9

Wie aus dem Ei gepellt, Band 2

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Leseprobe: ISBN: 978-3-86196-122-2, Taschenbuch, 190 Seiten, 11,30 Euro. Ei, ei, ei, was ist denn das? Es ist ja schon wieder soweit! Der schneereiche und klirrend kalte Winter ist endlich vorbei. Die Sonne strahlt mit den eben erwachten Blümchen um die Wette und schon gibt es den ersten literarischen Frühlingsgruß für alle Kinder und Kindgebliebenen. In diesem Jahr haben 43 Autorinnen und Autoren die Schreibfedern geschwungen und viele kunterbunte Ostergeschichten erdacht. Jede von ihnen ist wie aus dem Ei gepellt und mit dem osterhaseneigenen Prädikat „besonders eidottergelb und frühlingsfrisch“ versehen.

Citation preview

Page 1: Wie aus dem Ei gepellt, Band 2

1

Page 2: Wie aus dem Ei gepellt, Band 2

2

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Titelbild: Jan Engel / Fotolia

1. Auflage 2012ISBN: 978-3-86196-122-2

Die Rechte für die Texte liegen bei den Autoren.

Copyright (©) 2012 by Papierfresserchens MTM-Verlag Heimholzer Straße 2, 88138 Sigmarszell, Deutschland

www.papierfresserchen.de [email protected]

Page 3: Wie aus dem Ei gepellt, Band 2

3

Wie aus dem Ei gepellt ...

Sandy Penner (Hrsg.)

Erzählungen, Märchen

und Gedichte zur Osterzeit

Band 2

Sandy Penner (Hrsg.)

Erzählungen, Märchen

und Gedichte zur Osterzeit

Band 2

Sandy Penner (Hrsg.)

Page 4: Wie aus dem Ei gepellt, Band 2

4

Page 5: Wie aus dem Ei gepellt, Band 2

5

Ann-Kathrin Walz

Henne Henni streiktIrgendwo, verborgen hinter Hügeln und Wäldern, um-

rahmt von Bächen und Feldern, lag ein Bauernhof. Von außen sah er ganz gewöhnlich aus. Kühe muhten auf der Wiese, Pferde galoppierten um die Wette und Schafe fraßen saftiges Gras. Was niemand wusste, war die Tatsache, dass es sich überhaupt nicht um einen normalen Bauernhof han-delte. Es war nämlich der Osterhof. Es gab keinen Bauern, denn die Tiere versorgten und organisierten sich selbst. Und in den großen Scheunen standen keine Traktoren oder An-hänger, sondern aufwendige Maschinen, die zu einer Mini-fabrik gehörten.

Einen Monat vor dem Osterfest ging es hoch her. Die Hennen legten Eier, welche die Katzen bemalten. Die Kühe gaben Milch, aus der die Schafe und Lämmer Schokoladen-eier herstellten. Damit die Überraschungen auch versteckt werden konnten, bauten die Vögel viele kleine Osternester. Überwacht wurde alles von Hahn Harald. Er thronte jeden Tag auf dem Misthaufen, hatte die Augen überall und stand zudem in engem Kontakt mit dem Osterhasen persönlich. Wenn alle Osternester fertig verpackt waren, spannten sich zwei Haflinger vor die Kutsche und brachten die Lieferung zu einer geheimen Höhle. Nur die beiden Pferde wussten, wo diese Höhle war, aber sie mussten stets sofort umkeh-ren, nachdem sie abgeladen hatten. Denn den Osterhasen durfte niemand sehen.

Auch dieses Jahr war wieder viel los auf dem Hof. Ka-ter Kimi, oberster Farbenmeister, maunzte schon das dritte Mal darüber, dass zu wenig rote Farbe im Lager sei.

„Dann müsst ihr eben neue herstellen!“, krähte Hahn

Page 6: Wie aus dem Ei gepellt, Band 2

6

Harald ungnädig. „Ich kann mich darum gerade nicht küm-mern.“ Hektisch hüpfte er auf dem Misthaufen auf und ab.

Die Schlange hinter Kimi war lang. Es schien, als hätte jede Abteilung auf dem Hof ein Tier geschickt, das Harald ein Problem mitteilte. Beleidigt und mit hocherhobenem Schwanz verschwand der graugestreifte Kater wieder in der Farbwerkstatt.

Als Nächstes war Lamm Leander an der Reihe. „Alarm-stufe eidottergelb!“, blökte es mit heller Stimme. „Eine Ma-schine in der Schokoladenmanufaktur ist kaputt!“

Harald vergrub stöhnend den Kopf unter den braun ge-fiederten Flügeln. „Frag mal Schäferhund Schorsch, der hat immer das passende Werkzeug parat“, schlug Harald vor. „Der kann fast alles reparieren.“

Das Lamm nickte dankbar und sprang flink davon. „Der Nächste, bitte!“, rief Harald erschöpft. So ging das

schon den ganzen Tag. Seine Stimme wurde langsam heiser. Henne Huberta trat vor. Sie flatterte ganz aufgeregt mit

den Flügeln. „Harald!“, rief sie ganz außer Atem. „Es ist etwas ganz Furchtbares passiert! Henne Henni streikt!“

Harald blieb vor Überraschung der Schnabel offen ste-hen. „Was meinst du damit?“, wollte er wissen.

„Stell dir vor, sie will keine Eier mehr legen!“, gackerte Huberta. Ei, Ei, Ei! Das war eine Katastrophe! Henne Hen-ni war das Superhuhn im Hühnerstall. Sie legte die schöns-ten und die weißesten Eier weit und breit. Wenn sie ausfiel … nicht auszudenken!

Unter lautstarkem Protest von Ziegen, Enten und Gän-sen, die ebenfalls zu Harald wollten, sprang der Hahn auf die Erde und folge Huberta in die Eierlegezentrale. Die schneeweiße Henne saß in ihrer mit Stroh gepolsterten Holzbox und döste. Harald plusterte sich vor ihr auf. „Was geht hier vor?“, rief er streng. Doch Henni sah nicht einmal auf. „Huberta hat erzählt, dass du streikst!“

Nun sah die Henne den Hahn doch an und nickte. „Ja,

Page 7: Wie aus dem Ei gepellt, Band 2

7

ich streike. Ich habe keine Lust mehr“, meinte sie hoch-näsig.

„Aber warum nicht?“, schrie Harald heiser. „Weil wir ausgenutzt werden!“ Henni sprang auf die

Füße. Mit erhobenem Haupt stakste sie an Harald vorbei und verließ den Stall. Ein paar andere Hennen folgten ihrer Anführerin. Leichtfüßig erklomm diese den Misthaufen: Haralds unangefochtenes Revier.

Auch er eilte ihr nach, aber was folgte, konnte er nicht verhindern. Henni räusperte sich, warf den roten Kamm in Position und rief: „Hört alle her! Es wird Zeit, dass sich etwas ändert auf dem Osterhof!“

Neugierig näherten sich allerlei Zwei- und Vierbeiner. Schweine grunzten in der ersten Reihe, flauschige Küken hüpften in die Höhe, um auch etwas zu sehen.

„Wir schuften und schuften, aber der ganze Ruhm von Ostern wird vom Osterhasen eingeheimst!“, setzte Henni ihre Rede fort.

Zustimmendes Gemurmel kam von allen Seiten. „Jedes Kind kennt den Osterhasen, aber niemand kennt

uns!“, quakte Frosch Fenja. Henni nickte anerkennend. „Richtig. Ich frage euch

also: Wollt ihr weiter einem Phantom dienen? Wer sagt uns denn, dass es den Osterhasen überhaupt gibt? Niemand hat ihn je gesehen!“

Vogel Valentin landete auf dem Kopf von Schorsch. „Sie hat recht!“, piepste er. „Harald ist der Einzige, der ihn kennt!“ Alle drehten sich zu dem Hahn um.

Der begann, unruhig mit dem Fuß zu scharren. „Zwei-felt ihr etwa an mir?“

Plötzlich brach ein kleiner Tumult los. Alle Tiere wie-herten, meckerten und mähten durcheinander. Jeder wollte etwas sagen. Irgendwann ergriff Henne Henni wieder das Wort. „Freunde!“, gackerte sie und hob die Flügel. „Ich bin dafür, dass wir alle solange streiken, bis wir endlich mehr

Page 8: Wie aus dem Ei gepellt, Band 2

8

Beachtung für unsere harte Arbeit bekommen. Ostern ist nichts ohne uns. Jawohl, es ist Zeit für eine Revolte!“

Das Huhn erntete von allen Seiten lauten Beifall. Nur Harald schüttelte entgeistert den Kopf. Was setzte Henni den anderen bloß für Flausen in den Kopf? Doch ihre Rede hatte Anhänger gefunden. Bereits am nächsten Tag malten die Katzen Protestschilder. Die Schafe und ihre Lämmer la-gen auf der Wiese und zählten Schäfchenwolken, die Kühe und Kälbchen tranken Milchshakes im Schatten, die Hüh-ner badeten vergnügt im Teich und die Vögel komponierten ein Protestlied: „Wir wollen keinen Hohn, wir wollen einen Lohn! Will der Hasʼ uns nicht aufregen, soll er selber Eier legen!“

Hahn Harald hatte längst die Kontrolle über den Hof verloren. Mit gesenktem Kopf saß er auf dem Misthaufen und dachte an all die Kinder, die in diesem Jahr kein gefüll-tes Osternest finden würden. Dieser Gedanke machte ihn furchtbar traurig. In seiner Verzweiflung rupfte er sich eine Schanzfeder aus und schrieb einen Brief an den Osterhasen.

Henni schien das nicht zu interessieren. Sie lag am Teich und tratschte in aller Seelenruhe mit Henne Helga. Sie be-reute ihre Entscheidung keine Minute.

Drei Tage später, der Streik war noch immer in vollem Gange, sorgte etwas anderes für Aufregung. Zwei Störche landeten mitten auf dem Hof. Und aus dem Korb, der an ihren langen Beinen hing, hoppelte ein Hase heraus. Er hat-te dunkelbraunes Fell und trug einen goldenen Orden mit der Aufschrift „Osterhase“.

Lamm Leander sah ihn zuerst. „Der Osterhase, der Os-terhase!“, blökte es ehrfürchtig.

Rasch hatten sich die Tiere um den Gast versammelt. Doch der Hase suchte ein ganz bestimmtes Tier. Er sprach kurz mit Harald und wurde dann zu Henni gebracht. Die war sehr überrascht und errötete. Der Osterhase sprach in aller Ruhe mit ihr.

Page 9: Wie aus dem Ei gepellt, Band 2

9

Und nach dem Gespräch mit ihr hielt der Osterhase eine Ansprache auf Haralds Misthaufen: „Liebe Freude! Es tut mir leid, dass eure Verdienste bisher nicht richtig gewürdigt wurden. Das wird sich ab jetzt ändern. Ich werde euch lo-bend in einem Zeitungsartikel erwähnen und dafür sorgen, dass die Kinder über euch Bescheid wissen. Außerdem er-nenne ich euch zu offiziellen Helfern des Osterhasen. Jedes Jahr darf eine Tiergruppe beim Verstecken mithelfen!“

Die Tiere jubelten. „Aber wir Hennen dürfen anfangen!“, rief Henni laut. Der Osterhase war einverstanden. Damit war der Streik

beendet und Ostern gerettet.

Ann-Kathrin Walz wurde im Januar 1992 geboren und lebt in der Rhododendronstadt Westerstede. Seit sie schreiben kann, denkt sie sich eigene Geschichten aus. Zu ihren Hobbys zählen Musik hören und ma-chen, Disneyfilme, tanzen gehen und amerikanische Serien. „Henne Henni streikt“ ist ihren Cousins Valentin, Kimi und Leander und ihrer Cousine Fenja gewidmet.