Gottes einlässt, ist befreit von dem Zwang, sich selbst erlösen zu müssen. das wäre aus christlicher Sicht dem gnostischen motiv der Selbsterlösung im kreislauf der Wiedergeburten entgegenzusetzen, das in der Tradition der europäischen Aufklärung tiefe Spuren hinterlassen hat.

    4. Ausblick: Auferstehung, Gericht und Vollendung

    die Tatsache, dass der Auferstehungsglaube selbst im Bewusstsein vieler Christen verblasst ist, hat – wie eingangs bemerkt – sicher vielfältige Ursa-chen. nicht zuletzt dürfte auch die auftrumpfende dürftigkeit einer Pasto-

  • Werden wir wiederkommen? 11

    ral für diesen Schwund mitverantwortlich sein, die den Auferstehungs- und Gerichtsgedanken aus der Verkündigung weithin gestrichen und durch eine inflationäre rede vom lieben Gott ersetzt hat. der Abschied von eschatolo-gischen drohdiskursen mit einschlägigen Höllenszenarien ist sicher über-fällig gewesen, er hat in vergangenen Generationen zu Traumatisierungen und Ängsten geführt, aber er ist heute nicht selten ins gegenteilige extrem, eine erschreckende Banalisierung der Gottesrede, ausgeschlagen. Wenn die Liebe und Barmherzigkeit Gottes verkündet wird, ohne dass von Gerech-tigkeit und Gericht gesprochen wird, wird die Botschaft des evangeliums halbiert. Und wenn von kanzeln und kathedern das eintrittsbillett in den Himmel schon hier und heute ausgegeben wird, ist dies Ausdruck einer la-tenten Apokatastasis-Tendenz in der Gegenwartstheologie, die das Gericht Gottes unter der Hand vorwegnimmt und den ethischen ernst des mensch-lichen daseins vernachlässigt. Wo das Heil ohne Umkehr und erneuerung gepredigt wird, da wird die Botschaft des evangeliums auf die billige Gnade verkürzt, die nach Bonhoeffer nicht nur auf die rechtfertigung des Sünders, sondern die rechtfertigung der Sünde hinausläuft. ohne das Gericht – die krisis, die eine jede Person in die Wahrheit vor Gott, vor sich selbst und den anderen kommen lässt21 – wird es nach christlicher Überzeugung keine Vollendung geben. nicht maßstäbe menschlicher Leistung und irdischen erfolgs bestimmen indes das Gericht, sondern die nähe zu Jesus Christus, die sich an der gelebten Gottes- und nächstenliebe ablesen lässt. das krite-rium des Gerichts sind die Werke der Barmherzigkeit, wie die matthäische Gerichtsparabel deutlich macht: Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan bzw. nicht getan habt, das habt ihr mir getan bzw. nicht getan (vgl. mt 25, 35–46). Gleichwohl wird die dramatische konfrontation mit Christus, die einen jeden in die Wahrheit kommen lässt, kein gnadenloser Prozess sein. der auferweckte Gekreuzigte, dem das Gericht übertragen ist, fun-giert zugleich als retter. denn die Wahrheit, die uns richtet, Christus, ist aufgebrochen uns zu retten. daher gibt es die Hoffnung, dass Christus auch im Gericht nichts unversucht lassen wird, um den von Sünde und Schuld belasteten menschen zu retten.

    Für die Christen und Christinnen aller konfessionen ist ostern das Fest der Auferstehung Jesu – und die Liturgie der kirchen feiert in Worten und Zeichen den Sieg des Lebens über den Tod. die Freude über diesen Sieg schlägt dann nicht um in einen leidvergessenen Triumphalismus, wenn bei allem osterjubel bewusst bleibt, dass es der Gekreuzigte ist, der auferstanden ist. in der Passion auf Golgotha hat er den brutalen Hass seiner Peiniger von innen her verwandelt in einen Akt der Hingabe und der Vergebung. Gerade die Wundmale des Verklärten zeigen, dass die Spuren seiner Lei-densgeschichte nicht ausgetilgt, sondern in die Wirklichkeit der Vollendung hineingenommen sind. der Leib, mag er auch noch so geschunden und

  • 12 Jan-Heiner Tück

    verletzt sein, ist keine austauschbare Größe, er macht die Person Jesu auch postmortal identifizierbar. in den neutestamentlichen erscheinungsberich-ten zeigt der Auferweckte die Stigmata nicht vor, um die Jünger der Un-treue und des Verrats zu überführen oder für sein unschuldig vergossenes Blut rache zu fordern. die male sind vielmehr sichtbare Zeichen seiner bis in Äußerste gehenden Hingabe für alle. der christliche Glaube verbindet darum die österliche Botschaft: «er, der tot war, lebt!» – mit der Hoffnung, dass er kommt, zu richten die Lebenden und die Toten, wie es im Glau-bensbekenntnis heißt. nicht wir werden wiederkommen, sondern Christus, der als richter zugleich der retter ist, der allein die von Schuld und Leid durchfurchte Geschichte der menschen zur Vollendung führen kann. Auch daher rufen Christen seit jeher: «maranatha. – Unser Herr, komm!» (1 kor 16, 22).

    Anmerkungen

    1 J. Habermas, Glauben und Wissen. Die Rede des diesjährigen Friedenspreisträgers des deutschen Buchhandels, in: F.A.Z. vom 15. oktober 2001 (nr. 239), 9; dazu H.-J. ollig, Habermas und das religiöse Erbe, in: Stimmen der Zeit 127 (2002) 219–231. Zur theologischen Habermas-rezeption vgl. auch den Sammelband: e. Arens (Hg.), Kommunikatives Handeln und christlicher Glaube. Ein theologischer Diskurs mit Jürgen Habermas, Paderborn 1997.2 Vgl. dazu H. kessler, Sucht den Lebenden nicht bei den Toten. Die Auferstehung Jesu Christi in biblischer, fundamentaltheologischer und systematischer Sicht, Würzburg 21995, 161–181.3 Vgl. G. Lüdemann, Die Auferstehung Jesu. Historie, Erfahrung, Theologie, Stuttgart 1994. das Buch hat eine enorme diskussion ausgelöst, die hier nicht dokumentiert werden kann. Vgl. zuletzt G. Lüdemann/ C.P. Thiede, Die Auferstehung Jesu – Fiktion oder Wirklichkeit? Ein Streitgespräch, Basel 2001.4 Vgl. die etwas pauschal geratene, gleichwohl aber symptomatische einschätzung von Botho Strauss: «Alles, was heute ans Transzendente und Theologische rührt, verabscheut unsere kriti-sche Spaßintelligenz. dass der Ge danken reichtum, der über die Jahrhunderte hinweg in der Theo-logie versammelt ist, heute so gut wie nie in die intellektuelle Auseinandersetzung geholt wird, halte ich für ein großes Versäumnis.» ders., Am Rand. Wo sonst. Ein Zeit-Gespräch mit Botho Strauß, in: die Zeit nr. 23 (31. mai 2000), 55–56; hier 56.5 n. Luhmann, Funktion der Religion, Frankfurt/main 51999, 199. Zitiert bei kessler.6 k. Barth, Kirchliche Dogmatik iV/3, Zürich 1959, 47. Vgl. auch i.U. dalferth, Der auferweckte Gekreuzigte. Zur Grammatik der Christologie, Tübingen 1994, 31: «mit dem Bekenntnis zur Aufer-weckung Jesu durch Gott steht und fällt der christliche Glaube.» (im original kursiv)7 Vgl. dazu den anthropologischen Zugang zur Auferstehungsbotschaft bei kessler, Sucht den Lebenden nicht bei den Toten (Anm. 2), 31–40.8 Vgl. B. Pascal, Über die Religion und über einige andere Gegenstände. Aus dem Französischen übertragen und mit einem nachwort herausgegeben von e. Wasmuth, Frankfurt/m. 1987, 202 (Fragment 434).9 Vgl. B. Groys, Politik der Unsterblichkeit. Vier Gespräche mit Thomas Knoefel, münchen – Wien 2002.10 Zitiert nach G. Steiner, der Garten des Archimedes. essays, münchen 1996, 12.11 G. marcel, Geheimnis des Seins, Wien 1952, 472.

  • Werden wir wiederkommen? 1312 Vgl. W. Benjamin, Das Passagenwerk (Gesammelte Schriften V/1, hg. von r. Tiedemann), Frankfurt/m. 1983, 588 f.13 Vgl. H. kessler, Sucht den Lebenden (Anm. 3), 209. dieser epistemologische Bruch hat nicht nur eine psychologische, sondern auch eine theologische dimension, bedurfte doch der durch den kreuzestod radikal in Frage gestellte Vollmachtsanspruch Jesu einer göttlichen Bestätigung und Bewahrheitung. 14 Vgl. dazu treffend H. kessler: «Alle Versuche, das Zustandekommen der Auferstehungsaussa-gen ohne außergewöhnliche österliche erlebnisse ausschließlich aus psychischen oder reflexiven Verarbeitungsprozessen der Jünger allein (durchgehaltener oder wiederauflebender Glaube und daraus erwachsende psychogene Visionen; allmähliche innere Bekehrung und reifung; reflexion, deduktion aus zuhandenen Vorstellungen, debatten und konsensbildung) zu erklären, widerspre-chen dem gesamten duktus der neutestamentlichen Quellen und haben keinen Anhalt an ihnen.» ders., Christologie, in: Th. Schneider (Hg.), Handbuch der Dogmatik I, düsseldorf 1992, 290. Vgl. auch G. essen, Historische Vernunft und Auferweckung Jesu. Theologie und Historik im Streit um den Begriff geschichtlicher Wirklichkeit, mainz 1995, 308f.15 Vgl. Th. Söding, Der Tod ist tot, das Leben lebt. Ostern zwischen Skepsis und Hoffnung, ostfildern 2007, 15–33.16 Vgl. J. kremer, Art. Auferstehung Christi, in: LThk 1 (31993) 1177–1182, hier 1181.17 diese Überlegung ist unvereinbar mit historisch-genetischen erklärungsmodellen, die ein Han-deln Gottes in der Geschichte von vornherein als «supranaturalistisch» ausschließen und damit einen reduktionistischen Geschichtsbegriff in Anschlag bringen. die methodologischen und er-kenntnistheoretischen implikationen dieser Thematik können hier nicht weiter ent fal tet werden. Vgl. dazu die instruktive Studie von G. essen, Historische Vernunft und Auferweckung Jesu (Anm. 14), der im Blick auf das leere Grab allerdings zu einer zurückhaltenderen einschätzung gelangt.18 Vgl. zur Unvereinbarkeit von christlichem Auferstehungsglauben und reinkarnationsvorstel-lung zuletzt m. kehl, Und was kommt nach dem Ende? Von Weltuntergang und Vollendung, Wiederge-burt und Auferstehung, Freiburg – Basel – Wien 1999, 62–71.19 Vgl. r. A. Blank, Auferstehung oder Reinkarnation?, mainz 1996.20 Zitiert ebd., 59. 21 J.-H. Tück, In die Wahrheit kommen. Das Gericht Jesu Christi – Annäherungen an ein eschatologi-sches Motiv, in: internationale katholische Zeitschrift Communio 38 (2009), 385–398.