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1 Die Novelle des Telekommunikationsgesetzes Das Telekommunikationsgesetz (TKG) von 1996 leitete die Liberalisierung auf den deutschen Telekommunikationsma ¨rkten ein. Angesichts ihrer technologischen und o ¨ konomischen Besonderheiten gab der Ge- setzgeber einer sektorspezifischen Regulie- rung durch die Regulierungsbeho ¨ rde fu ¨r Telekommunikation und Post (RegTP) den Vorzug gegenu ¨ ber der allgemeinen wett- bewerbsrechtlichen Aufsicht durch das Bundeskartellamt, um so die Sicherung und Fo ¨ rderung des Wettbewerbs auf diesen ehemaligen Monopolma ¨rkten zu gewa ¨hr- leisten. Seit der vollsta ¨ndigen Markto ¨ ff- nung im Jahre 1998 hat sich auf den Tele- kommunikationsma ¨rkten ein tief greifen- der Wandel vollzogen. Auf zahlreichen Teilma ¨rkten gelang der șbergang vom Monopol zum Wettbewerb, erhebliche Preissenkungen waren die Folge und neue Marktteilnehmer konnten sich etablieren. Mit dem Inkrafttreten des neuen TKG am 26. Juni 2004 verlor der Regulierungsrah- men des alten TKG seine Gu ¨ ltigkeit. Auslo ¨ ser fu ¨ r die komplette Novellierung des TKG von 1996 waren die Vorgaben der am 2002-04-24 bzw. am 2002-07-31 im Amtsblatt der Europa ¨ischen Gemeinschaf- ten vero ¨ ffentlichten Richtlinien fu ¨ r elekt- ronische Kommunikationsnetze und -dienste, welche bis zum 2003-07-24 von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden sollten (im Internet do- kumentiert unter http://europa.eu.int/ information_society/topics/telecoms/ regulatory/new_rf/index_en.htm#reg , Ab- ruf am 2005-01-14). Dabei handelt es sich im Einzelnen um die & Rahmenrichtlinie (Richtlinie 2002/21/EG) zur Schaffung eines harmonisierten Re- gulierungsrahmens fu ¨r elektronische Netze in den Mitgliedsstaaten, die & Genehmigungsrichtlinie (Richtlinie 2002/20/EG) zur Regelung der Voraussetzungsgeneh- migungen fu ¨r alle o ¨ ffentlichen und nicht-o ¨ ffentlichen elektronischen Kom- munikationsnetze und -dienste, die & Universaldienstrichtlinie (Richtlinie 2002/22/EG) zur Sicherstellung der Verfu ¨ gbarkeit festgelegter Mindestangebote an Diens- ten fu ¨ r Endkunden zu erschwinglichen Preisen, die & Zugangsrichtlinie (Richtlinie 2002/19/EG) zur Harmonisierung von Zugangs- und Zusammenschaltungsanspru ¨ chen von Wettbewerbern gegenu ¨ ber marktbeherr- schenden Unternehmen, sowie die & Datenschutzrichtlinie (Richtlinie 2002/58/EG) zur Garantie der Perso ¨ nlichkeitsrechte und der Privatspha ¨re bei der Verarbei- tung personenbezogener Daten. Aufgrund ihrer zentralen o ¨ konomischen und wettbewerbstheoretischen Bedeutung konzentriert sich dieser Beitrag auf die Umsetzung der europa ¨ischen Richtlinien in den Bestimmungen der Markt-, Zu- gangs- und Entgeltregulierung im neuen TKG (fu ¨ r einen Gesamtu ¨ berblick u ¨ ber das neue TKG sei verwiesen auf [KoLo04]). 2 Die Bedeutung des Telekommunikationssektors Der Telekommunikationssektor za ¨hlt mit 222.700 Bescha ¨ftigten (Stand 2004-12-31), davon 51.900 bei Wettbewerbern des ehe- maligen Monopolisten, und Gesamtum- satzerlo ¨ sen von 64,5 Milliarden Euro zu den bedeutendsten Wirtschaftssektoren in Deutschland [RegT05]. Fu ¨ r das laufende Jahr prognostiziert der Branchenverband Bitkom ein Wachstum von 2,8% [BitK04]. Angesichts der Konvergenz von Tele- kommunikation, Informationstechnologie und Medien wird der Wettbewerb u ¨ ber Marktgrenzen hinweg forciert, und es kommt zu einer zunehmenden Verschmel- zung der verschiedenen Wertscho ¨ pfungs- ketten [ECC01]. Ein Beispiel hierfu ¨ r ist der șbergang von leitungs- zu paketvermit- telnden Netzen in der Daten- und Sprach- kommunikation. Zuvor stand durchweg die Sprachtelefonie im Mittelpunkt ex ante ein- greifender Regulierung; auf sie waren weite Bereiche des Regulierungsrechts zuge- schnitten. Die Datenkommunikation war demgegenu ¨ ber der allgemeinen wett- bewerblichen Missbrauchsaufsicht unter- worfen. Durch die Vorgabe einer Vereinheit- lichung des Rechtsrahmens fu ¨ r alle elektro- nischen Kommunikationsnetze und -diens- te und des sich darin a ¨ußernden Prinzip der Technologieneutralita ¨t tra ¨gt das Richt- linienpaket der Europa ¨ischen Kommission WIRTSCHAFTSINFORMATIK 47 (2005) 3, S. 222 225 Die Autoren Arnold Picot Christian Wernick Prof. Dr. Dres. h. c. Arnold Picot Dipl.-Kfm. Christian Wernick Ludwig-Maximilians-Universita ¨t Mu ¨nchen Institut fu ¨r Information, Organisation und Management Ludwigstraße 28 80539 Mu ¨nchen {picot | wernick}@bwl.uni-muenchen.de Wettbewerbsregulierung in der Telekommunikation gemåß EU-Richtlinien und TKG WI – Schlagwort

Wettbewerbsregulierung in der telekommunikation gemäß EU-richtlinien und TKG

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Page 1: Wettbewerbsregulierung in der telekommunikation gemäß EU-richtlinien und TKG

1 Die Novelle desTelekommunikationsgesetzes

Das Telekommunikationsgesetz (TKG)von 1996 leitete die Liberalisierung auf dendeutschen Telekommunikationsmarktenein. Angesichts ihrer technologischen undokonomischen Besonderheiten gab der Ge-setzgeber einer sektorspezifischen Regulie-rung durch die Regulierungsbehorde furTelekommunikation und Post (RegTP) denVorzug gegenuber der allgemeinen wett-bewerbsrechtlichen Aufsicht durch dasBundeskartellamt, um so die Sicherungund Forderung des Wettbewerbs auf diesenehemaligen Monopolmarkten zu gewahr-leisten. Seit der vollstandigen Marktoff-nung im Jahre 1998 hat sich auf den Tele-kommunikationsmarkten ein tief greifen-der Wandel vollzogen. Auf zahlreichenTeilmarkten gelang der �bergang vomMonopol zum Wettbewerb, erheblichePreissenkungen waren die Folge und neue

Marktteilnehmer konnten sich etablieren.Mit dem Inkrafttreten des neuen TKG am26. Juni 2004 verlor der Regulierungsrah-men des alten TKG seine Gultigkeit.Ausloser fur die komplette Novellierung

des TKG von 1996 waren die Vorgabender am 2002-04-24 bzw. am 2002-07-31 imAmtsblatt der Europaischen Gemeinschaf-ten veroffentlichten Richtlinien fur elekt-ronische Kommunikationsnetze und-dienste, welche bis zum 2003-07-24 vonden Mitgliedsstaaten in nationales Rechtumgesetzt werden sollten (im Internet do-kumentiert unter http://europa.eu.int/information_society/topics/telecoms/regulatory/new_rf/index_en.htm#reg , Ab-ruf am 2005-01-14). Dabei handelt es sichim Einzelnen um die& Rahmenrichtlinie

(Richtlinie 2002/21/EG)zur Schaffung eines harmonisierten Re-gulierungsrahmens fur elektronischeNetze in den Mitgliedsstaaten, die

& Genehmigungsrichtlinie(Richtlinie 2002/20/EG)zur Regelung der Voraussetzungsgeneh-migungen fur alle offentlichen undnicht-offentlichen elektronischen Kom-munikationsnetze und -dienste, die

& Universaldienstrichtlinie(Richtlinie 2002/22/EG)zur Sicherstellung der Verfugbarkeitfestgelegter Mindestangebote an Diens-ten fur Endkunden zu erschwinglichenPreisen, die

& Zugangsrichtlinie(Richtlinie 2002/19/EG)zur Harmonisierung von Zugangs- undZusammenschaltungsanspruchen vonWettbewerbern gegenuber marktbeherr-schenden Unternehmen, sowie die

& Datenschutzrichtlinie(Richtlinie 2002/58/EG)zur Garantie der Personlichkeitsrechteund der Privatsphare bei der Verarbei-tung personenbezogener Daten.

Aufgrund ihrer zentralen okonomischenund wettbewerbstheoretischen Bedeutungkonzentriert sich dieser Beitrag auf dieUmsetzung der europaischen Richtlinienin den Bestimmungen der Markt-, Zu-gangs- und Entgeltregulierung im neuenTKG (fur einen Gesamtuberblick uber dasneue TKG sei verwiesen auf [KoLo04]).

2 Die Bedeutungdes Telekommunikationssektors

Der Telekommunikationssektor zahlt mit222.700 Beschaftigten (Stand 2004-12-31),davon 51.900 bei Wettbewerbern des ehe-maligen Monopolisten, und Gesamtum-satzerlosen von 64,5 Milliarden Euro zuden bedeutendsten Wirtschaftssektoren inDeutschland [RegT05]. Fur das laufendeJahr prognostiziert der BranchenverbandBitkom ein Wachstum von 2,8% [BitK04].Angesichts der Konvergenz von Tele-kommunikation, Informationstechnologieund Medien wird der Wettbewerb uberMarktgrenzen hinweg forciert, und eskommt zu einer zunehmenden Verschmel-zung der verschiedenen Wertschopfungs-ketten [ECC01]. Ein Beispiel hierfur ist der�bergang von leitungs- zu paketvermit-telnden Netzen in der Daten- und Sprach-kommunikation. Zuvor stand durchweg dieSprachtelefonie im Mittelpunkt ex ante ein-greifender Regulierung; auf sie waren weiteBereiche des Regulierungsrechts zuge-schnitten. Die Datenkommunikation wardemgegenuber der allgemeinen wett-bewerblichen Missbrauchsaufsicht unter-worfen.Durch die Vorgabe einer Vereinheit-

lichung des Rechtsrahmens fur alle elektro-nischen Kommunikationsnetze und -diens-te und des sich darin außernden Prinzipder Technologieneutralitat tragt das Richt-linienpaket der Europaischen Kommission

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 47 (2005) 3, S. 222–225

Die Autoren

Arnold PicotChristian Wernick

Prof. Dr. Dres. h. c. Arnold PicotDipl.-Kfm. Christian WernickLudwig-Maximilians-Universitat MunchenInstitut fur Information, Organisation undManagementLudwigstraße 2880539 Munchen{picot | wernick}@bwl.uni-muenchen.de

Wettbewerbsregulierungin der Telekommunikationgem�ß EU-Richtlinien und TKG

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Page 2: Wettbewerbsregulierung in der telekommunikation gemäß EU-richtlinien und TKG

der realen Entwicklung im Bereich derKommunikationsnetze Rechnung. Diesunterstreicht zugleich die zunehmende Be-deutung der Telekommunikationsregulie-rung fur die Sektoren Informationstech-nologie und Medien.

3 Zentrale wettbewerblicheAspekte des neuenRegulierungsrahmens

3.1 Marktregulierung

Der Prozess der Marktregulierung ist inden Artikeln 14–16 der Rahmenrichtliniegeregelt. Ziel ist die Identifikation vonMarkten, auf denen eine sektorspezifischeRegulierung notig ist. Gleichzeitig voll-zieht sich hier der �bergang von der sek-torspezifischen Regulierung zu den Be-stimmungen des allgemeinen Kartellrechts.Die Umsetzung dieser Vorgaben findet sichin den §§ 9ff. des neuen TKG.

3.1.1 Marktdefinition (§ 10)

Die Identifikation sektorspezifisch zu re-gulierender Markte vollzieht sich in einemzweistufigen Verfahren. Im ersten Schrittlegt die Regulierungsbehorde Markte fest,die fur eine sektorspezifische Regulierung

in Betracht kommen. Dabei handelt es sichum Markte, „. . . die durch– betrachtliche und anhaltende strukturelleoder rechtlich bedingte Marktzutritts-schranken gekennzeichnet sind,

– langerfristig nicht zu wirksamem Wett-bewerb tendieren und

– auf denen die Anwendung des allgemei-nen Wettbewerbsrechts allein nicht aus-reicht, um dem betreffenden Marktver-sagen entgegenzuwirken.“ [§ 10 Abs. 2]

Daruber hinaus ist die Regulierungsbehordeangewiesen, die Empfehlung der Kommis-sion uber relevante Produkt- und Dienst-markte des elektronischen Kommunika-tionssektors weitestgehend zu berucksichti-gen (im Internet dokumentiert unterhttp://europa.eu.int/information_society/topics/telecoms/regulatory/publiconsult/documents/relevant_markets/l_11420030508de00450049.pdf , Abruf am2005-01-21). Am 2003-02-11 wurden vonder Kommission sieben Endkunden- undelf Großkundenmarkte bestimmt, die imHinblick auf die Notwendigkeit sektorspe-zifischer Regulierung von den Mitglieds-staaten zu untersuchen sind (siehe Bild 1).

3.1.2 Marktanalyse (§ 11)

Im zweiten Schritt pruft die Regulierungs-behorde, ob auf den identifizierten Mark-

ten wirksamer Wettbewerb besteht. „Wirk-samer Wettbewerb besteht nicht, wenn einoder mehrere Unternehmen auf diesemMarkt uber betrachtliche Marktmacht ver-fugen.“ [§ 11 Abs. 1] Bei der Ermittlung,ob Unternehmen auf den betreffendenMarkten uber betrachtliche Marktmachtverfugen, hat die Regulierungsbehordeweitestgehend die Kriterien der Leitliniender Kommission zur Marktanalyse und Er-mittlung betrachtlicher Marktmacht zu be-folgen (im Internet dokumentiert unterhttp://europa.eu.int/information_society/topics/telecoms/regulatory/maindocs/documents/c_16520020711de00060031.pdf,Abruf am 2005-01-21). In diesem Doku-ment nennt die Kommission eine Reihevon Kriterien (u. a. Unternehmensgroße,Kontrolle uber nicht leicht duplizierbareInfrastruktur, Verbundvorteile [Ziffer 78]),die neben der Hohe der Marktanteile (eswird angenommen, dass i. d. R. Markt-anteile von uber 50% eine marktbeherr-schende Stellung indizieren [Ziffer 75]) aufMarktmacht hinweisen konnen.

Die Ergebnisse von Marktdefinition undMarktanalyse werden gemaß § 14 Abs. 2alle zwei Jahre uberpruft um Anpassungenan die dynamischen Wettbewerbsverhalt-nisse vornehmen zu konnen.

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Endkundenmärkte:Märkte für Dienste oder Produkte für Endnutzer

1. Zugang von Privatkunden zum öffentlichen Telefonnetz anfesten Standorten

2. Zugang anderer Kunden zum öffentlichen Telefonnetz anfesten Standorten

3. Öffentliche Orts- und/oder Inlandsgespräche für Privat-kunden an festen Standorten

4. Öffentliche Auslandsgespräche für Privatkunden an festenStandorten

5. Öffentliche Orts- und/oder Inlandsgespräche für andereKunden an festen Standorten

6. Öffentliche Auslandsgespräche für andere Kunden anfesten Standorten

Die Märkte 1--6 zusammen entsprechen dem „Anschluss an dasöffentliche Telefonnetz und dessen Nutzung an bestimmtenfesten Standorten“ gemäß Anhang I der Rahmenrichtlinie

7. Mindestangebot an Mietleitungen

Großkundenmärkte:Märkte für Vorleistungen, die Betreiber benötigen, dieEndnutzern Dienste und Produkte bereitstellen

8. Verbindungsaufbau im öffentlichen Telefonnetz an festenStandorten

9. Anrufzustellung in einzelnen öffentlichen Telefonnetzen anfesten Standorten

10. Transitdienste im öffentlichen Festtelefonnetz11. Entbündelter Großkunden-Zugang (einschließlich des

gemeinsamen Zugangs) zu Drahtleitungen und Teilleitungenfür die Erbringung von Breitband- und Sprachdiensten.

12. Breitbandzugang für Großkunden13. Abschluss-Segmente von Mietleitungen für Großkunden14. Fernübertragungs-Segmente von Mietleitungen für

Großkunden15. Zugangs- und Verbindungsaufbau in öffentlichen

Mobilfunknetzen16. Anrufzustellung in einzelnen Mobilfunknetzen17. Nationaler Großkundenmarkt für Auslandsroaming in

öffentlichen Mobiltelefonnetzen18. Rundfunk-Übertragungsdienste zur Bereitstellung von

Sendeinhalten für Endnutzer

Bild 1 Relevante Endkunden und Großkundenmarkte [L114/48]

Wettbewerbsregulierung in der Telekommunikation gemaß EU-Richtlinien und TKG 223

Page 3: Wettbewerbsregulierung in der telekommunikation gemäß EU-richtlinien und TKG

3.2 Verpflichtungen furmarktbeherrschende Unternehmen

Gemaß § 13 Abs. 1 gibt es eine Reihe vonVerpflichtungen, die die Regulierungs-behorde marktbeherrschenden Unterneh-men auferlegen kann. Diese ergeben sichaus den Artikeln 9–13 der Zugangsricht-linie sowie aus den Artikeln 17–19 derUniversaldienstrichtlinie. Im Einzelnenhandelt es sich dabei um& das Diskriminierungsverbot (§ 19), zur

Sicherstellung der Gleichbehandlung beiVereinbarungen zwischen dem markt-beherrschenden Anbieter und Wett-bewerbern sowie solchen zwischen ihmund seinen Tochter- und Partnerunter-nehmen,

& die Transparenzverpflichtung (§ 20), zurVeroffentlichung von Informationen zuBuchfuhrung, technischen Spezifikatio-nen, Entgelten und anderen Details, diefur die Inanspruchnahme von Zugangs-leistungen relevant sind,

& die Zugangsverpflichtung (§ 21), zur Re-gelung der Bedingungen des Zugangs zuEinrichtungen und Diensten von Anbie-tern mit betrachtlicher Marktmacht,

& die getrennte Rechnungsfuhrung (§ 24),zur Verhinderung von Diskriminierungund Quersubventionierung (insbeson-dere bei vertikal integrierten Unterneh-men),

& die Entgeltregulierung (§§ 30; 39), zurVerhinderung missbrauchlicher Entgeltedurch marktbeherrschende Unterneh-men,

& die Betreiberauswahl und Betreibervor-auswahl (§ 40) zur Forderung des Wett-bewerbs im Endkundenmarkt durch dieErmoglichung der technischen Voraus-setzungen fur das Angebot sog. Call-by-Call- und Preselectiondienste im Fest-netz, sowie

& das Angebot von Mietleitungen (§ 41Abs. 1) welches gemaß Artikel 18 derUniversaldienstrichtlinie nach denGrundsatzen der Nichtdiskriminierung,der Kostenorientierung und der Trans-parenz zu erfolgen hat.

Bei der Auswahl der Verpflichtungen, diesie marktbeherrschenden Unternehmenauferlegt, ist die RegTP relativ frei. In Re-lation zum bisherigen Rechtsrahmen impli-ziert dies einen deutlich großeren Hand-lungsspielraum. Einschrankungen geltenfur die Falle, in denen die MaßnahmenAuswirkungen auf den Handel zwischenMitgliedsstaaten haben (§ 13 Abs. 1). Hiermuss die Regulierungsbehorde gemaß § 12Abs. 2 ihre Ergebnisse mit den Regulie-rungsbehorden der anderen EU-Mitglieds-

staaten sowie mit der EU-Kommission ab-stimmen.

3.3 Zugangsregulierung (§ 21)

Die Zugangsregulierung legt fest, unterwelchen Bedingungen marktbeherrschendeUnternehmen verpflichtet werden, anderenUnternehmen Zugang zu Einrichtungenund/oder Diensten zu gewahren. Diesstellt eine zentrale Bedingung fur die Ent-stehung und Sicherung von Wettbewerbauf Telekommunikationsmarkten dar. DerRegulierungsbehorde wird dabei ein relativweiter Spielraum eingeraumt, der sich anden Regulierungszielen des § 2 Abs. 2 so-wie an den sieben Kriterien des § 21 Abs. 1Nr. 1–7 (u. a. die technische und wirt-schaftliche Tragfahigkeit der Nutzung oderInstallation konkurrierender Einrichtun-gen [§ 21 Abs. 1 Nr. 1]) zu orientieren hat.Der eigentliche Zugangsbegriff wird in § 3Nr. 32 weit definiert und umfasst die „. . .Bereitstellung von Einrichtungen oderDiensten fur ein anderes Unternehmen un-ter bestimmten Bedingungen zum Zweckeder Erbringung von Telekommunikations-diensten.“ [§ 3 Nr. 32] Bei den konkretenZugangsverpflichtungen lasst sich zwi-schen Kann- (§ 21 Abs. 2) und Soll- (§ 21Abs. 3) Vorschriften differenzieren:Unter den Kann-Vorschriften sind der

Zugang zu bestimmten Netzkomponentenoder -einrichtungen einschließlich des ent-bundelten Breitbandzugangs gemaß § 21Abs. 2 Nr. 1 (siehe auch Abschnitt 4) sowiedie Resaleverpflichtung gemaß § 21 Abs. 2Nr. 3 hervorzuheben, wobei letztere auf-grund einer �bergangsbestimmung in§ 150 Abs. 5 uneingeschrankt erst ab dem2008-07-01 gilt.Innerhalb der Soll-Vorschriften sind der

vollstandig entbundelte Zugang zum Teil-nehmeranschluss gemaß § 21 Abs. 3 Nr. 1sowie die Ermoglichung der Zusammen-schaltung von Telekommunikationsnetzen(Interconnection) gemaß § 21 Abs. 3 Nr. 2aus Wettbewerbsperspektive die bedeu-tendsten Verpflichtungen.

3.4 Entgeltregulierung

Das Ziel der Entgeltregulierung besteht da-rin, „eine missbrauchliche Ausbeutung,Behinderung oder Diskriminierung vonEndnutzern oder von Wettbewerberndurch preispolitische Maßnahmen von Un-ternehmen mit betrachtlicher Marktmachtzu verhindern.“ [§ 27 Abs. 1] Ein Miss-brauch liegt insbesondere dann vor, wennein marktbeherrschendes UnternehmenEntgelte fordert „. . . die,

1. nur auf Grund seiner betrachtlichenMarktmacht auf dem jeweiligen Marktder Telekommunikation durchsetzbarsind,

2. die Wettbewerbsmoglichkeiten andererUnternehmen auf einem Telekommuni-kationsmarkt auf erhebliche Weise be-eintrachtigen oder

3. einzelnen Nachfragern Vorteile gegen-uber anderen Nachfragern gleichartigeroder ahnlicher Telekommunikations-dienste einraumen, die nur aufgrund sei-ner beherrschenden Marktstellungdurchsetzbar sind, . . .“ [§ 28 Abs. 1]

sofern fur die Nummern 2 und 3 keine ge-rechtfertigten Grunde vorliegen. Was dieBeeintrachtigung der Wettbewerbsmog-lichkeiten anderer Unternehmen angeht,wird ein Missbrauch gemaß § 28 Abs. 2vermutet, wenn& die langfristigen zusatzlichen Kosten der

Bereitstellung des Dienstes einschließ-lich einer angemessener Verzinsung deseingesetzten Kapitals nicht gedeckt wer-den, eine

& Preis-Kosten-Schere (Preis-Kosten-Sche-ren liegen vor, wenn die Differenz zwi-schen dem Endnutzerpreis des markt-beherrschenden Unternehmens und denEntgelten fur notwendige Vorleistungenvon Wettbewerbern geringer ist als dieeffizienten Kosten, die bei der Erstellungdes Endnutzerdienstes unter Inan-spruchnahme der Vorleistungen anfallen)oder eine

& ungerechtfertigte Bundelung beim Pro-duktangebot vorliegt (unter Bundelungwird verstanden, wenn mehrere Dienstegemeinsam verkauft werden und derKunde diese Dienste entweder nichtoder nur unter Inkaufnahme eines Preis-nachteils einzeln erwerben kann.).

Aus Wettbewerbssicht ist in diesem Kon-text insbesondere auf das Problem desLeveraging [NeNe04] hinzuweisen, wel-ches in der �bertragung von Marktmachtin Monopolmarkten auf benachbarteMarkte besteht.Im neuen TGK wird zwischen zwei Ver-

fahren der Entgeltregulierung unterschie-den, zum einem der Entgeltgenehmigunggemaß § 31, zum anderen der nachtragli-chen Regulierung von Entgelten gemaߧ 38. Wahrend Endkundenentgelte in derRegel keiner Genehmigungspflicht unter-worfen sind und somit lediglich einer nach-traglichen Regulierung unterliegen (§ 39Abs. 1 und 3), unterliegen Zugangsleistun-gen, die dem marktbeherrschenden Unter-nehmen gemaß § 21 auferlegt werden, ge-nerell einer Vorabregulierung nach § 31.Solche Entgelte „. . . sind genehmigungs-

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fahig, wenn sie die Kosten der effizientenLeistungsbereitstellung nicht uberschreiten.In begrundeten Einzelfallen kann die Regu-lierungsbehorde eine �berprufung der Ge-nehmigungsfahigkeit nach dem Vergleichs-marktprinzip entsprechend § 35 Abs. 1Satz 1Nr. 1 vornehmen.“ [§ 31 Abs. 1]Eine Abweichung von dieser Praxis ist

bei Fallen vorgesehen, in denen der Betrei-ber lediglich auf dem Vorleistungs-, nichtaber auf dem entsprechenden Endkunden-markt uber eine marktbeherrschende Stel-lung verfugt (§ 30 Abs. 1 Nr. 1), eineMarktbeherrschung erst nach Inkrafttretendes Gesetzes und nicht bereits im Vor-hinein festgestellt wurde (§ 30 Abs. 1Nr. 2) und diese Maßnahme als ausrei-chend fur die Erreichung der Regulie-rungsziele gemaß § 2 Abs. 2 eingeschatztwird. In solchen Fallen sind die Entgelteder Regulierungsbehorde zwei Monate vordem geplanten Inkrafttreten vorzulegen.(§ 38 Abs. 1) Gemaß § 39 Abs. 1 kann dieRegTP auch Endkundenentgelte einer Ent-geltgenehmigung unterwerfen, wenn Ver-pflichtungen im Zugangsbereich und Be-treiberauswahl und Betreibervorauswahlnicht zur Erreichung der Regulierungszielenach § 2 Abs. 2 ausreichen. Eine Ex-anteRegulierung der Endkundenentgelte solljedoch auf solche Markte beschrankt blei-ben, auf denen in absehbarer Zeit nicht mitder Entstehung nachhaltigen Wettbewerbszu rechnen ist. (§ 39 Abs. 1)

4 Einschatzungund Ausblick

Im Vergleich zum TKG von 1996 kommtes durch die Umsetzung der europaischenRichtlinien in Deutschland zu einer Weiter-entwicklung des Rechtsrahmens:& Der neue Rechtsrahmen tragt der realen

Entwicklung im Bereich der Kommuni-kationsnetze Rechnung,

& Einfluss und Handlungsspielraum derRegTP werden deutlich gestarkt,

& Europaische Institutionen gewinnen anEinfluss,

& die sektorspezifische Regulierung wirdzumindest partiell zuruckgefuhrt und

& die Verknupfung mit dem allgemeinenWettbewerbsrecht wird enger.

Zwei aktuelle Themen, die eng miteinanderverknupft sind, werden in nachster Zeit dieregulatorischen Diskussionen auf demdeutschen TK-Markt bestimmen: Zum ei-nen der entbundelte Breitbandzugang bzw.Bitstromzugang und zum anderen die re-gulatorische Behandlung der Internettele-phonie, also von Voice over IP-Diensten[Kurt04]. Gerade angesichts der unbefrie-digenden Wettbewerbs- und Wachstums-situation auf dem okonomisch hochst be-deutsamen und zukunftstrachtigen Marktfur schnelles Internet (Breitbandzugang)und der zu erwartenden Einflussnahmeverschiedener Interessensgruppen wird die

RegTP ebenso wie die Regulierungsbe-horden der anderen EU-Mitgliedslanderihren durch den neuen Regulierungsrah-men gewahrten zusatzlichen Einflussdurch eine fundierte und uberparteilicheEntscheidungspraxis im Sinne der wirt-schaftlich-gesellschaftlichen Entwicklungund des Wettbewerbs einsetzen.

Literatur

[BitK04] Bitkom: Kennzahlen zur ITK-Branchen-entwicklung – Herbst 2004.http://www.bitkom.org/files/documents/ITK-Marktzahlen_Kurzfassung.pdf,Abruf am 2005-01-14.

[ECC01] European Communications Council Re-port – ECC (Hrsg.): Die Internet �konomie –Strategien fur die digitale Wirtschaft. 3. Auflage,Springer, Heidelberg 2001.

[KoLo04] Koenig, Christian; Loetz, Sascha; Neu-mann, Andreas: Telekommunikationsrecht. Ver-lag Recht und Wirtschaft, Heidelberg 2004.

[Kurt04] Kurth, Matthias: Voice over IP – Revolu-tion oder Evolution auf dem TK-Markt? Redeauf der Forumsveranstaltung zu Voice over IP inBonn am 2004-10-18. http://www.regtp.de/aktuelles/start/fs_03.html, Abruf am 2005-01-21.

[NeNe04] Nett, Lorenz; Neumann, Karl-Heinz;Vogelsang, Ingo: Geschaftsmodelle und konsis-tente Entgeltregulierung. wik-Consult, BadHonnef 2004.

[RegT05] RegTP: Jahresbericht 2004 der Regulie-rungsbehorde fur Telekommunikation und Postgemaß § 122 Telekommunikationsgesetz. Bonn2005.

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