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- 1183 - 132. Wie beeinflusst ein Substituent die Aeiditat einer organischen Saure? I (21. VIII. 34.) yon G. Sehwarzenbaeh und H. Egli. Kaum hatte man gelernt, die Aciditat von gewissen Sauren mit Hilfe der Leitfahigkeitsmethode zu messen, als auch schon die ersten Abhandlungen erschienen, welche auf empirischem Wege die im Titel genannte Frage zu beantworten suchten. Das Resultat dieser fruheren Messungenl), welche fast ausschliesslich an Carbon- siiuren durchgefuhrt wurden, fand seinen Ausdruck in dem bekannten Satz von Ostwald- Wegscheider, welcher besagt, dass jeder Substituent spezifisch wirke, die Wirkung aber immer urn so grosser sei, je naher tler Substituent der sauren Gruppe in der Molekel liege. Diese quali- tative Regel ist bei aliphatischen Sauren ziemlich uberall erfullt, bei cyclischen Sauren sind jedoch zahlreiche Ausnahmen gefunden worden2). Andere mehr quantitative Gesetzmassigkeiten, welche in neuern Arbeiten3) beschrieben wurden, sind von sehr beschrankter Giiltigkeit, und haben keine wesentlich neue Erkenntnis bringen konnen. Spekulative Annahmen uber den Mechanismus des Substi- tuenteneinflusses *) fiihrten bisher nie zu einem Gesetz, welches von der Erfahrung bestatigt worden ware5). Man ist heute uberzeugt, class der Einfluss der Substituenten sehr komplex ist, und man denkt vielfach an mehrere Einfliisse verschiedener Art, welche sich gegen- seitig uberlagern%). Seit man durch die Deb ye'schen Arbeiten uber die Verteilung der elektrischen Ladungen innerhalb einer organischen Molekel besser unterrichtet ist, kann man sich auch uber den Mechanismus des Einflusses der Substituenten eine genauere Vorstellung machen. Wir wissen heute, dass jede Atombindung einen elektrischen Dipol darstellt, uber dessen Grosse man einigermassen unterrichtet ist. Wenn wir einen Substituenten in eine organische Molekel einfuhren, so fiihren wir also damit einen elektrischen Dipol ein, welcher eine Siehe vor allem R. Wegscheider, M. 23,310 (1902),dort viele Hinweise auf friihere Messungen, sodann Vorliinder, A. 320, 99 (1901). 2, Man denke etwa an die Nitrophenole. 3, Hixon, Am. SOC. 49, 1790 (1927) und spiitere Arbeiten bis Am. SOC. 56, 1329 4, z. B. Fliirscheim, SOC. 95, 718 (1909). 5, z. B. Kuhnund Wassermann, Helv. I I, 1 (1928), wo die Annahmen von Fliirseheim 6, Siehe z. B. die beiden Vorlesungen von R. Robinson: ,,Outline of an electro- (1934). durch die Messung widerlegt werden. chemical theory of the course of organic reactions", London 1932.

Wie beeinflusst ein Substituent die Acidität einer organischen Säure? I

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132. Wie beeinflusst ein Substituent die Aeiditat einer organischen Saure? I

(21. VIII. 34.) yon G. Sehwarzenbaeh und H. Egli.

Kaum hatte man gelernt, die Aciditat von gewissen Sauren mit Hilfe der Leitfahigkeitsmethode zu messen, als auch schon die ersten Abhandlungen erschienen, welche auf empirischem Wege die im Titel genannte Frage zu beantworten suchten. Das Resultat dieser fruheren Messungenl), welche fast ausschliesslich an Carbon- siiuren durchgefuhrt wurden, fand seinen Ausdruck in dem bekannten Satz von Ostwald- Wegscheider, welcher besagt, dass jeder Substituent spezifisch wirke, die Wirkung aber immer urn so grosser sei, je naher tler Substituent der sauren Gruppe in der Molekel liege. Diese quali- tative Regel ist bei aliphatischen Sauren ziemlich uberall erfullt, bei cyclischen Sauren sind jedoch zahlreiche Ausnahmen gefunden worden2). Andere mehr quantitative Gesetzmassigkeiten, welche in neuern Arbeiten3) beschrieben wurden, sind von sehr beschrankter Giiltigkeit, und haben keine wesentlich neue Erkenntnis bringen konnen. Spekulative Annahmen uber den Mechanismus des Substi- tuenteneinflusses *) fiihrten bisher nie zu einem Gesetz, welches von der Erfahrung bestatigt worden ware5). Man ist heute uberzeugt, class der Einfluss der Substituenten sehr komplex ist, und man denkt vielfach an mehrere Einfliisse verschiedener Art, welche sich gegen- seitig uberlagern%).

Seit man durch die Deb ye'schen Arbeiten uber die Verteilung der elektrischen Ladungen innerhalb einer organischen Molekel besser unterrichtet ist, kann man sich auch uber den Mechanismus des Einflusses der Substituenten eine genauere Vorstellung machen. Wir wissen heute, dass jede Atombindung einen elektrischen Dipol darstellt, uber dessen Grosse man einigermassen unterrichtet ist. Wenn wir einen Substituenten in eine organische Molekel einfuhren, so fiihren wir also damit einen elektrischen Dipol ein, welcher eine

Siehe vor allem R. Wegscheider, M. 23,310 (1902), dort viele Hinweise auf friihere Messungen, sodann Vorliinder, A. 320, 99 (1901).

2, Man denke etwa an die Nitrophenole. 3, Hixon, Am. SOC. 49, 1790 (1927) und spiitere Arbeiten bis Am. SOC. 56, 1329

4, z. B. Fliirscheim, SOC. 95, 718 (1909). 5, z. B. Kuhnund Wassermann, Helv. I I , 1 (1928), wo die Annahmen von Fliirseheim

6 , Siehe z. B. die beiden Vorlesungen von R. Robinson: ,,Outline of an electro-

(1934).

durch die Messung widerlegt werden.

chemical theory of the course of organic reactions", London 1932.

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eventuell vorhandene mure Gruppe derselben Molekel elektrostatisch beeinflussen wird. J e nachdem der Substituentendipol der sauren Gruppe die positive oder die negative Seite zukehrt, wird der Ein- fluss auf das abdissoziierende Proton ein abstossender oder ein anziehender sein, die Saure also gestarkt oder geschwacht werdenl). Neben dieser elektrostatischen Wirkung ist -moglicherweise noch eine andere vorhanden, von der wir uns vorlaufig noch keine Vor- stellung zu machen brauchen.

I n dieser Abhandlung wird uns die Frage beschaftigen : 1st der Einfluss der Substituenten ein rein elektrostatischer oder uberlagert sich diesem noch ein weiterer Effekt? Wir glauben diese Fra5e dahin beantworten zu konnen, dass das letztere zutrifft, und wir werden weiter imstande sein, gewisse Aussagen iiber die Grosse dieser beiden Effekte zu machen.

A. Die Berechnung des elektrostatischen Ef fektes.

Stellen wir uns den Substituentendipol (z. B. die C-C1-Bindung des m-Chlorphenols) an einer bestimmten Stelle der stamen Saure- molekel sitzend vor, so ist fur den elektrostatischen Effekt die Arbeit 'p massgebend, welche benotigt wird, urn das Proton von dem Dipol zu entfernen. Dabei sei 'p positiv, wenn bei der Entfernung Arbeit

C1-8 Fig. 1.

Model1 des m-Chlorphenols zur Zeichenerkllrung.

gewonnen wird, wenn also der Dipol der sauren Gruppe seinen posi- tiven Teil zukehrt. Um den Einfluss von y auf die Dissoziations- konstante der Saure zu finden, denken wir uns eine Losung, welche gleiche Konzentrationen an unsubstituierter Saure HX und Anionen X' enthalt. Die Konzentrationen konnen dabei so klein genommen werden, dass sie mit den Aktivitaten der beiden Molekelsorten identisch werden. Diese Losung enthald dann bekanntlich eine

1) Dieses naheliegende Bild des Substituenteneinflusses hat wohl zuerst WoZi (Z. physikal. Ch. [B] 3, 125 (1929)) entworfen. Spilter haben Briegleb (Z. physikal. Ch. [B] 10, 205 (1930)), Smallwood (Am. SOC. 54, 3048 (1932)) und Eucken (Z. angew. Ch. 45, 203 (1932)) diesen Gedanken erneut ausgesprochen und haben ihn zu verwerten gesucht.

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gewisse Protonenkonzentration (@), welche gleich der Aciditats- konstanten der Saure ist, und eine gewisse Konzentration an solvati- sierten Protonen, welche gleich der Dissoziationskonstanten der Same ist. In unmittelbarer Nahe der sauren Gruppe unserer Saure- molekel, und in unittelbarer Nahe der negativen Ladung des Anions X’ herrscht natiirlich nicht die Protonenkonzentration ( @), sondern je nach der Beschaffenheit des elektrischen Feldes rings um die beiden Molekeln eine grossere oder kleinere Konzentration ( 0)’ und (0)”.

Bedeuten nun q’ und q’’ die Arbeiten, die benotigt werden, um ein Proton an jene fraglichen Stellen zu bringen, so befechnen sich die beiden Protonenkonzentrationen ( 0)’ und (0)’’ nach dem BoZtzmann’schen Gesetz :

q“ . N -- q’ . N ___ (0)’ = ( @ ) . e R T bzw. (0)’’ = ( @ ) . e R T . ( 1 )

Nun befestigen wir sowohl an der Sauremolekel HX als auch an dem Anion X‘ den Substituentendipol. Aus der Saure wird dann die Molekel HX, mit dem entsprechenden Anion X,’, Der Dipol wird nun zunachst eine Anderung der Protonenkonzentrstion in unmittelbarer Nahe der sauren Gruppe hzw. der negativen Ladung des Anions hervorrufen. 1st z. B. positiv, so werden die neuen Konzentrationen (@),’ und (O),” kleiner sein als die alten (0)’ und (0)” und dies wird eine Verschiebung des Gleichgewichtes zur Folge haben, indem namlich das Verhaltnis HX/X’ kleiner als 1 wird. Urn nun das d t e Gleichgewicht wieder herzustellen und die Konzentrationen der beiden Molekelsorten HX, und X,’ wieder gleich gross zu machen, ist es notwendig, die Protonenkonzentration der Losung zu verandern, bis die Konzentrationen in unmittelbarer NBhe der dissoziierenden und assoziierenden Gruppe wieder die alten geworden sind, namlich (0)’ und (0)”. Diese neue Protonenkonzen- tration der Losung sei (@), und ist natiirlich gleich der Aciditats- konstanten der substituierten Saure HX,. Sie lasst sich berechnen nach :

Bezeichnen wir die Aciditatskonstanten der unsubstituierten und der substituierten SBure mit E und K,, so gilt:

Das Verhaltnis der Aciditiitskonstanten ist innerhalb ekes bestimmten Losungsmittels gleich dem Verhiiltnis der Dissoziations- konstsnten. Wir wollen aber hier immer nur von den Aciditats-

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l l S 6 - -

konstanten sprechen und diese als Normalaciditatspotentialel) (F , , , ) ausdriicken. Es gilt dann:

Die kinetische Ableitung dieser Gleichung liefert neue Einblicke in den Mechanismus des Substituenteneinflusses. Wir betrachten wieder zuerst die unsubstituierte Saure. Das Gleichgewicht ist dann erreicht, wenn die Geschwindigkeit des Dissoziationsvorganges H X --f @ + X ’

gleich ist der Geschwindigkeit des Assoziationsvorganges:

q1 , die Aktivierungsenergie des Dissoziationsvorganges, ist gleich der Energie, die benotigt wird, um die Molekel H X zu aktivieren, bis sie von selbst zerfallt. Was nach dem Zerfall noch fur Energien frei werden oder vielleicht aufgewendet werden miissen, wie z. B. die Energie zur Entfernung des weggesprungenen Protons vom Anion, gehort nicht mehr mit in ql. Hingegen gehort in die Aktivierungsenergie q2 neben anderm auch die Arbeit zur Heranfiihrung des Protons zum Anion X’. Betrachten wir also die Disso- ziations- und Assoziationsgeschwindigkeiten der substituierten Saure HX,, so ist wiederum :

aber:

Bedenkt man nun. dass:

. ., . so erhiilt man ohne weiteres Gleichung (4).

Diese Ableitung ist nun dcshalb bcsondcrs lehrreich, neil man erkcnnt, dass dcr elektrostatische Einfluss nicht den Dissoziationsvorgang, sondern den Assoziations- vorgang trifft2). Die Grosse cp ist somit die Arbeit, die man braucht, um das Proton dem Dipol des Anions X’, zu nahern, und diese Arbcit ist ja niit derjenigen, die benotigt wird, um das Proton den1 Dipol der ungeladencn Molekel HX,s zu nahern, vyegen der Elektrostriktion nicht identisch.

\Tie schon bemerkt, ist es nun leicht moglich, (lass der elektro- statische Einfluss nicht der einzige ist, sondern dass der Substituent noch das Elektronengebaude cles Tragers tles sauren Protons h e i n - flusst, so dass die Austrittsarbeit des Protons RUS demselben ver- andert wird. ( In tler kinetischen Ahleit,ung entspricht das einer h d e r u n g von ql ) . Ein solcher Einfluss miisste im Gegensatz zum elektrostatischen clurch die Atomkette gehen, indem jedes ACom

l) Sicherlich ist es, wie Briivlsted in einer neuen Arbeit (Z. physikal. Ch. [A] 169, 52 (1934)) sagt, vollkommen gleichgiiltig, ob wir mit Acidititspotentialen oder mit Aci- ditiitskonstanten rechnen. Es scheint uns aber jedoch vorteilhafter, die Aciditatsvor- gange und die Redoxvorgange nach demselben Schema zu behandeln, und weiter glauben wir, dass damit die leicht mogliche Verwechslung zwischen Aciditatskonstante und Dissoziationskonstante eher vermieden wird. Definition der Aciditatspotentiale : Helv. 13, 874 (1930).

2) Dariiber hcrrschen hiiufig noch unrichtige Vorstellungen. S. z . B. Hiiekel, ,,Theo- retische Grundlagrn der organischen Cheniie“, Bd. 11, 273.

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seinen Nachbarn beeinflusst, rnit dem es gemeinsame Elektronen besitzt. Wir wollen einen derartigen Einfluss rnit K e t t e n e f f e k t bezeichnen, cnd ihn als A folgendermassen in Gleichung (4) ein- fuhren :

(9)

Unser Problem lautet also nun: Wie gross ist A ? Diese Frage ist deshalb nicht einfach zu beantworten, weil man p nur sehr ange- niihert berechnen kann. Es ist aber trotzdem notwendig, sich daruber Reehenschaft zu geben, von welchen Grossen p abhiingt.

Beim Substituentendipol werden die beiden entgegengesetzten Ladungen + e und - e in einem Abstancl a festgehalten, so dass das Dipolmoment die Grosse ,u = e - a erhalt. p ist nun naturlich die Differenz der beiden elektrischen Arbeiten, die benotitgt bzw. gewonnen werden, um das Proton von der negativen Ladung - 6

bzw. der positiven Ladung + e xu entfernen und berechnet sich nach :

N - p (&;IC)S-- (%c) = 7 + A *

e, ist dabei die Einheitsladung des Elektrons, r der Abstsnd des Dipols von der sauren Gruppe, und u der Winkel, den die Verbindungs- h i e : saure Gruppe-Dipolmittelpunkt mit der Dipolachse einschliesst (Fig. 1). Die letztere Umformung von Gleichung (10) ist miiglich, weil a klein ist gegenuber r.

Fiir die Dielektrizitatskonstante D' diirfen wir nun nicht cinfaeh cliejenige tles LGsungsmittels einsetzen, denn

1. geht ja nur ein Tcil der Kraftlinien durch das Losungsmittel und der andere Teil durch die Sauremolekel sclbst, und

2. ist die Dielektrizitatskonstante des Losungsmittels D infolge der Elektrostriktion stark herabgesetzt. Punkt 1 driicken wir dadurch Bus, dass wir D nur in der 2-tenPotenz einsetzen uncl die innere Dielektrizitatskonstante der Sauremolekel mit d in der (l-s)-ten Potenz berueksichtigen. Urn der Elektrostriktion Rechnung zu tragen, reduzieren wir die Konstante D noch mit Clem Faktor k (kleiner als 1)l). Dieses k ist dann streng genommen eine Funktion von T und von p, da aber der Hauptteil der Elektrostriktion von der negativen Ionenladung des Ions X,' herruhrt, kann man wohl k als approximative Konstante behandeln. So erhalten wir schliesslich fur die Berechnung von cp die folgende Gleichung:

Ohne spezielle willkurliche Annahmen lasst sich mit dieser Gleichung der elektrostatische Effekt offenbar nicht berechnen. Man kann hochstens einige Folgerungen zu ziehen versuchen. Wenn

') Fur die Berechtigung dieses Ansatzes siehe Helv. 15, 1468 (1932).

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wir z. B. denselben Substituenten an verschiedenen Stellen der Saure- molekel einfuhren und die Annahme machen, dass der Winkel 0: fur alle diese St,ellen annahernd konstant sei, so folgt aus Gleichung (11) die Giiltigkeit des 0st~aZd-Wegscheide.r'schen Satzes. Weiter kann man annehmen, dass, wenn in ein und dieselbe Siiuremolekel a n derselben Stelle verschiedene Substituenten eingefuhrt werden, alles in Gleichung (11) ausser dem Dipolmoment konstant bleibt, dass also:

(%c),s = prop. cp 5z prop. p (12) wird. Genau ist das natiirlich nicht erfullt, da ja d und 2 spezifisch vom Substituenten abhangen. Der grosse Naehteil dieser Gleichung ist aber der, dass ,u eigentlich unbekannt ist in polaren Losungs- mitteln, da dielektrische Messungen immer in nicht-polaren Losungs- mitteln ausgefiihrt Pverden miissen, die Dipolmomente also nur fiir diese bekannt sind'). Immerhin ist Gleichung (13) manchmal annahernd erfullt, wenn der Abstand T gross genug genommeri wird2). Gerade in diesen Fallen wird aber dann auch unser Ketten- effekt klein sein, so dass sich diese Gleichung zu Entscheiclung unserer Frage kaum eignet.

Die Figuren 5 , 3 und 4 sollen die sehr beschrankte Gultigkeit der Beziehung (12) illustrieren. Die Normalaciditatspotentiale ver- schiedener Phenole und Thiophenole sind in diesen Figuren a18 Funktion des Dipolmomentes aufgetragen worden3). &Ian sicht auf den ersten Blick, dsss die Proportionalitat, welche Gleiehung ( l a ) fordert, keineswegs erfullt ist.

Dipolmomcnt

Fig. 2. para-substituierte Derivate. in 48,95-proz.-Alkohol.

l) Siehe Briegleb, 1. c. 2, Bei m-substituierten Benzoesauren ist Gleichung (12) ziemlich gut erfullt.

3, Die Dipolmomente der einzelnen Substituenten wurden den1 Buch ,,Polare Eztcken, 1. c.

iVIoleke1n'' yon Debye entnonimen.

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Fig. 3. mets-substituierte Produkte. ( E ~ ~ ) ~ in 48,95-proz. Alkohol.

Dipohoment

_ _ _ ~ d b . Fig. 4.

ortho-substituierte Derivate. (tat)# in 48,95-proz. Alkohol.

B. D i e Eliminierzmg des elektrostatisehen Effektes. Dn wir q nicht berechnen konnen, bleibt nur der Weg, zwei

Sauremolekeln zu suchen, hei welchen der elektrostatische Effekt genau derselbe, womoglich sber der Ketteneffebt ein verschiedener sein muss. Diese Bedingung ist erfiillt bei zwei Sauremolekeln, die sich nur durch die Art ihrer sauren Gruppe unterscheiden.

Es gibt nicht viele Moglichkeiten, eine h d e r u n g der sauren Gruppe vorzunehmen. Wollen wir die Messung in wasseriger Losung vornehmen, so bleibt wegen der Loslichkeitsverhaltnisse wohl nur eine einzige Moglichkeit, namlich der Vergleich der Aciditaten substi- tuierter Anilinhydrochloride und subst,ituierter Phenole. Dieser

OH

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Fall ist nun deshalh ungeeignet, weil die positive Ionenladung des Anilins ganz anders auf den Suhstituentendipol zuriickwirkt sls die ungeladene Hydroxylgruppe. Sobald man Alkohol als Losungs- mittel wiihlt, werden die Moglichkeiten grosser. Wir vergleichen in dieser Abhandlung die Aciditat cler Phenole und cler Thiophenole. Fuhren wir denselben Substituenten an derselben Stellc in die Phenolmolekel und in die Thiophenolmolekel ein, so muss wirklich in beiden Fallen die elektrische Arbeit a, sehr nahezu dieselbe sein.

OH SH

Geringe Unterschiede kann man sich denken durch eine etwas ver- schiedene Beeinflussung des Substituentendipols durch die saure OH- und die saure SH-Gruppe. Diescr Unterschied ist aber sicher sehr geringfugig, denn die einzelnen Bindungsdipole innerhalb einer Molekel beeinflussen Rich gegenseitig nur wenig. Weiter werderi die Grossen 2 und r beim Phenol etwss anclers sein als heim Thiophenol. Aber der dadurch bewirkte, sicher sehr geringfiigige Unterschietl ist vom Substituenten unabhangig und konnte sich nur bei der Veriinderung der Stellung des Substituenten Bussern.

Wir werden also folgern, dass die Aciditat irgentleines Thio- phenols immer um einen gsnz bestimmten Betrag anders sein w i d sls die Aciditat des entsprechendcn Phenols, wenn cler Kettcneffekt fur die OH- und die SH-Gruppe glcich gross ist. Wenn wir also in unsern Figuren 3, 3 und 4 sowohl die Aciditst dcs Phenols a18 auch die Aciditst des Thiophenols auftragen, so mdssen wir pariillele Kurven erhalten, wenn der Ketteneffekt nicht zum Ausdruck kommt. Wie ausserordentlich schon diese Folgerung erf iillt wird, zeigen die Figuren 2 und 3 fur die para- untl die meta-Derivate. Die Thiophenole sind alle etwa 10000-ma1 starker sauer als die Phenole. In diesem grossen Abstand von cat. 200 Millivolt (er wurde in den Figuren stark verkhrzt) folgt die AciditBt des Phenols sehr genau den Anderungen der Aciditat des entsprechenden Thiophenols. Dieses ist in beiden Losungsmitteln der Fall, in denen die Messung ausgefuhrt wurde, sowohl in 48,9.%proz. als auch in 95-proz. Alkohol (siehe Tabelle I).

Tabelle I. Normalaciditatspotentiale von substituierten Phenoltn und Thiophenolen in 48,95 Vo1.-proz. Athylalkohol = ((eat);)* und und in 95,OO VoLproz. Athylalkohol

= ((eac)f)2 und ( (E , , )~ )~ bei 20° C.

(-A?), = ((za,-)T)l - ( ( c & ) ~

(A:): = ((&.&)l - ((&ac);)z

= ((c,,)?)z - ((+J:)~ (A;): = ((E.,C)T)l - ((.,C)T)Z

Die negativen Normalaciditatspotentiale sind in Millivolt angegeben. Die Ge- Bei denjenigen Zahlen. nauigkeit der einzelnen Messungen betragt ca. & l Millivolt.

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- 1191 - die mit einem * bezcichnet sind, ist die Genauigkeit wegen der starken Solvolyse wahr- scheinlich etwas geringer.

502,l 496,6 498,l 586,9 573,9

473,3 476,4 467,9 5333 55Q

163 163 165 174 190

200 194 197 202 202

Substituent

unsubst.

- ____ .. ___.

540,7 1 205

ortho-C1 o-Br 0- J

o-CH, o-OCH,

664,O 662,l 669,5 754,4* 772,0*

162 165 171 168 198

86 88 87 88

101

77 75 71 95 89

__

87 85 81 94 93

75 75 70 95 90

__

578,l 574,'i 582,2 666,7* 671,2*

598,5 595,1* 594.8 640,6* 666,5*

___

618,O 612,O 607,5 672,5* 675,8* 669,7*

(686,4)

414,s 411,6 416,s 492,s 480,s

398,4 401,3 398,2 438,2 464,3

meta-CI m-Br m- J

m-OCH, m-CH,

675,4 669,5* 666,l 855,7* 755,8*

202 I94 198 202 201

200

pard21 p-Br P- J

P-CH, p-OCH,

p-OH ')

696,4 690,3 684,s 763,S* 766,1* 767,4*

(784,O)

410,6 407,4 406,2 469,5 469,l 484,9

490,3 485,3 482,2 566,4 561,3 587,7

207 205 201

I 203 ~ 207

203

206 205 203 198 205 198

78 78 77 91 90 98

-

79 78 76 96 92

103

- ---

PIIittel fur para 205 205 -- Dies gilt aber nur fur die meta- und para-substituierten

Produkte, und einzig bei para ist der Abstand von Phenol und Thiophenol gleich dem Abstand der beiden unsubstituierten Grund- kiirper (205 Blillivolt), bei meta ist er deutlich etwas geringer (200 Milli- volt). Bei den ortho-Derivaten ist die Parallelitat der beiden Rurven uberhaupt nicht vorhanden.

Die Folgerung aius diesem Tatsachenmaterial ist vollkommen ein- deutig dahin zu ziehen, dass ein Ketteneffekt existiert. Dieser ist, wenn der Substituent in ortho sitzt, sehr gross und fiir jeden Suhsti- tuenten spezifisch. Er bewirkt in sllen Fallen eine Verringerung des Aciditatsabstandes Phenol-Thiophenol und ist am grossten und nahezu gleich bei den Substituenten Cl, Br, J, etwss, aber wenig geringer bei OCH, und sehr klein bei CH,. Dieser Ketteneffekt klingt aber rasch ab mit der Entfernung des Substituenten von der sauren

I) Das Hydrochinon ist als symmetrische zweibasischc Saure aus rein statistischen Gliinden doppelt so stark wie eine einbasische Saure von genau derselben Stiirke (Weg- seheider), deshalb muss zum Vergleich des Hydrochinons mit dem p-Oxythiophenol die Grosse 0,058.1g 2 = 17,5 M. V. yon dem Normalaciditatspotcntial des Hydro- chinons abgezogen werden.

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Gruppe. E r ist in meta-Stellung bereits so gering, dass Unterschiede fiir die verschiedenen Substituenten nicht mehr sicher bemerkt werden. (Die Genauigkeit der angegebenen &,,,.-Werte liegt bei ca. & 1 Millivolt, diejenige der Differenzen infolgedessen bei ca. & 8 Nillivolt.) Seine Existenz verriit sich aber dadurch, dass die Differenzen Phenol-Thiophenol bei meta durchschnittlieh etwas geringer sind als bei den Unsubstituierten und bei para. I n para- Stellung ist von einem Ketteneffekt nichts mehr zu bemerken.

(enJY untl ( E : , ~ ) : die Normalacitli- tatspotentiale von Thiophenol, Phenol, substituiertem Thiophenol und substituiertem Phenol bezeiehncn, so driickt sich diese euperi- mentelle Erkenntnis in Gleichungen folgendermassen aus :

T Wenn w-ir mit (qJT’,

( E : , ~ ) * - (cat)" = 205 31. V. (ea,. )~ - ( F ~ ~ J : = 205 M. V. wenn der Substitucnt in para- sitzt ( F ~ , . ) : - (c:,~): = 200 M. V. wenn der Substituent in rnets sitzt

( E ~ , . ) : - (t.,,)::$:kkonst. wenn der Substitucnt in ortho sitzt

(13)

Und die Folgerungen fiir die Grosse des Ketteneffektes Iauten: A,, = A , = selir klein: fur pas-subst. Produkte

AT# A , = gross: fur ortho-subst. Produkte A , A , = grosser: fur meta-subst. Produkte 1 (14)

Und der Ketteneffekt nimmt in folgender Richtung ab:

C. Die Vernndcrwng des Einflzis-ses tter Substituenten bei der iindcrzsng des Liiszcn’gsmittels.

Wir wissen vorlaufig noch nichts iiber die absolute Grosse von A, und such nichts iiber die Richtung der Wirkung, ob der Ketteneffekt die Aciditat stiirkt oder schwiicht und ob die Wirkung auf die saure SH-Gruppe griisser oder geringer ist als auf die saure OH-Gruppe.. Wir konnen nun aber etwas aussagen iiber cliese nenen Fragen, weil wir die Messungen in zwei verschiedenen Losungsmitteln, in 48,95-proz. und in 95-proz. Alkohol ausgefiihrt hnben. Beim elektro- statischen Einfluss muss sich namlich die Dielektrizitiitskonstante des Losungsmittels geltend machen, wahrend diese auf den Ketten- effekt A keinen Einfluss haben kann. Das driickt sich zunachst darin aus, dass die Aciditatsdifferenzen Thiophenol-Phenol, die ja nur von A abhangen, vom Losungsmittel unabhangig sind (siehe Tabelle). Wenn das bei den o-Derivaten weniger zutrifft, wundern wir uns nicht, denn hier ist ja die Bedingung der Gleichheit des elektrostatischen Einflusses fiir Phenol und Thidphenol am wenig- sten gut gewahrleistet.

Bezeichnen wir die Dielektrizitatskonstanten der beiden von uns benutzten Losungsmittel mit D , und D, und die Verschiedenheit

Halogen > OCH, )) CH,

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1103 - - der Xormalaciditatspotentiale in den beiden Losungsmitteln mit ( A : ) : bzw. (A;): usw., also z. B. :

so ist mit Hilfe von (9) und (11): (A;): = ( ( % C f ) , - ((%,)f),

Die linke Seite dieser Gleichung kann an Hand der Tabelle leicht gepriift werden. I n der Tat sind die Veranderungen, welche die Normalaciditatspotentiale bei Veriinderung cles Losungsmittels erfah- ren, fur die Thiophenole und die Phenole gleich gross (auch dieser Satz trifft natiirlich in ortho am wenigsten zu). Durch eine kleine Umformung von (15) erhalt man (16), worin 'pl und pz die p-Werte in unseren beiden Losungsmitteln bedeuten :

Wenn man nun annimmt, dass die Elektrostriktion (und clamit k ) und der Verteilungsexponent der Kraftlinien 3 fiir alle Substituenten konstant ist, so entsteht Gleichung 1 7 :

(17)

Diese Gleichung ist natiirlich eine Naherung, Bhnlich wie Gleichung (13), aher die Naherung ist wesentlich besser. Die Elektro- striktion riihrt ja hauptsachlich von der negativen Ionenladung und nicht vom Dipol her, und fur nicht allzukleine Werte von r ist sicherlich auch x: vom Substituenten unabhangig. Wichtig ist vor allem, dass fur die Gleichung (17 ) keine Annahmen gemacht werden mussen iiber die Grosse des Substitnentendipols und ein fur verschiedene Substituenten konstantes a.

Wir glauben deshalb, dass wir Gleichung (17) mit gutem Recht wenigstens fiir die meta- und para-Derivate anwenden diirfen. Es erfolgt dies in den Figuren 5 und 6, in welchen wir als Ordinate mittlere (il;),-Werte eintragen, welche die arithmetischen Mittel aus den Werten fur Phenol und Thiophenol darstellen (um die Fehlergrenze herabzudrucken). Als Abszisse wird die Differenz ( EJ,-( EJ aufgetrsgen. Wenn nun der Proportionalitatsfaktor in Gleichung (17 ) bekannt wiire, konnte man eine Gerade mit der riehtigen Neigung durch den Nullpunkt legen, auf welche samtliche Sauren zu liegen kamen, deren Substituent keinen Ketteneffekt ausubt. Das Ausmass eines eventuell vorhandenen Ketteneffektes konnte dann als horizontale Entfernung von dieser Geraden direkt

(A;), - A; = prop. 'F = P O P . [(&:I& - (&',,)I

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abgelesen werden. Wegen der Unkenntnis von x und k kann man indes den Proportionalitatsfaktor nicht ausrechnen, und wir helfen uns deshalb so, dass wir einen konstsnten Ketteneffekt fiir die Substituenten Halogen, O H und OCH, annehmen. Diese Annahme ist nach tlem auf S. 1191 gesagten nicht unbegrundet, wenn man an das rasche Abklingen des Ketteneffektes denkt. Die Punkte fur diese Substituenten mussen also auf einer Geraden liegen, was sehr angenahert der Fall ist. Interessant ist noch die Feststellung, dass diese Gerade bei meta wesentlich steiler verlauft als bei para, was einem griisseren Proportionalitatsfaktor in Gleichung (17) und somit einem grossern z-Wert fur meta entspricht. Dass wirklieh die meta- Stellung einen grosseren z-Wert besitzt als die para-Stellung, das Losungsmittel also gewissermassen zwischen die beiden meta-Stellen besser eindringen kann als zwischen die beiden para-Stellen, hat der eine von uns friiher schon einmal eindeutig festgestelltl).

Fig. 5. Die NorrniLlaciditLtspotentiale als Funktion der Alkoholerripfindlic~tkeit

bei den meta-Derivaten.

Die Fig. 6.

(A:) , bei den para-substituierten Derivaten. Normalaciditatspotentiale ( E ~ ~ ) ~ als Funktion der Alkoholei rnpfindlich kei t

l) Helv. 15, 146s (1932).

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- 1195 - Legen wir nun endlich eine Parallele zu unserer Geraden durch

den Nullpunkt unseres Koordinatensysterns, so bekommen wir jene Linie, auf welcher die Shuren liegen, deren Substituenten nur einen Dipol- und keinen Ketteneffekt ausiiben. Jetzt sind wir auch in der Lage, die Aciditatsveranderung, welche durch einen Substituen- ten ausgeiibt wird, in denjenigen Betrag, den der Ketteneffekt, und denjenigen Betrag, den der elektrostatische Effekt ausubt, aufzu- teilen.

Das Ergebnis der Untersuchung lautet dann folgenderrnassen : Der Substituent CH, ubt in meta und para keinen deutlichen Ketten- effekt Bus, sondern nur einen elektrostatischen Effekt, der die SBure etwas schwacht. Die Substituenten Halogen, OH und OCH, iiben einen Ketteneffekt aus, der sowohl die Aciditat des Phenols als auch die Aciditat des Thiophenols verstarkt. Nur ist die Wirkung auf das Phenol grosser als auf das Thiophenol. In meta-Stellung erhohen diese Substituenten die Aciditat des Phenols durch den Ketteneffekt urn ca. 32 Millivolt und die AciditBt des Thiophenols um ca. 27 Millivolt. In pars-Stellung lauten die entsprechentlen Zahlen fur das Phenol ca. 8 und fiir das Thiophenol ca. 6 M.V. Diese Zahlen sind mit dem friihern qualitativen Befund auf S. 1192, Gleichung 14, im Einklang.

Der elektroststische Effekt ist fiir diese Substituenten gsnz verschiedcn. Er ist, im Gegensatz zum Ketteneffekt, in para eher etwas grosser als in meta-Stellung, und wirkt fur die Halogene saurestarkend. Die Wirkung nimmt in der Richtung J-Br-CI ab'). OH und OCH, wirken elektrostatisch saureschwiichend, und zwar ersteres starker als letzteres2).

Zusummenfnsszcng. 1. Es wird ein Gesetz entdeckt, wonsch die Aciditat in rneta-

Stellung substituierter Thiophenole immer urn ca. 800 Millivolt grosser ist als die Aciditat der entsprechenden Phenole, und wonach die Aciditiit in para-Stellung substituierter Thiophenole immer urn ca. 203 Millivolt grosser ist als die Aciditat der Phenole.

Die Abhgngigkeit der Aciditat von Phenolen und Thio- phenolen von der Zusammensetzung des als Losungsmittel gebrauchten Wasser-Alkohol-Gemisches hBngt vom Substituenten und seiner Stellung in der Molekel ah.

2 .

l) Die Dipolmomente p nehmen gerade in der umgekehrten Richtung ab. Es ist dies aber kein Argument gegen unsern Befund, denn die Dipolmomente konnen in so stark polaren Losungsmitteln, wie sie fur Aciditatsmessungen notwendig sind, v o k andem sein als in den nicht-polaren Losungsmitteln, in denen dielektrische Messungen gewohnlich vorgenommen werden.

2, Dass die Momente OH und OCH, ihre negativen Teile dem Benzolkern zukehren, hat bereits Wolf (Z. physikal. Ch. [B.] 3, 125 (1929) angenommen und verxvundert heute nicht mehr so sehr.

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3 . Die empirisch gefundenen Tatsachen clcr Punktc 1 und 2 werclen interpretiert. Msn kann sie nur verstehen, wenn nian snnimmt, dass der Einfluss, tlen ein Substituent suf die Aciditat msubt, in zwei Teile zerlegt werden muss. Der erste Teil ist ein elektrostatiseher Einfluss des Substitiientendipols. Der zvvcite Teil wircl vorlaufig noch nicht gedeutet. Es ksnn von ihm jedoch aus- gesagt werden, (lass er, im Unterschied zum elektrostatischen Teil, auf die ssure Hytlroxylgruppe des Phenols stiirker wirkt als auf die saure Sulfhytlrglgruppe des Thiophenols, und class er nicht beein- flusst werden Icann durch Vergndern des Losungsmittels. Es ist wshrscheinlich, dass er datlurch zustande kommt, class der Substi- tuent durch die Atomkette clay Elektronengebaude des Atoms, wclches den sauren Wasserstoff tragt, derart beeinflusst, dass die Austritts- arbeit des Protons veriLndert wird.

4. Fur die meta- und die pars-Stellung konnte die ungefiihre Grosse tlieser Effekte sngegeben werden, und fiir die ortho-Stellung wurden die Verhaltnisse qualitativ geschiltlert.

Chemisches Institut der Universitat ZLirich.

133. Abbau der Chinasaure zur Citronensaure (1. Mitteilung uber Chinasiiure und Derivatel)

von Hermann 0. L. Fiseher und Gerda Dangsehat (22. VII I . 31.)

Vor zwei Jahren konnten wir die iintenstehencte Formel der Chinssaure (I) bewciscn2) uncl bringen heute den oxyclativen Abbau der Chinasiiure zur Citronenssure in einer Reaktionsfolge, wclche die damals schon sichergestellte Formulierung erneut erh&rtct :

Dss in unserer zweiten Mitteilung iiber Chinasaure (1. c . ) beschriebene Chinasaure-amid-aceton (11) lasst sich mit 2 Alolelieln P e r j o d s a u r e unter offnung des Cyclohexanringes und Heraus- spaltung eines Kohlenstoffstoms in Form von Ameisensaure, glatt zum schon krystallisierten Dihydrst eines Citronensaure-dialdehyds (111), der am mittelsten Kohlenstoffatom den Amid-aceton-Ring3)

l) Fruhere Mitteilungen: B. 54, 775 (1921); B. 65, 1009, 1037 (1932). 2, Diese Formel wurde vor Jahren von fl. Emde (Apotheker-Z. 32, 601 (1917))

auf Grund rein theoretischer Erwagungen vorgeschlagen und 1932 von uns bewiesen, nachdem P. I h r e r und Mitarbeiter (Helv. 8, 195 (1925)) in der Zwischenzeit eine andere Auffassung vertreten hatten. Vgl. auch H . Emde, Ber. Sachs. Ges. Wiss., math.-physikal. K1. 83, 219 (1931).

3, Vgl. zur Nonienklatur und Konstitution €I . 0. L. F i s e l w , G. Dnngsclrnt uncl H . Sfet tmcr, R. 65, 1032 (1932'.